Staats- und Europarecht I - 2 Verfassungsstaat und Staatsorganisationsrecht. Dr. Peter Becker

Staats- und Europarecht I - 2 Verfassungsstaat und Staatsorganisationsrecht Dr. Peter Becker Gliederung von Teil 2 (Fortsetzung von Staatsrecht I-1...
Author: Klemens Dieter
7 downloads 0 Views 2MB Size
Staats- und Europarecht I - 2 Verfassungsstaat und Staatsorganisationsrecht

Dr. Peter Becker

Gliederung von Teil 2 (Fortsetzung von Staatsrecht I-1)

VI. Teil:

VII. Teil: VIII. Teil: IX. Teil: X. Teil: XI. Teil:

Verfassungsbegriff, Verfassungsgeschichte und Entstehung des Grundgesetz Die Grundprinzipien des Grundgesetzes -Staatsstrukturprinzipien und StaatszielbestimmungenDie Staatsorgane Die Staatsfunktionen Auswärtige Gewalt Politische Parteien

VI. Teil Verfassungsbegriff

Verfassungsgeschichte Entstehung des Grundgesetz

Ausgangsfrage: Was ist eine Verfassung? In Großbritannien existieren (u.a.) folgende historische Rechtsakte: • • • • •

Magna Carta Petition of Right Habeas Corpus Act Bill of Rights Union with Scotland Act (1706) bzgl. Staatsgrenzen und die Staatsorganisation Großbritanniens • Parliament Act 1911 und 1949 bzgl. Wahlsystem, Wahlberechtigung und Wählbarkeit

aber keine Verfassungsurkunde. Hat Großbritannien eine Verfassung?

Verfassungsbegriff – historische Entwicklung -> Grundlegende Rechtsregeln für das Zusammenleben in einem Staat Verfassungen im modernen Sinne entstanden im 18. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Entwicklung der Vorstellung vom Staat als korporativem Gemeinweisen (vgl. Skript1) 1. Zunächst Vertragstheorie:  Verfassung als Vertrag zwischen Volk bzw. Ständen und dem Herrscher  Rationale Legitimation der Herrschaft: - der Herrscher schuldet dem Einzelnen Schutz, - der Einzelne unterwirft sich zu diesem Zwecke (unwiderruflich) seiner Herrschaft (vgl. insbesondere: Hobbes in Leviatan)

2. Später konstitutionelle Monarchie: Mittel zur Begrenzung der Herrschaft des Fürsten durch das Parlament  Urkunde über die Selbstbeschränkung des Fürsten (deutscher Konstitutionalismus)  Aber: teilweise auch als Vertrag zwischen Fürst und Vertretern der Stände ausgestaltet (vgl. Verfassung für das Königreich Württemberg vom 25.9.1819) 3. Heute:  Rein formales Verfassungsverständnis  Gesetz mit besonderem Rang und erschwerter Abänderbarkeit

Der Verfassungsbegriff - Funktion

Funktionen der Verfassung

Staatsorganisationfunktion Der Staat bzw. die Staatsgewalt werden durch die Verfassung handlungsfähig gemacht. Verfassungsstaat

Begrenzungsfunktion Der Staatsgewalt werden durch die Verfassung bei ihren Handeln Grenzen gezogen (insb. durch Grundrechte) liberaler Verfassungsstaat

Der Verfassungsbegriff - Staatsorganisationsfunktion

Notwendige Regelungen

Soweit erforderlich

• Existenz der Staatsorgane einschließlich ihrer Zusammensetzung • Aufgaben ("Zuständigkeiten") der Staatsorgane

• Form und Verfahren für Entscheidungen der Staatsorganen • Gegenstand der Tätigkeit der Staatsorgane im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben

• •

Allgemeine Prinzipien: Verfassungsregeln müssen für einen sachgerechten Ausgleich zwischen den verschiedenen Staatsstrukturprinzipien sorgen. Die Verfassung bildet nur einen Rahmen für die Politik, denn im demokratischen Staat beschränkt sich Politik nicht den Verfassungsvollzug.

Gruppenarbeit zur Verfassungsgeschichte Analysieren Sie die nachfolgende Zeitperioden der deutschen Verfassungsgeschichte unter den Gesichtspunkten  Quelle der Legitimität der Herrschaft (nach Max Weber)  Herrschaftszugang und Eliten  Herrschaftsausübung und Rechenschaft (Prinzipal/Agentenverhältnis)  Standort(e) in der Einteilung nach der Transformationslehre und wesentliche Gründe für Transformation(en)/Veränderungen

Zeitperioden: 1. Deutsches Reich bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges 2. Vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zur Reichgründung 1871 3. Deutsches Kaiserreich, Weimarer Republik und Drittes Reich

Deutsche Verfassungsgeschichte I Vom Frankenreich bis zur Reichsreform

• Weihnachten 799, Karl der Große wird in Rom von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt (~Erneuerung des weströmischen Kaisertums, fehlender Schutz durch Byzanz) • Zwischen 842-911: Herausbildung des Alten Reichs aus dem ostfränkischen Reich (Personenverbandsstaat zwischen Stammesfürsten bzw. Vasallen des Königs, Lehensstaat), König ist als Kaiser zugleich Beschützer des Abendlandes und der christlichen Kirche • Heinrich IV. und Gregor VII., Investiturenstreit, Gang nach Canossa (1077) • 1122 Wormser Konkordat: Ende des Investiturenstreits, 1. Säkularisation • 1158 Reichstag auf den ronkaglischen Feldern unter Friedrich I. Barbarossa: Die Möglichkeit, dass Recht in Form von Gesetzen durch den Kaiser erlassen bzw. geändert werden kann, wird erstmals anerkannt. Recht erhält damit eine zeitliche Dimension. • 1231 Wormser Reichstag: Friedrich II. überträgt den Landesfürsten zahlreiche Regalien • 1356 Goldene Bulle: Festlegungen über die Königswahl durch zunächst 7 später 9 Kurfürsten

Stellung des Königs

I. Verfahren der Königserhebung Durch Wahl der Stammes- bzw. später Reichsfürsten mit zeitweisen Tendenzen zum Geblütsrecht (Erbmonarchie) Das Wahl- und Einsetzungsverfahren waren bis zur Goldenen Bulle nicht geregelt. Üblicherweise: Thronbesteigung, Krönung, Übergabe der Insignien, Salbung, Umritte im Reich zur Huldigung (Bestätigung durch das Volk)

II. Die wichtigsten Königsrechte: 1. Führung des Heeres und Heeresbann (Heeresdienstpflicht) 2. Wahrung des inneren Friedens, Königsschutz für Schutzbedürftige 3. Oberster Gerichtsherr (Hofgericht) 4. Besetzung der Bischofsämter und Einberufung der Synoden (bis 1122) III. Gesetzgebungsfunktion Gegenüber dem König bestand Treupflicht. Allgemeines Weisungsrecht verbunden mit Bannrecht (Strafandrohung bei Nichtbefolgung) Idee der Gesetzgebung durch den König taucht erstmals 1158 Reichstag auf den ronkaglischen Feldern auf (gelehrte Juristen erinnerten an Codex Iustinianus, 528)

Deutsche Verfassungsgeschichte II von der Reichsreform bis zum Auflösung des Alten Reichs • 1496 Reichsreform: Reichskreis, Reichskammergericht, Fehdeverbot für den Adel • 1521: Aufstellung eines gemeinsamen Reichsheers (Beteiligung und Finanzierung durch die Reichsstände, sog. Reichsmatrikel) • 1555 Reichsexecutionsordnung: Reichskreise und lokale Reichsstände zuständig für Handhabung des Landfriedens und der Vollstreckung der Urteile des Reichskammergerichts • seit 1648 (Ende des 30jährigen Kriegs): Mit dem westfälischen Frieden wird die Idee souveräner Einzelstaaten (moderner Staaten) anerkannt • Ab Mitte des 18. Jhdts.: Gegensatz von Preußen und Österreichs und französische Erbfolgekriege schwächen das Reich • 1793-1807 1.-4. Koalitionskrieg mit Frankreich • 1803 Reichsdeputationshauptschluss: Säkularisation und Mediation durch Aufhebung der Kirchengüter • 1806 Franz II. legt Kaiserkrone nieder: Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation

Organisationsstruktur des Heiligen Römisches Reiches seit dem Ewigen Reichsfrieden vom 7. August 1495  gewählter Kaiser und 

 

 

  Quelle: Wikipedia

Reichsstände, geteilte Souveränität; Verfassung: Bündel von traditionellen Rechten und Dokumenten, 1122 Wormer Konkordat: Investiturenstreit; 1231 Reichstag Worms: Stammesfürsten werden zu Reichsfürsten; Gesetzgebung, Münzwesen, Städtebau 1356 Goldene Bulle: Königswahl 7.8.1495 Ewiger Reichsfriede, Reichskammergericht, Fehdeverbot des Adels, Gewaltmonopol des Staates 1521 Worms, Reichsheeresverfassung 25.9.1555 Augsburger Religionsfriede

Deutsche Verfassungsgeschichte III Von den Befreiungskriegen bis zum Ende des Kaiserreichs 1813-1815 5. Koalitionskrieg, Völkerschlacht in Leipzig, Waterloo, Ende Napoleons, Wiener Kongress, Restauration 1815 Deutscher Bund, Staatenverbund mit Rechtssetzungsbefugnissen (-> EU), kleindeutsche oder großdeutsch Lösung? Erste Verfassungsbewegung führt zum Erlass von Verfassungen in zahlreichen Ländern. 1848 März-Revolution: Versuch der Schaffung einer demokratischen Reichsgewalt 1866 Schleswig-Holstein Frage, Preußen tritt aus dem Deutschen Bund aus, Preußisch-österreichischer Krieg, Auflösung des Deutschen Bundes, kleindeutsche Lösung ohne Österreich 1867 Norddeutscher Bund: Vorstufe des Deutschen Reichs unter Bismark 1871 Deutsches Reich: Bismarck'sche Reichsverfassung, Deutsches Reich als Fürstenbund 1918 Novemberrevolution, Abdankung des Kaisers, Deutsches Reich bleibt als souveräner Staat bestehen, Versailler Vertrag

Exkurs: Deutscher Konstitutionalismus Begründung der Souveränität wird rational: Idee von Tradition, Gottesgnadentum wird aufgegeben. Stattdessen: Fürst steht über den Parteien, ist neutrale Instanz, wird zum „Staat“

Fürst = Souverän

Quelle der Souveränität

Oberhaus (Adel)

Verfassung

Ausübung der Souveränität

Selbstbeschränkung durch „Gewährung“ einer Verfassung (iSv. Toleranz) Der Verwaltungsapparat entwickelt zunehmend ein Eigenleben (esprit du corps) und handelt aufgrund vorhersehbarer Prozeduren und Verfahrensabläufe. Dies verdrängt die Willkürentscheidungen des Souveränes. = Rechtswegestaat

Verwaltungsapparat

Parlament

„Rule by law“

Wahl

Begrenzte Befugnisse, Zustimmung zu Gesetzen und zum Budget

Volk

Verfassung des Deutschen Reichs von 1871 Organisation • Reich = Stiftung der Bundesfürsten • Bundesrat und nicht der Kaiser oder das Volk war als eigentlicher Souverän gedacht • Dt. Kaiser und nicht Kaiser von Deutschland Grundrechte • Kein Grundrechtskatalog, nur Diskriminierungsverbot wg. Landeszugehörigkeit • Verwaltungsvollzug bei den Ländern -> preußische LV hat GRKatalog

Deutsche Verfassungsgeschichte III Vom Ende des Kaiserreichs bis heute 1918/19 Weimarer Republik: WRV als erste Verfassung mit demokratisch bestimmter Regierung 1933 Ermächtigungsgesetz: Machtübernahme durch die Nazis, „legale“ Revolution, Auflösung der Länder, Gleichschaltung der Zivilgesellschaft, „Doppelstaat“ (Maßnahmenstaat, Normstaat, vgl. Ernst Fraenkel) 1945 Kapitulation (nicht: Auflösung) des Deutschen Reiches, Staatsgewalt wird durch die Siegermächte ausgeübt 1949 Grundgesetz für westliche Besatzungszonen, Verfassung der DDR im Osten, Wiedervereinigung als Ziel beider Verfassungen, beschränkte Souveränität 1950 Koreakrieg führt endgültig zum Kalten Krieg zw. Ost und West 1964 Mauerbau in Berlin 1972 Entspannungspolitik unter Willy Brandt 1989 Zusammenbruch der DDR, Maueröffnung (9.11.1989) 1990 Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion (März bis Juli 1990), Wiedervereinigung (3.10.1990), Anschlusslösung nach Art. 23 GG (alt), Grundgesetz gilt in allen Teilen Deutschlands

Weimarer Reichsverfassung Aufbau: Zuständigkeiten des Reichs • Gesetzgebung • Regierung und Verwaltung • Rechtsprechende Gewalt Staatsorgane • Reichstag • Reichspräsident • Reichsregierung • Reichsrat • Staatsgerichtshof Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen • Erster Abschnitt: Die Einzelperson • Zweiter Abschnitt: Das Gemeinschaftsleben • Dritter Abschnitt: Religion • Vierter Abschnitt: Bildung und Schule • Fünfter Abschnitt: Das Wirtschaftsleben Übergangs- und Schlussbestimmungen Schwachpunkte (aus heutiger Sicht): Fehlende Sperrklausel, keine Regelung zu Parteien „verfassungsdurchbrechende“ Gesetze zu starke Rolle des Reichspräsidenten (Art. 48)

Entstehung des Grundgesetzes  1.7.1948: "Frankfurter Dokumente" Auftrag der Westalliierten an die Ministerpräsidenten für einen Verfassungsentwurf  8. – 10.6.1948: Koblenzer Beschlüsse und 20.06.1948 erneute Konferenz der Ministerpräsidenten in Niederwald  10. - 23. 8 1948; Verfassungskonvent Herrenchiemsee: Entwurf u.a. Carlo Schmidt  1.9.1948 - 8.5.1949: Parlamentarischer Rat (65 Vertreter der westdeutschen Landtage) Der Verfassungsentwurf wird von der Überlegungen geprägt, die Konstruktionsfehler der Weimarer Reichsverfassung zu vermeiden. • • • •

Stabilität der Staatsorgane wenig plebiszitäre Elemente wehrhafte Demokratie (u.a. Parteiverbot) „ehrliche“ Verfassung (einklagbare Rechte, effektiver Rechtsschutz)

 Durch Intervention der Militärgouverneure werden die Länderkompetenzen gestärkt.  Konstruktion als Übergangsverfassung  Verabschiedung am 23.5.1949 durch den Parlamentarischen Rat  In Kraft getreten am 24.5.1949

Inhalt und Gliederung des Grundgesetzes  Präambel (Vorwort)  Grundrechte (Artikel 1 –19 GG)  Organisationsnormen des Staates (Artikel 20 ff. GG)  Verfassungsgrundsätze  Staatszielbestimmungen (Art. 20, 28 und 79 Abs. 3)  Staatsstrukturbestimmungen (bestimmen die Struktur des Staates)  institutionell (Staatsorgane)  funktionell (zum Beispiel Gesetzgebungsverfahren)

 Diverse weitere Regelungen (zum Beispiel Regelungen für den Verteidigungsfall)  Übergangsregelung, Weitergeltung des bisherigen Rechts

Wiederholungsfragen zu Teil VI 1. Hatte das Alte Reich bereits eine Verfassung? 2. Welche Funktion hat die Verfassung beim Übergang von der traditioneller und rationaler Herrschaft? 3. Was wurde unter dem Begriff „Verfassungsvertrag“ verstanden? 4. Was meinen die Begriff deutscher Konstitutionalismus und Rechtswegestaat? 5. Worin bestehen die Funktionen moderner Verfassungen? 6. Worin bestehen die Hauptunterscheide zwischen der WRV und dem Grundgesetz? 7. Welche beiden Elemente hat das Grundgesetz aus der Verfassungstradition des Alten Reichs ererbt?

VII. Die Grundprinzipien des Grundgesetzes

Grundprinzipien des Grundgesetzes

Staatsstrukturprinzipien

Staatszielbestimmungen

• Staatlichkeit • Demokratie • Sozialstaat • Bundesstaat • Republik • Rechtsstaat

(programmatische Direktiven i.S.v. Leitprinzipien): • Schutz der natürlichen Umwelt Art. 20a • Tierschutz

Schutz durch Art 79 Abs. 3 GG (Ewigkeitsgarantie)

Art. 20 Abs. 1

• Sozialstaatsprinzip

Bundesrepublik Deutschland als Staat Staat i.S. einer Gebietskörperschaft, die sich durch über ihr Territorium definiert und nicht als Personenverband versteht Innere Organisation:

Von der Verfassung zugewiesene Funktionen:

Handelt durch vom Volk bestimmte  Rechtssetzung GewaltenOrgane  Regieren/Verwalten teilungsprinzip (Legitimationsstrang)  Rechtsprechung  Bundestag müssen korrespondieren  Bundesrat  Bundesregierung Zur Erfüllung der  Bundespräsident zugewiesenen Funktionen  Bundesverfassungsgericht übertragene Kompetenzen

Besondere Rechte zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Systems, z.B.  Organstreitverfahren  Immunität und Indemnität  Schutz vor Verunglimpfungen

Staatlichkeit Das GG hat Bundesrepublik Deutschland als souveränen Staat (nach außen: Völkerrechtssubjekt; kein Staatenbund; nach innen juristische Person des öR, Gebietskörperschaft) kreiert. • Heute nicht mehr problematisch • Bis zum Zwei-plus-Vier-Vertrag (In Kraft getreten am 15.03.1991): sogenannte ″Dachtheorie“, Fortbestand des Deutschen Reichs, das jedoch mangels eigener Organe handlungsunfähig war • Grenze für die Übertragung elementarer Staatsfunktionen nach Art. 24 Abs. 1, 23 GG z.B. an die EU?

Demokratie - Begriff • Demokratie bedeutet Herrschaft (i.S.v. Staatsgewalt) des Volkes. • Staatsgewalt bedeutet Herrschaftsmacht des Staates über die seinem Recht Unterworfenen. Das BVerfG versteht Staatsgewalt in einem weiten Sinne als „jedenfalls alle amtlichen Handlungen mit Entscheidungscharakter“ (BVerfGE 83, 60 [73]; 93, 37 [68]). • Prinzip der Volkssouveränität Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ d.h. keine Herrschaft der Regierenden aus eigenem Recht, Herrschaft muss sich auf das Volk zurückführen lassen. -> Gegensatz zum deutschen Konstitutionalismus bzw. rule by law (s.o.) Aber Vorsicht: Demokratie i.S.d. GG meint keine vollständige Identität von Herrschaft und Beherrschten i.S.v. „Das Volk sind wir!“ -> vielmehr Herrschaft des Volks mittels demokratisch legitimierter Organe in aufwändig ausgestalten Verfahren.

Demokratie - Volk Herrschaft des Volkes – aber, wer ist das „Volk“? BVerfG und die h.L.: alle Deutsche (vgl. Art. 116 GG), Wer ist Deutscher? • Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht stellt das Abstammungsund das Geburtsortprinzip (ius sanguin bzw. ius soli) ab. • Die Einzelheiten sind im Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22.07.1913, zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. November 2014 (BGBl. I S. 1714)) geregelt. • EU-Ausländer besitzen nach Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG ein Kommunalwahlrecht

Demokratie und Volkswille Rousseau:

„volonté generale vs. volonté de tous“ Gemeinwille vs. Summe der Einzelinteressen

Unfehlbar bei vollständiger Informiertheit, höchster Vernunft und uneingeschränkter, also dogmatisch oder emotional ungetrübter Urteilskraft

Problem: Feststellung des Volkswillens • Mehrheitsprinzip als Hilfsmittel? Erstmals in der Goldenen Bulle von 1356 bei der Königswahl durch die Kurfürsten akzeptiert.

• Maßstab für Mehrheit?

 Mehrheit bzgl. Eigentum, Vermögen, bezahlter Steuer oder dgl.?  „one man, one vote“ (formal Gleichheit aller)?  Wahlen oder Abstimmungen?

Problem: Notwendigkeit zum Kompromiss Mehrheitsprinzip lässt nur Ja/Nein Entscheidungen zu. Oftmals sind reine Ja/Nein Entscheidungen aber unmöglich oder unzweckmäßig

Demokratie - Rahmenbedingungen Positive Freiheit: „Tun und lassen was man will“ Negative Freiheit: Abwesenheit von äußerem Zwang (Herr/Knecht) Bürgerliche Freiheit: Freiheit vor willkürlicher Verhaftung Meinungs-, Vereinigungs-, Pressefreiheit, udgl.

Politische Gleichheit

Bürgerliche Freiheit

Rechenschaft

Demokratie Teilhaberechte, Wahlen, Zugang zu öffentlichen Ämter

Kontrolle des Staatsappa rates

Kernelemente des Demokratieprinzips nach dem GG

1. Positive Strukturelemente  Volkssouveränität (aber keine „Identitätsdemokratie“)  Repräsentative Demokratie  Mehrheitsprinzip

2. Beschränkende Strukturelement  Minderheitenschutz  verfassungsgerichtliche Kontrolle  streitbare Demokratie

3. Weitere wichtige Voraussetzungen  Existenz politischer Parteien  funktionierende Zivilgesellschaft

Repräsentative Demokratie Das GG beschränkt jedoch die Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk deutlich: Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG: „Sie (die Staatsgewalt) wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“

GG folgt dem westlichen Modell einer „repräsentativen Demokratie“. Daraus folgt:  Die Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk beschränkt sich auf „Wahlen und Abstimmungen“.  Die eigentliche Ausübung der Staatsgewalt erfolgt durch demokratisch legitimierte Repräsentanten des Volkes, also die Staatsorgane bzw. die von ihnen bestimmten Amtsträger.

Repräsentative Demokratie und Legitimationsstränge 1. Grundsatz der institutionellen Legitimation • Ausübung der Staatsgewalt nur durch die zuständige Organe 2. Grundsatz der sachlichen Legitimation • Bindung an die vom Gesetz erlassen Gesetze • Kontrolle der Regierung durch das Parlament, -> Verantwortung und damit Weisungsrecht des Minister für seinen Verwaltungsbereich aber Durchbrechungen (bei Entscheidungen der Vergabekammern etc.)

3. Grundsatz der personellen Legitimation Die Verleihung öffentlicher Ämter muss auf die Volkswahl zurückführbar sein. BT-> BR -> Minister -> Staatssekretäre -> Beamte Problem: Mitbestimmung bei Personalentscheidungen durch PR und Beauftragte

Besprechungsfall 2 Die Bürgerinitiative ″RADE″ (Raus aus dem EURO) ist gegen neue Hilfsprogramme für Griechenland. In einer Petition an den Bundestag fordert RADE den Erlass eines Gesetzes, wonach über weitere finanzielle Hilfen und den Verbleib Deutschlands in der EURO-Zone durch Volksentscheid entschieden werden soll. Schließlich hätten die Griechen ebenfalls im Rahmen einer Volksabstimmung über das Hilfsangebot der EURO-Gruppe entschieden und auf Länderebene seien Volksbegehren, Volksbefragungen und Volksentscheide Gang und Gäbe. RADE erwägt außerdem, über die Hilfsprogramme eine „Europäische Bürgerinitiative“ gegen Hilfsprogramme innerhalb der EURO-Gruppe zu initiieren. 1. Was unterscheidet Volksbegehren, Volksbefragungen, Volksentscheide und Volksabstimmungen? 2. Kann der Bundestag das von RADE geforderte Gesetz ohne Weiteres beschließen? 3. Wodurch lassen sich die unterschiedlichen Regelungen in Bezug auf Volksabstimmungen zwischen Bund und Ländern erklären? 4. Was ist eine „Europäische Bürgerinitiative“?

Exkurs: Volksabstimmung (Volksbegehren/Volksbefragung/Volksentscheid) Volksabstimmungen ist ein Sammelbegriff für unterschiedliche Formen direkter Beteiligung des Volkes an politischen Entscheidungen (direkte Demokratie). Unterschieden wird zwischen 1. Volksbegehren (auch Volksinitiative), bei denen eine verfassungsgemäß festgelegte Mindestanzahl von Stimmberechtigten das Parlament oder die Regierung dazu zwingt, sich mit bestimmten Fragen neu auseinanderzusetzen (z. B. gesetzgeberisch tätig zu werden oder einen von den Initiatoren ausgearbeiteten Gesetzentwurf zur Kenntnis zu nehmen) und 2. Volksbefragung, bei der die Stimmberechtigten zu einer bestimmten (politisch wichtigen) Frage um Rat bzw. Meinungsäußerung gebeten werden, ohne dass das Ergebnis der Befragung für den Gesetzgeber verbindlich ist, sowie 3. Volksentscheid, bei dem den Stimmberechtigten zwei oder mehrere (Gesetzes-)Alternativen zur Abstimmung und verbindlichen Entscheidung vorgelegt werden. In Deutschland sind Volksabstimmungen auf Bundesebene ausschließlich bei der Neugliederung des Bundesgebietes vorgesehen (Art. 29 GG). Die Verfassungen verschiedener Bundesländer sehen direktdemokratische Verfahren vor. Formen unmittelbarer Bürgerbeteiligung (Bürgerbegehren und Bürgerentscheide) sind auf kommunaler Ebene am weitesten entwickelt. Quelle: Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 5., aktual. Aufl. Bonn: Dietz 2011.

Volksabstimmung in M-V - Art. 59 und 60 LV Volksinitiative §§ 7-10

Volksbegehren § 11-17

 Gegenstand politischer WB  Erlass, Änderung oder Aufhebung eines  Begr. Gesetzentwurf Landesgesetzes (begr. Gesetzentwurf) =/= Haushalt, Abgaben, Besoldung

 15.000 Unterstützer

 Befassung des LT innerhalb von 3 Monaten  Anhörungsrecht der Initiatoren im LTAusschuss

=/= Haushalt, Abgaben, Besoldung

Volksentscheid § 18 -25 Landtag  versäumt 6 Monatsfrist  lehnt Gesetzentwurf ab  legt eigenen Entwurf vor

 120.000 Unterstützer Erledigung nach § 15 LT kommt Volksbegehren durch entsprechendes Gesetz zuvor

über den Gesetzentwurf (3-6 Monate)

Erledigung nach § 16 III LT nimmt Gesetzentwurf unverändert an Frist: 6 Monate

Einfaches Gesetz  Mehrheitsentscheidung  Minimum 1/3 der WB

Volk entscheidet Verfassungsänderndes Gesetz  2/3 Mehrheits  Minimum 1/2 der WB

Demokratieprinzip Wiederholungsfragen: 1. Warum ist der Begriff der „Volkssouveränität“ mit Vorsicht zu genießen? 2. In welchem Umfang ist in Deutschland eine direkte Beteiligung des Volkes bei politischen Entscheidungen möglich? 3. Warum gibt es diesbezüglich Unterschiede zwischen Bund, Ländern und Kommunen? 4. In welchem Verhältnis stehen Demokratie, Freiheit und Gleichheit zueinander? 5. Erklären Sie den Zusammenhang zwischen Rechtsstaat und Demokratie. 6. Was ist eine defekte Demokratie? 7. Was bedeutet der Begriff „Legitimationsstrang“?

Bundesstaatsprinzip Historischer Hintergrund  Deutschland ist traditionell ein Föderalstaat (1648 souveräne Staaten)  Alliierte haben nach II. WK auf eine starke Rolle der Länder gedrängt Vorteile  Stärkung der Demokratie durch Landtagswahlen  Landesregierungen sind an vielen Problemen „näher dran“,  „Kompetitiver Föderalismus“ lässt Entwicklung verschiedener Lösungen zu  Vertikale Gewaltenteilung Nachteile  Höherer Steuerungsaufwand, Zwang zum Kompromiss, Blockaden  Divergierende Regelungen kompliziert und oft hinderlich (z.B. Schulbereich) Merke: Bund und Länder sind an den Gleichheitssatz nur soweit gebunden, wie ihre Regelungskompetenz reicht.

Bundesstaatsprinzip Bundesstaat = Staat der sich aus mehreren Gliedstaaten zusammensetzt (vs. Einheitsstaat mit „Gouverneuren“ und „Provinzen“), aber über eine Zentralgewalt verfügt (vs. Staatenbund).  Der Bundesstaaten bestehen also aus zwei Ebenen: Zentralstaates (Bund) und der Gliedstaaten (Länder)  Gliedstaaten (Länder) haben Staatsqualität, sind jedoch nicht souverän  Es fehlt insbesondere die Fähigkeit, sich selbst eine unabgeleitete und letztverbindliche Ordnung zu geben, Rechtssubjektivität geht auf das GG zurück.  Ansatz zur Verteilung der Staatsaufgabe ist in den jeweiligen Ländern unterschiedlich, insbesondere Dichotomie von Subsidiaritätsprinzip (~Deutschland) und Delegationsprinzip (ehemalige Einheitsstaaten)

Bundesstaatsprinzip Gesetzgebung  Ausschließliche (Art. 73) und konkurrierende (Art. 74) Gesetzgebung Bund (Schwerpunkt)  Im übrigen Ländersache (Art. 70), Rahmengesetzgebung des Bundes (Art. 74) bis zur Föderalismusreform Verwaltung  Grundsätzlich Ländersache (Art. 83), eigene Personal- und Organisationshoheit  Auftragsverwaltung der Länder (Art. 85)  bundeseigene Verwaltung nur in den im GG genannten Fällen (Art. 86 ff.)  Gemeinschaftsaufgaben, Verwaltungszusammenarbeit Art. 91a ff Rechtsprechung  Ländersache, aber oberste Bundesgericht und BVerfG (Art. 93 – 96) Finanzverfassung, Budgetrecht  Steuerverteilung nach der Finanzverfassung Art. 105 ff.  Haushaltsautonomie Art. 109 ff.

Bundesstaatsprinzip  Homogenitätsprinzip Art. 28 Abs. 1 GG  Konfliktregelungsmechanismen: • Gesetzeskonkurrenzen Bundesrecht bricht Landesrecht (Art. 31 GG, aber nur in den Fällen der konkurrierende Gesetzgebung!) • Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten Merke: Beim Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens handelt es sich nicht um eine eigenständige, sondern um eine akzessorische Rechtspflicht! • Bundeszwang (Art. 37 GG)  Kein Austritt möglich (Abgrenzung zum Staatenbund)

Bundesstaatsprinzip

Quelle: Wikipedia

Besprechungsfall 3 A ist Steuerinspektor und als Sachbearbeiter für die Veranlagung zur Körperschaftssteuer beim Finanzamt Schwerin tätig. Er verdient deutlich weniger als B, der den gleichen Dienstposten beim Finanzamt Passau (Freistaat Bayern) inne hat. A ist über die Besoldungsunterschiede empört. Gerade bei Finanzbeamten seien die Tätigkeitsmerkmale und Arbeitsbelastung völlig identisch. Die Ungleichbezahlung verstößt nach seinem Verständnis gegen den Gleichheitsgrundsatz. Er fordert deshalb das Landesbesoldungsamt auf, ihm Besoldung nach den für Bundesbeamte geltenden Vorschriften zu bezahlen und erwägt nötigenfalls gegen seine Unterbezahlung zu klagen. Hat sein Ansinnen Aussicht auf Erfolg?

Sozialstaat  Sozialstaatsprinzip: dynamische Staatszielbestimmung  Staatszielbestimmung: Ausgestaltung durch den parlamentarischen Gesetzgeber notwendig  Gesetzgeberische Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum (Einschätzungsprärogative)  Grenze: Gleichheitsgebot (i.S. eines Willkürverbots)  Folge: I.d.R. keine subjektiven Rechte ableitbar Ausnahme: Sicherung des Existenzminimums, z.B. durch Transferleistungen oder Steuerfreibeträge

Republik  Eher geschichtliche Bedeutung  Absage an das Staatsmodell der Monarchie und damit letztlich auch eine generelle Absage an jegliche Form der Alleinherrschaft  Bekenntnis zu einer freiheitlich-demokratische Verfassungsordnung  Prinzip der Ämtervergabe auf Zeit.

Rechtsstaat - Einführung • Rule of Law vs. Rechtsstaat: „bottom up“ vs. „top down“ Ansatz bei der Schaffung von Recht (vgl. deutscher Konsitutionalismus) • Grundlagen im Grundgesetz  Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG „Die Staatsgewalt wird durch [...] besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“  Art. 20 Abs. 3  Art. 28 Abs. 1  Art. 1 Abs. 1

Problem des Rechtsstaats: Naturrecht vs. Rechtspositivismus  Die an sich fortschrittlich denkende Gender-Aktivistin Nurul aus Aceh (Indonesien) ist davon überzeugt, dass Homosexualität in der Provinz Aceh bestraft werden müsse, weil es die Sharia verlange. Dass die indonesische Verfassung dies erlaube, seit unbedeutend.  Immanuel Kants (1724 – 1804) sagt in seiner Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785): "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde."  A ist Mitarbeiter der Geheimpolizei und foltert Gefangenen grausam, um Informationen über Regimegegner zu erhalten. Nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht ist dies zulässig und seine ausdrückliche Aufgabe. Nach einem Regimewechsel wird er deswegen jedoch vor einem Strafgericht angeklagt. Hauptfragen:    

Was ist die Quelle des Rechts? Existiert Recht unabhängig von den Menschen? Trennung von Recht und Moral? Verhältnis von Recht und Gesetzen: Sind „ungerechte“ Gesetze auch verbindliches Recht?

Quellen des Rechts: Naturrecht vs. Rechtspositivismus

Moral

Naturrecht

Rechtsstaat

Rechtspositivismus

Verfassung

Metaphysisch (z.B. Religion: Bibel, Koran udgl.) Rational Vernunftsrecht (Kant)

Enthält moralische Grundsätze Begrenzung

• Staatlich gesetztes Recht • Unabhängig von der Moral • Inhaltlich beliebig (insbes. Kelsen, reine Rechtslehre)

Kodifiziertes Recht

Richterrecht, Gewohnheitsrecht

Rechtsstaat: Rule of law oder rule by law? Rule by law  Es wird nach Gesetzen geherrscht.  Der Herrscher steht aber über den Gesetze (also außerhalb der Rechtsordnung).  Der Herrscher kann die Rechtsordnung wieder aufheben.  Recht beruht auf der Toleranz des Herrschers. Beispiele:  Deutscher Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts: Monarch „gewährt“ die Verfassung. Er bleibt trotz Verfassung der Souverän und wird nur in der Ausübung seiner Souveränität beschränkt.  Defekte Demokratien, vgl. aktuell Thailand

Rule of law  Es wird nach Gesetzen geherrscht.  Auch die Regierenden sind den Gesetzen unterworfen.  Die Rechtsordnung beruht auf einer Verfassung, die nur das Volk als Souverän (ggf. durch das Parlament) ändern oder aufheben kann.  Recht beruht auf der Verfassung. Erkenntnis:  Nur das verfassungsmäßig verbriefte und erzwingbare Recht gewährleistet bürgerliche Freiheit und Gleichheit  Ohne verfassungsrechtlich geschützte Freiheit und Gleichheit ist Demokratie nicht möglich

Rechtsstaat - Formelles und materielles RSP

Rechtsstaatsprinzip

Formeller Rechtsstaat Hauptmotive: Bindung der Staatsgewalt • Idee spiegelt bürgerlich-liberale Vorstellungen des 19. Jahrhunderts wieder • Kontext: • Konstitutionelle Monarchie • Rechtswegestaat

Materieller Rechtsstaat Hauptmotiv: Mäßigung der Staatsgewalt • Idee ist Ausdruck des im 20. Jahrhundert entwickelte Rechtsstaatsverständnisses • Ziel: • Verwirklichung materieller Gerechtigkeit und • die Mäßigung der Staatsgewalt

Rechtsstaat - Formelles und materielles RSP Formeller Rechtsstaat  Gewaltenteilung, Bindung der Exekutive an die Gesetze  Publizitätsgebot für Rechtssätze  Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes

Materieller Rechtsstaat  Bindung der Staatsgewalt an die Grundrechte  Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, insbesondere Bestimmtheitsgebot und Rückwirkungsverbot

 Verhältnismäßigkeitsprinzip  Gebot eines effektiven Rechtsschutzes

Rechtsstaat – Begriff von Recht und Gesetz Recht Naturrecht

Gewohnheitsrecht

Gesetze im formellen Sinne (Parlamentsgesetze)

Richterliche Rechtsfortbildung

Gesetze im materiellen Sinne (insbesondere Rechtsverordnungen und Satzungen)

Rechtsstaat - Gewaltenteilung I. Horizontale Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) Die Ausübung der Staatsgewalt ist auf Organe  der Gesetzgebung  der vollziehenden Gewalt und  der Rechtsprechung übertragen. II. Vertikale Gewaltenteilung Folgt aus der Verteilung der Staatsgewalt zwischen Bund, Länder und Kommunen (Bundesstaatsprinzips, Art. 28 Abs. 2 GG). III. Weitere Unterscheidung - organisatorische Gewaltenteilung (vgl. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) und - personelle Gewaltenteilung (vgl. Art. 137 Abs. 1 GG)

Rechtsstaatsprinzip - Gewaltenteilung Rechtsstaatliche Funktion

Demokratische Funktion

Die Staatsgewalt wird auf verschiedene Organe verteilt, die sich gegenseitig hemmen und kontrollieren -> „Checks and Balances“

Repräsentation von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen im staatlichen System (Parlamentarier, Kommunalpolitiker, Beamtenschaft, Richterschaft). Rekrutierung von Personen mit unterschiedlichem sozialen Hintergrund -> Durchlässigkeit des Elitensystems (s.o.)

Problem: (Entwicklungs)Diktatur vs. Rechtsstaat/Demokratie = Starker vs. schwacher Staat? Aspekte: Anpassungsleistung, Arbeitsteilung und Effizienzsteigerung

Rechtsstaatsprinzip - Gewaltenteilung I. Legislative (Gesetzgebung) Rechtsetzung durch Normen, also abstrakt-genereller Sollensanordnungen durch den parlamentarischen Gesetzgebers als Ergebnis politischer Entscheidungen Abgrenzungsprobleme:  Rechtssetzung der Exekutive (Rechtsverordnungen, Satzungen)  Allgemeinverfügungen der Verwaltung (z.B. Verkehrszeichen)  Einzelfallgesetze, Planungsgesetze  Richterliche Rechtsfortbildung

Rechtsstaatsprinzip - Gewaltenteilung II. Exekutive (vollziehende Gewalt) Vollziehende Gewalt  Regierungshandeln (Gubernative i.S.v. Staatsleitung)  Verwaltung (i.S.v. Gesetzesvollzug) -> Schnittstelle: Ministerien Das Aufgabenspektrum lässt sich kaum positiv fassen. Daher i.d.R. negative Abgrenzung nach Jellinek: „Vollziehende Gewalt ist alles, was nicht Gesetzgebung und Rechtsprechung ist.“

Rechtsstaatsprinzip - Gewaltenteilung III. Judikative (Rechtsprechung) Rechtsprechung ist  autoritative und damit verbindliche Entscheidung in Fällen bestrittenen oder verletzten Rechts in eigens dafür geschaffenen Verfahren  aufgrund von Parlamentsgesetzen Abgrenzungsproblem: ggü. der Gesetzgebung: Richter ist nicht nur der „Mund des Gesetzgebers “, sondern richterliche Rechtsfortbildung durch Analogie, Lückenfüllung, teleologischen Reduktion (-> zu den Details sogleich unten). ggü. Verwaltung: Justiz erfordert ebenfalls Verwaltungstätigkeit: Justizverwaltungsakte, innere Verwaltung

Rechtsstaatsprinzip - Gewaltenteilung IV. Zuweisung der Staatsfunktionen an „besondere Organe“ (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG): 1. Gesetzgebung Bundestag und Bundesrat (vgl. Art. 50 u. 77 Abs. 1 GG) 2. Vollziehende Gewalt Bundesregierung und Verwaltung (vgl. Art. 62 u. 83 ff. GG) 3. Rechtsprechung Gerichte (vgl. Art. 92 GG) Aber: Grenzziehung ist nicht immer eindeutig

Besprechungsfall 4 – Gewaltenteilung Legislative vs. Exekutive Als Reaktion auf die Aufstellung russischer SS 20 Mittelstrecken-Raketen in Osteuropa beschloss die NATO am 12.12.1979 als Gegenmaßnahme die Stationierung US-amerikanischer Marschflugkörper (Pershing II). Im Rahmen dieses sogenannten „NATO-Doppelbeschlusses“, der mit einem Abrüstungsangebot an den Warschauer Pakt verbunden war, hatte die Bundesregierung der Stationierung der Pershing II auf deutschem Staatsgebiet zugestimmt. Die Raketen waren mit Nuklearsprengköpfen bestückt. Die Entscheidung über ihren Einsatz lag beim US-Präsidenten. Die Übertragung von Hoheitsrechten an den US-Präsidenten zum Einsatz dieser Waffen war im Bundestag inhaltlich und formal höchst umstritten. Konnte die Bundesregierung alleine über diese Fragen entscheiden oder war zum Vollzug des NATO Doppelbeschlusses eine Gesetz oder zumindest die Zustimmung des Bundestages erforderlich? (vgl. BVerfGE 68, 1 ff.)

Gewaltenteilung und Rechtsfindung: Rechtssetzung und Rechtsprechung

§

Justitia, altrömische Göttin der Gerechtigkeit und Symbol der Justiz mit ihren drei Attributen: • Augenbinde: ohne Ansehen der Person, Neutralität • Waage: gerechtes Abwägen der Entscheidungsgründe, Gleichheit im Recht • Richtschwert: Durchsetzungsvermögen

Quellen des Rechts: Bindung an Präjudize vs. Rechtspositivismus Ursprünge der Rechtsfindung

Entwicklung zum modernen Staat

Rechtspositivismus

(vgl. heute noch common law)

Recht = Gleich für alle unabhängig von der inhaltlicher Richtigkeit (Waage)

Rechtsetzung (Gesetzgebung) durch den Souverän (Fürst, später Parlament)

Ursprünge: Codex Justinianus Thomas v. Aquin

Rechtsprechung durch den Richter

Neutraler Richter (blinde Justitia) 1. Herausbildung von Präjudizen 2. Die Abweichung vom Präjudiz ist rechtfertigungsbedürftig

Rechtsfindung und Rechtsprechung sind ein und derselbe Akt und Aufgabe des Richters

-> Gesetzes Recht ist Willkürentscheidung des Souveräns (keine Präjudizen) -> Mittel der Bindung des Richters an das gesetzte Recht ist allein das Gesetz -> Bindungskraft von Präjudizen ist damit unerwünscht

Problem: Gesetz => abstrakt und generell => bedürfen der Auslegung Die Möglichkeit der Auslegung des gesetzen Rechts durch den Richter stellt aber das Entscheidungsmonopol des Souveräns in Frage. Lösungsansätze: Ursprünglich: Kasuistik (z.B. APLR) mit Kommentierungs- und Auslegungsverbot; Gesetzgebungskommissionen entscheiden über Zweifelsfälle – untauglich – Später: diverse „Verwissenschaftlichungsansätze“

Rechtspositivismus: Wille des Gesetzgebers oder des Gesetzes? Wissenschaftsrichtung

Hauptvertreter

Hauptaussage

Verhältnis zw. Gesetzgebung/ Rechtsprechung bzw. Rechtswissenschaft

Historische Carl RechtsFriedrich schule v. Savigney

Recht ist nicht ein willkürlich vom Gesetzgeber geschaffener Bestand an Vorschriften, sondern als im Bewusstsein des Volkes lebendige Überzeugungen anzusehen, ähnlich wie Sprache, Sitten und Gebräuche eines Volkes (Volksgeist).

Erkennung und Entwicklung des Rechtssystems ist Sache der Juristen (i.S. einer Arbeitsteilung im Volk), vier Auslegungsmethoden

Begriffsjurisprudenz

Recht besteht aus einem lückenlosen und widerspruchsfreien System von Obersätzen und Begriffen, mithilfe derer durch Subsumtionen juristische Entscheidungen gefällt werden. Das geschriebene Recht bildet dieses System nur unvollständig ab.

Kein rechtsschöpferisches Tätigwerden des Richters, aber Lückenfüllung

Interessen- Heck, jurisJhering prudenz

Gesetze sind Entscheidung des Gesetzgebers zur Lösung von Interessenkonflikte („Der Kampf ums Recht“). Der Richter muss anhand der Interessen im zu entscheiden Fall prüfen, wie der Gesetzgeber diesen Interessenkonflikt entschieden hat.

Lückenfüllung, fehlt eine einschlägige Norm, rechtsschöpferisches Tätigwerden des Richters, Analogie

objektiven Auslegung (bis heute vorherrschend)

Nicht der Wille des Gesetzgebers, sondern der Wille des Gesetzes ist zu erforschen (Gustav Radbruch: Das Gesetz ist klüger als der Gesetzgeber [i.S. der Gesetzesverfasser]; Larenz – objektivteleologischen Auslegung ) Aber: Woher kommt der objektive Zweck des Gesetzes? [GG; zurück zum Präjudiz? Bindung an GG -> Kontrolle durch BVerfG • EU-Hoheitsakte -> EU-Grundrechtecharta Auslegung und Anwendung EuGH Grundsätzlich: "Anwendungsvorrang" des EU-Rechts  EUGH

2. Kontrolldichte des BVerfG ggü EU-Recht: „Solange I“ (BVerfG v. 29.5.1974 – BvL 52/71, BVerfGE 37, 271) Solange es auf EU (EG)Ebene noch keinen vergleichbaren Grundrechtsschutz wie nach dem deutschen Grundgesetz gibt, prüfe das BVerfG auch Rechtsakte mit EU/EG-Bezug am Maßstab des Grundgesetzes. „Solange II“ (BVerfG v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339) Umkehrung von „Solange I“ nachdem EG-Grundrechtschutz sich durch zahlreiche Urteile EUGH weiterentwickelt hatte. Solange es auf EU-Ebene einen wirksamen und dem deutschen Maßstab generell vergleichbaren Grundrechtsstandard gibt, keine Kontrolle durch BVerfG. Vertrag von Lissabon (BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2, 5/08 u.a., BVerfGE 123, 267): Grundsatz der "Verfassungsidentität". Für grundlegende Prinzipien des GG („harter Kern“ z.B. Menschenwürde) behält sich das BVerfG die Kontrolle am GG vor.

Exekutive Allgemeine Definition ist schwierig; zumeist negative Abgrenzung: Exekutive ist die Staatstätigkeit, die weder der Gesetzgebung noch Rechtsprechung zuzurechnen ist.

Exekutive Regierung (politische Leitung) Ministerien Minister, politische Staatssekretäre

Legislative

Verwaltung Politische Beamte z.B.: beamtete Staatssekretäre, Regierungspräsidenten

Verwaltungsbehörden

hoheitlich

fiskalisch

Wiederholungsfragen zu den Staatsfunktionen 1. Wer kann Gesetzentwürfe in den Bundestag einbringen und wer bringt die Entwürfe in der Praxis ein? Warum? 2. Welche Arten von Gesetzgebungskompetenz unterscheidet das GG? 3. Worin besteht der Unterschied zwischen Zustimmungs- und Einspruchsgesetzen? 4. Welche Aufgabe hat der Vermittlungsausschuss und wie arbeitet er? 5. Was sind die in der Praxis wichtigsten Verfahren vor dem BVerfG? 6. Wer kann diese Verfahren beantragen und was wird geprüft? 7. Der Minister möchten seine beamteten Staatssekretär entlassen. Kann er das (rechtlich) ohne Weiteres?

Teil X: Auswärtige Gewalt

Gegenstand der Auswärtigen Gewalt Merke: Auswärtige Gewalt =/= Vierte Gewalt, sondern Zusammenfassung der Kompetenzen bzgl. völkerrechtlicher Beziehungen §§

Staat als Völkerrechtssubjekt

Völkerrechtliche Verträge und sonstige Handlungen

Staat als Völkerrechtssubjekt

Anwendungsbefehl Umsetzung in nationales Recht durch Gesetz etc.

Innerstaatliche Rechtsordnung

Bürger

Fragstellungen im Zusammenhang mit Auswärtiger Gewalt  Welche innerstaatlichen Grenzen gibt es für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge und Handlungen?  Wer entscheidet über den Abschluss völkerrechtlicher Verträge?  Von welchem Staatsorgan werden völkerrechtliche Verträge geschlossen bzw. Handlungen vorgenommen?  Verbandsmäßige Zuständigkeit: Ist der Bund oder sind die Länder zuständig?  Organzuständigkeit: Exekutive oder Legislative

 Wer erteilt den Anwendungsbefehl?  Innerstaatliche Umsetzung: Bund und Länder?

Verfassungsrechtliche Schranken der auswärtigen Gewalt 1. Art. 26 GG: Verbot eines Angriffskriegs, Verbot der völkerrechtswidrigen Anwendung von Gewalt gegen andere Staaten Str. 1999 Jugoslawienkrieg: „Humane Intervention“ der Bundeswehr (Luftwaffe) mit etwa 500 Einsätze im Rahmen der von der NATO durchgeführten Operation Allied Force gegen das Milošević-Regime

2. Verbot von völkerrechtlichen Verträgen mit verfassungswidrigem Inhalt - Vertrag ermöglicht Verstoß gegen innerstaatliches Recht (z.B. rechtswidrige Datenweitergabe an ausländischen Geheimdienst)

- Vertrag verstößt gegen Verfassungsgrundsätze oder Ewigkeitsgarantie. (Übertragung von Hoheitsrechten an supranationale Einrichtungen vs. Art. 79 Abs. 1 u 3 GG)

Lissabon-Urteil des BVerfG (BVerfGE 113, 273 ) „Die verfassungsgebende Gewalt der Deutschen, die sich das Grundgesetz gab, wollte jeder künftigen politischen Entwicklung eine unübersteigbare Grenze setzen. Eine Änderung des Grundgesetzes, durch welche die in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig (Art. 79 Abs. 3 GG). Mit der sogenannten Ewigkeitsgarantie wird die Verfügung über die Identität der freiheitlichen Verfassungsordnung selbst dem verfassungsändernden Gesetzgeber aus der Hand genommen. Das Grundgesetz setzt damit die souveräne Staatlichkeit Deutschlands nicht nur voraus, sondern garantiert sie auch. […] Das mit dem Zustimmungsgesetz erfasste Vertragswerk macht das bestehende Verbundprinzip im System verantwortlicher Hoheitsrechtsübertragung unter Fortbestand der Souveränität der Mitgliedstaaten deutlich und genügt damit verfassungsrechtlichen Anforderungen. Der Vertrag von Lissabon macht erstmals das bestehende Recht jedes Mitgliedstaates zum Austritt aus der Europäischen Union im Primärrecht sichtbar (Art. 50 EUV-Lissabon). Dieses Austrittsrecht unterstreicht die Souveränität der Mitgliedstaaten und zeigt ebenfalls, dass mit dem derzeitigen Entwicklungsstand der Europäischen Union die Grenze zum Staat im Sinne des Völkerrechts nicht überschritten ist (vgl. Jouanjan, Monodisziplinäre Stellungnahmen, in: Kreis, Der Beitrag der Wissenschaften zur künftigen Verfassung der EU, 2003, S. 12). Kann ein Mitgliedstaat aufgrund einer selbstverantworteten Entscheidung austreten, ist der europäische Integrationsprozess nicht unumkehrbar. Die Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland hängt vielmehr von ihrem dauerhaften und fortbestehenden Willen ab, der Europäischen Union anzugehören. Die rechtlichen Grenzen dieses Willens richten sich nach dem Grundgesetz.“

Verbandskompetenz – Bund oder Länder Art. 32 GG vs. Art. 30 GG: • Für auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung steht den Bund die Gesetzgebungskompetenz (Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG) zu und damit auch die Befugnis zum Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen. • In den Bereichen, in denen der Bund die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit innehat und der Bund von einer Kompetenz Gebrauch gemacht hat, ist der Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen ebenfalls Bundessache. • In allen anderen Fällen können die Länder völkerrechtliche Verträge abschließen (Art. 32 Abs. 3 GG).

Problem: Auseinanderfallen von Abschluss- und Umsetzungskompetenz zwischen Bund und Ländern Lindauer Abkommen: 1. Bund tritt auch im Bereich des Art. 32 Abs. 3 GG mit umfassender Vertragsschlusskompetenz für die Länder auf. 2. Betroffene Länder werden vorher beteiligt und müssen ggf. zustimmen.

Mastricht- bzw. Lissabon-Begleitgesetze

bzgl. der Besonderheiten EU-Integration aus den EU-Verträge von 1992/2007

Organzuständigkeit 1. Bundespräsident Art. 59 Abs. 1 GG: Der Bundespräsident vertritt den Bund völkerrechtlich. Aber: Staatspraxis ist die stillschweigende Delegation und Vertretung durch Mitglieder der Bundesregierung

2. Bundestag Anwendungsbefehl durch Ratifizierung (=/= Transformationsgesetz!) nach Art. 52 Abs. 2 GG aber nur bei Verträgen die „politische Beziehungen“ regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen.

Abgrenzungs- und Effektivitätsproblem

3. Bundesregierung Auswärtige Angelegenheiten sind traditionell Domäne der Regierung, weil sie im Gegensatz zum Parlament schnell und informiert reagieren kann. Problem: Globalisierung -> Entparlamentarisierung BVerfG: Regierung und Gesetzgebung wirken im Bereich der auswärtigen Gewalt zusammen (Entscheidungsverbund der Organe)

Anwendungsbefehl und innerstaatliche Umsetzung 1. Anwendungsbefehl Anerkennung der völkerrechtlichen Verpflichtung im nationalen Recht: -> Gesetzgebungsorgan der Körperschaft, die für den Abschluss des völkerrechtlichen Vertrags zuständig war: i.d.R. also Bundestag 2. Umsetzung in innerstaatliches Recht Die sich aus der völkerrechtlichen Vereinbarung ergebenden Verpflichtungen, müssen in ggf. in nationales Recht transformiert werden, um ggü. dem Einzelnen Geltung zu erlangen. -> Innerstaatliche Gesetzgebungskompetenz, Art. 70 GG Unterscheide davon: Regierungsabkommen Vereinbarungen zwischen Regierungen mit anderen Staaten mit bloßem politischen oder administrativem Inhalt, z.B. über Maßnahmen der Enwicklungszusammenarbeit (Entwicklungshilfe)

Mehrstufiges Verfahren im EU-Recht Beispiel: Vergaberecht  Agreement on Government Procurement von 1994 zw. EU und 13 Staaten der WHO: Innerhalb der Vertragsstaaten eine diskriminierungsfreie, transparente und rechtsstaatliche Vergabe von öffentlichen Aufträgen zu gewährleisten, sofern der Auftragswert einen bestimmten Schwellenwert („Special Drawing Rights“) übersteigt.  Erlass von EU-Vergaberechtlinien: insbesondere Lieferkoordinierungsrichtlinie (LKR) 93/36/EWG; Baukoordinierungsrichtlinie (BKR) 93/37/EWG; Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie (DKR) 92/50/EWG); Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG; Vergaberichtlinie 2014/24 EU  EU-Richtlinien verpflichten Mitgliedsstaaten zur Umsetzung der GAP-Regeln in nationales Recht (Art. 278 ff. AEUV)  Anwendungsbefehl: EU-Recht (AEUV) gilt Kraft des vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats verabschiedeten Gesetz zur Umsetzung des AEUV  Umsetzung in deutsches Recht durch Änderung des GWB (zuletzt durch Vergabemodernisierungsgesetz)

Besprechungsfall 10: Wegen des Vorwurfs von Wahlmanipulationen brechen in einem afrikanischen Staat Unruhen aus, die in einen Bürgerkrieg zu münden drohen. Die Regierung bittet die Vereinten Nationen um Hilfe. Der UNSicherheitsrat beschließt daraufhin im Rahmen einer Friedensmission die Entsendung von Truppen mit der Befugnis, erforderlichenfalls mit Waffengewalt ein Ende der Auseinandersetzung herbeizuführen (sogenanntes robustes Mandat). Die Bundesregierung wird von ihren westlichen Partner zu einer Truppenbeteiligung Deutschlands gedrängt. Wegen der Gefährlichkeit des Einsatzes fürchtet die Bundesregierung Widerstand in der Opposition und auch in den eigenen Reihen im Bundestag. Fragen: 1. Darf sich Deutschland mit Bundeswehrsoldaten an dieser Friedensmission beteiligen? 2. Wer trifft die Entscheidung und in welchem Verfahren?

Teil XI: Politische Parteien

Begriff und Gegenstand politischer Parteien 1. Gesetzliche Grundlagen  Art. 21 GG (Sonderbestimmung zur Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 GG)  PartG auf der Basis von Art. 21. Abs. 3 GG

2. Begriff  Vereinigung mit der Zielsetzung an Bundestags- oder Landtagswahlen teilzunehmen  gewisse organisatorische Verfestigung ist notwendig

3. Funktion Transformationsriemen zwischen Volk und Politikbetrieb. Sie „wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“ (Art. 21 Abs. 1 S. 1)  Bündelung der Willensbildung unter den Anhängern  Aufstellung von Kandidaten für die Wahl

Wesentliche Regelungen zu politischen Parteien 1. Gründungsfreiheit (Art. 21 Abs.1 S. 2 GG) 2. Parteiname, der sie von bereits bestehenden Parteien deutlich unterscheidet (§ 4 PartG) 3. Innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen (Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG), d.h.  Wahl zur Besetzung von Parteipositionen und Kandidaten  Parteiausschluss nur begrenzt und aufgrund fairen Verfahrens möglich (§ 14 PartG), Überprüfung durch die ordentlichen Gerichte (§ 1015 ZPO)  Ablehnung von Aufnahmeanträgen ist aber ohne Begründung möglich (§ 10)

4. Angemessene örtliche Untergliederung (Landesverbände etc.) zur Sicherstellung der Mitwirkung der Parteibasis 5. Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Art 3), insbesondere  Sendezeiten für Wahlwerbespots bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten,  Plakatierens im öffentlichen Raum,  die Zurverfügungstellung von öffentlichen Versammlungsräumen

Differenzierungen je nach der Bedeutung der Parteien zulässig (§ 5 PartG)

Parteienfinanzierung Finanzbedarf: Aufstellung von Kandidaten für Wahlen -> öffentliche Aufgaben -> staatliche Finanzierung notwendig  Problem 1: Balance zwischen „Funktionsfähigkeit“ und „Staatsfreiheit“  Problem 2: „Selbstbewilligungsrecht“ in der Rolle als Gesetzgeber

-> BVerfG kommt besondere Kontrollfunktion zu Traditionelle Einnahmequellen:  Mitgliedsbeiträge  Spenden natürlicher und juristischer Personen • Verbot von Umwegfinanzierung parteinaher Institutionen (Stiftungen, Fraktionen) • Anonyme Spenden max. 500 EUR, > 10.000 EUR im Rechenschaftsbericht, > 50.000 Anzeige an BTPräs und Veröffentlichung im BAZ, steuerl. Berücksichtigung max. 3.300 EUR

 Abgaben, zu denen die Mandatsträger durch ihre Parteien verpflichtet werden,  sonstigen Einnahmen, wie z.B. Vermögenserträge  staatlichen Mittel

Öffentliche Parteienfinanzierung 1. Zuschüsse an Parteien Seit 2002 erhalten Parteien, die mindestens 0,5 % bei BT/EU Wahlen bzw. 1 % bei LT- Wahlen erzielt haben: • Prämie für Wahlerfolge: Für die ersten 4 Mio. Stimmen 1,00 EUR, danach 0,83 EUR pro Stimme • Prämie für Beiträge und Spenden: 0,45 EUR pro 1 EUR eigene Einnahmen aus Beiträgen und Spenden (bei Spenden aus max. 3.300 EUR pro Spender/Jahr) 2. Relative Obergrenze: Der Zuschuss darf die Summe der selbsterwirtschaften Einnahmen einer Partei nicht übersteigen. 3. Absolute Obergrenze (Fortschreibung anhand der Preisentwicklung): Maximaler Gesamtzuschuss zur Parteienfinanzierung 2015: 159,2 Mio. EUR

Parteienverbotsverfahren Art. 21 Abs. 2 GG 1. Ausdruck der wehrhaften Demokratie: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“

 Zielsetzungen müssen sich nicht direkt aus dem Parteiprogramm ergeben.  Gesamtverhalten der Parteimitglieder und ihrer Anhänger ist maßgebend.  Problem im NPD-Verbotsverfahren: Einfluss von V-Leuten auf die Willensbildung

2. Aber zur Vorbeugung von Missbrauch: • „Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.“

Einzelheiten zum Verfahren in § 13 Abs. 2 Nr. BVerfGG • Antragsbefugt BT, BR und BR, • Parteienprivileg: keine staatlichen Maßnahmen vor der Entscheidung durch das BVerfG • Verbotsentscheidung mit 2/3 Mehrheit der Richter

3. Erfolgreiche Verbotsverfahren: Sozialistische Reichspartei (NSDAP „Nachfolge“) 1952, KPD 1956