Neubau der Niedrigwasserschleuse Magdeburg

Neubau der Niedrigwasserschleuse Magdeburg Neubau der Niedrigwasserschleuse Magdeburg Dipl.-Wirtsch.-Ing. Christian Schlotter Bild 1: Das Wasserstra...
Author: Cathrin Baumann
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Neubau der Niedrigwasserschleuse Magdeburg

Neubau der Niedrigwasserschleuse Magdeburg Dipl.-Wirtsch.-Ing. Christian Schlotter

Bild 1: Das Wasserstraßenkreuz Magdeburg mit seinen Hauptbauwerken

1 Das Wasserstraßenkreuz Magdeburg Der mit dem Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit Nr. 17“ bezeichnete Ausbau der Wasserstraßenverbindung Hannover-Magdeburg-Berlin stellt eine höchst wirtschaftliche, umweltschonende und sichere Alternative für den Transport von Massen- und Gefahrgütern, Schwerlasten und Containern auf Straßen und Autobahnen dar. Ein wesentlicher Bestandteil des Projektes „Deutsche Einheit Nr. 17“ ist das Wasserstraßenkreuz Magdeburg (Bild 1). Um vom Mittellandkanal in den Elbe-HavelKanal und dann weiter nach Berlin zu gelangen, mussten die Schiffe die Elbe über einen Umweg kreuzen. Diese Route bedeutete nicht nur 12 km Mehrweg, sondern sie war zudem höchst problematisch, weil das Schiffshebewerk Rothensee keine Großmotorgüterschiffe aufnehmen konnte und weil die schwankenden Wasserstände der Elbe den Güterverkehr erheblich beeinträchtigen. Mit dem Bau und der Verkehrsfreigabe des Wasserstraßenkreuzes Magdeburg 2003 wurde eine ganzjährige, wasserstandsunabhängige Elbquerung erreicht.

Zum Wasserstraßenkreuz Magdeburg gehören mehrere Schleusenbauwerke, eine Kanalbrücke sowie mehrere Straßenbrücken zur verbindenden Kanalstrecke. Vollendet wird das Wasserstraßenkreuz Magdeburg mit der Fertigstellung der Niedrigwasserschleuse im Rothenseer Verbindungskanal (RVK) im Jahr 2013.

2 Die Niedrigwasserschleuse Die Niedrigwasserschleuse RVK ist Teil des Gesamtprojektes „Wasserstraßenkreuz Magdeburg“ und liegt im südlichen Teil des Rothenseer Verbindungskanals (RVK) unmittelbar hinter dessen Abzweig aus der Elbe bei Elbekm 333,600 (Bild 2). Die Wassertiefen im Rothenseer Verbindungskanal (RVK) und den anschließenden Magdeburger Häfen waren abhängig von den Elbwasserständen. Dies hatte zur Folge, dass an ca. 150 Tagen im Jahr keine ausreichende Wassertiefe von 4,00 m für die Güterschiffe vor1

Stahlspundwände (12) – Planung und Anwendung

Bild 2: Luftaufnahme Gesamtprojekt Wasserstraßenkreuz Magdeburg

handen war. Durch den Bau der Niedrigwasserschleuse sollte ein für die Schifffahrt erforderlicher Mindestwasserstand von 39,60 m über NN im Rothenseer Verbindungskanal sichergestellt werden. In Niedrigwasserzeiten werden die o. g. Bereiche durch die Niedrigwasserschleuse von der Elbe getrennt. Um die beim Betrieb der Niedrigwasserschleuse RVK auftretenden und auch anderweitig bedingten Wasserverluste zu kompensieren, wird östlich des Unterhauptes ein unter Gelände liegendes Pumpwerk errichtet.

Bild 3: Die Niedrigwasserschleuse im Rothenseer Verbindungskanal 1 Ein-/Ausfahrt Oberwasser 2 Oberhaupt 3 Schleusenkammer 4 Unterhaupt 5 Ein- und Ausfahrt Unterwasser

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Die Niedrigwasserschleuse besteht im Wesentlichen aus den folgenden Bauwerken (Bild 3): – Oberer Vorhafen – Ein-/Ausfahrtsbereich OW – Oberhaupt – Schleusenkammer (Gesamtlänge einschließlich Häupter: 215,00 m) – Pumpkanal (östlich der Kammer, von dieser durch Fangedamm abgeteilt) – Unterhaupt

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Neubau der Niedrigwasserschleuse Magdeburg

– Pumpwerk und Bypass (östlich des Unterhauptes unterwasserseitiger Abschluss des Kanals) – Ein-/Ausfahrtsbereich UW – Unterer Vorhafen – Elbuferspundwand Weiterhin werden noch Betriebswege, Straßen und Außenanlagen angelegt. Die Gesamtlänge der Schleuse ohne Leitwerke beträgt 215 m. Die nutzbare Kammerlänge beträgt 190,00 m, die Kammerbreite 25,00 m und die maximale Hubhöhe 1,86 m. Die Schleusenkammer wird in Spundwandbauweise ausgeführt. Die westliche Kammerwand wird als halbhohe, verankerte Spundwand, die östliche Kammerwand als 9,00 m breiter Fangedamm hergestellt. Die Schleusenplattform im Bereich der Häupter liegt hochwasserfrei bei 46,50 m über NN. Die Häupter werden mit Hubtoren als Verschlussorgan ausgerüstet. Das Füllen und Entleeren der Schleusenkammer geschieht über das Anheben der Hubtore. Zur Führung der Hubtore sind ca. 20,00 m hohe Aufbauten auf beiden Seiten der Häupter erforderlich. Dabei handelt es sich um vier identische, turmartige Gebäude mit einer Grundrissfläche von ca. 7,40 m x 7,90 m. In einem Anbau auf der Schleusenplanie werden die Hydraulikaggregate für die Hubzylinder angeordnet. Außerhalb von Niedrigwasserzeiten steht die Schleuse zur freien Durchfahrt offen und die Hubtore befinden sich in oberer Stellung. Die Durchfahrtshöhe unter den hochgefahrenen Hubtoren beträgt 6,90 m. Der Schiffsverkehr mit dreilagigen Containern ist somit gewährleistet. Die Bedienung der Schleuse erfolgt im Normalbetrieb mittels Fernbedienung. Am 03.09.2007 wurde das Hauptbaulos 5, die Herstellung der Schleuse, des Pumpwerkes sowie der Vorhäfen, an die Arge Mölders/Aug. Prien vergeben. Die Herstellung von Ausgleichsund Renaturierungsflächen sind ebenfalls im Auftragsumfang enthalten.

3 Bauablauf/ Aufrechterhaltung der Schifffahrt Bauablauf und Baufortschritte waren geprägt durch Aufrechterhaltung der Schifffahrt sowie stark schwankenden Wasserstände. In der ersten Bauphase wurde die Schifffahrt über die spätere Schleusenkammer geleitet. Es wur-

den die östliche Fangedammwand und das temporäre Leitwerk errichtet. In Bauphase 2 wurde die Schleuse mit Kammer und Häuptern errichtet. Während dieser Zeit fuhren die Schiffe durch den späteren Pumpkanal. In Bauphase 3 wurden die Schiffe durch die fertige Schleuse geführt, während die Arbeiten an den Leitwerken in den Ein- und Ausfahrten sowie am Pumpwerk erfolgten.

4 Spundwandarbeiten 4.1 Allgemein Die Spundwandarbeiten an der Niedrigwasserschleuse umfaßten im unmittelbaren Schleusenbereich Lieferung und Einbau von ca. 2.500 t Spundbohlen. Das Material wurde per Schiff angeliefert, umgeschlagen und eingebaut. Sowohl die Spundwände der Häupterbaugruben, als auch die der westlichen Kammerwand und des Pumpwerks mussten aus statischen Gründen mindestens 1,50 m in den örtlichen Septarienton einbinden. Die westlichen Stirnseiten der beiden Häupter wurden, wie auch die Spundwände im Ein- und Ausfahrtsbereich der Vorhäfen, mit bis zu 31 m langen Schrägpfählen verankert. Im Bereich der westlichen Kammerwand und im Fangedamm wurden Rundstahlanker eingebaut, teilweise in mehreren Lagen. Die Schleusenkammer wurde in sogenannter Spundwandbauweise hergestellt. Der Großteil der Rammarbeiten erfolgte in der ersten Hälfte des Jahres 2008 unter Einsatz von zwei schwimmenden Rammeinheiten. 2011 wurde in einem zweiten Einsatz der Rammeinheiten die Baugrube für das Pumpwerk hergestellt.

4.2 Schleusenhäupter Die beiden Schleusenhäupter wurden im Schutz einer zweilagig ausgesteiften Spundwandbaugrube hergestellt (Bild 4). Die Sohlen der Häupter sind im unteren Bereich durch eine 1,00 m starke Unterwasserbetonsohle abgegrenzt. Nach Komplettierung der Baugrubenaussteifung und nach dem Lenzen wurde die 3,00 m mächtige Häuptersohle aus Stahlbeton hergestellt (Bild 5). Auch die Kammerwände sind bis zur Schleusenplanie aus Stahlbeton errichtet. Hinter den Kammerwänden wurden im Bereich der Tornischen Kabelschächte bis zur Sohle nach unten geführt. 3

Stahlspundwände (12) – Planung und Anwendung

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Bild 4: Schleusenhaupt, zweilagig ausgesteifte Spundwandbaugrube

Bild 5: Massivbau Häupter (UH) – Häupterwände bis Planie im Sommer 2009

Oberhalb der Planieebene wurden die ca. 15,0 m hohen Hubtürme aus Stahlbeton errichtet. In den einzelnen Räumen der Türme sind zahlreiche elektrische Anlagenteile untergebracht. Die Hydraulikzylinder für die Schleusentore befinden sich in den Tornischen. Für die Hydraulikaggregate, -antriebe und Hydrauliköltanks wurden die Hydraulikräume konzipiert. Das Füllen und Entleeren der Schleusenkammer geschieht über das Anheben der Tore. Die Schleusentore mit Einzelgewichten von bis zu 110 t wurden mit komplett montierten Laufrollen im Sommer 2010 mit einem Schwimmkran eingehoben (Bilder 6 und 7).

4.3 Schleusenkammer Auch die Schleusenkammer wurde in Spundwandbauweise ausgeführt. Sie wird östlich vom 9,0 m breiten Fangedamm, westlich von der westlichen Kammerwand begrenzt. Nach Vorgaben des Auftraggebers wurde die Schleusenkammer für den Endaushub, den Einbau des Kornfilters, der Deckwerksteine und die Verklammerung vollständig gelenzt. Aufgrund der stark schwankenden Wasserstände wurde die Schleusenkammer während dieser Arbeiten innerhalb eines halben Jahres sechs Mal geflutet (Bilder 8 bis 11).

Bild 6: Schleusentore – Einbau im September 2010

Bild 7: Laufrollen für die Schleusentore

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5 Sonstige Arbeiten 5.1 Pumpwerk mit Bypass Das Pumpwerk wurde östlich des Unterhauptes im Schutz einer ausgesteiften Spundwandbaugrube errichtet und schließt den Pumpkanal gegen das Unterwasser ab. Es liegt unter Gelände. Der Zugang erfolgt durch einen Tunnel vom UH-Ost aus. Es besteht aus dem Einlaufbauwerk, der Pumpenkammer und dem Auslaufbauwerk. Jede der drei Tauchpumpen hat ihre eigene Einlauf- und Auslaufkammer; diese können zu Revisionszwecken mit Dammtafeln verschlossen werden. Vor den Einlauföffnungen sind Rechen angebracht.

Bild 8: Spundwandarbeiten – Einbringen Spundbohlen Schleusenkammer

Der Bypass dient dazu, einen rückseitigen Überdruck auf die Hochwasserschutztafeln beim Zurückgehen eines Hochwassers zu vermeiden. Er wurde mit Nord-Süd-Lage parallel zum Pumpwerk im Auffüllbereich zwischen der östlichen Pumpwerksaußenwand und dem Ostufer RVK eingebaut. Der Bypass besteht aus einer Rohrleitung der Nennweite DN 1800 mit beiderseits jeweils einem elektrisch verstellbaren Schieber mit davor gesetztem Rechen. Der Bypass ist in Zeiten normaler Betriebswasserstände für das Wartungs- und Inspektionspersonal frei zugänglich.

Bild 9: Schleusenkammer – Aushub im Trockenen im September 2010

Bild 11: Schleusenkammer – hochwasserbedingte Flutung der Baugrube im August 2010

Bild 10: Schleusenkammer – Einbau Deckwerk im März 2011

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Stahlspundwände (12) – Planung und Anwendung

5.2 Böschungssicherung Schleuse und Vorhäfen Während die Böschungen des östlichen Ufers des RVK durch ein verklammertes Deckwerk gesichert sind, machten die stark schwankenden Wasserstände die Sicherung der Böschungen des westlichen Ufers notwendig. In den Vorhäfen wurden oberhalb der Spundwände ab +42,00 m NN sowohl der Dienstweg mit einer Breite von ca. 2,0 m, als auch die mit 1:2 geneigte Böschung mit Wasserbaupflaster gesichert. Das behauene Pflaster aus Portugal wurde dabei per Binnenschiff antransportiert und im Hafen umgeschlagen. Die Fußsicherung des Pflasters erfolgte mit Betonwinkelelementen. Für die Böschungssicherung an der Niedrigwasserschleuse wurde in Summe ca. 11.000 m2 Böschungen und Dienstwege gepflastert, sowie 1.650 m Betonwinkelelemente gesetzt.

Gesamtkonstruktion besteht aus 11 einzelnen Verbundkonstruktionen, die jeweils aus zwei in die Böschung gerammten Stahlrohren und zwei über der Spundwandgurtung montierten Rahmen mit geringem Durchmesser bestehen. Aus statischen Gründen wurden die einzelnen Rohre miteinander kraftschlüssig verbunden. Zusätzlich wurden die tragenden Rohre in der Böschung ausbetoniert. Um bei höheren Wasserständen ein Anlegen und Festmachen der Schiffe zu ermöglichen, wurden je Anlegekonstruktion Poller auf drei Höhenlagen montiert. An zwei Bereichen wurden zusätzliche Laufstege sowie Steigleitern in die Konstruktion integriert. Damit ist die Nutzung der Schifffahrt bei unterschiedlichen Wasserständen gewährleistet.

6 Rückblick 5.3 Auffahrschutz unterer Vorhafen Im Bereich des unteren Vorhafens wurde auf der westlichen Seite des RVK unmittelbar anschließend an die Schleuse ein zusätzlicher Auffahrschutz für die Schifffahrt auf einer Länge von ca. 230 m hergestellt. Der Auffahrschutz soll bei Wasserständen unter +42,00 m NN vor dem Auffahren und Kollidieren mit der Spundwand schützen, deren Oberkante bei +42,00 m NN liegt. Die

Bild 12: Blick in die neue Niedrigwasserschleuse Magdeburg mit dem Oberhaupt im Vordergrund

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Zahlreiche unvorhergesehene Hochwasserereignisse führten zu Unterbrechungen und Verzögerungen des Bauablaufs. Das Sommerhochwasser des Jahres 2013, mit bis dahin noch nie dagewesenen Rekordwasserständen führte zu erneuten Verzögerungen bei den Funktionsproben und der Gesamtfertigstellung des Bauwerkes. Am 12.12.2013 erfolgte die feierliche Verkehrsfreigabe und gleichzeitige Übergabe an den zukünftigen Betreiber, das WSA Magdeburg (Bild 12).