Bauen und Planen in der Kommune

„Bauen und Planen in der Kommune“ Fall 1: Baurecht - Sachverhalt „Bauen und Planen in der Kommune” Der Gemeinderat der Kurstadt K im Bundesland L bes...
Author: Karsten Breiner
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„Bauen und Planen in der Kommune“ Fall 1: Baurecht - Sachverhalt

„Bauen und Planen in der Kommune” Der Gemeinderat der Kurstadt K im Bundesland L beschließt im Januar 2006 die Aufstellung eines Flächennutzungsplans sowie eines Bebauungsplans. Um den Bürgern frühzeitig Gelegenheit für Anregungen und Kritik zu geben, lädt der Gemeinderat im September 2006 zur öffentlichen Erörterung der Planentwürfe. Nach Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung und nach Benachrichtigung sowie Beteiligung aller Träger öffentlicher Belange werden die Planentwürfe und die jeweiligen Begründungen nach rechtzeitiger ortsüblicher Bekanntmachung und mit dem Hinweis, dass Anregungen während der Auslegungszeit vorgebracht werden können, für drei Wochen öffentlich ausgelegt. Der Gemeinderat beschließt in seiner Sitzung vom 30. Januar 2007 sowohl den Flächennutzungs- als auch den Bebauungsplan, die anschließend ausgefertigt und ortsüblich bekannt gegeben werden. B ist Eigentümer eines 2000m2 großen unbebauten Grundstücks, das nach den Festsetzungen des Flächennutzungs- und Bebauungsplans in einem allgemeinen Wohngebiet liegt. Im Anschluss an das Grundstück soll nach den Vorgaben der Bauleitpläne ein Erholungspark errichtet werden. Der Bebauungsplan sieht weiterhin für das Grundstück des B ein Ausflugscafé vor, in dem mindestens 100 Gäste bewirtet werden können. B hatte allerdings ins Auge gefasst, auf seinem Grundstück ein Hotel zu errichten. Er hatte daher bereits während der Auslegung des Planentwurfs eine Stellungnahme abgegeben und seine Bedenken gegen den Bebauungsplan geltend gemacht. Danach sei die Errichtung eines Ausflugscafés schon keine bauliche Nutzungsart, die nach § 9 BauGB in einem Bebauungsplan festsetzt werden könne. Dasselbe gelte für den durch die vorgeschriebene Mindestzahl von Gästen festgelegten Umfang der Nutzung. Schließlich verstoße die Festlegung der Größe des geplanten Betriebs auch gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz des § 1 Abs. 3 BauGB. Die Einwände des B werden vom Gemeinderat behandelt, aber zurückgewiesen. Der Gemeinderat hält das Ausflugscafé für notwendig, um die Bedürfnisse der zahlreichen Kurgäste der Stadt befriedigen zu können. Etwaige Fehler bei der Planaufstellung seien jedenfalls gemäß § 214, § 215 BauGB unbeachtlich. B ist der Auffassung, der Bebauungsplan sei rechtswidrig.

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„Bauen und Planen in der Kommune“ Fall 1: Baurecht - Sachverhalt

Aufgabe 1: Hat eine Anfechtungsklage des B gegen den Bebauungsplan Aussicht auf Erfolg?

Aufgabe 2: Falls nicht, kann B in anderer Weise gegen den Bebauungsplan mit Erfolg gerichtlich vorgehen? Wie wird das Gericht entscheiden?

Hinweise: Das LVwVfG entspricht dem VwVfG des Bundes.

Es ist davon auszugehen, dass der Gemeinderat nach der Gemeindeordnung des Landes L (LGO) die Organkompetenz zum Erlass des Bebauungsplans hatte. K ist nach der Landesverfassung des Landes L (LVL) verpflichtet, Satzungen auszufertigen.

Von der Möglichkeit des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, als Klagegegner die Behörde selbst zu bestimmen, hat L keinen Gebrauch gemacht.

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„Bauen und Planen in der Kommune“ Fall 1: Baurecht - Musterlösung

Musterlösung Aufgabe 1: Anfechtungsklage gegen den Bebauungsplan

A. Zulässigkeit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Die Klage ist zulässig, wenn die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen. I.

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

Zunächst müsste der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Eine aufdrängende Sonderzuweisung ist nicht ersichtlich, so dass auf die Generalklausel des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO abzustellen ist. Danach ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art eröffnet, die nicht durch Gesetz einer anderen Gerichtsbarkeit zugewiesen sind. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist dann gegeben, wenn die streitentscheidende Norm eine solche des öffentlichen Rechts ist (sog. modifizierte Subjektstheorie). 1 Eine Norm des öffentlichen Rechts ist dabei eine solche, die einen Hoheitsträger einseitig berechtigt oder verpflichtet.2 Der Streit wird hier um Normen des öffentlichen Baurechts geführt. Es handelt sich damit um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art i.S.v. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. II. Statthafte Klageart In Betracht kommt eine Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO. Voraussetzung ist jedoch, dass die Klage einen Verwaltungsakt zum Gegenstand hat. Der B wendet sich hier gegen einen Bebauungsplan. Gemäß § 10 Abs. 1 BauGB wird der Bebauungsplan aber als Satzung beschlossen, so dass eine Anfechtungsklage ausscheidet. B. Ergebnis Eine Anfechtungsklage des B gegen den Bebauungsplan hat keine Aussicht auf Erfolg.

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Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 6. Aufl. 2005, § 11, Rn. 21. Hufen, a.a.O., § 11, Rn. 23; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 3, Rn. 17.

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„Bauen und Planen in der Kommune“ Fall 1: Baurecht - Musterlösung

Aufgabe 2: Gerichtliches Vorgehen gegen den Bebauungsplan in anderer Weise

A. Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags vor dem Oberverwaltungsgericht In Betracht kommt ein Normenkontrollantrag vor dem Oberverwaltungsgericht. I.

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs gemäß § 47 Abs. 1 VwGO

Dazu müsste der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 47 VwGO eröffnet sein. Voraussetzung ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art. Eine solche ist hier gegeben (s.o. A. I.). II. Statthaftigkeit des Antrags gemäß § 47 Abs. 1 VwGO Geeigneter Kontrollgegenstand sind gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO Satzungen, die aufgrund der Vorschriften des BauGB erlassen werden. Hier geht es um einen Bebauungsplan. Dieser wird gemäß § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung erlassen, so dass der Antrag gemäß § 47 VwGO statthaft ist. III. Antragsberechtigung Weiterhin müsste B antragsberechtigt sein. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist dies jede natürliche oder juristische Person. Als natürliche Person ist B antragsberechtigt. IV. Antragsbefugnis Zudem müsste B antragsbefugt sein. Antragsbefugt ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur, wer geltend macht, durch die Rechtsvorschrift in seinen (ihren) Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ab In-Kraft-Treten des Bebauungsplans ist B gegenwärtig in seiner Baufreiheit als Teil des Eigentumsgrundrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 GG betroffen, da ihm der Plan detaillierte Vorgaben für das auf seinem Grundstück zulässige bauliche Vorhaben macht. V. Prozessfähigkeit B, der sich gemäß § 67 Abs. 1 VwGO anwaltlich vertreten lassen muss, ist gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO prozessfähig.

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„Bauen und Planen in der Kommune“ Fall 1: Baurecht - Musterlösung

Die Stadt K, vertreten durch den Oberbürgermeister, ist gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 VwGO prozessfähig. VI. Antragsfrist Es müsste zudem die Antragsfrist gewahrt werden. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO beträgt diese zwei Jahre nach Bekanntmachung der Vorschrift. Der Bebauungsplan ist am 30. Januar 2007 beschlossen und anschließend bekannt gegeben worden. Die Zwei-Jahres-Frist kann daher gewahrt werden. VII. Zwischenergebnis Der Normenkontrollantrag des B ist zulässig. B. Begründetheit des Normenkontrollantrags Der Normenkontrollantrag müsste, um Erfolg zu haben, auch begründet sein. Voraussetzung ist, dass sich der Antrag gegen den richtigen Antragsgegner richtet und der Bebauungsplan rechtswidrig ist. I.

Passivlegitimation

Antragsgegner ist die Stadt K gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO. II. Rechtswidrigkeit des Bebauungsplans Der Bebauungsplan ist rechtswidrig, wenn er nicht auf eine rechtmäßige Ermächtigungsgrundlage gestützt oder wenn er formell oder materiell rechtswidrig ist. 1. Ermächtigungsgrundlage Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines Bebauungsplans sind § 1 Abs. 3, § 2 Abs. 1, § 10 Abs. 1 BauGB. 2. Formelle Rechtmäßigkeit Der Bebauungsplan ist formell rechtmäßig, wenn er von der zuständigen Stelle in dem vorgesehenen Verfahren erlassen wurde. a) Zuständigkeit aa) Verbandskompetenz Die Verbandskompetenz der Stadt K zum Erlass eines Bebauungsplans ergibt sich aus § 1 Abs. 3, § 2 Abs. 1 BauGB.

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„Bauen und Planen in der Kommune“ Fall 1: Baurecht - Musterlösung

bb) Organkompetenz Von der Organkompetenz des Gemeinderats ist laut Sachverhalt auszugehen. b) Verfahren aa) Aufstellungsbeschluss Voraussetzung ist zunächst ein Aufstellungsbeschluss gemäß § 2 Abs. 1 BauGB, der gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB ortsüblich bekannt zu machen ist. Dies ist hier im Januar 2006 geschehen. bb) Umweltverträglichkeitsprüfung Zudem hat die in § 2 Abs. 4 BauGB vorgeschriebene Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung stattgefunden. cc) Planentwurf Weiter bedarf es gemäß § 9 Abs. 8 i.V.m. § 2a BauGB eines Planentwurfs mit Begründung, einschließlich eines Umweltberichts. Auch diese Voraussetzung ist hier gegeben. dd) Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange Die Gemeinde hat vor Bekanntmachung des Bebauungsplanes die Behörden und Träger öffentlicher Belange benachrichtigt und beteiligt, so dass auch die Voraussetzungen der § 4 und § 4a BauGB erfüllt sind. ee) Bürgerbeteiligung Gemäß § 3 Abs. 1 BauGB sind die Bürger frühzeitig über die Planung zu informieren und an ihr zu beteiligen. Der Gemeinderat hat die Bürger im September 2006 zur öffentlichen Erörterung der Planentwürfe geladen. Damit wurde den Bürgern Gelegenheit gegeben, Anregung und Kritik in den Planprozess einzubringen. Hiermit ist der Gemeinderat seiner Verpflichtung aus § 3 Abs. 1 BauGB nachgekommen. ff) Auslegungsverfahren Es müsste aber auch das Auslegungsverfahren gemäß § 3 Abs. 2 BauGB eingehalten worden sein. Dabei sind folgende Schritte zu beachten: (1) Rechtzeitige Bekanntmachung Voraussetzung ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB zunächst, dass die Auslegung mindestens eine Woche vorher bekannt gemacht wird. Laut Sachverhalt wurde die Auslegung des Planentwurfs rechtzeitig ortsüblich bekannt gemacht.

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„Bauen und Planen in der Kommune“ Fall 1: Baurecht - Musterlösung

(2) Benachrichtigung der Träger öffentlicher Belange Zudem wurden gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 BauGB alle Träger öffentlicher Belange benachrichtigt. (3) Dauer der Auslegung Der Bebauungsplan ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB öffentlich für einen Monat auszulegen. Vorliegend wurde der Bebauungsplan indes nur für drei Wochen ausgelegt. Damit liegt ein Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift des BauGB vor. Fraglich ist, wie sich ein solcher auswirkt. Gemäß § 214 Abs. 1 Nr. 2, 1. Hs. i.V.m. § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist die Verletzung einer Verfahrensvorschrift nur dann beachtlich, wenn sie innerhalb eines Jahres3 nach Bekanntmachung des Bebauungsplans gegenüber der Gemeinde, d.h. also hier der Stadt K, schriftlich gerügt wird.4 Da der Bebauungsplan erst am 30. Januar 2007 beschlossen und im Anschluss bekannt gemacht wurde, kann der B diese Verfahrensverletzung noch rechtzeitig gegenüber der Stadt K geltend machen. Anmerkung für den Bearbeiter: Da ein umfassendes Gutachten zu erstellen ist, darf die Prüfung hier noch nicht abgebrochen werden. Zudem kann die Gemeinde möglicherweise ein ergänzendes Verfahren gemäß § 214 Abs. 4 BauGB durchführen und damit die Nichtigkeit des Bebauungsplans abwenden. (4) Prüfung und Zurückweisung der Einwendungen des B Der Gemeinderat hat gemäß § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB fristgemäß eingebrachte Anregungen von Bürgern zu prüfen und das Ergebnis mitzuteilen. Vorliegend hat B seine Bedenken gegen den Bebauungsplan bereits während der Auslegung desselben geltend gemacht. Der Gemeinderat hat diese zurückgewiesen und hierzu eine Begründung mitgeteilt. Er ist damit seiner Prüfungspflicht nachgekommen.

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Die Frist zur Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften in § 215 BauGB wurde durch Nr. 16 a des Gesetzes zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21.12.2006 (BGBl. I S. 3316) mit Wirkung vom 1.1.2007 von zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt. Für Falllösungen, die sich noch auf die Zweijahresfrist beziehen, wird insoweit die volle Punktzahl erteilt. Dazu siehe Oldiges, Baurecht, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, III Rn. 118 ff.

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„Bauen und Planen in der Kommune“ Fall 1: Baurecht - Musterlösung

gg) Satzungsbeschluss Der Gemeinderat hat den Bebauungsplan in der Sitzung vom 30. September 2006 als Satzung beschlossen, so dass die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 BauGB erfüllt sind. hh) Genehmigung Weitere Rechtmäßigkeitsvoraussetzung könnte die nach § 10 Abs. 2 Satz 1 BauGB vorgeschriebene Genehmigung des Bebauungsplans durch die höhere Verwaltungsbehörde sein. Danach besteht das Genehmigungserfordernis für Bebauungspläne nach § 8 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 BauGB. Da hierunter jedoch nur solche Bebauungspläne fallen, die unabhängig von einem Flächennutzungsplan entwickelt wurden, ergibt sich aus dem Umkehrschluss, dass Bebauungspläne, die aus einem Flächennutzungsplan entwickelt wurden, nicht dem Genehmigungserfordernis des § 10 Abs. 2 Satz 1 BauGB unterfallen. 5 Vorliegend wurde der Bebauungsplan aus dem gleichzeitig bekannt gegebenen Flächennutzungsplan entwickelt, so dass eine Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht erforderlich war. ii) Ausfertigung und Bekanntmachung K hat den Bebauungsplan ausgefertigt und gemäß § 10 Abs. 3 BauGB ortsüblich bekannt gemacht. c) Zwischenergebnis Der Bebauungsplan ist wegen eines Verstoßes gegen § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB formell rechtswidrig. 3. Materielle Rechtswidrigkeit Er könnte zudem materiell rechtswidrig sein. a) Vereinbarkeit mit § 8 Abs. 2 BauGB Der Bebauungsplan ist nach § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB grundsätzlich aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln. Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 BauGB können Bebauungsplan und Flächennutzungsplan – wie hier – aber auch gleichzeitig aufgestellt werden (Parallelverfahren).

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Oldiges, Baurecht, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, III Rn. 69.

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„Bauen und Planen in der Kommune“ Fall 1: Baurecht - Musterlösung

b) Vereinbarkeit mit § 9 BauGB Der zulässige Inhalt des Bebauungsplans richtet sich nach § 9 BauGB, der die möglichen Festsetzungen abschließend aufzählt. Die Gemeinde hat grundsätzlich kein Festsetzungserfindungsrecht.6 aa) § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB Die Festsetzung eines Ausflugscafés für mindestens 100 Gäste könnte nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zulässig sein. Festgesetzt werden können danach „Art und Maß der baulichen Nutzung“. Die Art der baulichen Nutzung wird durch den Bebauungsplan i.V.m. den Bestimmungen der BauNVO festgelegt (vgl. § 1 Abs. 3 BauNVO).7 Das Grundstück des B liegt hier in einem allgemeinen Wohngebiet gemäß § 4 BauNVO. Zulässig sind danach gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO Schank- und Speisewirtschaften. Hier legt der Bebauungsplan jedoch nicht nur die Art der baulichen Nutzung fest, sondern die Art der gewerblichen Nutzung. Er geht damit über § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB hinaus. bb) § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB Die Festsetzung eines Ausflugscafés für mindestens 100 Gäste könnte aber nach § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB zulässig sein. Festgesetzt werden kann danach „der besondere Nutzungszweck von Flächen“. Es soll damit einem städtebaulich begründeten Nutzungszusammenhang zwischen zwei Flächen Rechnung getragen werden können, wenn keine der speziellen Festsetzungsmöglichkeiten des § 9 Abs. 1 BauGB eingreift.8 Das Ausflugscafé soll hier in Ergänzung zum benachbarten Kurpark errichtet werden. Der Zusammenhang der Nutzungen ist somit gegeben. Festgesetzt wird aber nicht nur der Nutzungszweck, sondern auch der Umfang der Nutzung (mindestens 100 Gäste). Die Festlegung der Größe eines Gewerbebetriebes geht auch über die Festlegung des Nutzungszwecks nach § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB hinaus. Weitere Festsetzungen im Rahmen des § 9 BauGB kommen hier nicht in Betracht, so dass die Festsetzungen des Bebauungsplans der Stadt K über die abschließende Aufzählung von § 9 BauGB hinausgehen.

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Vgl. dazu BVerwGE 92, 56. Dazu Oldiges, Baurecht, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, III Rn. 84. Zu den nach § 9 BauGB möglichen Festsetzungen, siehe Oldiges, Baurecht, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, III Rn. 83.

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„Bauen und Planen in der Kommune“ Fall 1: Baurecht - Musterlösung

c) Vereinbarkeit mit § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB Zu beachten ist weiterhin der Erforderlichkeitsgrundsatz des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Dieser bezieht sich nicht nur auf das „Ob“, sondern auch auf das „Wie“ der Bauleitplanung. Die Festsetzungen müssen danach zur Verwirklichung der Planungsziele objektiv geeignet, ihrer Art und ihrem Ausmaß nach notwendig und auch in ihrer inhaltlich auf das Grundeigentum einwirkenden Intensität gerechtfertigt sein.9 Das bedeutet hier, dass die Bauleitplanung grundsätzlich nur Festsetzungen aus städtebaulichen Gründen treffen darf, nicht hingegen aus wettbewerbspolitischen oder gewerblichen Gründen. Die Festlegung des Umfangs eines Gewerbebetriebs ist vielmehr Angelegenheit des Investors. Indem hier durch den Bebauungsplan eine solche Festlegung aber gerade stattfindet, liegt ein intensiver Eingriff in das Grundeigentum des B vor, der durch die Verfolgung städtebaulicher Ziele nicht gerechtfertigt ist. Es liegt damit ein Verstoß gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB vor. d) Planerhaltung gemäß § 214, § 215 BauGB Die festgestellten materiellen Verstöße könnten jedoch nach § 214, § 215 BauGB unbeachtlich sein. Voraussetzung ist, dass sie von den dort genannten Fehlerarten erfasst werden. Das ist hier nicht der Fall, so dass die vorliegenden materiellen Verstöße beachtlich sind. III. Zwischenergebnis Der Normenkotrollantrag des B ist begründet. C. Ergebnis Der Normenkontrollantrag des B ist zulässig und begründet und wird somit Erfolg haben. Das Oberverwaltungsgericht erklärt den Bebauungsplan für nichtig, wenn die genannten Mängel nicht in einem ergänzenden Verfahren gemäß § 214 Abs. 4 BauGB behebbar sind; ansonsten wird der Bebauungsplan nach § 47 Abs. 5 Satz 2 BauGB für schwebend unwirksam erklärt. Eine nachträgliche Fehlerbehebung scheidet jedoch bei solchen Mängeln aus, die die Grundzüge der Planung berüh-

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Vgl. BVerwG, NVwZ 1988, S. 727 [728].

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ren. Dies wird bei Festsetzungen angenommen, die nach § 9 Abs. 1 BauGB unzulässig sind. Hier sind die Fehler demnach nicht sämtlich behebbar. Das Oberverwaltungsgericht wird den Bebauungsplan daher für nichtig erklären.

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