Brasilien: Politik und Wirtschaft

Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Transport und Technologie © München, 20.09.2006 Brasilien: Politik und Wirtschaft Außenwirtschaftli...
Author: Melanie Winter
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Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Transport und Technologie ©

München, 20.09.2006

Brasilien: Politik und Wirtschaft Außenwirtschaftliche Beziehungen zu Brasilien - Grundsatzvermerk 1

Allgemeines........................................................................................................ 2 1.1 Rahmendaten ........................................................................................... 2 1.2 Staat und Verwaltung ............................................................................... 2

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Politische Lage .................................................................................................. 2 2.1 Innenpolitik................................................................................................ 2 2.2 Außenpolitik .............................................................................................. 2 2.3 Präsidentschaftswahl am 01. Oktober 2006 ............................................. 3

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Wirtschaftliche Lage.......................................................................................... 3 3.1 Grundlinien der Wirtschaftsstruktur........................................................... 3 3.2 Aktuelle wirtschaftliche Entwicklung ......................................................... 3 3.3 Außenwirtschaft ........................................................................................ 4 3.4 Auslandsverschuldung.............................................................................. 4

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Internationale Beziehungen .............................................................................. 5 4.1 Mitglied in internationalen Organisationen................................................ 5 4.2 Außenpolitische Lage ............................................................................... 5 4.3 Deutsch – Brasilianische Beziehungen..................................................... 7 4.4 Bayerisch – Brasilianische Beziehungen .................................................. 8

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Branchenspezifischer Überblick .................................................................... 10 5.1 Kfz-Industrie und Kfz-Teile ..................................................................... 10 5.2 Maschinen- und Anlagenbau .................................................................. 10 5.3 Elektrotechnische Erzeugnisse............................................................... 11 5.4 Chemische Industrie ............................................................................... 11 5.5 Informationstechnologie.......................................................................... 11 5.6 Medizintechnik ........................................................................................ 12 5.7 Biotechnologie ........................................................................................ 13 5.8 Erneuerbare Energien / Biotreibstoffe..................................................... 13 5.9 Infrastruktur / Bauwirtschaft .................................................................... 14

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Allgemeines

1.1 Rahmendaten Brasilien ist mit einer Fläche von 8.5 Mio km2 der fünftgrößte Staat der Erde und mit 185 Millionen Einwohnern der bevölkerungsreichste Südamerikas. Er nimmt 47 % des Kontinents ein und hat mit jedem südamerikanischen Land außer Chile und Ecuador eine gemeinsame Grenze. Die Bevölkerungsdichte beträgt 22 Einw./km2, das Bevölkerungswachstum 1,4 % p.a. 1.2 Staat und Verwaltung Brasilien (República Federativa do Brasil) ist seit 1889 eine föderative Präsidialrepublik, aufgeteilt in 26 Bundesstaaten (Estados) und einen Bundesdistrikt mit der Hauptstadt Brasília. Die demokratische Verfassung von 1988 regelt u. a. die direkte Wahl des Staatspräsidenten (seit 2003 Luiz Inácio Lula da Silva) sowie die Wahl der Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats. Die Farben der Staatsflagge entsprechen dem Grün der Tabak- und Kaffeeblätter und dem Blau des Himmels, das Gelb erinnert an den einstigen Goldreichtum. In der Mitte steht der Spruch Ordem e Progresso (Ordnung und Fortschritt). Die 27 Sterne entsprechen sowohl dem Sternenhimmel über Rio de Janeiro am 15. November 1889, dem Tag der Verkündung der Republik als auch den brasilianischen Bundesstaaten mit Brasília.

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Politische Lage

2.1 Innenpolitik Brasilien ist von starken sozialen und regionalen Gegensätzen geprägt. Der Süden verkörpert überwiegend wirtschaftlichen Fortschritt und Entwicklung und verfügt über vergleichsweise moderne Wirtschaftsstrukturen. Im Norden und Nordosten sind Rückstand, Armut und Unterentwicklung stärker ausgeprägt, jedoch setzt auch hier ein Wandel ein. Generell zählen Armut, wuchernde Korruption, ein defizitäres Bildungsangebot sowie eine mangelhafte Infrastruktur zu den großen Problemen im Land. Die Parteien haben tendenziell eine schwächere Rolle als in Deutschland. Zur politischen Kultur Brasiliens gehören starke Persönlichkeiten, die über eine regionale Machtbasis verfügen, der gegenüber Parteiloyalitäten in den Hintergrund treten. Doch ein neues Brasilien drängt heute nach vorne. Es gibt zunehmend zumeist jüngere Kräfte, die sich für Reformen, eine ausgewogenere Sozialstruktur und für eine Modernisierung des Landes in allen Bereichen einsetzen. Die Bedeutung der Zivilgesellschaft in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion nimmt kontinuierlich zu. 2.2 Außenpolitik Im Zuge der immer größeren internationalen Verflechtung Brasiliens nimmt sich Präsident Lula, wie auch schon sein Vorgänger Cardoso, in hohem Maße außenpolitischer Themen an. Außenminister ist seit Januar 2003 der

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Karrierediplomat Celso Amorim. Brasilien hat sich von der Politik der handelspolitischen Abschottung der siebziger und achtziger Jahre grundlegend abgekehrt. Es verfolgt aktiv seine Exportinteressen, insbesondere im Bereich der wettbewerbsfähigen brasilianischen Landwirtschaft und tritt dementsprechend für einen freieren Welthandel ein. 2.3 Präsidentschaftswahl am 01. Oktober 2006 Verschreckte Präsident Lula vor vier Jahren noch Investoren, ist der ehemalige Gewerkschafter und Arbeiterführer nun zum Garanten für politische und wirtschaftliche Stabilität avanciert. Auch wenn es etliche seiner Anhänger verstörte, hat er die konservative Geld- und Wirtschaftspolitik seines Vorgängers weitergeführt. Inzwischen ist die Inflation unter Kontrolle, der Haushalt im Gleichgewicht und die Auslandsverschuldung kein Anlass mehr, die brasilianische Währung erzittern zu lassen. Die Wirtschaft wächst solide. Vier Millionen neue Jobs sind seit Lulas Amtsantritt entstanden. Gingen früher Börsen und Anleihemärkte vor Wahlen regelmäßig auf Achterbahnfahrt, bleiben die Finanzmärkte jetzt ruhig. Dass der jetzige Präsident Lula gute Chancen hat, schon im ersten Wahlgang bestätigt zu werden, sehen Wall Street und Investoren gelassen.

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Wirtschaftliche Lage

3.1 Grundlinien der Wirtschaftsstruktur Wegen der anstehenden Wahlen dürfte sich das Reformtempo zunächst verlangsamen, wenngleich der Reformdruck in vielen Bereichen der Wirtschaft nach wie vor hoch ist. Erste Erfolge sind in der Geld- und Finanzpolitik zu verbuchen. Die Geld- und Finanzpolitik hat maßgeblich zur Preis- und Wechselkursstabilität beigetragen. Dennoch macht sich auch hier insbesondere vom linken Flügel des PT zunehmend Kritik laut. Die brasilianische Zentralbank hat Mitte Januar 2006 den Tagesgeldsatz, die sogenannte Taxa Selic, um 75 Basispunkte auf 17,25 % und im September 2006 bereits auf 14,25 % gesenkt. Damit hat sie den im September 2005 eingeschlagenen Zinssenkungskurs erwartungsgemäß fortgesetzt. Damals hatte die Taxa Selic noch 19,75 % betragen. Erstmals seit Jahren wird es der Zentralbank voraussichtlich in diesem Jahr gelingen, die Teuerung auf das vorgegebene Niveau einzudämmen. 3.2 Aktuelle wirtschaftliche Entwicklung Die Wirtschaftslage hat sich 2005 in Brasilien verhalten positiv entwickelt. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs real um 2,0 - 2,5 % nach 4,9% in 2004. Bei einem Bevölkerungswachstum von 1,3% bedeutet dies eine Steigerung der Wirtschaftsleistung pro Kopf um ca. 1%. Zum Jahresende zeigte sich eine leichte Wachstumsbelebung. Für 2006 wird mit einem Wachstum von 3,5 - 4% gerechnet. Weiterhin sehr positiv entwickelten sich die Exporte, die um 23 % auf 118,3 Mrd. US$ anstiegen. Dabei fiel der Zuwachs bei industriellen Fertigprodukten (Anteil am Gesamtexport ca. 55%) und Rohstoffen (Anteil am Gesamtexport ca. 30%) gleich hoch aus. Die brasilianischen Importe stiegen um 17 % auf 73,5 Mrd. US$. Die Direktinvestitionen des Auslands lagen mit 21,6 Mrd. US$ ähnlich hoch wie im Vorjahr (20,3 Mrd. US$) In Folge der insgesamt weiter positiven Konjunktur-

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entwicklung sank die Arbeitslosenquote im Dezember 2005 auf 8,3% nach 9,6% im gleichen Vorjahresmonat. Die Inflationsrate betrug Ende 2005 5,7%. Sie lag damit niedriger als Ende 2004 (7,6%). Hierzu trugen die Faktoren Ölpreisentwicklung und Inflationsindexierung wichtiger Güter (ca. 30% des Warenkorbs) erheblich bei. Als sich die Preissteigerungsraten und die Inflationserwartungen des Marktes dem Zielwert für die Inflation 2006 (4,5 %) annäherten, folgten bis zum Januar 2006 Zinssenkungen bis auf 14,25 %. Trotzdem liegen die brasilianischen Realzinsen weiter auf einem internationalen Rekordniveau. Die brasilianische Leistungsbilanz wies 2005 einen Überschuss von 14,2 Mrd. US$ auf. Die Nettodevisenreserven stiegen von Jahresanfang 2005 bis Anfang 2006 von 27,8 Mrd. US$ auf über 50 Mrd. US$. Die brasilianische Auslandsverschuldung sank bis Ende September 2005 von 201,4 zu Jahresanfang 2006 auf 183,1 Mrd. US$ und damit auf den niedrigsten Wert seit 1996. Das Regierungsziel für den Primärüberschuss des öffentlichen Haushalts (vor Schuldendienst) von 4,25% wurde mit 4,84% sogar übertroffen. Als Folge der im Jahresdurchschnitt 2005 sehr hohen Zinsen stieg aber das Nominaldefizit von 2,7% 2004 auf 3,3 %. Die öffentliche Nettoverschuldung dürfte nur geringfügig von 51,8% des BIP Ende 2004 auf ca. 51,6 % Ende 2005 gesunken sein. Anders als in früheren Jahren gelten so gegenwärtig weder Außenwirtschaft noch Budgetlage als akutes Risiko für die brasilianische Wirtschaft. 3.3 Außenwirtschaft Die außenwirtschaftlichen Bilanzen haben sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Während das Land zu Zeiten der Dollaranbindung des Reals unter hohen Defiziten in der Handels- und schließlich auch in der Leistungsbilanz litt, so dass die Auslandschulden zwangsläufig immer weiter zunahmen, verzeichnet Brasilien mittlerweile beträchtliche Überschüsse im Außenhandel. Nach einem Exportwachstum auf Dollarbasis von über 30 % im Jahr 2004 ist die Warenausfuhr im vergangenen Jahr um knapp 23 % gestiegen. Zwar haben auch die Einfuhren (2005: +17 %) zugenommen, doch hat sich der Überschuss in der Handelsbilanz weiter vergrößert. 2005 betrug er 14,3 Milliarden US$. Dank dieser erfreulichen außenwirtschaftlichen Entwicklung kündigte die Regierung im Dezember 2005 an, bis zum Jahresende alle noch ausstehenden Schulden beim Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzuzahlen. Der Gesamtbetrag von 15,5 Milliarden Dollar wäre eigentlich erst in mehreren Tranchen in den Jahren 2006 und 2007 fällig geworden. Die vorzeitige Rückzahlung sei "das Resultat der Stärkung der makroökonomischen Fundamente", sagte Finanzminister Antônio Palocci. Leisten kann sich dies Brasilien vor allem dank der umfangreichen Devisenreserven. Diese beliefen sich Ende 2005 noch auf 53,6 Milliarden US$. Mit der vorzeitigen Rückzahlung gibt die Regierung ein Signal der Stärke, um möglichen Turbulenzen wie vor den Präsidentenwahlen 2002 vorzubeugen. Wichtigste Handelspartner neben den USA sind Argentinien, die VR China und an vierter Stelle Deutschland. 3.4 Auslandsverschuldung Brasiliens Auslandsschulden beliefen sich nach Notenbankangaben Ende September 2005 auf 202 Milliarden US$. Während der Anteil am BIP mit rund 25 % im internationalen Vergleich tragbar erscheint, erschwert der geringe Exportanteil

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den Schuldendienst. Während das Land allerdings noch vor wenigen Jahren von vielen Experten als ausfallgefährdet angesehen wurde, hat sich die Situation nach der Freigabe der Währung und der anschließenden Verbesserung der außenwirtschaftlichen Bilanzen nachhaltig verbessert. Ein Indiz dafür ist nicht zuletzt auch das Länderrating des „Institutional Investor“. Dort lag Brasilien im September 2005 mit 48,2 von 100 möglichen Punkten unter 173 bewerteten Ländern auf Position 66. Innerhalb des letzten Jahres hat sich die Einschätzung dabei um 5,6 Wertungspunkte verbessert.

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Internationale Beziehungen

4.1 Mitglied in internationalen Organisationen Vereinte Nationen und ihre Sonderorganisationen, Organisation der Amerikanischen Staaten (OEA), Gemeinsamer Markt des Südens (Mercosul), Gruppe der Zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, Bewegung der Blockfreien Staaten, Iberoamerika-Gipfel, Gemeinschaft der Portugiesischsprachigen Länder, Rio-Gruppe, Südamerikanische Staatengemeinschaft. 4.2

Außenpolitische Lage

Grundlinien der Außenpolitik Brasilien hat sich von der Politik der handelspolitischen Abschottung der siebziger und achtziger Jahre grundlegend abgekehrt. Es verfolgt aktiv seine Exportinteressen, insbesondere im Bereich der wettbewerbsfähigen brasilianischen Landwirtschaft und tritt dementsprechend für einen freieren Welthandel ein. Die wichtigsten Ziele brasilianischer Außenpolitik sind die Stärkung der Beziehungen zu den südamerikanischen Nachbarländern und der Aufbau einer ausgewogenen multilateralen Weltordnung. Weitere außenpolitische Schwerpunkte sind: •

Dynamisierung der Beziehungen mit Entwicklungsländern, insbesondere mit Indien und Südafrika, und Stärkung der Stimme der Entwicklungs- und Schwellenländer in der Welt



Stärkung der Rolle portugiesischsprachiger Staaten



Reform des Systems der Vereinten Nationen: Brasilien strebt einen eigenen ständigen Sitz im Sicherheitsrat an. Gemeinsam mit Deutschland, Indien und Japan verfolgt Brasilien dieses Interesse im Rahmen der G4. Brasilien bemüht sich um eine Reform der internationalen Finanzinstitutionen (Währungsfonds, Weltbank).

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Beziehungen zu den Staaten Südamerikas Brasilien hat den Beziehungen zu den Nachbarstaaten auf dem südamerikanischen Kontinent eine klare Priorität eingeräumt. Die regionale Integration mit Schwerpunkt im Mercosur, aber auch andere regionale Gruppierungen sowie vor allem die neu gegründete Gemeinschaft der südamerikanischen Staaten haben für Brasilien Vorrang vor der von den USA betriebenen hemisphärischen Integration, vor allem vor dem Projekt einer gesamtamerikanischen Freihandelszone (FTAA/ALCA). Die Integrationsbemühungen sind für Brasilien Grundlage nicht nur für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Region, sondern auch für die grenzüberschreitende Erschließung der wirtschaftlichen Ressourcen des Subkontinents ("physische Integration") sowie für die Bekämpfung von politischer Instabilität, Armut, Drogenproblemen und Terrorismus. Brasilien engagiert sich daher auch aktiv für die Lösung politischer Probleme in Nachbarländern. Beziehungen zur Europäischen Union und den USA Brasilien arbeitet in vielen Bereichen mit den USA eng zusammen, steht ihnen aber selbstständig und mit teilweise divergierenden Auffassungen zu globalen Fragen gegenüber. Es bemüht sich, die starke Rolle der USA durch eine Festigung und Ausweitung des Mercosur auszugleichen. Das Verhältnis zu Europa, besonders zur Europäischen Union, hat deshalb für Brasilien an Bedeutung gewonnen. Die wichtigsten Probleme im Verhältnis zur EU ergeben sich aus brasilianischer Sicht im Landwirtschaftsbereich, konkret beim Marktzugang, und bei der Konkurrenz seitens der EU auf Drittmärkten. Brasilianische Außenpolitik im multilateralen Rahmen Im Rahmen der in Doha (09.-14.11.2001) begonnenen laufenden Runde der Welthandelsverhandlungen setzt sich Brasilien mit Nachdruck dafür ein, die Exportsubventionen von Agrarprodukten schrittweise abzubauen. Brasilien ist Gründungsmitglied einer im Vorfeld der WTO-Ministerkonferenz in Cancun 2003 entstandenen Gruppe von Entwicklungs- und Schwellenländern (G 20), die in der laufenden Verhandlungsrunde der WTO ("Doha-Runde") ihre Positionen gebündelt vertreten. Brasilien arbeitet im Rahmen internationaler Organisationen aktiv mit. Entsprechend seinem Verständnis als Schwellenland und seinem Bekenntnis zu einer Wahrung der Menschenrechte zeigt es sich als wichtiger Partner Deutschlands und der Europäischen Union. Zu seinen Zielen gehört die Stärkung des Systems der Vereinten Nationen einschließlich der Rolle des Sicherheitsrates bei der Wahrung des Weltfriedens. Zugleich setzt es sich für eine Reform der Vereinten Nationen einschließlich einer Erweiterung des Sicherheitsrates ein und arbeitet hierbei mit Deutschland, Indien und Japan eng zusammen; die vier Länder unterstützen sich gegenseitig für einen ständigen Sitz in einem erweiterten Sicherheitsrat. Zu dem wachsenden Interesse der Regierung und der städtischen Öffentlichkeit an der nationalen Umweltpolitik kommt eine spürbare Öffnung der Regierung in Fragen der Umweltaußenpolitik und der internationalen Zusammenarbeit hinzu.

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4.3

Deutsch – Brasilianische Beziehungen

Politische Beziehungen Zu einer Intensivierung der ohnehin guten Beziehungen kam es in den frühen neunziger Jahren. Zwei Besuche von Bundeskanzler Kohl (1991 und 1996), ein erster Besuch von Staatspräsident Cardoso (1995), ein weiterer Gegenbesuch von Bundespräsident Herzog (1995) sowie eine Reihe von gegenseitigen Minister- und Abgeordnetenbesuchen haben den Beziehungen eine neue Qualität gegeben. Präsident Cardoso traf Bundeskanzler Gerhard Schröder im April 1999 in Bonn. Am 13. und 14. Februar 2002 besuchte Bundeskanzler Schröder mit einer großen Unternehmerdelegation Brasilien. Der neue Staatspräsident Lula besuchte Deutschland als erstes europäisches Land vier Wochen nach seinem Amtsantritt im Januar 2003. Seither haben sich die Kontakte weiter vertieft. Im November 2003 stattete Bundespräsident Rau Brasilien einen offiziellen Besuch ab, Bundesaußenminister Fischer im November 2004. Im Jahr 2005 haben zahlreiche Parlamentarierreisen stattgefunden. Wirtschaftliche Beziehungen Brasilien ist Deutschlands wichtigster Handelspartner in Lateinamerika. Brasilien liegt als Abnehmerland deutscher Waren auf Platz 29 und als Lieferland auf Platz 26. Die deutsche Beteiligung an den brasilianischen Privatisierungen der letzten Jahre (insbesondere Telekommunikation, Bankenwesen) machte nicht einmal 1% aus. Die Bereiche Energie und Wasser, für die sich deutsche Unternehmen stärker interessiert haben, wurden von weiterer Privatisierung vorläufig ausgenommen. Wichtig ist, dass die bereits in Brasilien tätigen ca. 1200 deutschen Tochterunternehmen zunehmend reinvestieren. Einschließlich der Re- und der Drittlandinvestitionen haben die Investitionen deutscher Unternehmen ca. 20 Mrd. US$ erreicht. Seit Anfang 2004 ist auch eine neuerliche Zunahme von Neuinvestitionen feststellbar. Für die bilaterale Kooperation im Infrastruktur- und Energiebereich war während des Besuches von Bundeskanzler Schröder im Februar 2002 eine brasilianischdeutsche Initiative vereinbart worden. Auf den 20. Wirtschaftstagen Deutschland / Brasilien in Hamburg, Ende Juni 2002, wurde dazu eine spezielle Arbeitsgruppe gegründet, die sich aus Vertretern von Wirtschaft und Regierung beider Seiten zusammensetzt. Im November 2002 hat sie ein umfangreiches Investitionsprogramm verabschiedet. Ansprechpartner sind der BDI und das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Vom 09. – 11. Juli fanden in Berlin die 24. Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftstage unter dem Motto „Brasilien und Deutschland – Partner in einer globalisierten Weltwirtschaft“ statt. Die jährlich stattfindenden Wirtschaftstage werden vom BDI und dessen brasilianischer Partnerorganisation CNI veranstaltet. Das XXIV. Unternehmertreffen stand unter der Leitung von BDI-Präsident Jürgen R. Thumann und Armando de Queiroz Neto Monteiro, dem Präsidenten des brasilianischen Industrieverbandes CNI. Von Seiten der deutschen Politik nahm der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Michael Glos, teil. Aus Brasilien waren Wirtschaftsminister Luiz Fernando Furlan und Agrarminister Roberto Rodrigues sowie weitere hochrangige Regierungsvertreter vertreten.

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Mehrere hundert Teilnehmer nutzten die wichtigste Veranstaltung in den deutschbrasilianischen Wirtschaftsbeziehungen seit Jahrzehnten als hilfreiche Informationsplattform und zur Anbahnung von wichtigen Kontakten zu Wirtschaft und Politik beider Länder. Die nächsten Deutsch-Brasilianischen Wirtschafttage werden vom 18.20.11.2007 im Bundesstaat Santa Catarina, Blumenau stattfinden. Parallel zu den Wirtschaftstagen trat am 11. Juli 2006 die Deutsch-Brasilianische Wirtschaftskommission zu ihrer 33. Sitzung zusammen. Regierungs- und Unternehmensvertreter erörterten gemeinsam die gesamte Spannbreite der Wirtschaftsbeziehungen. Außenhandelsentwicklung Deutschland - Brasilien: • Deutsche Importe (Mio. €): 2002: 3.779 / 2003: 3.959 / 2004: 4.668, 2005: 5,72 • Deutsche Exporte (Mio. €): 2002: 4.899 / 2003: 4.096 / 2004: 4.644, 2005: 5,46 Direktinvestitionen: • Die deutschen Direktinvestitionen in Brasilien erreichten 2004 einen Bestand von 5.796 Mio. EUR. Deutschland ist damit der größte Auslandsinvestor in Brasilien. • Die brasilianischen Direktinvestitionen in Deutschland erreichten 2004 einen Bestand von 101 Mio. €. Wichtige Abkommen: Wichtigste bilaterale Wirtschaftsabkommen sind: • Seeverkehrsvertrag vom 04.04.1979 mit 2. Zusatzprotokoll vom 18.11.1992 • Investitionsschutz- und -fördervertrag vom 21.09.1995 (Ratifikationsverfahren von Brasilien allerdings ausgesetzt). Das deutsch-brasilianische Doppelbesteuerungsabkommen vom 27.06.1975, das seit dem 01.01.1976 in Kraft gewesen war, wurde im April 2005 von deutscher Seite mit Wirkung zum 31.12.2005 gekündigt. 4.4

Bayerisch – Brasilianische Beziehungen

Politische Beziehungen • April 2003: Delegationsreise von StS Hans Spitzner nach São Paulo, Paraná und Santa Catarina • September 2003: Besuch des Gouverneurs von Santa Catarina, Herr Luiz Henrique da Silveira, in München; Empfang durch StM Dr. Hans Zehetmair und StS Hans Spitzner • März 2004: Besuch einer Delegation aus São Leopoldo unter Leitung des Kultusministers von Rio Grande do Sul, Herr Roque Jacoby; Empfang durch StS Hans Spitzner • Juli 2004: Delegationsreise von StS Spitzner nach Rio de Janeiro, Minas Gerais und São Paulo • Dezember 2004: Reise von StM Dr. Werner Schnappauf nach São Paulo • April 2005: Besuch der Stadträtin für öffentliche Dienste São Paulos, Frau Maria Helena Orth; Empfang durch StM Dr. Werner Schnappauf anlässlich der IFAT

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Mai 2005: Delegationsreise von StM Huber nach Rio de Janeiro und São Paulo September 2005: Besuch einer Delegation aus São Paulo, bestehend aus dem Minister für Wissenschaft, Technologie und Wirtschaftsentwicklung, Dr. João Carlos de Souza Meirelles, dem Minister für Umwelt, Prof. José Goldemberg sowie einer Reihe von Vertretern aus der Wirtschaft, unter der Leitung des Gouverneurs, Dr Geraldo Alckmin Oktober 2006: Delegationsreise unter Leitung von Staatssekretär Spitzner nach Rio de Janeiro, Porto Alegre, São Paulo und Campinas

Wirtschaftliche Beziehungen Brasilien ist Bayerns wichtigster Handelspartner in Lateinamerika. Viele namhafte bayerische Firmen sind in Brasilien mit Niederlassungen oder Vertretungen präsent. U.a. sind BMW AG, Audi AG, Ina-Schaefler KG, Hypovereinsbank AG, MAN AG, MTU AG und Siemens AG, daneben aber auch eine Vielzahl kleinerer Unternehmen, wie z. B. Brückner Maschinenbau GmbH vor Ort. Seit März 1999 ist Bayern zur Unterstützung der bayerischen Wirtschaft in Brasilien mit einer eigenen Repräsentanz, geleitet von Herrn Martin Langewellpott, vor Ort. Außenhandelsentwicklung Bayern – Brasilien: • Bayerische Importe (Mio. €): 2002: 235 / 2003: 241 / 2004: 369 / 2005: 294 •

Bayerische Exporte (Mio. €): 2002: 701 / 2003: 558 / 2004: 727 / 2005: 767

Direktinvestitionen Bayern – Brasilien: Offizielle statistische Angaben über den Bestand der Investitionen liegen für Bayern nicht vor. Bayerisch – Brasilianische Projekte • Partnerschaftsprojekt zwischen der Handwerkskammer in München mit der „Stiftung Unternehmer“ von Handels- und Industrieverbänden („Fundacão Emprender“) im Nordosten des Bundesstaates Santa Catarina (1991-2001); der erfolgreiche entwickelte Ansatz zur Organisationsentwicklung von Unternehmerverbänden und Förderung von KMU in Santa Catarina soll nun auf nationale Ebene übertragen und angewendet werden. • Seit 1997 Durchführung von Fortbildungsprogrammen „Kommunaler und betrieblicher Umweltschutz“ (AMBITEC) und „Nachwuchsführungskräfte“ mit Brasilien; brasilianische Führungs- und Nachwuchsführungskräfte werden nach Bayern eingeladen und mit Umweltschutztechnologie und Managementmethoden in Bayern vertraut gemacht. Außerdem werden Geschäftspartnerschaften mit bayerischen Unternehmen angebahnt. • Engagement bayerischer Unternehmen in Rio Grande do Sul mit Unterstützung des StMLU für die Lösung von Umweltproblemen in ländlichen Gemeinden; ein Pilotprojekt am Beispiel der Gemeinde XV de Novembro wurde eingeleitet. • Partnerschaftsprojekt zwischen den Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz) und dem Verband der Bekleidungsindustrie (Sindivest) in Recife/Pernambuco; der Verband erhält Unterstützung bei der

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Entwicklung des Dienstleistungsangebotes für die KUM und bei der bei der Förderung von Wirtschaftskontakten. Im September 2005 Unterzeichnung eines „Absichtsprotokolls über eine künftige technische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der ‚Erneuerbaren Energien’ und der ‚Klimaänderungen’“ sowie einer „Erklärung über die Aufnahme des Bundesstaates São Paulo in die Konferenz der Partnerregionen“ zwischen Bayern und São Paulo Im Oktober 2005 Kooperationsübereinkunft zwischen dem Bayerischen Bauindustrieverband und dem Gaúcho-Institut für Studien im Bereich Zivilbaugewerbe. Im März 2006 Unterzeichnung eines Protokolls zur Errichtung eines Wirtschaftsbüros São Paulos in München zwischen der Bayerischen Repräsentanz und der Deutsch-Brasilianischen Industrie- und Handelskammer São Paulo einerseits und dem Ministerium für Wissenschaft, Technologie und wirtschaftliche Entwicklung des Bundesstaates São Paulo, dem Zentrum für Exportlogistik (CELEX), dem Zentrum der Industrie des Bundesstaates São Paulo (CIESP), dem Handelsverband/der Handelskammer São Paulo und dem Verband der Baustoffhändler (ANAMACO) andererseits. Im Juli 2006 Aufnahme São Paulos in die Konferenz der Partnerregionen in Linz; Beitrittsprotokoll zur Initiative "Biokraftstoffe und Klimaschutz".

Branchenspezifischer Überblick

5.1 Kfz-Industrie und Kfz-Teile Der brasilianische Kfz-Sektor legt weiterhin ein ordentliches Tempo vor. Die brasilianischen Kfz-Neuzulassungen erhöhten sich in den ersten neun Monaten 2005 deutlich um 9,4% auf 1,174 Mio. Fahrzeuge, die Importe schnellten sogar um knapp 40% auf über 60.000 Stück in die Höhe. Bei den Exporten ist das Wachstum von knapp 30% immer noch sehr beachtlich, wenn es auch nicht mehr an die im Vorjahr erzielte Steigerungsrate von ca. 50% heranreicht. Die für 2005 prognostizierte Gesamtproduktion soll einen neuen Rekordwert erreichen. Die Fertigungskapazität von 3,2 Mio. Kfz kann aber dennoch bei weitem noch nicht ausgelastet werden. 5.2 Maschinen- und Anlagenbau Der brasilianische Maschinenbau schloss das Jahr 2005 mit einem positiven Gesamtergebnis ab. Nach Angaben des Fachverbandes Abimaq (Associação Brasileira da Indústria de Máquinas e Equipamentos) nahmen die Umsätze z.B. der Chemieunternehmen 2005 nominal um 18,3% auf 55,9 Mrd. Realis (R$, ca. 21,06 Mrd. €; durchschnittlicher Wechselkurs im Februar 2006: 1 € = rd. 2,587 R$;) zu und auch der Außenhandel setzte die erfolgreiche Entwicklung der Vorjahre fort: Die Importe legten um 24,2% auf 6,8 Mrd. US$ (rd. 5,7 Mrd. €; durchschnittlicher Wechselkurs im Februar 2006: 1 € = 1,195 US$) zu, und die entsprechenden Ausfuhren konnten um 25,2% auf 6,8 Mrd. US$ gesteigert werden. Deutschland belegt hinter den USA und vor Japan,

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Italien und Frankreich weiterhin den zweiten Platz unter den wichtigsten Maschinenlieferanten Brasiliens. Sehr gut entfaltete sich zuletzt auch die Nachfrage nach Schwermaschinen, die vor allem in den boomenden Industrien Stahl, Bergbau, Kfz sowie Erdöl und -gas verwendet werden. Deren Umsatz erhöhte sich 2005 um knapp 100%. 5.3 Elektrotechnische Erzeugnisse Die Einfuhren des brasilianischen Elektroniksektors stiegen bis September 2005 um 20,3% im Vergleich zu den ersten neun Monaten 2004 um 11,0 Mrd. US$. Für das Gesamtjahr prognostiziert der Fachverband Abinee (Associacao Brasileira da Indsutria Electrica e Electronica) eine Steigerung von 18%, die allerdings deutlich unter der Zuwachsrate der Exporte in Höhe von 51,1% bis September 2005 liegt. Während auf der Einfuhrseite besonders Halbleiter und Komponenten für die Telekommunikation gefragt waren, profitieren die Ausfuhren von enormen Steigerungsraten bei Mobilfunkgeräten. Auch in anderen Bereichen wie Ausrüstungen für die Elektrizitätswirtschaft scheint sich ein positiver Trend abzuzeichnen, wobei allerdings die Investitionen vor allem im Erzeugerbereich noch immer nicht richtig ins Rollen gekommen sind. Bessere Perspektiven bietet der Sektor Stromverteilung, der von Regierungsprogrammen wie „Luz para Todos“ profitiert. 5.4 Chemische Industrie Trotz des Umsatzrückgangs in der Chemiebranche konnten 2005 die Verkäufe in US$ um 15,8% zulegen. Diese Diskrepanz ist jedoch auf die starke Wertsteigerung der Landeswährung gegenüber dem Dollar zurückzuführen, die sich im Jahresverlauf auf rd. 15% summierte. Die Investitionen im Bereich chemischer Erzeugnisse für den industriellen Einsatz sollen 2006 umgerechnet etwa 3 Mrd. US$ (2005: ca. 1,5 Mrd. US$; 2003 und 2004: jeweils rd. 1 Mrd. US$) erreichen. Der größte Teil der Umsätze der chemischen Industrie entfiel 2005 mit 40 Mrd. US$ bzw. 57,2% von insgesamt 69,9 Mrd. US$, auf Erzeugnisse für den industriellen Einsatz. Die Branche besteht zu jeweils rd. 50% aus großen internationalen und den lokalen Unternehmen. Die Importe stiegen 2005 um 5,7% an und erreichten zum Jahresende 15,3 Mrd. US$; mengenmäßig brachen sie sogar um 16,1% auf 20,2 Mio. t ein. Dennoch machen chemische Produkte wertmäßig rd. 21% der gesamten Einfuhren Brasiliens in Höhe von rd. 73 Mrd. US$ aus. Deutschland lieferte Chemikalien im Wert von ca. 1,45 Mrd. US$ nach Brasilien, das waren 6% mehr als noch im Vorjahr. Die brasilianischen Exporte von chemischen Erzeugnissen legten 2005 um 24,6% auf 7,3 Mrd. US$ zu. Das sektorale Handelsbilanzdefizit konnte somit um 7,4% auf 8,0 Mrd. US$ gedrückt werden. 5.5 Informationstechnologie Der brasilianische Sektor für IT-Dienstleistungen wird 2006 voraussichtlich um 10% wachsen. Nach Schätzungen des Fachverbandes Abrat soll vor allem die Nachfrage in den Segmenten Datensicherheit und VoIP (Voice over Internet Protocol) zulegen, nachdem hier bereits 2005 eine positive Entwicklung zu verzeichnen war. Auch bei der Implementierung drahtloser Kommunikationsnetze in Flughäfen und Restaurantketten dürften sich gute Geschäftschancen ergeben. Bereits 2005 konnten IT-Dienstleistungen ihren Umsatz in Brasilien um 11% erhöhen, auch 2006

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soll die Dynamik des Sektors weiter anhalten. Der Schwerpunkt der Aktivitäten der Unternehmen wird Prognosen zufolge weg von Investitionen in IT-Infrastruktur hin zur Prozessoptimierung verlagert. Von hohen Investitionen in die Modernisierung der unternehmensinternen EDVSysteme sowie in Enterprise Resource Planning-Systeme (ERP) profitieren auch deutsche Unternehmen wie z.B. SAP. Schätzungen zufolge hat SAP bereits rund 90% der Großunternehmen Brasiliens als Kunden in ihrer Kartei. Auch die Verkäufe von Hardware können sich in Brasilien sehen lassen. Der Absatz von PCs stieg 2005 um satte 37,5% auf 5,5 Mio Einheiten. Der Markt befindet sich damit seit Jahren auf einem stabilen Wachstumspfad. Der Boom des IT-Sektors wurde auch durch die Begeisterung der Brasilianer für das Internet angetrieben. Brasilien liegt bei der Nutzung des World Wide Web im internationalen Vergleich ganz vorne. 2005 surften Brasilianer pro Tag im Schnitt 17,53 Minuten im Netz und übertrafen damit Frankreich, Japan, USA und Deutschland (15,33 Min.). Da die absoluten Zahlen in Brasilien mit 12,5 Mio. Personen, die auf ihrem eigenen PC im Netz surfen noch relativ gering sind, stellt Brasilien einen interessanten Zielmarkt für Unternehmen dieses Sektors dar. 5.6 Medizintechnik Der Umsatz der brasilianischen Medizintechnikbranche wird 2006 um ca. 10% zulegen, so der Fachverband ABIMO (Associação dos Fabricantes de Produtos Médicos e Odontológicos). Auch die Importe dürften aufgrund der starken Aufwertung des Real in den vergangenen Monaten ihren Höhenflug fortsetzen. Im letzten Jahr stiegen die Einfuhren des Sektors um mehr als 30% von 900 Mio. auf 1,2 Mrd. US$. Auch die Branchenexporte zogen 2005 deutlich um 25% auf 398,5 Mio. US$ an. Der Fachverband rechnet aufgrund der ungünstigeren Wechselkursrelation für 2006 mit einer geringeren Steigerungsrate der Ausfuhren von nur noch ca. 10%. Der Inlandsumsatz von Medizintechnik in Brasilien erhöhte sich 2005 um satte 34,4% auf 2.457 Mio. US$. Nach Angaben von ABIMO-Präsident Djalma Rodrigues war dieses starke Wachstum in erster Linie auf die hohe Nachfrage im Segment Verbrauchsgüter wie Nadeln und Spritzen zurückzuführen. Auf der anderen Seite stagnierten die Umsätze von elektromedizinischen Ausrüstungen, die vorwiegend bei der Modernisierung von Kliniken und Universitäten zum Einsatz kommen. ABIMO-Vertreter beklagen, dass die Investitionstätigkeit der Branchenfirmen in der jüngeren Vergangenheit abgekühlt ist und sich an dieser Situation auch im laufenden Jahr nichts Entscheidendes ändern dürfte. Als Grund dafür gibt Verbandspräsident Rodrigues die im Oktober bevorstehenden Wahlen an, die sich negativ auf die öffentlichen Anschaffungen im Gesundheitswesen auswirken. Darüber hinaus sieht ABIMO in der hohen Steuerlast von z.B. 18% Umsatzsteuer ICMS (Imposto sobre a Circulação de Mercadorias e Serviços) und 8% Industrieproduktsteuer IPI (Imposto Sobre Produtos Industrializados) ein weiteres Hindernis für die Modernisierung der brasilianischen Krankenhäuser. Im vergangenen Jahr zeichneten Konsumprodukte für 39,3% des Gesamtumsatzes von Medizintechnik in Brasilien verantwortlich, Ausrüstungen für 18,0%. Der Bereich Labortechnik erreichte einen Anteil von 11,1%, Zahnmedizin 10,8%, Implantate 10,5% und Röntgengeräte 10,3%. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung beliefen sich 2005 auf 197,9 Mio. Real (R$; 1 R$ = ca. 0,35 €), 2006 sollen die Engagements in diesem Bereich mit 96 Mio. R$ nur noch die Hälfte der im Vorjahr realisierten Summe erreichen. Die Investitionen im Segment Zertifizierung lagen 2005 bei 17 Mio. R$. Die Anzahl der zertifizierten Brachenunternehmen im

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Bereich Medizintechnik erhöhte sich somit zwischen 2004 und 2005 von 115 auf 170 um fast 50%. Nach Einschätzung des Fachverbandes zeigt diese Steigerung, dass die brasilianischen Medizintechnikfirmen sukzessive ihre Prozessabläufe optimieren und sich damit immer besser an die Anforderungen der internationalen Märkte anpassen. Der brasilianische Sektor für Medizintechnik umfasst etwa 700 Unternehmen, die zusammen ca. knapp 6 Mrd. R$ erwirtschaften. Etwa ein Fünftel der Firmen haben ausländischen Kapitalursprung. Mit einem Anteil von 58,2% ist die Mehrzahl der Betriebe dem mittelständischen Sektor zuzurechnen, 31,9% sind kleine und 9,9% Großunternehmen. Der wichtigste Abnehmer der Branche ist mit 48% des Umsatzes der private Sektor, gefolgt von der öffentlichen Hand (44%) und internationalen Kunden mit 8%. Als wichtigste und vor allem zahlungskräftige Kunden für High-TechProdukte kristallisierten sich in den vergangenen Jahren vor allem große Privatkliniken heraus. 5.7 Biotechnologie Brasilien ist auf dem Gebiet der Biotechnologie sehr aktiv und über die Grenzen hinaus bekannt. Über 6.000 Firmen und Institutionen befassen sich nach Einschätzung von Marktkennern mit Forschung und Projekten zum Aufbau von Geschäftsmöglichkeiten. Ein wichtiger Schritt für die Branche war die Verabschiedung des Gesetzes zur Biosicherheit im März 2005. Brasilien hat sich in den letzten 10 Jahren zu einem sehr interessanten Partnerland für europäische Biotechnologiefirmen entwickelt. Das liegt an der stetig wachsenden Zahl von Biotechnologiefirmen (heute über 300 Firmen mit mehr als 5 Mrd US$ Umsatz/a), einer ausgeprägten Universitäts- und Forschungslandschaft und einer gezielten Förderung durch die brasilianische Bundesregierung sowie die einzelnen Bundesstaaten. Rund um die Biotechnologie hat sich ein interessanter Markt für Geräte und Verbrauchsmaterial entwickelt. Die Mehrzahl der Biotechnologie-Firmen konzentriert sich auf den Bundesstaat Sao Paulo und den Nachbarstaat Minas Gerais mit seiner Hauptstadt Belo Horizonte und dem landesweit bekannten Biotechnologie-Pool BIOMINAS. Genau dort, in Belo Horizonte, findet Mitte Oktober 2006 der III. Internationale BiotechnologieKongress "BioBrasil 2006" statt und parallel dazu ein EuropäischLateinamerikanisches Geschäftstreffen zu Biotechnologie und Life Sciences. Erwartet werden ca. 70 - 90 lateinamerikanische Firmen, vornehmlich aus Brasilien, aber auch aus Argentinien, Chile und Panama. 5.8

Erneuerbare Energien / Biotreibstoffe

Brasiliens Alkoholsektor in Investitionslaune Die Entwicklung des alternativen Treibstoffs Ethanol hat in den vergangenen Jahren eine einzigartige Erfolgsgeschichte in Brasilien geschrieben. Bereits zwischen 1978 und 2004 erhöhte sich der Anteil von Ethanol am gesamten Energieverbrauch Brasiliens von 6,8% auf 13, 5%. Brasilien produziert den alternativen Treibstoff zu nahezu unschlagbaren 0,19 US$ pro Liter, der weltweite Durchschnitt beträgt 0,40 US$/l. Zwischen 200 und 2005 wurde die Ethanolproduktion Brasiliens um deutlich mehr als 50% auf rund 17 Mrd. l ausgeweitet. Ein wichtiger Faktor für den Zuwachs stellt die sprunghafte Entwicklung der Verkäufe von Flex-Fuel-Kfz dar, die wahlweise mit Benzin oder Ethanol betrieben werden können. Im Jahr 2005 belief sich deren Anteil an allen in Brasilien abgesetzten Fahrzeugen auf 50,2%, im Januar

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2006 erreichte der Wert trotz der gestiegenen Ethanolpreise bereits 72,8%. Darüber hinaus stieg der Export von Ethanol von 258 Mio l im Jahr 2000 auf 2,6 Mrd. l (2005) innerhalb einer Dekade um fast die zehnfache Menge an. Um die steigenden Nachfrage bedienen zu können wird in Brasilien in großem Stil investiert. Derzeit befinden sich etwa 100 Ethanolfabriken in der Bauphase und dürften innerhalb der nächsten fünf Jahre in Betrieb gehen. Regierung fördert Nutzung von Biodiesel Biodiesel ist in Brasilien in aller Munde – und vor allem die Regierung widmet sich intensiv der Förderung des alternativen Treibstoffs. Im 1 Halbjahr 2006 waren in Brasilien insgesamt acht Fabriken zur Produktion von Biodiesel in Betrieb, darüber hinaus gibt es konkrete Pläne für den Bau weiterer 26 Einheiten. Derzeit werden in Brasilien ca. 40 Mrd. l Diesel pro Jahr verbraucht, wovon 5% noch aus dem Ausland bezogen werden müssen. An den Tankstellen muss der prozentuale Anteil von Biodiesel an „normalem“ Diesel ab 2008 bei 2% liegen, ab 2013 wird der Satz auf 5% nach oben geschraubt. Die brasilianische Produktion von Biodiesel belief sich 2005 auf 736,1 Mio. l, 2006 soll die Menge auf 815,0 Mio. l ansteigen. Auch deutsche Unternehmen werden in diesem Bereich zunehmend aktiv. Die Firma Oekotec wird in Brasilien eine Fertigung von dezentralen Biodieselanlagen aufbauen, andere Gesellschaften wie Lurgi oder Westphalia Seperator sind schon länger im Markt präsent. Einen weiteren Schub soll die bilaterale Zusammenarbeit über Initiativen wie die deutsch-brasilianische Agrobusinessinitiative erhalten, die vom BDI koordiniert wird. 5.9 Infrastruktur / Bauwirtschaft Nach einem überdurchschnittlichen Wachstum von 5,7% im Vorjahr enttäuschte die Entwicklung der brasilianischen Bauwirtschaft im Jahr 2005. Die mangelhafte Qualität der brasilianischen Infrastruktur gilt als entscheidender Hemmschuh für eine dynamischere wirtschaftliche Entwicklung des Amazonaslandes. Der jährliche Investitionsbedarf alleine im Transportbereich liegt bei 7,4 Mrd. Real (R$; Wechselkurs: 1 R$ = 0,37 €, Stand: Ende Oktober 2005), tatsächlich wurden 2005 nur 4,2 Mrd. R$ für diesen Sektor ausgegeben. Für die Behebung der gesamten Infrastrukturdefizite Brasiliens sind nach Ansicht unabhängiger Experten Investitionen von rd. 20 Mrd. US$ p.a. über einen Zeitraum von rd. zehn Jahren notwendig. Um trotz der seit Jahren anhaltenden Mittelknappheit des Staates die Modernisierung der Infrastruktur durchzusetzen und Brasiliens Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum zu fördern, hat das Parlament das Gesetz Nr. 11.079 betreffend Public-Private-Partnership (PPP) verabschiedet, das seit dem 30.12.2004 in Kraft ist. Dies war dringend erforderlich, um überhaupt erst Partnerschaften zwischen öffentlichen Institutionen und privaten Unternehmen zu ermöglichen, diese attraktiv zu machen und Anreize für ausländische Investoren zu schaffen. Deutschland ist im Bereich Müllentsorgung und Recycling ein Land mit Vorbildcharakter und auch Unternehmen, die in der Lage sind, ihr Fachwissen im Rahmen derartiger Projekte zu vermarkten. Quellen: www.bayernlb.de www.auswaertiges-amt.de www.wikipedia.de www.bfai.de