MEDIZIN INDIVIDUELL

SOMMER 2002

editorial

inhalt

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spendenprojekte

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

· Menschliche Medizin braucht privates

„Fass das nicht an – da sind Bazillen dran !“

und soziales Engagement

Zu meiner Erinnerung an die 50er Jahre gehört dieser Schreckensruf. Unsichtbar lebten die Bazillen in der schmuddeligen Schattenseite jener leuchtenden Fortschrittswelt, die uns das „strahlendste Weiß Ihres Lebens“ und die hygienische, abwaschbare Verpackung bescherte. Die Fantasie, was die Unsichtbaren so treiben – vor allem wenn sie auch auf uns herumzukrabbeln beginnen – rührte an UrÄngste: Schlagt das Ungeziefer tot! Zum Glück gab es das Penicillin, die scharfe Waffe gegen die Erreger allen Übels, die der weißgekleidete Dr. Fleming gefunden hatte. Sein markantes Profil im „Reader’s Digest“ hat sich mir tief eingeprägt.

· Mit Thymian gegen gefährliche Keime neues aus herdecke 5

· Das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke feiert seinen 33-sten Geburtstag · Neuer Datenhighway

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· Betriebseurythmie fördert soziale Kompetenzen · Berichtigung zum Thema „Kopfschmerzen“

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· Darf der Mensch alles tun, was er

Doch die scharfe Waffe wird stumpf: Immer häufiger versagen Antibiotika gegen Bakterien, besonders bei schwer kranken Menschen, deren Immunabwehr stark geschwächt ist. Die Erkenntnis, dass die Bakterien resistent werden, lehrt uns, dass etwas an diesem Kinderglauben, dem Feindbild der Bakterien falsch sein muss.

tun könnte? wenn antibiotika versagen 8 10

· Bakterien sind ganz anders · Leben in der Isolation · Die heimliche Macht der MRSA

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· Die Mittelohrentzündung –

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· Immunabwehr und

ein Zivilisationsphänomen ? Antibiotikabehandlung 14

· Besser auf Holzbrettchen frühstücken · Mit Pflanzen gegen Bakterien & Co.

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· Homöopathie im Schweinestall

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· Bakterien und ihre Unempfind-

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· Hygiene zu Hause ohne Antiseptika · Buchhinweise nachgefragt

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· „Wir Physiotherapeuten sind auch Ansprechpartner für seelische Konflikte” medizin magazin

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· Ordnung schaffen und

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· Wei-Qi, Schutzschirm

sauber machen gegen Erkältung

ernährung 22

· Ballaststoffe in der Nahrung

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Titelbild: Das Bakterium Pseudomonas aeruginosa in 6000facher Vergrößerung

lichkeit gegen Antibiotika

Christoph Rehm zeichnet in seinem Artikel auf Seite 8 ein anderes Bild der Bakterien: „Ihre überwiegende Rolle besteht darin, gesundes höheres Leben zu ermöglichen.“ Der Feind ist in uns, wir leben in seiner Biosphäre. Eine Symbiose mit den Bakterien gelingt aber nur, wenn unsere Immunabwehr reaktionsfähig ist. Ärztliche Kunst besteht darin, die Abwehrlage des Kranken zu beachten und die Therapie daran zu orientieren: die Immunabwehr anregend, unterstützend oder entlastend. Christoph Schnürer und Arndt Büssing beschreiben Therapie als „risikoadaptiertes Vorgehen“: ganz nah am Patienten, aufmerksam begleitend und die Wirkung beobachtend. Dazu gehören Maßnahmen, die den ganzen Menschen ansprechen. So lassen sich Antibiotika gezielt genau dann einsetzen, wenn sie wirklich erforderlich sind. Merke: Wer mit sich selbst nicht im Reinen ist, findet überall Feinde. (Chinesisches Sprichwort)

Peter Zimmermann Vorstand des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke Telefon (0 23 30) 62-3638

Freundeskreis des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke

Menschliche Medizin braucht Ihr persönliches Engagement

Wir möchten Sie herzlich in unseren vielen Unterstützer des GemeinschaftsFreundeskreis einladen. krankenhauses schafft die Grundlage, diese besondere Güte und Qualität Mehr Zeit für ganzheitliche Behandlung, anbieten zu können. mehr Zeit für besondere Pflege, mehr Zeit für Gespräche – das kann für jeden Unser Freundeskreis unterstützt das von uns einmal wesentlich sein. Das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke, persönliche Engagement aller Mitarbei- damit auch zukünftig mehr Zeit für den ter und Mitarbeiterinnen sowie das der einzelnen Patienten ermöglicht wird und vielen Patienten und Patientinnen auf ihrem individuellen Weg durch Kurt Tucholsky menschliche Medizin geholfen werden kann.

Freundschaft ist wie Heimat.

Foto: Weleda

spendenprojekte

Forscher brauchen Spenden

Mit Thymian gegen gefährliche Keime Immer mehr Keime werden widerstandsfähig gegenüber Antibiotika. Die pharmazeutische Industrie kann nicht mehr schnell genug neue Antibiotika entwickeln. Eine der wichtigsten Medikamentengruppen der Neuzeit verliert an Wirkung. Wir brauchen dringend alternative Methoden zur Behandlung bakterieller Infektionen. Es ist zwar schon längere Zeit bekannt, dass Pflanzenauszüge, die ätherische Öle enthalten, zum Beispiel der Thymian (Thymus vulgaris), Bakterien abtöten können, doch systematische klinische Untersuchungen stehen bislang aus. In einer Pilotstudie wollen Ärzte, Mikrobiologen und Hygieniker des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke

Ihr Engagement im Freundeskreis: Ein kleiner Beitrag für Sie, eine große Hilfe für uns. Als kleines Dankeschön werden wir Ihnen regelmäßig „Medizin individuell“ zusenden und Sie gerne zu interessanten Veranstaltungen in unserem Haus einladen.

zunächst die Wirkung von Thymianextrakten auf die normale Hautflora von einzelnen gesunden Probanden untersuchen. Es folgen Untersuchungen an pathogenen Keimen, die hochresistent gegen Antibiotika sind und auf gesunde Haut aufgebracht werden. Diese Experimente sind unabdingbare

Wir freuen uns, wenn Sie unsere Gemeinschaft mit Ihrer Persönlichkeit bereichern. Bitte rufen Sie uns an, wir geben Ihnen gerne weitere Informationen.

Voraussetzung für die eventuelle Unter-

Martina Oster und Stephan Rotthaus Telefon (0 23 30) 62-3062 | E-Mail: [email protected].

fortgesetzt werden! Durch die Arbeit

suchung an infizierten Wunden. Helfen Sie mit, diese wichtige Pilotstudie zu ermöglichen, denn ohne Ihre Unterstützung kann das Projekt nicht dieser Forscher kann unter Umständen vielen Menschen eine langwierige und schmerzhafte Infektion erspart oder

Foto: Stephan Brendgen

sogar ihr Leben gerettet werden.

Ein kleiner Beitrag für Sie. Eine große Hilfe für uns.

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Bitte geben Sie auf dem Überweisungsträger das Stichwort „ThymianForschung“ an. Dr. Christoph Rehm und Franz Sitzmann

neues aus herdecke

11. bis 16. November 2002 – Termin bitte vormerken!

Das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke feiert seinen dreiunddreißigsten Geburtstag Aktiv und besinnlich, mit künstlerischen Projekten und Diskussionsforen: so feiert das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke in diesem Herbst sein 33-jähriges Bestehen. Mit der Rückbesinnung auf den Gründungsimpuls Gerhard Kienles im einleitenden Abendvortrag von Peter Selg ist die Frage verbunden nach dessen Weiterwirken in die Zukunft. Vorträge von Michaela Glöckler und Johannes Stüttgen sollen zur Auseinandersetzung damit anregen. Außerdem finden viele andere Aktivitäten statt: künstlerische Kurse, Diskussionsrunden zu aktuellen gesundheitspolitischen Themen, eine humoristische Abendveranstaltung, das Entstehen eines Farbraumes und vor allem Begegnung. Im Austausch aller Beteiligten soll ermöglicht werden, dass viele Farben in das Zukunftsbild des Gemeinschaftskrankenhauses eingebracht werden können. Nach 33 Jahren muss der Impuls der Gründerpersönlichkeit verwan-

Hand in Hand – Schulmedizin und erweiterte Medizin am Gemeinschaftskrankenhaus delt werden. Welche Form ist geeignet, alle Kräfte und Motive zu umfassen? Welche heutige Form der Zusammenarbeit birgt den Keim einer nachhaltigen Zukunft in sich? Dazu sind nicht zuletzt vor den veränderten gesundheitspolitischen Gegebenheiten neue Ideen und neue Fähigkeiten erforderlich. Im Miteinander

Neuer Datenhighway Vier EDV-Mitarbeiter und ein Auszubildender betreuen und organisieren die Computeranlagen des Gemeinschaftskrankenhauses. Damit die elektronischen Daten zukünftig noch schneller ans Ziel kommen, wurde am 2. April ein neues Krankenhausinformationssystem in Betrieb genommen. Orbis, so heißt die neue Software, soll helfen, Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung zu stellen. Durch die bessere Vernetzung der einzelnen Abteilungen können Informationen wie zum Beispiel Laborergebnisse oder Röntgenbilder zukünftig effizienter ausgetauscht werden. Das spart Kosten und Zeit. Zeit, die wir dann wieder für unsere Patienten nutzen können. NA

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Foto: Stephan Brendgen-

wird es möglich sein, diese zu entwickeln. Dazu soll die Woche vom 11. bis 16. November 2002 einen Impuls geben. Wir freuen uns über jeden, der daran mitgestalten möchte. Barbara Trapp-Hoyer | Heileurythmistin am Gemeinschaftskrankenhaus Telefon (0 23 30) 62-3507

Foto: Stephan Brendgen

neues aus herdecke

Betriebseurythmie fördert soziale Kompetenzen

Die Angebote des Gemeinschaftskranken-

In ihrem Buch „Betriebseurythmie – ein Übungsweg zu Teambildung und beweglicher Arbeitsorganisation” möchten die Autoren Michael Brater, Ute Büchele und Ralf Gleide die Betriebseurythmie als ein Mittel zur besseren Kommunikation vorstellen. Betriebseurythmie ist ein künstlerischer Übungsweg, der berufsbezogen eingesetzt wird. Sie kann in Unternehmen und Einrichtungen durchgeführt werden. Sie schult in ganz eigener Weise kommunikative und soziale Kompetenzen sowie die Fähigkeit, als Teil einer Arbeitsgemeinschaft situationsbezogen zu handeln. Betriebseurythmie kann die auf dem Gebiet der Arbeitsorganisation lange vernachlässigten dialogischen und sozialen Dimensionen der menschlichen Vernunft neu wecken. Anstelle eines Vorwortes schildert Annemarie Ehrlich in einem Interview ihre Erfahrungen, die sie seit 1989 drei- bis viermal im Jahr für je drei Tage im Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke im Rahmen der Betriebseurythmie machte. FS

Foto: Stephan Brendgen

hauses Herdecke Zentrale (0 23 30) 62-0 www.gemeinschaftskrankenhaus.de [email protected]

Chirurgie und Urologie 56 Betten, (0 23 30) 62-3444 Dialyse 8 Plätze, (0 23 30) 62-3596 Frauenheilkunde 23 Betten, (0 23 30) 62-3456 Geburtshilfe 30 Betten, (0 23 30) 62-3456 Innere Medizin 85 Betten, (0 23 30) 62-3596 Kinderheilkunde 32 Betten, (0 23 30) 62-3907 Klinische Frührehabilitation 32 Betten, (0 23 30) 62-3332 Neurochirurgie 32 Betten, (0 23 30) 62-3414 Neurologie 27 Betten, (0 23 30) 62-3501 Psychosomatische Medizin 16 Betten, (0 23 30) 62-3037 Abteilung für Querschnittgelähmte

Michael Brater, Ute Büchele, Ralf Gleide, „Betriebseurythmie - ein Übungsweg zu Teambildung und beweglicher Arbeitsorganisation“ Verlag Freies Geistesleben Stuttgart ISBN: 37 72 51 10 90 | 9,90 Euro

20 Betten, (0 23 30) 62-3425 Psychiatrie •

Kinder- und Jugendliche 38 Betten, (0 23 30) 62-3909 und Tagesklinik



Junge Erwachsene 26 Betten, (0 23 30) 62-3027



Erwachsene 34 Betten, (0 23 30) 62-3406



Psychiatrische Tagesklinik 20 Plätze, (0 23 02) 91 49 50

Berichtigung zum Thema „Kopschmerzen“

Kooperationen

Bei der Erstellung der Artikel in Heft 7 zum Thema: „Wenn der Kopf schmerzt” und „Was tun bei akuten Schmerzen?” sind auf den Seiten 14 und 15 leider Fehler unterlaufen. Richtigzustellen sind folgende angeführte Therapiehinweise:

Thrombozytenaggregation durch Hemmung der Prostaglandinsynthese.

2. Für die Pfefferminzanwendung gilt die Empfehlung, dass zur Selbstmedikation bei leichten Kopfschmerzen Pfefferminzöl hilfreich ist, das auf Stirn 1. Aspirin senkt keinesfalls den Cho- und Schläfen aufgetragen wird. Tees lesterinspiegel, sondern hemmt die sind zu niedrig konzentriert.

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Radiologische Praxis Dr. Pallapies und Dr. Behring - Computertomograph - Kernspintomograph



Kardiologische Praxis Dr. Liebermann und Dr. Arens - Herzkatheterlabor



Pulmologische Privatpraxis Dr. Schnürer

neues aus herdecke

Gründung des Institutes Mensch, Ethik und Wissenschaft in Berlin

Darf der Mensch alles tun, was er tun könnte? Menschen, die nicht selbst entscheiden können, was sie möchten und was nicht, haben in unserer Gesellschaft, die oftmals ein reduktionistisches Menschenbild (der Mensch ist nicht mehr als die Summe seiner Teile) vertritt, einen schweren Stand. In den Jahren 1997 und 1998 wurde anlässlich der so genannten Bioethik-Konvention des Europarates bei vielen Kongressen und Tagungen über die vorgesehene Forschung an nicht einwilligungsfähigen Menschen diskutiert. Bei diesen Tagungen wurde die Funktion der Ethik als reine Legitimationsdisziplin deutlich. Doch wer bestimmt, was ethisch vertretbar ist? Darf alles getan werden, was technisch möglich ist? Wo sind die Grenzen der modernen Medizinforschung? Um Menschen in diesen Fragen Unterstützung zu geben, um Richtungen aufzuzeigen, wurde jetzt nach

jahrelanger Vorbereitungszeit, ein EthikInstitut gegründet, angeregt von Prof. Dietrich Dörner (ehemaliger Chefarzt der Psychiatrie Gütersloh und Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie an der Universität Witten/Herdecke) und Dr. Paolo Bavastro (Leitender Arzt der Inneren Abteilung an der Filderklinik und Landesvorsitzender des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg). Das Institut bekennt sich klar zu einem umfassenden, nicht reduktionistischen Menschenbild. Nicht die faktische Macht des Machbaren zu akzeptieren und zu schauen, was man am besten daraus machen kann, sollte die Aufgabe sein, sondern die faktische Macht des Machbaren selbst zu hinterfragen. Ein drittes starkes Element des Institutes ist es, die Verbände der Schwächeren in unserer Gesellschaft zu integrieren – gerade als Signal in der Gesellschaft.

So sind zum Beispiel die Bundesgemeinschaft für Behinderte und der Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte Gesellschafter des Institutes. Das Institut trägt bewusst den Namen „Mensch” an erster Stelle, um zu signalisieren, dass der Mensch in seiner Ganzheit, in seiner Komplexität stets im Zentrum der Bemühungen des Institutes stehen wird. Dott. Paolo Bavastro Filderklinik in Filderstadt

Wettbewerb: „Was ist das?“ Oft sind es die kleinen Dinge, die uns zum Staunen bringen können.

deten Buches „Menschen im Gemeinschaftsrankenhaus. Innenansichten einer anderen Medizin“. Die Gewinner Versuchen Sie doch einmal herauszu- werden in der nächsten Ausgabe veröffinden, zu welchem Bereich in unserem fentlicht. Haus die abgebildete Detailaufnahme gehört. Als kleiner Tipp: „In unserem Viel Glück wünscht Ihnen der FreundesHaus“ bedeutet nicht unbedingt „im kreis des Gemeinschaftskrankenhauses. Haus“... MO Bitte schicken Sie die Lösung bis zum 27. August 2002 an den Freundeskreis des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke, z.Hd. Martina Oster. Vergessen Sie nicht, Ihren Namen und Ihre Anschrift anzugeben. Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir drei Exemplare des abgebil-

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Foto: Stephan Brendgen

antibiotikaversagen

Bakterien sind ganz anders Bakterien sind zwar mikroskopisch klein und deshalb fast immer unsichtbar, aber: Ohne diese allgegenwärtigen Organismen gäbe es keine Erdgeschichte, ohne sie keine Evolution von Pflanzen, Tieren und Menschen. Ohne sie könnte kein Leben auf der Erde existieren. Gegenüber dieser überragenden Bedeutung für alles Leben auf unserem Planeten stellen die Krankheitserreger unter ihnen eher ein Randphänomen dar.

Bakterien und Evolution Von allen Organismen, die sich heute auf unserer Erde finden, gelten Bakterien als die ältesten. Ihre Entstehung liegt mehr als vier Milliarden Jahre zurück. Bakterien sorgten in der frühen Erdgeschichte bereits für den Aufbau von Gesteinen. Ein Beispiel sind die so genannten Stomatholithe – durch Cyanobakterien ausgefällte Kalkablagerungen, die auch heute noch entstehen können. Bakterien bewirkten aber vor allem die Bildung einer Sauerstoff-

atmosphäre – eine Voraussetzung für die weitere Entwicklung pflanzlichen und tierischen Lebens. Außer der Photosynthese (der Fähigkeit, aus CO2 und Wasser, Zucker und Sauerstoff herzustellen) entwickelten die Bakterien grundlegende Prinzipien des zellulären Energiestoffwechsels und der Zellatmung. Und die dritte große Errungenschaft: die Entwicklung des genetischen Codes, der für alle späteren höheren Organismen seine Gültigkeit behalten hat. Zwischen Pflanzen und Tieren besteht eine globale Stoffwechsel-Beziehung: Pflanzen synthetisieren aus Wasser und Kohlensäure (CO2) Zuckerstoffe, so genannte Kohlenhydrate. Dazu nutzen sie als Energiequelle das Sonnenlicht. Bei dieser Photosynthese entsteht gleichzeitig der Sauerstoff unserer Atmosphäre. Dieser Sauerstoff wird von Mensch

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antibiotikaversagen

und Tier eingeatmet und bei der „Verbrennung” der Nahrungsstoffe in den Körperzellen verbraucht. Die gewonnene Energie dient den physiologischen Leistungen des Organismus: Wachstum, Regeneration, Muskelbewegung, Wärmehaushalt, Abwehr, Ausscheidung und anderem. Die bei der inneren Verbrennung entstehende Kohlensäure wird ausgeatmet und steht den Pflanzen wieder für die Photosynthese zur Verfügung. Ein faszinierender Kreislauf des Lebens.

Bakterien schützen Haut und Schleimhäute von Tier und Mensch – ohne schützende Bakterien werden vor allem die Schleimhäute, zum Beispiel die Mundschleimhaut des Menschen, krank und anfällig für Infektionen durch schädliche Mikroorganismen wie Hefepilze oder Viren. Im Darm von Tieren und Menschen erzeugen Bakterien ein Milieu, das zur gesunden Verdauung notwendig ist. Bakterien regen das Immunsystem von Tier und Mensch an, wodurch es zur Abwehr von Infektionen gestärkt wird.

Auf welchem Wege aber konnten die Pflanzen die Fähigkeit zur Photosynthese in der Evolution entwickeln? Die Organellen, welche in der Pflanzenzelle die Photosynthese ermöglichen, werden als Chloroplasten bezeichnet – in ihnen ist der grüne Farbstoff, das Chlorophyll, enthalten, das die Energie des Sonnenlichtes einfangen kann. Es ist heute bewiesen, dass die Chloroplasten ursprünglich Bakterien waren. Diese kleinen, einst freilebenden Bakterien sind in die Vorläufer der Pflanzenzellen eingewandert. Die spätere Pflanzenzelle hat ihre Photosynthesefähigkeit also nicht selbst entwickelt, sondern nur durch den Einbau von Bakterien erlangt. Durch diesen synthetischen Evolutionsschritt haben Bakterien ihre besondere Fähigkeit zur Verfügung gestellt und so die Pflanzenentstehung erst ermöglicht!

Bakterien sind in der gesamten Biosphäre an den Kreisläufen von Stickstoff, Phosphor, Kohlenstoff und Schwefel maßgeblich beteiligt. Bakterien erzeugen unter bestimmten Bedingungen im Meer, in Seen und im Erdboden Stoffe, die in die Atmosphäre aufsteigen und dort zur Wolkenbildung führen. Diese von den Bakterien gebildeten Stoffe wirken als Kondensationskeime in der wasserdampfgesättigten Luft: Dadurch üben Bakterien einen erheblichen Einfluss auf das Wettergeschehen aus!

In der Ernährung spielen Bakterien seit Menschengedenken eine große Rolle. Sie kommen bei der Erzeugung und Konservierung verschiedener Nahrungsmittel zur Anwendung (zum Beipiel bei Sauermilchprodukten, Käse, Sauerkraut, Sauerteigbrot und Essig). Darüber hinaus haben Bakterien eine breite Anwendung in biotechnologischen ProAuf welche Weise haben die höheren Organismen in zessen gefunden. Die industrielle Synthese von zum Beider Evolution ihre Fähigkeit zur Zellatmung und zum spiel Vitaminen, Hormonen, Antibiotika, Aminosäuren und damit verbundenen Energiestoffwechsel erworben? Eben- Enzymen wird heute ganz oder in Teilschritten von Baktefalls durch Bakterien! Die so genannten Mitochondrien, die rien vollzogen. „Kraftwerke“ der Zelle, in denen die „Verbrennung“, der Sauerstoffverbrauch stattfindet, sind ebenfalls Zellorganel- Bakterien sind also nicht in erster Linie zu bekämpfende len, die ursprünglich als Bakterien in synthetischer Evolu- Krankheitserreger. Sie sind vielmehr in ihrer Vielseitigkeit tion in die Zellen aufgenommen wurden. und Unentbehrlichkeit einzigartig. Weder eine Evolution des Lebens noch das heutige Leben auf unserem Planeten Bakterien waren es also, die mit Photosynthese und Zellwären ohne sie denkbar. Sie durchdringen alle Räume der atmung die unabdingbaren Grundlagen für alles höhere Biosphäre. Ihre überwiegende Rolle besteht dabei darin, Leben in der Evolution entwickelt und eingebracht haben! gesundes höheres Leben zu ermöglichen. Sie „verzichten” Noch heute leisten vor allem in den Weltmeeren photodabei auf die Ausbildung einer eigenen Gestalt und sind synthetische Cyanobakterien einen erheblichen Beitrag zur weitgehend im Unsichtbaren tätig – oft nur an ihren WirVersorgung unserer Atmosphäre mit Sauerstoff. kungen bemerkbar. Es besteht Grund, ihnen die größte Bewunderung zu zollen.

Bakterien in der Biosphäre Neben ihrer herausragenden Rolle in der Evolution des Lebens sind Bakterien bei einer Vielzahl von Lebensvorgängen in unentbehrlicher Weise beteiligt. Dazu gehören unter anderem die Verwitterungsvorgänge von Gesteinen und die Verrottung organischen Materials zu Humus, dem lebentragenden Bestandteil aller fruchtbaren Böden.

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Dr. Christoph Rehm | Mikrobiologe Laborleiter am Gemeinschaftskrankenhaus Telefon (0 23 30) 62-3600

Foto: eye of science

antibiotikaversagen

Patientenporträt: Markus Schenderlein

Leben in der Isolation Die Station für Rückenmarkverletzte am Gemeinschaftskrankenhaus: Türen rechts und links. Es riecht nach Krankenhaus. Etwas unterscheidet diese Station von anderen: An manchen Türen hängen auffällige rote Schilder. Hinter einer dieser Türen liegt Markus Schenderlein. Seit einem halben Jahr lebt er hier, von jedem direktem Kontakt abgeschlossen. Vor seiner Tür steht ein fahrbarer Tisch mit Desinfektionsmitteln, Handschuhen, Kitteln und Mundschutz. Jeder der in sein Zimmer will, muss sich hier „verkleiden“. Denn Markus Schenderlein hat eine bakterielle Infektion, deren Ausbreitung verhindert werden soll. Der Keim, der ihn befallen hat, heißt MRSA. Es wird vermutet, dass mehr als ein Drittel der deutschen Bevölkerung diesen Keim im Körper hat, ohne dass er Schaden anrichtet. MRSA kann aber für immungeschwächte Patienten zum Problem werden. Vor allem deshalb ist Markus Schenderlein isoliert: Es soll verhindert werden, dass sich andere Patienten anstecken.

Die heimliche Macht der MRSA Die Abkürzung MRSA bezeichnet Bakterien, die zur Gruppe der Staphylokokken gehören und gegen eine bestimmte Antibiotikumgruppe widerstandsfähig geworden sind. Staphylokokken, speziell der Staphylococcus aureus (Bild oben), sind sowohl innerhalb wie auch außerhalb der Krankenhäuser ein sehr häufiger Erreger bakterieller Infektionen. Etwa 30 bis 40 % der deutschen Bevölkerung sind mit Staphylococcus aureus besiedelt, ohne dass diese Besiedelung direkt eine

Seine eigene Krankengeschichte beginnt im Sommer 1995. Da war er als Betreuer mit Jugendlichen auf einer Ferienreise. Er fuhr mit dem Motorrad voraus, der Rest der Gruppe in PKWs hinterher. In einer scharfen Rechtskurve kommt ihm ein Auto auf seiner Spur entgegen. Markus Schenderlein versucht noch auszuweichen – zu spät. Seit über sechs Jahren sitzt er nun im Rollstuhl. Er kann seine Arme normal einsetzen, seine Beine sind gelähmt. Der Krankenpfleger hat sein Leben umgestellt. Er machte eine zusätzliche pädagogische Ausbildung und bildet seitdem junge Menschen in Krankenpflegeschulen aus. Wo er sich den MRSA-Erreger eingefangen hat, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Aufgefallen ist er erst hier im Krankenhaus. Markus Schenderlein wurde vor knapp einem halben Jahr eingeliefert, weil er sich vier offene Stellen an den Knöcheln und am Gesäß zugezogen hatte. Auf einem Rutschbrett sitzend hatte er Parkett in seinem neuen Haus verlegt und dabei wohl einige Körperteile zu stark belastet. Die offenen Wunden müssen abheilen, erst dann darf Markus Schenderlein das Krankenhaus verlassen. Aber der MRSA-Erreger verzögert die Wundheilung spürbar. Er hat sich in der einen immer noch offenen Wunde festgesetzt. Eine Therapie mit Antibiotika ist kaum möglich. Gegen viele Präparate ist der Keim resistent geworden. Um nicht auch noch die letzten wirksamen Waffen zu verlieren, gehen die Ärzte mit dem Einsatz der wenigen Reserve-Antibiotika äußerst sparsam um. Nur in der ersten Woche hat Markus Schenderlein ein Präparat erhalten, um eine lebensgefährliche Blutvergiftung abzuwenden. Jetzt wird er mit homöopathischen Mitteln behandelt, die sein Immunsystem anregen sollen, eigene Abwehrkräfte zu bilden. Nach nun fast sechs Monaten hat Markus Schenderlein die Isolation satt. Er sehnt sich nach einem normalen Leben zu Hause. Danach, mit seiner Familie oder Freunden etwas zu unternehmen. Den geliebten VfL Bochum mal wieder live zu sehen. Ganz normale Dinge eben, die ihm jetzt noch verwehrt sind.

Es gibt nur noch sehr wenige wirksame Medikamente

Stephan Rotthaus und Nadine Schmitt

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Krankheit auslöst. Seit Anfang der 70er Jahre haben aber einige Staphylokokken-Stämme Resistenzen gegen die üblicherweise eingesetzten Antibiotika entwickelt, und zwar gegen den Wirkstoff Methicillin. Diese Stämme werden seitdem Methicillin-resistenteStaphylococcus-aureus genannt (= MRSA). Die krank machenden Eigenschaften der MRSA unterscheiden sich nicht von denen anderer Staphylokokken. So sind Atem- und Harnwegsentzündungen häufige Erscheinungsbilder. Treten solche Symptome im Rahmen einer Infektion durch MRSA auf, können sie nicht mit den üblichen wirksamen Antibiotika behandelt werden. Die Infektion kann sich ausbreiten und zu ernsthaften Erkrankungen wie Lungenentzündung oder Blutvergiftung führen. Nur sehr wenige Medikamente können dann noch eingesetzt werden. Diese haben allerdings deutlich mehr Nebenwirkungen und sind sehr teuer. Einige MRSA-Stämme haben die Eigenschaft, sich unter den besonderen Bedingungen des Krankenhauses schnell auszubreiten, insbesondere bei chronisch Kranken und Patienten mit herabgesetzter Abwehr. Um die Zahl MRSA-infizierter Patienten so gering wie möglich zu halten, werden in Krankenhäusern strenge Isolierungs- und Behandlungsmaßnahmen durchgeführt. FS

antibiotikaversagen

Die Mittelohrentzündung – ein Zivilisationsphänomen ? Der an der Kinderambulanz des Gemeinschaftskrankenhauses praktizierte zurückhaltende Umgang mit Antibiotika im Rahmen der anthroposophisch erweiterten Medizin ist lange erprobt. Er hat aber auch kritische Reaktionen in Fachkreisen provoziert. Am Beispiel der Mittelohrentzündung kann anhand neuerer Untersuchungen gezeigt werden, dass der eingeschlagene Weg nicht ins Abseits geführt hat.

Ohrenschmerzen gehören zu den häufigsten Gründen für einen Arztbesuch im Kindesalter. Meist verbirgt sich dahinter eine Entzündung des Mittelohres, die nicht selten mit erheblichem Leidensdruck einhergeht. Der Schmerz hält oft nur kurz an, ist aber heftig und in der Regel begleitet von Fieber und einem allgemeinen Krankheitsgefühl. Die Mittelohrentzündung kommt insbesondere bei kleinen Kindern vor und ist im ersten Lebensjahr am häufigsten. Ein Grund dafür mag sein, dass die so genannte Tube, das rohrartige Verbindungsstück zwischen Rachenhinterwand und Mittelohr, im frühen Kindesalter noch sehr kurz ist: Man mutmaßt, dass Infektionen aus dem Rachenbereich leichter in das Mittelohr gelangen können. Dies allein kann aber nicht Grund dafür sein, dass sich die Zahl von Mittelohrentzündungen in den letzten Jahren erhöht hat: In den USA hat sich die Anzahl der Besuche beim Hausarzt wegen einer „Otitis media“ von 1975 bis 1990 fast verdreifacht. Auch in Finnland konnte zwischen 1974 und 1995 eine annähernde Verdoppelung der Neuerkrankungen an Mittelohrentzündung festgestellt werden. Zwar zeigte sich, dass Nichtstillen, der Gebrauch eines Schnullers und ein früher Kindergartenbesuch zu einem gehäuften Auftreten der Krankheit disponieren. Diese Faktoren allein aber dürften in den letzten 20 Jahren weder in Finnland noch in den USA erheblich zugenommen haben. Die Frage nach der Entstehung und der Häufigkeit von Mittelohrentzündungen hat aller Wahrscheinlichkeit nach auch etwas zu tun mit der Behandlung dieser Erkrankung. Mittelohrentzündungen heilen zwar meist schnell ab, können aber auch in kürzeren Abständen wieder auftreten. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die in Deutschland und in vielen anderen Ländern übliche Behandlung mit Antibiotika unter Umständen sogar mit dafür verantwortlich ist, dass die Gesamtzahl der Erkrankungen zugenommen hat. Seit langem ist bekannt, dass der häufige Gebrauch von Antibiotika auch bei Kindern dazu führt, dass die Erreger von Entzündungen immer schlechter durch die eingesetzten Präparate bekämpft werden können. In vielen Ländern hat dies dazu geführt, dass Basisantibiotika wie Penicillin

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kaum mehr wirksam sind. Wenn man in der medizinischen Fachliteratur nach Daten sucht, die eine positive Wirkung von Antibiotika bei der Mittelohrentzündung zeigen, so wird man enttäuscht. Große so genannte Meta-Analysen von vergleichenden Studien zeigen, dass der Behandlungserfolg sich nicht wesentlich unterscheidet bei Patienten, die Antibiotika erhalten haben, gegenüber solchen, die nur mit so genannten symptomatischen Maßnahmen behandelt wurden. Genauer ausgedrückt: Statistisch betrachtet müssen 20 Kinder frühzeitig mit einem Antibiotikum behandelt werden, damit eines von ihnen bereits am ersten Tag der Erkrankung schmerzfrei ist. Demgegenüber zeigt sich, dass mindestens eines dieser 20 Kinder an Übelkeit und Durchfällen leiden wird, wenn alle mit Antibiotika behandelt werden – quasi ein statistisches Nullsummenspiel... Auch die Gefahr von Komplikationen wie Hirnhautoder Knochenentzündung kann – anders als jahrzehntelang immer wieder behauptet – durch den Einsatz von Antibiotika nicht wirklich eingedämmt werden. Viele Patienten behalten Recht, wenn sie auf einen zurückhaltenden Einsatz von Antibiotika drängen. Wir Ärzte sollten sie besser aufklären darüber, welche Krankheitszeichen am Ende doch so schwerwiegend sind, dass die Gabe von Antibiotika in Erwägung zu ziehen ist. Vielleicht gibt es dann irgendwann auch wieder weniger Mittelohrentzündungen... Dr. Stefan Schmidt-Troschke | Kinderarzt am Gemeinschaftskrankenhaus | Telefon (0 23 30) 62- 3907

Grundsätze der Behandlung im Gemeinschaftskrankenhaus Arzt und Eltern begleiten und beobachten das Kind in den ersten 48 Stunden der Erkrankung ohne Antibiotikagabe. Zur Schmerzlinderung ein Zwiebelsäckchen oder Kartoffelwickel auf das Ohr, innerlich rhus toxicodendron als homöopathisches Medikament. Die Entzündung wird mit Medika-menten der anthroposophischen Medizin behandelt, zum Beispiel Levisticum (Liebstöckel) D 3.

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Immunabwehr und Antibiotikabehandlung Gibt es alternative Therapien zu den Antibiotika? Und welche Rolle spielen psychische Faktoren bei der Entstehung und Behandlung von Infektionskrankheiten? Diesen und anderen Fragen gehen Priv. Doz. Dr. Arndt Büssing und Dr. Christof Schnürer in einem Gespräch mit Dr. Christoph Rehm nach.

Rehm: Viele Fachleute und Laien sind beunruhigt darüber, dass Bakterien gegen die Behandlung mit Antibiotika resistent werden. Man weiß, dass eine Ursache für diese Resistenzbildung eine ungezielte und zu freigiebige Verordnung von Antibiotika ist. Welche anderen Therapiemöglichkeiten gibt es? Hilft es uns heute, dass wir die Prozesse der Immunabwehr besser verstehen? Welchen Einfluss haben psychische Vorgänge auf das Immunsystem?

Schnürer: Vor der Frage nach Alternativtherapien ist erst einmal zu fragen: Wie erreichen wir, dass die schulmedizinischen Standards in die Praxis umgesetzt werden, das heißt, dass die Antibiotika nur dann verordnet werden, wenn sie wirklich notwendig sind. Was sind Gründe für die vielen unnötigen Behandlungen mit Antibiotika? Viele Patienten erwarten bei Infekten von ihrem Arzt die Gabe von Antibiotika – teils aus der Sorge, ohne diese nicht wieder gesund werden zu können, teils, weil sie glauben, damit schneller Schnürer: Belastung und Stress machen den Menschen in- wieder arbeitsfähig zu werden. Vielen Ärzten fällt es schwer, fektanfälliger. Das ist ein jahrhundertealtes Wissen der „nichts“ zu verschreiben und den Patienten mit allgemeinen Erfahrungsheilkunde. Es gibt aber auch die heilsame Bela- Hinweisen „abzuspeisen“. Da gibt es zweifellos eine breite stung, den so genannten Eu-Stress. Vor allem bei den alltäg- Spanne zwischen eindeutig notwendiger, weil lebensrettenlichen Infekten, zum Beispiel Erkältungen, kann eine seelische der Antibiotikagabe und überflüssiger. Es ist deshalb wichtig, Anforderung, etwa die Vorbereitung auf eine Prüfung, den Patienten genau zu beobachten. Ich kann Ihnen von den Ausbruch der Krankheit verhindern. Die meisten so einer Patientin berichten, die mit immer wieder aufflakgenannten Erkältungskrankheiten sind virale Infekte. Eine kernden Infekten der Bronchien, zuletzt durch multipel resi„Rosskur”, ein Saunabesuch oder Schwitzpackungen, eine stente Keime, recht verzweifelt zu mir kam. Da war der erste durchtanzte Nacht oder ähnliches erhöhen die KörpertemSchritt, der Patientin Sicherheit zu vermitteln: Ein Behandperatur und schwächen dadurch die Vermehrungsfähigkeit der Viren, regen den Stoffwechsel und damit auch das Immunsystem an. Bei schweren Infekten oder chronischen Erkrankungen kann eine solche physische oder seelische Belastung dagegen die Abwehr des Organismus überfordern. Hier sind Bettruhe, allgemeine unterstützende Maßnahmen und gegebenenfalls eine gezielte antibiotische Behandlung angesagt. Rehm: Welche Therapiealternativen gibt es, wenn wir davon ausgehen, dass weniger Resistenzen entstehen würden, wenn weniger Antibiotika verordnet würden?

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antibiotikaversagen

lungsversuch ohne Antibiotika ist grundsätzlich möglich. Es braucht dazu den regelmäßigen Kontakt mit dem Arzt, der die Wirksamkeit der Maßnahmen beobachtet. Die Maßnahmen betreffen den ganzen Menschen: die Atemwege müssen von Schleim befreit, die Bronchien zum Beispiel durch Inhalation weitgestellt werden. Durch Wickel und andere naturheilkundliche Maßnahmen werden die Vitalkräfte und die Durchblutung angeregt. Medikamenteaus allen Naturreichen, teils homöopathisiert, können die Selbstregulierungskräfte stärken. Nur wenn diese Maßnahmen nicht reichen, würde eine gezielte Antibiose eingesetzt werden. Eine solche Therapie kann man als „risikoadaptiertes Vorgehen“ bezeichnen. Rehm: Schwächt die Behandlung mit Antibiotika das Immunsystem?

Priv. Doz. Dr. Arndt Büssing | Krebsforschung Herdecke Telefon (0 23 30) 62-3246 (rechts) Dr. Christof Schnürer | Internist am Gemeinschaftskrankenhaus | Telefon (0 23 30) 62-3216 (Mitte)

Büssing: Es gibt Antibiotika, die bestimmte Aspekte der Immunabwehr schwächen und es gibt andere, die sie stärken können. Wenn ein Antibiotikum indiziert ist und richtig eingesetzt wird, dann kann es den Körper bei seiner Abwehr- können bestimmte Medikamente, zum Beispiel ein Langarbeit unterstützen – so dass er besser mit der Krankheit zeitgebrauch von Kortison, aber auch ausgeprägte Stressfertig werden kann. situationen die Abwehr schwächen. Schnürer: Im Alltag finden wir häufig das Problem, dass bei viralen Infekten Antibiotika gegeben werden. Antibiotika senken die Körpertemperatur, sie unterbrechen die Fieberkaskade, Entzündungsprozesse kommen nicht an ihr Ende, sie „entgleisen”, werden schleichend und können chronifizieren. In solchen Fällen führt ein Antibiotikum zu einer Störung der Immunabwehr. In der Vorgeschichte von Patienten mit Asthma und Allergien sind solche Behandlungen nicht selten. Rehm: Allgemein anerkannte Leitlinien empfehlen heute zum Beispiel beim unkomplizierten Harnwegsinfekt die Therapie mit dem Antibiotikum Nitrofurantoin. Naturheilkundliche Maßnahmen wie das Trinken von bestimmten Tees gelten als wissenschaftlich nicht gesichert. Büssing: Eine Leitlinie soll dem Wildwuchs von Therapieideen begegnen. Nicht alles ist eine wirkliche Alternative zur konventionellen Therapie. Aber alles was die Abwehrkräfte des Körpers unterstützt, kann eine sinnvolle begleitende Therapiemaßnahme sein, die immer einen Versuch wert ist. Aus meiner Sicht ist die Beobachtung der Abwehrlage des Patienten ganz entscheidend. Ich brauche eine Einschätzung, wie gut das Abwehrsystem des Patienten ist. Wenn sich hier Defizite ergeben, dann kann der Arzt zur Unterstützung und Anregung so genannte Immunmodulatoren einsetzen, zum Beispiel pflanzliche Medikamente oder bestimmte bakterielle oder menschliche Eiweiße. Er kann auch das Fieber ausnutzen. Diese Maßnahmen können einzelne Komponenten des Immunsystems positiv im Sinne einer Stärkung der Abwehr beeinflussen. Dagegen

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Schnürer: Wir brauchen einen erweiterten Begriff von Immunabwehr: Wie stärke ich meine Lebenskräfte zum Beispiel durch meine Lebensführung, wenn ich die körpereigenen Rhythmen beachte? Wie entwickle ich eine Wahrnehmung davon, dass auch seelische Stimmungen mich körperlich beeinflussen? Auch krisenhafte biografische Entwicklungen stellen mir die gleiche Frage: Wie gehe ich mit mir, das heißt auch mit meinem Körper, mit seinen Eigengesetzlichkeiten um? Immer wenn ich dazu eine aufmerksame, bewusstere Haltung entwickle, kann ich auch meine Immunabwehr stärken. Das Gespräch führte Dr. Christoph Rehm (oben links).

Tetracyclin (hier die chemische Struktur) ist ein Breitbandantibiotikum, das die Eiweißbildung in der Bakterienzelle und so deren Vermehrung kommt.

Antibakterielle Wirkung von Holz nachgewiesen

Besser auf Holzbrettchen frühstücken

Johanniskraut (hypericum perforatum) Foto: Weleda

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Mit Pflanzen gegen Bakterien & Co. Heilpflanzen, bereits in der Antike bedeutende Arzneimittel, haben auch in der modernen Medizin ihren Platz. Die Behandlung mit Pflanzen, Phytotherapie genannt, erlebt in jüngster Zeit dank intensiver Forschung eine Renaissance. So sucht man gegen antibiotikaresistente Erreger die vielen Substanzen, die sich erfolgreich einsetzen lassen. Viele kennen sicherlich das goldgelb blühende Johanniskraut. Doch nur wenige wissen, dass es auch therapeutisch einsetzbar ist. Einem bakteriellen Nährmedium zugemischt, ließ sich die Wirksamkeit von Johanniskraut auf Sta-

Am 13. Juni 2001 fand in Braunschweig an der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) ein internationaler Workshop über die hygienischen Eigenschaften von Holz statt. Wissenschaftler und Experten aus sechs Ländern tauschten ihre Erfahrungen aus und gelangten zu der Kernaussage: Auf Holzbrettern wachsen Bakterien nur gebremst.

phylokokken nachweisen. Staphylokokken sind Bakterien, die schwere Hautund Allgemeininfektionen auslösen können, die nun zum Teil mit Johanniskraut behandelbar sind. Beim Wirkstoff der Johanniskrautpflanze, dem Hyperforin, fanden Wissenschaftler auch Hinweise auf eine Wirkung gegen

Angeregt wurde dieser Workshop durch ein Forschungsprojekt, das die Biologin Annett Schönwälder seit vier Jahren bearbeitet. In ihrer phytosanitären [die Gesundheit der Pflanzen betreffenden] Studie konnte zur Überraschung aller gezeigt werden, dass die Hygieneeigenschaften von Holz wesentlich besser sind als bisher angenommen: Kiefernholz hat – im Gegensatz zu Kunststoffen – antibakterielle Eigenschaften. Das Holz besitzt eigene Abwehrstoffe, eben auch ein Immunsystem, das Bakterien angreift. Im Workshop wurde dieser Aspekt lebhaft diskutiert, denn die Verwendung von Holz im Lebensmittelbereich und als Verpakkungsmaterial wird durch deutsche und EU-weite Regelungen vielfach ausgeschlossen. Die Experten sprachen die Empfehlung aus, Holz den Kunststoffen zumindest gleichzustellen, um so die hygienischen Vorteile von Holz zu nutzen. FS

den methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA, siehe Beitrag auf Seite 10). Teebaumöl ist aus vielen Kosmetik- und Pflegeprodukten bekannt. Doch es kann noch viel mehr: In Versuchen konnte eine ausgeprägte Wirkung des australischen Teebaumöls gegen Viren und Bakterien nachgewiesen werden. Teebaumöl wirkt zum Beispiel gegen die Viren einer Herpesinfektion an der Lippe. Die genauen Inhaltsstoffe, die für die antivirale Wirkung verantwortlich sind, konnten noch nicht identifiziert werden. Auch im Kampf gegen Pseu-

Weitere Informationen: Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft Messeweg 11-12 | 38104 Braunschweig

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monaden, eine gegen viele Antibiotika resistente Bakteriengattung, zeigt sich das Teebaumöl als wirksame „Waffe”. FS

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Homöopathie im Schweinestall Große Mengen Antibiotika im Tierfutter unserer Nutztiere sind eher die Regel als die Ausnahme. Alarmiert durch mögliche Risiken für den Menschen haben sich Landfrauen aus dem Landkreis Warendorf zusammengeschlossen und nach Alternativen gesucht. Und auch gefunden: Homöopathie kann Antibiotika im Schweinestall ersetzen, lautet ihr Fazit.

zurückgegriffen. Bei der Mehrzahl der Tiere kommen statt dessen die Wehen nach Verabreichung des Homöopathikums Caulophyllum wieder in Gang. „So viel Homöopathie wie möglich, so wenig Antibiotika und Hormone wie nötig“, lautet das Motto des von den Landfrauen im Landkreis Warendorf initiierten Projektes.

Der Verbraucher kann somit auf weitgehend rückstandsSeit Jahrzehnten werden in den Industrieländern gesunden freie Nahrungsmittel zurückgreifen. Aber auch Tiere und Zuchttieren wie Schweinen, Rindern und Geflügel große Landwirte profitieren unmittelbar: Die Tiere, weil sie nicht Mengen Antibiotika ins Futter gegeben. Die Tiere sollen mehr unnötig mit chemischen Medikamenten vollgepumpt dadurch weniger fressen, trotzdem schneller wachsen und werden. Die Landwirte, weil sich die Tierarztkosten verringesund bleiben. gern und die Anzahl der erfolgreich aufgezogenen Ferkel erhöht hat. Durch die Reduzierung von Antibiotika und Weltweit beobachten Wissenschaftler die zunehmende Re- anderen synthetischen Arzneimitteln auf ein Mindestmaß, sistenz, das heißt Widerstandsfähigkeit von Keimen gegen soll die Gefahr der Resistenzbildung von Keimen und Antibiotika. Die einst schlagkräftigen Medikamente verlie- die Gefahr von Rückständen in Lebensmitteln minimiert ren an Wirkung. Es setzt sich immer mehr die Erkenntnis werden. Der Einsatz der Homöopathie in der Tierhaltung durch, dass es einen Zusammenhang zwischen der Antinimmt somit direkten Einfluss auf den Verbraucherschutz, biotikabeimischung zum Tierfutter und der zunehmenden die Lebensmittelsicherheit und den Tierschutz. Resistenzbildung geben muss. Gibt es keine anderen Möglichkeiten in der landwirtschaftlichen Tierzucht als die Zugabe von Antibiotika im Futter? Doch, die gibt es! In einem Projekt der Carl und Veronica Carstens-Stiftung und der Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe konnte nachgewiesen werden, dass Homöopathie die Gabe von Antibiotika im Schweinestall weitgehend ersetzen kann. Den Tieren wurden keine künstlichen Antibiotika und Hormone prophylaktisch ins Futter gegeben und auch bei Krankheit der Tiere wurde zunächst homöopathisch behandelt. So wird zum Beispiel bei Wehenschwäche der Sau nur noch in Ausnahmefällen auf das synthetische Hormon Oxytocin

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Nadine Schmitt

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Bakterien und ihre Unempfindlichkeit gegen Antibiotika Schon bald nach der klinischen Einführung der Antibiotika machte sich eine gewisse Ernüchterung breit. Es zeigte sich nämlich, dass Bakterien gegen Antibiotika resistent werden können. Was ist mit „Resistenz” eigentlich gemeint und welche Konsequenzen hat dies?

Um was handelt es sich bei Antibiotikaresistenzen? terienresistenz gegenüber einer immer größer werdenden Dr. Michael Laubmeister: Resistenz bezeichnet in diesem Anzahl von Antibiotika geführt. Die Pharmaindustrie kann Falle die Unempfindlichkeit von Bakterien gegenüber Anti- nicht mehr schnell genug neue Ersatzprodukte entwickeln. biotika. Dies bedeutet, dass Antibiotika bei immer mehr Diese Entwicklung beunruhigt die Fachwelt, aber zunehKrankheitserregern wirkungslos bleiben. Seit dem Beginn mend auch die Bevölkerung. des Einsatzes der Antibiotika in der Humanmedizin musste die Erfahrung gemacht werden, dass stets innerViele Menschen erleben bei einem Schnupfen oder griphalb weniger Jahre nach der Einführung einer neuen Subpalen Infekt eine Besserung und eine Beschleunigung des stanzklasse Keime auftraten, die Resistenzen ausgebildet Heilungsverlaufes durch die kurzfristige Einnahme von Antibiotika. Was kann daran falsch sein? hatten, so dass eine Behandlung unwirksam wurde. Portsteffen: Bei einem ungezielten Einsatz fehlt die KonseAntibiotikaresistenzen sind ein weltweites Problem. Welche quenz. Der verantwortungsvolle Umgang mit Antibiotika ist sehr wichtig, um die Gefahr einer Resistenz zu minimieAuswirkungen hat dies für den einzelnen Menschen? Dr. Christoph Rehm: Zunächst ist festzustellen, dass antibio- ren. Hierzu gehört, sowohl Überdosierungen als auch Untertikaresistente Bakterien keineswegs pathogener, das heißt dosierungen zu vermeiden. Außerdem muss Missbrauch krankmachender sind als normale Keime. Deshalb sind sie verhindert werden, das heißt Antibiotika sollten nur bei Infektionen angewandt werden, die wirklich mit antibiofür den gesunden Menschen in keiner Weise gefährlicher. Dies gilt zunächst auch für den Kranken. Das einzige Protischen Substanzen therapiert werden können. Bei Infekblem ist, dass die Wahlmöglichkeit bei der Behandlung von tionen durch Viren, das sind meist Durchfälle, grippale Patienten mit einer Infektion bei resistenen Keimen gerin- Infekte und Schnupfen, haben sie überhaupt keinen therager ist. peutischen Wert – denn Viren sind keine Bakterien! Durch den verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika kann Dr. Andreas Portsteffen: Meine Erfahrung als Apotheker das persönliche, als auch das allgemeine Risiko für eine Resistenzentwicklung bedeutend reduziert werden. bezieht sich auf den Intensivpatienten, der noch andere Schwierigkeiten hat und durch diese mögliche Infektion mit einem schwerer behandelbaren Bakterium eine höhere Gibt es bei Antibiotikaresistenzen einen Zusammenhang Gefährdung haben kann. zwischen den in der Humanmedizin und der Tiermedizin verabreichten Antibiotika?

Rehm: Es gibt einen Zusammenhang. So ist in Dänemark Franz Sitzmann: Die Anwendung von Antibiotika bei der die Zahl antibiotikaresistenter Bakterien in Schweinen und Behandlung von infektiösen Krankheiten hat Millionen Hühnern seit dem Verbot von Antibiotika im Tierfutter von Menschenleben gerettet. Doch werden diese Mittel 1995 drastisch gesunken. Das besagt eine Untersuchung auch zunehmend zur Vorbeugung und sogar als Zusatz für von Tierärzten. Bislang hielten es Wissenschaftler für eher Tiernahrungsmittel zur Förderung des Wachstums verwen- fraglich, ob man die einmal aufgebaute Bakterienresistenz det. Diese Missbräuche haben zu einer zunehmenden Bak- wieder rückgängig machen kann. Hat sich das Problem in den letzten Jahren verschärft?

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Doch weltweit werden fast überall noch Antibiotika im Was kann der Patient selber tun? Futter zugegeben, um das Tierwachstum zu beschleunigen. Sitzmann: Grundsätzlich ist niemand davor geschützt, sich Die Forscher sind skeptisch, ob man das Verbot auch mit resistenten Keimen anzustecken oder Erreger zu beherin anderen westlichen Ländern durchsetzen kann. Denn bergen, die Resistenzen entwickeln. Die Vorstellung: „Sobald anders als in Dänemark - sind dort die Fleischkontrollen es mir wieder gut geht, kann ich die Antibiotika-Therapie meist nicht so streng. abbrechen”, ist nicht nur unüberlegt, sondern auch enorm gefährlich. Bei manchen Infektionen wirken Antibiotika Sehen Sie unabhängig von der Entwicklung neuer wirkungs- sensationell gut und schnell. Beschwerdefreiheit bedeutet voller Antibiotikaklassen andere Wege aus dieser Misere? nicht, dass die Krankheitserreger in jedem Fall schon Rehm: Sinnvoll erscheinen Forschungen zur Anwendung besiegt sind. Die Wirkung eines Antibiotikums beruht oft von Pflanzenauszügen, die bakterienhemmende Substanauf der Hemmung des Bakterienwachstums und damit auf zen enthalten und zur Unterstützung der Schutzfunktion der Reduktion der Keimzahl. Das Absetzen des Antibiofür die Haut. Die normale Bakterienbesiedlung unserer Haut tikums kann dazu führen, dass die übriggebliebenen Erreund Schleimhaut schützt uns üblicherweise vor Infektionen ger sich wieder von neuem vermehren können und die mit Krankheitserregern. Wichtig ist die Frage, wie sich diese Infektion erneut, meistens sogar schlimmer, ausbricht. Der Schutzflora verbessern lässt. Volksmund spricht in solchen Fällen von einem „Rückfall”. Um die krankmachenden Keime wirksam zu beeinflussen, Welche Behandlungsmöglichkeiten ohne Einsatz von Antimuss die Antibiotikatherapie auf jeden Fall vorschriftsbiotika halten Sie für erfolgversprechend? mäßig zu Ende gebracht werden. Außerdem besteht die Sitzmann: Gelingt es den Erregern, von einer nekrotischen Gefahr, dass nach einer „Therapiepause” die übriggeblieaus abgestorbenem Gewebe bestehenden Wunde auf das benen Keime Strategien zum Überleben entwickelt haben. Gewebe überzugreifen, entsteht Wundinfektion. Dies kann Durch diese „Resistenzen” wird das Antibiotikum wirkungslos. lebensbedrohliche Folgen haben. Erstes Ziel einer Wundbehandlung ist deshalb die Verhinderung einer solchen Wund- Eine andere falsche Vorstellung ist, nichts verschwenden zu infektion über den ober-flächlichen Bereich hinaus. Das wollen und angebrochene Antibiotika aufzuheben und „bei Grundproblem hierbei ist die Unwirksamkeit lokaler anti- Bedarf ” zu verwenden. Antibiotika sind aber keine Medikabiotischer Therapien. mente, die wie eine Kopfschmerztablette bei Bedarf eingenommen werden sollten. Nur der Arzt kann beurteilen, Hervorragende klinische Erfolge liegen dagegen bei der ob ihre Einnahme überhaupt nötig ist, welches AntibioFliegenmaden-Therapie, der so genannten lokalen Biotikum geeignet ist und vor allem, wie lange es eingenomchirurgie, vor. Zugegebenermaßen ist diese Therapie eine men werden muss. Deshalb: Angebrochene Packungen am gewöhnungsbedürftige Form der Wundbehandlung. besten in die nächste Apotheke zum Entsorgen bringen Lebende Fliegenmaden werden auf nekrotisches Gewebe und bei Beschwerden den Arzt konsultieren. aufgebracht und durch einen Verband eingeschlossen. Die Mitglieder der Hygienekomission Die Made sondert in der Wunde ein spezielles Speicheldes Gemeinschaftskrankenhauses: sekret ab. Darin enthaltene Enzyme verflüssigen die Nekrosen. Die Flüssigkeit wird von den Maden aufgenomDr. Michael Laubmeister | Internist und ärztlicher Leiter der Intensivstation men. Nach drei bis vier Tagen werden die Maden entfernt Dr. Christoph Rehm | Laborleiter und Bakteriologe oder gegebenenfalls durch neue ersetzt. Vorteil gegenüber Dr. Andreas Portsteffen | Leiter der Krankenhausapotheke konventionellen Wundheilungsmethoden ist, dass die Franz Sitzmann | Hygieneberater Maden ausschließlich nekrotisches Gewebe angreifen. Das Gespräch führte Peter Zimmermann. Zudem wirken sie antibakteriell, reduzieren die Keimbesiedelung und fördern die Wundgranulation [Wundverfestigung]. Portsteffen: Ein weiterer Weg ist die Silbertherapie. Winzige Körnchen aus metallischem Silber sollen Patienten vor gefährlichen Krankheitskeimen schützen. Diese winzigen Partikel werden in Materialien eingearbeitet, aus denen Implantate und Prothesen bestehen. Auch in Schläuchen und Verbandstoff kann Silber eingebracht werden. Das Silber hält die Geräte steril und antibakteriell. Auf ihrer Oberfläche können sich weder antibiotikaresistente Bakterien noch andere Keime ansiedeln.

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Hygiene zu Hause ohne Antiseptika

buchhinweise

In 30 Tagen das Immunsystem optimal stärken Wir schwächen unser Immunsystem,

In der spiegelblanken Welt der Reinigungsmittelhersteller marschieren der General im Schulterschluss mit Meister Proper durch unsere Küchen und Bäder. Neue wissenschaftliche Untersuchungen beweisen allerdings, dass uns durch die Werbung ein eher krankmachendes Verständnis von Hygiene suggeriert wird. Die Studien empfahlen ein vernünftiges Maß an Sauberkeit zu Hause.

wenn wir ihm nicht die notwendigen Nährstoffe geben oder weil wir unter körperlichem und seelischem Stress leiden. Die richtige Ernährung ist wie ein Sicherheitsventil: Sie sorgt dafür, dass das Immunsystem nicht kämpft, wenn es keine Feinde gibt (wie z.B. bei

Die Küche

Autoimmunkrankheiten und Allergien)

Die Angst vor Magen- und Darminfektionen lässt manche Küche zu einem Testfeld für Desinfektionsmittel werden – doch diese Sorge ist unbegründet, wenn einige einfache Regeln beachtet werden: • Vor dem Umgang mit Nahrungsmitteln Hände mit normaler Seife waschen und mit einem sauberen Handtuch abtrocknen. • Putz-, Spül- und Geschirrtücher nach dem Benutzen schnell trocknen und alle zwei Tage auswechseln und waschen. • ungespültes Geschirr nicht lange stehen lassen • Messer etc. nach Kontakt mit rohem Fleisch direkt spülen • Kühlschrank regelmässig reinigen – auch dort können sich Bakterien vermehren. • Küchenschneidebretter aus Holz sind weniger von Keimen bewohnt als Kunststoffschneidebrettchen. Hier verhindern die natürlichen Gerbstoffe das Wachstum von Keimen.

erreger sofort erkennt und wirksam

und dass es andererseits Krankheitsbekämpft. L.Vanderhaeghe: Für immer gesund; Haug Vlg.; 224 S.; 14,95 Euro

Das Immunsystem als Bindeglied zwischen Körper und Seele Das Buch informiert nicht nur über den grundlegenden Aufbau des Immunsystems, über seine Entwicklungsgeschichte und Aufgaben, wie z.B. das Erkennen von Selbst und Fremd, sondern beschreibt darüber hinaus die vielfältigen Verbindungen und

Toilette und Bad

Abhängigkeiten, die zwischen den

Auf glatten Fliesen, Toiletten, Waschbecken, Duschen und Badewannen fühlen sich Bakterien nur in feuchtem Milieu wohl. Auf trockenen Oberflächen können sie sich kaum vermehren. Antibakterielle oder desinfizierende Reinigungsmittel sind daher überflüssig. Zuviel Körperpflege beeinträchtigt das empfindliche Gleichgewicht unserer Haut: • Beim täglichen Duschen oder Baden Seife nur für die Regionen einsetzen, in denen sich besonders viele Schweissdrüsen befinden. • Auf jede Art von desinfizierenden Feuchttüchern sollte ganz verzichtet werden!

chen Systemen des Menschen bestehen.

psychischen-seelischen und körperliK. Zänker: Das Immunsystem des Menschen; Beck Vlg.; 136 S.; 7,50 Euro

Alte Hausmittel – die bewährten Hilfen gegen Krankheit und Stress Die Autorin zeigt, wie unkompliziert es ist, sich mit Hilfe von Wickeln, Tees

Hausstaub

oder Bädern ohne großen Aufwand Erholung und Entspannung zu verschaf-

Nicht der Staub an sich macht den Allergikern zu schaffen, sondern die Ausscheidungen der Hausstaubmilben, die in kleinste Partikel zerfallen und eingeatmet werden. Das Volk der Hausstaubmilben besiedelt Teppiche, Polster, Bettdecken und Matratzen und ernährt sich von winzigen Essensresten und organischen Partikeln wie Hautschuppen oder Haaren. • Staubsauger mit Feinstaubfilter helfen , damit die aufgesaugten Partikel nicht wieder in die Raumluft geblasen werden • Regelmässiges Lüften senkt die Luftfeuchtigkeit • Kissenbezüge, Decken usw. bei mindestens 60° waschen • Stofftiere für einen Tag ins Gefrierfach legen Elke Malitz | Assistentin der Geschäftsführung Telefon (0 23 30) 62-3982

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fen. Für individuelle Wohlfühlmomente oder auch zur Hilfe gegen Stress und Krankheiten finden sich hier zahlreiche Anregungen. H. Bausinger: Das natürliche Wohlfühlbuch; Aethera Vlg.; 91 S.; 12,90 Euro

Herdecker Bücherstube am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke Telefon (0 23 30) 7 39 15 herdecker-buecherstube @t-online.de www.uni-buecher.de

nachgefragt

„Wir Physiotherapeuten sind auch Ansprechpartner für seelische Konflikte“ Der Therapie querschnittsgelähmter Patienten kommt am Gemeinschaftskrankenhaus eine große Bedeutung zu. Schwierig wird die Situation für alle Beteiligten, wenn eine schwer zu behandelnde MRSA-Infektion hinzukommt.

Sie arbeiten als Physiotherapeut unter

auf, die freundschaftlich, ja fast schon

anderem auch mit querschnittsgelähm- familiär ist. Wenn die isolierten Patienten Patienten, die eine MRSA-Infektion haben. Was ist bei der Therapie mit den deshalb isolierten Patienten anders?

Heinz Peters: Unsere Arbeit ist extrem eingeschränkt. Wir müssen uns zur Therapie mit den betroffenen Patienten ausschließlich in deren Zimmer aufhalten. Die krankengymnastischen Maßnahmen, die wir gerne durchführen würden, sind zu einem großen Teil nicht möglich, da es an unterstützenden Hilfsmitteln fehlt. Auch das Erlernen der Handhabung des Rollstuhles ist auf 15 Quadratmetern kaum möglich. Querschnittspatienten, die zusätzlich MRSA haben, werden um Wochen, manchmal um Monate in ihrer Rehabilitation zurückgeworfen. Was sagen Sie Patienten, die angesichts dieser Situation zu resignieren drohen?

Peters: Das ist meist sehr schwierig. Wir Physiotherapeuten geraten oft auch in die Rolle eines Psychotherapeuten, der wir nur bedingt gerecht werden können. Die Patienten sind teilweise über ein halbes, manchmal länger als ein dreiviertel Jahr auf unserer Station. Sie bekommen zweimal täglich Krankengymnastik. Da baut sich eine ganz besondere Beziehung zueinander

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ten in depressive Stimmungen abrutschen, ist es wichtig, ihnen Mut zu machen, Zuspruch zu geben. Man muss versuchen, am eigentlichen therapeutischen Thema weiterzuarbeiten, Floskeln nach dem Motto: „Dat wird schon wieder!“, sind vollkommen fehl am Platz. Reagieren die isolierten Patienten anders auf tägliche Begegnung in der Therapie als die nichtisolierten Patienten?

Peters: Ja, unbedingt! Sie freuen sich noch mehr. Krankengymnastik in der Therapie von Querschnittsgelähmten ist ein unbedingtes Muss und wird meist sehr gut aufgenommen. Die Leute lernen mit uns, ihre größtmögliche Selbstständigkeit wiederzuerlangen. Stellen Sie sich mal vor, Sie sind über Wochen oder Monate auf ein kleines Zimmer beschränkt, können da nicht raus. Ich glaube, dann freut man sich schon sehr, wenn jemand kommt und versucht, den eintönigen Tagesablauf zu durchbrechen. Haben Sie selbst Angst, in die isolierten Zimmer zu gehen?

Peters: Nein. MRSA ist nur gefährlich für immungeschwächte, nicht für ge-

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sunde Menschen. In diesem Satz liegt meiner Meinung aber auch eine Gefahr. Die Grenze verschwimmt immer mehr. Wer ist denn heute noch ganz gesund? Viele Mitarbeiter haben häufige grippale Infekte und kommen trotzdem zur Arbeit. Ich finde, dass das Risiko für diese so immungeschwächten Mitarbeiter schon erhöht ist. Heinz Peters | Physiotherapeut am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke Das Gespräch führten Stephan Rotthaus und Nadine Schmitt.

Fotos: Kaiserswerther Diakonie

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Ordnung schaffen und sauber machen... Mit diesen grundlegenden Tugenden

Organisation. Zudem leistete sie für die der Umgebung dieser SchimmelpilzKolonie erschienen die Bakterien-KoloKrankenhaushygiene Wesentliches: nien durchsichtig, als ob sie aufgelöst Sie sorgte für Sauberkeit im Kranken- worden waren, die Bakterien waren zimmer, für genug frische Luft und tot. In Studien beobachtete er später, gleichzeitig Wärme, für gelüftete Betten, dass der Stoff besonders auf die eitererkeinen Lärm, angemessene Kranken- regenden Staphylo-, Strepto- und Pneukost, aber auch Blumen und Bilder. Sie mokokken wachstumshemmend wirkt. legte Wert auf die Verlässlichkeit der Pfle- Fleming nannte das neue Medikament genden und hob die außerordentliche Penicillin, nach dem Schimmelpilz Bedeutung der Beobachtung des Kran- Penicillium. ken hervor. Von der wissenschaftlichen Welt wurde Eine weitere moderne Aufgabe erfüllte seine Entdeckung zunächst wenig zur sie in der Qualitätssicherung. Nach Kenntnis genommen. Erst im zweiten der Rückkehr vom Kriegseinsatz bear- Weltkrieg begann der Siegeszug des beitete sie Zahlenmaterial über das Medikaments. Seine Verwendung löste Gesundheitssystem in England. Die eine Revolution in der Medizin aus: Es von ihr gesammelten Daten wurden entstand die Vorstellung, grundlegende ausgewertet und zum Teil erstmals vorbeugende Hygiene vernachlässigen grafisch gestaltet, um als Argumen- zu können. Doch das oft segensreiche tationsgrundlage zur Verbesserung Medikament wurde zu häufig eingesetzt, des maroden Gesundheitssystem zu mit der Folge, dass Bakterien resistent dienen. wurden – nicht nur gegen die Penizillinbehandlung. Der Bakteriologe Alexander Fleming Franz Sitzmann | Telefon (0 23 30) 62-3902 (1881-1955) entdeckte das Penicillin eher zufällig. Fleming beobachtete Dem Text liegen Beiträge zugrunde aus: A Med-World AG | http://www.m-ww.de bei seiner Laboratoriumsarbeit mit Staphylokokken, dass eine fremde Kolonie auf seinen gezüchteten Bakterien angegangen war. Es handelte sich offensichtlich um einen Schimmelpilz. In

erreichten Florence Nightingale und Dr. Entwicklung der Grundprinzipien einer Alexander Fleming ihre Erfolge, jeder auf einem völlig unterschiedlichen Arbeitsgebiet.

Ihre organisatorische und praktische Sorge um die Verwundeten im Krimkrieg begann für Florence Nightingale 1854 in der Türkei. Die in Paris und Kaiserswerth bei Düsseldorf ausgebildete Krankenschwester aus London, erlebte den Krimkrieg des Osmanischen Reiches mit seinen Verbündeten England und Frankreich gegen Russland. Das englische und türkische Sanitätswesen war auf einen solchen Krieg mit Zehntausenden von Verletzten nicht vorbereitet. In englischen Militärlazaretten starben dabei mehr Soldaten durch Krankheiten als im eigentlichen Kriegsgeschehen. Katastrophale hygienische und organisatorische Verhältnisse sowie die extrem hohe Verletztensterblichkeit schrien nach grundlegenden Reformen. Florence Nightingale (1820-1910) zeigte als erste, was eine straffe Organisation in den Lazaretten leisten kann: Die Verluste an Menschenleben wurden erheblich reduziert. Sie betonte die Notwendigkeit strikter hierarchischer

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medizin magazin

Immunsystem – ein Zugang über die Traditionelle Chinesische Medizin

Wei-Qi, Schutzschirm gegen Erkältung Unsere westliche Medizin ist eine soma- schließlich jede Körperzelle von Qi tische, dass heißt eine auf den Körper erreicht wird. bezogene Medizin. Sie ist geprägt von einem mechanistischen Menschenbild, Ältere Menschen, Leistungssportler, die

in dem Kranksein gleichgesetzt wird ihre Energie ständig in Bewegung um-

mit einer Fehlfunktion von physikalisch- setzen oder Patienten mit energiezehren-

den, chronischen Erkrankungen haben einen Mangel an Energie. Bei diesen MenAnders in der Traditionellen Chinesi- schen kommt es deswegen zu einer chroschen Medizin (TCM). Hier stehen nischen Unterversorgung der Haut und lebendige Abläufe, die Relation zur Um- der Schleimhäute mit Abwehr-Wei-Qi. welt und das seelische und geistige Befinden als Grundlage von Untersu- Psychische Probleme können zu einer chung und Therapie im Mittelpunkt. Einschnürung des Energieflusses im Brustkorb führen und so den EnergieDer Mensch als Mikrokosmos wird als fluss zur Körperoberfläche übergeordGanzheit in Bezug zur Umwelt als Makro- net hemmen. Fehlt es jedoch an Abwehrkosmos, als ein von Energie durchflos- energie an den äußeren Grenzen des senes Gefüge betrachtet. Es besteht Körpers, können äußere krankmchende eine Wechselbeziehung und ständige Faktoren wie Kälte und Nässe jederWandlung von Yang-Qi (Energie) und zeit widerstandslos in den Körper einYin (Materie), welche sich erst durch dringen und zu Infekten führen. So ihre Gegensätzlichkeit definieren. Diese macht der Ausdruck „Erkältung“ aus Erkenntnis, Energie sei eine andere Sicht der TCM einen klaren Sinn. Form von Materie, wurde erst Jahrhunderte später naturwissenschaftlich Mit feinen Nadeln wird bei der Akudurch den Physiker Albert Einstein punktur durch Manipulation von Enerbeschrieben. giedurchflusspunkten der Flussdruck Gesundheit ist das harmonische Gleich- von Qi im Transportsystem erhöht, um gewicht von Yin und Yang. Das Sammel- den Fluss zur Oberfläche zu beschleunibecken der Energie Yang-Qi ist der gen. Auch Heilkräuter, wie die schon Brustkorb. Hier mischt sich die Erbener- vor Jahrhunderten eingesetzte Zimtgie mit der durch Atmung und Nahrung baumrinde, öffnen die Energiestraßen erworbenen Energie. Die Lunge hat für Abwehr-Wei-Qi. Der Aufguss der Ingdie Aufgabe, diese Energie in die Tiefe werwurzel ist ein altbekanntes Mittel, des Körpers abzusenken und an die um das Abwehr-Wei-Qi generell zu verOberfläche des Körpers zu verteilen. mehren. So sind zwei Scheiben frischer Die Lunge verteilt so das Yang-Qi Ingwer in heißem Wasser ein guter unter anderem in Form von Abwehr- Schutz gerade in der kalten Jahreszeit. Wei-Qi zur Bekämpfung von Infekten Der Arzt verschreibt diese Rezeptur mit durch äußere krankmachende Fakto- dem poetischen Namen „Schutz aus Jade ren an Haut und Schleimhäuten. gegen den kalten Wind“. Die Abwehrenergie Wei-Qi fließt im Körper auf meist paarig angeordneten Bahnen, den sogenannten Meridianen. Ähnlich unserem Straßensystem verästeln sich die Meridiane über immer feiner werdende Energiestraßen, bis

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Dr. Hans Michael Koch | Chefarzt und Dozent für traditionelle chinesische Medizin in Bramsche und Radevormwald Telefon (0 54 61) 80 51 76

Fotos: XXX

chemischen Zuständen.

impressum

ernährung

Ballaststoffe in der Nahrung

Medizin individuell Nr. 8 | Sommer 2002 | 4. Jahrgang ISSN 1439-3220 Die Zeitschrift „Medizin individuell“ wird herausgegeben für die Patient/innen, Freund/innen und Förderer des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke. Über die Zusendung von Leserbriefen freuen wir uns. Bitte verstehen Sie aber, dass wir nicht jeden Beitrag veröffentlichen können und eventuell Kürzungen vornehmen müssen. Der Nachdruck und die Vervielfältigung von Artikeln (auch auszugsweise) ist nur nach vorheriger Genehmigung durch den Herausgeber gestattet.

Ballaststoffe sind Bestandteile in der Nahrung, die nicht verdaut und nicht aufgenommen werden können. Es gibt lösliche Ballaststoffe wie zum Beispiel die Pektine des Apfels, und unlösliche Ballaststoffe wie die Zellulosen, die in Gemüse vorkommen. Reich an Ballaststoffen sind alle Gemüse, Obst und Vollkornprodukte. Arm an Ballaststoffen sind Weissmehlprodukte, frei davon sind Fleisch, Milch, Eier, Fette sowie viele „künstliche“ Nahrungsmittel wie zum Beispiel Schokolade, Pudding und Eis. Was bewirken Ballaststoffe in der Nahrung? Pektine quellen im Darm auf, binden Wasser und vermehren dadurch die Darmfüllung. Zellulosen quellen ebenfalls auf und bieten als unlösliche Fasern der Darmwand Widerstand und Anregung. Beides führt zu einer Verdauungsbeschleunigung und verhindert auf diese Weise Verstopfung. Zu viele Ballaststoffe können zu einer sehr schnellen Darmpassage der Nahrung führen, bis hin zu Durchfall oder Blähungen. Eine völlig ballaststofffreie Ernährung lässt den Verdauungstrakt erlahmen und macht ihn krank. Ballaststoffe stellen für den Darm offenbar einen notwendigen Anreiz für seine Leistungsfähigkeit dar – so wie die Betätigung der Muskeln für diese selbst unabdingbar ist: Wer lange nur liegen muss, dessen Beinmuskeln werden schwach und schwinden. Training stärkt die Muskulatur, ein Übermaß an Belastung führt zu Schäden. Beides scheint für ein gesundes Dasein des Menschen unentbehrlich zu sein. Das gilt auch für den Darm.

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Wie viel Ballaststoffe braucht nun der Mensch? Eine Vielzahl ernährungsphysiologischer und statistischer Untersuchungen hat bisher zu keinen eindeutigen und allgemein verbindlichen Aussagen geführt. Zu einem Urteil darüber, inwieweit eine ballaststoffreiche Ernährung zu Leistungsfähigkeit, Wohlbefinden und Gesundheit führt, kann man am besten durch eine sorgfältige Selbstbeobachtung kommen. Ob man vor einer Bergtour besser ein Vollkornbrot, ein Müsli oder ein Weißbrötchen mit Marmelade isst, muss man schlicht ausprobieren. Ob und nach welcher Mahlzeit Völlegefühl, Blähungen, Verstopfung, Initiativlosigkeit, Infektneigung oder Schlaflosigkeit auftreten, muss man selbst beobachten. Viele Diätempfehlungen stellen hervorragende Hinweise und Anregungen dar, gerade dann, wenn sie auf Beobachtungen und wissenschaftlichen Untersuchungen aufbauen. Ein Beispiel: Messungen im Blut haben ergeben, dass der Verzehr eines Marmeladenweißbrötchens zu einem steilen Blutzuckeranstieg führt, der durch eine starke reaktive Insulinausschüttung in einen plötzlichen Blutzuckerabfall mündet – und dies erzeugt von neuem Hunger. Ein Vollkornbrötchen mit Butter und Quark führt nicht zu diesem steilen Blutzuckeranstieg – es sättigt statt dessen nachhaltiger.

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Dr. Christoph Rehm | Laborleiter am Gemeinschaftskrankenhaus Telefon (0 23 30) 62-3600

Herausgeber und Verlag Gemeinnütziger Verein zur Entwicklung von Gemeinschaftskrankenhäusern e.V. Gerhard-Kienle-Weg 4 | 58313 Herdecke Telefon (0 23 30) 62-3638 www.gemeinschaftskrankenhaus.de [email protected] Redaktion rotthaus.com wirtschaftsredaktion Nadine Schmitt (NA), Martina Oster (MO), Stephan Rotthaus Telefon (0221) 43 09 19-0 www.rotthaus.com Redaktionsrat Elke Malitz Dr. Christoph Rehm Stephan Rotthaus Franz Sitzmann (FS) Peter Zimmermann (PZ; v.i.S.d.P.) Gestaltung hilbig | strübbe Frank Scheele, Carsten Strübbe www.hilbig-struebbe.de Titelfoto www.eyeofscience.com Illustration Charlotte Wagner Lithografie und Druck Enßendruck, Hattingen Erscheinungsweise Die nächste Ausgabe erscheint im September 2002 Redaktionsschluss (nächste Ausgabe) 15. Juli 2002 Abonnement Die Zeitschrift „Medizin individuell“ kann für 10 Euro pro vier Ausgaben abonniert werden. Das Abonnement kann jeweils zum Ablauf eines Bezugszeitraumes gekündigt werden. Anzeigen Bitte fordern Sie unsere Anzeigenpreisliste an. Auflage 10.000 Exemplare

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Anthroposophische Kliniken in Deutschland ... und solche mit anthroposophisch ausgerichteten Abteilungen Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe 14089 Berlin Telefon (0 30) 3 65 01-0 (siehe gesonderte Anzeige) Asklepios Westklinikum Hamburg Abteilung Innere und Anthroposophische Medizin 22559 Hamburg Telefon (0 40) 81 91-2300 Johanni-Huus 24220 Flintbek Telefon (0 43 47) 30 14 Reha-Klinik Schloss Hamborn 33178 Borchen Telefon (0 52 51) 38 86-0 Fachklinik Melchiorsgrund Drogen-Fachklinik 36318 Hopfgarten Telefon (0 66 38) 9 61 10 Knappschafts-Krankenhaus Geriatrische Abteilung 45276 Essen Telefon (02 01) 8 05-3 Krankenhaus Lahnhöhe 56112 Lahnstein Telefon (0 26 21) 9 15-0

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Friedrich-Husemann-Klinik Psychiatrische Fachklinik 79256 Buchenbach bei Freiburg i.B. Telefon (0 76 61) 3 92-164 Sanatorium Sonneneck 79410 Badenweiler Telefon (0 76 32) 75 20 Haus am Stalten Sanatorium für Allgemeinmedizin 79585 Steinen-Endenburg Telefon (0 76 29) 91 09-0 Therapeutische Gemeinschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie 79691 Neuenweg Telefon (07 67 39) 93 17 97 Kreiskrankenhaus Heidenheim Homöotherapeutische Abteilung 89522 Heidenheim Telefon (0 73 21) 33-0 Alexander von Humboldt Klinik Abteilung für geriatrische Rehabilitation 95138 Bad Steben Telefon (0 92 88) 92 04 00

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