KOMMUNALES PLANEN UND BAUEN

KOMMUNALES PLANEN UND BAUEN Peter Hettlich Leipzig Kommunales Planen und Bauen Inhaltsverzeichnis DAKS e.V. ist als Kommunalpolitische Bildungsver...
Author: Sigrid Heidrich
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KOMMUNALES PLANEN UND BAUEN Peter Hettlich Leipzig

Kommunales Planen und Bauen

Inhaltsverzeichnis

DAKS e.V. ist als Kommunalpolitische Bildungsvereinigung durch das Staatsministerium des Inneren des Freistaats Sachsen anerkannt und steht Bündnis 90/ Die Grünen nahe. Sie wurde 1992 auf Anregung der Kommunalpolitischen Konferenz vom Oktober ‘91 in Bautzen gegründet. Ziel ist die „Förderung des demokratischen Staatswesens in weitsichtiger, ökologischer und sozialer Verantwortung. Die Vereinigung unterstützt alle an Kommunalpolitik interessierten Bürgerinnen und Bürger, Abgeordnete, Fraktionen und Bürgerinitiativen bei der Gestaltung einer bürgernahen Kommunalpolitik, welche der Verwirklichung von Menschenrechten, dem Schutz

der natürlichen Umwelt und unmittelbaren Bürgerinteressen dient”. Die konkrete Arbeit von DAKS e.V. besteht in Beratung und Schulung von Kommunalpolitikern und interessierten Bürgern mittels Seminaren, Vorträgen und Publikationen sowie in der Vernetzung von Kommunalpolitikern und Fachleuten mittels Tagungen und Vermittlung von Kontakten. DAKS e.V. ist Mitherausgeber der bundesweit erscheinenden Zeitschrift „AKP – Fachzeitschrift für Alternative Kommunalpolitik“ Mitglied bei DAKS e.V. kann jede natürliche und juristische Person (Fraktionen, Vereine) werden, die die Ziele von DAKS e.V. unterstützt.

Auszug lieferbarer Publikationen (Erscheinungsjahr): • „Privatisierung öffentlicher Einrichtungen im Freistaat Sachsen“ (2003) • „Wege durch den Dschungel - Handbuch für sächsische Non-Profit-Projekte“ (ab 2004) • „Gemeinschaftsschule vor Ort umsetzen“ (2005) • „Erneuerbare Energien in Kommunen“ (2005) • „Sächsische Kommunalfibel - 292 Stichwörter zu Themen aus der kommunalen Demokratie und Verwaltung“ (2006) • „Bleib Sauber! Korruptionsprävention und -bekämpfung“ (2007) • „Deine Informationsrechte - Deine Umwelt“ Das neue Umweltinformationsrecht im Freisstaat Sachsen praxisnah erläutert. (2008) • „Privatisierung kommunalen Eigentums. Tafelsilber verscherbeln?“ (2008) • „Ratgeber Kommunalpolitik - Ein Einstieg in die kommunalpolitischen Handlungsfelder“ (2008) • „Klimaschutz und Stadtentwicklung. Maßnahmen und Strategien kommunaler Stadtentwicklungspolitik“(2008) • „Kommunale Sozialpolitik“ (2009) • „Neues kommunales Haushalts- und Rechnungswesen - Kameralistik vs. Doppik“ (2009) • „Bürger machen Energie - Bürgerkraftwerke - ein Handlungsleitfaden“ (2009) • „Tu was gegen Rechts - Was Kommunalos wissen sollten ...“ (2009) DAKS-Vorstand: Alexander Hoffmann (Chemnitz) · Ines Kummer (Freital) · Thorsten Schulze (Dresden) Thoralf Möhlis (Riesa) · Katarina Krefft (Leipzig) · Geschäftsführer: Norman Volger Kontakt: „Die Alternative Kommunalpolitik Sachsens e.V.“ · Hohe Straße 58 · 04107 Leipzig · Tel: 0341 2195740 www.daksev.de · [email protected]

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Vorwort

2 2.1 2.2 2.3

Einführung und Überblick Faktenlage Auswirkungen auf die Bautätigkeit Handlungsempfehlungen für die kommunale Bau- und Stadtentwicklungspolitik

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Baugesetze, Verordnungen, Vorschriften, Bekanntmachungen und Richtlinien Zusammenspiel von Kommunen, Ländern und Bund Baugesetzbuch (BauGB) BauGB – Erstes Kapitel: Allgemeines Städtebaurecht BauGB – Zweites Kapitel: Besonderes Städtebaurecht Landesbauordnungen und Sächsische Landesbauordnung (SächsBO)

3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.3 4. 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5

Kommunale Bauleitplanung Exkurs: Raumordnung und Raumplanung, Landesplanung und Regionalplanung Flächennutzungsplan Bebauungsplan Allgemeines und Grundsätzliches zum Bebauungsplan Art der baulichen Nutzung Maß der baulichen Nutzung Bauweise, überbaubare Grundstücksflächen Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans

5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7

Kommunales Bauen Die falschen Entscheidungen bei einem Bauprojekt Die richtigen Entscheidungen bei einem Bauprojekt Die Finanzierung eines Bauprojektes Die Planung eines Bauprojektes Die Vergabe Die Projektsteuerung Kontrollstufen und Selbstkontrolle bei kommunalen Bauvorhaben

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Literaturquellen

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Kommunales Planen und Bauen

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Vorwort

Die Kommunale Bau- und Stadtentwicklungspolitik gehört vermutlich zu den interessantesten, sicherlich zu den spannendsten aber auch umstrittensten Politikfeldern. In Kommunen müssen oft schwierige, weitreichende und lang wirkende Entscheidungen zu privaten und öffentlichen Bauvorhaben getroffen werden. Es geht um ihre städtebauliche Entwicklung und Zukunft, und es geht vor allem um viel privates und öffentliches Geld. Eine wesentliche Aufgabe kommunaler Baupolitik besteht darin, im Rahmen des Planungsrechts z.B. mit Hilfe der Bauleitplanung die rechtlichen Voraussetzungen für die Realisierung von Bauvorhaben herzustellen. Die Einhaltung der technischen Regeln und Normen bei der Ausführung von Bauvorhaben werden wiederum im Rahmen des Bauordnungsrechts z.B. mit Hilfe der Bauordnungen - durch die kommunalen Verwaltungen - überwacht. Ein heikles Aufgabengebiet für kommunale Baupolitiker besteht bei kommunalen Bauvorhaben. Hier müssen zunächst im Rahmen des Planungsrechts die rechtlichen Voraussetzungen wie bei privaten Bauvorhaben geschaffen werden. Hinzu kommt eine umfangreiche Begleitung und Kontrolle der kommunalen Bauvorhaben. Dies betrifft zum einen die grundsätzliche Entscheidungsvorbereitung für oder gegen ein Bauvorhaben, zum anderen die Ausführungs- und Vergabeentscheidungen und letztlich die Kontrolle der Termine und Kosten. Gerade bei letzteren entstehen viele Konflikte, da angesichts der angespannten Haushaltslagen Kostenüberschreitungen zu viel Kritik und erheblichen Folgeproblemen führen. Hier bestehen große Defizite im Zusammenspiel zwischen Politik und Verwaltung, weshalb diesem Thema ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Kommunale Baupolitik und Stadtentwicklungspolitik sollten sich im positiven Sinne gegenseitig beeinflussen und bedingen. Das faktische Primat der Baupolitik führt jedoch zu mehr oder weniger ausgeprägten Fehlentwicklungen in der Stadtentwicklung. Um diese zu korrigieren oder gar im Vorfeld zu vermeiden, kommen auf kommunale Baupolitiker eine Vielzahl zusätzlicher Aufgaben z.B. im Rahmen der Stadtentwicklung, der Stadtsanierung, des Stadtumbaus oder der Sozialen Stadt zu. Zu vielen öffentlichen und privaten Bauvorhaben aber auch zur Stadtentwicklungspolitik (z.B. Stadtumbau Ost) haben die Bürger ihre eigenen Vorstellungen. Da viele Vorhaben nicht nur positive sondern auch negative Auswirkungen haben, schwankt die öffentliche und mediale Meinung entsprechend zwischen Zustimmung und Ablehnung. Die Bürger üben daher zu Recht Druck auf die kommunalen Entscheidungsträger aus. Der Anlass braucht nicht immer ein spektakuläres Großprojekt wie Stuttgart 21 zu sein, sondern er kann auch in der Aufstellung eines Bebauungsplans oder dem (Nicht-)Ausbau einer Schule, eines Kindergartens oder einer Straße liegen. 4

Wir brauchen dringend eine neue Kultur der Transparenz und Bürgerpartizipation in der Bau- und Stadtentwicklungspolitik. Kommunale Baupolitiker sind vor allem im Vorfeld von grundlegenden Entscheidungen im Rahmen ihrer (verfassungs-)rechtlichen Möglichkeiten, die ihnen z.B. die Sächsische Gemeindeordnung einräumt, gefordert, diese Transparenz und Öffentlichkeit herzustellen. Ehrenamtliche Baupolitiker stehen einer personell eher gut ausgestatteten Verwaltung gegenüber, die Politikern als „Externen“ ein gewisses Misstrauen entgegenbringt und nicht immer einen offenen Informationsstil pflegt. Besonders bei Vergabevorgängen habe ich immer wieder Konflikte erlebt, wenn durch zuviel Transparenz z.B. bei den Baukosten ein für die kommunale Leitungsebene - sprich Bürgermeister - wichtiges Bauvorhaben gefährdet wurde. Da werden lieber unliebsame Wahrheiten solange wie möglich hinterm Busch gehalten. Hierin unterscheiden sich allerdings die Mühen der Ebenen kommunaler Baupolitiker nur wenig von denen ihrer KollegInnen im Land- oder im Bundestag. Auch wenn sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen für das Bauen und die Stadtentwicklung nicht jedes Jahr ändern, so handelt es sich um komplizierte und umfangreiche Gesetzeswerke, die durch dazugehörende Verordnungen, Verwaltungsvorschriften, Richtlinien und Bekanntmachungen nicht unbedingt an Lesbarkeit gewinnen. Sie in ihrer Gänze, mit Hilfe umfangreicher Kommentierungen in der Fachliteratur zu verstehen und zu durchdringen, scheint eher den hauptberuflichen Fachleuten für Baurecht in den öffentlichen Verwaltungen oder Fachanwälten vorenthalten zu sein. Kommunale Baupolitiker stehen zudem vor der Herausforderung, wie sie als Ehrenamtliche ihren zeitlich begrenzten Handlungsspielraum gegenüber einer fachlich sattelfesten Verwaltung ausnutzen können, ohne die Regelwerke bis ins letzte Detail kennen zu müssen. Aber wie steht es schon auf dem berühmten intergalaktischen Reiseführer aus der legendären Trilogie (in fünf Bänden!) „Per Anhalter durch die Galaxis“ geschrieben:

KEINE PANIK! Kommunale Baupolitik ist keine Voodoo-Wissenschaft oder Zauberei, sie setzt ein in überschaubarem Zeitrahmen anzueignendes Wissen, Konzentration, eine gewisse Skepsis gegenüber Beschlussvorlagen und vor allem einen gesunden Menschenverstand voraus. Nicht nur im ländlichen Raum werden häufig an private und kommunale Bauvorhaben unrealistische Hoffnungen auf Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze oder gar eine Umkehrung der demografischen Entwicklungen geknüpft. Bei derartigen Vorhaben 5

Kommunales Planen und Bauen

sehen sich kritische, bündnisgrüne Baupolitiker schon seit vielen Jahren einer breiten Phalanx unkritischer Befürworter ausgesetzt und als „Verhinderer“ öffentlich angeprangert. Ich erinnere mich noch gut an die Ausweisung des Wohngebietes „Röderau Süd“ in Riesa, das ausgerechnet in einem Altarm der Elbe angelegt wurde. Für ihre Warnungen und ihren Widerstand wurden die Stadträte von Bündnis 90/Die Grünen von den anderen Parteien scharf kritisiert und in der Öffentlichkeit beschimpft. Im Jahrhunderthochwasser vom August 2002 versanken dann die Häuser von Röderau Süd bis zu den Firsten im schmutzigen Wasser, und nachdem sie mit Fluthilfegeldern wieder aufgebaut und saniert worden waren, entschied sich der Stadtrat von Riesa letztlich doch, das Wohngebiet endgültig aufzugeben und zurückzubauen. Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode! Fehlentscheidungen wie „Röderau Süd“ finden wir an vielen anderen Orten in Sachsen oder Deutschland. Der Druck auf kommunale Entscheidungsträger, sich für falsche Siedlungs-, Bau- oder Verkehrsvorhaben entscheiden zu müssen, nährt sich immer wieder aus dem Wegblenden der eher negativen - Faktenlage und einem diffusen Bauchgefühl heraus. Man darf dem Fortschritt halt nicht im Wege stehen! Diskussionen werden bevorzugt auf der emotionalen Ebene und über die sogenannte öffentliche Meinung geführt. Es gilt die Regel: Je schlechter die Faktenlage, desto höher ist der erzeugte Druck. Diese Broschüre möchte den kommunalen Akteuren den Blick fürs Wesentliche öffnen und ihnen aufzeigen, wie man mit einigen Grundkenntnissen über demografische, wirtschaftspolitische, baufachliche und baurechtliche Zusammenhänge die Debatten in den Fachausschüssen, im Kommunalparlament und in der Öffentlichkeit beeinflussen und anführen kann. Wer sich noch tiefer mit der Materie beschäftigen will, dem seien die Literaturquellen im Anhang und der Kontakt mit kompetenten Fachleuten z.B. bei den Landtagsfraktionen und der Bundestagsfraktion empfohlen. Für Rückfragen stehe ich natürlich ebenfalls gerne zur Verfügung.

Peter Hettlich Markt 7 04109 Leipzig Mail: [email protected]

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Einführung und Überblick

2.1

Faktenlage

Der demografische Wandel stellt Deutschland in Ost und West vor wachsende und komplexe Probleme. Ihre Bewältigung stellt die kommunalen Entscheidungsträger vor große Herausforderungen. In Ostdeutschland ist in besonderer und vielfältiger Weise die Bau- und Stadtentwicklungspolitik von den Schrumpfungsprozessen betroffen. Allerdings folgen deren Ausprägungen nicht einfachen Analogien wie „schrumpfende Bevölkerung = schrumpfende Flächeninanspruchnahme“. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (seit 2009 BBSR, früher BBR, www. bbsr.bund.de) in Bonn bietet eine Vielzahl von Daten- und Informationsangeboten für diejenigen an, die sich tiefer mit der Materie beschäftigen wollen. Ich empfehle wärmstens die „Raumordnungsprognose 2025/2050“ und „INKAR 2010“, die über die Homepage des BBSR bezogen werden können. Die nebenstehende Grafik (BBR, 2008) und die nachfolgenden Bilder zeigen die Kernprobleme der künftigen demografischen Entwicklung auf: In Ostdeutschland gibt es nur wenige Regionen, die sich gegen den Trend als Wachstumsregionen behaupten können: Es sind dies die Regionen Dresden und Halle/Leipzig, die Region Weimar/Jena, die Metropolregion Berlin/Potsdam und die Küstenregion Wismar bis Rostock.

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Bevölkerungsdynamik

Internationalisierung

a. Mittlere bis starke Bevölkerungsverluste (blauer Hintergrund) vor allem in Ostdeutschland und in überraschend vielen Regionen Westdeutschlands bis weit nach Westen ins Ruhrgebiet und Saarland b. Mittlere bis starke Bevölkerungszuwächse (roter Hintergrund) vor allem in den westdeutschen Ballungszentren über Hamburg, das südliche Rhein-/Ruhrgebiet, das Rhein-/Maingebiet und das Rhein-/Neckargebiet bis zum Großraum München, die sogenannten „Banane“

e. Schwache Internationalisierung in den schrumpfenden Regionen Ost- und Westdeutschlands –> Indikator für schlechte wirtschaftliche Zukunftsperspektiven, diese Regionen werden allenfalls als verlängerte Werkbänke und Niedriglohngebiete ausgenutzt. f. Starke bis sehr starke Internationalisierung in den Wachstumsregionen Westdeutschlands und mit wenigen Ausnahmen in Ostdeutschland (Berlin, Dresden, Leipzig/Halle, Weimar/Jena, Magdeburg, Rostock) –> Indikator für starke wirtschaftliche Zukunftsperspektiven Diese für Ostdeutschland negativen Trends führen zu dem Effekt, dass die Tragfähigkeit von Infrastruktureinrichtungen insbesondere kommunaler Einrichtungen erheblich zurückgehen wird, was zu einem Teufelskreis führt. Weniger Bevölkerung + mehr Alte + geringe Internationalisierung verursachen: --> weniger Steuereinnahmen --> steigende Sozialausgaben --> weniger infrastrukturelle Angebote --> geringere Attraktivität für Unternehmen --> stärkere Binnenmigration --> weniger junge Menschen insbesondere junge Frauen --> noch weniger Geburten --> noch weniger Steuereinnahmen --> noch höherer Altenanteil --> noch höhere Sozialausgaben --> noch weniger Infrastruktur...

Alterungsproblematik c. Unterdurchschnittliche Geburtenraten = sinkende Schülerzahlen (blaue Schraffur) –> ein wesentlicher Indikator für die nahezu irreversiblen Bevölkerungsverluste, die in Ostdeutschland noch durch die Binnenmigration von Ost nach West verschärft werden. d. Überdurchschnittliche Zunahme an Hochbetagten (rote Punkte bzw. tiefrot) insbesondere in Ost- und Norddeutschland, mehr Alte auf immer weniger Junge –> Verstärkung der Tragfähigkeitsprobleme insbesondere der sozialen Infrastruktur

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wieder neues Bauland auszuweisen und zu erschließen, ohne zu wissen, ob ihre Entscheidungen nachhaltig sind.

Aktuell verlangsamen noch einige Phänomene den Schrumpfungsprozess in Ostdeutschland. Viele Ostdeutsche pendeln (noch) - z.T. über mehrere Landesgrenzen hinweg - zu ihren Arbeitsplätzen in West- oder Süddeutschland und verlangsamen - insbesondere im ländlichen Raum - die Entleerung. Der Anteil der Pendelverflechtungen liegt in Ostdeutschland bei ca. 150% des westdeutschen Niveaus.

Die überraschend starken Bevölkerungszuwächse in Dresden und Leipzig lassen sich zum einen auf die erhöhten Geburtenzahlen aber auch auf steigende Entleerungstendenzen in den sogenannten Peripherräumen zurückführen (u.a. durch die Aufgabe von Pendlerbeziehungen). Diese selbstverstärkenden negativen Trends sind in Ansätzen bereits in den Landkreisen Nordsachsen, Görlitz, Erzgebirge und Vogtland zu beobachten.

Angesichts steigender Treibstoffund Mobilitätspreise ist zu erwarten, dass die Pendelverflechtungen tendenziell zurückgehen werden, da sich alleine schon aus Kostengründen mittelfristig der Wohnort in die Nähe des Arbeitsorts verlagern wird. Derartige Effekte dürften teilweise zu dem Bevölkerungswachstum von Leipzig und Dresden beigetragen haben.

Aber wir treffen auch auf die absurde Situation, dass in Landkreisen und Kommunen mit starken Schrumpfungsprozessen neue Wohngebiete trotz innerörtlicher Leerstände ausgewiesen werden (müssen?), um dadurch junge Menschen zum Dableiben bewegen zu können. Da der Wohnungsbau ein wichtiger Teil der Siedlungsflächenentwicklung ist, ergibt sich bei der Zusammenfassung aller Aspekte ein überraschendes und auch erschreckendes Bild, das sich von den oben beschriebenen demografischen Entwicklungen diametral zu unterscheiden scheint.

Auch wenn sich in wenigen Städten wie Dresden, Leipzig, Potsdam und Jena ein möglicher Trend „Zurück in die Stadt“ abzeichnet, so ist der Trend zu Wanderungsbewegungen aus den Kernstädten in das Umland (Suburbanisierung) ungebrochen. In den sogenannten Speckgürteln um die großen Städte besteht weiterhin eine hohe Nachfrage an Baugrundstücken und selbstgenutztem Wohnraum (Ein- und Zweifamilienhäuser). Dies stellt kommunale Baupolitiker vor große Herausforderungen und unter den Druck, immer

Unverändert werden bundesweit täglich zwischen 110 und 120 ha wertvollen Ackerbodens für Siedlungsflächen in Anspruch genommen. Davon entfallen zwischen 50 und 60 ha auf Gebäude- und Freiflächen, ca. 30 ha auf Erholungsflächen und 20-30 ha auf Verkehrsflächen. Das nationale Nachhaltigkeitsziel mit einem Flächenverbrauch von 30 ha pro Tag im Jahr 2020 scheint ohne zusätzliche Anstrengungen insbesondere der Kommunen unerreichbar. Die heutige Raumstruktur ist durch den demografischen Wandel einem tiefgreifenden Wandel unterworfen. Die Peripherräume aber selbst die inneren Zentralräume werden die Verlierer dieser Entwicklung, die äußeren Zentralräume und die Zwischenräume eher die Gewinner sein. Diesen Prozess zu begleiten und zu gestalten, ist eine weitere Herausforderung kommunaler Baupolitiker. 10

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Kommunales Planen und Bauen

2.2

Die Heterogenität und die unterschiedlichen Entwicklungen der Landkreise und Gemeinden in Sachsen bilden sich in der folgenden Grafik der Bertelsmann Stiftung ab. Sie zeigt deutlich, wie unterschiedlich die Auswirkungen des demografischen Wandels von Region zu Region, von Gemeinde zu Gemeinde sind.

Auswirkungen auf die Bautätigkeit

Der demografische Wandel führt in Folge der niedrigen Geburtenraten zu einem dramatischen Rückgang in der Altersklasse der Ersthaushaltsgründer, da diese Generation durch den Nachwende-Geburtenknick und Abwanderung besonders dezimiert ist: Die Nachfrage nach neuem bzw. saniertem Mietwohnraum sinkt. In der Altersklasse der Eigentumsbildner geht das Bevölkerungspotential ebenfalls dramatisch zurück. Der private Ein- und Zweifamilienhausbau wird sich vor allem auf die ostdeutschen Wachstumsregionen: Berlin, Potsdam, Dresden, Leipzig, Halle und Jena konzentrieren. Dennoch ist auch weiterhin mit Ausweisungen und Erschließungen von Wohngebieten in stark schrumpfenden Regionen zu rechnen, getreu dem Motto: „Die Hoffnung stirbt zuletzt“. Die dramatisch zunehmende Zahl von Alten und Hochbetagten erfordert umfangreiche altengerechte Anpassungen sowohl der Wohnungen als auch der Wohnorte. Die Leerstandsproblematik insbesondere in Klein- und Mittelstädten erfordert einen aktiven und umsichtigen Umgang mit leerstehenden Gebäuden und im Zweifelsfalle - im Rahmen von integrierten Stadtentwicklungsprogrammen - auch den Rückbau (=Abriss) von Gebäuden z.B. im Rahmen des Bundes-/Länderprogramms Stadtumbau Ost.

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Basisszenario Ostdeutschland Wohnungsbestandsentwicklung Jahr 2001

Zugänge in Tsd. Abgänge in Tsd. Bestand in Tsd. 6980 Bevölkerung in Tsd. 13729 Veränderung HH-Zahl Leerstand in Tsd. 1030 Leerstandsquote in %* 14,7

2001-2010 2011-2020 2021-2030 2031-2040 2041-2050 300 500 6780 12855 - 230 1060 15,6

200 500 6480 12059 - 210 970 15,0

150 500 6130 11301 - 260 880 14,4

100 500 5730 10569 - 300 780 13,6

150 500 5380 9828 - 340 770 14,3

Die Schrumpfungsprozesse führen zu einem hohen Anpassungsdruck an die Infrastruktur. Die Kosten dafür werden zu Lasten der Kommunen gehen. Somit stehen weniger Finanzmittel für andere wichtige bauliche Investitionen (z.B. energetische Sanierung) zur Verfügung. Davon sind besonders die (ländlichen) Peripherräume betroffen: Die Anpassung von technischer Infrastruktur an den demografischen Wandel bedeutet immer Rückbau und Neubau angepasster, geringer dimensionierter Infrastruktur. Sie erfordert eine stärkere Dezentralisierung im ländlichen Raum, und sie bindet investive Mittel der Kommunen in erheblichem Maße. Investitionen an kommunalen Gebäuden werden sich angesichts zurückgehender Steuereinnahmen (aufgrund des Bevölkerungsrückgangs) und Finanzzuweisungen bei gleichzeitig wachsenden Ausgaben vor allem auf die Sanierung und den Erhalt von einigen wenigen Gebäuden konzentrieren. Am schlechten energetischen Zustand öffentlicher Gebäude (z.B. Kindertagesstätten, Schulen) wird sich vermutlich angesichts des gewaltigen Sanierungsrückstandes in den kommenden Jahren wenig ändern.

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2.3

Handlungsempfehlungen für die kommunale Bau- und Stadtentwicklungspolitik

• Die Wachstumsregionen Ostdeutschlands/Sachsens müssen sich verpflichten, ihr Wachstum nicht einseitig zu Lasten der schrumpfenden Regionen voranzutreiben. • Stärkung des interkommunalen Dialogs und eine bessere Zusammenarbeit bei Bauvorhaben und Siedlungsprojekten über Gemeinde- und Kreisgrenzen • Bevorzugung, Stärkung und Prioritätensetzung bei regionalen Siedlungsstrukturen. Verhinderung von Kannibalisierungseffekten durch falsch verstandenes Konkurrenzdenken z.B. bei der Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten • Förderung von Verwaltungskooperationen • Arbeitsteilung bei der Übernahme zentralörtlicher Funktionen • Prioritätensetzung bei der Gemeinde- und Stadtentwicklung • Erstellung integrierter Stadtentwicklungskonzepte mit Bürgerbeteiligung • Geordneter Umgang mit Leerstand im Rahmen des Programms Stadtumbau Ost • Konsequente Ausrichtung der kommunalen (soziale, bauliche und technische) Infrastruktur auf Schrumpfung • Schnelle Anpassung der technischen Infrastruktur • Konzentration auf die Siedlungskerne • Innenentwicklung geht vor Außenentwicklung • Ausweisung von neuen Wohn- und Gewerbegebieten an der Peripherie nur nach Ausschöpfung aller innerstädtischen bzw. innergemeindlichen Potentiale • Reduzierung des Flächenverbrauchs und Entsiegelung nicht mehr benötigter Flächen • Aktive Alten- und Sozialpolitik • Altengerechter Umbau der Siedlungsstrukturen • Schaffung von altengerechtem Wohnraum • Schaffung von altengerechten Mobilitätsangeboten • Aufbau von Serviceeinrichtungen wie „rollendes Rathaus“ • Aufbau mobiler sozialer und ärztlicher Dienste • Vermeidung von sozialer Segregation und Förderung der Durchmischung • Nutzung des Programms „Soziale Stadt“ • Kontrolliertes Haushalten mit den knappen investiven Mitteln • Transparenz und Öffentlichkeit bei Entscheidungsprozessen • Verzicht auf nicht notwendige repräsentative Projekte • Beachtung der Wirtschaftlichkeit von Vorhaben • Kostenehrlichkeit • Strenge Kostenkontrolle bei allen kommunalen Planungs- und Baumaßnahmen über alle Planungsebenen einschließlich Rückfallszenarien für den „worst case“ und Mut zum Abbruch. 16

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Baugesetze, Verordnungen, Vorschriften, Bekanntmachungen und Richtlinien

3.1

Zusammenspiel von Kommunen, Ländern und Bund

Den meisten BürgerInnen - selbst einigen Kommunalpolitikern - dürfte unbekannt sein, dass eine, wenn nicht sogar die wesentliche Entscheidungsebene für „Planen und Bauen“ in Deutschland auf der kommunalen Ebene zu finden ist. Bei der Umsetzung von Bauplanungs- und Bauordnungsrecht entscheiden die Kommunen und somit auch die Kommunalparlamente über das Ob und das Wie von Bauvorhaben. Diese als Kommunale Planungshoheit bekannte Handlungsautonomie leitet sich aus dem Art. 28 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes ab: „Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“ Das Grundgesetz gibt den Kommunen nicht nur das Recht, z.B. die städtebauliche Entwicklung im Rahmen der Bauleitung zu gestalten, sondern auch das Recht auf weitere kommunale Planungen wie Schulnetzplanung oder Kindergartenplanung. Aus der kommunalen Planungshoheit leiten sich zudem Anhörungs- und Beteiligungsrechte bei übergeordneten Fachplanungen ab. So müssen z.B. die Raumordnungspläne der Länder die Bauleitplanung der Kommunen berücksichtigen. Die Kommunale Planungshoheit hat sich im Großen und Ganzen über viele Jahre bewährt und ist daher ein hohes Gut, wenn sich auch aus den Rechten viele Pflichten ableiten. Die kommunalen Akteure sehen sich den wachsenden Herausforderungen wie dem demografischen Wandel, der Leerstandsproblematik, einem hohen Flächenverbrauch oder der schwindenden Tragfähigkeit von öffentlicher Infrastruktur ausgesetzt, und sie müssen sich dem medialen und öffentlichen Druck stellen. Auch wird über die europäische Gesetzgebung die Handlungsautonomie der Kommunen zunehmend unterlaufen, wie dies z.B. bei der Umsetzung der Feinstaubrichtlinie oder auch der Umgebungslärmrichtlinie beobachtet werden konnte. Theoretisch bieten die vorhandenen Gesetze und Verordnungen gut ausgestattete Werkzeugkästen, um eine eigenständige, nachhaltige, ökologische und zukunftsfeste kommunale Baupolitik umzusetzen. Praktisch führen die realen politischen Verhältnisse zu oft dazu, daß z.B. aufgrund des interkommunalen Wettbewerbs um Einwohner und Steuereinnahmen langfristig angelegte Planungsgrundsätze nur keine oder nur eine zu geringe Rolle spielen. Die gesetzlichen Grundlagen für das kommunale Handeln leiten sich aus der Gesetzgebungskompetenz der Länder und des Bundes ab. Diese greifen gelegentlich in die kommunale Planungshoheit ein und können sie auch einschränken, wobei eine eigenverantwortliche Planung durch die Gemeinden garantiert sein muss. 17

Kommunales Planen und Bauen

Im Zweifelsfalle müssen Regelungen, die diesem Prinzip widersprechen von den Verfassungsgerichten überprüft und aufgehoben werden. Die Zuordnungssystematik bei der Gesetzgebungskompetenz der Länder und des Bundes ist für den Laien auf den ersten Blick nicht zu erkennen. In Art. 30 des Grundgesetzes heißt es: „Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt“. Ein wesentlicher Bestandteil des sogenannten Bauordnungsrechts ist z.B. das Baupolizeirecht. Da die Normierung des Polizeirechts in die Kompetenz der Länder fällt, ist das Bauordnungsrecht somit Landesrecht. So einfach ist das also. Die Bundesländer regeln u.a. über ihre Landesbauordnungen (auf der Basis von Landesgesetzen) die Anforderungen, die ein Bauvorhaben sowohl bei der Nutzung eines Grundstücks als auch bei seiner technischen Umsetzung zu erfüllen hat. Zum Bauordnungsrecht gehören weitere Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsvorschriften, Bekanntmachungen und Richtlinien wie z.B. die Garagenverordnung, die Feuerungsverordnung, die Versammlungsstättenbaurichtlinie oder auch die Schulbaurichtlinie. Der Bund hat andererseits die Regelungskompetenz für das Bauplanungsrecht nach Art. 74 Abs. 1 Grundgesetz und zwar nach Nr. 18 (Bodenrecht). Dort heißt es: „Die konkurrierende Gesetzgebung erschließt sich auf den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht.“ Art. 72 Abs. 1 Grundgesetz präzisiert: „Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.“ Dieses hat der Bund mit dem Baugesetzbuch (BauGB) gemacht. Auch die Regelungskompetenz des Bundes beim Energieeinsparungsgesetz (EnEG) und der daraus abgeleiteten Energieeinsparungsverordnung (EnEV) ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1, in diesem Fall aber aus der Nr. 24 (Luftreinhaltung), in Verbindung mit Art. 72 Abs. 1. Die bei Gesetzesvorhaben zunehmend bedeutende Europäische Union hat bislang eher wenige Initiativen im Bereich Bauen und Stadtentwicklung ergriffen. Versuche z.B. eine gemeinsame europäische Stadtentwicklungspolitik zu machen, scheiterten bislang u.a. an dem deutschen Verweis auf eine unzulässige Einschränkung der kommunalen Planungshoheit. Das aktuelle deutsche Baugesetzbuch wurde z.B. 2004 aufgrund des Europarechtsanpassungsgesetzes Bau (EAG Bau) novelliert. Auch im Bereich der energetischen Gebäudesanierung besteht eine Regelungskompetenz der EU. Die zur Zeit noch kontrovers diskutierte EU-Gebäuderichtlinie wird über kurz oder lang kommen und in nationales Recht zu überführen sein. Dies war übrigens auch bei 18

der Feinstaubrichtlinie, der Umgebungslärmrichtlinie oder der Strategischen Umweltprüfung der Fall, die z.T. für die Kommunen erhebliche Konsequenzen hatten und haben.

3.2

Baugesetzbuch (BauGB)

Das Baugesetzbuch ist das wichtigste Gesetz des Bauplanungsrechts. Es regelt in aktuell 247 Paragraphen die Siedlungsentwicklung sowie die städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen und stellt die stadtplanerischen Werkzeuge den Kommunen zur Verfügung. Auch hier gilt:

KEINE PANIK! Die beiden wichtigsten Kapitel des BauGB sind für kommunale Bau- und Stadtentwicklungspolitiker: Das Erste Kapitel „Allgemeines Städtebaurecht“, das die Bauleitplanung, die Sicherung der Bauleitplanung, die Regelung der baulichen und sonstigen Nutzung, die Bodenordnung, die Enteignung, die Erschließung und Maßnahmen für den Naturschutz regelt, ist zugleich das umfangreichste Kapitel im BauGB. Die Teile 1 und 3 des ersten Kapitels sind besonders wichtig, denn sie regeln, unter welchen Bedingungen man das „Baurecht“, d.h. das Recht zum Bauen erlangt. Dies ist für das Grundverständnis bedeutsam, da eine Baubehörde eine Baugenehmigung erteilen muss, wenn die Bedingungen seitens des Bauherrn erfüllt sind. Das Gesetz lässt keinen Ermessensspielraum zu, um Willkür und Vorteilsnahmen ausschließen zu können. Das Zweite Kapitel „Besonderes Städtebaurecht“ regelt die städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen und Entwicklungsmaßnahmen, den Stadtumbau, die Soziale Stadt, Private Initiativen, die Aufstellung von Erhaltungssatzungen und den Erlass städtebaulicher Gebote, Sozialplan und Härteausgleich, Miet- und Pachtverhältnisse und Städtebauliche Maßnahmen im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur. Das Dritte Kapitel „Sonstige Vorschriften“ und das Vierte Kapitel „Überleitungsund Schlussvorschriften“ behandeln u.a. Wertermittlungen, Zuständigkeiten und Verfahrensfragen, die im Normalfall eher selten benötigt werden. Diese beiden Kapitel werden daher in dieser Broschüre nicht behandelt. Das Baugesetzbuch wurde in den letzten Jahren zweimal novelliert. Die umfangreichste Novellierung fand unter der rotgrünen Bundesregierung 2004 statt. Dabei wurde das sogenannte „Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau)“ in nationales Recht, d.h. in das BauGB überführt. U.a. wurden eine förmliche Umweltprüfung für 19

Kommunales Planen und Bauen

Bauleitpläne eingeführt sowie weitreichende Regelungen zur Genehmigungsfähigkeit von Anlagen zur Erzeugung Erneuerbarer Energien im Außenbereich. 2007 wurde unter der schwarzroten Koalition das „Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte“ verabschiedet, das einerseits zwar vorgibt, die Innenentwicklung gegenüber der Außenentwicklung zu stärken, andererseits die gerade erst 2004 eingeführten Umweltprüfungen für Bauleitpläne wieder einschränkt.

3.2.1 BauGB – Erstes Kapitel: Allgemeines Städtebaurecht Der erste und zweite Teil regeln die Bauleitplanung und somit die Bedingungen, unter denen Gebiete für bestimmte Nutzungen (Wohnen, Gewerbe, Industrie) aber auch für die Freihaltung von Nutzungen ausgewiesen werden dürfen. Die Instrumente der Bauleitplanung sind vor allem der Flächennutzungsplan und der Bebauungsplan. Diese Pläne werden durch die Kommunen bzw. in deren Auftrag durch qualifizierte Planungsbüros erstellt und durchlaufen einen vielstufigen Prozess, um die Qualität und die Berücksichtigung der unterschiedlichen Belange zu gewährleisten. Daher findet eine umfangreiche Beteiligung der Öffentlichkeit und Behörden statt. In Verbindung mit der Aufstellung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen kommen der Baunutzungsverordnung (BauNVO) und der Planzeichenverordnung (PlanZVO) besondere Bedeutung zu. Für die Genehmigung zur Nutzung von Grundstücken ohne das Vorliegen eines Bebauungsplans (was übrigens eher die Regel als die Ausnahme darstellt), kommen die Regelungen des dritten Teils zu Anwendung. So lässt u.a. der § 34 Vorhaben in innerörtlichen bzw. innerstädtischen Gebieten dann zu, wenn sich ein Vorhaben „in die Eigenart der näheren Umgebung“ einfügt und die Erschließung gewährleistet ist. Der § 34 ist vermutlich die am häufigsten angewendete Regel bei der Genehmigung von Bauvorhaben, er lässt den Genehmigungsbehörden einen gewissen Ermessensspielraum zu, was bei Konflikten aber auch eher zu Klageverfahren vor den Verwaltungsgerichten führt. Der § 35 regelt z.B. Vorhaben im Außenbereich, bei denen es sich im Allgemeinen um land- und forstwirtschaftliche sowie gartenbaulichen Betriebe handelt. § 35 Abs. 1 Nr. 5 erlaubt aber auch ein Vorhaben im Außenbereich, wenn es „der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dient“ oder wie in Abs. 1 Nr. 6 „der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen von land- und forstwirtschaftlichen sowie gartenbaulichen Betrieben dient“.

Der vierte Teil enthält die Regelungen zur Bodenordnung, hier geht es u.a. um die Möglichkeit der Umlegung von Grundstücken, um dadurch bestimmte Bebauungsplan- und Flächenzuschnitte zu ermöglichen und um die entsprechenden Ausgleichsregelungen für betroffene Grundstückseigentümer. Im fünften Teil werden Fragen von Enteignungen und Entschädigungen behandelt, die aus zwingenden städtebaulichen Gründen unter strengen Maßgaben zulässig sind. Der sechste Teil behandelt das Thema Erschließungen und regelt u.a. die Zugänglichkeit von Grundstücken über Wege und Straßen aber auch die Erhebung von Erschließungsbeiträgen der Grundstückseigentümer. Im siebten Teil werden Ausgleichs-, Erhaltungs- und Ersatzmaßnahmen des Naturschutzes geregelt. Hier findet sich auch die Verpflichtung einer strategischen Umweltprüfung, die für alle Bauleitpläne durchzuführen ist. Baunutzungsverordnung (BauNVO) Für die Aufstellung eines Bauleitplans (Flächennutzungsplans, eines Bebauungsplans oder eines Vorhaben- und Erschließungsplans) ist die Baunutzungsverordnung ein unersetzliches Regelwerk. Die BauNVO definiert die Darstellung der baulichen Nutzungen, den Umfang der textlichen Angaben, definiert die unterschiedlichen Baugebietsarten und das Maß der baulichen Nutzung. Im Rahmen der Kapitel 4.2 Flächennutzungsplan und 4.3 Bebauungsplan werde ich nochmals auf die BauNVO detailliert eingehen. Planzeichenverordnung (PlanzV) Die Planzeichenverordnung beschreibt den Umfang der notwendigen Angaben (z.B. Flurstücksnummern, Flurstücksgrenzen etc.) auf den Bauleitplänen und schreibt in einer Anlage die sogenannten Planzeichen vor, mit denen Festlegungen in den Bauleitplänen verbindlich zu kennzeichnen sind. Sie verpflichtet ferner dazu, die verwendeten Planzeichen nochmals zusätzlich im Bauleitplan zu erklären.

Auch der Abs. 1 Nr. 7 ist interessant, denn er erlaubt ein Vorhaben im Außenbereich, wenn es „der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient“.

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Kommunales Planen und Bauen

3.2.2 BauGB – Zweites Kapitel: Besonderes Städtebaurecht Das Besondere Städtebaurecht regelt, wie Kommunen Störungen im städtebaulichen Gefüge und daraus resultierende Missstände beseitigen und die städtebauliche Situation verbessern, umgestalten oder Fehlentwicklungen vorbeugen können. So heißt es im ersten Teil unter § 136 Abs. 2: „Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen sind Maßnahmen, durch die ein Gebiet zur Behebung städtebaulicher Missstände wesentlich verbessert oder umgestaltet wird. Städtebauliche Missstände liegen vor, wenn 1. das Gebiet nach seiner vorhandenen Bebauung oder nach seiner sonstigen Beschaffenheit den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse oder an die Sicherheit der in ihm wohnenden oder arbeitenden Menschen nicht entspricht oder 2. das Gebiet in der Erfüllung der Aufgaben erheblich beeinträchtigt ist, die ihm nach seiner Lage und Funktion obliegen.“ Der erste Teil definiert die Kriterien für eine Sanierungsbedürftigkeit und die allgemeinen Zielsetzungen einer solchen Maßnahme. Außerdem wird die Beteiligung der Betroffenen und der Öffentlichen Aufgabenträger geregelt. Er regelt die Aufstellung und die spätere Aufhebung der sogenannten Sanierungssatzung, den Umfang und die Verpflichtungen der Beteiligten, die Beauftragung der Sanierungsträger oder den Einsatz von Städtebauförderungsmitteln. Im zweiten Teil geht es um die Durchführung von städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen. „Mit städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen sollen Ortsteile und andere Teile des Gemeindegebiets entsprechend ihrer besonderen Bedeutung für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung der Gemeinde oder entsprechend der angestrebten Entwicklung des Landesgebiets oder der Region erstmalig entwickelt oder im Rahmen einer städtebaulichen Neuordnung einer neuen Entwicklung zugeführt werden.“ Der dritte Teil behandelt den für Ostdeutschland besonders wichtigen Stadtumbau. „Stadtumbaumaßnahmen sind Maßnahmen, durch die in von erheblichen städtebaulichen Funktionsverlusten betroffenen Gebieten Anpassungen zur Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen vorgenommen werden. Erhebliche städtebauliche Funktionsverluste liegen insbesondere vor, wenn ein dauerhaftes Überangebot an baulichen Anlagen für bestimmte Nutzungen, namentlich für Wohnzwecke, besteht oder zu erwarten ist.“ Im Rahmen der Bund-/Länderprogramme Stadtumbau Ost (bis 2017 garantiert) und West werden Maßnahmen insbesondere gegen die Leerstandsproblematik und den Verlust der Tragfähigkeit von technischer Infrastruktur geregelt. Das bedeutet aber auch, dass nach Abs. 3 (5) „…einer anderen Nutzung nicht zuführbare bauliche Anlagen zurückgebaut werden.“ An diesem Punkt entzünden sich häufig die Konflikte im Ringen um den Erhalt stadtbildprägender Gebäude, deren Abriss – wie z.B. in Chemnitz – ausschließlich mit einer mangelnden Nutzungsperspektive begründet wird. Hier ist eine aufmerksame Öffentlichkeit gefragt, die 22

Fehlentwicklungen und Auswüchse aufzeigt und skandalisiert. U.a. die Stadtforen in Leipzig und Chemnitz haben sich dabei große Verdienste erworben. Andererseits geht an einem geordneten Rückbau (=Abriss) im Rahmen des Stadtumbau Ost und auf der Grundlage eines integrierten Stadtentwicklungskonzeptes, bedauerlicherweise kein Weg vorbei. Ansonsten würde die angestrebte Leerstandsquote von rd. 15% schnell in kritische Bereiche von 25% und mehr besonders in den Schrumpfungsregionen steigen. Der vierte Teil behandelt die Maßnahmen der Sozialen Stadt, bei denen es weniger um investive Baumaßnahmen geht sondern um ein besser koordiniertes Vorgehen verschiedener kommunaler Ebenen, um wirtschaftliche und soziale Schieflagen und Mißstände von Ortsteilen zu mindern. Der sechste Teil ermöglicht den Kommunen über sogenannte Erhaltungssatzungen und städtebauliche Gebote, Grundstücksspekulationen und einer Verdrängung von Bewohnern, die z.T. gerade durch städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen und den dadurch erfolgten Aufwertungen der Quartiere bedingt sein könnten, entgegen zu wirken. Dazu gehören z.B. Baugebote für Grundstücke, aber auch Rückbau- und Entsiegelungsgebote. Interessant für die Baupolitiker im ländlichen Raum ist sicherlich noch der neunte Teil, in dem es um Städtebauliche Maßnahmen im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur geht. Im Rahmen der „Gemeinschaftsaufgabe Agrar und Kostenschutz“ (GAK) sollen ländliche Strukturen verbessert werden. Die Kommunen sollen prüfen, ob z.B. im Rahmen von Flurbereinigungsverfahren auch städtebauliche Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen. Dazu gibt es dann auch die entsprechenden Regelungen in Analogie zum ersten und zweiten Teil.

3.3

Landesbauordnungen und Sächsische Landesbauordnung (SächsBO)

Wie schon unter 3.1 ausgeführt, liegt das Bauordnungsrecht in der Regelungskompetenz der Länder. Dadurch bedingt gibt es bei 16 Bundesländern entsprechend auch 16 Landesbauordnungen. Einer drohenden Kleinstaaterei versucht die Bauministerkonferenz dadurch zu begegnen, indem sie eine Musterbauordnung verfasst hat, die regelmäßig aktualisiert wird. Auch wenn dadurch eine weitgehende Übereinstimmung der Landesbauordnungen erreicht wurde, so gibt es hier und da Unterschiede, die vor Planungsbeginn ein Studium der jeweiligen Landesbauordnung erforderlich machen. So gibt es z.B. Unterschiede in der Vorgabe für die Mindestgröße von Fluchtfenstern (als 2. Rettungsweg für den Brandfall) oder bei der Frage der Grundfläche bzw. des Rauminhalts von genehmigungsfreien Gebäuden. 23

Kommunales Planen und Bauen

Die Landesbauordnungen regeln zum einen die Nutzung des Grundstücks und konkrete Anforderungen an das Bauwerk zum anderen aber auch den Ablauf der Baugenehmigungsverfahren, die Organisation der Bauaufsichtsbehörden und die Voraussetzungen der Bauvorlageberechtigung. Die aktuelle Sächsische Landesbauordnung (SächsBO) stammt aus dem Jahre 2004 und wurde zum 05.06.2010 nochmals rechtsbereinigt. Sie regelt in 90 Paragraphen die Umsetzung des Baurechts für ein Vorhaben. Teil 1 – Allgemeine Vorschriften definiert für die folgenden Paragraphen die Begriffe und allgemeine Anforderungen. Teil 2 – Das Grundstück und seine Bebauung regelt u.a. die Zugänglichkeit von Grundstücken und enthält den konfliktträchtigen § 6 – Abstandsflächen, Abstände. Bildlich gesprochen, verpflichtet § 6 den Bauherrn, dass im Regelfalle bei seinem „aufgefalteten“ Gebäude alle Flächen auf dem Grundstück liegen müssen, wobei sich die Tiefe der Abstandsflächen aus den Außenwandhöhen x einem Faktor (0,2 bis 0,4) ergibt. Der Mindestabstand zur Nachbargrundstücksgrenze muss jedoch immer 3 m betragen. Ausnahmen gibt es z.B. bei Garagen, die bis zu einer Länge von 9 m und einer Höhe von 3 m sogar auf der Grundstücksgrenze stehen dürfen. Bei einer verdichteten innerstädtischen Bebauung müssen Abweichungen in Verhandlungen mit den Nachbarn und der Kommune (wegen den Abstandsflächen auf öffentlichen Verkehrsflächen) rechtsverbindlich geregelt werden. Die Nichtbeachtung des § 6 z.B. bei Aufstockungen von Einfamilienhäusern in Wohngebieten führt immer wieder zu Konflikten und der negativen Bescheidung von Bauvoranfragen oder Bauanträgen. Teil 3 – Bauliche Anlagen regelt sehr genau die Anforderungen: • an die Gestaltung und Außenwerbung • an die Allgemeine Bauausführung wie u.a. Standsicherheit, Brandschutz oder Wärme-, Schall- und Erschütterungsschutz • an die verwendeten Bauprodukte und deren bauaufsichtlichen Zulassungen • an Bauteile wie Wände, Decken, Dächer und deren Brandverhalten • an die Rettungswege, Öffnungen und Umwehrungen • an die Technische Gebäudeausrüstung wie z.B. Aufzüge, Feuerungsanlagen, Lüftungsanlagen, Sanitäranlagen, Blitzschutzanlagen • an nutzungsbedingte Anforderungen z.B. an Raumhöhen, Anforderungen an Wohnungen, Stellplätze, Garagen, Sonderbauten und ganz wichtig: • Barrierefreies Bauen (§ 50) Teil 4 – Die am Bau Beteiligten regelt die Pflichten des Bauherrn, des Entwurfsverfassers (im Regelfalle Architekt oder Bauingenieur), der Unternehmer und des Bauleiters.

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Teil 5 – Bauaufsichtsbehörden, Verfahren regelt zunächst den Aufbau und die Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörden sowie deren Aufgaben und Befugnisse. Die Unteren Bauaufsichtsbehörden sind im Regelfall die Landkreise und Kreisfreien Städte jedoch auch die Städte und Gemeinden, die bis zur Kreisgebietsreform von 2008 schon Untere Bauaufsichtsbehörden waren. Im Allgemeinen werden Bauanträge bei den Unteren Bauaufsichtsbehörden bearbeitet und beschieden. Die Oberen Bauaufsichtsbehörden sind in Sachsen die drei Landesdirektionen, die Oberste Bauaufsichtsbehörde ist das Staatsministerium des Inneren. Insbesondere regelt Teil 5 jedoch die wichtigen Fragen der Genehmigungsfreiheit und Genehmigungspflichtigkeit von Bauvorhaben. Dabei verweist er jeweils auf die entsprechenden Regelungen im 1. Kapitel, Teil 3 des Baugesetzbuchs. Verfahrensfreie, d.h. genehmigungsfreie Bauvorhaben nach § 61 sind z.B. Gartenlauben in Kleingartenanlagen, Fahrgastunterstände, Garagen bis zu einer Wandhöhe von 3 m und einer Brutto-Grundfläche von 40 m2 oder Gebäude, die einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb im Außenbereich dienen etc.. Wichtig ist der § 62, der eine Genehmigungsfreistellung für den Fall vorsieht, dass ein Bauvorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt und dessen Festsetzungen nicht widerspricht. Im Regelfall werden die Bauunterlagen durch den Bauherrn eingereicht, die Bauaufsichtsbehörde muß innerhalb von 5 Werktagen den Eingang und die Vollständigkeit der Unterlagen bestätigen oder fehlende Unterlagen nachfordern. Drei Wochen nach dem Eingang darf dann mit dem Bauvorhaben begonnen werden, ohne daß eine formelle Baugenehmigung erteilt werden muss. Nach § 63 gibt es noch ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren, das sich auf die Zulässigkeit von Bauvorhaben nach §§ 29 bis 38 BauGB bezieht. Zur Erinnerung: Der § 34 BauGB regelte zum Beispiel die Nutzung eines Grundstücks, wenn sich ein Vorhaben „in die Eigenart der näheren Umgebung“ einfügt. Alle Vorhaben, die nicht unter die §§ 61 bis 63 fallen werden nach § 64 einem Baugenehmigungsverfahren unterzogen. Teil 5: §§ 65 bis 77 regeln u.a. wer als „Bauvorlageberechtigter“ Bauanträge einreichen darf, die bautechnischen Nachweise, Abweichungen, die Form und Behandlung eines Bauantrages, die Beteiligung der Nachbarn, die Baugenehmigung, den Baubeginn, die Geltungsdauer von Genehmigungen etc.. Teil 5: §§ 78 bis 80 regeln Bauaufsichtliche Maßnahmen wie z.B. Verwendungsverbote für nicht zugelassene Baustoffe, Baustopps, Nutzungsuntersagungen und die Beseitigung von widerrechtlich gebauten Anlagen.

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Kommunales Planen und Bauen

Teil 5: §§ 81 und 82 regeln die Bauüberwachung durch die Bauaufsichtsbehörde und die Nutzungsaufnahme nach Abnahme des Bauvorhabens durch die Behörde. Teil 6 – enthält diverse Ausführungsbestimmungen zum Baugesetzbuch. Grundsätzlich sind die Landesbauordnungen - und das trifft auch auf die SächsBO zu - verständlich geschrieben. Sie richten sich zwar primär an Fachleute wie Architekten oder Ingenieure, sie sind aber auch für den interessierten Laien mit vertretbarem Aufstand zu verstehen.

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Kommunale Bauleitplanung

Im Kapitel 3.3 wurde erläutert, daß z.B. der § 62 der Sächsischen Bauordnung für ein Bauvorhaben die Genehmigungsfreistellung vorschreibt, wenn ein Bebauungsplan vorliegt. Die SächsBO nimmt dabei Bezug auf den § 30 BauGB, der die grundsätzliche Zulässigkeit eines Bauvorhabens im Plangebiet eines Bebauungsplans feststellt, wenn es dessen Festlegungen nicht widerspricht. Dieses ist ein gutes Beispiel, wie aus der praktischen Anwendung von Planungsrecht, nämlich durch die Aufstellung eines Bebauungsplans Baurecht entsteht, dessen Umsetzung in ein konkretes Bauvorhaben wiederum durch das Bauordnungsrecht geregelt und überwacht wird. Das Bauordnungsrecht wird durch die Landesparlamente gesetzlich geregelt, der Vollzug obliegt in erster Linie den Bauaufsichtsbehörden, wie dies am Beispiel des § 57 SächsBO beschrieben wird, insofern sind Kommunale Baupolitiker hier allenfalls in der Kontrolle ihrer kommunalen Bauaufsichtsbehörden und bei der Besetzung von Leitungspositionen wie z.B. Dezernenten oder Amtsleitern gefordert. Im Bereich des Planungsrechts kommt es jedoch auf sie an. Die Bauleitplanung ist quasi die Königsdisziplin der kommunalen Baupolitik. Durch eine weitsichtige, besonnene und nachhaltige Bauleitplanung können Fehlentwicklungen wie Zersiedelung, Flächenverbrauch oder Segregation vermieden werden und Auswirkungen des demografischen Wandels und der sich daraus erbgebenden Schrumpfungsprozesse gemildert werden. Nicht immer bedeutet übrigens, dass die Aufstellung eines Flächennutzungs- oder Bebauungsplans zur Ausweisung neuer Flächen z.B. an der Peripherie von Siedlungsstrukturen führt. Häufig liegt für innerörtliche Bereiche überhaupt keine oder nur allenfalls eine Flächennutzungsplanung vor, Baugenehmigungen erfolgen dann – wie oben beschrieben – z.B. nach § 34 BauGB, eine ordnende Hand, die die Stadtentwicklung lenkt, fehlt. Daher besteht ein unverändert hoher Bedarf an der Aufstellung von Bebauungsplänen. Sie bedeutet jedoch viel Arbeit für die Kommunale Verwaltung, für die Kommunalen Baupolitiker und eine Vielzahl von Betroffenen und Beteiligten. Sie kostet auch Geld, Geld, das aber möglicherweise im Hinblick auf seine positiven Lenkungswirkungen gut und zukunftsträchtig angelegt sein kann.

4.1

Exkurs: Raumordnung und Raumplanung, Landesplanung und Regionalplanung

Bevor die Kommunalen Handlungsfelder Flächennutzungsplan und Bebauungsplan behandelt werden, sei noch ein Exkurs in die übergeordnete Raumordnung und die dazugehörigen Planungsinstrumente gestattet. 26

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Kommunales Planen und Bauen

Der Exkurs soll verdeutlichen, dass die kommunale Bauleitplanung stets einen - allerdings sehr wichtigen - Teil eines großen Ganzen darstellt. Alle Akteure Kommunen, Länder und der Bund sollen gemeinsam die Leitbilder der Raumordnung umsetzen. Die Aufgabe und das Leitbild der Raumordnung werden in den drei ersten Absätzen des § 1 des Raumordnungsgesetzes (ROG) klar und deutlich beschrieben: „(1) Der Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und seine Teilräume sind durch zusammenfassende, überörtliche und fachübergreifende Raumordnungspläne, durch raumordnerische Zusammenarbeit und durch Abstimmung raumbedeutender Planungen und Maßnahmen zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern. Dabei sind 1. unterschiedliche Anforderungen an den Raum aufeinander abzustimmen und die auf der jeweiligen Planungsebene auftretenden Konflikte auszugleichen, 2. Vorsorge für einzelne Nutzungen und Funktionen des Raums zu treffen. (2) Leitvorstellung bei der Erfüllung der Aufgabe nach Absatz 1 ist eine nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung mit gleichwertigen Lebensverhältnissen in den Teilräumen führt. (3) Die Entwicklung, Ordnung und Sicherung der Teilräume soll sich in die Gegebenheiten und Erfordernisse des Gesamtraums einfügen; die Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Gesamtraums soll die Gegebenheiten und Erfordernisse seiner Teilräume berücksichtigen (Gegenstromprinzip).“ Im § 1 Abs. 4 des Baugesetzbuches finden wir übrigens dazu passend: „Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.“ Somit wird deutlich, dass sich auch die Kommunale Bauleitplanung nach den übergeordneten Leitbildern der Raumordnung zu orientieren hat, wobei genügend Handlungsspielraum für die Kommunen besteht. Die Verantwortung für Fehlentwicklungen in der Stadtentwicklung auch aufgrund von falschen Prämissen bei Bauleitung der Kommunalen Akteure bleibt bestehen.

Betrachtet man das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland als Verwaltungseinheit, so könnte man erwarten, dass es eine Art Bundesentwicklungsplan oder Bundesraumordnungsplan geben müsste. Dies ist jedoch nicht der Fall, da unser Land - wie schon in Kapitel 3.1 beschrieben - eine föderale Struktur besitzt. Es gibt - wie üblich eine Ausnahme von der Regel: Für die Ausweisung von Offshore-Windparks in der sogenannten „deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone“ ist der Bund nach § 17 Abs. 3 ROG alleine zuständig. Im Gegensatz jedoch zu anderen Raumordnungsplänen des Bundes wie z.B. zu See- und Binnenhäfen oder Flughäfen, ist hier kein „Einvernehmen“ sondern lediglich ein „Benehmen“ mit den Ländern herzustellen. Daher finden wir Entwicklungspläne erst auf der Länderebene in Form von Landesentwicklungsprogrammen oder Landesentwicklungsplänen. Nach dem Raumordnungsgesetz sind die Länder zur Landesplanung verpflichtet, die aus der Planerstellung, der Kontrolle von Planabweichungen, der Sicherung der Raumordnung, der Planbegleitung und der Aufsicht und Genehmigung über die Regionalplanung besteht. Ein Bestandteil sind z.B. Raumordnungsverfahren für Vorhaben von überregionaler Bedeutung (z.B. Fernstraßenbau, Bau von Hochspannungsleitungstrassen oder von Kanälen). Die Ergebnisse der Planbegleitung finden wir in Raumordnungsberichten wieder, wie sie u.a. das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (seit 2009 BBSR, früher BBR, www.bbsr.bund.de) erstellt. In Sachsen ist Grundlage der Landesplanung der Landesentwicklungsplan 2003 (LEP 2003), der unter Federführung der Obersten Raumordnungs- und Landesplanungsbehörde, dem Sächsischen Staatsministerium des Inneren, erstellt wurde. Seine Fortschreibung hat in 2010 begonnen, wozu 1.100 (!) Stellen in Sachsen angeschrieben und zu Stellungnahmen und Rückäußerungen aufgefordert wurden. Ziel ist für das Jahr 2012 einen fortgeschriebener Landesentwicklungsplan (LEP 2012) zu veröffentlichen. Auf der Ebene von Regierungsbezirken oder auch auf der Ebene von mehreren Landkreisen finden wir sogenannte Regionalpläne. Diese werden aus dem Landesentwicklungsplan entwickelt und stecken den Rahmen für die Bauleitplanung der Kommunen ab. In Sachsen gibt es dafür vier Regionale Planungsverbände (RPV): Westsachsen, Südsachsen, Oberes Elbtal/Osterzgebirge, Oberlausitz/Niederschlesien. Sonderfälle stellen Braunkohlenpläne als Teilregionalpläne dar. Diese werden von den zuständigen RPV Westsachsen und Oberlausitz/Niederschlesien aufgestellt.

Um die Ziele der Raumordnung zu erreichen, bedarf es auf die jeweiligen Verwaltungseinheiten zugeschnittener, hierarchisch abgestufter Planungsinstrumente der Raumplanung:

Auf der Kommunalen Ebene treffen wir schließlich auf die schon oft benannten und in den folgenden Kapiteln näher betrachteten Flächennutzungs- und Bebauungspläne

Im Brockhaus heißt es sinngemäß: „Unter Raumplanung werden die planerischen Vorgänge subsumiert, um ein bestimmtes Verwaltungsgebiet oder einen geographischen Raum nach seinen naturräumlichen, wirtschaftlichen und sozialen Möglichkeiten zu ordnen und gezielt zu nutzen“.

4.2

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Flächennutzungsplan

Der Flächennutzungsplan (FNP) wird auch als „vorbereitender“ Bauleitplan bezeichnet. Er ist ein übergeordneter Entwicklungsplan für Kommunen, der sich an grundsätzlichen politischen und fachlichen Erwägungen zur Siedlungsentwicklung 29

Kommunales Planen und Bauen

orientiert. Im BauGB regeln die §§ 5 bis 7 die Aufstellung, die Genehmigung und die Anpassung von Flächennutzungsplänen. Flächennutzungspläne entfalten keine unmittelbare rechtliche Wirkung gegenüber den Bürgern sondern formulieren verbindliche interne Vorgaben für die Kommune im Hinblick auf die spätere Aufstellung von Bebauungsplänen, die dann gegenüber den Bürgern rechtsverbindlich sind. Daher ist auch der Rechtsweg gegen die Festlegungen eines Flächennutzungsplans im Normalfall ausgeschlossen. Flächennutzungspläne müssen nach ihrem Beschluss durch die Kommune durch die übergeordnete Verwaltungsbehörde, d.h. in Sachsen von der jeweiligen Landesdirektion als „Höherer Raumordnungsbehörde“ genehmigt werden. Eine Verweigerung der Genehmigung ist durch diese jedoch nur zulässig, wenn ein Flächennutzungsplan nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist und den Vorgaben des BauGB widerspricht. Flächennutzungspläne werden wie auch Bebauungspläne entweder von eigenen Fachplanern der Kommunalen Verwaltungen (Planungsamt) oder - was häufiger der Fall ist - von qualifizierten externen Planungsbüros planerisch erstellt und ausgearbeitet. Die Auftragsvergabe erfolgt im Rahmen der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF), die Honorierung nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Die Planer erarbeiten die zeichnerische, aber nicht flächenscharfe (d.h. ohne Flurgrenzen) Darstellung der Festlegungen und einen schriftlichen Teil, die sogenannte „Begründung“. Ihre Leistungen untergliedern sich nach der HOAI in fünf Leistungsphasen: Leistungsphase 1: Klären der Aufgabenstellung und Ermitteln des Leistungsumfangs (1-3%) • Zusammenstellung einer Übersicht • Bewertung der vorhandenen Unterlagen • Ortsbesichtigungen • Ermitteln des Leistungsumfangs Leistungsphase 2: Ermitteln der Planungsvorhaben (10-20%) • Bestandsaufnahme • Analyse des Zustands • Zusammenstellung und Wichtung von Fachprognosen • Mitwirkung bei der Aufstellung von Zielen und Zwecken der Planung

• Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger • Abstimmen des Vorentwurfs mit dem Auftraggeber (Kommune) Leistungsphase 4: Entwurf (30%) • Planfassung für die Öffentliche Auslegung • Abfassung der Stellungnahme der Kommune zu Bedenken und Anregungen • Abstimmen des Entwurfs mit dem Auftraggeber (Kommune) Leistungsphase 5: Genehmigungsfähige Planfassung (7%) • Erstellung eines farbigen und vervielfältigungsfähigen Flächennutzungsplans zur Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde Welchen Leistungsumfang ein Planungsbüro dabei detailliert zu erbringen hat, kann der Anlage 4 zu § 18 „Leistungen im Leistungsbild Flächennutzungsplan“ der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) entnommen werden. § 20 der HOAI beschreibt auch die Honorare für die Leistungen bei Flächennutzungsplänen. Sie ermitteln sich aus Tabellenwerken auf der Basis von Verrechnungseinheiten, die sich wiederum aus der Zahl der Einwohner, den Flächen der darzustellenden Bauflächen und Baugebiete und den sonstigen darzustellenden Flächen ergeben. Bei einer Kommune mit 10.000 Einwohnern, einer Baufläche von 50 ha und sonstigen darzustellenden Flächen von 50 ha würden sich z.B. 250.000 Verrechnungseinheiten und bei mittlerem Schwierigkeitsgrad ein Honorar von rd. 25.000 € errechnen. Übrigens ist die Honorierung der externen Planungsbüros auf der Basis der HOAI Pflicht, eine Umgehung der HOAI durch Niedrigangebote oder Pauschalangebote ist rechtswidrig. Um einen Flächennutzungsplan bis zur Genehmigung zu führen, bedarf es vieler Zwischenschritte, Rückfragen und Rückmeldungen. Die Beteiligung der Öffentlichkeit ist nach § 3 BauGB möglichst frühzeitig einzuleiten, denn sie soll sich zu den Planungen äußern und Änderungsvorschläge einreichen können, die im Abwägungsprozess berücksichtigt werden sollen. Dies gilt auch nach § 4 BauGB für die Beteiligung von Behörden und sonstiger Träger Öffentlicher Belange (TÖB). Eine frühzeitige Beteiligung der Akteure findet daher schon im Rahmen der Leistungsphase 3 (Vorentwurf ) statt, im Rahmen der Leistungsphase 4 (Entwurf ) findet zudem die öffentliche Auslegung des Planentwurfs statt.

Leistungsphase 3: Vorentwurf (40%) • Planerische Darstellung einer grundsätzlichen Lösung • Abstimmungen mit Behörden und Trägern öffentlicher Belange (TÖB) • Abstimmung mit Nachbargemeinden 30

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Kommunales Planen und Bauen

Planerisch werden in einem Flächennutzungsplan zunächst die für eine Bebauung vorgesehenen Flächen nach Art ihrer baulichen Nutzung nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB bzw. § 1 Abs. 1 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) farbig dargestellt:

W M G S

Wohnbauflächen Gemischte Gebiete Gewerbliche Bauflächen Sonderbauflächen

Hinzu kommt nach § 5 Abs. 2 Nr. 2ff BauGB die Darstellung weiterer Flächen, die im Kontext der vorgeschriebenen Nutzungsflächen stehen: • Flächen für Ver- und Entsorgungsanlagen und Gemeinbedarfseinrichtungen (z.B. Kirchen, Kläranlagen, Sportplätze etc.) • Grünflächen • Wasserflächen • Land-, forstwirtschaftliche und gartenbauliche Flächen • Verkehrsflächen überörtlicher und großer örtlicher Bedeutung (z.B. Autobahnen, Bundesstraßen) • Flächen mit Nutzungsbeschränkungen (z.B. Abstandsflächen) • Flächen für die Gewinnung von Bodenschätzen (ober- und unterirdisch) • Flächen für Aufschüttungen und Abgrabungen • Flächen mit Umweltbelastungen • Flächen, die bei einer Bebauung gegen äußere Einwirkungen gefährdet sind (z.B. durch Hochwasser) • Flächen zum Schutz, Pflege und Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft • Ausgleichsflächen im Rahmen des Natur- und Landschaftsschutzes Des Weiteren gehört zum Flächennutzungsplan nach § 2a BauGB eine schriftliche Begründung, in der die Ziele, Zwecke und wesentlichen Auswirkungen des Bauleitplans beschrieben und zusätzlich in einem Umweltbericht die ermittelten und bewerteten Belange des Umweltschutzes dargelegt werden.

Auf einen Sonderfall eines Flächennutzungsplans sei zum Schluss hingewiesen. Aufgrund der engen Verflechtungen zwischen benachbarten Kommunen in hoch verdichteten Räumen können Regionalpläne und Flächennutzungspläne zu einem Regionalen Flächennutzungsplan (RFNP) nach § 204 BauGB zusammengeführt werden. Die Städte Bochum, Essen, Gelsenkirchen, Herne, Mülheim an der Ruhr und Oberhausen hatten zu diesem Zweck 2005 eine Planungsgemeinschaft gegründet und mit den Vorarbeiten zur Aufstellung eines gemeinsamen regionalen Flächennutzungsplans (RFNP) begonnen. Das 2007 formal eingeleitete Planverfahren wurde 2009 mit dem Beschluss des Planes und dessen Genehmigung durch das Land Nordrhein-Westfalen abgeschlossen. Seit dem 03.05.2010 ist der erste RFNP in Deutschland in Kraft. In der Metropolregion Frankfurt/Main gibt es ebenfalls seit dem Dezember 2010 einen beschlossenen RFNP, allerdings steht hier noch die Genehmigung durch die Landesregierung Hessen aus. Ein Grund für das Entstehen Regionaler Flächennutzungspläne liegt auch darin begründet, dass sich letztlich die Einsicht durchgesetzt hat, dass es bei überzogenem interkommunalem Konkurrenzdenken und durch die daraus entstehenden Kannibalismuseffekte letztlich keine Gewinner geben kann. Auch wenn die interkommunale Zusammenarbeit ein mühseliges Unterfangen ist – besonders Hessen hat hier wertaber auch leidvolle Erfahrungen machen können – so ist er in Zeiten des demografischen Wandels alternativlos, denn er hilft wachsenden ebenso wie schrumpfenden Regionen.

4.3

Bebauungsplan

4.3.1 Allgemeines und Grundsätzliches zum Bebauungsplan Der Bebauungsplan, auch verkürzt „B-Plan“ genannt, regelt in den § 8 bis 10 des BauGB im Gegensatz zum Flächennutzungsplan die mögliche Nutzung und Bebauung von Gebieten flächenscharf, d.h. mit Darstellung der Flurgrenzen und detaillierten Angaben zur zulässigen Nutzung. Er unterscheidet sich vom Flächennutzungsplan nicht nur hinsichtlich seiner Rechtsverbindlichkeit für die betroffenen Bürger, sondern kann aus diesem Grund auch beklagt werden. In der Regel wird ein Bebauungsplan nur für einen Teil eines Gemeindegebietes oder einen Orts-/Stadtteil aufgestellt, gelegentlich sogar nur für ein einziges Grundstück. Analog zum Flächennutzungsplan besteht der Bebauungsplan aus einem zeichnerischen Teil und einem textlichen Teil (Begründung). Seine Erstellung erfolgt ebenfalls entweder durch eigene Fachplaner der Kommunalen Verwaltungen (Planungsamt) oder von qualifizierten externen Planungsbüros. In Sonderfällen kann er auch nur aus einer Begründung bestehen.

Beispiel eines Flächennutzungsplans der Stadt Meppen (Niedersachsen) 32

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Kommunales Planen und Bauen

Kommunale Baupolitiker müssen sich daher mit den Fragen und Problemen beschäftigen, die ich im Kapitel – „Einführung und Überblick“ beschrieben habe. Erst dann können sie die grundsätzliche Frage: „Aufstellung eines Bebauungsplanes: Ja oder Nein“ für ihre Kommune und für sich beantworten. Ich habe in den vergangenen 20 Jahren immer wieder den enormen Druck erlebt, der auf Kommunale Politiker einwirkte, wenn sie sich der Mehrheitsmeinung bei der Ausweisung neuer Wohn-, Gewerbe- oder Industriegebiete verweigerten. Die Konsequenzen von Fehlentscheidungen lassen sich in Ostdeutschland vielerorts an „beleuchteten Kuhweiden“ oder „Feuchtbiotopen mit Peitschenlampen“ beobachten, die Risiken und Kosten tragen und trugen immer die Kommunen, den Nutzen haben und hatten häufig nur einige Wenige.

Um die Übersichtlichkeit und Vergleichbarkeit bundesweit gewähren zu können, wird bei seiner Aufstellung die Planzeichenverordnung mit normierten Planzeichen angewendet, die alle Planzeichen für den Regelfall enthält. Sollte es dennoch zu Sonderfällen kommen, so können auch eigene Planzeichen entwickelt werden, die jedoch gesondert gekennzeichnet und erläutert werden müssen.

Dieser Abwägungsprozess ist nicht einfach, denn die allzu simple Formel „Ein Bebauungsplan im Außenbereich ist Teufelswerk“ gilt nicht. Es ist jeweils eine Einzelfallbetrachtung notwendig, die auch dazu führen kann, dass selbst in einer schrumpfenden Kommune ein neues Wohngebiet ausgewiesen wird, z.B. um junge Menschen zu halten. Natürlich sollte immer als Prämisse gelten, die Folgekosten für die Kommune niedrig zu halten und eine möglichst große Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Es ist aber auch naiv zu glauben, dass angesichts schwieriger Eigentums-, Platz-, Verkehrs- und Umweltverhältnisse, eine innerörtliche Bebauung ausreichend Attraktivität für junge „Eigentumsbildner“ hat. Wer Kinder hat, der benötigt nicht nur Wohnraum sondern auch Spielflächen, Sicherheit (z.B. vor dem rollenden Verkehr) und gesunde Umweltbedingungen.

Die Planzeichen sind in einer Anlage zur Planzeichenverordnung (PlanzV) aufgeführt und sehen z.B. für die Kategorie Wohngebiete folgendermaßen aus:

Die genaue Definition, was z.B. ein Kleinsiedlungsgebiet oder ein Allgemeines Wohngebiet ist, ergeben sich wiederum aus der Baunutzungsverordnung (BauNVO). Auf die Bedeutung der beiden Verordnungen habe ich schon im Kapitel 3.2.1 hingewiesen. Sinn und Zweck eines Bebauungsplanes liegen darin, eine geordnete Entwicklung von ungenutzten und bislang unbeplanten Gebieten sowohl im Außenbereich als auch im Innenbereich zu gewährleisten. Einen nicht seltenen Sonderfall finden wir bei Bebauungsplänen für sogenannte beplante Innenbereiche, mit dem Gebiete „überplant“ werden, die bereits vorhanden und bebaut sind. Das „Ausfransen“ von Siedlungsgebieten an den Außenrändern verursacht nicht nur Flächenverbrauch sondern führt mittel- und langfristig zu Tragfähigkeitsproblemen insbesondere in schrumpfenden und stagnierenden Regionen. Daher gilt es besonders bei der Bebauungsplanung den Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ zu beachten. 34

Insofern lässt sich auch die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht von den anderen gesellschaftlichen Entscheidungen wie der Bevorzugung der Pendlerverkehre, der individuellen Mobilität - Schwächung des Öffentlichen Verkehrs - und des Fetischs Straßenbau nicht trennen. Die Entwicklung eines Bebauungsplans erfolgt oftmals aus einem Flächennutzungsplan, wobei die Rechtsverbindlichkeit eines Flächennutzungsplans nur im Innenverhältnis der Behörden aber nicht gegenüber den betroffenen Bürgern besteht. Die Aufstellung eines Bebauungsplans kann auch ohne einen Flächennutzungsplan erfolgen oder im umgekehrten Fall zu einer gleichzeitigen Aufstellung eines Flächennutzungsplans führen, eher häufiger sind jedoch Anpassungen und Änderungen. Der § 9 des Baugesetzbuchs regelt in 26 Absätzen mit Unterpunkten den Inhalt eines Bebauungsplans. Bedeutsam sind insbesondere die Festsetzungen: • • • • •

Art und Maß der baulichen Nutzung Bauweise und überbau- und nichtüberbaubare Grundstücksflächen Abweichungen von den Regelungen zu Abstandsflächen Stellung der baulichen Anlagen (Orientierung) Mindest- und Höchstmaße für Größe, Breite und Tiefe der Bebauungen

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Kommunales Planen und Bauen

4.3.2 Art der baulichen Nutzung Im Bebauungsplan werden bis zu 10 Kategorien für zur Bebauung vorgesehene Flächen nach der „Art der baulichen Nutzung“ in § 1 der BauNVO dargestellt: • • • • • • • • • •

Kleinsiedlungsgebiete Reine Wohngebiete Allgemeine Wohngebiete Besondere Wohngebiete Dorfgebiete Mischgebiete Kerngebiete Gewerbegebiete Industriegebiete Sondergebiete

(WS) (WR) (WA) (WB) (MD) (MI) (MK) (GE) (GI) (SO)

Für jede dieser Kategorien finden sich entsprechende Planzeichen in der PlanzV. Welche Nutzungen in der jeweiligen Kategorie zulässig sind, findet sich in den § 2 bis § 11 der Baunutzungsverordnung. Die Entsprechung mit den vier Kategorien des Flächennutzungsplans: Wohnbauflächen (W), Gemischte Gebiete (M), Gewerbliche Bauflächen (G) und Sonderbauflächen (S) ist nachvollziehbar. So sind z.B. in Kleinsiedlungsgebieten (WS) und Reinen Wohngebieten (WR) nur Wohngebäude zulässig, in Ausnahmefällen dürfen Läden und nicht störende Handwerksbetriebe (z.B. Bäcker) und kleinere Beherbungsbetriebe und Anlagen für soziale Zwecke zugelassen werden. Diese beiden Kategorien unterscheiden sich nicht im Maß der baulichen Nutzung, das unter 4.3.3 beschrieben wird. In Allgemeinen Wohngebieten (WA) dürfen zusätzlich zu Reinen Wohngebieten (WR) beispielsweise auch nicht störende Gewerbebetriebe, Gartenbaubetriebe und Tankstellen zugelassen werden. In Besonderen Wohngebieten (WB) kommen z.B. sonstige Gewerbebetriebe, Geschäfts-und Bürogebäude und sogar Vergnügungsstätten hinzu. Die Frage übrigens, ob Kindergärten als Anlagen für soziale Zwecke in Reinen Wohngebieten aufgrund der resultierenden „Lärmbelastung“ zugelassen werden dürfen, ist bislang nicht rechtsverbindlich geklärt. In der aktuellen Legislaturperiode soll aufgrund der unterschiedlichen Auslegung des Begriffs „Anlagen für soziale Zwecke“ der § 3 dahingehend präzisiert werden, dass Kindertagesstätten ausdrücklich zugelassen werden dürfen.

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Steht in den Kategorien WR bis WB das Wohnen im Vordergrund, so sind Mischgebiete (MI), Kerngebiete (MK), Gewerbegebiete (GE) und Industriegebiete (GI) für die Nutzung durch Gewerbebetriebe, Handelsbetriebe und Industriebetriebe ausgelegt. Auch hier ist die Hierarchie analog zu den Wohngebieten aufgebaut, d.h. je tiefer die Einstufung, desto höher sind die zulässigen Belästigungen. In diesen Gebieten sind Wohnungen nur in besonders beschriebenen Ausnahmefällen zulässig. Sondergebiete (SO) können zum einen der Erholung dienen. zum anderen können sie aber auch als Sonstige Sondergebiete großflächige Nutzungen wie z.B. Einkaufszentren, Messestandorte, Hochschulgebiete oder Hafenanlagen zulassen. Daher lohnt sich ein genauerer Blick auf die Kategorie in der textlichen Begründung. Wichtig ist auch für grüne Baupolitiker die Kenntnis, dass sich unter Sondergebiete (SO) auch viele Anlagen finden, die der „Erforschung, Entwicklung oder Nutzung Erneuerbarer Energien, wie Wind- und Sonnenenergie, dienen“. Ausnahmen bestehen bei Anlagen, die unter § 35 BauGB in Außenbereichen – auch ohne Bebauungspläne – privilegiert sind, u.a. Biogasanlagen im Bereich von land- und forstwirtschaftlichen und gartenbaulichen Betrieben (siehe hierzu Kapitel 3.2 BauGB).

4.3.3 Maß der baulichen Nutzung Ein weiterer spannender Aspekt ist das „Maß der baulichen Nutzung“. Hier beschreibt ein Bebauungsplan sehr detailliert, wieviel der Grundstücksfläche z.B. maximal überbaut werden darf, wie groß die Geschossflächen sein dürfen, wie viele Vollgeschosse ein Gebäude haben darf und wie hoch diese baulichen Anlagen sein dürfen. Die Obergrenzen ergeben sich aus § 17ff der BauNVO. So dürfen z.B. in Kleinsiedlungsgebieten (WS) bei einer Grundflächenzahl (GRZ) von 0,2 maximal 20% der Grundstücksfläche bebaut werden. In Verbindung mit der Geschossflächenzahl (GFZ) von maximal 0,4 ergeben sich theoretisch maximal 2 Vollgeschosse. Dies entspricht der erlebten Realität in vielen Einfamilienhaussiedlungen, Kellergeschosse und Dachgeschosse werden in der Regel nicht als Vollgeschosse gezählt. Rechenbeispiel: Bei einem Grundstück von 500 qm ergibt sich aus einer Grundflächenzahl (GRZ) von 0,2 eine maximal bebaubare Grundstücksfläche von 100 qm. Aus der Geschossflächenzahl (GFZ) von 0,4 ergibt sich die Geschossfläche zu 200 qm. Zieht man die Konstruktionsflächen (für Außen- und Innenwände) von ca. 25 % ab, dann verbleibt ein Einfamilienhaus mit einer Nutzfläche von maximal 150 qm. Die Höhe der baulichen Anlagen ergibt sich aus allgemeinen Erfahrungen mit den Gebietskategorien. So wäre eine zulässige bauliche Höhe von z.B. 12 m in einer Kleinsiedlungsanlage zwar theoretisch möglich aber praktisch absurd, weil sich dadurch Geschosshöhen von 5 m oder mehr ergeben würden. Üblich wären hier z.B. zulässige Bauhöhen von 6 m. In Allgemeinen oder Besonderen Wohngebieten mit 37

Kommunales Planen und Bauen

Geschossflächenzahlen von bis zu 1,6 kommt man bei 4 Vollgeschossen schnell auf 12-14 Meter Gebäudehöhen oder mehr. In Kerngebieten von Großstädten wie Leipzig oder Dresden sind Gebäudehöhen z.B. in Gründerzeitvierteln von über 20 m keine Seltenheit.

4.3.4 Bauweise, überbaubare Grundstücksfläche Zur Vervollständigung der Art der baulichen Nutzung und des Maßes der baulichen Nutzung werden desweiteren nach § 22 und 23 BauNVO festgelegt, ob eine offene oder geschlossene Bauweise zulässig ist. Eine offene Bauweise bezeichnet die Errichtung von Solitärgebäuden (Einzel- oder Doppelhäuser oder Hausgruppen) mit seitlichen Grenzabständen zueinander. In der geschlossenen Bauweise ist dagegen eine Grenzbebauung zulässig. Im Bebauungsplan kann festgelegt werden, inwieweit an Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss. Mit Hilfe von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen werden überbaubare Grundstücksflächen unabhängig von der Grundflächenzahl festgelegt. Sind Baulinien eingezeichnet, so muss auf diese Linie gebaut werden, um z.B. eine einheitliche Straßenflucht herzustellen. Sind Baugrenzen vermerkt, dann kann und darf nur zwischen diesen Grenzen gebaut werden. Ist eine Bebauungstiefe angegeben, so wird diese von der Straßengrenze ermittelt, analog gelten dann aber die Regelungen zur Baugrenze. Mit der unter 4.3.2 bis 4.3.4 beschriebenen Vorgehensweise kann somit eine genaue Beschreibung der Nutzung eines Gebietes oder eines Grundstücks im Rahmen eines Bebauungsplans erfolgen. Jetzt ist verständlich, warum der Baunutzungsverordnung eine große Bedeutung zukommt, denn ihre Definitionen ermöglichen in Verbindung mit der Planzeichenverordnung die praktische planerische Umsetzung der § 8 bis 10 des Baugesetzbuchs. Übrigens könnte man über die richtige Orientierung von Baulinien und Baugrenzen bei intelligenter Planung auch die solare Nutzung von Dachflächen zumindestens fördern. Leider ist dies nach wie vor die große Ausnahme bei Bebauungsplänen, von verbindlichen Festlegungen für eine solare Nutzung sind wir noch weit entfernt.

4.3.5 Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans

Kräfte z.B. des Planungsamtes umgesetzt wird, erfolgt wie beim FNP eine Vergabe an externe Planungsbüros im Rahmen der VOF (Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen). Die durch das Planungsbüro zu erbringenden Leistungen sind ebenfalls sehr detailliert in der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) beschrieben. Diese Leistungen untergliedern sich nach HOAI ebenfalls in fünf Leistungsphasen: Leistungsphase 1: Klären der Aufgabenstellung und Ermitteln des Leistungsumfangs (1-3%) • Zusammenstellung einer Übersicht • Bewertung der vorhandenen Unterlagen • Ortsbesichtigungen • Ermitteln des Leistungsumfangs Leistungsphase 2: Ermitteln der Planungsvorhaben (10-20%) • Bestandsaufnahme • Analyse des Zustands • Zusammenstellung und Wichtung von Fachprognosen • Mitwirkung bei der Aufstellung von Zielen und Zwecken der Planung Leistungsphase 3: Vorentwurf (40%) • Planerische Darstellung einer grundsätzlichen Lösung • Abstimmungen mit Behörden und Trägern öffentlicher Belange (TÖB) • Abstimmung mit Nachbargemeinden • Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger • Abstimmen des Vorentwurfs mit dem Auftraggeber (Kommune) Leistungsphase 4: Entwurf (30%) • Planfassung für die Öffentliche Auslegung • Abfassung der Stellungnahme der Kommune zu Bedenken und Anregungen • Abstimmen des Entwurfs mit dem Auftraggeber (Kommune) Leistungsphase 5: Genehmigungsfähige Planfassung (7%) • Erstellung eines farbigen und vervielfältigungsfähigen Bebauungsplans zur Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde

Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans ähnelt in seiner Herangehensweise dem in Kapitel 4.2 beschriebenen Verfahren zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans.

Bestandteil der Leistungen eines Planungsbüros bei der Aufstellung von Bebauungsplänen ist die Beteiligung an bis zu fünf Sitzungen von politischen Gremien des Auftraggebers oder Sitzungen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung. Diese werden nicht gesondert vergütet.

Der Anstoß zur Aufstellung eines Bebauungsplans kommt in der Regel von Seiten der Kommunalen Verwaltung, in Sonderfällen z.B. beim sog. Vorhaben- und Erschließungsplan auch von Investoren oder Bauherren. Wenn die Planung nicht durch eigene

Die Berechnung des Honorars nach HOAI erfolgt im Unterschied zum Flächennutzungsplan nicht nach Verrechnungseinheiten sondern nach der Fläche des Planbereichs in Hektar. Für einen Planbereich von z.B. 5 ha = 50.000 qm steht dem

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39

Kommunales Planen und Bauen

Planungsbüro ein Honorar von rd. 25.000 € , für 10 ha ca. 40.000 € zu. Auch hier gilt, dass für dieses Honorar eine sehr zeitintensive und häufig langwierige Planungsleistung und –begleitung mit vielen Zwischenschritten erbracht werden muss. Gute Leistungen erfordern daher stets eine gute Honorierung. Wie auch beim Flächennutzungsplan wird nach § 3 BauGB die Beteiligung der Öffentlichkeit möglichst frühzeitig gefordert, auch hier werden nach § 4 BauGB Stellungnahmen von Behörden und Trägern Öffentlicher Belange (TÖB) eingeholt, auch hier gibt es das zweistufige Verfahren der „frühzeitigen“ Beteiligung und der „öffentlichen Auslegung“. Zu den Trägern Öffentlicher Belange (TÖB) zählen übrigens nicht nur die Obersten und Unteren Landesbehörden sondern auch Versorgungsunternehmen, Entsorger, Infrastrukturunternehmen wie Post oder Bahn sowie auch Nichtregierungsorganisationen wie Umweltverbände, Kirchen, Sozialverbände. Die Information der allgemeinen Öffentlichkeit erfolgt über die ortsüblichen Medien wie z.B. lokale Zeitungen, das Amtsblatt oder durch Aushang und später durch öffentliche Auslegung, wobei Auslegungsfristen von 1 Monat üblich sind. Die Behörden und TÖB´s werden dagegen direkt von den Kommunen angeschrieben und aufgefordert, ihre Stellungnahmen innerhalb eines Monats abzugeben. Das erscheint dem Laien zwar zunächst ausreichend, Umweltverbände oder andere Verbände sind jedoch oftmals aufgrund ihrer ehrenamtlichen Struktur nur schwer in der Lage, in diesem für sie engen Zeitrahmen kompetente Stellungnahmen abzugeben. Eine Lösung für dieses Dilemma ist mir nicht bekannt, es führt jedenfalls in der Praxis dazu, dass sich diese Verbände auf große, spektakuläre Vorhaben – wie z.B. Bundesfernstraßen – konzentrieren müssen und dadurch ihre Kompetenz in eher kleinen Bebauungsplanverfahren verloren geht. Zumindestens erfahren die Akteure durch die Anschreiben der Kommune, die hier eine informative „Bringschuld“ hat, von den jeweiligen Planvorhaben. Bei der Bürgerbeteiligung verhält es sich eher so, dass sich die Aktivitäten ins Verhältnis zur Bedeutung und Öffentlichkeitswirksamkeit des Vorhabens setzen lassen müssen. Viele Planverfahren finden oftmals ohne Teilnahme der Bürger statt, zum einen mag es Desinteresse oder mangelnde Betroffenheit sein, zum anderen werden die klassischen Informationsquellen wie Amtsblatt oder Aushang nur von einer Minderheit genutzt. Das Internet bietet sicherlich hier eine hilfreiche Ergänzung und wird in vielen Kommunen schon aktiv eingesetzt. Letztlich ist es jedoch das Prinzip der „Holschuld“, das vor einer stärkeren Teilnahme von Bürgern insbesondere im dünn besiedelten ländlichen Raum steht. Auch hier sind Auslegungsfristen von 1 Monat schnell verstrichen. 40

Neben der Erarbeitung der Plangrundlagen mit Hilfe der BauNVO und PlanzV ist ein wichtiger Bestandteil der Planaufstellung die textliche Begründung und der Umweltbericht nach § 2a BauGB. Für die Belange des Umweltschutzes wird nach § 2 Abs. 4 BauGB eine Umweltprüfung durchgeführt, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt, beschrieben und bewertet werden müssen. Abweichungen von dieser Pflicht sind möglich, wenn es sich bei den beplanten Gebieten z.B. um Überplanungen von bestehenden und bereits genutzten Gebieten handelt. In die Begründung fließen die Stellungnahmen der Bürger, der Betroffenen und der Träger Öffentlicher Belange ein. Deren Stellungnahmen werden zunächst gesammelt und gesichtet. In der Abwägung muss auf jeden einzelnen Punkt der Stellungnahmen eingegangen werden. Die Kommunalvertretung (Gemeinderat, Stadtrat) muss sich dann im Rahmen des Aufstellungsverfahrens zu jedem Punkt positionieren, wobei sie sich im Regelfall an die von der Verwaltung vorgeschlagene Behandlung der Abwägungsergebnisse hält. Aus diesem Beschluss folgt, ob der Entwurf des Bebauungsplans nochmals überarbeitet werden muss und später abgestimmt wird, oder ob er in unveränderter Form oder mit geringfügigen Änderungen (z.B. in der Begründung) direkt als Satzung beschlossen werden kann. Nach dem Beschluss als kommunale Satzung tritt seine Rechtskraft aber erst mit der Ausfertigung und Öffentlichen Bekanntmachung ein. Bedingung ist, dass die höhere Verwaltungsbehörde (in Sachsen die jeweilige Landesdirektion) vorher den Bebauungsplan genehmigt hat. Bebauungspläne können beklagt werden, zum einen über Anfechtungsklagen bei Verwaltungsgerichten gegen Baugenehmigungen nach § 30 BauGB, die sich aus dem mangelhaften Bebauungsplan ableiten, zum anderen über Normenkontrollklagen vor einem Oberverwaltungsgericht. Wenn ein Bebauungsplan aber Rechtskraft erlangt hat, dann greifen z.B. die Regelungen, die z.B. unter dem Kapitel „Landesbauordnungen“ beschrieben wurden. Vorhaben können dann nach § 62 der Sächsischen Bauordnung im Rahmen der Genehmigungsfreistellung quasi ohne Baugenehmigung ausgeführt werden. Ein gültiger und zudem guter und nachhaltiger Bebauungsplan ist für alle Handelnden auf jeden Fall ein Pluspunkt und ein Gewinn. Zu den Fragen über Sinn und Unsinn von Bebauungsplänen im Grundsätzlichen und zu ihren Festlegungen im Konkreten habe ich mich an verschiedenen Stellen schon geäußert. Die wesentlichen Entscheider bei einem Bebauungsplan sind und bleiben die Kommunalen Baupolitiker, auch wenn nach § 3 BauGB die Öffentlichkeitsbeteiligung eine wichtige Rolle spielt.

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Kommunales Planen und Bauen

Inwieweit sich der interessierte Bürger tatsächlich einbringen kann und sich nachher mit seinen Vorschlägen auch im Bebauungsplan wieder findet, hängt entscheidend von der Öffentlichkeits- und Umgangskultur der jeweiligen Kommunalen Verwaltung ab. Ohne jemandem nahetreten zu wollen, halte ich diese in Deutschland fehlende Umgangskultur für das zentrale Problem mangelnder Akzeptanz von Vorhaben und wachsenden Unmuts über „die da oben“.

5

Kommunale Bauvorhaben

5.1

Die falschen Entscheidungen bei einem Bauprojekt

Zumindestens wird den Bürgern ihre Beteiligung nicht erleichtert, die „Holpflicht“ für Informationen ist eine große Hürde und führt letztlich zu späten oder gar mangels Zeitbudget zu gar keinen Reaktionen. Möglicherweise würde eine Verlängerung der Auslegungsfristen für die Öffentlichkeit eine Entspannung bringen, schließlich sind viele Träger Öffentlicher Belange aufgrund ihrer Personalsituation objektiv tatsächlich nicht in der Lage, binnen eines Monats ihre Stellungnahmen abzuliefern. Angesichts der langen Vorlauf- und Planungszeiten dürfte eine solche Fristverlängerung auch nicht ins Gewicht fallen.

Die Gemeinde Halstenbek im Landkreis Pinneberg wollte Anfang der 90er Jahre für 5 Mio. DM eine besonders schöne und spektakuläre Sporthalle errichten. Die Architekten überzeugten die Gemeindevertreter mit einer eiförmigen Glaskuppel, die Statik kam vom renommierten Ingenieurbüro Schlaich Bergermann und Partner. Trotz Baukosten von mittlerweile 12,3 Mio. DM stimmte der Gemeinderat 1995 gegen die Stimmen der Grünen dem Bau zu. Wenige Wochen vor der Eröffnung des Gebäudes stürzte die Metallkonstruktion noch vor ihrer Belegung mit Glasplatten am 5. Februar 1997 ein. Das Beweissicherungsverfahren kam zu der Erkenntnis, dass es sich um eine unglückliche Verkettung von schlechten Witterungsverhältnissen und Montagefehlern der Stahlbaufirma handelte. Die Kosten beliefen sich mittlerweile auf 15,6 Mio. DM.

Grundsätzlich aber gilt, dass es eine bürgernahe Verwaltung bei unseren gegebenen Strukturen nur dann geben kann, wenn sowohl die zuständigen Dezernten als auch die Bürgermeister, Oberbürgermeister oder Landräte selbst „bürgernah“ sind. Es heißt schließlich: „Der Fisch stinkt immer vom Kopf her.“ Das dürfte auch auf die Bürgernähe zutreffen.

Preisfrage: Wer kennt das „Halstenbeker Knickei“? Keiner? Schade! Es ist eine wahre Geschichte von kommunalem Größenwahn, Inkompetenz und Bürgerversagen.

Das Wiederaufrichten der Metallkonstruktion begann 1998. Am 26. Juni 1998, wenige Tage vor der Eröffnung, brach die Konstruktion erneut zusammen, wobei bereits die Glasplatten montiert worden waren, die bei dem Einsturz zum Teil zerstört wurden. Da die Nebenräume aber schon fertig waren und auch der Sportparkettboden verlegt, musste die eingestürzte Halle weiterhin belüftet und beheizt werden. Es folgten Beweissicherungsverfahren, es folgten Klageverfahren gegen die Statiker und die ausführende Firma. Die eingestürzte Halle, die von oben tatsächlich einem „Knickei“ ähnelte, blieb unangetastet. 2001 beschloss der Halstenbeker Gemeinderat erneut gegen die Stimmen der Grünen, die Halle mit einer stabileren Stahl-/Glaskonstruktion aufzubauen. Die Grünen initiierten ein Bürgerbegehren, das das Quorum schaffte, aber von der Kommunalaufsicht des Kreises für unzulässig erklärt wird. 2002 wird das Bürgerbegehren aufgrund der Klage der Grünen gerichtlich zugelassen. Die Bürger von Halstenbek entscheiden sich mit 50,7 % für den Wiederaufbau des „Knickeis“. 2005 initiieren die Grünen erneut ein Bürgerbegehren, das nach einer langen Odyssee schließlich beim OVG Schleswig landet. Zwischenzeitlich beschließt der Gemeinderat Mitte 2005 mit den Stimmen der CDU und der Grünen, das „Knickei“ tatsächlich abzureißen. Da der Bürgermeister von Halstenbek rechtliche Bedenken hat, muss der Beschluss zurückgenommen werden. Das OVG Schleswig erklärt die Bürgerbefragung für zulässig. Am 12. Dezember 2005 stimmen 71% der Bürger für den Abriss der Halle. Sie wurde 2007 abgerissen und an ihrer Stelle entstand eine schlichte funktionale 3-Feld-Sporthalle in Öffentlich Privater Partnerschaft (ÖPP). Dafür muss diese zusätzlich für 25 Jahre insgesamt 12,6 Mio. Euro aufbringen. Insgesamt hat das Bauwerk

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43

Kommunales Planen und Bauen

einschließlich Abriss die atemberaubende Summe von 9,5 Mio. Euro verschlungen. Ein außergerichtliches Vergleichsverfahren mit dem gesamtschuldnerisch haftenden Statikbüro Schlaich Bergermann und Partner endete 2008 mit einer Vergleichssumme von 2,3 Mio. Euro.

5.2

Die richtigen Entscheidungen bei einem Bauprojekt

Wer nach dem Lesen dieser Geschichte aus Halstenbek jetzt der Meinung ist, dass sich so eine Geschichte nicht wiederholen kann, der irrt. An vielen Orten unserer Republik wiederholen sich ähnliche Katastrophen, ihr Ablauf ist trotz aller Unterschiede ähnlich. Aktuell ist sicherlich das Projekt der Elbphilharmonie in Hamburg ein gutes Fallbeispiel, dessen weiteren Fortgang mit seinen Baumängeln und den explodierenden Kosten sich zu verfolgen lohnt. Für eine Katastrophe braucht eine Kommune keine einstürzenden Neubauten, es reichen schon erhebliche Kostenüberschreitungen, um Kommunen in den Ruin oder in die Zwangsverwaltung durch die Kommunalaufsicht zu treiben. Ein Phänomen ist das langsame Hineintaumeln der Akteure in einen kollektiven Wahn, der dazu führt, dass sich zum Ende hin nur noch wenige trauen, gegen das Vorhaben zu stimmen, geschweige denn in der Öffentlichkeit dagegen aufzutreten. Die grundsätzliche Frage, ob der Neubau einer Sporthalle oder eines neuen Kongresszentrums (wie aktuell in Bonn) tatsächlich benötigt wird und ob nicht besser vorhandene Gebäude saniert, umgebaut oder umgenutzt werden können, steht am Anfang der Diskussion. Diese Diskussion muss mit und in der Öffentlichkeit, hart und ehrlich, kontrovers und mit einem gebührenden Zeitvorlauf geführt werden. Dabei gehören alle Fakten auf den Tisch, und wenn es diese Fakten aufgrund von fehlenden Planungsleistungen noch nicht geben kann, so müssen wenigstens Auffanglinien definiert werden, an denen ein Stopp oder eine Umkehr noch zu vertretbaren Kosten möglich ist. Die Diskussion wird von wichtigen Akteuren viel lieber außerhalb der Öffentlichkeit geführt und wenn öffentlich, dann emotional und häufig ohne Fakten. Einige kommunalen Akteure verfolgen eigennützige Ziele (Profiteure) andere durchaus auch uneigennützige (Überzeugungstäter). Aber beide Seiten arbeiten konzentriert darauf hin, die politische Mehrheit im Gemeinde- oder Stadtrat und die öffentliche Meinungsführerschaft für ihr geliebtes Projekt zu organisieren. Mit der politischen Grundsatzentscheidung muss jedoch deutlich gemacht werden, dass es sich nur um einen ersten Zwischenschritt auf dem Weg zur Umsetzung handeln kann. Denn konkretere Fakten und Zahlen werden erst nach der Entwurfsplanung auf dem Tisch liegen. 44

5.3

Die Finanzierung eines Bauprojektes

Deutet sich eine Grundsatzentscheidung an, so ist vor dem eigentlichen Beschluss zu klären, wie die Finanzierung eines Vorhabens gesichert werden kann. Auch wenn viele Kommunen finanziell nicht auf Rosen gebettet sind, so sind sie (noch immer) bei den Banken gerne gesehene Kreditnehmer, da ihre Bonität als hoch angesehen wird. Im Falle eines Falles können Kommunen auch nicht in Insolvenz gehen, da die Länder für ihre Schulden haften müssen. Insofern kann eine Kommune normalerweise ein Bauvorhaben klassisch über einen Baukredit – übrigens zu deutlich günstigeren Konditionen als Private – finanzieren. Bedingung ist natürlich, dass keine Überschuldung der Kommune vorliegt oder eine Zwangsverwaltung durch die kommunale Aufsicht. In diesem Falle erübrigent sich nicht nur die klassische Finanzierung, da die Kommunalaufsicht die Aufnahme weiterer Kredite verwehren würde ,sondern generell Neubauprojekte. In Sachsen können je nach Vorhaben (ob Ganztagsschule oder Kongresszentrum) unterschiedliche Fördertöpfe des Freistaates aber auch des Bundes und der EU angezapft werden. Über den Sinn oder Unsinn von Förderprogrammen lässt sich streiten, schließlich handelt es sich allzu häufig um goldene Möhren, mit denen insbesondere das Land die Kommunen in die ihm genehmen Richtungen zu lenken gedenkt. Förderprogramme lösen zudem finanzielle Belastungen bei den Kommunen aus, da sie meistens einen Kofinanzierungsanteil der Kommune vorschreiben, der je nach Programm zwischen 10 und 25 Prozent oder mehr betragen kann. Für manche Kommunen ist aber schon ein Kofinanzierungsanteil von 10% nicht mehr machbar. Dann bleiben nur der Verzicht und die Priorisierung der wenigen investiven Mittel auf die Sanierung und den Erhalt vorhandener Gebäude. Ein weiteres Problem bei Förderprogrammen ist, dass sie z.T. Bautätigkeiten bei Kommunen auslösen, die diese bei Finanzierung aus Eigenmitteln (dazu gehören auch Kredite) nicht angegangen wären. Es soll sogar Kommunen geben, die in der Lage sind, Bauinvestitionen vollständig aus eigenen Mitteln z.B. aus Rücklagen zu finanzieren. Öffentliche Private Partnerschaften (ÖPP) oder neudeutsch: public private partnership (PPP) sind keine Form der Finanzierung, auch wenn manche klammen Kommunen das meinen oder es in der Vergangenheit dafür genutzt wurde. Selbst glühende Befürworter von ÖPP weisen immer darauf hin, dass es sich um ein Betriebskonzept handelt, das auf der Lebenszyklusbetrachtung eines Gebäudes basiert und zu dem viel mehr Aspekte gehören als die bloße Finanzierung. Im Übrigen können die Finanzierungskonditionen eines privaten Partners niemals die günstigen Bedingungen einer Kommune erreichen, da sich die privaten Partner am normalen Kreditmarkt 45

Kommunales Planen und Bauen

bedienen müssen. Hinzu kämen auch noch Risiko- und Gewinnaufschläge, die 2 % oder 5 % oder mehr der Kreditsumme betragen. Wenn man sich überhaupt auf ÖPP einlassen will, dann lohnt sich eher die Betrachtung der anderen Kosten als die der Finanzierungskosten. Da wären zum einen die Betriebskosten (Strom, Wasser, Heizung, Instandhaltungskosten etc.) und die Personalkosten (z.B. für Gebäudereinigung, Hausmeisterdienste, Pförtnerdienste etc.). Hier können private Partner günstigere Konditionen einpreisen, da sie bei der Entlohnung z.B. nicht an den Tarif des öffentlichen Dienstes gebunden sind. Ob es allerdings im Interesse der Kommune liegt, dass hier ein Niedriglohnsektor an kommunalen Objekten entsteht, das könnte und sollte vielleicht kontroverser diskutiert werden.

5.4

Die Planung eines Bauprojektes

Steht die Grundsatzentscheidung und eine grundsätzliche Finanzierung muss die planerische Umsetzung des Vorhabens angegangen werden. Es empfiehlt sich dabei, die Auswahl eines Architekten möglichst auf der Basis eines Gestaltungswettbewerbs zu treffen. Dieser kann beschränkt sein oder als Einladungswettbewerb z.B. mit 5 Architekten organisiert werden. Wettbewerbe empfehlen sich nicht bei Sanierungsvorhaben, aber sie erleichtern die Wahl bei Neubauten. Über einen Wettbewerb lässt sich auch die Öffentlichkeit frühzeitiger einbinden, man könnte z.B. auch Bürgervertreter in die Jury berufen. Über das Honorar lässt sich keine Auswahl des Architekten treffen, da öffentliche Auftraggeber verpflichtet sind, die Honorierung der Leistungen stets nach der HOAI vorzunehmen. Das ist gerade bei kleinen Kommunen nicht immer bekannt. Im Falle eines Falles wird ein Architekt oder Statiker vor Gericht meistens Recht bekommen, auch wenn etwas anderes vereinbart war. Referenzobjekte sind bei der Auswahl immer hilfreich, sie verhindern aber auch, dass unbekannte, junge, talentierte oder unkonventionelle Architekten an öffentliche Planungsaufträge z.B. für den Neubau eines Kindergartens oder einer Grundschule kommen. Die Vergabe der Planungsleistungen erfolgt nach den Bedingungen der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF). Hat man sich für einen Architekten entschieden, dann empfiehlt sich grundsätzlich eine phasenweise Beauftragung. Die Leistungsphasen eines Architekten lassen sich folgendermaßen aufteilen. Das erste Viertel umfasst die Vor-, Entwurfs- und Genehmigungsplanung, das zweite Viertel umfasst die Ausführungs- und Detailplanung, das dritte Viertel die Ausschreibung und Vergabe und das vierte Viertel die Bauüberwachung. Wenn man sich nicht sicher ist, dann vermeidet man mit einer phasenweisen Beauftragung das Risiko, mit einem Architekten bis zum Ende zusammenarbeiten zu müssen, mit dem es schon am Anfang nicht richtig funktioniert hat.

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Der Architekt erarbeitet in enger Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber, d.h. der Kommune die Aufgabenstellung entweder auf der Basis des Wettbewerbsergebnisses oder auf der Basis von Raumprogrammen und weiteren Vorgaben der Kommune. Auch hier handelt es sich um einen iterativen Prozess, der viele Rückfragen und Rückmeldungen benötigt. Er mündet letztlich in das Vorplanungsergebnis, das aus einer skizzenhaften Darstellung des Vorhabens, die übrigens auch eine Computerzeichnung sein kann, meistens im Maßstab 1:200 oder 1:100 besteht und einer Kostenschätzung. Häufig werden verschiedene Varianten vorgestellt, aus denen sich letztlich ein Favorit durchsetzt, der möglicherweise nach einem Zwischenbeschluss durch kommunale Gremien (z.B. Ausschuss) im Rahmen der Entwurfsplanung weiter durchdacht und durchgeplant wird. Am Ende der Entwurfsplanung steht ein Plan, der im Maßstab 1:100 die Umsetzung des Projektes mit Grundrissen, Schnitten und Ansichten darstellt und auf dessen Grundlage der Bauantrag eingereicht und eine Kostenberechnung erstellt wird. Auch wenn die Kommune in diesem Falle gleichzeitig Bauherr und Genehmigungsbehörde ist, so sind diese Aufgaben bewusst voneinander getrennt. Hochbauamt oder Tiefbauamt sind im Regelfall nicht auch die Genehmigungsinstanz, die meistens Bauordnungsämter (vom Wort Bauordnungsrecht herleitend) genannt werden. Die Baugenehmigung erfolgt entweder auf der Basis eines genehmigten Bebauungsplans oder auf der Basis des § 34 BauGB. Hier gilt: Gleiches Recht für alle, die Kommune genießt hier kein Sonderrecht - zumindestens theoretisch …. Bei einer phasenweisen Beauftragung sind mit der Erlangung der Baugenehmigung die beauftragten Leistungsphasen eines Architekten abgearbeitet, und er hat Anspruch auf seine Honorierung. Die Kommune kann nun entscheiden, ob sie die nächste Phase „Ausführungs- und Detailplanung“ an denselben Architekten vergibt oder sich eines anderen Architekturoder Ingenieurbüros bedient. Das macht manchmal bei sehr komplizierten Bauvorhaben Sinn, die Frage des Urheberrechts ist jedoch nicht davon betroffen, denn diese liegt beim „Entwurfsverfasser“. Es empfiehlt sich daher, auch im Falle einer anderweitigen Vergabe, den Entwurfsverfasser weiterhin mit einzubinden. Sehr hilfreich für die Zwischenentscheidungen sind die Kostenermittlungen nach DIN 276. So wird nach der Grundlagenermittlung ein Kostenrahmen erstellt, nach der Vorplanung eine Kostenschätzung, nach der Entwurfsplanung eine Kostenberechnung und zur Vergabe ein Kostenanschlag. Mit jeder Planungsstufe werden die Planungstiefe und die Menge an Details und Festlegungen größer. Dadurch ist es möglich, harte Fakten wie Baukosten mit jeder Planungsstufe genauer zu ermitteln.

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Kommunales Planen und Bauen

Es ist unerlässlich für Kommunale Baupolitiker, dass sie sich nach der Entwurfsplanung und der aus ihr abgeleiteten Kostenberechnung, spätestens jedoch nach Erteilung der Baugenehmigung wieder mit dem Vorhaben beschäftigen und überprüfen, inwieweit dieses sich noch auf dem in der Grundsatzentscheidung definierten Pfad befindet. Es braucht auch den Mut, im Zweifelsfalle den Abbruch eines Projektes zu beschließen. Gründe können z.B. unzufriedenstellende planerische Lösungen sein oder eine Kostenberechnung, die den Finanzierungsrahmen sprengt. Bedauerlicherweise werden häufig bei der Erstellung von Entscheidungsgrundlagen auf der Basis von Kostenschätzungen und Kostenberechnungen die Zahlenwerke im Rahmen des Zulässigen „aufgehübscht“, um dadurch die Zustimmung der Entscheidungsträger zu erleichtern wenn nicht sogar zu erschleichen. Hier geschah schon einer der größten Fehler in Halstenbek, denn obwohl die einmal anvisierten Kosten von 5 Mio. DM bereits mit 12,6 Mio. DM deutlich überschritten waren, entschied sich eine Mehrheit im Gemeinderat, die Halle dennoch zu bauen. Damit war der point of no return schon vor Baubeginn überschritten worden. Bei einem Stopp wären zwar die bis dahin aufgelaufenen Planungskosten verloren gewesen, aber erst mit dem Bau wurde bzw. wird ein Bauvorhaben richtig teuer. Die Einschaltung weiterer Fachplaner wie Statiker, Fachingenieure für Technische Ausrüstung oder für Wärme- oder Schallschutz erfolgt in Abstimmung mit dem Architekten und dem Bauherrn. Auch ihre Beauftragung kann phasenweise erfolgen, bei komplexen Projekten ist es sinnvoll, im Rahmen der Entwurfs- und Genehmigungsplanung bereits die grundsätzlichen Fragen der Statik oder der Gebäudetechnik vorher abgestimmt zu haben. Die letzte vertretbare Möglichkeit eines Planungs- und Baustopps besteht nach der Vorlage des Kostenanschlags und vor der Vergabe.

5.5

Die Vergabe

Falls eine Entscheidung zur Weiterplanung aufgrund einer positiven Kostenberechnung und der Erteilung der Baugenehmigung getroffen wurde, folgt eine Phase intensiver Planungsarbeiten, denn die Entwurfsplanung wird nunmehr in die Ausführungsplanung überführt, nach der Unternehmen und Handwerker letztlich bauen müssen. Die Planungstiefe ist hoch, der Zeitaufwand erheblich, zumal auch Detailzeichnungen in Maßstäben wie 1:10 oder 1:5 erstellt werden müssen. Als Ergebnis liegt jedenfalls anschließend eine durchdetaillierte Ausführungsplanung im Maßstab 1:50 vor. Auf der Basis der Ausführungsplanung und sogenannter Leistungsverzeichnisse werden danach die Ausschreibungen für ein Bauvorhaben vorgenommen. Die 48

Leistungsverzeichnisse enthalten genaue textliche Festlegungen was, wo, wie und in welcher Qualität ausgeführt werden muss und welche Mengen (=Massen: z.B. m3 Mauerwerk, m2 Putz, m Handläufe, St Türen) dabei benötigt werden. Die Ausschreibung wird öffentlich in den allseits bekannten Medien (Aushang, Amtsblatt, Lokalzeitung) bekannt gemacht, die Unterlagen können entweder aus dem Internet heruntergeladen werden, oder sie werden auf Anfrage zugeschickt. Darüber hinaus verfügen sowohl die Bauämter als auch die Planer über eigene Stammdateien mit von ihnen direkt anzusprechenden Handwerkern und Unternehmen. Die Abwicklung der Vergabe erfolgt nach den Regeln der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A (VOB/A). Die Anbieter kalkulieren dann innerhalb von 2-4 Wochen auf der Basis der Ausführungsplanung und der Leistungsbeschreibungen ihre Einheitspreise (z.B. 36,50 €/m2 Gipskartonwand) und multiplizieren diese mit den angegebenen Massen (z.B. 10 m2). Daraus errechnet sich ein Gesamtpreis (z.B. 365,00 €) für jede Position. Die Summe der Gesamtpreise ergibt das bzw. ein Angebot, das zu einem in der öffentlichen Ankündigung mitgeteilten verbindlichen Zeitpunkt, dem Submissionstermin, in einem verschlossenen Umschlag übergeben wird. Die Umschläge werden dann öffentlich geöffnet und die Namen der Unternehmen sowie die Nettoangebotssummen (nicht die einzelnen Preispositionen) mitgeteilt. Aus den abgegebenen Angeboten werden die Einheitspreise der einzelnen Unternehmen in einer Übersicht eingetragen, so dass ein Vergleich für jede Position zwischen jedem Anbieter möglich ist. Diese Art von Tabellenwerken werden Preisspiegel genannt. Im Zeitalter von Computern und Internet/E-Mail erfolgen die Datenübermittlungen immer häufiger auf elektronischem Wege, sowohl bei der Übermittlung von Leistungsverzeichnissen als auch bei der Rückübermittlung der Angebote. Allerdings ist die Abgabe eines schriftlichen Exemplars zum Submissionstermin in der Regel vorgeschrieben. Die Aufstellung eines Preisspiegels lässt sich daher heute deutlich schneller und weitgehend ohne händische Eingaben erledigen. Aus dem Preisspiegel lassen sich u.a. die Vollständigkeit der Angebote ablesen und natürlich die wichtigen Informationen, wer sind die billigsten, die wirtschaftlichsten und die teuersten Anbieter, und wo landen wir eigentlich mit den Gesamtkosten? Das Ergebnis dieser Auswertung mündet in den Kostenanschlag. Bei sorgfältiger und vollständiger Planung, die natürlich auch von den sorgfältigen und vollständigen Vorgaben des Bauherrn abhängig ist, dürften sich zwischen dem Kostenanschlag und den endgültigen Baukosten in der Kostenfeststellung theoretisch keine Differenzen mehr ergeben. (Kostenschätzungen sind dagegen als früheste Kostenermittlung mit Unsicherheiten von +/- 20% und Kostenberechnungen als detaillierte Kostenermittlung, jedoch immer noch auf der Basis von Schätzpreisen mit Unsicherheiten von +/- 10% zulässig.)

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Kommunales Planen und Bauen

Entgegen allen Behauptungen sind Kommunen nicht verpflichtet, die billigsten Anbieter zu nehmen. Es soll vielmehr das wirtschaftlichste Angebot genommen werden. Das kann im Zweifelsfalle zwar auch das billigste Angebot sein, es kommt aber entscheidend darauf an, welche Referenzen der jeweilige Anbieter hat und ob er alle angeforderten Unterlagen auch eingereicht hat wie z.B. die Bescheinigungen, dass er seine Sozialversicherungsbeiträge oder Steuern bezahlt hat. Es ist eine wichtige Aufgabe des Auswertenden (z.B. Architekten oder auch des Bauamts) darauf hinzuweisen, wenn bestimmte Preispositionen - möglicherweise aufgrund von Berechnungsfehlern - unrealistisch niedrig liegen oder gar fehlen. Diese Unstimmigkeiten müssen auch vor der Vergabesitzung gegebenenfalls mit dem Anbieter geklärt werden. Soviel Zeit muß sein! Vergabeausschüsse sind bezüglich ihrer Kontrollierbarkeit ein Problem. Mit dem Verweis auf angeblich schützenswerte Daten der Anbieter wird die Öffentlichkeit von ihren Sitzungen ausgeschlossen. Dabei wäre gerade in dieser Phase Transparenz besonders wichtig, denn vor dem endgültigen Beschluss der Vergabe besteht immer noch eine realistische Möglichkeit, ein Vorhaben zu vertretbaren Kosten zu stoppen. Mit der Vorlage des Kostenanschlags haben die Baupolitiker nochmals die Möglichkeit, vor dem eigentlichen Baubeginn eventuelle Zielabweichungen beim Kostenrahmen zu prüfen, die gesamte Planungsleistung zu bewerten und darauf aufbauend eine Entscheidung auch gegen eine bauliche Umsetzung zu treffen. Diesen Mut bringen Kommunale Vertreter nur in seltenen Fällen auf, da das Vorhaben schon im öffentlichen Fokus steht und ein Stopp eine Blamage für alle Beteiligten darstellt. Die Kosten für die bis dahin aufgelaufenen Planungsleistungen des Architekten und der Fachplaner dürften im Bereich zwischen 10 und 15 % der Gesamtbausumme liegen. Sie wären im Falle eines endgültigen Baustopps verloren. Aber anstatt in eine Katastrophe zu treiben, ist ein Ende mit Schrecken immer noch besser als eine Schrecken ohne Ende.

5.6

Die Projektsteuerung

Ein Projektsteuerer wird mit der neutralen und unabhängigen Wahrnehmung von Bauherrenaufgaben beauftragt. Theoretisch könnte der Bauherr, d.h. die Kommune diese Aufgaben auch selbst übernehmen. Bei größeren aber auch bei kleinen bis mittleren Projekten ist es zunehmend sinnvoll, einen Projektsteuerer einzusetzen, um die Aufgaben des Bauherrn kompetent und fachlich qualifiziert wahrzunehmen und Bauherrenziele bei der Projektabwicklung wirkungsvoll nach außen vertreten zu können. Zu den Aufgaben eines Projektsteuerers gehören u.a.: 1. Klärung der Aufgabenstellung, Erstellung und Koordinierung des Programms für das Gesamtprojekt, Klärung der Voraussetzungen für den Einsatz von Planern und anderen an der Planung fachlich Beteiligten (Projektbeteiligte), 2. Aufstellung und Überwachung von Organisations-, Termin- und Zahlungsplänen, bezogen auf Projekt und Projektbeteiligte, 3. Koordinierung und Kontrolle der Projektbeteiligten, mit Ausnahme der ausführenden Firmen, 4. Vorbereitung und Betreuung der Beteiligung von Planungsbetroffenen, 5. Fortschreibung der Planungsziele und Klärung von Zielkonflikten, 6. laufende Information des Auftraggebers über die Projektabwicklung und rechtzeitiges Herbeiführen von Entscheidungen des Auftraggebers, 7. Koordinierung und Kontrolle der Bearbeitung von Finanzierungs-, Förderungsund Genehmigungsverfahren. Das Honorar für die Projektsteuerung wird üblicherweise frei vereinbart. Als Anhaltspunkt gilt eine Honorarhöhe von 1,5 bis 3,0 % der Baukosten. Für den kommunalen Einsatz ist die Projektsteuerung eigentlich wie geschaffen, da sie die in den vorhergehenden Kapiteln beschriebenen klassischen Zielkonflikte kontinuierlich beobachtet, thematisiert und auf deren Lösung hinarbeitet. Die Projektsteuerung übernehmen im Regelfall externe Fachleute, die aufgrund der in dieser Branche üblichen Vertragsstrukturen unabhängig von politischen Entscheidungen und Befindlichkeiten agieren, ja im eigenen Interesse sogar agieren müssen. Im Rahmen der Verträge werden strenge Zielparameter wie ein verbindlicher Baukostenrahmen oder Fertigstellungstermine definiert, die beim Verfehlen Vertragsstrafen nach sich ziehen. Es werden häufig auch Bonuszahlungen vereinbart, falls z.B. der Kostenrahmen unterschritten oder das Bauvorhaben früher als geplant übergeben wird. Aus meiner persönlichen Beobachtung heraus setzen die Kommunen dieses Instrument der externen, unabhängigen Kontrolle durch Projektsteuerer zunehmend auch bei kleineren Bau- oder Sanierungsmaßnahmen ein. Zum einen ist dies sicherlich der schwachen Personaldecke geschuldet, zum anderen aber auch der Erkenntnis, dass Anreizsysteme wie Malus- und Bonuszahlungen im Rahmen des Tarifvertrages für den

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Kommunales Planen und Bauen

öffentlichen Dienst (TVöD) nicht vorgesehen sind und zudem ein autonomes Handeln von Weisungsempfängern in einer Verwaltungshierarchie nicht erwartet werden kann.

5.7 •













Kontrollstufen und Selbstkontrolle bei kommunalen Bauvorhaben Ist das Vorhaben zum jetzigen Zeitpunkt notwendig? Angesichts des riesigen Sanierungsstaus an Schulen und Kindertagesstätten müssen Prioritäten gesetzt werden. Erhalt geht vor Neubau, Solidität geht vor Spektakulärem. Vorhaben brauchen einen ausreichenden Zeitvorlauf, um das Für und Wider abwägen zu können. Ist das Vorhaben ausreichend finanziert? Förderprogramme sind süßes Gift, denn sie können zu Fehlallokationen und zur Bindung wichtiger investiver Mittel für die Kofinanzierung führen. Werden der Kommune die Aufnahme von Krediten durch die kommunale Finanzaufsicht verweigert, so erübrigen sich Bauträume. ÖPP ist kein Finanzierungsinstrument und kostet die Kommune mehr als eine konventionelle Finanzierung. ÖPP ist für finanzschwache Kommunen generell abzulehnen. Ist die Einschaltung eines Projektsteuerers sinnvoll? Auch bei kleineren Bauvorhaben ist die Einschaltung eines Projektsteuerers zu erwägen. Die umfangreichen Koordinierungs- und Kontrollaufgaben können durch den kleinen Personalbestand vieler Kommunen nicht mehr geleistet werden. Daher ist eine Beauftragung von externen Fachleuten bei entsprechend strengen Verträgen (Bonus/Malus) zu empfehlen. Ist eine hohe Qualität der Planung gewährleistet? Um diese zu sichern, sollte die Beauftragung von Architekten z.B. für Neubauten erst nach der Durchführung von kleinen, beschränkten oder Einladungswettbewerben erfolgen. Die Qualität der Entwürfe kann mit Bürgern in der Jury einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Ist eine kontinuierliche Qualität der Planung gewährleistet? Manchmal merken die Vertragspartner erst bei der Zusammenarbeit, dass es zwischen ihnen nicht funktioniert. Durch eine phasenweise Beauftragung hält sich die Kommune die Möglichkeit offen, nach Erteilung der Baugenehmigung die Ausführungsplanung, die Vorbereitung der Vergabe, die Mitwirkung bei der Vergabe und die Objektüberwachung (Bauleitung) an andere Planungsbüros zu vergeben. Ist eine Kostenkontrolle schon im Rahmen der Vor- und Entwurfsplanung gewährleistet? Eine Kostenschätzung nach DIN 276 erleichtert den Entscheidungsträgern die Grundsatzentscheidung für oder gegen ein Vorhaben, die Kostenberechnung hilft bei der Entscheidung über die Fortführung der Planung. Ist der Mut vorhanden, das Vorhaben nach der Entwurfsplanung und der Kostenberechnung abzubrechen? 52









Zu diesem Zeitpunkt ist der Abbruch eines Vorhabens mit vergleichsweise geringen Kosten noch möglich. Gründe können z.B. eine Planung sein, die trotz intensiver Bemühungen aller Beteiligten keine zufriedenstellende Lösung erbracht hat, oder - was häufiger der Fall sein dürfte - die Kosten des Vorhabens übersteigen die finanziellen Möglichkeiten der Kommune. Ist der Mut vorhanden, das Vorhaben auch nach der Ausführungsplanung, der Ausschreibung, dem Kostenanschlag und noch vor der Vergabe abzubrechen? Dies ist der letzte Zeitpunkt, an dem mit noch vertretbaren Kosten - trotz Totalverlust der Planungsleistungen mit Kosten von rd. 10% der geplanten Baukosten - ein Ausstieg aus dem Vorhaben möglich ist. Ist die Kommune bereit, bei der Vergabe nicht das billigste sondern das wirtschaftlichste Angebot zu berücksichtigen? Billig ist nicht preiswert. Wenn nur auf die Kosten- und nicht auf die Qualitätsseite geachtet wird, dann zahlt die Kommune am Ende drauf. Ist die Kommune bereit, ab der Vergabe auf Sonderwünsche zu verzichten? Zusätzliche Forderungen und Wünsche des Auftraggebers werden von den Auftragnehmern gerne entgegen genommen, da ab der Vergabe und nach Baubeginn eine seriöse Kostenkontrolle bei Nachträgen nicht mehr möglich ist. Ist die kontinuierliche Qualitäts-, Kosten- und Terminkontrolle während des Bauprozesses gesichert? Bei Einschaltung eines Projektsteuerers sollte dieser in regelmäßigen Abständen (mindestens alle zwei bis vier Wochen) die politischen Gremien über den Projektstand informieren. Resultierende Entscheidungen der Verwaltung z.B. über Kündigungen von Auftragnehmern, Ersatzvornahmen oder Nachtragsforderungen sollten durch die Fachausschüsse flankiert und unterstützt werden. Der Projektstand (Kosten und Termine) muss der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Bauen ist keine Hexerei, es erfordert kontinuierliches und konsequentes Handeln, eine gute Planung, einen ausreichenden zeitlichen Vorlauf und die Disziplin aller Beteiligten. Dann ist auch der Erfolg bei kommunalen Bauvorhaben in Sichtweite!

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Kommunales Planen und Bauen

6.

Literaturquellen/Glossar

Allgemeine Quellen für Bundesgesetze und –verordnungen: http://www.gesetze-im-internet.de/index.html

RFNP – Regionaler Flächennutzungsplan Metropolregion Frankfurt/Main http://www.region-frankfurt.de/Region/Planung/Regionaler-Flächennutzungsplan

BauGB – Baugesetzbuch http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bbaug/gesamt.pdf

VOF – Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen VOB – Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen u.a. VOB/A, VOB/B und VOB/C

BauNVO – Baunutzungsverordnung http://www.gesetze.juris.de/baunvo/index.html

DIN 276 – Kostenermittlung im Bauwesen

PlanzVO - Planzeichenverordnung http://www.gesetze-im-internet.de/planzv_90/ ROG – Raumordnungsgesetz http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/rog_2008/gesamt.pdf ROB – Raumordnungsbericht (e) www.bbsr.bund.de ROP – Raumordnungsprognose (n) www.bbsr.bund.de HOAI – Honorarordnung für Architekten und Ingenieure http://bundesrecht.juris.de/hoai/index.html Allgemeine Quellen für sächsische Gesetze und Verordnungen: http://www.revosax.sachsen.de/index.jsp SächsBO – Sächsische Bauordnung http://www.revosax.sachsen.de/Details.do?sid=5551213889453 DVOSächsBO – Durchführungsverordnung zur Sächsischen Bauordnung http://www.revosax.sachsen.de/Details.do?sid=4141313641754 LEP 2003 – Landesentwicklungsplan 2003 und 2012 http://www.landesentwicklung.sachsen.de/11117.htm RPV – Regionalplanungsverbände in Sachsen http://www.landesentwicklung.sachsen.de/download/Landesentwicklung

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DAKS e.V. Die ALTERNATIVE Kommunalpolitik Sachsens Hohe Straße 58 04107 Leipzig Tel: 0341 2195740 E-Mail: [email protected] Internet: www.DAKSev.de Leipzig 2010