Kapitel: 2 Geld‐und Kreditnachfrage 2.1. KLASSISCHE GELDNACHFRAGETHEORIE 2.2. KEYNESIANISCHE GELDNACHFRAGETHEORIE 2.3. PORTFOLIO‐ORIENTIERTE GELDNACHFRAGETHEORIE
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2.1 Klassische Geldnachfragetheorie Quantitätstheorie des Geldes Der Fisher‐Ansatz (1911) • Verkehrsgleichung oder Transaktionsansatz
M ⋅VT = T ⋅ PT
M = Bestand an Geld, T = Transaktionsvolumen, VT = Umlaufgeschwindigkeit des Geldbestandes zur Finanzierung des Transaktionsvolumens, PT = Preisniveau • Gemäß den neo‐klassisch Annahmen würde das Preisniveau P sich proportional zu Änderungen der Geldmenge M ändern • Geld ist neutral • Änderungen von M beeinflussen P, aber keine Auswirkungen auf Y oder V Prof. Dr. Ansgar Belke
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2.1 Klassische Geldnachfragetheorie Der Cambridge‐Ansatz Unterschiede zum Fisher‐Ansatz: 1. 2. 3.
Cambridge‐Ansatz ist als ein mikroökonomischer Ansatz zu charakterisieren Geld wird auch als Wertaufbewahrungsmittel gehalten Konzept der Geldnachfrage wird deutlicher betont; Bedeutung von Vermögen und Zinssatz in der Bestimmung der Geldnachfrage
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2.1 Klassische Geldnachfragetheorie • Nominale Nachfrage nach Geld, Md, verhält sich proportional zum nominalen Niveau des Transaktionsvolumens, PT: M
d
= kPT
• k repräsentiert den Bargeldhaltungskoeffizienten; Reziprokwerrt der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, d.h.: V = 1/k
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2.2 Keynesianische Geldnachfragetheorie Liquiditätspräferenz‐Theorie • Augenmerk auf die Motive, die Wirtschaftssubjekte zur Geldhaltung veranlassen • Keynes (1936) unterschied zwischen der Nachfrage nach Transaktionskasse (einschließlich der Nachfrage nach Vorsichtskasse, LT) und der Nachfrage nach Spekulationskasse, Ls: L T = L t ( Y ) = kY mit ∂ L T / ∂ Y > 0 2 2 LS = LS (r) = R − dr mit ∂LS / ∂r < 0 und ∂ L S / ∂r < 0
k = Kassenhaltungskoeffizient, Y = nominaler Output, R = autonome Spekulationskasse, d = Zinselastizität und r = repräsentativen Zinssatz
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2.2 Keynesianische Geldnachfragetheorie • keynesianische Geldnachfrage:
L=LT +LS =kY+LS(r) • Vertreter der Transaktionsnachfrage nach Geld betonen die Bedeutung von Geld als Zahlungsmittel • Die Wertaufbewahrungsfunktion wird im Spekulationsmotiv der Geldhaltung reflektiert • Portfolioentscheidungen der Marktakteure hängen von Erwartungen bezüglich zukünftiger Bondpreise ab • Bonds werden freiwillig gehalten, falls der erwartete gesamte Ertrag größer als Null ist
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2.2 Keynesianische Geldnachfragetheorie • Bepreisungs‐Formel am Anleihemarkt :
n ⋅ NV r BP = Marktpreis eines Bonds, n = Nominaler Coupon des Bonds (in Prozent seines nominalen Werts), r = effektive Rendite des Bondmarkts (Marktzins), und NV = Nominalwert des Bonds BP =
• Annahme: Jede Investor hat eine Einschätzung des normalen Marktertrags e erwarteter Verlust der Bondhaltung = BP − BP BP e= erwarteter zukünftiger Bondpreis
Umformulieren:
n n NV ⋅ − ⋅ NV erwarteter Verlust aus Bondhaltung = normal r r
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2.2 Keynesianische Geldnachfragetheorie • Einkommen aus Couponzahlungen auf den Bond: Zinseinkommen = n ⋅ NV • Investor hält zinstragende Bonds, falls das Zinseinkommen höher ist als der erwartete Kapitalverlust aus dem Halten von Bonds: n1⋅2 NV 3
Interest
income
>
n n ⋅ NV − normal ⋅ NV r 4 4 42 r 4 4 43 1 exp ected capital
losses
oder gleichbedeutend hiermit: r normal r > 1 + r normal
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2.2 Keynesianische Geldnachfragetheorie • Das Niveau von r wird als kritische Marktrendite bezeichnet − Investor indifferent bezüglich beider alternativer Anlageformen − Marktrendite oberhalb des kritischen Zinsniveaus : Investor hält sein gesamtes Vermögen in Bonds − Marktrendite unterhalb der kritischen Marktrendite: Investor hält sein gesamtes Vermögen in Geld
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2.2 Keynesianische Geldnachfragetheorie
• Die keynesianische Nachfrage nach Spekulationskasse ist deshalb eine Entscheidung, entweder Geld oder zinstragende Bonds zu halten (Abbildung 2.2 (a)) • Die aggregierte Nachfrage nach Spekulationskasse lässt sich schließlich konstruieren (Abbildung 2.2 (b))
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2.2 Keynesianische Geldnachfragetheorie Abbildung 3.1 Keynesianische Nachfrage nach Spekulationskasse (a) Individuelle Nachfrage nach Spekulationskasse
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(b) Aggregierte Nachfrage nach Spekulationskasse
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2.2 Keynesianische Geldnachfragetheorie •
Portfolio‐Ansatz liegt der keynesianischen Theorie zugrunde Abbildung 3.2 Bond-Nachfrage und –Angebot Keynesianischen Liquiditätspräfernztheorie (a) Bondpreis und Menge an Bonds
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in
der
(b) Bondpreis und Marktvolumen
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2.2 Keynesianische Geldnachfragetheorie Abbildung 3.3 Keynesianische Liquiditätspräferenz
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2.2 Keynesianische Geldnachfragetheorie Einige empirisch testbare Geldnachfrage‐Hypothesen • Langfristiger empirischer Gleichlauf, d.h. die Kointegration zwischen Geld, Preise und realem Output pt = −β 0 − β1 yt + β 2mt − zt • Koeffizienten der Preise und der Geldmenge absolut gesehen sollen gleich sein H
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H
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β 2 = 1, was Preishomogenität entspricht : β 1 = 1 :
• Umlaufgeschwindigkeit des Geldes ist in der langen Frist konstant. Falls > 1, folgt die trendmäßige Einkommens‐Umlaufgeschwindigkeit im Zeitablauf einem abwärts gerichteten Trend.
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2.2 Keynesianische Geldnachfragetheorie
¾Keynesianische Geldtheorie beendete die Dichotomie (zwischen realem und monetärem Sektor einer Volkswirtschaft)
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2.3 Portfolio‐orientierte Geldnachfragetheorie Monetaristische Geldnachfrage • Milton Friedman (1956) erweiterte Keynes’ spekulative Geldnachfrage innerhalb des Rahmens der Vermögenspreistheorie • Geld wie jedes andere langlebige Konsumgut • Nachfrage nach Geld Æ Funktion einer Vielzahl von Faktoren • Nachfrage nach Geld bestimmt das permanente Einkommen – und nicht wie in der keynesianischen Theorie das laufende Einkommen • Friedman’s monetaristische Geldnachfragefunktion: ⎛ P& Y n ⎜ , ,υ L = f ⎜ P , rB , rE , ( + ) P r ( − ) ( − ) ⎜ (−) (+) ⎝ n
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⎞ ⎟ ⎟⎟ ⎠
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2.3 Portfolio‐orientierte Geldnachfragetheorie • Effekt eines einmaligen Geldangebot Anstiegs auf die reale Volkswirtschaft – einmaliger Anstieg des Geldangebots von 5% führt zu einem Anstieg der (zukünftigen) Inflation – Reduzierung der Nachfrage der Wirtschaftssubjekte nach Geld – Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes v um 2%
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2.3 Portfolio‐orientierte Geldnachfragetheorie – prozentuale Anstieg des nominalen Einkommens sollte höher ausfallen als ein gegebener prozentualer Anstieg des Geldangebots, nämlich um 7% – sobald sich das zusätzliche Geldangebot voll in einem Anstieg des Preisniveaus niedergeschlagen hat, kehrt die Inflation auf ihr vorheriges Niveau zurück – Erwartung: Anstieg des nominalen Outputs um 5% Æ einmaliger Anstieg des Geldangebots verursacht zyklische Schwankungen des volkswirtschaftlichen Nominaleinkommens
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2.3 Portfolio‐orientierte Geldnachfragetheorie Postkeynesianische Geldnachfragetheorie
1) Lagerhaltungs‐Modelle 2) Asset‐ oder Portfoliomodell‐Ansätze
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2.3 Portfolio‐orientierte Geldnachfragetheorie • Der Lagerhaltungsansatz der Transaktionskasse − Baumol (1952) und Tobin (1956) − Geld als ein für Transaktionszwecke gehaltener Vorrat − Anfall von Transaktionskosten rechtfertigt Haltung von Geld − zwei Medien zur Speicherung des Wertes: Geld und ein zinstragendes alternatives Asset − Fixkosten bei Transfers zwischen Geld und dem alternativen Asset
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2.3 Portfolio‐orientierte Geldnachfragetheorie Annahmen: − Haushalt hat ein nominales Einkommen von PY in jeder Periode, das mit einer über die Periode hinweg konstanten Rate ausgegeben wird − Haushalt muss mindestens einmal zu seiner Bank gehen Æ nominale Kosten c − Zahl der Besuche: n − Monatliche Kosten: n . c − Monatlicher Zinssatz auf die Spareinlagen: i − Opportunitätskosten: i . M
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2.3 Portfolio‐orientierte Geldnachfragetheorie Abbildung 3.4 Zahl der Bankabhebungen und durchschnittliche Geldhaltung
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2.3 Portfolio‐orientierte Geldnachfragetheorie − Durchschnittliche Geldhaltung: PY/n − Durchschnittliche Geldhaltung zwischen n Bankbesuchen: M =
PY 2n
− Opportunitätskosten: M ⋅ i − Transaktionskosten: c . n − Gesamtkosten, TC: TC= M ⋅ i + cn − Optimierung der Geldhaltung ist äquivalent zu: M ⋅ i + c ⋅ PY → min 2M
− Optimale Transaktionskassenhaltung: M * =
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cPY 2i
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2.3 Portfolio‐orientierte Geldnachfragetheorie
¾ Im Gegensatz zur keynesianischen Nachfrage nach Transaktionskasse ist die Transaktionsnachfrage von Baumol und Tobin darüber hinaus auch eine Funktion von Zinssatzes.
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2.3 Portfolio‐orientierte Geldnachfragetheorie • Tobins Nachfrage nach Spekulationskasse – Tobins „Mean‐variance“‐Analyse ist eine Anwendung der Theorie der Portfolio Choice – Nutzen, den Wirtschaftssubjekte aus ihrer Asset‐Haltung ziehen ist positiv mit dem erwarteten Ertrag des Portfolios und negativ mit dem Risiko des Portfolios korreliert
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2.3 Portfolio‐orientierte Geldnachfragetheorie Abbildung 3.5 Indifferenzkurven im „Mean-variance“-Modell
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2.3 Portfolio‐orientierte Geldnachfragetheorie − Optimale Portfolio:
⎞ ! ⎛ r+g ⎟ ⎯→ max . σ L = U (R e ,σ P ) + λ⎜ R e − P ⎟⎯ ⎜ σg ⎝ ⎠
− Optimalbedingung: −
∂U ∂U r g ⋅ ( + ) = ⋅σ g ∂σ P ∂R e
ÆAnstieg des Nutzens der Haltung einer zusätzlichen Bond‐Einheit entspricht der Verringerung des Nutzens des Eingehens zusätzlichen Risikos M =W −
−
1
σg
σp
Æ Geldnachfrage als eine Funktion des Gesamtvermögens, des individuellen Risikos von Bonds und desgesamten Bondportfolio‐Risikos
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2.3 Portfolio‐orientierte Geldnachfragetheorie ¾ In Tobins Theorie der Nachfrage nach Spekulationskasse können Individuen gleichzeitig Geld und Bonds halten. ¾ Dies weicht von Keynes und seiner Liquiditätspräferenztheorie ab, in der ein Individuum entweder Geld oder Bonds hält.
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