Institut für Psychologie Organisations- und Wirtschaftspsychologie Prof. Dr. Bertolt Meyer
VL Organisationspsychologie 11.: Organisationsentwicklung
Chemnitz ∙ 11. Januar 2016 ∙ Bertolt Meyer
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VL Organisationspsychologie 11. Organisationsentwicklung
Organisationsentwicklung
• Psychologisch gestützte Form des geplanten Wandels von Organisationen • Merkmale der Organisationsentwicklung (OE) (French & Bell, 1977): • • • • • • •
geplante Form des Wandels Langfristig angelegt Betrifft die ganze Organisation (nicht nur einzelne Abteilungen) Beteiligung der Betroffenen am Prozess Herbeiführung des Wandels durch Lern- und Problemlöseprozesse Sozialwissenschaftliche Unterstützung der Lern- und Problemlöseprozesse Verbesserung der Problemlösefähigkeit der Organisation (nicht des Profits)
• Soll den MA ermöglichen, Veränderungen der Umwelt zu bewältigen Chemnitz ∙ 11. Januar 2016 ∙ Bertolt Meyer
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Organisationsentwicklung vs. Change Management
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Change Management
• Alle Ansätze eines umfassenden organisationalen Wandels, die Teil des strategischen Managements sind • Ziele: • • • •
Kostensenkungen Effizienzsteigerungen verbesserte Kundenorientierung Qualitätssicherung
• Beispiele: • Business Reengineering • Lean Management • Total Quality Management Chemnitz ∙ 11. Januar 2016 ∙ Bertolt Meyer
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Abgrenzung von OE zum Change Management
Change Management
Organisationsentwicklung
Fachexperten Manager
Berater mit psychologischem Berufshintergrund
Einsätze meist nur für kurze Phasen
langfristiger Einsatz in der Organisation, Transformation der Organisation
Lösungen werden geliefert Lösungen werden von den und (möglichst) den Mitarbeitern erarbeitet (OEBedürfnissen der Berater als Katalysator) Organisation angepasst
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Historische Quellen der OE
1. Laboratoriumsmethode (gruppendynamisches Verfahren nach Kurt Lewin) 2. Datenerhebungs- und Rückkopplungsmethode (Survey Feedback)(gruppendynamisches Verfahren) 3. Soziotechnische Systemtheorie (Tavistock Institut)
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Laboratoriumsmethode
• Synonym: Sensitivity Training oder T(rainings)-Gruppe • Mehrere Personen kommen für eine bestimmte Zeit in einer Gruppe zusammen, um zu lernen, die in der Gruppe ablaufenden Prozesse besser zu verstehen zu steuern • Erleben und Verhalten in der Gruppe bildet das Lernmaterial • Gruppe als soziales Laboratorium dar, Form des Erfahrungslernens
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Bedingungen zur Herstellung optimaler Lernbedingungen in TGruppen • Unstrukturiertheit der Situation • • • •
Personen ohne gemeinsame Vergangenheit Zukunft (sog. Stranger-Groups). Die Trainer nehmen keine Führungsrolle ein Keine Tagesordnung, keine Themen vorgegeben. Ohne vorgegebene Rollen zeigen Teilnehmer spontanes Verhalten
• Hier-und-Jetzt-Prinzip • • •
Es darf nur über die aktuellen Vorgänge in der Gruppe gesprochen werden Prozesse zwischen den Personen sind Thema, die in jedem Moment beobachtbar sind Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer können unmittelbar beitragen
• Feedback • •
Wechselseitige Rückmeldung darüber, wie die TN einander erleben So Bewusstwerdung der eigenen Wirkung auf andere
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T-Gruppe in Aktion: Video der BBC Open University (1984)
https://www.youtube.com/watch?v=OljjVGtzV9M
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Erfahrungslernen im Dreischritt
• Lewin: Erfahrungslernen in T-Gruppen passiert in drei Schritten: auftauen (unfreeze)
Auftauen verfestigter Verhaltensweisen und Einstellungen durch Feedback, das zu Abwehrreaktionen führt und der Reflexion zugänglich wird Chemnitz ∙ 11. Januar 2016 ∙ Bertolt Meyer
verändern (move)
einfrieren (refreeze)
Ausprobieren neuer Verhaltensweisen
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Neue Verhaltensweisen stabilisieren sich im Laufe der Zeit in der Gruppe
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Betrachtung der T-Gruppen im historischen Kontext
• T-Gruppen im ursprünglichen Sinn werden heute nicht mehr eingesetzt (unter Fremden erlerntes Verhalten lässt sich nur schwer in der Arbeit umsetzen) • Heute: Teamentwicklung (-> siehe VL 8.) • Labormethode beispielhaft für Veränderung individuellen Verhaltens und verbesserte Teamfähigkeit • Übernahme von „Auftauen – Verändern – Einfrieren“ als allgemeines Veränderungsmodell der OE
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auftauen (unfreeze)
verändern (move)
Kont(r)akt • Identifikation von Veränderungsbedarf u. Problemen • Vorgespräche mit Vereinbarung des Vorgehens (für die Analysephase) • Anstoß der Veränderung • Rahmenbedingungen definieren u. Ressourcen bereitstellen
Analyse • Datenerhebung und -auswertung zum Veränderungsthema • Feedback ins Klientensystem (auch zu unterschiedlichen Perspektiven) • Betroffenheit erzeugen • Akzeptanz schaffen • Widerstände abbauen • ...
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stabilisieren (refreeze)
Vision • Vision und Ziele definieren • Konsens der betroffenen Parteien • Partizipation der Betroffenen • Hierarchieübergreifende Beteiligung
Konzeption
Implementierung
• K. von Maßnahmen und Implementierungsschritte n • Verzahnung von Führungs- u. MA-ebene • Zeitrahmen und Flexibilität im Prozess • Kommunikation • Kommunikationskaskaden • zielgruppenorientiert statt Gerüchteküche
• Change Agents qualifizieren • Implementierungsschritte steuern • Maßnahmen erproben • Resultate einfordern • Kommunikation erster Ergebnisse (Quick Wins) • Aufmerksamkeit und Unterstützung des Mgts sicherstellen
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Stabilisierung • Reflexion (Prozess, Ergebnis) • Dokumentation (off. Schlussbericht) • Evaluation (harte & weiche Kriterien) • Erfolge feiern/ bilanzieren • Verankerung der Veränderung
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Survey Feedback
• Survey Feedback: Datenerhebung mit den Methoden der empirischen Sozialforschung - Befragung, Einstellungsskalen etc. (Survey Research) - und anschießende Rückmeldung der Ergebnisse an die Befragten (Feedback) • Befragte analysieren die Ergebnisse und entwickeln für die festgestellten Probleme eigene Lösungsvorschlage
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Aktionsforschung
Phasen der Forschung
Phasen der Aktion (Umsetzung von Veränderungsmaßmahmen)
• Forscher und Mitglieder der Organisation versuchen gemeinsam die Probleme zu klären, die Anlass für die OE waren
• Gleichberechtigte Kooperation zwischen Forscher und Forschungsgegenstand (Mitglieder der Organisation) • Verläuft in Phasen Chemnitz ∙ 11. Januar 2016 ∙ Bertolt Meyer
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Organisationsentwicklung als Aktionsforschung Kontaktphase Kontakt zwischen O. und Beraterin Vorgespräche Klärung des Projektumfangs Vereinbarung des Vorgehens Präzisierung der Zusammenarbeit Einbeziehung aller Beteiligten Datenerhebung Alle Methoden der empirischen Sozialforschung Datenaufbereitung Auswertung und Veranschaulichung Schriftlich
Datenrückkopplung
Mündlich
Diagnose Bewertung der Daten durch alle Beteiligten Maßnahmenplanung und Diurchführung Die Betroffenen übernehmen die Initiative Berater fungieren als Moderatoren Erfolgskontrolle Bewertung der Ergebnisse anhand zu Beginn festgelegter Erfolgskriterien Chemnitz ∙ 11. Januar 2016 ∙ Bertolt Meyer
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Sziotechnische Systemtheorie: Die Arbeiten des Tavistock Institute of Human Relations (Trist & Bamforth, 1951)
• Übergang vom traditionellen Bergbau zu longwall mining • Neue Technik zerstörte altes soziales System, Arbeitsmoral sank • Technisches und soziales System beeinflussen sich wechselseitig und müssen gemeinsam betrachtet werden Chemnitz ∙ 11. Januar 2016 ∙ Bertolt Meyer
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Soziotechnische Systemtheorie Umwelt
Arbeitssystem
Primäres
Technisches Subsystem Aufgabe
Technologie
Input
Output
Mitglieder
Rolle/Struktur
Soziales Subsystem Source: Trist & Bamforth, 1951
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Neuere methodische Entwicklungen
• OE Ende der 80er Jahre: Diagnostische OE, demokratisch und partizipativ orientiert • Ab den 90ern: Am betriebswirtschtschaftlichen Erfolg orientierte Ansätze (Business Reengineering, Lean Management) • Seit einigen Jahren: „neue“ dialogische OE Chemnitz ∙ 11. Januar 2016 ∙ Bertolt Meyer
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Methode der dialogischen OE: Appreciative Inquiry Appreciative Inquiry
Herkömmlicher Ansatz Beste Lösung implementieren
Problem identifizieren
Ein Ziel Umsetzen (destiny)
O. als Problem Lösungen finden
• • • •
Mögliche Gründe analysieren
Herausfinden, was gut läuft
O. als Ressource Wie gut sollte es sein (design)
Wie toll könnte es sein (dream)
Discovery (Entdeckungsphase): Durch Interviews das Beste in der Organisation verstehen Dream (Entwurf von Visionen): Es wird „geträumt“, was im besten Fall eintreten könnte Design (Zukunftsentwurf): Es wird bearbeitet, was sein sollte, Entscheidungen werden getroffen. Destiny (Umsetzungsphase): Festlegung, was geschehen wird und Verwirklichung neuer Ideen
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Ansätze der OE S Stimulus,
-
O R K Organismus, Reaktion, Konsequenz
Personaler Ansatz
Strukturaler Prozessualer Ansatz
Ansatz
• Vom wissenschaftlichen Standpunkt empfohlen: Kombination, wechselseitige Ergänzung • In der Praxis zu finden: Entweder-oder-Prinzip Chemnitz ∙ 11. Januar 2016 ∙ Bertolt Meyer
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Personaler Ansatz
• Änderungsprozesse setzen bei Mitarbeitern an • Grundidee: Individuen werden verändert, um Änderung der Organisation zu erreichen • Ziel: Steigerung von Kompetenz & Sensibilität für die in der Organisation ablaufenden Prozesse und Aufgaben • Verfahren: Laboratoriums- und gruppendynamische Trainings für arbeitsrelevante Themen, Verbesserung der personalen (sozialen) Kompetenz mittels Trainings (persönlichkeits- und erlebnisorientiert) und Coaching
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Strukturaler Ansatz
• Änderungsprozesse setzen an der Organisation als sozio-technischem System an • Grundidee: Struktur der Organisation wird verändert, um Änderung der ganzen Organisation zu erreichen • Ziel: Gestaltung der/ Eingriffe in Arbeitsbedingungen (S) und Sanktionen (K) • Verfahren: Arbeitsgestaltung als qualitative Anreicherung (z.B. Job Enrichment) oder komplexere Maßnahmen (z.B. Einführung TAG, QZ), Zielsetzung, Laufbahnkonzepte
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Prozessualer Ansatz
• Änderungsprozesse erfolgen über Eingriffe in die in der Organisation ablaufenden Prozesse • Grundidee: Prozesse bilden als sich wiederholenden Verhaltensweisen letztlich die Struktur der Organisation heraus • Sowohl Strukturen als auch Prozesse sind Resultat von (früheren) Machtbeziehungen, Verhandlungen; also interaktional vermittelt • Ziel: zutage fördern und rekonstruieren von zwischenmenschlichen Prozessen, diese werden verändert, um Änderung der Organisation zu erreichen • Verfahren: Survey-Feedback, Teamentwicklung, Prozessberatung Chemnitz ∙ 11. Januar 2016 ∙ Bertolt Meyer
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Effektivität der Ansätze Maßnahmenklasse
„weiche Kriterien“ „harte Kriterien“
Streuung
Personaler Ansatz
eher positiv
eher positiv
groß
Strukturaler Ansatz
eher positiv
positiv
groß
positiv
eher positiv
groß
Prozessualer Ansatz
• Organisationsentwicklung beeinflusst sowohl weiche, psycho-logische als auch harte, betriebswirtschaftliche Kenngrößen positiv • Streuung ist hoch, d.h. auch keine oder negative Wirkung gegeben • Erfolg von Organisationsentwicklung hängt von vielen Faktoren ab Chemnitz ∙ 11. Januar 2016 ∙ Bertolt Meyer
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Neuere Schwerpunkte: Innovation
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Neuere Schwerpunkte: Die lernende Organisation Vergleich der Informationen aus der Umwelt mit internen Standards und Normen
Überwachung und Diagnose der Unternehmensumwelt
Sofortige Korrektur der Abweichungen
Adaptives lernen („single-looplearning“)
Generatives lernen („double-looplearning“) Chemnitz ∙ 11. Januar 2016 ∙ Bertolt Meyer
Überprüfung der Normen und Standards auf ihre Angemessenheit 26
Deutero-learning
Analyse bisheriger organisationaler Lernprozesse, Identifikation von Erfolgen und Misserfolgen, Implementierung und Förderung organisationaler Lernprozesse
nach Argyris & Schön (1999) www.tu-chemnitz.de
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Zusammenfassung 1/2
• Organisationsentwicklung (OE) als geplanter organisationaler Wandel versucht, durch geeignete Maßnahmen der Führung und der Kooperation die Effektivität der Abläufe in der Organisation zu sichern und gleichzeitig die Lernfähigkeit bzw. die Flexibilität und Innovationsfähigkeit der Organisation zu stärken. • Drei historische Wurzeln: Gruppendynamische Laboratoriumsmethode, Survey Feedback, soziotechnische Systemtheorie • Neuere Methoden, (Dialogische OE) basieren auf der Methode der Aktionsforschung nach Lewin
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Zusammenfassung 2/2
• Beim strukturalen Ansatz wird versucht, die Strukturen zu ändern, damit sich das Verhalten ändert • Der prozessuale Ansatz konzentriert sich auf die zwischenmenschlichen Prozesse und der personale Ansatz versucht die Individuen zu verändern • Prozessberatung versucht die Betroffenen in die Lage zu versetzen, ihre Aktivitäten geplant zu steuern und die Zusammenarbeit entsprechend ihren Zielen zu gestalten • OE-Maßnahmen beeinflussen sowohl psychologische als auch betriebswirtschaftliche Kenngrößen positiv, Wirkungen sind insgesamt gesehen eher bescheiden Chemnitz ∙ 11. Januar 2016 ∙ Bertolt Meyer
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Prüfungsliteratur zur heutigen VL: Nerdinger, F. W. (2014). Organisationsentwicklung. In F.W. Nerdinger, G. Blickle & N. Schaper (Hrsg.), Arbeits- und Organisationspsychologie (3. Aufl., S. 159 – 169). Berlin: Springer. doi:10.1007/978-3-642-41130-4_12
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