Institut für Psychologie Organisations- und Wirtschaftspsychologie Prof. Dr. Bertolt Meyer
VL Organisationspsychologie 5.: Interaktion und Kommunikation
Chemnitz ∙ 16. November 2015 ∙ Bertolt Meyer
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VL Organisationspsychologie 5. Kommunikation und Interaktion
Soziale Interaktion
Definition: Soziale Interaktion bezeichnet die Einwirkung verschiedener Personen aufeinander, wobei der Einwirkung nicht notwendigerweise eine Absicht, ein Plan oder auch nur das Wissen der Personen über die wechselseitige Einwirkung zu unterstellen ist (Blickle, 2004). • Die wechselseitige Einwirkung ist der Kern der Interaktion • Welche Funktion diese Einwirkung für die beteiligten Personen hat, wird mit dieser Definition noch nicht deutlich • Interaktion: Prozess der wechselseitigen Einwirkung zweier oder mehrerer Personen aufeinander
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Beispiel für Einwirkung: Social Facilitation
Social Facilitation Phänomen, bei dem die Anwesenheit anderer bei der einfachen oder gut gelernter Tätigkeiten zu höherer Leistung führt im Vergleich zur Einzelarbeit • Allein die physische Präsenz anderer Menschen bewirkt eine physiologische Aktivierung • es findet eine Einwirkung völlig unabhängig davon statt, was jemand mit seinem Verhalten beabsichtigt
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Kommunikation
Definition: Kommunikation ist die Übermittlung bzw. der Austausch von Informationen (Nerdinger, 2012). • Jede Kommunikation ist eine Interaktion (Austausch von Nachrichten = Einwirkung) • Nicht Jede Interaktion ist Kommunikation
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Interaktion Kommuni -kation
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Voraussetzungen für Kommunikation
• Absicht: Eine Mitteilung hat ein Ziel • Das Ziel wird mit einem Medium (brieflich, fernmündlich oder von Angesicht zu Angesicht) zu verwirklichen versucht • Die Kommunikationsteilnehmer orientieren sich wechselseitig an einem oder mehreren Themen
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Nonverbale Interaktion
• Nonverbale Interaktion = Körpersprache • Kann ein Ausdrucksmittel der Kommunikation sein und als solches wahrgenommen werden (Nonverbale Interaktion als Teil der Kommunikation) • Kann wirken, ohne dass dies bewusst wahrgenommen wird (einseitige Einwirkung auf den Mitarbeiter) • Zwischenfazit: Die Begriffe Kommunikation und Interaktion lassen sich voneinander abgrenzen Chemnitz ∙ 16. November 2015 ∙ Bertolt Meyer
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Ostrazismus: Die soziale Bedeutung der Interaktion
Scherbengericht (Ton-scherbe = griech. „ostrakon“): Antikes Volksgericht, bei dem über die Verbannung unliebsamer Personen aus Athen abgestimmt wurde • Person mit den meisten Stimmen musste die Stadt für 10 Jahre verlassen • Ausschluss aus der Gemeinschaft bildet auch den Kern der Definition des Ostrazismus am Arbeitsplatz
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Sozialer Ausschluss im Labor: Video
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Sozialer Ausschluss in Studien: Cyberball
http://vimeo.com/21850959
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Ostrazismus am Arbeitsplatz: Definition
Definition: Ostrazismus am Arbeitsplatz liegt vor, wenn eine einzelne Person oder eine Gruppe keine Handlungen zeigt, die ein anderes Organisationsmitglied in eine Interaktion einbeziehen, obwohl solche Handlungen sozial angemessen wären (Robinson et al., 2013). • Verletzt das Anschlussmotiv (need to belong): Fundamentales, angeborenes Bedürfnis nach Zugehörigkeit, das entscheidend für das Wohlbefinden ist (Baumeister & Leary, 1995) • Deshalb sind Menschen besonders sensibel für alle Hinweise, die Ostrazismus andeuten
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Die Auswirkungen von Ostrazismus
Kross, E., Berman, M. G., Mischel, W., Smith, E. E., & Wager, T. D. (2011). Social rejection shares somatosensory representations with physical pain. Proceedings of the National Academy of Sciences, 108, 62706275. doi: 10.1073/pnas.11026931 08
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Folgen von Ostrazismus am Arbeitsplatz
• Ostrazismus sieht im fMRT so aus wie physischer Schmerz (Riva, Wirth & Williams, 2011 • Die sozialen Wirkungen können schlimmer als bei anderen Verhaltensweisen wie Aggressionen oder Belästigungen am Arbeitsplatz sein (O’Reilly, Robinson & Schabram, 2013) • Ostrazismus: Unterbindung von Interaktion, Ausschluss nicht durch aktive Handlungen der anderen Mitglieder der Organisation, sondern durch das Unterlassen (für Opfer schwierig zu belegen) • Die Integration der Mitarbeiter durch Kommunikation bedeutet mehr als „nur“ die Sicherung der Abläufe in der Organisation: Respektierung der Persönlichkeit Chemnitz ∙ 16. November 2015 ∙ Bertolt Meyer
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Formen der Kommunikation
Drei Formen der Kommunikation: • mündliche (verbale) Kommunikation • schriftliche (verbale) Kommunikation • nonverbale Kommunikation
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Verbale Kommunikation
• Wichtigste Form der Kommunikation (z.B. Ansprachen, Mitarbeitergespräche, Gruppendiskussionen) • Telefon und Videokonferenzen ermöglichen sie über Distanzen hinweg • Zwei Vorteile: • Geschwindigkeit • Möglichkeit zu unmittelbarem Feedback
• Zur Erreichung vieler eher ungeeignet (Verzerrungen) Chemnitz ∙ 16. November 2015 ∙ Bertolt Meyer
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Schriftliche Kommunikation
• Brief, Fax, E-Mail, SMS, Firmenzeitschriften, Informationen an Schwarzen Brettern, Post-its... • Vorteile: • Mitteilungen können beliebig lange archiviert werden (Bspw. als Beleg für die Übermittlung einer bestimmten Information, „Aktenkundigkeit“) • Formulierungen sind gewöhnlich sorgfältiger als bei mündlicher Kommunikation
• Nachteile: • Zeitaufwand • Kein unmittelbares Feedback • Nimmt überhand an (E-Mails), Hindernis für Produktivität
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Nonverbale Kommunikation
• • • •
Mimik, Gestik, Körperhaltung, Modulation der Stimme Jedes Verhalten kann Mitteilungscharakter haben „man kann nicht nicht kommunizieren“ (Watzlawick et al., 2011) Vier Typen nonverbaler Kommunikation • Zufällige Kommunikation: Die zufällige Wahrnehmung spontan ausgelöster Signale • Intuitive Kommunikation: absichtlich ausgesendete Signale, die unbewusst empfangen werden • Informative Kommunikation: ein symptomatisches Verhalten, das nicht als Botschaft beabsichtigt ist, aber vom Empfänger so interpretiert wird • Interpretative Kommunikation: Nonverbale Botschaften werden bewusst gesendet und empfangen
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Video: Was kommuniziert die mittlere Person nonverbal?
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Formale Kommunikation in Organisationen: Das SenderEmpfänger-Modell
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Formale Kommunikationsstrukturen
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Vorgesetzten-Untergebenen- Kommunikation
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Vorgesetzten-Untergebenen- Kommunikation: Kommunikation von oben nach unten • Enthält alles, was zur Steuerung und Koordinierung der Aktivitäten in der Organisation notwendig ist • Zielvorgaben, Anweisungen, Regelungen, Rückmeldungen über individuelle Leistungen etc. • Alles, was die Mitarbeiter wissen müssen, um ihre Aufgaben erledigen zu können • Nachteile: • Dauer der Übermittlung • Veränderungen des Sinngehalts bei mündlicher Kommunikation
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Vorgesetzten-Untergebenen- Kommunikation: Kommunikation von unten nach oben • Aufwärts gerichtete Kommunikation: Informationen, die Vorgesetzte brauchen, um ihre Aufgaben zu erledigen • z. B. Daten, Verbesserungsvorschläge, neue Ideen der Mitarbeiter, Zustandsberichte etc. kommuniziert • Nicht symmetrisch zur Kommunikation von oben nach unten • Die Kommunikation von unten nach oben findet sehr viel seltener statt, ist kürzer und sie tendiert zu Verzerrungen (Dansereau & Markham, 1996)
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Kommunikationsverzerrungen: unvollständige, tendenziöse oder verfälschende Weitergabe von Informationen Auftreten hängt von Bedingungen ab: • Merkmale der Botschaft: Häufiger bei Informationen, die für den Vorgesetzten negativ und für den Untergebenen unvorteilhaft sind • Merkmale der Untergebenen: Häufiger bei Untergebenen mit hohem Sicherheitsbedürfnis, Aufwärtsstreben, Aufstiegswunsch bzw. ausgeprägtem Machtmotiv • Merkmale der Beziehung: Seltener bei starkem Vertrauensverhältnis • Gegenmaßnahmen der Organisation: Strengere Regeln, Kontrollen, Überwachung • Gegenmaßnahmen beeinflussen Engagement und Eigeninitiative der Mitarbeiter negativ Chemnitz ∙ 16. November 2015 ∙ Bertolt Meyer
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Wahl von Kommunikationskanälen: Theorie der medialen Reichhaltigkeit • Erklärt Wahl der Kommunikationskanäle • Ein Medium ist umso reichhaltiger, • • • •
je schneller eine Rückmeldung kommt, je mehr Kommunikationskanäle zur Verfügung stehen, je stärker sich die Kommunikation damit individuell prägen lässt und je vielfältiger die Kodes – z.B. gesprochene Sprache, Gestik, Mimik, Blick etc. – sind.
• Wahl hängt davon ab, ob eine Routine- oder Nichtroutinenachricht übermittelt werden soll.
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Reichhaltigkeit verschiedener Kommunikationsmedien
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Überbringen schlechter Nachrichten
• Vorbereitung • • • •
Vorbereitende Warnungen Schriftliche Dokumentation Absicherungen Mitsprache einräumen
• Nachgang • • • •
PR-Aktivitäten Beschwerdeverfahren Sündenbockverhalten Abschiedszeremonien
• Überbringen • • • •
Timing Wahl des Mediums Selbstpräsentation Erklärungen geben
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Beispiele für das Überbringen schlechter Nachrichten: Die Kündigung
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Beispiele für das Überbringen schlechter Nachrichten: Die Kündigung
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Unterschiede zwischen formaler und informeller Kommunikation
• Formale Kommunikation benutzt vorgesehene Informationskanäle („Dienstweg“), informelle ereignet sich zwischen Bekannten • Formale Kommunikation findet in offiziellen Räumen statt, informelle in den „Randzonen“ der Organisation • Formale Kommunikation ist verbindlich (z. B. eine Anweisung des Vorgesetzten), informelle ist weitgehend unverbindlich (Gerüchte werden erzählt, ohne für deren Wahrheitsgehalt haften zu müssen) • Formale Kommunikation ist sorgfältig ausgearbeitet, informelle ist spontan und in der Alltagssprache gehalten • Formale Kommunikation kann immer eindeutig einer Quelle zugeordnet werden, informelle ist einfach da (z.B. Gerüchte) Chemnitz ∙ 16. November 2015 ∙ Bertolt Meyer
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Das Filtermodell der Kommunikation
• Zum Verständnis informeller Kommunikation in Organisationen ist das Sender-Empfänger-Modell nicht ausreichend • Die (informelle) Information verändert sich in Abhängigkeit der Informationsverarbeitung des Empfängers • Informationsverarbeitung basiert auf Schemata Definition: Schemata sind allgemeine Wissensstrukturen. Sie speichern die wichtigsten Merkmale des Gegenstandsbereichs, auf den sich das Schema bezieht. Außerdem wird damit angegeben, welche Beziehungen zwischen diesen Merkmalen bestehen (Nerdinger, 2012).
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Das Gehörte verändert sich in Abhängigkeit vom Schema des Empfängers • Informationen, die mit dem Schema nicht in Verbindung stehen, werden ausgelassen • Zum aufgerufenen Schema passende Information wird hervorgehoben • Informationen, die gar nicht übermittelt wurden, werden aus dem Schema erschlossen
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Gerüchte
Definition: Ein Gerücht ist eine mit Tagesereignissen verbundene Behauptung, die geglaubt werden soll und gewöhnlich von Mensch zu Mensch mündlich weitergegeben wird. In der Regel liegen keine konkreten Belege vor, die deren Richtigkeit bestätigen könnten (Allport & Postman, 1947). Prozesse bei der Weitergabe von Gerüchten nach Allport und Postman (1947): • Levelling: Das Gerücht wird schnell kürzer, weniger detailliert und weniger komplex
• Sharpening: Bestimmte Aspekte des Gerüchts werden selektiv betont und übertrieben • Assimilation: Das Gerücht wird in Einklang mit den bereits existierenden Vorurteilen und Interessen verzerrt Chemnitz ∙ 16. November 2015 ∙ Bertolt Meyer
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Zusammenfassung
• Soziale Interaktion = Einwirkung versch. Personen aufeinander • Kommunikation = spezielle Form der Einwirkung: Austausch von Informationen in mündlicher, schriftlicher und/oder nonverbaler Form • Formale Kommunikation: Nach festgelegten Regeln erfolgende schriftliche Kommunikation in Organisationen (Signalübertragungsmodell) • Die Theorie der medialen Reichhaltigkeit erklärt, welche Medien für welchen Zweck gewählt werden (sollen) • Überbringen schlechter Nachrichten: Kommunikationsform, die zu den unangenehmsten Aufgaben von Managern zählt • Informelle Kommunikation kann über das Filtermodell erklärt werden • Gerüchte stehen immer in Konkurrenz zu den offiziell verbreiteten Informationen Chemnitz ∙ 16. November 2015 ∙ Bertolt Meyer
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Prüfungsliteratur zur heutigen VL: Nerdinger, F. W. (2014). Interaktion und Kommunikation. In F.W. Nerdinger, G. Blickle & N. Schaper (Hrsg.), Arbeits- und Organisationspsychologie (3. Aufl., S. 55 - 69). Berlin: Springer. doi:10.1007/978-3-642-41130-4_5
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