Wie kann Vereinbarkeit von Beruf und Pflege bei Menschen mit Migrationshintergrund organisiert werden?

Wie kann Vereinbarkeit von Beruf und Pflege bei Menschen mit Migrationshintergrund organisiert werden? Dr. phil. Iris Steinbach, Hannover 1. Einleitun...
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Wie kann Vereinbarkeit von Beruf und Pflege bei Menschen mit Migrationshintergrund organisiert werden? Dr. phil. Iris Steinbach, Hannover 1. Einleitung In der Fachliteratur wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sich momentan nur recht wenige ambulante und stationäre Pflegeanbieter mit der Umsetzung von interkultureller Kompetenz und Pflege konkret auseinander setzen (Gießler, Wolfram, 2011, S. 104). Vor diesem Hintergrund werden zu BeginnFragen formuliert, die für die Beantwortung der o.e. Fragestellung hilfreich sein können: 1.

Traditionell übernehmen Frauen die Aufgabe der Pflege von Angehörigen. Wie können sie bei dieser Arbeit Unterstützung finden?

2.

Wie können Menschen – überwiegend Frauen – Unterstützung finden, die Berufstätigkeit und Pflege im Alltag verknüpfen möchten/müssen?

3.

Können spezifische Angebote einer integrierten Versorgung in der ambulanten und stationären Pflege eine Unterstützungdarstellen?

Zunächst wird das Papier des bundesweiten Arbeitskreises„Migration und öffentliche Gesundheit“ vollständig dargestellt, das im Juli 2009 veröffentlicht wurde. Es enthält wichtige Argumente für die Notwendigkeit einer interkulturellen Öffnung in Krankenhäusern und Einrichtungen der ambulanten und stationären Pflege. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Wettbewerbs im Gesundheitswesen macht eine Implementierung „Interkulturelle Pflege/Kompetenz“ sowohl mit dem Ziel einer angemessenen Patientenversorgung als auch der Behauptung einer Pflegeeinrichtungauf dem „Gesundheitsmarkt“ Sinn.

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2. Papier des bundesweiten ArbeitskreisMigration und öffentliche Gesundheit Kompetente Versorgung von Migrantinnen und Migranten im Krankenhaus benötigt eine(n) Migrations-/Migranten- oder Integrationsbeauftragte(n) I.

Einleitung

In Deutschland leben derzeit mehr als 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, die etwa 19 % der Wohnbevölkerung der Bundesrepublik repräsentieren. Häufig wird diese Gruppe durch das Gesundheitswesen unseres Landes nicht ausreichend und angemessen versorgt. Informationsbedingte, kulturelle und kommunikative Barrieren führen zu den seit langem bekannten Problemen von Unter-, Über- und Fehlversorgung von Migrantinnen und Migranten mit dadurch erhöhten Kosten für die stationäre Therapie und Pflege. Stationäre Versorgung, welche die besonderen Bedürfnisse der Migrantinnen und Migranten berücksichtigen will, benötigt strukturelle Rahmenbedingungen. Der bundesweite Arbeitskreis Migration und öffentliche Gesundheit empfiehlt deshalb den für die stationäre Versorgung Verantwortlichen, in ihrer Institution das Amt einer(s) Migrations-/Migranten-/Integrationsbeauftragten zu schaffen, um dadurch wirksame und nachhaltige Verbesserungen in der Versorgung von Migrantinnen und Migranten einzuleiten und kontinuierlich fortzuführen. Eine erfolgreiche Arbeit in der migrantenorientierten Versorgung hängt wesentlich davon ab, dass Migrations-/Migranten-/Integrationsbeauftragte die dafür erforderliche innerbetriebliche Kompetenz erhalten. II. Notwendigkeit zu interkulturellen Öffnung der Krankenhäuser Migrantinnen und Migranten haben Anspruch darauf, genauso gut versorgt zu werden wie ihre deutschen Mitpatientinnen und –patienten. Aber die Krankenhäuser im somatischen, psychiatrischen und Rehabilitations-Bereich sind – bis auf wenige Ausnahmen – nicht auf die Versorgung von Menschen anderer Kulturen und Sprachen vorbereitet. Es empfiehlt sich deshalb, die Sicherung interkultureller Kompetenz – personelle und organisatorisch verbindlich – in das Ab-

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laufsystem von stationären Versorgern einzubinden. Ansonsten ist in zunehmendem Maße aufgrund der älter werdenden Migrantinnen und Migranten, der Leistungsverdichtung und Personalverknappung im klinischen Bereich mit erheblichen Störungen in der Kommunikation und in den Betriebsabläufen zu rechnen. Dies wird sich auch auf die Behandlungsergebnisse auswirken. Krankenhäuser sind in Zeiten verschärften Wettbewerbs gehalten, geeignete Maßnahmen zur Kundenbindung und Umsatzsteigerung zu ergreifen. Die Schaffung einer(s) Migrations-/Migranten- oder Integrationsbeauftragten ist geeignet, die wachsende Klientel mit Migrationshintergrund anzusprechen, für die Klinik zu gewinnen und angemessen zu versorgen. Es gilt, durch Prozess- und Ablaufoptimierung Ressourcen einzusparen und durch Qualitätssteigerung Patienten und Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen. Im Wettbewerb der Kliniken untereinander werden so ökonomische Vorteile hinsichtlich der Inanspruchnahme klinischer Leistungen durch Patientinnen und Patienten anderer Sprachen und Kulturen möglich. Um in der stationären Versorgung Fehldiagnosen, Mehrfachuntersuchungen, Chronifizierungen, lange Liegezeiten, Drehtüreffekte, Irritationen von Erkrankten wie Beschäftigten etc. zu vermeiden, Gesundheitsleistungen zu optimieren, Kosten zu senken und die Behandlungszufriedenheit aller Beteiligten zu verbessern ist die interkulturelle Öffnung ein wirksames Mittel. III. Grundsätzliche Aspekte zur interkulturellen Öffnung Eine nachhaltige und alltagstaugliche Verbesserung der medizinischen Versorgung der Migrantinnen und Migranten im stationären Bereich ist nur gewährleistet, wenn die Gesundheitsinstitutionen verbindliche Aktivitäten zur interkulturellen Öffnung entwickeln und diese personell zuordnen. Die Implementierung einer oder eines Migrations-/Migranten- oder Integrationsbeauftragten ist ein Schritt zur Umsetzung des Diversity Managements, wie im Nationalen Integrationsplans empfohlen. Folgende Grundsätze sind zu empfehlen: •

Interkulturelle Öffnung ist eine Leitungsaufgabe, sie ist eine TopDown-Maßnahme, aber auch eine Querschnittsaufgabe über alle Bereiche hinweg unter Einbeziehung der jeweils beteiligten Fachabteilungen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.



Sie erfordert eine gezielte Einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Migrationshintergrund.

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Kultursensibilität benötigen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, migrationssensible Versorgung sollte nicht an Migrantinnen und Migranten delegiert werden.



Fort- und Weiterbildung sollten sich kontinuierlich mit dem Thema auseinandersetzen. (6. Bericht zur Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, August 2005, S. 140)

Im Nationalen Integrationsplan heißt es dazu: „Zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung von Migrantinnen und Migranten bedarf es •

bedarfsorientierter Angebote



einer interkulturellen Regelversorgung



einer interdisziplinären Vernetzung



der Erschließung adäquater Zugangswege



der Sicherung der Datenbasis. (Der nationale Integrationsplan, Neue Wege – Neue Chancen, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, 2007, S. 100)

IV. Aufgabenprofil der/des Integrations-/Migrations-/Migranten- Verantwortlichen Die Benennung von Migrations-/Migranten-/Integrationsbeauftragten und die Definition ihrer Aufgabenbereiche sind der entscheidende Schritt zur Umsetzung eines migrationsgerechten Behandlungsansatzes: •

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Die besonderen Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund finden Berücksichtigung



Dem behandelnden und pflegenden Personal wird die Versorgung dieser Patientinnen und Patienten erleichtert.

Welche der im Folgenden dargestellten Aufgabenbereiche den Integrationsbeauftragten übertragen werden sollen, ist von der spezifischen Situation in der jeweiligen Klinik, der Patientenstruktur, dem Versorgungsschwerpunkt und den zur Verfügung stehenden Ressourcen abhängig. Kommunikation/Information: •

Aufbau eines Dolmetschernetzes

Um sprachbedingte Versorgungsschwierigkeiten u.a. in der mündlichen Kommunikation zwischen Ärztinnen und Ärzten/Pflege und Patientinnen und Patienten/Angehörigen abzubauen und Verständnisschwierigkeiten inhaltlicher Art zu minimieren, sollten für den Einsatz im Gesundheitswesen qualifizierte Dolmetscherinnen und Dolmetscher/Sprachmittlerinnen und Sprachmittler eingesetzt werden. Ob diese aus dem eigenen medizinisch/pflegerischen Mitarbeiterpool zur Verfügung stehen oder extern gewonnen werden, ist je nach der Situation der Kliniken zu entscheiden. •

Übersetzung relevanter Formulare, Merkblätter etc.

Da nicht immer vorausgesetzt werden kann, das Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, sollte mehrsprachiges Informationsmaterial angeboten werden. Insbesondere gilt dies für Formulare für medizinische Eingriffe, Form- und Merkblätter zum Aufenthalt und zu allen Aufklärungsmaterialien und Einverständnisverklärungen. •

Besondere Angebote wie Sprechstunden, Info-Veranstaltungen

Viele Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund sind nicht ausreichend über ihre Krankheit, eventuelle Therapieformen und Heilungschancen informiert. Das gleiche gilt häufig für die Familienangehörigen. Entsprechend dem Bedarf der Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund können gezielte Angebote entwickelt werden, wie z.B. fremdsprachige ärztliche und pflegerische Sprechstunden, klinikinterne Supervisionen, Informationsabende, Klinikführungen, Patientengruppen, Präventionsangebote, etc. Betriebsorganisation: •

Einwirken auf klinikinterne Strukturen und Aufgabenprofile Die interkulturelle Öffnung ist eine Querschnittaufgabe, die einen festen Platz im Qualitätsmanagement einnehmen sollte, und gehört in klinikinterne 5

Gremien und Arbeitskreise, in den Pläne und Konzepte zur Zukunft der Klinik behandelt und thematisiert werden. Auch eine organisatorisch gesicherte, kontinuierliche Absprache mit der Betriebsleitung zur Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund, notwendige Maßnahmen zur interkulturellen Öffnung und Kompetenzerweiterung, Veränderungen im Anforderungsprofil von Neueinstellungen und eine Erhöhung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund sind unverzichtbar. •

Intranet Erforderlich ist ein allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugängliches Intranet, das alle relevanten Informationen (z.B. Dolmetscherlisten, interne Fremdsprachenliste, Liste der ambulanten/komplementären Dienste, Berufsbetreuerlisten, kommunaler Gesundheitswegweiser, Arbeitshilfen, nützliche Links, klinikinterne Informationsmaterialien, Fragebögen, interne Fort- und Weiterbildungsangebote zu interkulturellen Themen, übersetzte Formulare und Aufklärungsbögen, Listen von kultursensiblen ambulanten und stationären Angeboten usw.) bereitstellt.



Aus-/Fort- und Weiterbildung Interne Fort- und Weiterbildung für das Fachpersonal: Außer der gezielten Einstellung von Personal mit Migrationshintergrund stellt interkulturelles Training einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Migrationsfreundlichkeit von Krankenhäusern dar. Deshalb empfiehlt es sich,interkulturelle Themen zu einem festen Bestandteil der internen Fortund Weiterbildungscurricula zu machen. Krankenpflegeschule: In Krankenpflegeschulen wäre es von Vorteil, das Curriculum hinsichtlich interkultureller Kompetenzen zu erweitern und zu überarbeiten. Kultursensible Pflege:

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Die bereits vorhandene Fachlichkeit der kultursensiblen Pflege sollte an allen Weiter- und Fortbildungsinstitutionen durch besondere Angebote kontinuierlich weiterentwickelt und intensiviert werden. •

Klinikinterne Dokumentation Solange nichts oder wenig über Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund bekannt ist, können nur unzureichend Bedarfe ermittelt und Versorgungskonzepte angepasst werden. Die kontinuierliche Erhebung, Pflege und Auswertung migrationsspezifischer Informationen und Daten kann hier Abhilfe schaffen.



Öffentlichkeitsarbeit Die interkulturelle Kompetenz der Klinik sollte offensiv vermittelt werden, damit die besondere hohe Patientenorientierung in den Blick gerückt wird., Menschen mit Migrationshintergrund und Fachkreise informiert und sie auf die Klinik aufmerksam gemacht werden. Dazu gehören fremdsprachige Internetauftritte, Patientenbroschüren, öffentliche Veranstaltungen, Kontakt mit Migrationsorganisationen etc. Ansprechpartner: E. Wesselman, Fachreferentin Interkulturelle Versorgung, Städt. Klinikum München GmbH, [email protected] Dr. Ali Kemal Gün, Integrationsbeauftragter der LVR-Klinik Köln, [email protected] Dr. Eckhardt Koch, Vitos-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Marburg, [email protected] Quelle: IKoM-Newsletter 4/10 „Kultursensibilität im Krankenhaus“, S. 3 - 5

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3. Modelle der Implementierung „InterkulturellePflege“ im Rahmen des Diversity Managements Die Mehrheit der ca. 15 Millionen Menschen, die in Deutschland mit Migrationshintergrund leben, ist Mitglied einer gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Die Inanspruchnahme gesundheitlicher Leistungen ist jedoch niedriger als in der Durchschnittsbevölkerung. Ältere Menschen dieses Bevölkerungsanteils sind z.B. kaum über die Möglichkeiten der stationären und vor allem der ambulanten Altenpflege informiert. Gleichzeitig werden in der Pflegeberichterstattung des medizinischen Dienstes der Krankenkassen und der Pflegestatistik des Bundes bisher keine migrationsspezifischen Daten und Informationen erfasst (Gießler, W., a.a.O., S. 105/6). In der Gesundheitsberichterstattung des Bundes wird der Migrationshintergrund bei den Beschäftigten des Gesundheitswesens erfasst. In der Gesamtwirtschaft liegt dieser Anteil bei 13,9 %, in Gesundheitseinrichtungen bei 11,5 % und damit etwas niedriger. In einigen Berufsgruppen wie z.B. der Altenpflege liegt der Anteil bei 18,3 % und wird bei der Gruppe der Krankenpflegehelfer mit 15,5 % angegeben (Gießler, W., a.a.O., 106).

Diversity-Management Hier setzt der Grundgedanke des Diversity-Managements an, dass Menschen mit ihren individuellen und soziokulturellen Prägungen konstruktiver miteinander arbeiten können, wenn ihre Unterschiedlichkeit positiv betrachtet und damit Wert geschätzt wird. Mit der Nutzung dieses Potentials sind auch für die Unternehmen positive Entwicklungsmöglichkeiten verknüpft. Dieser Ansatz kommt aus den USA und ist seit den 1990er Jahren weit verbreitet, in Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern werden Diversity-Trainings angeboten. In großen Unternehmen ist es schon seit geraumer Zeit üblich, dass Experten aus verschiedenen Ländern und Kulturen an einem Projekt gemeinsam arbeiten. Märkte kennen keine Ländergrenzen. Die Gestaltung eines monokulturellen zu einem heterogenen Unternehmen ist demnach das Ziel des Diversity-Managements. Hieraus kann abgeleitet werden, dass es sich um eine zentrale Führungsaufgabe handelt, die alle anderen Hierarchieebenen umfasst. Bei diesem komplexen Katalog wird deutlich, dass sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter Zeit für diesen Veränderungsprozess benötigen. 8

Umsetzung des Diversity-Managements Wenn an der Spitze eines Unternehmens eine grundsätzliche Entscheidung getroffen wurde, ist es von Anfang erforderlich, die Mitarbeiterinnen zu informieren und an dem Prozess zu beteiligen. Hier kann auf Erfahrungen aus der Organisationentwicklung zurückgegriffen werden, die ein gemeinsames Bewusstsein für ein Problem,ein Lernen aus den eigenen Erfahrungen und ein prozessorientiertes Vorgehen umfassen. Auf dieser Basis werden dann die einzelnen Phasen der Umsetzung geplant und durchgeführt. Bausteine der Implementierung „1. Führung und Verantwortung durch die Unternehmensführung, 2. Analyse des Business Case, Daten- und Dokumentenanalyse, Werterhaltung, 3. Ziele und Strategie: Leitbild/Vision, Zielsystem, Umsetzungskonzept, 4. Maßnahmen, 5. Bewusstsein und Training: Aufbau von Inhouse-Expertise, 6. Kommunikation mit den Mitarbeitenden, externer Stakeholder, Webauftritt und Diversity-Bericht, 7. Evaluation: Kontinuierliche Verbesserung.“ (Gießler, W., a.a.O., S. 108, zitiert nach Schwarz-Wölzl, 2005, S. 26 ff.)

Eine Implementierung des Diversity Managements erfordert eine sorgfältige Vorbereitung und die Bereitschaft eines Unternehmens, die notwendigen Ressourcen zu Verfügung zu stellen. Vor allem der Prozess der persönlichen Auseinandersetzung der einzelnen Mitarbeiterin mit dem Diversity Ansatz erfordert Zeit, da es sich um einen langfristigen Prozess handelt. Es geht um das Einbeziehen von persönlichen Erfahrungen, die sowohl auf der rationalen als auch emotionalen Ebene verankert sind. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur bildet die Basis, auf der ein Prozess konstruktiv begonnen und gestaltet werden kann.Hier sind Fortbildungsangebote erforderlich, die sich inhaltlich und methodisch mit diesen Themen auseinandersetzen. Ziel ist die Entwicklung einer eigenen Handlungssicherheit im Klinikalltag.Die Umsetzung auf der operativen Handlungsebene umfassen u.a. Richtlinien, Zielvereinbarungen und Organisationspläne, die die persönlichen Verantwortlichkeiten regeln. Die vierte Phase umfasst die Erprobung und Umsetzung der geplanten Maßnahmen. Die Mitarbeiter erfahren hier im positiven Sinne die Vorteile der einzelnen Elemente. Bei einem jährlichen Mitarbeitergespräch wird der Diversity Ansatz integriert, d.h. es ist

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keine neue Maßnahme der Personalführung erforderlich. Die Führungskräfte werden durch Fortbildungen entsprechend auf dieses neue Element im Mitarbeitergespräch vorbereitet. Wolfram Geißler betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung von externen, didaktisch- methodisch sehr gut qualifizierten Trainerinnen und Trainern. Die fünfte Phase ist als kontinuierlicher Verbesserungsprozess zu gestalten. Die entsprechende Evaluation – Vorher-Nachher-Vergleich – kann z.B. durch Mitarbeiter- und Kundenbefragungen erfolgen und sollte unbedingt die von den Veränderungen betroffenen Beschäftigten integrieren. Die Ist-Analyse umfasste eine Befragung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der verschiedenen Berufsgruppen wie z.B. des Ärztlichen Dienstes und des Pflegedienstes. Diese Befragung wurde durch dieLeitung entsprechend vorbereitet. „ •

Berufsgruppenübergreifende Überprüfung der Anamnesebögen,



Speisenzubereitung und Angebot für Patienten mit islamischem Hintergrund,



Interkulturelle Vernetzung mit Einrichtungen, Ansprechpartnern, die mit MigrantInnen arbeiten und Vertreter/Organisationen von MigrantInnen,



Angebot von innerbetrieblichen Fortbildungen zur transkulturellen Psychiatrie,



Sprach- und Deutschkurse für PatientInnen und MitarbeiterInnen,



Dolmetschereinsatz,



Fremdsprachiges Informationsmaterial,



Befragung von Patienten mit Migrationserfahrung,



Diversity im Leitbild verankern.“ (Gießler, W., 2011. a.a.O., S. 112)

Vor dem beschriebenen Hintergrund sind die Einrichtungen des Gesundheitswesens gut beraten, wenn sie sich mit dem Themenschwerpunkt „Interkulturelle Kompetenz“ intensiv auseinandersetzen und entsprechende Modelle initiieren. Was bedeutet dies für die am Anfang aufgeworfenen Fragen? 1.

Traditionell übernehmen Frauen die Aufgabe der Pflege von Angehörigen.

Wie können sie bei dieser Arbeit Unterstützung finden? 2. Wie können Menschen – überwiegend Frauen – Unterstützung finden, die Berufstätigkeit und Pflege im Alltag verknüpfen möchten/müssen?

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3. Können spezifische Angebote einer integrierten Versorgung in der ambulanten und stationären Pflege eine Unterstützung darstellen? Zu 1. und 2. Es ist nicht bekannt wie hoch der Anteil an „traditioneller Pflege“innerhalb der Familien mit Migrationshintergrund in Hannover ist. Vor diesem Hintergrund macht eine Erhebung Sinn, die zunächst den Bedarf ermittelt. Junge Frauen mit Migrationshintergrund nehmen ihre eigene Ausbildung und Berufstätigkeit ernst und benötigen Zeit und Kraft für diese Aufgaben. Darüber hinaus gibt es familiäre Konstellationen, die dazu führen, dass eine traditionelle Pflege innerhalb der Familie nicht geleistet werden kann. An bereits bestehenden Strukturen sollte angeknüpft werden. Es gibt in Hannover z.B. Angebote des Ethnomedizinischen Zentrums wie -

Übersetzung von spezifischen Angeboten in die jeweilige Sprache

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MiMi-Projekt mit Migranten für Migranten, das auch o.e. Themen aufnehmen könnte

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Einbindung von bereits in diesem Bereich arbeitenden Migrantenorganisationen in die Planung spezifischer Angebote

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Aufarbeiten bereits vorhandener Erfahrungen kultursensibler Angebote

Zu 3. In Hannover existieren bereits kultursensible Angebote in der Pflege wie z.B. der transkulturelle Pflege- und der transkulturelle Sozialdienst. Auf den Erfahrungen und Kompetenzen dieser Anbieter sollte aufgebaut werden. So können Angebote geschaffen werden, die sich an den einzelnen Menschen richten und die individuellen Bedürfnisse im Rahmen des „Diversity Managements“ in der Pflege berücksichtigen. Die Erfahrung zeigt, dass sowohl in der ambulanten als auch stationären Pflege die Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Schlüsselfunktion einnimmt.

4. Ausblick Traditionelle Pflege innerhalb der Familie wird sich durch eine zunehmende Berufstätigkeit von Frauen mit Migrationshintergrund verändern. Vor diesem Hintergrund sollten Angebote geschaffen werden, die hier eine Unterstützungsleistung darstellen. Pflege durch „Expertinnen“ sollte genutzt werden können, wenn dies aus familiären Gründen erforderlich wird, ohne „ein schlechtes Gewissen“. Dafür muss es kultursensible Angebote in der ambulanten und stationären Pflege geben.

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Um eine gelungene Kommunikation im Alltag eines ambulanten oder stationären Pflegeanbieters umzusetzen ist es wesentlich, dass die einzelne Mitarbeiterin sich als „Expertin in ihrem Bereich“ begreift. Dieses Anliegen bezieht sowohl den Kontakt mit Menschen aus der eigenen Kultur als auch mit Patienten und Angehörigen aus anderen Kulturkreisen ein. Auf der Basis der demografischen Entwicklung wird der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in den nächsten Jahren ansteigen. Eigene Erfahrungen von Beschäftigten mit diesem Themenbereich werden den Alltag eines Pflegeanbietersmehr und mehr prägen.Ziel ist eine individuelle ambulante und stationäre Versorgung von Menschen mit Pflegebedarf, auch um Angehörige zu entlasten, die Beruf und Pflege „ohne schlechtes Gewissen“ vereinbaren möchten.

Literatur Bundesbeauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Gesundheit und Integration - Ein Handbuch für Modelle guter Praxis Berlin, 2007 Und: Migrationssensible Datenerhebung für die Gesundheits- und Pflegeberichterstattung,Berlin, 2010 Gießler, Wolfgang Von der monokulturellenzur transkulturellen Einrichtung:Diversity-Management im GesundheitswesenIn: van Keuk et al. (Hg.) Diversity – Transkulturelle Kompetenz In klinischen und sozialen Arbeitsfeldern Stuttgart, 2011, S. 104-116 IKoM-Newsletter Kultursensibilität im Krankenhaus Papier des bundesweiten Arbeitskreises Migration und Gesundheit 4/10, S. 3 – 5 Steinbach, Iris Interkulturelle Pflege, Hamburg, 2011

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