WIRTSCHAFTSAUSBLICK BELARUS Ausgabe 4 | Juni 2016

Überblick • Nach der schweren Rezession 2015 (BIP = -3,9%) bleibt die wirtschaftliche Lage auch 2016 schwierig (BIP: -2,0%); für 2017 geringes Wachstum von 0,6% prognostiziert • Inflationsrate von über 10% bleibt weiterhin wirtschaftliches Problem • Fiskalische Situation verschlechtert sich erheblich in 2016/2017 • Leistungsbilanz leicht verbessert, aber weiterhin geringer Bestand an Devisenreserven

Themen • Multilaterale Finanzhilfen: Wichtige Rolle von ausländischen Krediten für einen spannungsfreien Schuldendienst • Exportdiversifizierung: Mehr Anstrengungen erforderlich, gerade im Hinblick auf den Export in die EU von Waren mit höherer Wertschöpfung • Freie Wirtschaftszonen: Reformbedarf im Hinblick auf stärkere Zielgruppen-/FDIOrientierung, Ausbau des Infrastruktur-/Service-Angebots sowie eigene Positionierung • KMU-Förderung: Ausgewogener Mix von finanziellen und nicht-finanziellen Maßnahmen sollte angestrebt werden • Stromversorgung: Die Inbetriebnahme des im Bau befindlichen AKW ab 2018 wird die Stromerzeugung massiv verändern © German Economic Team Belarus

Basisindikatoren

BIP BIP/Kopf Bevölkerung

Belarus

Russland

Ukraine

46 Mrd. USD

1.132 Mrd. USD

84 Mrd. USD

4.855 USD

7.743 USD

1.854 USD

9,5 Mio.

146,3 Mio.

45,1 Mio.

Quelle: IWF, Schätzung 2016

Haupthandelspartner Export

Import

EU 32% | Russland 38% | Sonstige 30%

EU 19% | Russland 56% | Sonstige 25%

Sonstige Kunststoffe 21% 4% Beförderungsmittel 6% Metalle 7% Maschinenbau 7% Quelle: Belstat, 2015; Anmerkung: Warenhandel

Mineralische Stoffe 30%

Beförderungsmittel 5% Kunststoffe Waren 5%

Chemische Erzeugnisse 16%

pflanzlichen Ursprungs 7%

Waren tierischen Ursprungs 9%

Sonstige 19%

Chemische Erzeugnisse 8%

Mineralische Stoffe 32%

Metalle Quelle: Belstat, 2015; Anmerkung: Warenhandel 8% 2

Maschinenbau 16%

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Wirtschaftswachstum Reales BIP Wachstum

% zum Vj. 2 1 0 -1 -2

-3 -4 -5 2012

2013

2014

2015

2016*

2017*

Quelle: GET Belarus, eigene Berechnungen, *Schätzung/Prognose

12 10 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 -8

Bestandteile des BIPs, Nachfrageseite %-Punkte

BIP • 2015: Rückgang um 3,9%, erste Rezession seit 1995 • 2016: Weiterer Rückgang von 2,0% erwartet • Erst 2017 geringes Wachstum von 0,6%, aber keine robuste Erholung • Investitionen schrumpfen massiv, in 2016 auch der private Konsum • Lage bleibt weiter durch die Entwicklung in Russland (und damit auch des Ölpreises) bestimmt • Mittelfristig: Ungelöste Frage nach „Wachstumstreibern“ Fazit • Lange Rezession 2015/2016, auch ab 2017 keine schnelle Erholung zu erwarten

2012 2013 2014 Privater Konsum Öffentlicher Konsum

2015 2016* 2017* Bruttoanlageinvestitionen Nettoexporte

Quelle: GET Belarus, eigene Berechnungen, *Schätzuing/Prognose

3

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Sektorale Perspektive Zusammensetzung des BIP Landwirtschaft 8% Sonstige 29% Produzierendes Gewerbe 30% Transport und IKT 9% Einzelhandel 14% Quelle: Belstat, 2015

Bau 10%

Sektorale Dynamik 15

% zum Vj.

• Produzierendes Gewerbe mit 30% Anteil am BIP traditionell stark; allerdings Rückgang ab 2015 • Ebenfalls wichtig: Bausektor, der von staatlich vergünstigten Krediten profitiert, aber seit 2014 stark schrumpft • Transport und die stark export-orientierte IKT-Industrie sind größer als die Landwirtschaft • Generell: Dynamik der Wirtschaftszweige über die letzten Jahre sehr wechselhaft, ohne klare Trends

10 5 0

-5 -10 -15 -20

Landwirtschaft Einzelhandel

Produzierendes Gewerbe Bau

Fazit • Belarus relativ stark industrialisiert, wobei der Dienstleistungssektor (z.B. IKT) aufholt. Die Bauwirtschaft schrumpft stark

-25 2012

2013

2014

2015

Q1 2016

Quelle: Belstat 4

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Inflation und Löhne 60

Inflation • Ab 2013 wurde die Inflationsrate unter 20% gedrückt, und graduell weiter gesenkt • 2016: 12,2%; 2017: 11,4% • Allerdings: Rückgang auf einstelliges Niveau bisher nicht in Sicht, trotz starker Rezession • Damit bleiben auch die Inflationserwartungen hoch

Inflationsrate

% zum Vj.

50 40 30 20 10 0 2012

2013

2014

2015

2016*

2017*

Quelle: GET Belarus, eigene Berechnungen, *Schätzung/Prognose; Verbraucherpreise Jahresdurchschnitt

25

Reallöhne • Reallöhne stagnierten 2014 und sanken 2015 sowie im 1. Quartal 2016 • Richtige Reaktion der Lohnpolitik auf den zu hohen Lohnanstieg 2012/2013 Fazit • Inflation bleibt großes Problem in Belarus • Reallohnentwicklung hat sich ab 2014 deutlich entspannt

Reallöhne

% zum Vj.

20

15 10 5 0 -5 2012

2013

2014

2015

Q1 2016

Quelle: Belstat

5

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Leistungsbilanz und Wechselkurs Leistungsbilanz • Leistungsbilanzdefizit hat sich 2015 auf 3,8% des BIP verringert, was positiv ist • Auch 2016 leichter Rückgang zu erwarten, auf 3,5% des BIP • Mit der Rückkehr zu Wachstum in 2017 leichter Anstieg des Defizits zu erwarten

Leistungsbilanz

% des BIP 0 -2 -4 -6 -8 -10 2012

2013

2014

2015

2016*

2017*

Quelle: GET Belarus, eigene Berechnungen, *Schätzung/Prognose

Wechselkurs und Währungsreserven Mrd. USD 9

BYR/USD 24.000

Wechselkurs (rechte Skala)

Apr-16

Jan-16

Okt-15

Jul-15

Apr-15

Jan-15

6.000 Okt-14

3 Jul-14

9.000

Apr-14

4 Jan-14

12.000

Okt-13

5

Jul-13

15.000

Apr-13

6

Jan-13

18.000

Okt-12

7

Jul-12

21.000

Apr-12

8

Jan-12

Tausende

-12

Wechselkurs und Währungsreserven • Jahreswende 2014/2015: Abwertung um 30% und Einführung eines flexiblen Wechselkurssystems • Währungsreserven nach wie vor problematisch, Importdeckung bei etwa 2 Monaten Fazit • Externe Position bleibt weiter unter Druck

Reserven (linke Skala)

Quelle: Nationalbank Belarus

6

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Außenhandel Import • Importe reduzierten sich 2015 um 28%, 2016 weiterer Rückgang von 11% erwartet • Ab 2017 marginaler Anstieg

Außenhandel

% zum Vj. 15 10 5 0 -5 -10 -15 -20 -25 -30 -35

Export

2012

2013

2014

Import

2015

2016*

Export • 2015 beschleunigter Rückgang um 25% • Auch 2016 wird ein deutlicher Rückgang von 11% erwartet • Wirtschaftliche Krise in den wichtigen Exportländern Russland und Ukraine spielt eine zentrale Rolle, sowie der Ölpreisverfall • GUS-Region nimmt 51% der Exporte ab

2017*

Quelle: GET Belarus, eigene Berechnungen, *Schätzung/Prognose; Anmerkung: Warenhandel

Export nach Regionen Sonstige 16%

Russland 38%

Fazit • Massive Schrumpfung des Außenhandels in 2015 setzt sich 2016 in geringerem Ausmaß fort; Stabilisierung in 2017

EU 32% GUS (exkl. Russland) 13%

Quelle: Belstat, 2015; Anmerkung: Warenhandel

7

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Öffentliche Finanzen und Staatsverschuldung 4

• Auf den ersten Blick komfortable Situation bis 2015, teilweise Überschüsse • Ab 2016 deutliche Verschlechterung der Lage zu erwarten, die sich auch 2017 fortsetzt

Haushaltssaldo

% des BIP

2 0 -2

 5,1% Defizit in 2016  6,7% in 2017

-4 -6 -8 2012

2013

2014

2015

2016*

2017*

Quelle: IWF, *Schätzung/Prognose

% des BIP

Staatsverschuldung

80 70

• Hinweis: Die hier verwendete IWF-Definition ist breiter als die nationale Definition des Defizits, welches deutlich niedriger liegt • Schuldenstand steigt von 40% des BIP Ende 2014 deutlich auf 70% des BIP in 2016 und stabilisiert sich dann auf diesem Niveau • Anstieg der Staatsverschuldung aufgrund  des hohen Haushaltsdefizits  der Abwertung des belarussischen Rubels

60 50

Fazit • Deutlicher Anstieg von Defizit und Schuldenstand

40 30 2012

2013

2014

2015

2016*

2017*

Quelle: IWF, *Schätzung/Prognose

8

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Handel mit Deutschland Außenhandel mit Deutschland Mrd. Euro 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 2012

2013 Deutsche Exporte

2014 Deutsche Importe

2015 Saldo

Quelle: Statistisches Bundesamt

Deutsche Exporte nach Belarus Sonstige 26% Maschinen 27% Elektronik 1% Nahrungsmittel 4% Elektrotechnik 8% KfZ und Teile 11% Quelle: Statistisches Bundesamt

Deutsche Exporte • Seit 2012 gehen die deutschen Exporte kontinuierlich zurück, auf 1,28 Mrd. EUR in 2015 • Traditionelle Exportgüter sind Maschinen und chemische Erzeugnisse (50%) • Bilateraler Handelsüberschuss hat sich damit deutlich von 1,54 Mrd. EUR (2012) auf 600 Mio. EUR (2015) reduziert Deutsche Importe • Erfreulich für Belarus: Seit 2013 steigen die Importe aus Belarus graduell, auf 680 Mio. Euro im letzten Jahr • Die wichtigsten Importgüter sind:  Erdöl (28%)  Eisen und Stahl (17%)

Chemische Erzeugnisse 23%

Fazit • Der hohe deutsche Überschuss im bilateralen Warenhandel hat sich graduell reduziert 9

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Multilaterale Finanzhilfen

5

Staatlicher Schuldendienst in Fremdwährung Mrd. USD

4 3

Angespannte Lage bei den Kapitalzuflüssen • Auch wenn sich das chronische Leistungsbilanzdefizit verbessert hat, müssen 2016 ca. 1,6 Mrd. USD finanziert werden • Dazu kommt ein Schuldendienst von über 3,5 Mrd. USD – auch eine Folge der gestiegenen externen Verschuldung in der Vergangenheit • Dem stehen aktuell offizielle Reserven von 4,2 Mrd. USD gegenüber

2 1 0 2015

2016

Quelle: Finanzministerium, Ratingagenturen

2017

2018

Maßnahmen um int. Finanzhilfe zu sichern • IWF-Verhandlungen seit 2015, bisher jedoch keine Einigung • Kreditzusage von 2 Mrd. USD im März 2016 durch den Eurasischen Fonds für Stabilisierung und Entwicklung im Zeitraum 2016-18 (davon 500 Mio. bereits ausgezahlt) • Reformen im Gegenzug: u.a. Anhebung der kommunalen Gebühren (z.B. Gas und Wärme), fiskalische Konsolidierung, Reduzierung der gelenkten Kreditvergabe 10

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Exportdiversifizierung

Wertschöpfung des Exportkorbes 60 Index, in % 50 40 30 20 10 0 EU

GUS

Andere

Quelle: Eigene Berechnungen; Anmerkung: Ohne Brennstoffe

Abhängigkeit von wenigen Exportländern • Haupthandelspartner GUS-Länder (51% der Exporte), die insbesondere Produkte mit hoher Wertschöpfung (z.B. Fahrzeuge) abnehmen • Wirtschaftskrise in GUS-Ländern → Geringere Exporte von Belarus, möglicherweise dauerhaft • Potenzielle Diversifizierung auf BRICS-Länder aufgrund momentaner Wachstumsschwäche ebenfalls problematisch Abhängigkeit von wenigen Exportgütern • Die wichtigsten 10 Exportgüter und -dienstleistungen repräsentieren 53% der Gesamtexporte • Exporte in die EU vor allem Rohstoffe, die gegenwärtig unter Preisdruck stehen (Öl und Düngemittel) Fazit

• Diversifizierung notwendig, insbesondere in Bezug auf Produkte mit höherer Wertschöpfung in Richtung EU-Markt 11

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Freie Wirtschaftszonen Anteil ausländischer Investitionen, % Wirtschaftszone

2012

2015

Brest

10,3

8,8

Gomel-Raton

4,4

71,0

Minsk

1,1

2,5

Vitebsk

2,6

6,6

Mogilev

59,4

58,2

1,4

32,2

Grodno-Invest Quelle: Eigene Berechnungen

Hintergrund • Belarus hat seit den 1990er Jahren 6 Freie Wirtschaftszonen – mit diversen steuerlichen bzw. Zollpräferenzen • Die Zollpräferenzen wurden allerdings durch Belarus‘ Mitgliedschaft in der Eurasischen Wirtschaftsunion eingeschränkt Problematik • Die wirtschaftliche Bedeutung der Zonen ist relativ gering (5% des Bestandes an FDI; 3% Anteil an Beschäftigung) • Dazu kommen negative Entwicklungen wie der Rückgang der Anzahl der dort tätigen Unternehmen und ihrer Beschäftigten, sowie ein hoher Anteil an defizitären Unternehmen Fazit: Deutlicher Reformbedarf bei Wirtschaftszonen • Stärkere Zielgruppen- und FDI-Orientierung • Ausbau des Infrastruktur- und Service-Angebots • Positionierung gegenüber anderen Programmen

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KMU-Förderung

Kreditförderprogramme: Gesamt-Budgets in 2016

Belarussische Entwicklungsbank: Kreditfazilität Oblast Administrationen: Kreditprogramm Belarussischer Fonds für die finanzielle Unterstützung von KMU EBRD Kreditfazilität

Mrd. BYR

Mio. EUR

800

35

93

4

23

1

--

34

Quellen: Staatliches Programm für KMU in Belarus 2016 -2020, Resolution des Ministerrates der Republik Belarus vom 23.02.16; EBRD; Wechselkurs vom 30.03.16

• KMU-Förderung beschränkt sich einseitig auf Kreditförderung • Kreditprogramme teilweise ohne Banklizenz, ohne State-of-the-Art Methoden und Tools, ohne professionelles Portfolio- und Risikomanagement • Nachfrage seitens der KMU nach den aktuellen Förderprogrammen gering • Neues KMU-Regierungsprogramm 2016-2020 bringt keine wesentlichen Verbesserungen der Förderlandschaft Empfehlungen • Ausgewogener Mix aus finanziellen und nichtfinanziellen Förderinstrumenten • Verbesserung der Reichweite und der Effizienz der Förderprogramme

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Stromversorgung Erzeugung in GWh 40.000 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 -5.000

Stromerzeugung

2014 Fossile

Andere

2019 Kernenergie Importe

2021 Kernenergie

Exporte

• Kernkraftwerk: Start des ersten Kraftwerksblocks (1.200 MW) im November 2018, des zweiten (1.200 MW) im Juli 2020 • AKW wird voraussichtlich 55% der Stromerzeugung leisten • Die Gesamtkosten des Kraftwerks werden auf 10 Mrd. USD geschätzt, die Belarus über einen langfristigen russischen Kredit (USD) finanziert  Hälfte des Kredits fix zu 5,23% p.a.  Hälfte des Kredits flexibel zu LIBOR (Interbankensatz) + 1,83%

Kernenergie

Gas- und Strompreisentwicklung 70 60

Euro/MWh Strom

Erdgas

50

• In den letzten Jahren sanken die Gas- und Strompreise in der EU tendenziell

40 30 20 10 0

Fazit • Die Integration der großen Menge an relativ teurer (>50 USD/MWh) Grundlastkraft wird eine wirtschaftliche und technische Herausforderung

Quelle: Datastream; Anmerkung: Großhandelspreise (EEX Baseload für Strom und ENDEX-TTF Baseload für Gas)

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German Economic Team Belarus Das German Economic Team Belarus (GET Belarus) führt seit 2003 einen wirtschaftspolitischen Dialog mit reformorientierten Entscheidungsträgern der belarussischen Regierung. Dieser Dialog zu wirtschaftlichen Fragen soll den Transformationsprozess der belarussischen Volkswirtschaft begleiten, u.a. durch Heranziehung deutscher und internationaler Erfahrungen. Darüber hinaus unterstützt GET Belarus mit seinem gesammelten Know-how und detaillierter Kenntnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge des Landes deutsche Institutionen aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft. GET Belarus wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) finanziert. Seit 2006 wird GET Belarus durch das unabhängige Beratungsunternehmen Berlin Economics durchgeführt.

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