Staatsorganisationsrecht I

Grundzüge des Rechts für Bauwissenschaft Staatsorganisationsrecht I Gérard Hertig (ETH Zurich) www.hertig.ethz.ch Herbst 2016 ‚Skript‘: Module 01, ...
Author: Dorothea Dieter
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Grundzüge des Rechts für Bauwissenschaft

Staatsorganisationsrecht I Gérard Hertig (ETH Zurich) www.hertig.ethz.ch

Herbst 2016

‚Skript‘: Module 01, S. 1 - 11

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

Formalia zur Vorlesung

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

 Weitere Vorlesungsangebote Herbstsemester 2016 − Raumplanungsrecht und Umwelt

− Environmental Regulation: Law & Policy − Grundbuch- und Vermessungsrecht

− Rechtlicher Umgang mit natürlichen Ressourcen − Verkehrsrecht/Verkehrswirtschaftsrecht

− Wirtschaftsrecht: Gründung und Führung eines Unternehmens − Geistiges Eigentum: Eine Einführung

− Rolle des Geistigen Eigentums für Ingenieure und Physiker / Schutz von Erfindungen in der Chemie − E-Business-Recht

− Introduction au droit civil

− Workshop & Lecture Series • in Law & Finance

• on the Law & Economics of Innovation & Technology

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

 Weitere Vorlesungsangebote Frühjahrssemester 2017 − − − − − − − − − −

Öffentliches Baurecht Sachenrecht Umweltrecht , Internationales Umweltrecht Humanitäre Tätigkeit und humanitäres Völkerrecht Telekommunikationsrecht, Recht der Informationssicherheit Introduction au droit public Introduction to Law & Finance Seminar Wirtschaftsrecht: Projektverträge Intellectual Property: An Introduction Workshop & Lecture Series in Law & Economics

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

 Literaturhinweise

− Skript (Herbstsemester 2016 – seit Frühjahr 2015 erstellt) • Modul 01: S. 1-11 − Bücher • Axel Tschentscher / Andreas Lienhard, Öffentliches Recht: Ein Grundriss, Zürich, 2011 • Eric Dieth, OR kompakt, Basel, 3. Auflage, 2015

 Gesetze

• Für die Vorlesung nicht erforderlich • Systematische Sammlung des Bundesrechts: http://www.admin.ch/ch/d/sr/sr.html • S. a. www.lexfind.ch

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

 Lernunterstützung

− Fragen in der Vorlesung! − Folien und frühere Prüfungen (http://www.hertig.ethz.ch) − Skript • Laufend verteilt

− Sprechstunde • Vor, zwischen & nach Vorlesung • Termine und Fragen per Mail vereinbaren ([email protected])

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

 Prüfung

− 60 Minuten Multiple-Choice-Prüfung − Stoff

• Vorlesung und Vorlesungsfolien (www.hertig.ethz.ch) • Skript (Verteilung per e-mail)

− Beispiele

• Frühere Prüfungen (www.hertig.ethz.ch)

− Keine Hilfsmittel (ausser Wörterbücher) − Termin

• In der Prüfungssession

• Termin wird Mitte Semester vom Rektorat bekannt gegeben

Formalia

I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung V. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

I. Einführung

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

Themen Modul

Block

Thema

01

Staatsorganisationsrecht

02

Grundrechte

03 04

Öffentliches Recht

05

Völker-/Europarecht Allgemeines Verwaltungsrecht Polizei-, Umwelt- ,Raumplanungs- und Baurecht

06

Verfahrensrecht

07

Vertragsentstehung

08 09 10

Privatrecht

Vertragserfüllung Besondere Vertragsarten Haftpflichtrecht

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Kursziele 1. Warum und wie ist Recht für Architekten wichtig 2. Besseres Verständnis der praktischen Wirkungen der Rechtsordnung → • Grundzüge stehen im Vordergrund • Beispiele und Gerichtsentscheidungen als Hilfsmittel

3. Architekten & Recht →

Was steht dahinter, ökonomisch sowie politisch Mit Juristen besser arbeiten zu können Beispiele: Recht & Fairness (1), Recht & Familie (2), Recht & Politik (3), Recht & Realität (4), Fall Baurecht (5) →→→

• • •

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Einführungsbeispiel 1 – Architekturwettbewerb (siehe auch BGE 140 I 326 – 2014)

 H ist Eigentümerin von in der eingeschossigen Wohnzone gelegenen Grundstücke. Sie plant auf dem betreffenden Perimeter den Bau eines Campus Hotels und mehrerer Villen.  Im Frühling 2015 lud H acht Architekturbüros zur Erarbeitung einer Volumenstudie ein.  Das Preisgericht hatte jenes Projekt auszuwählen, das die Nutzungsmasse und das Raumprogramm der geplanten Überbauung unter siedlungsplanerischen und landschaftlichen Gesichtspunkten am besten umsetzte.  Die Jury bestand aus zwei Vertretern der Bauherrschaft, zwei Mitgliedern von Schutzverbänden (Landschaftsund Heimatschutz) sowie dem Gemeindepräsidenten.  Die Preisrichter entschieden sich einstimmig für die Volumenstudie des Architekturbüros I.

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Einführungsbeispiel 1 – Architekturwettbewerb (siehe auch BGE 140 I 326 – 2014)

 Der gestützt auf die ausgewählte Volumenstudie erarbeitete Gestaltungsplan lag ab Oktober 2012 öffentlich auf.  Gegen den Gestaltungsplan erhobte X als Eigentümerinnen der an den Planperimeter angrenzenden Grundstücke Einsprache.  Sie beantragte der Gemeindepräsident sei zu verpflichten, beim Entscheid über die Genehmigung des Gestaltungsplans in den Ausstand zu treten.  Mit Entscheid vom 30. April 2013 wies der Gemeinderat Vitznau sowie das Kantonsgericht Luzern die Ausstandsbegehren ab.

 BGE: Wettbewerb/Einsprachverfahren → Prüfung anhand derselben Kriterien → Verletzung der Garantie der Unbefangenheit

→ Teilen Sie diese Meinung ?

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Einführungsbeispiel 2 – Besteuerung geschiedener Eltern (siehe auch BGE 2C_534/535/2014 vom 7. August 2015; NZZ, 27. August 2015, S. 15)

 Ein geschiedenes Paar muss abwechselnd und zu gleichen Teilen für den Nachwuchs sorgen sowie zu dessen Unterhalt beitragen.  Das Bundesgericht musste entscheiden wer mit dem Steuertarif für Alleinstehende vorliebnehmen muss und wer weiterhin den günstigeren Elterntarif erhält.  Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat in einem Kreisschreiben zur Familienbesteuerung festgehalten, dass in solchen Fällen der Elterntarif dem Elternteil mit dem höheren Einkommen zugutekommt.  Grund dafür ist, dass wer mehr verdient auch mehr zum Unterhalt des Kindes beitragen wird.  Eine Mutter die mit dem Ex-Mann der Unterhalts ihrer Tochter teilte obwohl ihr Einkommen tiefer war, erhob gegen diese Regel Beschwerde.

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Einführungsbeispiel 2 – Besteuerung geschiedener Eltern

(siehe auch BGE 2C_534/535/2014 vom 7. August 2015; NZZ, 27. August 2015, S. 15)

 Das Bundesgericht beschloss, dass die Mutter dadurch im Verhältnis stärker belastet werde als der Mann, was gegen den Verfassungsgrundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstosse.  Mit anderen Worten: der günstigere Tarif soll dem Elternteil mit dem tieferen steuerbaren Einkommen zustehen.  Die NZZ meinte das diese Regelung alles andere als familienfreundlich ist. Wenn der besser verdienende Teil sanfter angefasst wird, muss die Familie dem Staat gesamthaft weniger Steuern abliefern – wobei die Eltern frei sind, untereinander eine andere Lösung vorzunehmen.

→ Welche Lösung ist i. E. familienfreundlicher?

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Einführungsbeispiel 3 – Strafverfolgung (siehe auch BGE 135 I 113 - 2009)

 Im September 2007 wurde Taxichauffeur B von C erstochen.  C befand sich auf freiem Fuss, obwohl Oberrichter Z Sicherheitshaft gegen ihn angeordnet hatte.  Im Januar 2008 ersuchte die Staatsanwaltschaft eine Ermächtigung zur Einleitung einer Strafuntersuchung wegen fahrlässiger Tötung gegen Oberrichter Z.  Der Kantonsrat beschloss, dem Gesuch nicht stattzugeben.

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Einführungsbeispiel 3 – Strafverfolgung (siehe auch BGE 135 I 113 - 2009)  Nach Art. 347 StGB sind die Kantone berechtigt, die Strafverfolgung der Mitglieder ihrer obersten Vollziehungs- und Gerichtsbehörden wegen Vergehen oder Verbrechen im Amt vom Vorentscheid einer nicht richterlichen Behörde abhängig zu machen.  Der Kanton Zürich hat von dieser Befugnis Gebrauch gemacht. Das Ermächtigungsverfahren ist allerdings höchst rudimentär geregelt. Es ist indessen anerkannt, dass dabei auch politische bzw. staatspolitische Überlegungen berücksichtigt werden dürfen.  Für das Bundesgericht können Immunitäten von Parlamentariern und Magistratspersonen in einem Spannungsverhältnis zur BV und EMRK stehen, welche bei Tötungsdelikten die Verfolgung und Bestrafung der Täter grundsätzlich vorschreiben.  Im vorliegenden Fall hat der Zürcher Kantonsrat im Einklang mit seiner Praxis und dem anwendbaren Verfahrensrecht auf eine Begründung seines Entscheids verzichtet. Das ist unhaltbar.

→ Ist dieser Verzicht vielleicht doch haltbar?

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

Einführungsbeispiel 4 – Vorsorgliche Massnahmen (siehe auch BGE 4P.88/2003)

 Motorola belieferte die türkische Telsim über mehrere Jahre hinweg mit Hardware für deren Mobilfunknetz.  Die Telsim ist von der Familie Uzan gehalten.  Motorola erwirkte im Mai 2002 bei der High Court of Justice in London gegen Kemal Uzan eine Freezing Injunction, womit dessen Vermögenswerte bis zu einem Betrag von 200 Mio. US$ blockiert wurden.  Am 12. November 2002 beantragte Motorola dem Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirks Zürich, die Freezing Injunction anzuerkennen und vollstreckbar zu erklären. Er wies den Gesuch ab.

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

Einführungsbeispiel 4 – Vorsorgliche Massnahmen (siehe auch BGE 4P.88/2003)

 Auf Rekurs erklärte das Obergericht des Kantons Zürich die Freezing Injunction für vollstreckbar.  Das Bundesgericht hat diesen Beschluss bestätigt. 1. Es hat insbesondere erwähnt, dass vorsorglichen Massnahmen, insbesondere die auf Sicherung gerichteten, sind ihrem Wesen nach befristet und bezwecken keine endgültige Bereinigung einer Rechtslage. 2. Grundsätzlich fallen sie mit der Rechtskraft des Endentscheids dahin und können, weil sie selbst nicht der Rechtskraft fähig sind, im Allgemeinen auch jederzeit aufgehoben oder abgeändert werden. → Was ist die praktische Wirkung dieser Entscheidung ?

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

Einführungsbeispiel 5 – Fall Baurecht (siehe auch BGE 129 II 396 – 2003)  X ist Eigentümer eines Bauernhauses auf einem Grundstück, das in der Landwirtschaftszone von Adligenswil liegt.  Das Bauernhaus wird seit 1977 nur noch als Wohnhaus verwendet. 1994 wird das Bauernhaus durch einen Brand zerstört.  1996 erhält X die Bewilligung für den Wiederaufbau des Bauernhauses. Bewilligt werden zwei Wohneinheiten.  Dennoch erstellt X drei Wohnungen. Für die dritte Wohnung wird auch nachträglich vom Raumplanungsamt Luzern keine Bewilligung erteilt.  Im darauffolgenden Rechtsstreit verfügt der Gemeinderat, X habe die Nutzung der dritten Wohnung zu unterlassen und die bereits installierte Küche zu entfernen.

I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat VI. Gewaltenteilung VII. Föderalismus

 Einführungsbeispiel 5 – Fall Baurecht Raumplanungsgesetz (RPG) Art. 22

und Anlagen dürfen nur mit behördlicher Bewilligung errichtet oder geändert werden.

1 Bauten

2

Voraussetzung einer Bewilligung ist, dass a. b.

die Bauten und Anlagen dem Zweck der Nutzungszone entsprechen und das Land erschlossen ist.

Art. 24c 1 Bestimmungsgemäss nutzbare Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen, die nicht mehr zonenkonform sind, werden in ihrem Bestand grundsätzlich geschützt. 2

Solche Bauten und Anlagen können mit Bewilligung der zuständigen Behörde erneuert, teilweise geändert, massvoll erweitert oder wiederaufgebaut werden, sofern sie rechtmässig erstellt oder geändert worden sind. In jedem Fall bleibt die Vereinbarkeit mit den wichtigen Anliegen der Raumplanung vorbehalten.

I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat VI. Gewaltenteilung VII. Föderalismus

 Einführungsbeispiel 5 – Fall Baurecht − Problem: Bestandsgarantie des Art. 24c Abs. 1 RPG • nur Bauten, bei denen die Zonenwidrigkeit durch eine spätere Rechtsänderung (z.B. Änderung der Nutzungspläne) eingetreten ist oder • auch Bauten, bei denen die Zonenwidrigkeit allein durch tatsächliche Änderungen (hier: Aufgabe des Landwirtschaftsbetriebs) entstanden ist?

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

II. Aufgaben des Rechts

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

 Das Bedürfnis für Strukturen & Normen Beispiel : „Primitive“ Kulturen  Ausdrucks-, Impuls-, Durchsetzungsfunktion des Rechts Beispiel : Zigarettenrauchen im Restaurant  Verhaltensteuerung und Koordination • Haustiere und Steuern • Straßenverkehr





I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat VI. Gewaltenteilung VII. Föderalismus

Verhaltenssteuerung Verbotsnormen

§ 8 Abs. 1 Hundegesetz Kanton Zürich Der Erwerb, die Zucht sowie der Zuzug von Hunden mit erhöhtem Gefährdungspotential ist verboten

Gebotsnormen § 6 Hundegesetz Kanton Zürich Wer einen Hund hält, muss für diesen über eine Haftpflichtversicherung mit einer Decksumme von mindestens 1 Mio. Franken verfügen

Anreiznormen

§ 33a Bundesgesetz über die direkte Bundesteuer Von den Einkünften abgezogen werden auch die freiwilligen Leistungen von Geld und übrigen Vermögenswerten an juristische Personen … die im Hinblick auf ihre öffentlichen oder gemeinnützigen Zwecke von der Steuerpflicht befreit sind [….], wenn diese Leistungen [….] insgesamt 20 Prozent der [….] Einkünfte nicht übersteigen.

I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat VI. Gewaltenteilung VII. Föderalismus

Koordination Art. 34 Abs. 1 Strassenverkehrsgesetz

Fahrzeuge müssen rechts, auf breiten Straßen innerhalb der rechten Fahrbahnhelfte fahren [….]

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

III. Rechtsordnung

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat Internationales Recht

Rechtsordnung

Öffentliches Recht

Privatrecht

(Materielles) Zivilrecht

Personenrecht Familienrecht Erbrecht, Sachenrecht

Schuld- und Vertragsrecht

Nebenerlasse, z.B. Partnerschaftsgeset z, Pfandbriefgesetz, «Lex Koller»

Handels- und Wirtschaftsrecht

Gesellschaftsrecht

Nebenerlasse, z.B. Kartellrecht, Bankenrecht Kapitalmarktrecht, Immaterialgüterrec ht

Formelles Recht

(Materielles) öffentliches Recht

Verfahrensrecht

Staatsrecht

Vollstreckungsrecht

Verwaltungsrecht

Strafrecht

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

 Materielles Recht

− Wer hat welche ‚Rechte‘ und ‚Pflichten‘? •

Natürliche (physische) Personen



Juristische Personen (AG, GmbH, Stiftungen, etc)



Der Staat als Kompetenzträger (Armee, Steuern, Infrastruktur, etc.)

Beispiele: Werkvertrag / Baubewilligung

 Formelles Recht

− Wer kann Recht setzen?

Beispiele: Zivilgericht, Schiedsgericht / Behörde, Verwaltungsgericht

− Wie wird materielles Recht durchgesetzt?

Beispiele: Schuldbetreibungsamt / Polizei

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

 Beispiele zur Abgrenzung der Rechtsgebiete − Rechtsnorm

• Der Nationalrat wird auf die Dauer von vier Jahren gewählt.

− Rechtsgebiet • • • • •

1: Staatsrecht 2: Verwaltungsrecht 3: Strafrecht 4: Zivilrecht 5: Wirtschaftsrecht

I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat VI. Gewaltenteilung VII. Föderalismus

 Beispiele zur Abgrenzung der Rechtsgebiete − Rechtsnorm

• Ein Täter wird wegen Betrugs angeklagt. Da sich die Aufklärung der Tat schwierig gestaltet, schlagen Staatsanwaltschaft und Gericht dem Täter einen „Deal“ vor: Wenn der Täter die Tat gesteht und hilfreiche Hinweise gibt, kommt er mit einer geringen Strafe davon.

− Rechtsgebiet • • • • •

1: Staatsrecht 2: Verwaltungsrecht 3: Strafrecht 4: Zivilrecht 5: Wirtschaftsrecht

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

 Beispiele zur Abgrenzung der Rechtsgebiete − Rechtsnorm

• Die Gemeinde fördert die Bepflanzung privater Grundstücke mit hochstämmigen einheimischen Bäumen durch Subventionen und andere geeignete Maßnahmen.

− Rechtsgebiet • • • • •

1: Staatsrecht 2: Verwaltungsrecht 3: Strafrecht 4: Zivilrecht 5: Wirtschaftsrecht

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

 Beispiele zur Abgrenzung der Rechtsgebiete − Rechtsnorm

• Der Erblasser kann eine letztwillige Verfügung mit öffentlicher Beurkundung errichten.

− Rechtsgebiet • • • • •

1: Staatsrecht 2: Verwaltungsrecht 3: Strafrecht 4: Zivilrecht 5: Wirtschaftsrecht

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

 Unterscheidung öffentliches Recht und Privatrecht − Abgrenzung : Gemäß Theorie

Theorie

Öffentliches Recht

Privatrecht

Staat tritt hoheitlich gegenüber Privaten auf

Beteiligte sind gleichranging

Subjektstheorie

regelt Verhalten zwischen Staat und Privaten oder zwischen staatlichen Organen

regelt Beziehungen zwischen Privaten

Interessentheorie

dient öffentlichen Interessen

dient privaten Interessen

dient der Erfüllung öffentlicher Aufgaben

dient der Erfüllung privater Aufgaben

Subordinationstheorie

Funktionstheorie

I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat VI. Gewaltenteilung VII. Föderalismus

 Unterscheidung öffentliches Recht und Privatrecht − Abgrenzung : Praktische Relevanz (1)

Praktische Relevanz Kompetenz

Öffentliches Recht

Grundsätzlich: Zuständigkeit bei den Kantonen

(Subsidiaritätsprinzip)

Privatrecht

Grundsätzlich: Zuständigkeit beim Bund (Art. 122 BV)

Art. 3 Bundesverfassung Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt sind; sie üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen sind. Art. 5a Bundesverfassung

Bei der Zuweisung und Erfüllung staatlicher Aufgaben ist der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten.

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

 Unterscheidung Öffentliches Recht und Privatrecht − Abgrenzung : Praktische Relevanz (2)

Praktische Relevanz

Kompetenz

Inhaltlich

Durchsetzung

Öffentliches Recht

Privatrecht

Grundsätzlich: Zuständigkeit bei den Kantonen (Subsidiaritätsprinzip)

Grundsätzlich: Zuständigkeit beim Bund (Art. 122 BV)

Legalitätsprinzip

Grundsatz: Privatautonomie

durch Verwaltungsbehörden (Verfügungen) durch Klage vor Zivilgericht & Gerichte (Strafgericht, Verwaltungsgericht) (+ Vollstreckung durch Verwaltungsbehörde)

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

Beispiel Arbeitsverhältnis (siehe auch BGE 140 I 320– 2014)

A. war am Schulzentrum X. als Sportlehrer angestellt. Die Schulleitung hat ihm am 31. Oktober 2011 mitgeteilt, das Arbeitsverhältnis könne nicht fortgesetzt werden. A. wurde demnach eine sogenannte Sozialfrist eingeräumt. A. machte geltend, die Einräumung dieser Frist beweise, dass kein wichtiger Grund für die sofortige Kündigung vorgelegen habe. Für das Zivilrecht hat das Bundesgericht die Gewährung einer Sozialfrist jedenfalls dann als zulässig erachtet, wenn die Frist nicht gleich lang wie die der ordentlichen Kündigung dauert und in erster Linie im Interesse des Arbeitsnehmenden und nicht in demjenigen des Arbeitgebers liegt. Ist diese Überlegung auch im öffentlichen Personalrecht zutreffend?

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

Beispiel Einspracheverzicht (siehe auch BGE 140 V 82– 2014) Für die verbleibenden Folgen eines Unfallereignisses sprach die Mobiliar mit Verfügung der 1958 geborenen Z. rückwirkend ab 1. Oktober 2007 eine Rente und eine Integritätsentschädigung zu. Mit einem Schreiben an die Mobiliar verzichtete die Versicherte ausdrücklich auf eine Einsprache gegen diese Verfügung. Danach informierte der Rechtsvertreter der Versicherten die Mobiliar per E-Mail, dass sie nicht auf eine Einsprache verzichte. Wie ist die Rechstlage zu beurteilen?

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

IV. Rechtsquellen

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

• Normenhierarchie Bundesverfassung

Bundesgesetz Verordnung Gewohnheitsrecht Richterrecht

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

 Bundesverfassung

− Verfassungsänderung unterliegt der Zustimmung BV von Volk und Kantonen (qualifiziertes Mehr, Gesetz obligatorisches Referendum) (Art. 140 Abs. 1 lit. a BV) Verordnung Gewohnheitsrecht − Inhalt der Verfassung Richterrecht • Zielnormen (z.B. Art. 2 BV) • Grundrechte (Art. 7 ff. BV) • Kompetenznormen (z.B. Art. 54, 92, 128 BV) • Organisationsvorschriften (z.B. Art. 140 f., 143 ff. BV)

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

 Bundesgesetz

− Gegenstand: Generell-abstrakte Normen in Sachgebieten, die gemäss der Kompetenzverteilung der Bundesverfassung in die Zuständigkeit des Bundes fallen

BV Gesetz Verordnung Gewohnheitsrecht Richterrecht

− Verfassungsmässigkeit eines Gesetzes kann nicht überprüft werden (Art. 190 BV)

− Enthält u.U. einschneidende Eingriffe in die Grundrechte − Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung und in der Systematischen Sammlung des Bundesrechts

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

 Rechtsverordnung

− Präzisierung bestehender Gesetze betreffend Anwendung und/oder Ausführung − Von der zuständigen Behörde erlassen − Publikation im Bundesblatt, Amtsblatt etc. − Vorteil: Flexibilität

BV Gesetz Verordnung Gewohnheitsrecht Richterrecht

Abgrenzung der Rechtsverordnung zur Verwaltungsverordnung/Wegleitung  Verwaltungsverordnungen sind interne Dienstanweisungen einer übergeordneten an eine untergeordnete Behörde  Wegleitung enthält behördliche Interpretation gesetzlicher Vorschriften  Begründen unmittelbar keine Rechte oder Pflichten Privater

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts

III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

 Gewohnheitsrecht

− Langjährige, ununterbrochene, einheitliche Praxis der Verwaltungsbehörden − Rechtsüberzeugung der Behörden und der betroffenen Bürger − Lücke im geschriebenen Recht erforderlich − Darf nicht geschriebenem Recht widersprechen

BV Gesetz Verordnung Gewohnheitsrecht Richterrecht

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

Beispiel Gewohnheitsrecht (siehe auch BGE 136 I 376 – 2010)  Die Gemeinde Neuheim (Zug) ist im Kantonsrat mit 2 Mitglieder vertreten, obwohl ihr nach der mathematischen Formel in § 1 Abs. 1 des Kantonsratsbeschlusses lediglich ein Mandat zufallen würde.  Die Beschwerdeführer rügen die Mandatszuteilung als rechtswidrig.  Demgegenüber vertritt der Kanton Zug die Auffassung, es handle sich bei der Mindestzuteilung von zwei Sitzen an kleine und kleinste Gemeinden um unumstrittenes Gewohnheitsrecht.  Das Bundesgericht hat ausgeführt, dass es nicht gegen Verfassungsrecht verstosse, einen durch lang andauernde Übung entstandenen Rechtssatz anzuerkennen, wenn er nicht in Freiheitsrechte des Bürgers eingreift.

I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat VI. Gewaltenteilung VII. Föderalismus

 Richterrecht − Weiterentwicklung und Präzisierung des Rechts durch die Rechtsprechung mittels Auslegung und Lückenfüllung

BV Gesetz Verordnung Gewohnheitsrecht Richterrecht

− Wichtig: Entscheide des Bundesgerichts (veröffentlicht in Amtlicher Sammlung, BGE) − Aber auch: Entscheide letztinstanzlicher Kantonalgerichte − Rolle der nicht-schweizerischen Gerichte?

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

V. Rechtsstaat

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat Art. 5 Abs. 1 Bundesverfassung Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.

 Legalitätsprinzip − Handeln des Staates ist durch das Recht bestimmt − Abgrenzung zum absolutistischen oder tyrannischen Staat Funktionen • Rechtssicherheit: Voraussehbarkeit vs. Flexibilität • Rechtsgleichheit • Freiheit des Individuums vor staatlichen Eingriffen • Demokratische Legitimation staatlichen Handelns

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

Art. 5 Abs. 1 Bundesverfassung Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.

 Gesetzesvorrang

− Staat (d.h. insbesondere Verwaltung) darf keine Massnahme treffen, die dem Gesetz widerspricht

 Gesetzesvorbehalt

− Staat darf nur tätig werden, wenn ein Gesetz ihn dazu ermächtigt

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

Beispiel Legalitätsprinzip 1 (BGE 109 Ia 273 - 1983)  Basel-Stadt ändert seine Strafprozessordnung: Der Staatsanwalt kann den Post- und Telefonverkehr eines Angeschuldigten überwachen lassen, wenn a) ein Verbrechen oder Vergehen, dessen Schwere den Eingriff rechtfertigt und b) Tatsachen die zu überwachende Person als Täter oder Teilnehmer verdächtig machen und c) die notwendigen Ermittlungen ohne die Überwachung wesentlich erschwert würden.

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

Beispiel Legalitätsprinzip 1 (BGE 109 Ia 273 - 1983)  Rechtsprechung des BGE: − Der Gesetzgeber kann nicht völlig darauf verzichten, allgemeine Begriffe zu verwenden. Ohne die Verwendung solcher Begriffe wäre der Gesetzgeber nicht in der Lage, der Vielgestaltigkeit der Verhältnisse Herr zu werden. − Für die Frage, welchen Bestimmtheitsgrad eine Norm für Eingriffe in Grundrechte aufweisen muss, differenziert man insbesondere danach, an wen sich die Norm wendet und ob sie Eingriffe in Verfassungsrechte erlaubt. − Darüber hinaus ist die Unbestimmtheit durch verfahrensrechtliche Garantien zu kompensieren.

 Hier?

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

Beispiel Legalitätsprinzip 2 (BGE 140 II 112 - 2014)  A. ist lettischer Staatsangehöriger. Er beantragte mit Schreiben vom 21. Februar 2012 die "Aufnahme in das Justizdolmetscherverzeichnis Zürich".  Mit Beschluss des Ausschusses der Fachgruppe Dolmetscherwesen des Obergerichts des Kantons Zürich vom 15. Juni 2012 wurde dieser Antrag abgewiesen.  Das Bundesgericht hat (unter dem Blickwinkel der Wirtschaftsfreiheit) im 2011 ausgeführt, die Gutachtertätigkeit für staatliche Behörden sei eine hoheitliche Tätigkeit.  Für das EuGH stellt im Anwendungsbereich des CH-EG Freizügigkeitsabkommens die Dolmetschertätigkeit keine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt.  Welche Auslegung ist hier anwendbar?

Formalia I. Einführung II. Aufgaben des Rechts III. Rechtsordnung IV. Rechtsquellen V. Rechtsstaat

Beispiel Legalitätsprinzip 3 (BGE 142 I 1 - 2016)  Die Gemeinde B. richtete dem A. ab 2007 wirtschaftliche Sozialhilfe aus.  Am 6. Juni 2013 kürzte sie diese mit der Begründung, A. habe sich im Rahmen eines Beschäftigungsprogramms nicht ernsthaft um die Behebung seiner Notlage bemüht. Danach wurde die Sozialhilfe gänzlich erstellt, da A. danach die Weisung, halbtags zu arbeiten, nicht gefolgt hat.  § 24a Abs. 1 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Zürich sieht vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen und unter Berücksichtigung von Art. 12 BV, die Sozialhilfeleistungen ausnahmsweise ganz oder teilweise einzustellen sind.  Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich erachtete dass eine vollständige Einstellung der Sozialhilfe grundsätzlich zulässig ist.  A. meint, dass wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, Anspruch hat auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind (Art. 12 BV).