OFFIZIELLES ORGAN DER ISRAELITISCHEN KULTUSGEMEINDE WIEN

Nr. 671 Juli 2010 Tamus/Aw 5770 Erscheinungsort Wien Verlagspostamt 1010 P.b.b GZ 03Z034854 W DVR 0112305 € 2.- GEMEINDE OFFIZIELLES ORGAN DER ISRA...
Author: Marta Straub
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Nr. 671 Juli 2010 Tamus/Aw 5770 Erscheinungsort Wien Verlagspostamt 1010 P.b.b GZ 03Z034854 W DVR 0112305

€ 2.-

GEMEINDE

OFFIZIELLES ORGAN DER ISRAELITISCHEN KULTUSGEMEINDE WIEN

magazin

INHALT Wirtschaft-News

AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN Brief des Präsidenten

&

24 „DIE GEMEINDE” ONLINE-BLÄTTERN

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WISSENSCHAFT Wissenschaft-News

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http://www.ikgwien.at/ IKG?portal_skin=Pinwand

POLITIK INLAND ALEXIA WEISS Hinhaltetaktik Rechtsextreme Straftaten verdoppelt Lauter Honsik-Prozess Rechtsextreme Esoterik ALEXIA WEISS Die reflektierten Jungen Peace Tour 2010 AUSLAND Universität Tübinger im Nationalsozialismus ISRAEL SHLOMO AVINERI Abkopplung von Gaza endgültig ULRICH W. SAHM Liebermans Kateridee Wovon die Medien nicht berichten: Neue Shopping Mall in Gaza Fünf Gründe für das Leid der Palästinenser unter Hamas Solidaritätsmarsch für Gilad Shalit ANAV SILVERMAN „Free Gaza“ aber nicht für Frauen

JÜDISCHE WELT 5 7 8 9 10 11

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KULTUR

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Jüdisches Sommerfestival Budapest

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ULRICH W. SAHM Kafka wird aus dem Panzerschrank befreit

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ANITA POLLAK Ein jüdischer Vater RUTH BUCHMAYER Virtues of Memory PETER WEINBERGER Überall & Nirgendwo

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JUDENTUM RABB. SCHLOMO HOFMEISTER Schailes & Tschuwos

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20 Täglich aktualisiert!

ERIC HOFFER Israels besondere Position

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Shimon Peres über seine bisherige Amtszeit

21

www. ikg-wien.at news events pinwand

WIRTSCHAFT REINHARD ENGEL Software gegen Internet-Diebe

ASK THE RABBI

[email protected]

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ULRICH W. SAHM Israel öffnet Palaästinensergebiete für Juden 19 Libanonkrieg 2006 4. Jahrestag

MARTA S. HALPERT Das jüdische Trauma auf der Trauminsel ALEXIA WEISS Gespräch mit Eric Morton Der achte Peacecamp ALEXIA WEISS Nachum Rakover, Rechtsgelehrter ALEXIA WEISS Lebenslange Leidenschaft Fechten ALOIS GAUPER Und sie Taten es aus Nächstenliebe Panorama

Feierliche Enthüllung der Zusatztafel für den Jenny-Steiner-Weg in Wien Neubau Im Dezember 2008 war auf Initiative der Grünen Bezirksvertretung Wien Neubau vorgeschlagen worden, eine Verkehrsfläche nach der jüdischen Firmeninhaberin und Kunstsammlerin Jenny Steiner zu benennen. Der Wiener Gemeinderat beschloss im Jahr darauf, den Durchgang zwischen Ahornergasse und Seidengasse „Jenny-Steiner-Weg“ zu bezeichnen. Am 7. Juli 2010 fand nunmehr die feierliche Enthüllung der Zusatztafel zur Verkehrsflächenbenennung durch Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger statt. Die Textierung der Zusatztafel „Jenny Steiner (1863 - 1958) Unternehmerin, Kunstsammlerin und Mäzenin 1938 vor den Nationalsozialisten geflüchtet“ weist freilich nur andeutungsweise auf ihr Leben und Wirken hin. Jenny Steiner wurde am 11. Juli 1863 in Budapest als Tochter von Simon und Charlotte Pulitzer geboren. Sie heiratete den Fabrikanten Wilhelm Steiner, dessen Firma - die Seidenmanufaktur Gebrüder Steiner in der Westbahnstraße 21 – sie nach seinem Tod im Jahr 1922 gemeinsam mit ihrem Neffen Albert Steiner und ihren 4 Töchtern weiterführte. Die Geschäftsfrau Jenny Steiner war darüber hinaus – wie auch ihre Schwester Serena Lederer – eine der wichtigsten Förderinnen der zeitgenössischen österreichischen Moderne, allen voran von Gustav Klimt. Nach dem „Anschluss“ im März 1938 musste Jenny Steiner das Land verlassen, ihr Vermögen, darunter ihre Geschäftsanteile und ihre Kunstsammlung wurden enteignet. Erst nach einer Odyssee über die Schweiz, Frankreich, Portugal und Brasilien gelangte sie im Jahr 1943 zu ihrer Tochter nach New York. Ohne jemals nach Österreich zurückgekehrt zu sein, starb Jenny Steiner am 2. März 1958 in New York. Ihrem testamentarischen Wunsch gemäß wurde sie in der Familiengruft neben ihrem Gatten Wilhelm Steiner am Wiener Zentralfriedhof beerdigt. SABINE LOITFELLNER

PLENARSITZUNGEN 2010

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10. August• 7. September • 5. Oktober• 11. November • 9. Dezember

Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Jerusalem Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Y-net, israelnetz (inn), nahostfocus (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, ILI u.v.a.; © Wikimedia Commons Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: Israelitische Kultusgemeinde Wien. Zweck: Information der Mitglieder der IKG Wien in kulturellen, politischen und organisatorischen Belangen. Stärkung des demokratischen Bewusstseins in der österreichischen Bevölkerung. Sitz: 1010 Wien, Seitenstettengasse 4, Postfach 145. Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail [email protected] Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 Wien Alle signierten Artikel geben die persönliche Meinung des Autors wieder, die sich nicht immer mit der Meinung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte übernehmen Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in der Redaktion einlangen, müssen zur Veröffentlichung gelangen.

GEMEINDE

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Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN Sehr geehrte Gemeindemitglieder! Ich darf Ihnen wieder einmal aus unserer Gemeinde berichten: Infrastruktur - wie kaum eine andere jüdische Gemeinde in Europa In den letzten 30 Jahren ist es der Israelitischen Kultusgemeinde gelungen, ihre Infrastruktur komplett neu aufzubauen. Neben dem Zentrum in der Seitenstettengasse entstanden das Zentrum Tempelgasse (Esra), das Sefardische Zentrum und das JBBZ. Auch der Campus Wiesenthalgasse ist nun fertig gestellt worden. Mit den zahlreichen anderen jüdischen Institutionen, Schulen und Organisationen verfügt damit die Kultusgemeinde über eine ausgezeichnete Infrastruktur, wie sie wohl kaum eine andere jüdische Gemeinde in Europa besitzt. Schulden und Finanzierung der Kultusgemeinde Mit Erhalt der letzten Restitutionszahlung des Burgenlands sind sämtliche Restitutionszahlungen eingegangen und die Schulden der IKG (Hoheit) zur Gänze zurückgezahlt. Damit ist die IKG schuldenfrei! Gleichzeitig wurden vor zwei Jahren sämtliche Investitionsschulden, die im Rahmen von Neubauten (Wohnheime, MZ, Mercure Hotels, Schottenring, etc.) aufgenommen wurden, ausgelagert, wobei diese Objekte ihre Schulden innerhalb einer festgelegten Frist selbst tilgen. Damit ist sichergestellt, dass diese Einnahmen nicht ins Budget fließen, aber auch, dass diese Schulden getilgt werden. Der Campus selber hat inklusive Grundstücke rund 94 Mio. Euro gekostet. Mit Ausnahme von einer Mio. Euro konnte der gesamte Investitionsbetrag ausfinanziert werden, wobei Schule und Hakoah keine Finanzlücke haben (die ZPC- Schule hat einen Teil der Hakoah mitfinanziert). Es fehlen aus MZ und Synagoge insgesamt noch eine Mio. Euro (davon 355.000,- Euro Synagoge) und wir bemühen uns, diese Geldmittel bis Ende des Jahres aufzubringen. Ich bitte Sie daher bei dieser Gelegenheit auch um Ihre Unterstützung! Dieser Zeitung liegt ein Erlagschein bei. Sollten Sie uns bei dem Projekt unterstützen, dann fügen Sie bitte eine Widmung hinzu (Synagoge oder MZ)! Jedenfalls ist es für mich als Projektverantwortlichen eine große Freude, Ihnen heute mitteilen zu können, dass das Projekt fertig und voll in Funktion ist und bis auf die oben erwähnte eine Mio. Euro auch komplett ausfinanziert wurde. Krise und Budgetschwierigkeiten Die Krise hat leider auch die Israelitische Kultusgemeinde erfasst. Uns fehlt die tatkräftige Unterstützung unserer Mitglieder (Fundraising), insbesondere weil eine ganze Reihe von Zahlungen der öffentlichen Hand ausgefallen sind. Das Budget 2009 hat leider ein erhebliches Defizit gebracht, das es zu finanzieren gilt. Dementsprechend musste beim Budget 2010 nachträglich massiv gespart werden. Sparen heißt in Österreich leider aber auch Tariferhöhungen, Gebührenerhöhungen und vieles mehr, und wir bitten Sie, sehr geehrte Gemeindemitglieder, hier um Ihr Verständnis! Wir haben 2002 die Kultussteuer ausgesetzt in der Hoffnung, dass jeder nach seinen Möglichkeiten Mitgliedsbeiträge und Spenden an die IKG leistet. Dies hat sich leider nicht bei allen Mitgliedern durchsetzen lassen und dementsprechend können wir uns in Zukunft einfach nicht jeden Luxus leisten. Zu den Diskussionen, die derzeit geführt werden, sei ohne Anspruch auf Vollständigkeit noch Folgendes erwähnt: Koscheres Restaurant: Dieses soll neu verpachtet werden. Dabei wurden Forderungen laut, dass die 30 Jahre alte Technik, der Kühlraum, die Küche, etc., erneuert und die Kosten der Maschgichim weiterhin seitens der IKG übernommen werden sollten. Der Kultusvorstand hat dies abgelehnt, auch wenn dies bedeutet, dass wir das Restaurant in der Judengasse möglicherweise zusperren müssen. Sehr geehrte Gemeindemitglieder, bedenken Sie in diesem Zusammenhang, dass es bei der Gründung des Restaurants vor 30 Jahren in Wien kein koscheres Restaurant gegeben hat, heute gibt es drei bis vier. Dazu kommt, dass orthodoxe Aschkenasim sehr wenig auswärts essen und unser Restaurant einfach nicht ausgelastet ist.

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AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN Ein weiteres Beispiel sind dringend erforderliche Sanierungsarbeiten in der Tempelgasse, die zurückgestellt werden, der Ausbau der Robertgasse (Jad Bejad) und der Synagoge Kaschelgasse wurden genauso vertagt wie die Sanierungsmaßnahmen an diversen Zinshäusern der IKG. Die Synagoge Baden hat ebenfalls finanzielle Schwierigkeiten, so wie auch die Musikschule Jehuda Halevi, die um eine Sanierung ihrer Räumlichkeiten durch die IKG angesucht hat. Diese und viele andere Projekte können derzeit nicht oder nur eingeschränkt verwirklicht werden, und viele Organisationen, aber auch einzelne Persönlichkeiten, sind mit der Kultusgemeinde unzufrieden. Aber wenn wir auch in Zukunft finanziell überleben wollen, dürfen wir keine neuen Schulden eingehen, und daher kommt es heuer und im nächsten Jahr, jedenfalls solange die Wirtschaftskrise andauert, zu solchen Sparmaßnahmen. Gerade deshalb bitte ich Sie auch um Verständnis und Solidarität! Jüdische Friedhöfe Hier ist es mir tatsächlich gelungen, in einem gemeinsamen Round Table-Gespräch mit dem Bundeskanzler, dem Vizekanzler, Bürgermeister Häupl und Landeshauptmann Erwin Pröll einen Durchbruch zu erzielen. Die Republik Österreich wird in den nächsten 20 Jahren je eine Mio. Euro für die Sanierung der jüdischen Friedhöfe in Österreich bereitstellen. Das Land Niederösterreich wird sich mit 25 Prozent an den Sanierungskosten seiner Friedhöfe beteiligen, Wien übernimmt 500.000,- Euro für die Generalsanierung des Wärterhauses am Währinger Friedhof. Den Rest, etwa 18 Mio. Euro, müssen wir in den nächsten 20 Jahren von Ländern, Gemeinden, EU und privaten Spendern akquirieren. Jedenfalls sind wir auf dem Weg, unsere Friedhöfe vor dem endgültigen Verfall zu retten. Alles in allem, also keine schlechte Bilanz und ein weiterer Schritt der Konsolidierung. Ich wünsche Ihnen allen einen erholsamen Sommer! Herzliche Grüße,

Ihr Dr. Ariel Muzicant

Die Barmherzigen Brüder suchen Zeitzeugen! Das Wiener Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, gegründet 1614, ist das älteste und eines der modernsten Spitäler in Wien. Seit Anfang an sind wir ein wichtiger Teil der Leopoldstadt und mit der Entwicklung dieses Bezirkes auf das Engste verbunden. Für die Erstellung unserer Festschrift im Rahmen unserer 400-Jahr- Feierlichkeiten 2014 sind wir auf der Suche nach Zeitzeugen: Kennen Sie unser Krankenhaus schon seit langem, haben Sie Anekdoten zu unserem Spital zu erzählen oder können Sie sich noch erinnern, wie die Barmherzigen Brüder immer für die Mitmenschen da waren und sich keinem Regime gebeugt haben? Dann lassen uns an Ihren Erinnerungen teilhaben. Mit Ihrer persönlichen Geschichte helfen Sie mit, ein Stückchen unserer Geschichte für die folgenden Generationen zu bewahren. Kontakt & Ansprechpartner: Mag. Johannes Reinprecht Telefon: +43 1 211 21 1066 Mailadresse: [email protected] Vielen herzlichen Dank für Ihre Unterstützung und Ihre Bemühungen!

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Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

POLITIK • INLAND

Hinhaltetaktik auf mehreren Ebenen

VON ALEXIA WEISS

Wie also sieht es aus mit der Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Mauthausen? „Was die baulichen Maßnahmen betrifft, sind wir, glaube ich, auf einem guten Weg“, betont Willi Mernyi. Der Gewerkschaftsvertreter steht dem 1997 von Österreichischem Gewerkschaftsbund (ÖGB), der Bischofskonferenz der römisch-katholischen Kirche und den Israelitischen Kultusgemeinden gegründeten Mauthausen Komitee Österreich vor, der Nachfolgeorganisation der Österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen.

schmiert wurden. Noch im Mai winkte das Innenministerium unter Ministerin Maria Fekter (ÖVP) ab. Die Begründung: die Gedenkstätte sei „eine Art Friedhof“ und das Areal zu groß. Dazu hält Mernyi nun fest: „Die KZGedenkstätte ist nicht nur eine Art Friedhof, sondern sie ist ein Friedhof.“ Und: es sei nie die Rede davon gewesen, das gesamte Areal zu überwachen. Beschmiert worden sei ein Teil der Außenmauer. Dieser ließe sich sogar so überwachen, dass keine Besucher gefilmt würde, da davor ein Stück Rasen liege. Nur wer den Weg zur Gedenkstätte verlasse und das Gras betrete, würde überhaupt in das Sichtfeld der Kameraaufnahmen geraten. Inzwischen sei er mit dem zuständigen Sektionschef im Gespräch, so Mernyi. Und es gebe eine Zusage, hier seitens des Ministeriums bis Herbst eine für alle befriedigende Lösung vorzuschlagen.

Er formuliert allerdings zwei Wünsche: der Zeitraum, in dem es im Zug der Neugestaltung der Dauerausstellung an der Gedenkstätte (die bisherige stammt aus den siebziger Jahren) gar keine Ausstellung gibt, soll möglichst kurz ausfallen. Und: es sei ihm klar, dass es für die Besucher einen Sammelpunkt geben müsse, nachdem sich das 2003 unter dem damaligen Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) eröffnete Besucherzentrum als Fehlbau herausgestellt habe. Ein entsprechendes Eingangsportal dürfe aber nicht überdimensioniert ausfallen. Die Silhouette der Gedenkstätte dürfe nicht verändert werden, so der Wunsch Mernyis.

Ob das Ministerium im Herbst tatsächlich mit einem Vorschlag aufwarten wird, bleibt abzuwarten. In Sachen Vermittlung erfolgte eine bis Ende Juni in Aussicht gestellte Vereinbarung zwischen Ministerium und Mauthausen Komitee nämlich bis dato nicht. Konkret geht es darum, dass die seit dem Vorjahr vom Komitee ausgebildeten Guides, die derzeit vor allem Schüler- und Lehrlingsgruppen über das Areal des ehemaligen Konzentrationslagers führen, auch für Führungen des Innenministeriums herangezogen werden können. Denn Mernyi findet es unerträglich, dass immer noch Schülergruppen, die gerne die Gedenkstätte besuchen würden, aus Kapazitätsgründen seitens des Innenministeriums abgewiesen werden. „Es gibt immer noch keine Bereitschaft, auf unsere Guides zurückzugreifen“, bedauert Mernyi Anfang Juli, „wiewohl ein großer Teil der Guides des Innenministeriums mit unseren Guides identisch ist“.

Dringend erforderlich ist aus seiner Sicht zudem eine Videoüberwachung, nachdem die Außenmauern mehrmals mit rassistischen beziehungsweise antisemitischen Parolen be-

Das Mauthausen Komitee führt seit 2010 über das Areal, bisher wurden rund 2.000 Jugendliche auf diesem Ausflug in die NS-Vergangenheit Österreichs begleitet. Jährlich besuchen

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rund 200.000 Menschen die Gedenkstätte, etwa die Hälfte sind inund ausländische Schüler. Die Guides des Komitees sind in moderner Vermittlungsarbeit geschult. Auch das Innenministerium hat die bisher eher dürftige Ausbildung der Zivildiener inzwischen erheblich verbessert. Doch es gebe eben immer noch zu wenig Kapazitäten, um Gruppen über das Gelände zu begleiten, so Mernyi. Spießen könnte es sich hier einerseits an den höheren Kosten der Guides, die vom Komitee ausgebildet wurden. Guides, die extra nach Mauthausen fahren, müssten die Fahrtspesen ersetzt werden, betont dazu Mernyi. Und: er sei strikt gegen Tendenzen, dass Gedenkstättenarbeit ehrenamtlich geleistet werden müsse. Andererseits sind die über das Komitee gebuchten Guides sicher offener als ihre Kollegen, die im Auftrag des Innenministeriums führen, wenn es um die Beantwortung von Fragen von Jugendlichen geht, die etwa nach aktuellen Asylverfahren fragen. Grundsätzlich meint Mernyi zu diesem Thema: „Wir halten uns an das Vermächtnis der Häftlinge, das heißt: niemals wieder.“ Das heiße auch: über Ausgrenzungen im Hier und Heute reden, zu Zivilcourage ermuntern. Dazu sollen auch die Zivilcourage-Trainings des Mauthausen Komitees beitragen. Unterm Strich meint Mernyi in Richtung Innenministerium: diesem müsste es doch auch ein Anliegen sein, dass gut ausgebildete Guides über das Gelände führen und nicht etwa didaktisch nicht entsprechend geschulte Fremdenführer, die ebenfalls Touren mit dem Ziel KZ-Gedenkstätte Mauthausen im Programm hätten. Ein Anliegen ist Mernyi auch, dass Jugendliche nicht in den Rechtsextremismus hineinrutschen, beziehungsweise ihnen schon anfangs wieder herausgeholfen wird. Weil sich immer mehr Betriebsräte an ihn mit Fragen wandten, ob diese Kleidung ein Hinweis auf die rechtsextreme Szene sei oder jene Musik, hat das Mauthausen Komitee nun die Publikation „Rechtsextrem. Symbole, Codes, Musik, Gesetze, 5

POLITIK

Seit Jahren werkt das Innenministerium an einer Verbesserung der Besucherfreundlichkeit der KZGedenkstätte Mauthausen. Vielen Ankündigungen folgen aber nicht immer entsprechende Taten. „Die Gemeinde“ sprach mit Willi Mernyi, dem Vorsitzenden des Mauthausen-Komitees über die Gedenkstätte, aber auch seine Bemühungen, Rechtsextremismus Einhalt zu gebieten.

POLITIK • INLAND Organisationen“ veröffentlicht (siehe Kasten), die allen, die mit Jugendlichen in Kontakt sind, einen schnellen Einblick in die heutige rechtsextreme Szene ermöglicht. „Früher war es für Ausbildner und Personalverantwortliche einfacher, Rechtsextreme zu erkennen“, so Mernyi. Doch kahlgeschorene Schädel, Springerstiefel und Bomberjacken seien von gestern. So in der Öffentlichkeit aufzutreten sei für viele Jugendliche „alles andere als cool“. Heute gebe es Labels wie „Thor Steinar“, deren TShirts nicht sofort ins Auge stechen würden. Auch im Bereich der Musik habe sich viel getan, was die rechtsextreme Szenekultur aber auch für viele wieder attraktiver mache. Mit dem Buch hofft Mernyi, hier für entsprechende Aufklärung zu sorgen. Die Nachfrage gibt ihm recht. Über den Sommer muss bereits nachgedruckt werden. Die Publikation befasst sich auch mit Neonazis im Internet – etwa der seit über einem Jahr agierenden Seite Alpen-Donau.Info. Mernyi selbst wird von den Alpen-Donau-Machern konsequent als „Lager-Willi“ bezeichnet. Zwei Briefe habe er in dieser Angelegenheit bereits an Ministerin Fekter geschrieben, erzählt er dazu der „Gemeinde“. Und die Antwort, dass der Server in den USA liege, empfindet er inzwischen als unerträglich. Die Verfasser der Beiträge säßen in Österreich. Hier gebe es eine Verantwortung seitens des Ministeriums.

Wer ist rechtsextrem? Was versteht man unter Rechtsextremismus und wie erkennt man rechtsextreme Tendenzen bei Jugendlichen? Antworten auf diese Fragen gibt die Publikation „RECHTSEXTREM“ des Mauthausen Komitee Österreich. Komitee-Vorsitzender Willi Mernyi und Co-Autorin Christa Bauer bieten allen, die mit Jugendlichen zu tun haben, hier vor allem Hilfestellung, wie Namen, Symbole, Kleidung und Musik richtig gedeutet werden können. Vorgestellt werden dabei Neonazi-Versandhäuser ebenso wie White Power-Symbole, rechtsextreme Bewegungen und Organisationen, Szenecodes (wie die Zahlencodes 74, die Abkürzung für Großdeutschland, 84, die Abkürzung für „Heil dir“, 311, das für „Ku-Klux-Klan“ steht, oder 19/8, eine Umschreibung für „Sieg heil“) sowie Parolen und Grußformen. „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ oder „Heil Hitler“ dürften bei jedem die Alarmglocken läuten lassen. Doch auch „Deutschland erwache“ (eine Parole der SA) und „Blut und Ehre“ (Parole der Hitlerjugend) sind eindeutig besetzt. Viel getan hat sich in den vergangenen Jahren in der rechtsextremen Mode. Gerne getragen werden Kleidungsstücke der Marken Alpha Industries (das Firmenlogo ähnelt dem Abzeichen der SA), Ben Sherman, Lonsdale (die darin enthaltenen Buchstaben NSDA auf T-Shirts sind bei darüber getragener geöffneter Jacke allein sichtbar), Consdaple, Masterrace Europe, Doberman Streetwear, Fred Perry, Hatecrime, New Balance (Sportschuhe), Patriot, Pitbull, Troublemaker, Thor Steinar, Hemland, Erik & Sons, Pro-Violence, Sportfrei, Hatewear, Rizist und Walhall. Neu ist auch, dass zunehmend auch Symbole anderer Jugendkulturen Eingang in die rechtsextreme Szene finden. So wird das Palästinensertuch ebenso getragen wie Che Guevara-T-Shirts. Jahr für Jahr steigt zudem die Anzahl rechtsextremer Musiklabels. Unterschieden wird dabei zwischen den Stilrichtungen R.A.C. – Rock against Communism (z.B. „Skrewdriver“), Oi, eine Art Punkrock (z.B. „Oithanasie“), Hardcore/Hatecore (z.B. „SFA“, „Sheer Terror“, „Max Resist“, „Moshpit“, „Race Riot“), Black Metal (z.B. „Burzum“, „Absurd“), Pagan Metal/ Viking Metal , Viking Rock/Wiking Rock (z.B. „Balmung“, „Ultima Thule“), Neofolk/Dark Wave/Schwarze Szene (z.B „Death in June“, „Von Thronstahl“), Neue Deutsche Härte/NDH sowie Liedermachern (Balladen).

RECHTSEXTREM Symbole. Codes. Musik. Gesetze. Organisationen. Herausgeber: Mauthausen Komitee Österreich Zu bestellen über: www.rechtsextrem.at

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Was tun, wenn man bei Jugendlichen rechtsextreme Mode sieht, verbotene Abzeichen erkennt, eine eindeutige Sprache ortet? Die Publikation empfiehlt hier die Hotline für Fragen zu Rechtsextremismus (0810 500 199) anzurufen oder sich auf www.rechtsextrem.at schlau zu machen. Das Mauthausen Komitee hat zudem eine Kooperation mit „147 – Rat auf Draht“ ins Leben gerufen. Unter der Nummer 147 können Psychologen um entsprechende Hilfe gebeten werden.

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POLITIK • INLAND

Verdoppelung rechtsextremer Straftaten in den letzten Jahren „Wer heute noch von einer Stagnation des Rechtsextremismus spricht, ist offensichtlich mit völliger Blindheit geschlagen“, meint Karl Öllinger, Abgeordneter der Grünen, zu den via APA verbreiteten Aussagen des Verfassungsschutzberichtes. Die Zahlen über rechtsextreme Delikte des Jahres 2009, die der Verfassungsschutz ausgerechnet nach dem Brandanschlag von Floridsdorf aufwärmt, stimmen mit der tatsächlichen Entwicklung nicht überein. Nimmt man nämlich nicht nur den Verfassungsschutzbericht von 2009 zur Hand, sondern auch die vorangegangenen, wird schnell klar, dass es innerhalb weniger Jahre eine Verdopplung rechtsextremer Straftaten gegeben hat. Die Grünen haben die rechtsextremen Vorfälle für das Jahr 2009 auf der Website www.stopptdierechten.at dokumentiert und auch die Verfassungsschutzberichte der letzten Jahre analysiert. Öllinger: „Im Jahr 2009 hat es einen Mord auf offener Straße durch einen rechtsextremen Skinhead in Wien gegeben. In Vorarlberg wiederum gibt es nach der Ermordung eines rechtsextremen Skins durch eine rivalisierende Motorradgang seit einem Jahr immer wieder heftige Auseinandersetzungen, in Oberösterreich gibt es fast in jeder Bezirksstadt Nazi-Skins oder organisierte rechtsextreme Gruppen, seit mehr als einem Jahr gibt es eine offen den Nationalsozialismus propagierende Website („alpen-donau“), die von österreichischen Neonazis betrieben wird. Nur: Der Verfassungsschutz hat sie in seinem Bericht nicht einmal beschrieben - offensichtlich nach dem Motto: was wir nicht sehen, geht uns nichts an.“ Die Grünen haben eine umfangreiche parlamentarische Anfrage zu „alpendonau“ an Bundesministerin Fekter gerichtet. Öllinger: „Wenn man nur die Aktivitäten von „alpen-donau“ aufzählt, merkt man schon, dass die Feststellungen des Verfassungsschutzes nicht stimmen können.“

Norbert Darabos mit Otto-Bauer-Plakette der Freiheitskämpfer ausgezeichnet Verteidigungsminister Norbert Darabos, wurde Ende Mai im Rahmen einer Tagung des erweiterten Bundesvorstandes der Sozialdemokratischen Freiheitskämpfer die Otto-Bauer-Plakette verliehen. Mit dieser Auszeichnung wurde sein Einsatz gegen Rechtsextremismus, Neofaschismus und Rassismus geehrt. Es handelt sich dabei um die höchste österreichische Widerstandskämpfer-Auszeichnung.

sichtlich im Auftrag von Bundesministerin Fekter - gezielt eine Verniedlichung des Rechtsextremismus: „Offen rechtsextreme Burschenschaften kommen im Verfassungsschutzbericht schon seit Jahren nicht mehr vor - auf Betreiben der damaligen Regierungspartei FPÖ.“ Der FPÖ und der Bürgerinitiative Rappgasse in Floridsdorf wirft Öllinger vor, den Boden für schwer kriminelle Hassaktionen wie die Brandanschläge in Floridsdorf aufbereitet zu haben. Öllinger: „Es ist ziemlich offensichtlich, dass die neonazistisch motivierten Brandanschläge in Floridsdorf, die nur wegen der raschen Reaktion der Hausbewohner und der Feuerwehr keine Verletzten oder Toten gefordert haben, in einem Zusammenhang mit den Aktionen und der Demonstration gegen ein islamisches Kulturzentrum stehen. Die Nazi-Skins, die im Juni HC Strache noch applaudiert haben, sind jetzt zur Tat geschritten.“

Norbert Darabos' antifaschistische Haltung zieht sich wie ein roter Faden durch seine Amtsführung als Verteidigungsminister. Als studiertem Historiker ist es Darabos ein besonderes Anliegen, dass sich das Bundesheer verstärkt seiner Geschichte stellt. Es wurden nicht nur aktive Maßnahmen gegen Rechts gesetzt, sondern auch viele wichtige Forschungsprojekte in Auftrag gegeben und Initiativen unterstützt. Bei rechten Umtrieben im Heer verfolgt Darabos eine Null-Toleranz-Politik.

Öllinger fordert die Exekutive auf, bis zu einer Klärung der Brandanschläge die Wohnanlage permanent zu überwachen: „Wir haben sehr wohl registriert, dass es seit gestern - endlich! - eine Überwachung der Wohnanlage gibt. Sie muss jedenfalls bis zur Klärung der Vorfälle durch Verhaftung der mutmaßlichen TäOT ter weitergeführt werden!“

Der Verteidigungsminister hat beispielsweise die Teilnahme des österreichischen Bundesheeres am umstrittenen Ulrichsberg-Treffen beendet, was letztendlich zu dessen Absage führte. Auch wurden vier Soldaten, die sich im Kosovo befanden, wegen des Verdachts auf Wiederbetätigung aus dem Heeresdienst entlassen.

Am 20. April 2010 - Ein Spaziergang durch Klosterneuburg Eine Bekannte spazierte durch die kleinen Gassen von Klosterneuburg, vorbei an vielen Gasthäusern und Heurigen. Besonders prominent auf vielen der Menütafeln standen „Eiernockerl“ geschrieben. Ein wenig verwundert über die häufige und vor allem prominente Anpreisung von Eiernockerln, fragte sie in einem Gasthaus genauer nach, was denn der Grund sei, dass es überall Eiernockerl gäbe. Die Inhaberin der Gaststätte antwortete mit einer erschreckenden Selbstverständlichkeit: “Heute ist der Geburtstag vom Führer und Eiernockerl waren seine Lieblingsspeise!“ mc

Der Verfassungsschutz betreibt - offenJuli 2010 - Tamus/Aw 5770

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POLITIK • INLAND

HONSIK-PROZESS:

GaskammerExistenz erneut angezweifelt

S

chreiduelle, heftige Wortgefechte, die erneute Anzweiflung von Gaskammern sowie viel Wohlwollen der Sympathisanten im Publikum für den Angeklagten - so lautet die turbulente Bilanz des ersten Prozesstages gegen Holocaust-Leugner Gert Honsik, der am 20. Juli am Wiener Straflandesgericht über die Bühne gegangen ist. Der 68-Jährige musste sich erneut wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung in zwei seiner Bücher verantworten. Weil die Verteidigung 65 Beweisanträge eingebracht hat, wurde die Verhandlung auf 9. September vertagt. Zwar war Honsik im April 2009 für zahlreiche, im Zeitraum 1997 bis 2003 von ihm veröffentlichte Ausgaben der Zeitschrift „Halt!“ im Wiener Straflandesgericht schuldig erkannt worden. Doch das Wiener Oberlandesgericht (OLG) reduzierte vor vier Monaten die dafür verhängte Strafe von fünf auf vier Jahre Haft. Die Anklagebehörde macht nun in einer separaten

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Verhandlung zwei Bücher Honsiks zum Prozessgegenstand. Die inkriminierten Werke „Schelm und Scheusal“ und „Der Juden Drittes Reich“ waren bereits Inhalt der Anklage im vorangegangen Prozess gewesen, wurden damals jedoch zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen ausgeschieden. Zu Beginn verlief alles relativ gesittet: Der Staatsanwalt bezeichnete Honsik als „Blender“, „Geschichtsfälscher“ und „Propagandamaschine“, dessen bisher 21 Verurteilungen eine „bedeutende Verbrecherkarriere“ darstelle. Verteidiger Herbert Schaller attestierte hingegen seinem Mandanten, er sei „kein asoziales Element“. Honsik habe „immer in Arbeit gestanden“ und eine Familie gegründet. Seine drei Kinder sowie seine acht Enkel seien allesamt „anständige Menschen“ und „gut erzogen“. Als Schaller dann auch noch viele Jahre zurückreichende Verurteilungen zu zerpflücken begann, die nicht Verhandlungsgegenstand

waren, platzte Richter Andreas Böhm erstmals der Kragen. Lautstark forderte er den Verteidiger auf, „endlich zur Sache zu sprechen“. Eineinhalb Stunden und etliche Schreiduelle später verhängte Böhm etwas entnervt die erste Verhandlungspause. Zuvor war Schaller selbst haarscharf an Aussagen vorbeigeschrammt, die ihm als Wiederbetätigung angelastet hätten werden können. Auf die wiederholte Frage, ob er, Schaller, selbst behaupte, es hätte keine Gaskammern gegeben, wich der Strafverteidiger immer wieder aus. Als einer „Anhänger“ Honsiks im Zuschauerbereich den Ausführungen Schallers auch noch applaudierte, wurde er des Saales verwiesen. Anschließend hatte Honsik selbst das Wort - und machte davon reichlich Gebrauch. Es entwickelte sich ein reger, allerdings ziemlich ergebnisloser Dialog zwischen dem Richter und dem Angeklagten, denn letzterer antwortete selbst auf eindeutige Fragen nie Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

POLITIK • INLAND

Zum Eklat kam es unmittelbar nach einer Verhandlungspause. Weil sich der zweite Verteidiger Honsiks, Herbert Orlich, immer wieder unerlaubt zu Wort gemeldet hatte, wurde er von Richter Böhm vom Verteidigungsplatz verwiesen - was Orlich jedoch verweigerte. Erst, nachdem damit gedroht wurde, sein Verhalten der Rechtsanwaltskammer zu melden, zog sich der Jurist auf die Publikumsplätze zurück, wo ihm von vielen Sei-ten mit großem Wohlwollen zugenickt wurde. Auf die Frage des Richters, ob Honsik meine, es hätte im Konzentrationslager Auschwitz Gaskammern gegeben, schaltete sich Verteidiger Schaller dazwischen: „Fragen sie einen Sachverständigen.“ Honsik anerkannte schließlich die „unbestrittene Existenz“ von Gaskammern in den Vernichtungslagern Belzec, Sobibor, Kaunas, Wilna und auch in Auschwitz - allerdings nur in zwei Bauernhäusern, die außerhalb des Lagers lagen. Darüber hinaus sei die Zahl von sechs Millionen getöteten Juden „falsch“, es seien lediglich 1,5 Millionen gewesen. Weil die Verteidigung insgesamt 65 Beweisanträge angekündigt hat, wurde der Prozess auf 9. September (9.00 APA Uhr, Saal 303) vertagt. Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

Steirischer Sektenexperte ortet zunehmend rechtsextreme Esoterik

Verlassenschaften-Ankauf, Gemälde, Möbel, Silber, Porzellan, Spiegelgasse 19, 1010 Wien, Österreich Tel. 01/512 72 67 www.kulcsar.at

Eine verstärkte Tendenz in eine politisch-ideologische, rechtsextreme Richtung erkennt der Leiter der steirischen Sekten-Service-Stelle, Roman Schweidlenka, bei „einigen esoterischen Bewegungen“. Die Ideologisierung sei die zweite Gefahr neben der bei Sekten häufigen persönlichen Vereinnahmung und finanziellen Ausbeutung von Menschen, hielt der Grazer Experte im Grazer Pressegespräch fest.

©Land Steiermark

mit Ja oder Nein. Lediglich hie und da wurde Honsik laut: „Es gab auf großdeutschem Boden keine einzige Gaskammer, dabei bleibe ich. Hier endet die 65-jährige Lüge von den Gaskammern in Mauthausen und Dachau - und ich wurde 25 Jahre lang verfolgt, wie Nelson Mandela.“ Die Gaskammern in Mauthausen seien übrigens im Nachhinein eingebaut worden, so der Beschuldigte. Honsik ritt überdies wilde Attacken gegen Simon Wiesenthal, den er immer wieder als „Lügner“ und „Münchhausenonkel“ bezeichnete. Der 68-Jährige vertrat die These, dass in den Plan von der Vernichtung der Juden lediglich 200 Menschen eingeweiht gewesen seien und dieser strengster Geheimhaltung unterlag. „Ich leugne die in der Öffentlichkeit verübten Verbrechen, die durch den Staat (das Dritte Reich, Anm.) nicht gedeckt waren“, so Honsik. Und weiter: „Sechs Millionen Deutsche werden uns unterschlagen und ich werde als Lügenonkel dargestellt.“

„Die Esoterik ist ein Einfallstor für den Rechtsextremismus“, sagte Schweidlenka. Daher sei den „Politsekten“ im diesjährigen Bericht der Servicestelle Logo-Eso-Info viel Raum geschenkt worden. Diese Strömungen verbinden spirituelle mit rechtsextremistischen Inhalten: Oft solle eine einzelne „Führerperson“ den Halt für die Suchenden verkörpern, viele der Gruppen seien von Intoleranz gegenüber anderen geprägt und sehr autoritär organisiert. Die Ideologie beinhalte meist eine Unterteilung in „gute“ Menschen, die der Sekte angehören, und „die anderen, schlechten“. Hier kämen immer wieder rechtsextreme, auch antisemitische Aussagen vor. In diesem Zusammenhang nannte er die anhaltend schwierige Arbeitsmarktsituation und die Wirtschaftskrise als Unsicherheitsfaktoren, die mehr Menschen - vor allem Jugendliche - das System kritisch hinterfragen ließen und sie damit für

die Ansichten politisch-ideologischer Gruppen offen machen könnten. Satanistische Strömungen hätten hingegen an Bedeutung verloren und seien kaum mehr ein Sprachrohr des Protestes. Fundamentalistische Gruppen aus dem religiösen Bereich, die meistens von extremistischen Standpunkten und einer Tendenz zur Demokratiefeindlichkeit geprägt sind, seien in der Steiermark meist christlichen Ursprungs, einige auch muslimisch, meinte der Grazer Experte. Esoterische Bewegungen dürften „nicht pauschal verurteilt werden“, so Schweidlenka. Es gebe auch harmlose Gruppen. Gleichzeitig warnte er vor jenen Sekten, die in Reaktion auf die mediale Kritik der vergangenen Jahre versuchen würden, sich als „harmlos“ zu profilieren, es jedoch nicht seien. Jugendlandesrätin Elisabeth Grossmann (Foto neben Roman Schweidlenka) betonte bei der Pressekonferenz, dass „die Jugend sehr viel besser ist, als ihr Ruf.“ Die Gefahr durch Sekten und ähnliche Bewegungen beschränke sich auf eine kleine Gruppe. Schweidlenka erklärte, die meisten Gruppierungen seien in der Steiermark „sehr klein“ (10-100 Leute). Trotzdem müsse man die Anwerbungsaktivitäten beobachten und die Bevölkerung weiter aufklären. Die Servicestelle „Logo-Eso-Info“ ist Anlaufstelle für Jugendliche, die sich über bestimmte Gruppierungen informieren wollen. Das Info-Angebot, das unter anderem Broschüren über rechtsextreme Symbole beinhaltet, werde aber auch von Eltern, Lehrern und JuAPA gendsozialarbeitern genutzt. 9

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Die reflektierten Jungen Es gibt sie, die Jugendlichen, die sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen und versuchen, die Zukunft besser zu gestalten. Seit zehn Jahren zeichnet der Wiener Stadtschulrat Maturanten aus, die sich in Fachbereichsarbeiten mit dem Themenkomplex Toleranz, Minderheiten und Geschichte auseinandergesetzt haben. Verliehen wird an den Erst- und Zweitplatzierten der „Fred Schneider Family Award“. Stifter Fred Schneider stammt aus Wien, er und seine Frau konnten dem Holocaust entkommen und leben heute mit ihren Kindern und Enkeln in der Nähe von Los Angeles. „Die Gemeinde“ bat drei Preisträgerinnen zum Gespräch. VON ALEXIA WEISS

„Wer nicht aus der Geschichte lernt, ist verdammt sie zu wiederholen“, soll Fred Schneider immer wieder gesagt haben. Er selbst hat seiner Heimat Österreich, aus der er vor den Nationalsozialisten fliegen musste, über Jahrzehnte den Rücken gekehrt, erzählt Christiane Wendelberger, Leiterin des Zentrums für Begabungsförderung im Stadtschulrat für Wien. Ab den späten achtziger Jahren freundete er sich mit den österreichischen Diplomaten Franz Cede und Christian Prosl an, die nacheinander als Generalkonsuln nach Los Angeles entsandt worden waren. „In vielen Gesprächen mit Fred gewann ich den Eindruck, dass es ihm ein Anliegen wäre, ein sichtbares Zeichen zu setzen, um die Erinnerung an das Unfassbare wach zu halten und den Gedanken der Versöhnung bei der jüngeren Generation in Österreich zu verbreiten“, erinnert sich Cede. Entstanden ist so der von Schneider gestiftete Preis – für den Erstplatzierten mit einem Geldbetrag von 750 Euro, für den Zweiten von 250 Euro verbunden. Zehn Mal wurde er bereits vergeben (zur Verleihung reist Schneider auch fast jedes Jahr nach Wien an), und: die Saat ging auf. „Lessons to be learned“ – unter diesem Motto steht der Preis. Und diese Jugendlichen haben ihre Lektion auch gelernt. Constanze Klug (geb. 1988 in Wien) besuchte das Musikgymnasium in WienNeubau, studiert heute Musikwissenschaft, arbeitet als Musikredakteurin bei „Radio Stephansdom“ und singt im Arnold Schoenberg Chor. „Manipulation durch Musik im Dritten Reich“ lautet der Titel ihrer 2006 prämierten Fachbereichsarbeit, an der sie aus der Erkenntnis heraus zu arbeiten begonnen hatte, „wie stark Musik mit 10

psychischen Vorgängen zusammenhängt“. Die Recherche sei nicht einfach gewesen, da dieses Thema „unter psychologische Kriegsführung fällt – es war kaum Material zu finden“. Geschafft hat sie es am Ende doch – und dabei für sich persönlich Erschreckendes mitgenommen: dass Komponisten missbraucht oder verboten worden sind, sei nichts Neues. „Besonders arg habe ich aber gefunden, wie man in der NS-Zeit Volkslieder, Soldatenlieder, Kinderlieder hergenommen und umgedichtet hat. Bekannte Melodien wurden mit neuen Texten versehen. Das hatte unglaubliche Auswirkungen auf das Volkslied – und ist wohl auch mit Schuld daran, dass das Volkslied heute versandet.“ Musik sei vom NS-Regime wie nie zuvor instrumentalisiert worden. „Es gab dafür ja auch die eigene Reichsmusikkammer.“ In der Familie sei die NS-Zeit „immer ein Thema“ gewesen, erzählt Klug, „meinen Eltern war es immer wichtig, dass wir Bescheid wissen“. Dass sie durch die Arbeit an diesem Thema kritischer geworden ist als ihre Alterskollegen, glaubt sie nicht, denn: „Ich stamme aus einer Schülergeneration, in der das immer Thema war. In der Schule haben wir oft schon ein bisschen Nischenprogramm gemacht.“ Nischenprogramm? „Wir haben nicht Anne Frank gelesen, weil das ohnehin schon jeder gelesen hatte.“ Die Schullektüre bestand aus Erich Hackls „Abschied von Sidonie“ in der Unterstufe, später aus Jurek Beckers „Bronsteins Kinder“. Auch Ingeborg Bachmann stand auf der Leseliste. Die Auswirkungen des „Anschlusses“ 1938 auf ihre eigene Schule – das Gymnasium Klostergasse – hat die erste Preisträgerin (2000), Alix Yvon (geb. 1981 in Wien) in ihrer Fachbe-

reichsarbeit untersucht. Sie machte sich auf die Suche nach ehemaligen Schülern, die in der NS-Zeit der Schule verwiesen worden waren. Sie zeichnete aber auch die Gesetzgebung dieser Zeit nach, die diese groben Umwälzungen im Schulbereich erst möglich machten. Wie Klug betont sie, dass die Auseinandersetzung mit den Themen NSZeit und Holocaust sowohl in Familie als auch Schule einen wichtigen Stellenwert eingenommen hat. In der vierten Klasse AHS, erinnert sie sich, sei im Rahmen eines Projekts zwei Wochen lang in allen Unterrichtsgegenständen diese Zeit Thema gewesen. In Mathematik etwa habe man sich mit Original-Aufgabenstellungen aus der Zeit auseinandergesetzt – inhaltlich, „gerechnet haben wir sie nicht“. Da ging es etwa darum, wie viel die Betreuung und Verpflegung behinderter Menschen in einem bestimmten Zeitraum koste. „So haben wir gelernt: man konnte sich dem nicht entziehen.“ Wie es war, damals aufzuwachsen, wie man Schuld auf sich geladen hat und wie man damit umgeht, das beschäftigt Yvon seitdem – auch wenn sie längst vom Politikwissenschaftsstudium auf die Uni für Bodenkultur umgesattelt ist und in Kürze ihren Master in „Phytomedizin“ (Pflanzengesundheit) ablegt. Einerseits habe sich dadurch in ihr ein „hartnäckiges WissenWollen“ verankert. Andererseits sei ihr von den Großeltern mitgegeben worden, dass Bildung das Einzige ist, was einem nicht genommen werden kann. Dafür sei sie ihnen dankbar. Die Großmutter beschloss gegen Ende des Krieges, Medizin zu studieren. Was sie damals gesehen oder erlebt hat, weiß Yvon allerdings bis heute nicht. „Da bin ich im Gespräch nicht weiter gekommen.“ Und was ihre Großeltern sie auch nicht lehrten sei, „wie man mit Schuld umgeht, wie man damit umgeht, wenn man einen schweren Fehler gemacht hat“. „Ich weiß, es gibt viele, die sagen, was hat das mit mir zu tun?“, sagt die Studentin. „Aber ich habe mich mitverantwortlich gefühlt. Und ich bin mir sicher, dass hier Verantwortung dafür von einer Generation an die nächste weitergegeben wird.“ Grundsätzlich ist sie der Ansicht, dass Täter ohne eine „Kultur des Fehlers“ Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

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Ines Kopitar (geb. 1988 in Wien) arbeitet heute als Kindergartenpädagogin und studiert Deutsche Philologie (Germanistik) an der Universität Wien. 2006 wurde sie für ihre Arbeit „Verfolgung und Vertreibung der Juden im mittelalterlichen Europa“ mit dem „Fred Schneider Family Award“ ausgezeichnet. Nein, familiären Bezug zu dem Thema habe sie keinen, erzählt sie. „Aber das Mittelalter hat mich immer interessiert. Und als 2005 der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad gesagt hat, man muss Israel von der Landkarte ausradieren, da bin ich draufgekommen, ich weiß, wie es jetzt ist – aber was war eigentlich früher?“ „Beim Erarbeiten des Materials war es erschreckend zu erfahren, mit welchen Methoden man Juden vertrieb, und vor allem wurde ich mit der Tatsache konfrontiert, dass das jüdische Volk bereits seit zirka 4.000 Jahren verfolgt wird und noch immer kein endgültiges Ende in Sicht ist.“ Sie finde es furchtbar, dass Juden in der Geschichte „mehr verfolgt als frei und akzeptiert waren“. Und andererseits finde sie es auch furchtbar, dass sich im Nahostkonflikt keine Lösung abzeichne. Sie habe aber durch die Arbeit an diesem Thema auch gelernt, bewusster mit Nachrichten umzugehen, und dann eben auch zum Schluss zu kommen, „dass es manchmal besser ist, nichts zu sagen, wenn man keinen konkreten Einblick in etwas hat. Der Nahostkonflikt ist ein tiefer Konflikt. Und wir hier wissen nicht, wie das Leben dort ist.“

„PEACE TOUR 2010“ Friedensprojekt mit 28 Jugendlichen aus Österreich und Israel Der Erste Präsident des Wiener Landtags, Prof. Harry Kopietz, begrüßte im Rahmen der „Peace Tour 2010“ im Roten Salon des Rathauses 28 Jugendliche aus Österreich und Israel. „Die jungen Gäste bringen eine bedeutende Botschaft nach Österreich“, so Kopietz, der vor allem in der gemeinsamen Teilnahme der acht arabischen und acht jüdischen Israelis ein wichtiges Signal zur Völkerverbindung sieht. Ziel des Friedenprojektes ist es, zu zeigen, dass alle Jugendliche dieser Welt dieselben Wünsche, Bedürfnisse und Träume haben - ungeachtet von Religion und Herkunft. ©PID/Schaub-Walzer

schwerer aufstehen und sich der Verantwortung stellen könnten. „Dadurch werden ihre Kinder und Kinderkinder gezwungen, einen Teil mitzutragen und können nicht mehr vollkommen frei agieren.“

Kultureller Austausch und Konfliktmanagement-Coaching Die 14-tägige Tour durch Österreich - gemeinsam mit den österreichischen Jugendlichen - soll den jungen Menschen zeigen, dass ein friedliches Zusammenleben möglich ist und Vorurteile gegenüber anderen meist auf unbegründeten Ängsten basieren. Neben Spiel und Spaß stehen bei der „Peace Tour“ auch kultureller Austausch und Konfliktmanagement-Coaching im Vordergrund. Während die israelischen Jugendlichen viel über Österreichs Kultur erfahren werden, bekommen die heimischen TeilnehmerInnen Einblicke in die jüdische und in die arabische Lebensweise. Erinnerungsfoto mit Ex-US-Präsident Bill Clinton im Tiergrten Schönbrunn

Die Peace Tour - Das Ziel der Round Table Peace Tour 2010 ist es zu zeigen, dass Jugendliche und somit die Bevölkerung unserer Welt von morgen, gleich sind, dieselben Wünsche, Bedürfnisse und Träume haben, egal woher sie kommen und welcher Religion sie angehören. Zugleich wollen wir israelischen Jugendlichen die Gelegenheit zu entspannten Ferien in Österreich bieten, außerhalb ihrer angespannten Umgebung in der sie täglich leben. In Israel leben Juden und Araber in einem gemeinsamen Staat. Dieses Zusammenleben ist, wie wir in den Medien verfolgen können, nicht immer friktionsfrei. Die Peace Tour 2010 ist ein Friedensprojekt in Österreich mit arabischen und jüdischen Israelis sowie österreichischen Jugendlichen. Insgesamt nehmen 28 Jugendliche (8 arabische, 8 jüdische Israelis und 12 Österreicher) daran teil. Ziel der Peace Tour 2010 ist es, den Jugendlichen zu zeigen, dass sie unabhängig ihrer Religion und Herkunft, dieselben Interessen, Wünsche und Hoffnungen verbinden. Wir wollen den Jugendlichen zeigen, dass ein friedliches Zusammenleben möglich ist und Vorurteile gegenüber anderen meist auf unbegründeten Ängsten basieren. Der 14-tägige Aufenthalt in Österreich bietet die perfekten Rahmenbedingungen für die Peace Tour 2010. Im Jahr 2008 fand die Peace Tour unter großer medialer Aufmerksamkeit zum ersten Mal statt und wurde beim Annual General Meeting des Round Table Internationl zum „Projekt des Jahres 2008“ gewählt.

Goldenes Verdienstzeichen für Spiegelgrund-Opfer „Am Spiegelgrund“ fielen zwischen 1940 und 1945 800 Kinder den Verbrechen der Nazis zum Opfer. Insgesamt wurden in der Anstalt Steinhof, dem heutigen Otto-Wagner-Spital, 7.500 PatientInnen von gewissenlosen Nazischergen ermordet. Gesundheits- und Sozialstadträtin Mag.a Sonja Wehsely ehrte Friedrich Nekvasil (Jahrgang 1936) und Karl Hamedler (Jahrgang 1930), Überlebende der Tortur von damals, mit dem Goldenen Verdienstzeichen des Landes Wien. "Wir brauchen Sie, damit Sie uns und den Kindern erzählen, was damals passiert ist. Im Sinne des 'Niemals vergessen!' nehmen Sie enorme Strapazen auf sich, um Ihren Beitrag als ZeitzeugInnen zu leisten", erklärte Wehsely bei der heutigen Ehrung. Mag.a Sonja Wehsely und die mit dem Goldenen Verdienstzeichen geehrten Spiegelgrund-Opfer Karl Hamedler (links) und Friedrich Nekvasil (rechts)

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SCHWEIZ

POLEN

Kommission kritisiert Verzicht auf Hitlergruß-Verbot

Grab von Polens HolocaustHeldin Irena Sendler geschändet

Die Schweiz könnte ein „Hort rechtsxtremer Materialien“ werden, befürchtet die Eidgenössische Rassismuskommission. Sie kritisierte den Entscheid der Schweizer Regierung (Bundesrat), die den Hitlergruß und andere rechtsextreme Symbole wie das Hakenkreuz nicht verbieten will. Heute ist der Gebrauch von Symbolen wie Hitlergruß oder Hakenkreuzen untersagt, wenn damit öffentlich für eine rassistische Ideologie geworben werden soll. Der Bundesrat prüfte, ob jeglicher Gebrauch der Symbole in der Öffentlichkeit strafbar sein soll. Ende Juni beschloss er, nichts zu ändern. Damit laufe die Schweiz gegen den Trend in den Nachbarländern liefen Anstrengungen zur Verschärfung der Gesetze gegen Rechtsradikalismus, stellten die Rassismuskommission und GRA Stiftung gegen Rassismus fest. Es sei somit weiterhin möglich, in der Schweiz Hakenkreuze und andere rechtsextreme Symbole zu kaufen und zu horten. Die Kommission kritisierte auch die Begründung des Bundesrates. Es nicht stichhaltig, dass dieser das Verbot für schwer durchsetzbar halte. Den Kampf für ein Verbot der Symbole geben die Rassismuskommission und die Stiftung gegen Rassismus nicht auf: Sie würden sich weiter dafür einsetzen, schreiben sie. APA DEUTSCHLAND

Verfassungsschutz will NSVergangenheit aufarbeiten Sechs Jahrzehnte nach seiner Gründung will das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) seine NSVergangenheit aufarbeiten. „Das BfV plant, einen unabhängigen Historiker beziehungsweise ein wissenschaftliches Institut mit der Aufarbeitung der Gründungsgeschichte des Amtes zu beauftragen“, sagte Behördensprecherin Tania Puschnerat der „Berliner Zeitung“. Dem Blatt zufolge geht es ins12

©Mariusz Kubik

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Das Grab der polnischen Widerstandskämpferin Irena Sendler, die während des Zweiten Weltkriegs 2.500 jüdischen Kindern das Leben rettete, ist geschändet worden. Wie der polnische Fernsehsender TVP berichtete, wurde das Grab auf dem Warschauer Powazki-Friedhof mit der Parole „Juden raus“ beschmiert. Die Polizei leitete Ermittlungen ein. Michal Glowinski, der zu den damals von Sendler geretteten Kindern gehörte, sprach im Sender TVP von einem „schändlichen Akt, der vor Empörung erschaudern lässt“. Sendler hatte ab dem Herbst 1940 unter erheblicher Gefahr den Bewohnern des Warschauer Ghettos geholfen. Zwei Jahre später begann sie als Mitglied der Widerstandsbewegung Zegota, jüdische Kinder aus dem Ghetto zu schmuggeln und in katholischen Familien oder Klöstern unterzubringen. Im Oktober 1943 wurde sie von der Gestapo festgenommen und zum Tode verurteilt, aber dann von einem deutschen Offizier gerettet. Nach dem Kriegsende arbeitete sie in Waisenhäusern und Altenheimen. Im Jahr 2008 starb sie im Alter von 98 Jahren. besondere um die Frage, welche Rolle und welchen Einfluss einst Nazis und Kriegsverbrecher in der Behörde ausübten. „In diesem Kontext sollen auch Umfang und Einfluss der NS-Bezüge ehemaliger Mitarbeiter des BfV erforscht werden. Es ist vorgesehen, dieses Forschungsprojekt im Zuge einer öffentlichen Ausschreibung zu vergeben, sobald die Finanzierung gesichert ist“, sagte Puschnerat dem Bericht zufolge weiter. Derzeit sei das Amt mit dem weiteren Aufbau des Aktenbestandes im deutschen Bundesarchiv befasst. Damit solle die Grundlage für eine geschichtswissenschaftlich korrekte Erforschung geschaffen werden. APA

Sammelband zur im Nationalsozi

Täter, Opfer, geistig

U

nter dem Titel „Universität Tübingen im Nationalsozialismus“ ist soeben ein umfangreicher Sammelband von 1136 Seiten im Franz Steiner Verlag erschienen. Er gibt den gegenwärtigen Forschungsstand zum Thema wieder und enthält zahlreiche neue Details und neue Perspektiven zur Geschichte der Universität während der nationalsozialistischen Diktatur. Der Band umfasst Studien zum Alltag an der Universität, zu Verbrechen und zu Personen, zu einschlägigen Themen des Nationalsozialismus sowie Studien der Aufarbeitung dieser Zeit nach 1945.

Der Band wird herausgegeben von Prof. Dr. Urban Wiesing, Lehrstuhl für Ethik und Geschichte der Medizin der Universität Tübingen und Vorsitzender des 2001 gegründeten Arbeitskreises „Universität Tübingen im Nationalsozialismus“, Dr. Klaus-Rainer Brintzinger, Direktor der Universitätsbibliothek der LMU München, Dr. Bernd Grün, Lehrer in Ludwigsburg, Privatdozent Dr. Horst Junginger, Religionswissenschaftler an der Universität Tübingen, und Dr. Susanne Michl, Universität Greifswald. Der Sammelband, der an die Ergebnisse früherer Arbeiten zur Geschichte der Universität Tübingen anschließt, enthält zahlreiche Einzelstudien, die über bisherige Forschungsergebnisse hinausgehen. Die bemerkenswerte Dynamik innerhalb einer vergleichsweise kurzen Zeit, die Planungseuphorie für neue, politisch gewollte Fächer, die Vielschichtigkeit und WiJuli 2010 - Tamus/Aw 5770

©Foto-Kleinfeld

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Universität Tübingen ialismus erschienen

ge Drahtzieher und Mitläufer

dersprüchlichkeit der formalen und inhaltlichen Gleichschaltung sowie der unterschiedlichen Formen der ‚Selbstgleichschaltung’, die damit einhergehende aggressive Personalpolitik, die verschiedenen Schattierungen zwischen Anpassung und verhaltenem Autonomiestreben werden in Einzelfallstudien untersucht. Viele Professoren schätzten die Machtergreifung der Nationalsozialisten falsch ein, nicht wenige begrüßten sie, nur ganz wenige haben vereinzelt Widerstand geleistet. Die große Mehrheit versuchte durch Anpassung, (Selbst-) Gleichschaltung, Opportunismus oder innere Emigration mit der neuen Konstellation fertig zu werden und ihre Karriere zu gestalten. Die Universität Tübingen hat keinen exponierten Vertreter des Widerstands hervorgebracht. So haben beispielsweise die Mediziner keinerlei Bedenken gehegt, ob die Zwangsterilisa-tio-nen mit dem ärztlichen Ethos vereinbar wären. Auch am Tübinger Beispiel zeigt sich, dass der Nationalsozialismus an den deutschen Universitäten nicht auf eine kleine Tätergruppe reduziert werden kann. Das Eingehen auf den Rassendiskurs des „Dritten Reiches“ gehört sicherlich zu den wichtigsten Veränderungen, die sich an der Universität ereigneten. Viele Fächer nahmen rassenkundliche Themen auf und verarbeiteten sie in einer den neuen politischen Verhältnissen konformen Weise. Zu einem besonderen Schwerpunkt wurde dabei Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

die universitäre „Judenforschung“, die – so lässt sich zeigen – an eine lange Tradition christlich motivierter Judenfeindschaft anknüpfen konnte. So behauptete der katholische Dogmatiker Karl Adam, die Ziele des Christentums und des politischen Antisemitismus des Nationalsozialismus stimmten weitgehend überein. Der Tübinger evangelische Neutestamentler Gerhard Kittel plädierte in seiner Schrift ‘Die Judenfrage für den Ausschluss der Juden aus der deutschen Gesellschaft’. Sein Werk brachte es zu unrühmlicher Bekanntheit besonders durch die hypothetische Überlegung, dass letztlich nichts anderes übrig bliebe, als alle Juden umzubringen, falls es nicht gelingen sollte, zu einer befriedigenden Segregationslösung zu kommen. Keine andere Universität in Deutschland musste 1933 weniger Juden entlassen, weil bereits lange vorher die Anstellung von Juden verhindert worden war. Der Universitätskanzler August Hegler betonte mit Stolz am 25. Februar 1933 im Großen Senat: „[…] man habe hier die Judenfrage gelöst, dass man nie davon gesprochen habe.” Auf diesem Hintergrund bildete sich eine Form des „wissenschaftlichen Antisemitismus“ heraus, der im September 1942 in die Ernennung des evangelischen Theologen Karl Georg Kuhn zum außerplanmäßigen Professor für die Erforschung der „Judenfrage“ einmündete. Etliche Professoren äußerten sich dezidiert antisemitisch und versuchten, mit ihrem Antisemitismus in der politischen Lage Opportunitätsgewinne zu machen Mehrere Aktivisten des nationalsozialistischen Studentenbundes, die später zu Einsatzkommandoführern wurden und die sich an führender Stelle an der Ermordung des europäischen Judentums beteiligten, hatten in diesem Klima des Antisemitismus an der Universität Tübingen studiert und selbst aktiv dazu beigetragen. Der letzte dieser Kriegsverbrecher, Martin Sandberger, starb Ende März 2010 in einem Stuttgarter Seniorenstift. Neben dem Täterkomplex bilden die Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns einen Schwerpunkt des Sammelbandes. Die Zwangssterilisationen werden thematisiert, ebenso die Situation der Zwangsarbeiter und die Situation der wenigen Juden.

Eine geistige Elite an der alt-ehrwürdigen Universität ließ sich zuweilen auch zu absurden Reaktionen verleiten. Evangelische Theologen diskutierten ernsthaft, dass Adolf Hitler Gottes Wille sein müsse. „Meine Herren, wer nicht erkennt, dass der Führer uns von Gott gegeben ist, ist entweder töricht oder bösen Willens“, so Karl Fezer, Praktischer Theologe und erster „Führerrektor“ der Universität, gegenüber Repetenten des Stifts. In den Tübinger „Zwölf Sätzen“ vom 12. Mai 1934, der sich 14 Tübinger Theologiedozenten angeschlossen haben, heißt es: „Wir sind voll Dank gegen Gott, dass er als der Herr der Geschichte unserem Volk in Adolf Hitler den Führer und Retter aus schwerer Not geschenkt hat.“ Weitere Beispiele einer geradezu absurden Entstellung von Wissenschaft zeigten sich bei Berufungsverfahren. Dort spielten politische und außerwissenschaftliche Fragen bald eine tragende Rolle. So hielt es die wirtschaftswissenschaftliche Abtei-lung 1938 für zweckmäßig, in einem Berufungsgutachten festzuhalten, dass der ins Auge gefasste Kandidat „aus Anlass der Durchführung des Parteitages 1933 ein Bild mit eigenhändiger Unter-schrift des Führers“ besitze. Herausgeber Urban Wiesing resümiert: „Die Geschichte des Nationalsozialismus und die Universitätsgeschichte müssen nicht neu geschrieben werden, aber wir haben zahlreiche neue Details und Perspektiven herausarbeiten können. Die traditionsreiche, hoch angesehene Universität Tübingen, ein Ort der Bildung und Wissenschaft, war offensichtlich nicht vor einem Rückfall in Barbarei geschützt. Die Schutzschicht der Zivilisation kann auch bei einer altehrwürdigen Universität sehr dünn sein. Forschung und Wissenschaft schützen offensichtlich nicht vor ungeheuerlichen Abweichungen von der Zivilisation.“ Im Rahmen des Sammelbandes ist eine umfangreiche Bibliographie der Sekundärliteratur entstanden. Sie ist daher selbständig in elektronischer Form publiziert worden: http://www.nationalsozialismus.uni-tuebingen.de und http://www. uni-tuebingen.de/einrichtungen/stabsstellen/ universitaetsarchiv.html M. Seifert Urban Wiesing, Klaus-Rainer Brintzinger, Bernd Grün, Horst Junginger, Susanne Michl (Herausgeber) Die Universität Tübingen im Nationalsozialismus. Franz Steiner Verlag, 2010 ISBN 978-3-515-09706-2

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POLITIK • ISRAEL

Abkoppelung von Gaza – endgültig VON SHLOMO AVINERI Auch wer nicht zu den Anhängern von Außenminister Avigdor Lieberman gehört, muss zugeben, dass seine Initiative, die europäischen Außenminister zu einem Besuch Gazas einzuladen, ein positiver und kreativer Schritt ist. Sie ist dazu angetan, auch die vollständige Abkoppelung Israels vom GazaStreifen zu markieren – einen Prozess, der noch nicht zum Ende gekommen ist, insbesondere wegen des Widerstands des Sicherheitsapparats, der dazu neigt, die Gaza-Frage allein unter dem engen sicherheits-politischen Blickwinkel zu sehen, und von dem furchtbaren Schaden absieht, den die Blockade Israel einbringt. Wenn Israel behauptet, es gebe kein humanitäres Unglück in Gaza, kann es – wie es in der Vergangenheit versucht worden ist – Besuche in Gaza nicht vermeiden. Es zeigt sich, dass Israel nach Jahrzehnten der Herrschaft in Gaza – die weder den Aufstieg der Hamas, noch die Aufrüstung und den Schmuggel verhindert hat – sich schwer damit tut, sich von dem Gefühl, der Herr zu sein, zu befreien. Nun könnte ausgerechnet der Außenminister diesen komplizierten Prozess führen, über dessen Beweggründe sich streiten lässt, der aber die Arbeit zu Ende bringen kann, die Ariel Sharon – mit breiter Unterstützung der Öffentlichkeit – begonnen hatte: sich von der Herrschaft über und der Verantwortung für Gaza zu befreien. Nach der Räumung der israelischen Siedlungen fand sich Israel in einer absurden Situation wieder. Es kontrolliert den Küstenstreifen nicht mehr, hat jedoch – aufgrund des Beharrens, die Kontrolle über die Übergänge und die Küste zu behalten – eine Realität geschaffen, die schlimmer nicht sein könnte: Es übt keine Herrschaft aus, wird jedoch als verantwortlich betrachtet. Auch die irrsinnige, mit einem fundamentalen moralischen Makel behaftete Idee, über eineinhalb Mio. Bürger eine Blockade zu verhängen, um die Hamas zur Freilassung Gilad Shalits zu „zwingen“, hat sich als herber Fehlschlag erwiesen. Und die Auffassung, dass jedwede israelische Politik bestimmt, wer über die Palästinenser 14

herrscht – und ob die Hamas oder Abu Mazen (Mahmoud Abbas) geschwächt oder gestärkt werden – ist nichts weiter als Überheblichkeit. Wenn der Plan des Außenministers die Unterstützung des Ministerpräsidenten und des Sicherheitsapparats erhält und sich verwirklicht, wird Israel es der Europäischen Union ermöglichen, die Verantwortung für die Entwicklung von Infrastrukturen in Gaza und auch die Kontrolle über die Wareneinfuhr in den Küstenstreifen zu übernehmen, unter sicherheitspolitischer Abstimmung mit Israel. Die Konsequenzen sind komplex: Auch wenn die Europäische Union keine direkten Kontakte mit der Hamas unterhalten würde, ist doch klar, dass diese Schritte nicht ohne jegliche Koordination mit der Regierung Ismail Haniyehs vorbereitet werden könnten. Innerhalb der Palästinensischen Autonomiebehörde und womöglich auch der Obama-Administration würde man über diesen Prozess nicht begeistert sein, aber er entspräche zweifellos den israelischen Interessen. Das bleibt auch dann wahr, wenn einer der Beweggründe des Außenministers darin besteht, die Aussichten auf ein Abkommen zwischen Fatah und Hamas zu vereiteln, indem sich Gaza zu einer gesonderten Einheit entwickelt. Aber auch ohne diese Initiative sind alle Versuche, solch ein Abkommen zu erreichen, bislang gescheitert, und den Preis dafür haben die Bewohner des Küstenstreifens gezahlt – und Israel. Der Staat Israel muss sich an die Idee gewöhnen, dass seine Grenze zu Gaza ähnlich der zu Syrien werden wird: Gaza wird Ausland werden. Die Tatsache, dass es in Gaza eine für Israel sehr unangenehme Regierung gibt, ist irrelevant. Auch in Damaskus herrschen nicht die Liebhaber Zions. Die Idee, dass die Europäische Union die effektive Antwort für die Entwicklung Gazas übernehmen wird, sollte auch die israelische Linke unterstützen – selbst wenn es Lieberman ist, der sie vorgeschlagen hat. Wenn jemand darin europäischen Neokolonialismus entdecken will, ist er frei, dies zu tun. Wichtig ist, dass Israel, nachdem es die strategische Entscheidung zur Abkoppelung von Gaza getroffen hat – und dies beinahe zum Preis eines Bürgerkriegs -, diesen Vorgang zu Ende bringen muss. Und wenn die Europäische Union sich um die humanitäre

Situation der Menschen in Gaza sorgt – dann soll sie die Verantwortung in ihre Hände nehmen. Haaretz, 19.07.10 Shlomo Avineri ist Emeritus für Politische Wissenschaften an der Hebräischen Universität Jerusalem.

Liebermans Kateridee von Ulrich W. Sahm

Der Vorschlag des israelischen Außenministers Avigdor Lieberman, den Gazastreifen abzustoßen, Israels Besatzung gänzlich zu beenden und den chaotischen Landstreifen mit 1,5 Mio. Einwohnern, ausgerechnet unter europäische Obhut zu stellen, ist ein genialer politischer Schachzug. Lieberman besann sich auf die Europäer, weil sie Israels Blockade des Gazastreifens für eine „Kollektivbestrafung“ halten, die Absperrung für völkerrechtswidrig halten, Israels Recht auf Grenzkontrollen anfechten und Freizügigkeit für die Bewohner von Gaza fordern. Bitteschön: Weder Israel noch Ägypten, die gemeinschaftlich die Blockade aufrecht erhalten, können gezwungen werden, Menschen aus Gaza einzulassen. Dann sollen halt die Europäer Farbe bekennen. Mit einer Anerkennung der „demokratisch gewählten“ Hamas als legitime Regi-rung des Gazastreifens könnte nach Ende des israelischen Besatzungsregimes der Hafen von Gaza geöffnet werden. Da wäre freie Fahrt für Hilfsgüter und Freizügigkeit gewährt. Dann wäre auch schon ein erster palästinensischer Staat gegründet. Da die Europäer ohnehin schon die Stromherstellung im Gazastreifen finanzieren, „weil es im Gazastreifen nicht üblich ist, die Stromrechnung zu zahlen“ (so ein EU-Vertreter bei einer Pressekonferenz in Jerusalem), könnten die Europäer dann auch gleich den ganzen Strom, und alles in Gaza benötigte Trinkwasser liefern, so auch für das frisch eröffnete Swimmingpool mit olympischen Ausmaßen. Den wirtschaftlichen Verlust, künftig keine Lychees, Passionsfrüchte und Kirschen (zum Preis von 12 Euro das Kilo) mehr nach Gaza liefern zu können, werden die Israelis wohl noch gerade verkraften. Sowie Israel dann seine Grenze zu Gaza hermetisch geschlossen hätte, würde die französische Fremdenlegion darauf achten müssen und können, dass es zu keinen Menschenrechtsverletzungen mehr durch Israelis käme. Das wäre doch ein halber Schritt zum Weltfrieden, wenn nicht mutmaßlich die Europäer mit einem „Nein, Danke“ antworten und erklären, dass sie es so nicht gemeint hätten. Aus guten Gründen kommen die Ägypter in Liebermans Vorschlag nicht vor. Denn die haben schon abgewunken. Die Ägypter haben nicht das geringste Interesse, Israels schlimmste Kopfschmerzen zu übernehmen und die gefährlichsten Verbündeten der Moslembrüder zu unterstützen, die Ägyptens Bestand in Frage stellen.

Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

© Mustafa Hassona/Flash 90

POLITIK • ISRAEL

Neues Shoppingparadies in Gaza

http://www.gazamall.ps/ Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

© REUTERS/Mohammed Salem

In Gaza wurde am 17. Juli ein neues Einkaufsparadies mit Fast-Food-Restaurant, riesigem Supermarkt, Kleidern, Schuhen, Schmuck, Kosmetika, Parfums, Spielsachen, etc. eröffnet. Zu den Vorzügen des mehrstöckigen neuen - 18.000 m2 großen - Einkaufspalastes in Gaza gehören seine Lage direkt neben einer Moschee, eine moderne Klimaanlage, Heimlieferdienst, Parkplätze, Sicherheitsleute und Überwachungskameras sowie eine Kundeninformation:

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POLITIK • ISRAEL

Fünf Gründe für das Leiden der Palästinenser im Gazastreifen unter der Hamasherrschaft Im Juni 2007 hat die vom Iran unterstützte Hamas die von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas geführte Fatah in einem blutigen Machtkampf aus dem Gazastreifen verdrängt und die Macht an sich gerissen. Seither hat sich die Lebensqualität der Palästinenser im Gazastreifen dramatisch verschlechtert. Die Hamas – die von der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten, Israel, Kanada und Australien als terroristische Organisation eingestuft wird – beraubt das palästinensische Volk im Gazastreifen seiner grundlegenden Menschenrechte. Gleichzeitig hält die Hamas den entführten israelischen Soldaten, Gilad Shalit, seit vier Jahren im Gazastreifen gefangen und lehnt einen Besuch durch das Internationale Komitee des Roten Kreuzes, wie es die Genfer Konvention vorsieht, ab. Fünf Gründe, warum die Menschen im Gazastreifen unter der Herrschaft der Hamas leiden: 16

➊ Raketen-Beschusses aus dem Gazastreifen und die Reaktion Israels. Der jahrelange Raketenbeschuss Israels aus dem Gazastreifen führte zum Jahreswechsel 2008-2009 zur israelischen Operation „Gegossenes Blei“, in deren Verlauf mehr als 1.300 Palätinenser getötet wurden. Über 2.600 Gebäude sowie Straßen und die Infrastruktur wurden zerstört oder schwer beschädigt. Während die israelische Armee versuchte, die Zivilbevölkerung im Gazastreifen so weit wie möglich zu schonen, missbrauchte die Hamas palästinensische Zivilisten als menschliche Schutzschilde und hob damit bewusst die Zahl der Opfer an. Videoaufnahmen und Augenzeugenberichte demonstrieren, wie die Hamas Waffen in Moscheen deponierte und Krankenhäuser als Kommandostützpunkte benutzte. Im Gegensatz dazu warf die israelische Armee ara-

bische Flugblätter ab und schickte SMS an Zivilisten im Gazastreifen mit der Aufforderung, die gefährdeten Kampfzonen zu räumen. Die israelische Operation hat die Zahl der Angriffe auf Israel durch den Beschuss mit Raketen und Granaten aus dem Gazastreifen um 90% reduziert. Die anhaltenden Versuche der Hamas, Waffen in den Gazastreifen zu schmuggeln sowie die Weigerung, Gilad Shalit freizulassen, haben Israel dazu veranlasst, eine Seeblockade gegen den Gazastreifen zu verhängen, während gleichzeitig humanitäre Hilfsgüter auf dem Landweg in das Gebiet weitergeleitet werden. Dennoch kündigte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am 20. Juni 2010 an, dass er die Einschränkungen bezüglich des Gazastreifens weiter lockern, und dass die Einfuhr für alle zivilen Güter zugelassen werde, obwohl EinJuli 2010 - Tamus/Aw 5770

POLITIK • ISRAEL schränkungen im Hinblick auf Güter mit doppeltem Verwendungszweck, die auch für militärische Ziele eingesetzt werden könnten, weiterhin bestehen bleiben. ➋ Gewaltsame Übernahme des Gazastreifens und Verfolgung politischer Gegner durch die Hamas. Im Verlauf des blutigen Sturzes der Fatah wurden mehr als 150 Palästinenser im Gazastreifen getötet und mindestens 700 verletzt. Die Hamas schoss ihren Gegnern in die Knie oder warf sie vom Dach; Krankenhäuser wurden überfallen. In den Monaten nach dem Sieg der Hamas setzten ihre Kämpfer die Gewalt gegen die Fatah fort. Während und nach der „Operation Gegossenes Blei“ steigerte die Hamas die Gewaltherrschaft und folterte oder exekutierte Mitglieder der Fatah, die sie der Kollaboration mit Israel beschuldigte. Die Hamas wies einen Plan von Palästinenserpräsident Abbas, wie die Gewalt zwischen den beiden Gruppen beendet werden könne, zurück. Die Rivalität zwischen der Hamas und der Fatah führte zu einer Unterbrechung der Versorgungslage des Gazastreifens mit Elektrizität, da keine der beiden Gruppen bereit war, die Stromrechnung zu bezahlen. „Gäbe es die israelische Präsenz zwischen der West Bank und dem Gazastreifen nicht, würden Fatah und Hamas aller Wahrscheinlichkeit nach Selbstmordattentäter aufeinander loslassen und sich gegenseitig mit Raketen beschießen,” sagte Khaled Abu Toa-meh, Korrespondent der Jerusalem Post. ➌ Indoktrinierung von Kindern in Hamas-Sommerlagern. Jeden Sommer organisiert die Hamas Kinder-Ferienlager, in denen Hass gegen Israel und gegen Juden gelehrt wird. 2009 betrieb die Hamas 700 Sommerlager für 120.000 palästinensische Kinder. In paramilitärischen Ausbildungslagern werden die Kinder im Umgang mit Waffen unterrichtet. Sie marschieren im Gleichschritt, singen anti-zionistische Lieder und Lieder, die dazu aufrufen, Märtyrer zu werden. Die meisten Unfälle und Todesfälle unter jungen Palästinensern sind auf die aktive Teilnahme an Gewalttaten gegen Israel zurückzuführen. Die Hamas und andere radikale Gruppen haben das Flüchtlingshilfswerk Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

der Vereinten Nationen UNRWA der Korruption junger Palästinenser beschuldigt, da sie weltlich orientierte Sommerlager durchführt, in denen Sport und Unterricht in Menschenrechten geboten wird. Ein Sprecher der Hmas sagte, die Ferienlager der UNRWA seien ein „barbarischer Angriff auf unsere Kinder … deren Ziel darin besteht, ihre Moral mit Drogen und anderen Mitteln zu verderben.” Im Mai und Juni 2010 wurden zwei Sommerlager der UNWRA von bewaffneten Gruppen des „Palästinensischen Islamischen Jihad“ in dem von der Hamas kontrollierten Gazastreifen mutwillig beschädigt. Ein Sprecher der Fatah beschuldigte die Hamas eines der Überfälle. ➍ Radikalislamische Moralvorstellungen und die Unterdrückung von Frauen durch die Hamas. Im Einklang mit ihren radikalislamischen Wurzeln der Bewegung, die sich auf die Moslembruderschaft gründet, hat die Hamas im Gazastreifen nach und nach die Scharia (Religionsgesetz des Islam) eingeführt. Als Teil ihrer „Kampagne für die Tugend“ verhaftete die Hamas vor einigen Monaten eine palästinensische Journalistin, die beim Aufenthalt an einem öffentlichen Strand gelacht hatte, und die zudem keine Kopfbedeckung trug. Die Hamas untersagt Frauen das Motorradfahren. Männer dürfen nicht in Frisiersalons für Frauen arbeiten. Die Hamas organisierte „Züchtigkeitspatrouillen“, die nach Fahrzeugen suchen, in denen

Männer mit allein stehenden Frauen fahren, die nicht mit ihnen verwandt sind. Zudem schloss die Hamas eine Anzahl von Internet-Cafés, Kinos und Bars, die von jungen Leuten im Gazastreifen besucht wurden. Im Gegensatz dazu blüht in der Stadt Ramallah in der von der PA regierten West Bank das Nachtleben auf. ➎ Überfälle auf Grenzübergänge und auf humanitäre Hilfskonvois. Obwohl Israel seit Januar 2009 mehr als eine Million Tonnen Lebensmittel und andere Güter in den Gazastreifen weitergeleitet hat, überfiel die Hamas die Grenzübergänge zwischen Israel und dem Gazastreifen, darunter den Grenzübergang von Kerem Shalom, über den jede Woche etwa 200 Lastwagen mit humanitärer Hilfe in den Gazastreifen fahren. 2009 suspendierte die UNRWA jegliche humanitäre Hilfe für den Gazastreifen, da bewaffnete Polizisten der Hamas Decken und Lebensmittel stahlen, die für das palästinensische Volk bestimmt waren. Israel bot an, die humanitären Güter einer „Hilfs-Flottille“, die sich auf dem Weg zum Gazastreifen befunden hatte, und die von Israel am 31. Mai 2010 abgefangen wurde, auf dem Landweg über Israel in den Gazastreifen zu liefern, doch die Hamas lehnte die Lieferung ab und verzögerte sie damit um einen vollen Monat. Die Hilfsgüter umfassten 20 Lastwagenladunen mit medizinischer Ausrüstung, BekleiTIP dung, Decken und Spielzeug.

Solidaritätsmarsch für Gilad Shalit Nach einem mehrtägigen Marsch durch Israel sind die Eltern des verschleppten Soldaten Gilad Shalit sowie mehrere tausend Sympathisanten am 8. Juli in Jerusalem eingetroffen. Die nach Angaben der Organisatoren rund 15.000 Teilnehmer der Kundgebung haben sich am Abend vor dem Amtssitz von Regierungschef Benjamin Netanyahu versammeln, um dort beschleunigte Verhandlungen der Regierung mit der palästinensischen Seite über eine Freilassung des Soldaten zu fordern. Die Demonstranten trugen gelbe Bänder und weiße T-Shirts mit der Aufschrift "Gilad ist noch am Leben". Der Soldat war am 25. Juni 2006 von radikalen Palästinensern in den Gazastreifen verschleppt worden; seither wird ihm jeglicher Kontakt zur Außenwelt verwehrt. Der Protestmarsch hatte am 27. Juni am Wohnort der Familie in Mitspe Hila im Norden Israels begonnen. Noam Shalit, der Vater des Soldaten, erklärte, er werde "nur mit Gilad zurückkehren". Die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas und Israel weisen sich gegenseitig die Verantwortung für das Scheitern der bisherigen Verhandlungen zu. Netanyahu hatte in der vergangenen Woche gesagt, Israel zahle "nicht jeden Preis" für die Freilassung Shalits. Unter Bedingungen ist die israelische Regierung zur Freilassung von tausend palästinensischen Gefangenen bereit.

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©Abed Rahim Khatib / Flash 90

POLITIK • ISRAEL

„Free Gaza“ – aber nicht für Frauen

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ür den Großteil der Welt ist die 69jährige Greta Berlin, Sprecherin und Mitbegründerin der Free-Gaza-Bewegung, eine Heldin. Jüngst erhielt sie internationale Aufmerksamkeit für das Orchestrieren der Gaza-Flottille, wobei sie Israel in Interviews und Artikeln als einen „terroristischen Staat“ bezeichnete. Gemeinsam mit anderen Führungsmitgliedern ihrer Bewegung, größtenteils pensionierten und wohlhabenden Frauen aus Kalifornien, hat Berlin mit antiisraelischer Rhetorik um sich gespuckt und gleichzeitig die palästinensische Sache propagiert. Es ist nicht ohne Ironie, dass diese selbsternannten Menschenrechtler, mit Greta Berlin an der Spitze, sich entschieden haben, die Hamas zu unterstützen, jene radikale Terrororganisation, die die Rechte von Frauen in Gaza drastisch einzuschränken sucht und jede Form von Liberalismus in dem Küstenstreifen auslöschen will.

Seit ihrer Machtübernahme hat die Hamas mit strengen religiösen Gesetzen in Übereinstimmung mit dem islamischen Recht in das öffentliche Leben des Küstenstreifens eingegriffen. Im letzten Sommer hat der oberste Richter Gazas weiblichen Anwälten befohlen, Kopftücher zu tragen, um sicher zu gehen, dass Frauen sich gemäß dem islamischen Gesetz kleiden, das von ihnen verlangt, sich in der Öffentlichkeit zu verhüllen und locker sitzende Gewänder zu tragen, die nur ihre Hände und Füße zeigen. Das in Gaza ansäßige Palestinian Center for Human Rights veröffentlichte eine Stellungnahme, die den neuen Dresscode für Anwältinnen als „schwere Verletzung der persönlichen Freiheit und der Rechte der Frau“ bezeichnet. Seit die Hamas an die Macht gekommen ist, patrouillieren Sittenwächter an den Stränden von Gaza, um dafür zu sor18

gen, dass sowohl Frauen als auch Männer angemessen bedeckt sind, wobei sie Frauen ermahnen und sogar verhaften, die nicht in Ganzkörper-Badeanzügen ins Wasser gehen. Eine wachsende Zahl von öffentlichen Schulen setzt Kopftücher und Umhänger als Uniformen für die Mädchen fest und schickt Jeansträgerinnen nach Hause zurück. Von Konzerten bis Friseursalons hat die Hamas den Stempel ihrer Lesart des islamischen Rechts jedem erdenklichen Lebensbereich aufgedrückt. Im März 2010 hat sie Männern verboten, in Schönheits- und Friseursalons für Frauen zu arbeiten, die das Ziel von Sprengstoffanschlägen und anderen Attacken waren, seit sie vor drei Jahren die Herrschaft übernahm. Die Hamas warnte davor, dass jeder, der gegen dieses neue Gesetz verstößt, verhaftet und angeklagt werde. Im April hat die Hamas das erste große Hip-Hop- Konzert in Gaza abgebrochen. Ein Hamas-Polizist sagte, dass die Tanzweisen „unmoralisch“ seien. Die Hamas verbietet Männern und Frauen, in der Öffentlichkeit miteinander zu tanzen, und ihre Mitglieder haben - AK-47s tragend - derartige Tanzveranstaltungen gestoppt. Unter dem Hamas-Regime wachsen Gruppen der islamischen Salafisten, die mit al-Qaida in Verbindung gebracht werden und ideologisch noch extremer sind als die Hamas, in erschreckendem Tempo. Im Mai stürmten maskierte Bewaffnete ein UNSommerlager für Kinder, nachdem fundamentalistische Muslime das Flüchtlingshilfswerk UNRWA dafür angeprangert hatten, „Schulmädchen Fitness, Tanzen und Sittenlosigkeit“ beizubringen. Diese Salafistengruppen haben Internet-Cafés angegriffen, christliche Einrichtungen niedergebrannt und ausländische Schulen sowie Hochzeitsfeste attackiert.

Wenn das wirklich die Art „freies Gaza“ ist, die Greta Berlin und ihre liberalen Mitstreiter aus Kalifornien im Kopf haben, muss man sich fragen, was die wahre Agenda der Free-GazaBewegung ist? Der 21jährige Jihad Rostom erzählte der BBC im März 2010: „Die Hamas will sich dem Volk aufzwingen. Sie wollen, dass die Leute ihnen gehorchen, das ist ihr Schutz. Sie haben das Ansehen des Islam zerstört, indem sie sagen, wir tun dies wegen der Religion.“ Lama Hourani, die ebenfalls aus Gaza stammt und für die Rechte der dort arbeitenden Frauen kämpft, sagte der BBC, die Hamas stelle den Islam so dar, dass „die Freiheten der Frau immer dem Einverständnis eines männlichen Verwandten unterworfen“ seien. So muss man die Rationalität und das Ziel hinter Greta Berlins Medienkampagnen in Frage stellen. Unterstützt sie wirklich die Frauen und Kinder in Gaza, oder werden sie nur benutzt als Entschuldigung, dem Hass gegen die Existenz des jüdischen Staates Luft zu machen? Zu der Behandlung palästinensischer Frauen unter dem HamasRegime in Gaza hat Berlin sich nie geäußert. Es gibt keine Meinungsfreiheit und keine Gleichberechtigung der Geschlechter unter der radikal-islamischen Hamas und den extremistischen Salafistengruppen, die Gaza beherrschen wollen. Die politischen Freiheiten, die Greta Berlin als amerikanische Frau in den USA genießt, und die politischen Freiheiten, die Frauen in Israel genießen – Jüdinnen, Christinnen und Muslima gleichermaßen -, sind für die Frauen Gazas und vieler andere muslimischer Länder beinahe unbekannt. Das ist eine Tatsache des Lebens in Gaza, die nichts mit Israel zu tun hat und alles mit der Interpretation und Durchsetzung der Sharia durch die Hamas. Es ist eine Schande, dass Frauen westlicher und liberaler Denkart nichts zur Unterstützung von muslimischen Frauen in Ländern unternehmen, wo die politischen Freiheiten nur Männern zugestanden werden, die auf der Seite der jeweils herrschenden politischen Parteien stehen. Anav Silverman Yedioth Ahronot

Anav Silverman unterrichtet an der Secondary School of Education der Hebräischen Universität Jerusalem. Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

POLITIK • ISRAEL

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ehn Jahre lang waren Bethlehem und Ramallah, Nablus und Hebron für jüdische Israelis eine Tabuzone. Ende 2000, nach Ausbruch der sogenannten El Aksa Intifada, nachdem mehrere jüdische Israelis in den palästinensischen Autonomiegebieten entführt oder ermordet worden waren, erließ der verantwortliche Militärgouverneur ein striktes Verbot für Israelis, die Palästinensergebiete zu betreten. Jetzt erwägt General Avi Misrachi, Befehlshaber des Gebietes „Mitte“, die palästinensischen Gebiete wieder für Juden freizugeben. Vor drei Jahren wurde israelischen Arabern die Einreise einige autonome Städte erlaubt.

Nachdem Israel die meisten Straßensperren im Westjordanland weggeräumt hat, warnen knallrote Tafeln oder handgemalte hebräische Aufschriften auf Betonblöcken Israelis vor einer Fahrt in die Palästinensergebiete. Um das israelische (!) Verbot durchzusetzen, haben palästinensische Polizisten in Jericho und Bethlehem eigene Straßensperren errichtet und überprüfen Autos mit gelben israelischen Kennzeichen. Manchmal begnügen sie sich mit der Auskunft, dass der Fahrer ein deutscher Korrespondent sei, doch in manchen Fällen gehen sie auf Nummer sicher und wollen den Pass sehen, ehe sie mit einem „Welcome to Palestine“ eine gute Weiterfahrt wünschen. Die israelisch-palästinensische Kooperation im Westjordanland sei heute besser „als jemals zuvor seit Unterzeichnung der Osloer Verträge“ (1993), wird ein Militär in der Zeitung Haaretz zitiert. Zum ersten Mal seit zehn Jahren besuchten Mitte Juli israelische Offiziere ein Trainingszentrum der palästinensischen Polizei in Jericho. Offiziere in den unterschiedlichsten Uniformen saßen Seite an Seite auf der Tribüne. Nicht nur die Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinensern hat sich sichtbar verbessert. Manche palästinensische Städte wie Jenin oder Nablus konnten vor drei Jahren nur unter Lebensgefahr besucht werden, weil unberechenbare bewaffnete Banden die Straßen und Basare verunsicherten. Diplomaten und Journalisten konnten nur mit Polizeischutz und in gepanzerten Wagen Besuche in diesen Städten wagen. Inzwischen hat sich die Lage völlig beruhigt. Mitten in Nablus sind inzwischen Parkuhren aufgestellt worden. Ein Ehepaar diskutierte vor einiJuli 2010 - Tamus/Aw 5770

Israel öffnet Palästinensergebiete für Juden Text & Bild von Ulrich W. Sahm gen Tagen verzweifelt mit dem Fahrer eines Abschleppwagens, der ihrem roten PKW eine aus Israel stammende Kralle an das Vorderrad montiert hatte. Das Paar hatte die Parkuhr nicht mit Groschen gefüllt. In Ramallah erzählt ein Palästinenser, doch tatsächlich einen Strafzettel über 100 Euro erhalten zu haben, weil er vergessen hatte, sich anzuschnallen. Ein Christ beklagte sich, in Bethlehem einen Strafzettel erhalten zu haben, weil er während des muslimischen Fastenmonats in seinem Auto eine Zigarette geraucht hatte, also sozusagen in der Öffentlichkeit. Für die Palästinenser sind das ungewohnte neue Verhältnisse, zumal man vor drei Jahren noch Autos ohne Nummerschilder und ohne Lampen herumfahren sah. Jetzt herrscht „law and order“. Damit einher geht ein unbeschreiblicher wirtschaftlicher Aufschwung. Die neuesten Modelle einer Automarke Namens „Mersdes Bens“ warten bei Nablus auf Käufer. Die palästinensische Autonomiebehörde will selber Besuche von Israelis erneuern, weil das der Tourismusindustrie in den Palästinensergebieten einen erheblichen Anstoß geben könnte. Vor kurzem durfte zum ersten Mal seit zehn Jahren ein israelischer Reiseführer eine Gruppe deutscher Bürgermeister im Bus nach Bethlehem bringen und ihnen die Geburtskirche zeigen. Die israelischen Militärs behaupten, dass die palästinensischen und israelischen Sicherheitskräfte so gut miteinander auskommen, weil sie heute „auf

Augenhöhe“ miteinander reden, und die Palästinenser nicht mehr das Gefühl haben, nur drangsalierte Befehlsempfänger zu sein. Entscheidend sei die Angst vor einem gemeinsamen Feind: der Hamas. Die Furcht vor den Islamisten ist bei der Autonomiebehörde noch größer als bei den Israelis. Soldaten, die mit Journalisten eigentlich nicht reden dürfen, erzählten unter der Hand, dass die Israelis vom palästinensischen Geheimdienst Hinweise auf Wohnungen von Hamasleuten erhalten, in denen möglicherweise Waffen versteckt seien. Nachts verschwinden die palästinensischen Polizisten und überlassen israelischen Kommandos, die Häuser zu durchsuchen. Als vor einigen Wochen rechtsradikale Israelis nach Jericho eindrangen, wurde sogar im Fernsehen gezeigt, wie israelische Militärjeeps in die palästinensische Stadt eindrangen, um die israelischen Demonstranten zu vertreiben. Die palästinensischen Sicherheitskräfte hielten gebührende Distanz, um ihre israelischen „Kollegen“ nicht zu stören.

Mosche Gabay, der erste israelische Tourguide in Bethlehem im Gespräch mit einem palästinensischen Polizisten

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POLITIK • ISRAEL

Wieder Waffen im Zentrum von Dörfern Am 8. Juli 2010 veröffentlichte die israelische Armee Luftaufnahmen des Dorfes Al-Khiam im Süden des Libanon, das ungefähr vier Kilometer von der Grenze zu Israel entfernt liegt. Die Bilder veranschaulichen die Aufrüstung der Hisbollah in mehr als 100 libanesischen Dörfern, die von Zivilisten bewohnt werden. Darüber hinaus wurden Informationen veröffentlicht, denen zufolge die Hisbollah eine rund 20.000 Mann starke Miliz und bis zu 200 Kämpfer in jedem schiitischen Dorf im südlichen Libanon stationiert habe. Die Sprecherin der israelischen Armee (IDF), Oberstleutnant Avital Leibovich, sagte am 8. Juli 2010, die Hisbollah habe „Lagerhäuser mit Raketen neben Moscheen, Schulen, medizinischen Einrichtungen sowie im Zentrum von Dörfern eingerichtet, und diese sehen aus wie alle anderen Gebäude.“ Sie fügte hinzu: „Sie haben den Begriff des menschlichen Schutzschildes auf ein besonders extremes Niveau angehoben.“ Hintergrund: Libanonkrieg 2006 Israels Verteidigungskrieg gegen die vom Iran unterstützte Hisbollah begann am 12. Juli 2006, als eine kleine Gruppe von Terroristen die international anerkannte Grenze vom Libanon aus nach Israel überquerte, zwei Jeeps der IDF unter Beschuss nahm und in der Nähe Sprengsätze zündete. Bei dem Überfall tötete die Hisbollah acht israelische Soldaten, während sie zur gleichen Zeit Tausende von Raketen und Granaten auf Ortschaften im Norden Israels abfeuerte. Zwei israelische Reserve-Soldaten, Ehud Goldwasser und Eldad Regev – die sich auf einer routinemäßigen Patrouille entlang der israelischen Seite der Grenze befanden – wurden von der Hisbollah bei dem Angriff entführt. Ih20

© Brian Hendler/JTA

Der 12. Juli 2010 war der 4. Jahrestag des Beginns des israelischen Verteidigungskrieges gegen die Hisbollah, der auch Zweiter Libanonkrieg genannt wird. Es wird angenommen, dass die Hisbollah, eine terroristische Gruppe, die politisch, finanziell und militärisch vom Iran unterstützt wird, ihr Arsenal von Raketen und Granaten seit dem Beginn des damaligen Krieges verdreifacht hat. Es ist dem Versagen der Interimstruppe der Vereinten Nationen im Libanon (UNIFIL) zuzuschreiben, dass die Hisbollah nach dem Waffenstillstand vom 14. August 2006 wiederaufrüsten konnte. re sterblichen Überreste wurden am 16. Juli 2008 im Austausch für die Freilassung des überführten Mörders Samir Kuntar, vier weitere libanesische Terroristen und gegen die sterblichen Überreste Dutzender anderer palästinensischer und libanesischer Terroristen an Israel zurückgegeben. Im Verlauf des gesamten Krieges, der vier Wochen dauerte, wurden auf israelischer Seite insgesamt 44 Zivilisten und 119 Soldaten getötet. Versagen der UNIFIL Die UNIFIL ist verantwortlich für die Implementierung von Resolution 1701 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, die der Hisbollah ausdrücklich untersagt, seit Inkrafttreten des Waffenstillstandes wieder aufzurüsten. UNIFIL hat versagt, die Resolution 1701 umzusetzen. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon erklärte, dass die bestehenden Waffenvorräte der Hisbollah eine Verletzung der Resolutionen des Sicherheitsrates darstellen. Nachdem libanesische Dorfbewohner einen Soldaten der UNIFIL in einem von der Hisbollah kontrollierten Gebiet angegriffen und ihn entwaffnet hatten, haben auch die Spannungen zwischen den Friedenstruppen und den Dorfbewohnern im Süden des Libanon zugenommen.

Der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen im Libanon, Michael Williams, sagte am 2. Juli 2010: „Die Bewegungsfreiheit der UNIFIL wurde verletzt, und die Länder, die Soldaten an die Truppen der Vereinten Nationen entsandt haben, sind zutiefst besorgt.” Frankreich berief für den 8. Juli 2010 eine Notstandsitzung des Weltsicherheitsrates ein, um sich mit der jüngsten Gewalt zu befassen. Rolle Syriens Im April 2010 wurde Syrien beschuldigt, in Verletzung von Resolution 1701 des UNSC Lastwagen mit Ladungen von Langstreckenraketen des Typs Scud an die Hisbollah geliefert zu haben. Die Terrorgruppe befindet sich nun im Besitz von Raketen und Geschossen, die eine Entfernung vom südlichen Libanon bis hin zur Stadt Beersheva im Süden Israels zurücklegen können. Ebenfalls im April 2010 sagte USAußenministerin Hillary Clinton in Reaktion auf die Waffenlieferung aus Syrien an die Hisbollah: „Alle Staaten müssen mit der Lieferung von Waffen an terroristische Organisationen wie die Hisbollah und die Hamas aufhören. Jede Rakete, die in den Süden des Libanon oder in den Gazastreifen geschmuggelt wird, stellt einen Rückschlag für den Frieden TIP dar.“

Foto: 120 Papiersoldaten - mit einer Plakette über ihren Todesort im Libanon oder Nord-Israel - als Protest gegen den Libanonkrieg

Israelische Klage gegen Al-Jazeera wegen Berichten im Libanon-Krieg Eine Gruppe von Israelis hat den arabischen Fernsehsender "Al-Jazeera" wegen seiner Berichterstattung während des Libanon-Krieges 2006 verklagt. Die 91 Kläger waren bei Kämpfen verwundet worden und werfen dem in Katar ansässigen Nachrichtensender vor, dieser habe mit seinen Berichten der libanesischen Guerilla geholfen. Die Israelis fordern Schadensersatz in Höhe von 1,2 Mrd. Dollar (knapp 955 Mio. Euro). Konkret wird Al-Jazeera vorgeworfen, absichtlich über die Schauplätze von Raketenangriffen in Israel berichtet zu haben. Dies habe es der Hisbollah ermöglicht, ihre Raketen treffsicherer auf israelische Ziele abzufeuern. Der Sender wollte die Klage nicht kommentieren. Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

POLITIK • ISRAEL

Israels besondere Position

"Die glücklichsten Jahre meines Lebens"

Eric Hoffer (1902-1983) war einer der einflussreichsten nichtjüdischen amerikanischen Philosophen und Freidenker des 20. Jahrhunderts. Auch heute werden seine Bücher noch oft gelesen und zitiert. 1983 bekam Hoffer eine hohe staatliche Auszeichnung, die „Presidential Medal of Freedom“, für seine Gedanken zu den Themen Massenbewegungen und Fanatismus. Der Verlag „Hopewell Publications“ zeichnet jedes Jahr, im Gedenken an Eric Hoffer, die besten unabhängigen und provokaten Texte in verschiedenen Kategorien aus. Nachstehend lesen Sie eine von Hoffers Kolumnen aus dem Jahr 1968 – vor 42 Jahren! Doch manche Dinge ändern sich eben nie...

Vor drei Jahren übernahm Schimon Peres das Amt des israelischen Staatspräsidenten. Der 86-Jährige traf sich mit Journalisten in Jerusalem und sprach mit ihnen über seine Pläne und Ideen für die Zukunft. Seine große Vision sei ein Friedensabkommen mit den Palästinensern noch vor Ende seiner Amtszeit. „Ich glaube, es geht nicht darum, dass die Araber den Israelis gegenüberstehen, sondern, dass Araber und Israelis einer sehr anspruchsvollen Realität gegenüberstehen, auf die jeder eine Antwort geben muss“, sagte Peres laut der Tageszeitung ‘Jediot Aharonot’. „Ich sehe mir das palästinensische Lager an, das bereits geteilt ist und in dem ein großer Kampf stattfindet. Wir müssen diese Angelegenheit zu einem Ende bringen. Auch wir haben alle möglichen Probleme und Fragen, auf eine seltsame Weise teilen wir das gleiche Interesse - den Konflikt zu beenden. Die Alternative ist sehr kostspielig für beide Seiten." Der Präsident betonte außerdem die Wichtigkeit jüdischer Werte und die Einheit der Juden. Israel müsse für die Juden in der Diaspora attraktiver werden. „Das erste Kapitel der zionistischen Geschichte ist zu Ende. Wir sind nicht länger ein Zufluchtsort. Juden leben relativ sicher in der Welt und um mehr Juden nach Israel zu bringen, müssen wir attraktiv und wettbewerbsfähig sein.“ Die drei Jahre als Oberhaupt des jüdischen Staates bezeichnete er als "die glücklichsten in seinem Leben". Sehnsucht nach der Vergangenheit habe er nicht, dafür aber Vorstellungen und Visionen für die Zukunft, erzählte Peres weiter. „Ich glaube, Israel kann eine Perle werden. Ich denke, mir wurde eine ungewöhnliche Möglichkeit gegeben, dem Staat zu dienen, ohne all die anderen politischen Spielregeln. Es ist ein großes Privileg und jeder Tag ist voller Erfahrungen für mich." Am 2. August wird Schimon Peres 87 Jahre alt. Noch immer arbeitet er rund 18 Stunden am Tag. In den letzten drei Jahren hatte er bislang rund 700 Treffen mit Staatsoberhäuptern, Regierungschefs, Parlamentariern anderer Länder oder Vertretern von Organisationen wie den UN. Der ausländischen Presse gab er mehr als 600 Interviews. 27 Mal reiste er zu offiziellen Besuchen ins Ausland und in seinem Amtssitz veranstaltete er rund 260 Empfänge und Zeremonien.

Die Juden sind ein sonderbares Volk: Dinge, die anderen Nationen sehr wohl erlaubt sind, sind für die Juden verboten. Andere Nationen werfen Tausende, ja sogar Millionen von Menschen aus ihren Ländern, und doch gibt es kein Flüchtlingsproblem. Russland hat es getan, Polen und die Tschechoslowakei haben es getan. Die Türkei zwang eine Million Griechen zur Flucht, Algerien eine Million Franzosen. Aus Indonesien wurden Gott-weiß-wieviele Chinesen vertrieben – und niemand verliert ein Wort über diese Flüchtlinge. Doch im Falle Israels, sind die vertriebenen Araber zu ewigen Flüchtlingen geworden. Und jeder besteht darauf, dass Israel jeden einzelnen von ihnen wieder aufnehmen muss. Arnold Toynbee nennt die Vertreibung der Araber gar eine Gräueltat, die noch schlimmer ist, als alles, was die Nazis verbrochen haben. Andere, auf dem Schlachtfeld siegreiche Nationen diktieren die Bedingungen des Friedens. Aber wenn Israel gewinnt, muss es sich den Frieden vor Gericht erkämpfen. Offenbar erwartet jeder von den Juden, dass sie die einzig wahren Christen dieser Welt sind. Wenn andere Nationen besiegt werden, überleben sie und erholen sich auch irgendwann wieder. Aber sollte Israel jemals besiegt werden – es würde zerstört. Wenn Nasser im vergangenen Juni (1967) triumphiert hätte, wäre Israel restlos von der Landkarte gelöscht worden, und niemand hätte auch nur einen Finger gerührt, um den Juden zu helfen. Kein Bekenntnis irgendeiner Regierung zu den Juden ist auch nur das Papier wert, auf dem es geschrieben ist, auch nicht dasjenige unserer eigenen Regierung. Wenn Menschen in Vietnam sterben oder zwei Farbige in Rhodesien exekutiert werden ertönt sofort ein empörter Aufschrei der Weltgemeinschaft. Doch als Hitler die Juden abgeschlachtet hat, hat keine Menschenseele gegen ihn demonstriert. Von den Schweden, die beinahe, aufgrund der Geschehnisse in Vietnam, sämtliche diplomatische Beziehungen zu den USA abgebrochen hätten, war nicht einmal ein Piep zu hören, als Hitler die Juden hinmetzelte. Stattdessen versorgten sie Hitler mit erstklassigem Eisenerz und Kugellager und unterstützten seine Truppen in Norwegen. Die Welt lässt die Juden mutterseelenallein. Wenn Israel überlebt, dann einzig und allein aus eigener jüdischer Kraft. Aufgrund von jüdischen Ressourcen. Just in diesem Moment ist Israel unser einziger verlässlicher und bedingungsloser Verbündeter. Und wir können uns wesentlich mehr auf Israel verlassen als Israel sich auf uns. Man stelle sich nur vor, was im vergangenen Sommer (1967) geschehen wäre, wenn die Araber und ihre russischen Unterstützer den Krieg gewonnen hätten; wie überlebensnotwendig das Überleben des Staates Israel für Amerika und den Westen im Allgemeinen ist. Ich hatte eine Vorahnung, die einfach nicht von mir lassen will: So wie es Israel ergeht, wird es der gesamten Welt ergehen. Wenn Israel vom Erdboden verschwindet wird der Holo-caust letztendlich uns alle einholen. ERIC HOFFER, Los Angeles Times, 26. 5. 1968 Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

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WIRTSCHAFT • ISRAEL

Software gegen InternetDiebe

@ M86 Securities ist heute eine globale Softwarefirma. Eine ihrer wesentlichen Säulen geht auf ein israelisches Start-up zurück: Finjan.

WIRTSCHAFT

VON REINHARD ENGEL

„Die Internet-Kriminellen sind heute sehr professionell organisiert.“ Amit Ashbel kennt dieses Branche sehr genau, seit mehr als sechs Jahren arbeitet er für einen israelischen Software-Spezialisten, der sich auf das Schließen von Sicherheitslücken bei Unternehmen spezialisiert hat. „Und da gibt es ganz unterschiedliche Gruppen: Die SoftwareEntwickler sind nicht unbedingt diesel22

ben, die dann die kriminellen Akte setzen. Erstere verkaufen ihre Pakete an sie, und diese wenden sie dann an.“ Ashbel kann mit einem sehr bildhaften Beispiel aufwarten, das in Deutschland hunderte Bankkunden betroffen hat. Über eine ukrainische Bande wurden die Nutzer von Online-Bankdiensten ausgespäht und mittels komplexer Software abkassiert. „Sobald jemand seinen Account angewählt hat, war schon der Trojaner da und hat sich eingeschaltet,“ erzählt Ashbel. „Zuerst einmal hat die kriminelle Software einen Screenshot gemacht, also den momentanen Kontostand des Kunden mit einem Bild festgehalten. Dieser Status ist

ihm dann auch weiterhin vorgespielt worden, und dahinter wurde von seinem Konto Geld abgebucht und gestohlen. Das heißt, die Kunden haben geglaubt, es sei ohnehin alles in Ordnung.“ Innerhalb weniger Tage verschwanden so einige hunderttausend Euro – wegen der verhältnismäßig kleinen Beträge wurde das Verbrechen nicht sofort bemerkt. Aber dann entdeckte die deutsche Bank die Sicherheitslücke, und auch die Gauner wurden erwischt. Für Ashbel sind diese Fälle Alltagsarbeit. Er betreut als Senior Project Manager große Firmenkunden in Europa: in Deutschland, Österreich, England, Spanien, Portugal und Frankreich. Dabei kommt ihm auch sein internationaler Background zugute: Als Diplomatenkind – er ist ein Sohn des früheren israelischen Botschafters in Wien, Dan Ashbel, - ging er unter anderem in Österreich, Deutschland und England in die Schule und lebte insgesamt elf Jahre außerhalb Israels. Seit er bei der israelischen Software-Firma Finjan begonnen hat, wurde auch diese noch weiter internationalisiert: Sie ist seit November des Vorjahres Teil einer internationalen Gruppe, M86 Securities, mit Unternehmenszentralen in Kalifornien und London. Entwickelt wird vor allem in Netanya und in Neuseeland, erzählt die M86-Pressechefin in London, Ellynora Nicoll. Finjan – das Wort bezeichnet auf Hebräisch den kleinen langstieligen Kupfertopf, in dem starker türkischer Kaffee gekocht wird – wurde 1996 gegründet, vom Ingenieur Shlomo Touboul. Dieser hatte schon elf Jahre zuvor eine erste Software-Firma ins Leben gerufen und sie dann 1994 an Intel verkauft. Auch für Finjan fand er prominente Geldgeber: Am Aufbau des Unternehmens beteiligten sich nicht nur israelische Start-up-Gesellschaften und Venture Capital Fonds, sondern sogar etablierte internationale Branchenriesen: Cisco und Microsoft. Insgesamt wurde in die Software-Schmiede mit ihren 150 Entwicklern und Marketing-Mitarbeitern 67 Mio. Dollar investiert. Im Vorjahr wurde das Unternehmen an den US-Konkurrenten M86 Securities verkauft, seine Eigentümer halten jetzt an der neuen, größeren Firma ein Viertel der Anteile. Die Branche ist insJuli 2010 - Tamus/Aw 5770

WIRTSCHAFT • ISRAEL

Was sind die Anwendungen? Es geht vor allem um den Schutz von Unternehmen und Behörden vor unerwünschten Eindringlingen in den Firmenrechner. Das können Industriespione bei produzierenden und forschenden Unternehmen sein, das kann die Absicht beinhalten, Kundendaten von Finanzdiensleistern oder Pharmakonzernen abzusaugen, es kann sich um Datenklau in Universitäten oder Ämtern handeln. Manchmal erleichtern dabei die Angestellten der jeweiligen Institution diese unerlaubten Zugriffe durch ungeschütztes Surfen oder durch naive Teilnahme an sozialen Netzwerken wie Facebook. Manchmal wurden aber auch innerhalb der Firmen ganz gezielt Maulwürfe platziert, denen man den Datentransfer nach außen blockieren muss. Die Programme von M86/Finjan konzentrieren sich dabei auf den sicheren Zugang zu den firmeneigenen Netzen. Das ist umso komplizierter, als viele große Unternehmen schon durch ihre flächendeckende, oft internationale Aufstellung zahlreiche mögliche elektronische Zugänge bieten. Es gibt Teleworker und Lieferanten, die mit dem Firmenrechner auf unterschiedlichen Ebenen verbunden werden müssen, Vertreter und Verkäufer sind unterwegs und rufen vom Kunden aus Daten ab, eine Vielfalt von Schnittstellen muss offen sein für Kunden, Studenten, Bürger oder Geschäftspartner. Neben E-Mail ist auch das Internet via Websites immer wichtiger – und gefährlicher – geworden.

noch sicher war, kann heute schon eine Gefährdung darstellen.“ Dafür hat Finjan ein spezielles Softwareprogramm entwickelt, das jeden elektronischen Kontakt zeitgleich überprüft und anhand verschiedener Kriterien gefährliche oder unliebsame Eindringlinge blockiert. Diese Technologie wurde in Israel im Militär und auch in der Verwaltung eingesetzt und zählt mittlerweile in einer großen Zahl internationaler Unternehmen zu deren Standard.

stehlen. Als dieser Artikel in Druck ging, ergab der aktuelle Stand am internationalen Phishing-Markt gerade einen Großangriff auf Kunden der englisch-chinesischen Großbank HSBC. Eine Woche zuvor hatten sich die Gauner noch schwerpunktmäßig auf ein New Yorker Geldinstitut konzentriert.

Auf der Referenzliste finden sich etwa der Münchner Großflughafen Franz Josef Strauß, der italienische Modeund Sportartikelhersteller Lotto, die konzerneigene Autozulieferfirma Toyota Tsusho oder der US-Lastwagenverleiher U-Haul. Auch Behörden oder Institutionen schützen ihre Daten mit den Software-Paketen von M86: Zu Kunden dieser Katego-rie zählen unter anderen das Los Angeles County Office of Education, die University of Nottingham und das Imperial College in London oder der distinguierte Wirtschaftsklub Institute of Directors, ebenfalls in London. In Österreich gibt es einige Kunden in unterschiedlichen Branchen, sie wollen aber laut Firmensprecherin Nicoll nicht genannt werden. Aber nicht nur für Firmenkunden zahlt sich auch das gelegentliche Vorbeischauen auf der Website von M86 aus: Dessen Sicherheitsspezialisten beobachten die aktuellen Spam- und Phishing-Aktivitäten auf mehreren Kontinenten. Dabei stoßen sie immer wieder auf Zentren dunkler Machenschaften, etwa ukrainische Banden, die mit Hilfe so genannter Bot-Netze, also dem Einschleichen in eine Vielzahl öffentlicher oder privater Computer, mit deren Hilfe Massenmails versenden oder versuchen Geld zu

Amit Ashbel

©R. Engel

gesamt schnelllebig: M86 war seinerseits erst ein Jahr zuvor aus zwei einschlägigen Spezialfirmen entstanden: aus der britischen Marshal und der amerikanischen 8e6 Technologies. Jetzt gilt M86 Securities mit seinen 300 Mitarbeitern als eine der größeren ausschließlich auf Sicherheit spezialisierten Software-Firmen.

Dagegen schützen sich die Unternehmen mit Firewalls. Auf einer passiven Ebene verfügen diese etwa über „schwarze Listen“, auf denen gefährliche Adressen vermeldet sind, und wenn Mails von dort kommen oder jemand mit einer derartigen Adresse sich einzuloggen versucht, wird ihm das verboten. „Das Web ändert sich aber ständig,“ so Amit Ashbel. „Was gestern Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

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WIRTSCHAFT • ISRAEL und Forschungseinrichtungen zum beiderseitigen Vorteil genutzt werden können.“

Israel übernimmt EUREKA-Vorsitz Israel hat im Juli den Vorsitz der europäischen Forschungs- und Entwicklungsinitiative EUREKA von Deutschland übernommen. Israels Minister für Industrie, Handel und Arbeit Binyamin Ben-Eliezer war eigens nach Berlin gereist, um in einer feierlichen Zeremonie die „Glocke des Vorsitzenden“ von Bundeswissenschaftsministerin Annette Schavan entgegenzunehmen. Das Innovationsbündnis EUREKA besteht seit 25 Jahren und gilt mit seinen 40 Mitgliedsländern als das weltweit größte Netzwerk für industrielle Forschung und Entwicklung. Israel ist seit dem Jahr 2000 Mitglied, und israelische Unternehmen sind an mehr als 10% aller EUREKA-Projekte beteiligt. Im vergangenen Jahr wurde Israel für den Vorsitz ab dem Juli 2010 gewählt. Ben-Eliezer bedankte sich zu Beginn seiner Rede bei seinen deutschen Gastgebern für die „Gastfreundschaft im wunderschönen Berlin“ und betonte: „Es ist eine große Ehre für Israel, die Leitung der EUREKA zu übernehmen, insbesondere zum 25jährigen Jubiläum ihres Bestehens. Es ist auch eine große Herausforderung. Israel, ein Land von Kreativität und Innovation, ist definitiv in der Lage, diese Aufgabe zu erfüllen.“ Der Minister nutzte seinen Berlin-Besuch auch zu einem Treffen mit Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle. Großes Potenzial für deutsch-israelische Kooperationen Auch Inon Elroy, Botschaftsrat für Wirtschaft und Handel in der israelischen Botschaft, hat hohe Erwartungen: „Der EUREKA-Vorsitz kann uns dabei behilflich sein, die deutsche Wirtschaft auf das enorme Potenzial für Kooperationen mit Israel aufmerksam zu machen. Glücklicherweise ist Israel Mitglied in vielen bi- und multilateralen Programmen wie EUREKA, dem 7. Europäischen Forschungsrahmenprogramm und Galileo, die von deutschen und israelischen Firmen 24

EUREKA ermöglicht es Unternehmen aus verschiedenen Ländern, gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprojekte (FuE-Projekte) durchzuführen. Die Initiative für ein Projekt geht von den Projektpartnern aus. Diese definieren selbst Inhalt, Umfang, Art und Dauer der Zusammenarbeit, ohne dabei durch thematische Ausschreibungstexte reguliert zu werden. Die Finanzierung erfolgt in eigener Verantwortung der Teilnehmer auf nationaler Ebene - durch staatliche Fördermittel, öffentliche Kredite oder durch eigene Mittel. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, EUREKA zur Durchführung deutschisraelischer FuE-Projekte zu nutzen: Die deutschen Projektpartner können dabei anteilig über das ZIM-Programm des Bundeswirtschaftsministriums oder über die Förderprogramme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie über das Eurostars-Programm finanziert werden. Die israelischen Partner erhalten ihre Förderung über das Office of the Chief Scientist des Ministeriums für Industrie, Handel und Arbeit. http://www.eurekanetwork.org http://www.eurostars-eureka.eu

Winds of Change – Israelisch-palästinensische Kooperation in der Energiewirtschaft Unbeeindruckt von den politischen Spannungen in der Region haben eine israelische und eine palästinensische Firma aus Ramat Gan bzw. Bethlehem beschlossen, beim Bau und Verkauf von Windturbinen im Westjordanland und anderswo zusammenarbeiten zu wollen. Die palästinensische Firma, Brothers Engineering Group, wurde von Dr. Mohammed Salem gegründet, der seit 2006 im Windenergiegeschäft ist und 15 Mitarbeiter in Bethlehem beschäftigt. Die Firma liefert Windturbinen aus komplett eigener Herstellung. „Die Wirtschaftskooperation im Bereich der Windenergie ist etwas, wovon jeder profitieren wird. Sie wird als Brücke des Friedens für den israelisch-palästinen-

sischen Konflikt dienen“, erklärt Salem zuversichtlich. Yanir Avital, der Gründer der israelischen Partnerfirma Israel Wind Power, erinnert sich an die ersten Kontakte: „Wir bekamen im letzten Jahr Emails von ihnen. Sie waren an unserem Produkt interessiert. Wir besuchten ihre Firma in Bethlehem und fühlten, dass sie ein guter Partner sein könnten. Wir könnten ihre Beziehungen gebrauchen, und mit unseren Beziehungen könnten wir ihrer Firma dabei helfen, ein oder zwei Schritte voranzukommen.“ AM

Galil Software liefert israelisch-arabisches Hightech Die Bemühung, mehr israelische Araber in die boomende Hightech-Branche des Landes zu integrieren, zeigt erste Früchte. Das Unternehmen Galil Software in Nazareth geht dabei mit leuchtendem Beispiel voran. Bislang haben die israelischen Araber, die in der Medizin und im herkömmlichen Ingenieurswesen sehr erfolgreich sind, kaum Anteil an der rasanten Entwicklung der Hightech-Industrie in Israel gehabt, die hauptsächlich im Zentrum des Landes konzentriert ist. Um diesem Missstand abzuhelfen, gründeten einige führende Köpfe der Branche, unter ihnen Itzik Danziger und Zeevi Bergman, beide frühere Vorstände von Comverse, 2007 in Nazareth die Entwicklungsfirma Galil Software. Heute sind mehr als 100 Mitarbeiter in dem Unternehmen beschäftigt, und nur zehn davon sind Juden. Der heutige Direktor von Galil Software, Inas Said, bemerkt zu den Einfluss der Politik im Nahen Osten auf das Betriebsklima: „Jeder, der hier arbeitet, versteht, dass wir hier ein einzigartiges Modell haben, und tut alles, um es zu bewahren – sowohl die Araber als auch die Juden, die hier gemeinsam arbeiten. Während der Operation Gegossenes Blei haben wir wie gewöhnlich weiter gearbeitet. Vor ihrem Beginn dachte ich noch darüber nach, wie ich die Fragen der Mitarbeiter beantworten sollte. Aber es bestand gar kein Bedarf. Die Fragen wurden gar nicht gestellt. Wir lassen die Politik aus der Firma draußen.“ Haaretz Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

WISSENSCHAFT • ISRAEL

Professionelle Haarentfernung für zu Hause

Der Minilaser Silk`n ist ein von israelischen Wissenschaftlern und Ärzten entwickeltes, licht-basierendes Gerät, welches für den Benutzer sicher, einfach und angenehm in der Anwendung ist. Es handelt sich hierbei um ein Gerät zum häuslichen Gebrauch, das Haare durch das Aussenden von Lichtimpulsen da erhaft entfernt. Weltweit ist der Enthaarungsmarkt in der Ästhetischen Medizin einer der am stärksten im Wachstum begriffenen: die weltweiten jährlichen Zuwachsraten liegen bei rund 18 %, aber nur 2% der Bevölkerung können sich professionelle Laserbehandlungen leisten. Klinische Studien belegen Wirksamkeit Klinische Studien der George Town University/USA-Medical Center sowie vom Institut der Dermatologischen Laserchirurgie/Washington belegen die Wirksamkeit und schonende Wirkung. Das Gerät ist CE zertifiziert und erfüllt als einziges Home Care Gerät die weltweiten medizinischen Standards der FDA (Food & Drug Administration) zur Haarentfernung. Sanft und schmerzfrei Der Minilaser ist für die Entfernung von allen dunklen (schwarz, dunkelbraun, braun) sowie hellbraunen Körperhaaren unterhalb des Halses, also für Oberkörper, Beine, Achselhöhlen, Arme und Bikinizone, geeignet. Eine selbständige Anwendung gemäß der empfohlenen Behandlungszyklen garantiert eine schonende und im Vergleich zur Wachsentfernung oder professionellen Laserbehandlungen eine sanfte und schmerzfreie Behandlung. Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

Die Silkn Technologie Die Technologie basiert auf der Theorie der selektiven Photothermolyse, bei der optische Energie verwendet wird, um das Haarwachstum zu unterbinden. Die Epilation mit der patentierten Silkn HPL(TM)-Technologie wurde mit einem einzigartigen akustischen Effekt ausgestattet, der den normalen Prozess der Photoepilation verbessert und so eine Langzeitenthaarung sowohl für Männer als auch Frauen ermöglicht. Durch den niedrigen Grad an optischer Energie ist kein zusätzliches Kühlen der Haut erforderlich. Dadurch ist der Minilaser wirksamer bei gleichzeitig höherer Sicherheit für den Anwender. Der Silkn Shop Der Minilaser ist exklusiv im Onlineshop unter www.silkn.cc erhältlich Information bei Patrick SATOR mailto:[email protected] http://www.silkn.cc

Sharon Pardo wird Jean-Monnet-Professor Sharon Pardo, Direktor des Zentrums für europäische Politik und Gesellschaft an der Ben-Gurion-Universität in Be’er Sheva, hat für 2010-2013 den Jean-Monnet-Lehrstuhl zugesprochen bekommen. Seine Universität ist damit die zweite israelische Universität, die diese Auszeichnung für sich gewinnen konnte. Das Jean-MonnetProgramm wurde 1990 von der EU ins Leben gerufen, um ihrem gleichnamigen Gründervater ein Denkmal zu setzen. Es soll dazu dienen, weltweit die Erforschung der europäischen Integration auf höchstem Niveau zu fördern. Der jeweilige Lehrstuhlinha-ber kann ohne jegliche Einschränkung seiner akademischen Freiheit über die EU forschen. Als neuer Jean-Monnet-Professor will sich Dr. Pardo die gesamte Laufzeit des Lehrstuhls hindurch in Lehre und Forschung auf das Projekt der europäischen Integration konzenBen-Gurion-Universität trieren.

Ruth Arnon wird neue Präsidentin der Israelischen Akademie der Wissenschaften Die weltbekannte Immunologin Ruth Arnon vom Weizmann-Institut in Re-

hovot ist zur neuen Präsidentin der Israelischen Akademie der Wissenschaften ernannt worden. Sie ist damit die erste Frau, die an der Spitze der 1961 gegründeten Wissenschaftseinrichtung des Staates Israel steht. Arnon löst Menahem Ya’ari ab, der für zwei dreijährige Amtszeiten als Präsident fungierte. Neuer Vizepräsident wird der Jerusalemer Historiker Binyamin Ze’ev Kedar. Arnon wurde vor einigen Wochen von der Jerusalem Post zu einem der „50 einflussreichsten Juden auf der Welt“ gekürt. Sie hat maßgeblich an der Entwicklung des Multiple-Sklerose-Medikaments Copaxone der Firma Teva mitgewirkt und bereits zahlreiche Preise und Auszeichnungen gewonnen, u. a. den Robert-Koch-Preis und den IsraelJerusalem Post Preis.

MS frühzeitig erkennen Prof. Anat Achiron von der Tel Aviver Universität (TAU) entdeckte einen Biomarker für die Multiple Sklerose (MS), der die frühzeitige Diagnose der Immunerkrankung verbessert. Damit kann jetzt schon bei jungen Erwachsenen bis zu neun Jahre vor Ausbruch der Symptomatik die Erkrankung festgestellt werden. Die TAU ist führend in der MS-Forschung. Zwei der wichtigsten Medikamente gegen diese Erkrankung wurden dort entwickelt. Israel21c

Fruchtbarkeit erhöhen Wissenschaftler des Meir Medical Center und der Tel Aviver Universität belegten, dass das Anti-Aging Hormon DHEA die Fruchtbarkeit der Frau um das dreifache erhöht. Eine vier bis fünfmonatige DHEA-Behandlung erhöht die Chance einer Schwangerschaft.

Krebszellen besser erkennen Eine Technologie der Zelldifferenzierung der israelischen Firma Zetiq kann die frühzeitige Diagnose von Blasenund Gebärmutterkrebs erheblich verbessern. Es handelt sich um eine Markierung von Tumorzellen zwecks deutlicherem Kontrast zwischen gesunden und kranken Zellen. Zetiq will die Methode in den USA etablieren. Israel21c 25

WISSENSCHAFT

Silk’n -

JÜDISCHE WELT

Das jüdische Trauma auf der Trauminsel Den Nazis knapp entkommen, von den Briten eingekerkert, überlebten doch noch rund 1500 Juden die Shoah auf Mauritius VON

MARTA S. HALPERT

Das Angebot klingt sehr verlockend: „Blendend weiße Strände, türkisfarbenes Meer, das ganze Jahr über warmes Klima und freundliche Menschen. All dies macht den Urlaub auf Mauritius so unvergleichlich,“ heißt es verführerisch einladend auf den Reiseseiten im Internet. Mauritius ist heute ein unabhängiger Inselstaat im Südwesten des Indischen Ozeans, unweit davon befindet sich ein anderes schickes und begehrtes Urlaubsziel, die Seychellen. Der Leitspruch von Mauritius lautet Stella Clavisque Maris Indici zu Deutsch: „Stern und Schlüssel des Indischen Ozeans“. Das mag für die Ferieninsel heute sehr wohl gelten. Im Dezember des Jahres 1940 müssen bei den rund 1.865 jüdischen Menschen, die hierher deportiert und in ein Gefängnis ge26

sperrt wurden, eher das Gefühl vorgeherrscht haben, dass man den „Schlüssel“ mutwillig weggeworfen hat: Erst viereinhalb Jahre später, am 25. August 1945, war ihre erniedrigende Qual zu Ende, und die überlebenden Lagerinsassen wurden von den britischen Behörden freigelassen. Von Europa fliegt man heute in etwa 14 Stunden auf die Inselgruppe. Die jüdischen Flüchtlinge aus Wien, Bratislava, Prag, Berlin und Danzig begannen ihre schreckliche Irrfahrt am 4. September und erreichten die Küste von Mauritius am 26. Dezember 1940. Es war ein Ziel, an das sie damals nicht einmal in ihren kühnsten Träumen gedacht hätten. Um den Nazi-Schergen in ihren Ländern zu entfliehen, hatten sie eine der letzten Möglichkeiten ergriffen, illegal nach Haifa, Britisch-Palästina, zu gelangen. Der Großteil der entflohenen Europäer schaffte das erst im Herbst 1945. Die „Schönbrunn“: Ein rettendes Schiff Um zu verstehen, wie es zu dieser

menschenunwürdigen Odyssee überhaupt kommen konnte, muss man sich die politischen Umstände und Hintergründe vergegenwärtigen. „Josef Nemschitz aus Krems war einer der mehr als 3.500 jüdischen Flüchtlinge aus Österreich, Deutschland, Danzig und dem ‚Protektorat Böhmen und Mähren’, die mit dem von Berthold Storfer* organisierten großen Flüchtlingstransport nach Palästina im Herbst 1940 den Fängen der Nationalsozialisten entkamen. Es war der letzte derartige Transport aus dem ‚Reichsgebiet’ vor dem offiziellen Auswanderungsstopp im Herbst 1941,“ schreibt die Historikerin Gabriele Anderl in ihrer Arbeit über die Juden aus Krems.** Denn während mit dem deutschen Überfall auf den Balkan im Frühjahr 1941 die letzten möglichen Fluchtrouten abgeschnitten waren, eröffneten sich für die Nazis beim Kriegsbeginn gegen die Sowjetunion im Juni 1941 neue Wege für die „Lösung der Judenfrage“: Die Weichen wurden auf Vernichtung umgestellt. Trotz der NSVertreibungspolitik war bis 1941 die Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

JÜDISCHE WELT Flucht noch teilweise möglich, obwohl die „freie“ Welt ihre Tore immer hermetischer vor den andrängenden jüdischen Flüchtlingsscharen zu verschließen begann. Auch Großbritannien war nur bis Kriegsbeginn vergleichsweise tolerant bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Aber ungeachtet der 1917 übernommenen Verpflichtungen in der Balfour Deklaration (den Juden eine Heimstatt zu bieten) betrieben die Briten im Mandatsgebiet Palästina eine äußerst restriktive Politik. Das im Mai 1939 von den Briten veröffentlichte „Weißbuch“ bedeutete eine Absage an die in der Balfour Deklaration enthaltenen Grundsätze, weil es das Ende der jüdischen Einwanderung ankündigte. Ab 1940 inkraft, blieb es für die Dauer des Krieges die formale Basis der britischen Politik in Palästina. „Für die Zionisten bedeutete diese Neuregelung einen vernichtenden Schlag, der noch dazu in der Stunde der äußersten Bedrängnis des europäischen Judentums kam. Durch diese Situation gewann die illegale Einwanderung, die Alija Bet, die sich über die restriktive Gesetzgebung der Mandatsmacht hin wegsetzte, verstärkt an Bedeutung“, so Anderl. Bereits Mitte der dreißiger Jahre hatte es einige Versuche gegeben, Juden auf Schiffen illegal ins Land zu bringen. Nach dem „Anschluß“ Österreichs nahmen die illegalen Transporte bald das Ausmaß einer Massenfluchtbewegung an. Von 1938 bis Kriegsausbruch im September 1939 kamen 17.240 illegale Einwanderer nach Palästina. Die ersten Transporte waren über verschiedene Adriahäfen abgefertigt worden, doch bald ergaben sich Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Transitvisa durch Italien und Jugoslawien, und so wurde schon ab Herbst 1938 für die meisten Fahrten die Donau als internationaler Wasserweg benutzt. Meist wurden die Flüchtlinge mit Linienschiffen der DDSG zur Donaumündung transportiert und dort auf Hochseedampfer umgeschifft. Obwohl die Behörden der Transitländer über das wahre Ziel der Reise informiert waren, mussten zur Wahrung der Form fiktive Endvisa, meist für lateinamerikanische Länder, zu hohen Preisen von bestechlichen Konsularbeamten gekauft werden. Nur altersschwache und ausgediente Schiffe ließen sich um teueres Geld für derartige Unternehmungen beschaffen. Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

Während die Organisierung der illegalen Einwanderung aus dem Reichsgebiet in den Jahren 1938/39 in den Händen zionistischer Aktivisten lag, schob die SS im Laufe des Jahres 1939 immer mehr einen Mann in den Vordergrund, der wohl Jude, aber keineswegs Zionist war. Kommerzialrat Ber thold Storfer*, in der Zeit vor dem „Anschluß“ ein erfolgreicher Finanzexperte und Geschäftsmann in Wien, wurde Leiter des neu geschaffenen „Ausschusses für jüdische Überseetransporte“ in der Rotenturmstraße/ Rotgasse im ersten Bezirk. Offiziell mit der Auswanderung in verschiedene überseeische Länder betraut, konzentrierte sich die Arbeit in der Praxis hauptsächlich auf illegale PalästinaTransporte. Die Teilnehmerzahl des neuen Wiener Transportes unter der Leitung von Storfer belief sich am 4. September 1940 auf 860 Personen inklusive 150 ‚Mittelloser’. Unter den Letztgenannten waren auch bereits KZ-Häftlinge, die von der Gestapo oder der Zentralstelle dem Transport aufgezwungen wurden. Diese befanden sich in schlechtem gesundheitlichem Zustand. Der Ausflugsdampfer „Schönbrunn“ der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft legte an der Wiener Reichsbrücke mit jüdischen Emigranten ab. In den folgenden Tagen kamen in Pressburg zwei weitere Donaudampfer die „Uranus“ und „Helios“ mit Flüchtlingen dazu. * Storfer wurde von den zionistischen Aktivisten als lästiger, von der SS aufgezwungener Konkurrent empfunden, der sie in ihrem selbständigen Arbeiten behinderte und sie in eine Position der Abhängigkeit brachte. Es wurde viel über die Gründe für die Ernennung Storfers spekuliert: Zweifellos wollte die SS die organisatorische Verantwortung für die illegalen Palästina-Transporte auf eine Person konzentrieren, um diese leichter kontrollieren zu können. Storfers Tätigkeiten wurden von der Gestapo schärfstens überwacht. (Siehe Anderl „Juden in Krems“) ** Gabriele Anderl: „Entweder ihr verschwindet über die Donau, oder in der Donau“. Die Flucht österreichischer Juden nach Palästina, 2005. www.judeninkrems.at

Logbuch einer qualvollen Flucht Die Kapazität pro Schiff betrug maximal 150 Passagiere, doch diese drei Schiffe fuhren mit 1.580 jüdischen Flüchtlingen, darunter 96 Kleinkindern, auf der Donau über Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien und dann in den Hafen von Tulcea, in Rumänien. Eine etwa 1.000 km lange Reise. In der ru-

mänischen Hafenstadt stiegen die Menschen auf die Atlantic um, ein mehrmals umgebautes, griechisches Frachtschiff für Kohletransporte. Die Atlantic war zwar mit vielen Liegestühlen an Bord ausgestattet, aber es fehlten jegliche sanitäre Einrichtungen. In kürzester Zeit raffte eine TyphusEpidemie viele Leute in den Tod. Erst am 7. Oktober 1940 stachen drei Schiffe von Tulcea aus in See - die Atlantic mit 1.829 Passagieren, die Pacific mit 986 und die Milos mit 702, zusammen also 3.517 Personen. Die Reise der beiden Schiffe Pacific und Milos verlief - verglichen mit den abenteuerlichen Irrfahrten der Atlantic, des größten der drei Schiffe, rasch und problemlos. Die Atlantic fuhr gleich bei der Ausfahrt aus Tulcea auf eine Sandbank auf und musste provisorisch wieder flottgemacht werden. Zu Jom Kippur erreichte das Schiff den Bosporus, vor Instanbul wurde angelegt, und weil es der Atlantic nicht erlaubt war direkt in den Hafen einzulaufen, brachten Instabuler Juden ihre Großteils essbaren Geschenke zu einem kleinen Zubringerboot. „Wir sind nur bis zur Insel Kreta gekommen, dort hatten wir keine Kohle mehr,“ berichtete Jahre später Uri Spitzer, ein Passagier auf der Atlantic. „In Heraklion warfen dann die Griechen die letzte Kohle ins Meer. Sie befürchteten, die Engländer würden von der illegalen Beförderung erfahren.“ Zur Bewältigung der Strecke wurden dann alle brennbaren Gegenstände - Kabinenwände, Masten und Pritschen - demoliert und zu Brennholz gemacht, bis von der Atlantic nur noch ein gespenstisches Skelett übrig war. Unweit der zypriotischen Küste musste das Schiff auf offener See ankern und gab Notsignale. Zwei vorbeifahrende britische Zerstörer kamen nicht zur Hilfe. Schlussendlich zog ein britischer Schlepper die Atlantic nach Limassol, wo den Passagieren zur Bezahlung der Kohle die letzten Wertgegenstände abgenommen wurden: Eheringe, Uhren und Füllhalter. Erst am 23. November konnte das Schiff, bereits mit britischem Militär an Bord, aus Zypern abfahren. Doch in der Bucht von Haifa erwartete die Ankommenden eine unangenehme Überraschung. Dort ankerte die Patria, ein ehemaliger französischer Luxus27

JÜDISCHE WELT dampfer, den die Briten nach dem deutschen Überfall auf Frankreich requiriert hatten. An Bord befanden sich bereits die Passagiere der beiden Schiffe Milos und Pacific, denen die britische Regierung die Landung in Palästina verwehrt hatte. Gemäß einer Verlautbarung vom 20. November sollten die Flüchtlinge der drei Schiffe für die Dauer des Krieges in eine britische Kolonie abgeschoben werden. Während man versuchte, auch die Atlantic-Passagiere auf die Patria umzuschiffen, kam es zu einem dramatischen Zwischenfall: Kaum waren etwa 80 Passagiere transferiert, wurde die Patria von einer Explosion erschüttert: Das Schiff sank in wenigen Minuten im Hafen. Unter den Passagieren brach Panik aus, jeder versuchte sich irgendwie zu retten: Insgesamt 267 Menschen kamen bei dem Unglück ums Leben. Der Anschlag war von Mitgliedern der Hagana verübt worden, nachdem alle diplomatischen Bemühungen zionistischer Führer, die Briten umzustimmen, fehlgeschlagen waren. Die Flüchtlinge von der Atlantic wurden ins Gefängnis nach Atlit (südlich von Haifa) gebracht. Dort hörten sie von den Wärtern, dass sie bald an einen anderen Ort deportiert würden. Da formierte sich Widerstand: Als die britische Militärpolizei kam, um zuerst die Männer abzuführen, legten sich diese nackt auf den Fußboden, um die Abschiebung zu verhindern. Die Briten zeigten jedoch kein Erbarmen: Sie hüllten die Flüchtlinge gegen ihren Willen in Decken und transportierten sie auf Lastwagen zum Hafen, wo sie an Bord des holländischen Schiffes Johann de Witt ihre Frauen, Kinder und auch gebrechliche Eltern erwarteten. Am 9. Dezember läuft das Schiff Richtung Suezkanal aus, nach einer zweitätigen Pause im Hafen von Aden trifft es mit den kranken, ausgehungerten und zutiefst verzweifelten Menschen am 26. Dezember 1940 im Hafen Port Louis ein, auf der Insel Mauritius, einer britischer Kolonie in Südafrika. Die Schülerin von Anna Frank Die größte Zahl der hierher verschleppten Menschen kam aus Österreich, nämlich 369 Männer, 238 Frauen und 33 Kinder. Die nächst größte Gruppe waren Bürger der Tschecho28

Colonial Office

Im Beau BassinGefängnis Foto E. Rosenblatt, 1940 Sammlung A. Rosenfeld, Kfar Rupin, Israel

slowakei, Polens, sowie aus Deutschland und dem Protektorat ‚Danzig’. Der bitteren Enttäuschung, nicht in Haifa bleiben zu können, folgte noch eine weitere zweiwöchige Schiffsfahrt mit gefährlichen Wirbelstürmen und erbärmlichen sanitären und medizinischen Zuständen an Bord. „Die Insel war üppig grün und von so herrlichen, blauen Lagunen umgeben – so etwas habe ich vorher noch nie gesehen“, erinnerte sich Peretz Béda Mayer, Jahrgang 1906, noch ziemlich lebendig bei einem Gespräch im Altersheim von Herzlia im Jahre 1999. Seine Zeichnungen, entstanden während seines fast fünfjährigen Aufenthaltes in Mauritius, findet man unter anderem im Katalog Boarding Pass to Paradise von Elena Makerova, der Kuratorin der gleichnamigen Ausstellung im Schifffahrtszentrum bei der Reichsbrücke zwischen Mai und Juli 2008. Doch bis zu diesen Erinnerungen war es noch ein weiter Weg, und dieser zeichnete sich wahrlich nicht durch den Flair und die Annehmlichkeiten einer exotischen Insel aus.

Das britische Colonial Office internierte die jüdischen Flüchtlinge in einem ehemals napoleonischen Gefängnis in Beau Bassin wenige Kilometer südlich von Port Louis. Die Männer wohnten im Hauptgebäude des Gefängnisses – zwar blieben die Zellentüren unverschlossen, doch sie waren getrennt von ihren Frauen. Diese waren in speziell hergerichteten Holzbaracken untergebracht. Erst nach einigen Monaten und infolge heftiger Proteste der Internierten durften sich die Paare – auch Verlobte – im Hof des Gefängnisses wenige Stunden treffen. Und erst im vierten Jahr des Aufenthalts wurden die Tore zwischen den beiden Teilen des Lagers geöffnet. Die Gefangenen hatten trotz ihrer beschränkten Freiheit durch ihre Arbeitsmöglichkeit doch Kontakt mit dem Leben auf der Insel. Der Wunsch, die internierten Menschen zu beschäftigen, ließ diese sogar einen Beitrag zur Ökonomie der Insel leisten: In der Männerabteilung erzeugte man Koffer, manche Exemplare halten noch bis heute. Die Erzeugnisse der Silberschmiede und Juweliere wurden auf der Insel verkauft oder nach Südafrika exportiert. Es wurde musiziert, und man druckte graphische Blätter. Nach genau 1.692 Tagen endete schließlich die Verwahrung auf Mauritius. Überglücklich kehrten im August 1945 die Vertriebenen nach Palästina zurück, wo sie als erste größere Einwanderergruppe nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stürmisch begrüßt wurden. Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

JÜDISCHE WELT „Warum sollte ich nach mehr als fünfzig Jahren eine fast vergessene Geschichte erzählen, von der die meisten jungen Mauritianer nie etwas gehört haben? Genau aus diesem Grund!“ So argumentiert Geneviève Pitot für ihr Buch „The Mauritian Shekel“ (The Story of the Jewish Detainees in Mauritius 1940-1945). Ihre eigene Entschuldigung wäre, dass sie erst zehn Jahr alt war, als die Flüchtlinge ankamen. Doch die auf Mauritius geborene Pitot hatte noch einen sehr persönlichen Beweggrund, die damaligen Ereignisse niederzuschreiben: Die Malerin Anna Frank aus Berlin hatte Glück, und sie durfte etwa ein Jahr an einer Schule Zeichenunterricht geben. Zu ihren Schülerinnen gehörte Geneviève Pitot, die viele Jahre später im Jüdischen Museum in Berlin Zeichnungen ihrer ehemaligen Lehrerin entdeckte. „Leider habe ich dann auch erfahren, dass sie bereits in Tel Aviv gestorben war“, schreibt Pitot 1998. Die Bauingenieurin, die in London und Frankfurt am Main tätig war, hat die Geschichte nicht mehr losgelassen und sie befragte dazu einstige Inhaftierte und deren Nachkommen und wertete Archive in Israel und London aus.

Gustav Spatzier Die Atlantic Bleistift auf Papier, Sammlung N. Kitron, Israel

lehrt, wie die künstlerischen Arbeiten von Fritz Haendel und Peretz Béda Mayer auf der Insel. „Auch ich wusste wenig über diese dramatische Geschichte und war einfach fasziniert und neugierig“, erzählt die Produzentin und Organisatorin der Ausstellung, Milli Segal. Evelyn aus Wien und Amnon aus Tel Aviv urlaubten 1999 zum ersten Mal auf Mauritius. Der Israeli wusste etwas über die Geschichte der jüdischen Flüchtlinge und erkundigte sich beim Generaldirektor des Sugar Beach Resort Hotels, ob es irgendwo noch Spuren dieser jüdischen Präsenz gäbe. Der aus Südafrika stammende Mana-ger, Andrew Slome, gab sich prompt als einziger Jude auf der Insel zu erkennen. Er führte das Paar in den Hotelshop,

Umweit des Gefängnisses von Beau Bassin fanden die beiden die 124 jüdischen Gräber: Gestorben an Malaria, Entkräftung oder an Verzweiflung, wie zum Beispiel der Karikaturist, Zeichner und Marionettenspieler Fritz Haendel: Er erhängt sich am 7. Januar 1945, nachdem er seine Holzfigur aus der Werkstatt nahm und den anderen zuraunte: „Ich werde meine Marionetten aufhängen“. Die Namen auf den Grabsteinen sind auch heute gut zu lesen: Ruth Gross, neun Jahre alt aus Wien, Harry Engler, 38, Moritz Hauser 60, alle from Austria, •

© CC

Die Ausstellung bei der Reichsbrücke in Wien 2008, wo der schicksalhafte „Ausflug“ begann, hat Pitot nicht mehr gesehen. Sie starb 2002 in Bad Homburg. Doch ihre packenden Aufzeichnungen (in französisch, englisch und deutsch erhältlich) waren ebenso eine inhaltliche Säule für die Kuratorin, Elena Makarova, die Erziehungswissenschaften an der Universität Bern

wo das Buch von Geneviève Pitot zu kaufen ist und verwies sie auch auf den jüdischen Teil des St. Martins Friedhofs.

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JÜDISCHE WELT • INLAND

Abschluss des achten Waldviertler „Peacecamps“ Das achte zehntägige „Peacecamp“ in der niederösterreichischen Ortschaft Reibers im Waldviertel hat im Wiener Museumsquartier feierlich seinen Ausklang gefunden. Unter den Gästen war auch der israelische Botschafter in Österreich, Aviv Shir-On. Der Diplomat drückte seine Wertschätzung für diese Art von Friedensarbeit aus und fügte hinzu, dass auch seine Kinder an solchen Friedenscamps teilgenommen hätten, wie Organisatorin Evelyn Böhmer-Laufer mitteilte.

JÜDISCHE WELT

36 jüdische und arabische Jugendliche aus Israel sowie Gleichaltrige aus Ungarn und Österreich hatten sich zehn Tage lang im Waldviertel mit Konfliktbewältigung und Friedensarbeit befasst. Neben politischen Diskussionen wurde dabei unter anderem auch eine Tanz- und Gesangsdarbietung einstudiert. Auch Friedensstatements wurden in verschiedenen Sprachen von den Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren vorgetragen. Zudem fand ein Treffen mit früheren „Peacecamp“-Teilnehmern statt, wie Böhmer-Laufer berichtete. Heuer brachten die jugendlichen Teilnehmer individuelle „Family Alben“ mit einer Dokumentation der jeweiligen persönlichen Familiengeschichte mit und setzen sich mit zeitgeschichtlichen Themen auseinander, wie der Shoah, dem Palästina-Konflikt aus jüdischer und arabischer Sicht, dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Entwicklung der Europäischen Union. Das Projekt wird von der Wiener Psychotherapeutin Böhmer-Laufer und dem „Verein zur Förderung der politischen Mündigkeit“ initiiertet und betreut. Eines der Hauptanliegen der Peacecamps ist es, Strategien gegen Ausländerfeindlichkeit und interkulturelle Konflikte zu entwerfen. Gefördert wird das Projekt vom Unterrichtsministerium, dem Land Niederösterreich, der Kahane-Stiftung und privaten Sponsoren. http://peacecamp2010.blogger.de

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„Wahrscheinlich hätte ich auch ohne Holocaust den Glauben verloren“ Der US-Schriftsteller Frederic Morton besucht regelmäßig seine Heimatstadt Wien. Im Mai war er u.a. bei „Salon Vienna“ im Rahmen des Kulturfestivals „SOHO in Ottakring“ zu Gast – und besuchte den Ort, an dem einst der Tempel stand, den er mit seiner Familie besuchte: den „Hubertempel“ in Hernals. „Die Gemeinde“ bat Morton zum Gespräch. VON ALEXIA WEISS Nein, Frederic Morton wirkt nicht wie 85, wenn man ihm gegenübersitzt. Beschwingt betritt er den Raum, beschwingt spricht er. Sein Deutsch ist heute noch akzentfrei, sein Englisch weist ihn ebenfalls akzentfrei als USAmerikaner aus. 1939 verließ Morton

Wien, doch nach Ende des NS-Regimes ist er immer wieder zurückgekehrt. Zunächst, um Reportagen zu verfassen, später hat er auch in Österreich oder der Schweiz mit seiner Familie Urlaub gemacht. „Für mich waren der Sommer immer die Alpen.“ Und die kleinen Wanderungen als Kind mit seinen Eltern am Wochenende, auf den Kahlenberg oder den Bisamberg, die vermisst er noch heute. „New York hat so etwas nicht.“ Dennoch: jede Rückkehr nach Österreich bringt ihn erneut etwas ins Wanken. Die erste sei die schwierigste gewesen, erzählt er. Doch bis heute „kann ich den kleinen zitternden Judenbuben in mir nicht auslöschen in

Informationen zum Opferfürsorgegesetz auf www.vorarlberg.at Informationen zum Opferfürsorgegesetz können auf der Startseite des Landes Vorarlberg www.vorarlberg.at unter „Opferfürsorge“ abgerufen werden. Das Opferfürsorgegesetz 1947 richtet sich an Personen, die in der Zeit von 6. März 1933 bis 9. Mai 1945 in Folge ihres Kampfes um ein freies, demokratisches Österreich oder durch Eingriffe des NS-Regimes verfolgt wurden und dabei bestimmte Schädigungen erlitten haben. Bei Vorliegen der Voraussetzungen erhalten die Opfer und ihre Hinterbliebenen finanzielle Entschädigungen. Zudem besteht Anspruch auf Renten, Sterbegeld und Heilfürsorge.

Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

JÜDISCHE WELT • INLAND den ersten ein, zwei Tagen“. Dann aber sehe er, „das ist eine andere Stadt, eine andere Generation“. Alle Österreicher zu verteufeln gehe ihm gegen den Strich. Wenn man eine ganze Gruppe verdamme, tue man nichts anderes, als Hitler getan habe. Auch sonst ist Morton mit Verurteilungen vorsichtig. „Ich weiß nicht, wie ich gedacht und gefühlt hätte, damals, wenn ich nicht Jude gewesen wäre.“ Der „Anschluss“ als Begriff sei heute ganz klar konnotiert. Doch nach dem Ersten Weltkrieg, da habe es viele gegeben, die gemeint hätten, Österreich müsse sich an Deutschland anschließen. Für viele sei es unvorstellbar gewesen, dass sich Österreich so klein halten könnte. Und Deutschland sei für den fortschrittlichen Westen gestanden. Hitler habe das ausgenutzt, auch indem er das Wort „sozial“ im Parteinamen unterbrachte. Sozial, das stand für Fortschritt. Morton erinnert sich an eine Episode aus seinen letzten Schultagen in Wien. Er sei als Jugendlicher vor allem eines gewesen: sportlich. Die Nazis waren bereits an der Macht, da gab der Turnlehrer bekannt, welche beiden Schüler der Klassen ausgewählt seien, um am Reichssporttag im Stadion teilzunehmen. „Mandelbaum und Schneider“ habe der Lehrer gesagt. „Für fünf Sekunden habe ich mich stolz gefühlt.“ Es dauerte nicht lange, bis jemand gesagt habe, der Mandelbaum sei doch Jude. Am Ende war auch das egal. Zwei Tage später durfte Morton ohnehin nicht mehr in diese Schule gehen. Den Namen Morton hat die Familie erst in den USA angenommen. Der Vater suchte dringend Arbeit, musste dazu Mitglied in einer Gewerkschaft werden – einer ganz offiziell antisemitischen Gewerkschaft. Man riet ihm zu einer Namensänderung. Aus Mandelbaum wurde Morton. Aus Franz Frank. Sohn Frederic hieß eigentlich Fritz. In den USA wurde aus ihm Fred. Und später, als sein erstes Buch erschien, da riet ihm der Verleger zu einem anderen Vornamen. Frederic. Eine ganz neue Namensidentität. Ob er daran gedacht habe, wieder den Namen Mandelbaum anzunehmen? Doch, sagt Morton, aber da sei schon ein Buch veröffentlicht worden, „und da war es dann zu spät. Aber es tut mir schon ein bisschen leid“. Juli 2010 - Tamus/Aw 5770

Ob es ihm auch leid tut, den Glauben verloren zu haben? Morton erzählt aus seiner Kindheit und Jugend. Die Familie sei nicht sehr religiös gewesen, auf alle Fälle nicht orthodox, doch zu den Feiertagen sei man in den Tempel gegangen. In den „Hubertempel“. Dort sei es eher so gewesen wie in einer evangelischen Kirche, eher kühl, menschlich gesehen. Ganz anders jedenfalls als in der kleinen orthodoxen Betstube, die es in einem der drei Häuser der Familie in der Thelemangasse gegeben habe – unterstützt vom Großvater Mortons, der hier keine Miete verlangt und auch eine Armenausspeisung finanziert habe. Emotionell sei das Leben in der orthodoxen Betstube anziehender gewesen. Schon damals habe er aber zu zweifeln begonnen. Und nach dem Holocaust, da habe er sich wie so viele andere gefragt: „Wie kann Gott das zulassen?“ Sein Resümee: „Wahrscheinlich hätte ich auch ohne Holocaust den Glauben verloren.“ Was er sich oft frage: „Wenn ich hier geblieben wäre, wäre ich auch Schriftsteller geworden?“ Die Schoa, das Exil, das seien Dinge gewesen, über die er schreiben habe müssen. Zwei Großmütter hat Morton durch die Schoa verloren. Für den Rest der Familie sei das Exil zu einem großen Trauma geraten, „weil wir solche Lokalpatrioten waren“. Für seine Eltern sei es allerdings noch schwerer gewesen als für ihn, weil er jung gewesen sei. Er habe nicht in den USA, sehr wohl aber in der Sprache „ein neues Zuhause gefunden“. Veröffentlicht hat Morton denn auch von Anfang an auf Englisch. Und dennoch: angesprochen auf seine Heimat sagt Morton, „meine Heimat muss Österreich sein. Wenn ich etwas anderes sagen würde, wäre das Verleugnung“. Und wenn andere Migranten sagen, dass sie Österreich hassen, „ist der Grund, warum sie das sagen, dass die Liebe noch da ist, sie das aber nicht zugeben können“. Diese Liebe zur Heimat sei auch immer mit Nostalgie verbunden: in Wien habe er seine Jugend verbracht. Im Rückblick neige da jeder zu Verzerrung. Die Betstube in der Thelemangasse wurde von den Nazis zerstört. Heute befindet sich an dem Platz ein muslimisches Kulturzentrum. Bis vor einiger Zeit sei darin eine Moschee gewesen. Auch diese habe er besucht.

„Dort hat man mir einen Koran gegeben.“ Wenn Morton heute durch die Ottakringer Straße spaziert, fühlt er sich an früher erinnert. Seine Familie hatte in der Thelemangasse eine Fabrik für Abzeichen und Medaillen. Unter den Arbeiterinnen seien auch viele Kroatinnen mit Kopftuch gewesen. In der Fabrik, da seien dann NS-Abzeichen produziert worden. Als die Republik das Gebäude in den fünfziger Jahren restituierte, habe man noch einige davon gefunden. Diese NS-Memorabilia hat Morton noch heute in New York. Würde er sie verkaufen, er würde von einschlägigen Fans wohl einiges dafür bekommen. Die Wiener City, das ist für Morton, obwohl schon so lange New Yorker, übrigens noch immer „die Stadt“. Hier geht er gerne in die Kaffeehäuser. Hier schlendert er gerne durch die Parks – den Stadtpark, den Volksgarten. „Und ich mag auch den Donaukanal sehr gerne.“ Immer fährt er aber auch nach Hernals. Eines der drei Häuser in der Thelemangasse gehört der Familie bis heute. Wenn er beim Engelmann vorbeikommt, erinnert er sich, wie es damals war, als Kind, hier eiszulaufen.In der Thelemangasse 6 gibt es heute den Kunstraum „Ewigkeitsgasse“. Das ist auch der Titel von einem der bekanntesten Bücher Frederic Mortons. Natürlich besuchte er im Mai auch diesen Ort. Es gibt immer viele Gründe, um Wien zu besuchen.

ZUR PERSON

Frederic Morton, geb. 1924 als Fritz Mandelbaum in Wien. Er wuchs in Hernals auf, besuchte hier das Bundesrealgymnasium (BRG) 17. Die Familie betrieb in der Thelemangasse eine Eisenwarenfabrik. Großvater Bernhard Mandelbaum schmiedete für Kaiser Franz Joseph I. Medaillen. 1939 ging die Familie zunächst nach England, 1940 in die USA. Aus den Mandelbaums wurden die Mortons. Und aus Fritz Mandelbaum der Journalist und Schriftsteller Frederic Morton. Zu seinen bekanntesten Werke zählen „Die Ewigkeitsgasse“, „Geschichten aus zwei Welten“ und „Das Zauberschiff“. 2006 veröffentlichte er die Autobiographie „Durch die Welt nach Hause. Mein Leben zwischen Wien und New York“.

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JÜDISCHE WELT • INLAND

Jüdisches Recht schützt Privatsphäre schon seit 1.000 Jahren legen. Seitdem gilt auch: ist ein Fall nicht auf Basis der Gesetze zu entscheiden, müssen die jüdischen Quellen herangezogen werden. Doch das jüdische Recht ist auch weit über Israel hinaus von Bedeutung, betont Rakover. In den USA etwa, in denen er immer wieder Gastprofessuren innehatte, stützt sich so manches Urteil auf jene Teile der Halacha, die sich mit den Beziehungen von Menschen zu Menschen befassen. Und dies auch in Fällen, in denen keine Juden involviert sind.

Altes Recht, moderne Haltungen: Nachum Rakover, Rabbiner, Rechtsgelehrter und ehemaliger stellvertretender Generalstaatsanwalt Israels, schilderte im Mai auf Einladung von Misrachi Österreich in Wien, wie aktuell das jüdische Recht ist. „Die Gemeinde“ bat Rakover zum Gespräch. VON ALEXIA WEISS Moderne Medien, soziale Netzwerke, Telekommunikation: der Mensch von heute schätzt die vielfältigen Möglichkeiten sich mitzuteilen und alles über andere zu erfahren. Aber wie sieht es dabei mit der Privatsphäre des Einzelnen aus? Weltweit versuchen die nationalen Rechtssysteme dieses Problem in den Griff zu bekommen. Im jüdischen Recht gibt es den Schutz der Privatsphäre nicht erst seit gestern. Vor 1.000 Jahren hat Rabbenu Gerschom ben Jehuda bereits das Briefgeheimnis eingeführt. Wer dagegen verstieß, wurde mit einem Bann belegt. „Man war plötzlich kein Mitglied der Synagoge mehr, niemand durfte mehr Geschäfte mit einem machen. Das war de facto der rechtliche Tod – also eine sehr schwere Bestrafung“, sagt Rakover. Vor rund 30 Jahren hat der Gelehrte in Israel „The Jewish Legal Heritage Society“ gegründet. Zu diesem Zeitpunkt beschloss Israel, sich nicht mehr weiter an das britische Recht anzulehnen, sondern den israelischen Gesetzen das jüdische Recht zu Grunde zu 32

Grundsätzlich sind im jüdischen Recht jene Werte festgeschrieben, von denen das menschliche Zusammenleben heute global geprägt ist. Rakover nicht ohne Stolz: „Man könnte auch sagen, das jüdische Volk gab der Welt den Rechtsbegriff.“

Und Rakover baute eine Bibliothek auf, die ständig um weitere Studien erweitert wird. Rakover will auch durch diese Forschungsarbeit deutlich machen, dass aktuelle Probleme so gut wie immer unter Zuhilfenahme der jüdischen Quellen gelöst werden können. „Civil Procedure in Jewish Law“, „Commerce in Jewish Law“, „Copyright in Jewish Law“, „Unjust Enrichmeht in Jewish Law“, „The Judge in Jewish Sources“, das sind einige der Forschungsgebiete der „Jewish Legal Heritage Society“. Die von der Gesellschaft erstellte Bibliographie des jüdischen Rechts umfasst mehr als 15.000 Einträge. www.mishpativri.org.il

Tradition ist das eine, Modernität das andere. Das Jüdische Recht wurde über die Jahrtausende immer wieder an die neuen Bedürfnisse angepasst. Das Klonen etwa, vom Christentum abgelehnt, wird im Judentum akzeptiert. Denn: der Mensch solle sein Bestes geben, um die Welt zu verbessern. Auch gegen künstliche Befruchtung haben die Rabbiner nichts einzuwenden. Neue Zeiten bedeuten aber auch moderne Kommunikationswege. Wer in der Diaspora lebt, hat oft keinen Zugang zu einem Rabbinatsgericht. Heute muss man nicht mehr nach Israel fliegen, um dort das Oberrabbinat zu konsultieren.

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