Wirtschaftsausblick Mai 2017 - Tunesien
05.05.2017
Inhalt Wirtschaftsentwicklung: Positive Signale, Schieflage bleibt Investitionen: Springt der Privatsektor an? Konsum: Leistungsbilanzdefizit setzt Konsumboom Grenzen Außenhandel: Steigende Energiepreise bremsen Senkung des Warendefizits
Erholung bei makroökonomischen Risiken / Von Fausi Najjar Tunis (GTAI) - Die tunesische Wirtschaft erholt sich gegenüber dem schwachen Jahr 2016 leicht, wird aber wei terhin Wachstumsraten aufweisen, die die hohe Arbeitslosigkeit nicht reduzieren können. Das Wachstum tragen vor allem die seit 2016 spürbare Verbesserung der Sicherheitslage, ein anziehender Phosphat- und Tourismus sektor sowie die Landwirtschaft mit einem Wachstum von mehr als 3%. Die starken makroökonomischen Ver werfungen sind ein Risiko.
Wirtschaftsentwicklung: Positive Signale, Schieflage bleibt Die Wachstumsprognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) fallen weitaus positiver aus als die des Wirtschaftsdienstes EIU (Economist Intelligence Unit). So rechnet der IWF für die Jahre 2017 und 2018 mit 2,5 und 3,1% Realwachstum. Tatsächlich könnte die Erholung bei einer zügigen Verbesserung des Geschäftsklimas stärker durchschlagen als von der EIU erwartet. Die weiterhin bestehenden Wachstumsbremsen für 2017 und 2018 sind aber kaum von der Hand zu weisen. Zum einen ist Tunesien eng mit einer sich eher seitwärts bewe genden europäischen Wirtschaft verflochten. Zum anderen bremsen selbst moderat gestiegene Energiepreise, insbesondere aufgrund der seit 2010 gefallenen heimischen Produktion von Öl und Gas.
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MKT201705048002.14 Ein weiteres und womöglich das wichtigste Problem ist die anhaltende makroökonomische Schieflage und hier insbesondere das hohe Leistungsbilanzdefizit (2016: 9,3% des BIP). Der Druck auf die Defizite in der Leistungsbi lanz und im Haushalt (2016: 6,3% des BIP) bleibt, wie erste Zahlen für 2017 zeigen. Die sich abzeichnende Konso lidierung des Haushaltes wird das Wachstum ebenso bremsen. Nicht zuletzt ist im tunesischen Staatshaushalt eine alarmierende Steigerung bei den Personalkosten in der staatlichen Administration und Staatsbetrieben zu verzeichnen. Diese entspricht mittlerweile zwischen 14 und 15% des tunesischen Bruttoinlandsproduktes (BIP); eine Größe, die nur von einigen reichen Ölländern übertroffen wird. Folgen sind schwindende Spielräume für ei ne antizyklische Politik und Investitionen in den strukturschwachen Regionen im Inneren des Landes. Desweite ren hat diese Politik das Phänomen einer auf einträgliche Posten ausgerichteten Wirtschaft und Gesellschaft verfestigt. Wirtschaftliche Eckdaten Indikator
2016 1)
2017 2)
Vergleichsdaten Deutschland 2016
BIP (nominal, Mrd.US$)
41,1
40,3
3.468
BIP pro Kopf (US$)
11.685
12.022
42.047
Bevölkerung (Mio.)
11,4
11,5
82,5
Wechselkurs (1 Euro = x tunesische Dinar)
2,38 3)
2,46
1) Schätzung; 2) Prognose; 3) Aktuell Quellen: EIU, Country Report Tunisia, März 2017; Statistisches Bundesamt
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Das verarbeitende Gewerbe bleibt von zwei gegensätzlichen Trends geprägt: Zum einen durchläuft der für Be schäftigung wichtige Textilsektor aufgrund türkischer und asiatischer Konkurrenz im Inland sowie auf Dritt märkten eine teils schmerzhafte Konsolidierung. Zum anderen könnten Investitionen und Exporte in der KfzZulieferung und bei elektronischen Bauteilen zulegen. Ebenso weisen IT-Dienstleistungen ein hohes Expansions potenzial auf. Offen ist, inwieweit die Exporte der Kfz-Zulieferung, der Elektronik und der IT-Dienstleistungen das Gesamtwachstum 2017 und 2018 beschleunigen können.
Investitionen: Springt der Privatsektor an? Auch beim Wachstum der Bruttoanlageinvestitionen ist die EIU eher pessimistisch und rechnet mit -2,1% (2017) beziehungsweise +1,8% (2018). Entscheidend wird unter anderem sein, wie schnell Investitionen in die Infra struktur umgesetzt werden und ob private Investitionen zügig anspringen. Auf der Investitionskonferenz "Tuni sia 2020" Ende November 2016 haben Geberländer und Finanzinstitutionen Investitionen vor allem in den Berei chen Umwelt, Energie und soziale Entwicklung von rund 6,5 Mrd. $ fest vereinbart und weitere 8,3 Mrd. $ zuge sagt. Auch bei den Privatinvestitionen könnte es mehr Bewegung geben als erwartet. Denn das am 1.4.17 in Kraft getretene Investitionsgesetz sieht neue Anreize und Zuschüsse, Vereinfachungen und die Einführung eines einheitlichen niedrigen Steuersatzes für Unternehmen vor. Andererseits sorgt eine Ende 2016 praktisch rückwir kende weitere Unternehmenssteuer von 7,5% für erhebliche Verunsicherung und ob bürokratische Hürden und Einschränkungen (vor allem im Handel) tatsächlich zügig abgebaut werden, muss sich erst noch erweisen. Die erfolgten ausländischen Direktinvestitionen in das verarbeitende Gewerbe sind jedenfalls ein positiver Indikator für das Potenzial des Landes. Im Jahr 2016 konnten diese gegenüber 2015 um 28,8% auf 335 Mio. Euro zulegen.
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Ausgewählte Großprojekte Projektbezeichnung
Enfidha Hafen
Investitionssum
Projekts
me (in Mio. US$)
tand
3.200
Entwurf
Anmerkung/Ansprechpersonen
Kapazität 5 Mio. TEU/Jahr. Hauptauftragsvergabe: 1. Quartal 2018/OMMP 1)
Tunis Financial Harbour
3.000
Im Bau
521 ha; im Norden von Tunis. Erschließung und Infra strukturbau läuft. Fertigstellung: Oktober 2020/Gulf Fi nance House-Demtas Group
Gaskraftwerk Morna
382
guia Erweiterung Hafen Ra
152
Ausschreib
Kapazität: 560 bis 600 MW. Hauptauftragsvergabe: 2.
ung
Quartal 2017/STEG 2)
Auf Halt
Für eine Kapazität über 600.000 Container. Hauptauf
dès Docks 8 und 9 Entsalzungsanlage Zar
tragsvergabe: 3. Quartal 2017/OMMP 1) 109
rat/Gabès
Präqualifik
Kapazität 50.000 cbm/Tag kann auf 100.000 cbm er
ation
weitert werden. Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2017/SONEDE 3)
Bau von Straßennetz
92
(Circular Road Network)
Ausschreib
Hauptauftragsvergabe: 2. Quartal 2017/MEHAT 4)
ung
im Flughafen von Gafsa Meerwasserentsalz
69
ungsanlage GCT 5) Staudamm Tessa Oued
Präqualifik
Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2017
ation 57
Vorstudie
Kapazität 44 cbm; Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2017/MAG 6)
El Borma ISCC Kraft
50
Vorstudie
werk Windkraftwerk in La
5-MW-Turm (CSP); Auftragsvergabe 4. Quartal 2017/ STEG 2)
38
houach Thala
Vorstudie
Kapazität: 230 MW. Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2017/STEG 2)
1) Office de la Marine Marchande et des Ports; 2) Société Tunisienne de l'Electricité et du Gaz; 3) Société Natio nale d'Exploitation et de Distribution des Eaux; 4) Ministère de l'Equipement, de l'Habitat, et de l'Aménagement du Territoire; 5) Groupe Chimique Tunisien; 6) Ministère de l'Agriculture et des Ressources Hy drauliques. Quelle: MEED Projects, Stand: April 2017 Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten unter http://www.gtai.de/tunesien, "Ausschreibun gen" und "Entwicklungsprojekte".
Konsum: Leistungsbilanzdefizit setzt Konsumboom Grenzen Gehaltssteigerungen im öffentlichen und privaten Sektor haben nach dem Sturz des Ben Ali-Regimes ab 2012 für einen hohen, doch kaum nachhaltigen Konsumboom gesorgt. Wegen hoher Importquoten hat der Konsum nur für schwache Impulse für den Binnenmarkt gesorgt, aber das Warendefizit erhöht. So ist der Anteil von Konsumgütern (ohne Nahrungsmittel) am Import 2010 bis 2016 von 10,7 auf 14,9% gestiegen; ohne den gewach senen Energieimport sind es 2010 und 2016 sogar jeweils 12,2 und 16,7%. Das Leistungsbilanzdefizit und ein des
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wegen gefallener Dinar werden dem Konsum Grenzen setzen. Trotzdem sind für 2017 und 2018 noch Steigerun gen von rund 1,0% zu erwarten. Die Lohnentwicklung hat in den letzten Jahren die internationale Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt. Wäh rend die Nominallöhne 2010 bis 2016 im Schnitt um 6,1% gewachsen sind, ist der tunesische Dinar etwa zum Eu ro lediglich um rund 4,0% gefallen. Die Reallohnsteigerungen sind im formellen Privatsektor seit 2011 um rund 1,3% gestiegen.
Außenhandel: Steigende Energiepreise bremsen Senkung des Warendefizits Der starke Trend bei den tunesischen Ausfuhren von Elektronik, Kabeln und Kfz-Teilen wird auch 2017 und 2018 anhalten. Die Exporte der sogenannten mechanischen und elektronischen Industrien sind 2016 gegenüber dem Vorjahr um 6,1% auf 5,58 Mrd. Euro und gegenüber 2010 um 31,2% gestiegen. Zu erwarten sind - mit zunehmen der sozialer Stabilität in der Phosphatregion - steigende Exporte des Phosphatsektors. Der Textilsektor wird sich voraussichtlich aufgrund eines gefallenen tunesischen Dinars stabilisieren. Wegen des steigenden Energie bilanzdefizits wird sich 2017 und 2018 das Warenbilanzdefizit von rund 5,3 Mrd. Euro (2016) nur wenig reduzie ren. Außenhandel von Tunesien (in Mio. Euro *); Veränderung in %) 2015
2016
Veränderung 2016/15
Importe
18.215,3
17.593,1
-3,4
Exporte
12.681,3
12.277,0
-3,2
Handelsbilanzsaldo
-5.534,0
-5.316,1
-3,9
*) umgerechnet nach dem durchschnittlichen Wechselkurs der Banque Centrale de Tunisie Quelle: Institut National de la Statistique, Stand: April 2017 Tunesische Exporte nach Deutschland, die größtenteils von im Land angesiedelten deutschen Unternehmen ge tragen werden, bleiben von einer hohen Dynamik geprägt. Diese sind 2014 bis 2016 im Schnitt um 3,0% gewach sen. Seit 2012 erzielt Tunesien mit Deutschland einen Warenüberschuss (2016: 246 Mio. Euro). Als Abnehmerland tunesischer Waren steht Deutschland mit einem Anteil der Exporte von 10,5% an dritter Stelle. Führend ist Frankreich (29,3%) gefolgt von Italien (18,5%). Deutschland ist 2015 mit einem Importanteil von 7,3% viertwich tigstes Lieferland für Tunesien. An erster Stelle steht wiederum Frankreich (17,8%), gefolgt von Italien und Chi na. Eine Analyse der Chancen und Risiken, die das Land aufweist, bieten wir Ihnen unter: http://www.gtai.de/GTAI/ Navigation/DE/Trade/Maerkte/Geschaeftspraxis/swot-analyse,t=swotanalyse--tunesien,did=1689440.html Weitere Informationen zu Tunesien finden Sie unter http://www.gtai.de/tunesien (F.N.)
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