Tunesien. Meine Surprise-Tour

Tunesien. Meine Surprise-Tour 2011-2012 Leider sind meine Fahrer bereits wieder im Alltagsstress und ärgern sich über Dinge, die es eigentlich nicht w...
Author: Dennis Böhmer
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Tunesien. Meine Surprise-Tour 2011-2012 Leider sind meine Fahrer bereits wieder im Alltagsstress und ärgern sich über Dinge, die es eigentlich nicht wert sind. Zudem benutzen sie bereits wieder Worte, die unsere tunesischen Freunde so gar nicht leiden können: „ich muß“, „schnell“, „keine Zeit“ etc. Zuerst möchte ich mich euch vorstellen. Von meinen Besitzern Kirsten und Martin werde ich meist, je nach Laune und Land, liebevoll Mountainstar, Francestar oder auch Desertstar genannt. Im Alltag meist einfach nur Taxe oder Zebra. Ich bin mittleren Alters, so ca. 20 Jahre jung. Mein Körper und Bewegungsapparat hat nur 370.000 km auf dem Buckel. Mein Ausweis besagt, dass ich ein Toyota Landcruiser, PZJ 75 bin. Ich biete meinen beiden Begleitern Schlafgelegenheiten sowohl im Erdgeschoss, als auch im Obergeschoß, welches von Innen erreicht mit etwas Geschick und Klettererfahrung erreicht werden kann. Meine Heizung wärmt im Stillstand meinen Körper und meine Gäste. Falls mir mal der Saft ausgeht, kann ich mich noch aus dem Mitteltank bedienen. Die verbrauchte Luft blase ich seitlich heraus, nicht ohne, dass meine Umwelt dieses auch sofort wahrnimmt. Meine Beine können auch höhere Belastungen vertragen. Etwas mehr Bauchfreiheit habe ich auch. Und wenn ich mal nicht aufpasse oder mir die Puste ausgeht, kann meine mechanische Winde sehr hilfreich sein, oder wie so oft, die Schaufelkraft meiner Reisebegleiter… Nach wochenlanger Wartezeit in der kalten Garage bemerkte ich beginnende Aktivitäten. Dies ist immer ein Zeichen der Freude. Nach dem ersten Stromstoß war ich sofort hellwach. Am 17.12.2011 ging ich ganz schön in die Knie, als ich beladen wurde. Was müssen die immer so viel dabei haben? Jedoch weiß ich nun, dass mehr als die Hälfte der Ladung an unsere tunesischen Freunde geht und der dann frei gewordene Raum sofort für schöne Dinge, handmade in TN, genutzt wird. Am 18.12.2011 fuhr ich mit den beiden dann nach Zürich. Kirsten musste noch ein paar Tage arbeiten und ich durfte mit Martin gemütlich am Abend in Richtung Genua schleichen. Vor und nach dem Gotthardtunnel war ich am Überlegen, ob ich meine Vorderräder zum Vorwärtskommen aktivieren sollte. Es ging jedoch auch ohne. So langsam schlich sich eine gewisse Müdigkeit ein was mich zu einem Zwischenstopp veranlasste. Nach einer längeren Ruhephase ging es am nächsten Tag bis nach Genua. Hier durfte ich mich sehr lange erholen, da die Fähre 7 Stunden Verspätung hatte. Enttäuschend war für mich, dass ich nur ein belgisches Geschwisterchen und 3 italienische Verwandte auf dem riesigen Platz gesehen hatte.

Auf der Fähre wurde mir einer der hintersten Plätze zugewiesen. Es war wieder sehr beengt. Am 20.12.2011 gegen 24 Uhr konnte ich endlich wieder frische tunesische Meeresluft tief durch meinen Rüssel ziehen. Am Zoll herrschte Chaos. Alle Kumpels wollten so schnell wie möglich weiter. Ich freute mich, wieder bekannten Boden zu befahren. In der Nacht habe ich Martin bis in die Nähe von Korba gebracht und für ihn einen schönen Übernachtungsplatz direkt am Strand gefunden. Meine Beine taten sehr weh, weil ich in der stockdunklen Nacht einige harte Bodenwellen in den Ortschaften übersehen hatte. Ich habe mich sehr lange erholt. Der starke Wind brachte mich zum schaukeln. Der Himmel konnte sich noch nicht für eine bestimmte Wetterlage entscheiden. Ich war auf alles gefasst. Da ich noch 1,5 Tage Zeit hatte, bis ich Kirsten am Flughafen in Tunis abholen konnte, habe ich Martin die Halbinsel Cap Bon, teilweise auf artgerechten Wegen, gezeigt. Irgendwie war Martin gut drauf. Er spendierte allen meinen Antrieben neues Getriebe- und Motoröl. Sogar gewaschen wurde ich. Beim Bezahlen schaute ich in sein zufriedenes Gesicht. Ich fühlte mich auch wieder sehr wohl. Der starke Regen in den letzen Tagen machte mir doch sehr zu schaffen.

Teilweise musste ich mich durch 50 cm tiefe, mit Wasser gefüllte, verschlammte Wege kämpfen und alle meine Helferlein wurden aktiviert. Manchmal bekam ich richtig Angst.(…aber da war ich wohl nicht der Einzige…) Über Menzel Temime ging es bis Kelibia, wo ich eine Pause einlegte und Martin sich die Festung anschaute.

Dieser Tag war doch sehr anstrengend für mich. In der Nähe von Rass El Ahmer fand ich wieder einen schönen Übernachtungsplatz am Meer mit Sicht auf die Inseln Zembretta.

Am nächsten Morgen musste ich Martin nicht daran erinnern um 13 Uhr in Tunis am Flughafen zu sein um seinen Liebling abzuholen. Er war schon ganz nervös. Ich behielt die Ruhe und zeigte ihm die Westseite des Cap Bon.

Ich freute mich endlich nach Tunis zu fahren. Der Flieger aus Zürich kam pünktlich an. Wir brachten als Willkommensgruß die Sonne mit. Es dauerte mir fast zu lange, bis ich meine Türen öffnen konnte. Wir entschlossen uns auf dem schnellsten Weg nach Bizerte zu fahren. Hier konnte ich auf einem bewachten Parkplatz ein Nickerchen machen, während die Beiden die malerische Altstadt mit dem Hafen besichtigten.

Es war richtig viel Leben in der Altstadt. Besonders schön waren die vielen Marktstände, die sich dicht an dicht durch die ganze Altstadt zogen. Nach dem Verzehr einiger Köstlichkeiten und viel Gestaune, haben wir trotz Dunkelheit einen tollen Übernachtungsplatz in der Bucht beim Cap Serrat gefunden. Unverhofft wurde meinen Mitfahrern ein köstliches, frisch zubereitetes Fischmenue auf der Terrasse serviert, welches sie mit einem französischen Paar gemeinsam einnahmen. Erst am nächsten Morgen sah ich, welch traumhaften Platz ich gefunden hatte. Ich brachte meine Besatzung hoch zum Leuchtturm, nicht ohne nahenden Muskelkater zu verspüren.

Das Eingangstor war verschlossen und ich musste mich auf kleinstem Raum drehen.

Wieder festen Boden unter mir ging es der Nordküste entlang,

mit kurzen Abstechern durch kleine schmale unbefestigte Wege inmitten überraschend grüner Wälder,

über das touristisch erschlossene Tabarka in die Provinzhauptstadt Jendouba. Hier suchte ich mir einen Platz, in einer lebhaften Straße. Alles deutete auf ein gemütliches entspannendes Päuschen hin. Meine Reisbegleiter machten sich auf den Weg zum Markt. Es sollte nur kurz Proviant aufgefüllt werden. Ich döste bereits vor mich hin, als mich ein wahnsinniges Getöse aus dem Schlaf riss. Ich spürte einen mir völlig unbekannten jähen Schmerz. Was ist denn um Himmels Willen los???? Mir unbekannte Arme griffen und rissen an mir herum und nahmen schnell und hektisch Dinge aus meinem Inneren. Ich war geschockt. Oft hatte ich davon gehört, aber es nie für möglich gehalten, dass ich so was erleben muss. Wie sage ich das nur meinen Marktflanierern? Beide waren wohl ebenso entsetzt wie ich, holten Hilfe in Form eines sehr netten deutsch sprechenden Einwohners, der uns zur Polizei begleitete. Dort hatte man sehr viel Mitleid mit mir und sie boten ihre Hilfe an. Sogleich bestrichen sie meine zertrümmerte Beifahrerseite mit viel schwarzem Puder. Zum Vergleich haben sie auch von meinem Besitzer Fingerabdrücke genommen. Wir alle fühlten uns sehr gut aufgehoben und ernst genommen. Sie machten deutlich, keine Mühe zu scheuen, die Gemeinen ausfindig zu machen. Für meinen Besitzer war es das Schlimmste, dass sich sein Reisepass unter dem Diebesgut befand. Die Nacht verbrachte ich unter allerbesten Sicherheitsbedingungen direkt vor der Polizei mit persönlichem Schutz. Nachdem Martin am nächsten Morgen vom Chef der Polizei ein Protokoll und eine Bestätigung über den Verlust seines Reispasses überreicht bekam, jedoch nicht ohne einen Kaffee und einen leckeren Kuchen serviert zu bekommen, musste ich nach Tunis fahren um für mich nach einer neuen Scheibe zu suchen. Leider war Samstag und das ausführende Organ meines Erzeugers nicht erreichbar. Meine Besatzung fand jedoch eine Lösung, indem sie mir eine Scheibe aus Plexiglas spendierten. Ich war wieder sehr zufrieden und glücklich.

Nun entschloss ich mich, der Ostküste entlang zu fahren.

Ich wollte Kirsten und Martin ja zum Saharafestival nach Douz bringen, das wir vor 2 Jahren auch schon erlebt hatten. Es war der der 24.12.2012. Zwischen Sousse und Mahdia fand ich einen schönen Übernachtungsplatz direkt an einem kleinen Hafen. Hier durfte ich mich erholen, während die

Beiden ihr Weihnachtsmenu zubereiteten und es sich gut gehen ließen. Kurz nach der Bescherung musste ich doch wieder an die Arbeit. Ein Fischer kam aufgeregt angelaufen mit der Aussage: “I lost my battery, can you help me?“ Nachdem Martin die Ursache geklärt hatte, durfte ich den alten Renault des Fischers an die Hand nehmen. Er konnte wieder nach Hause fahren und war glücklich. Das angeboten Geschenk des Fischers, einen frischen Aal oder so was ähnliches, lehnten Kirsten und Martin dankend ab. Den Heiligen Abend konnten wir alle nicht in Ruhe und Besinnlichkeit genießen. Wir schliefen schon alle, als es gegen 22:30 Uhr fest an meine Fahrerscheibe klopfte. Ich zitterte, bekam Angst und dachte an das negative Erlebnis 2 Tage zuvor. Zum Glück war es nur die Polizei, die besorgt um uns drei war. Der Polizist, wies uns darauf hin, dass mein ausgesuchter Platz nicht sicher sei. Ich sollte bitte dem Polizeiwagen in die Stadt folgen, wo mir ein sicheres Plätzle zugesagt wurde. Leider wachte Martin aus seiner Tiefschlafphase auf und es dauerte ein paar Minuten, bis dieser wieder in seinen Hosen war. Kaum auf meinem Fahrersessel Platz genommen, war von der Polizei nichts mehr zu sehen. Ich hatte mich dann überreden lassen, die Zwei zu einem anderen Stellplatz etwas südlicher zu fahren. Dort verbrachten wir eine gute und ruhige Nacht. Über viele Nebenstraßen

Auf Safari in Nordafrika

Einsamer Übernachtungsplatz nördlich von Kebili

Das Abendmenu

und Stopps in Dörfern und verschiedenen Städten

erreichten wir Duoz. Dort machte ich eine Pause, während KiMa das legendäre Saharafestival besuchten.

Ich freute mich schon riesig, Wüstensand unter meinen Sohlen zu spüren.

Kaum da, schon drin....

Waschtag Langsam schlichen wir zum Tembain.

Hier sah ich viele Artgenossen aus Italien, der Schweiz und Deutschland. Auch ein Geschwisterchen aus Thüringen mit Giraffenkleid. Allein zum verlorenen See zu fahren traute ich mich nicht. Auf dem Weg nach Ksar Ghilane wurde das Wetter zunehmend unbeständiger. Kurz vor Sonnenuntergang peitschte mir starker Regen und Hagel entgegen. Und das in der Wüste. Welch ein seltenes Erlebnis.

Am Cafe du Parc konnte ich geschützt parken. Meine Besatzung verbrachte hier einen gemütlichen Abend bei bestem Essen und informativen Gesprächen. Es war sehr schön für mich, mich auf feuchtem Wüstensand zu bewegen.

Diesmal hatte ich keine Lust in Ksar Ghilane einen Halt einzulegen. Durch traumhafte Landschaften

schafften wir es, über Medinine bis nach Gabès. Hier erholte ich mich, denn es war wieder Stadtbummel angesagt. In Sfax besuchten sie ihre Freunde Salah und Rakia. Plötzlich schaute ich in sehr glückliche Gesichter. Was war denn nun schon wieder los? Vieles darf ich ja gar nicht ausplaudern aber dieses Mal schon. Der Reisepass von Martin lag zur Abholung bei der Polizei in Jendouba bereit.

Über Kaiouan

fuhr ich nordöstlich bis Jendouba. Ich verstehe es nicht. Sie wissen doch wie früh es dunkel wird und dennoch muss ich mich oft bei Dunkelheit auf schlimmsten Wegen bewegen (…und dann schimpfen sie auch noch, wenn ich mich verfahren habe…). So auch wieder in der Nähe von El Kef. Auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz geriet ich in eine fast aussichtslose Lage. Ich hatte keinen Halt mehr und schlitterte wie auf Glatteis von einer Seite zur anderen. Ich weigerte mich, auch nur einen Meter weiter zu fahren. Mitten auf dem Schlammweg stoppte ich. Ab diesem Zeitpunkt fanden alle Aktionen im Innenraum statt. (…für Eingeweihte: Das Gurkenglas kam zum erleichternden Einsatz …). Noch vor Sonnenaufgang ging es in Millimeterschritten auf dem Schlammweg

zurück auf die Straße die uns, zur geschichtsträchtigen und schönen Provinzhauptstadt, El Kef, führte.

Auch hier war ein ausgiebiger Stadtbummel angesagt mit Anerkennung der freundlichen und zurückhaltenden Art der Einwohner. In Jendouba suchte ich den Weg zur Polizei. Ich geriet in eine turbulente Situation mit aufgeregten Uniformierten und demonstrierenden Jugendlichen. Die Demonstration löste sich glückerweise gerade auf. Die Polizisten auf der Wache freuten sich uns alle wieder zu sehen. Martin hatte so viele Männerküsse erhalten, wie nie zuvor. Die Frau an seiner Seite staunte nur.

Der Reisepass wurde Martin überreicht und wieder ein Protokoll verfasst.

Riadh, der wohl netteste Polizist Tunesiens. Nun konnte auch ich wieder aus Tunesien ausreisen. Über Beja ging es weiter nach Mateur. Kurz vor dieser Stadt wurde ich von Jugendlichen an der Weiterfahrt gehindert. Die Straße war mit Barrikaden versperrt. Ich entschloss mich eine andere Route zu nehmen. Es wurde bereits wieder dunkel. In der Dämmerung fand ich auf einer Hochebene einen perfekten Übernachtungsplatz. Auch Mateur wurde intensiv erkundet. Keine Waren waren vor ihnen sicher. Auch der Barbier machte wieder seinen Umsatz mit den Beiden. Auf dem Weg nach Bizerte besuchte ich den Nationalpark Ichkeul.

....wer ist der Schönste im ganzen Land? Es war sehr, sehr windig. Alle drei hatten leider keine Wasserbüffel zu Gesicht bekommen. Nach einer stürmischen Übernachtung am Meer bei Raf Raf fuhr ich zum Hafen von La Goulette. Die Fähre sollte am 6.1.2012 um 12 Uhr ablegen. Mit afrikanischer Pünktlichkeit erreichten wir um 11 Uhr den Hafen. Ich war schon ganz beunruhigt. Ich sah gar keine Fähre und der Sammelplatz war erstaunlich leer. Hat sie früher abgelegt? Die Situation war schnell geklärt. Wegen eines Orkans wurde die Fähre erst gegen 17 Uhr erwartet. Es wurde schließlich 24 Uhr. Ich beschloss nicht die ganze Zeit am Hafen zu warten, sondern zeigte meinem Team noch ein paar schöne, wenn auch sehr stürmische Ecken am Cap Bon. Am 7.1.2012 legte die Charthage dann letztendlich gegen 3 Uhr ab. Ich würde euch noch gerne die eine oder andere, spannende, witzige, erlebnisreiche und herrliche Episode erzählen, doch dieses unterliegt meiner verordneten Schweige- und Geheimhaltungspflicht. Was ist Kirsten und Martin im Rückblick auf die letzten beiden Reisen aufgefallen: In Dörfern und Städten mehr Marktstände. Viele Einzelpersonen versuchen sich dadurch ein Zubrot zu verdienen. ( Zigaretten, gebrauchte Kleidung und Schuhe ) Viele neue Handyshops

Stark bewachte Regierungsgebäude und größere Banken Unzufriedenheit und Unsicherheit in der Bevölkerung. Was ist Demokratie? Wie geht es weiter? Sehr viele Arbeitslose. Frage nach Arbeitsplätzen in Deutschland / Europa Sehr wenig Touristen in den bekannten Städten oder Regionen Häufig gestellte Frage: Wie findet ihr Tunesien? Mögt ihr die Tunesier? Allgemein: Erlebt und erfahren haben wir eine sehr ausgeprägte Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft im Land. Wetter: Im Norden überwiegend sehr windig, regnerisch und kühl. In der Mitte unbeständig. Im Süden sonnig und bewölkt. Schee wars wieder. Mit all seinen Überraschungen und Erlebnissen hat uns das herrliche Land wieder bereichert. Wir kommen bald wieder. Am heutigen Tag feiert Tunesien das erste Jahr nach der Revolution. Alles Gute.