Barrierefreiheit in Regensburg Lehr-Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit Regensburg inklusiv. Abschlussbericht Herausgegeben von Sonja Haug

„Barrierefreiheit in Regensburg“ Lehr-Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit „Regensburg inklusiv“ Abschlussbericht Herausgegeben von Sonja Haug OT...
Author: Helge Roth
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„Barrierefreiheit in Regensburg“ Lehr-Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit „Regensburg inklusiv“

Abschlussbericht Herausgegeben von Sonja Haug

OTH Regensburg, Februar 2015

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Die Stadt Regensburg, die Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg und die Katholische Jugendfürsorge der Diözese Regensburg e. V. haben das Projekt "Regensburg inklusiv" gestartet: Eine Stadt macht sich auf den Weg zu einem selbstverständlichen Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung. Ziel ist es, dass alle Menschen in Regensburg gleichberechtigt an allen Lebensbereichen teilhaben können.

Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Evaluationsforschung“ fanden im Sommersemester 2014 und Wintersemester 2014/15 verschiedene Studien statt, um die Barrierefreiheit in Regensburg mit sozialwissenschaftlichen Methoden zu erforschen und zu bewerten. Die Forschungsberichte wurden in diesem Rahmen von Studierenden im Masterstudiengang „Soziale Arbeit - Inklusion und Exklusion“ erstellt.

Projektleitung: Prof. Dr. habil. Sonja Haug Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg (OTH) Fakultät Angewandte Sozial- und Gesundheitswissenschaften Institut für Sozialforschung und Technikfolgenabschätzung (IST) E-Mail: [email protected] Kooperationspartner: Thomas Kammerl, Katholische Jugendfürsorge der Diözese Regensburg e.V., Projektbüro „Regensburg inklusiv Michael Kroll, Sprecher des Inklusionszirkels „Wohnen“ Architekt und Vorstand der NaBau e.G. „Genossenschaft für nachhaltiges Bauen und nachbarschaftliches Wohnen“ Simon Schmucker, Jugendreferent, Katholische Jugendstelle Regensburg – Land Sebastian Müller, Sag’s einfach – Büro für Leichte Sprache, Katholische Jugendfürsorge der Diözese Regensburg e.V (ehemals Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung ISB der Diakonie Regensburg) Andrea März-Bäuml, Behindertenbeauftragte der OTH Regensburg

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„Barrierefreiheit in Regensburg“

Teilprojekt Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) David Bauer, Kristina Karl, Roman Schwaiblmair, Michael Rill, Sarah Ségas Herausgegeben von Sonja Haug

OTH Regensburg, den 19. Januar 2015

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Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung................................................................................................................................. 6 2. Forschungshintergrund ......................................................................................................... 9 2.1 Weshalb ist Barrierefreiheit im ÖPNV wichtig? ........................................................... 9 2.2 Welche Bedingungen liegen für eine Barrierefreiheit im ÖPNV vor? .................... 10 2.3 Inwiefern liegt Barrierefreiheit im ÖPNV bisher vor?................................................ 13 2.4 Welche Barrieren sind im ÖPNV vorhanden? ........................................................... 14 3. Forschungsgegenstand ...................................................................................................... 16 3.1. Forschungsfrage ........................................................................................................... 16 3.2 Forschungsgebiet .......................................................................................................... 16 3.3 Forschungsuntersuchungsgruppe............................................................................... 17 4. Methode und Ablauf ............................................................................................................ 19 4.1 Mindmap.......................................................................................................................... 19 4.2 Methodenbericht „Beobachtungsbogen“ .................................................................... 21 a.

Ausgangslage ........................................................................................................... 21

b.

Heranführung an den Begriff der Beobachtung ................................................... 21

c.

Die unterschiedlichen Formen der Beobachtung ................................................ 22

d.

Bezug Forschungsprojekt „Barrierefreiheit öffentlichen Nahverkehr“ .............. 23

e.

Ablauf der Beobachtung beim Feldversuch ......................................................... 25

4.3 Methodenbericht Befragung ......................................................................................... 27 5. Auswertung des Beobachtungsbogen ............................................................................. 29 5.1 Situation vor dem Fahrantritt........................................................................................ 30 5.2 Einstieg in den Bus für den Probanden...................................................................... 31 5.3 Situation im Bus ............................................................................................................. 32 5.4 Ausstiegsvorhaben und Ausstieg ................................................................................ 34 6. Auswertung des Fragebogens ........................................................................................... 37 6.1 Persönliche Angaben .................................................................................................... 37 a.

Alter ............................................................................................................................ 37

b.

Wohnort...................................................................................................................... 38

c.

Art der Behinderung ................................................................................................. 39

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d.

Nutzung des ÖPNV .................................................................................................. 39

6.2 Weg von Wohnung zur Haltestelle .............................................................................. 43 a. Probleme auf dem Weg von der Wohnung zur Haltestelle ................................... 43 b. Barrierefreiheit des Weges, des Fahrplans und des Fahrkartenautomaten ....... 46 6.3 Einstieg in den Bus ........................................................................................................ 49 a.

Aufmerksamkeit der_s Busfahrers_in erwecken ................................................. 49

b.

Nutzen und Verfügbarkeit der Rampe................................................................... 51

d.

Verhalten der Fahrgäst_innen und Busfahrer_innen .......................................... 54

e.

Schwierigkeiten ......................................................................................................... 61

6.4 Fahrt................................................................................................................................. 66 a.

Barrierefreie Ausstattung der Linienbusse ........................................................... 66

b.

Platzverhältnisse im Bus ......................................................................................... 68

c.

Bevorzugte Fahrtrichtung ........................................................................................ 72

6. 5 Umstieg .......................................................................................................................... 74 a.

Häufigkeit ................................................................................................................... 74

b.

Wartezeiten und Barrierefreiheit ............................................................................ 75

6.6 Ausstieg........................................................................................................................... 76 a.

Anzeige im Bus ......................................................................................................... 77

b.

Durchsage im Bus .................................................................................................... 78

c.

Aufmerksamkeit der_s Busfahrers_in erwecken ................................................. 79

d.

Hilfe beim Ausstieg aus dem Bus .......................................................................... 81

e.

Verhalten der Fahrgäst_innen und Busfahrer_innen .......................................... 82

f.

Schwierigkeiten ......................................................................................................... 87

7. Verbesserungsvorschläge der Teilnehmenden............................................................... 90 7.1 Barrierefreie Ausstattung der Linienbusse................................................................. 90 7.2 Busfahrer_innen im ÖPNV ........................................................................................... 91 7.3 Kritik am Fragebogen .................................................................................................... 91 8. Weiterführende Überlegungen und Hypothesen............................................................. 93 8.1 Hypothese 1: Barrierefreiheit nach Abhängigkeit des Alters .................................. 93 8.2 Hypothese 2: Bewertungen in Abhängigkeit der Begleitung ................................... 97 9. Fazit ..................................................................................................................................... 100 Quellenverzeichnis ................................................................................................................. 102 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ........................................................................ 106

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1. Einleitung „Inwiefern ist die Bushaltestelle »Universität« behindertengerecht?“ Frage 7 des Quiz zum Aktionstag zur Inklusion am 3. Juni 2014 Diese Frage galt es im Quiz zum Aktionstag zur Inklusion am 3. Juni 2014 zu beantworten. Doch sie konnte einen stutzen lassen – was haben Bushaltestellen mit Inklusion zu tun? „Das aktuell diskutierte Konzept der Inklusion […] anerkennt vorbehaltlos die Gleichheit und Verschiedenheit der Menschen und fordert

das

Einbezogen

sein

aller

Menschen

als

vollwertige

Gesellschaftsmitglieder“ (Markowetz 2007, S. 212). Folgt man diesem Konzept, so gilt es beispielsweise, Menschen mit Behinderungen nicht nur am Arbeitsmarkt oder im Bildungswesen zu inkludieren, denn Inklusion beginnt im Alltag: Beim Wohnen, beim Einkaufen, beim Busfahren. Und so erklärt es sich, wie die Frage nach einer Bushaltestelle in ein Quiz über Inklusion geraten ist.

Eben diesem Thema Inklusion beim Busfahren, insbesondere der Barrierefreiheit im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in der Stadt Regensburg, widmet sich der vorliegende Forschungsbericht. Das Forschungsprojekt, das den Titel „Barrierefreiheit im ÖPNV“ trägt, wurde von Studierenden des MasterStudiengangs „Soziale Arbeit – Inklusion und Exklusion“ an der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Regensburg in Zusammenarbeit mit Projekt „Regensburg Inklusiv“ durchgeführt. Die Leitung hatte Frau Prof. Dr. habil. Sonja Haug inne. Ziel des Forschungsprojektes war es, mithilfe von selbst gewählten wissenschaftlichen Forschungsmethoden die Frage „Wie barrierefrei ist der Öffentliche Personennahverkehr der Stadt Regensburg?“ zu beantworten.

Im vorliegenden Forschungsbericht erfolgt neben der Hinführung zum Thema zunächst die Darstellung des aktuellen Forschungsstandes bzw. eines

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Literaturüberblicks zum Thema „Barrierefreiheit im ÖPNV“. Anschließend wird sowohl die Fragestellung des Projekts präzisiert als auch die ausgewählte Untersuchungsgruppe

beschrieben.

Das

Kapitel

4

widmet

Methodenstellung, als auch dem Ablauf der Untersuchung.

sich

der

Hierbei wird in

zeitlicher Abfolge das Untersuchungsvorgehen der Forschungsgruppe beschrieben. In einem ersten Schritt erfolgte eine Erstellung einer Mindmap und Gespräche mit Expert_innen. Danach erfolgt ein Selbstversuch, indem ein Mitglied der Forschungsgruppe in einem Rollstuhl sitzend den ÖPNV der Stadt Regensburg getestet hat. Gleichzeitig führten drei weitere Mitglieder eine nichtteilnehmende Beobachtung mithilfe eines Beobachtungsbogens durch. Im folgenden Abschnitt geschieht zum einen die Auswertung dieser beiden Methoden. In einem zweiten Schritt wurden die Erkenntnisse der Introspektion und der Fremdbeobachtung genutzt, um einen Fragebogen zum Thema „Barrierefreiheit im ÖPNV“ zu entwerfen. In diesem Zusammenhang wird die Methode der Befragung in Kapitel 4.3 näher beschrieben sowie der Rücklauf des Fragebogens dokumentiert.

In Kapitel 5 wird der Beobachtungsbogen des Feldversuches ausgewertet und hierzu sieben Thesen formuliert, die anhand der Auswertung im nächsten Kapitel des Fragebogens

verifiziert bzw. falsifiziert werden sollen. An den

entsprechenden Stellen werden die Thesen aufgegriffen und auf ihre Richtigkeit hin überprüft. Des Weiteren werden Hypothesen gebildet und mithilfe von Kreuztabellen untersucht, ob zwischen einzelnen Variablen ein Zusammenhang besteht. Im letzten Abschnitt dieses Forschungsberichts werden die wesentlichen Erkenntnisse noch einmal aufgegriffen und zusammenfassend diskutiert.

In dem Forschungsbericht wird mit der „gendergerechte“ Schreibweise „Gender Gap“ gearbeitet. Der Unterstrich, zum Beispiel bei Leser_innen, auch als „Gender Gap“ bezeichnet, soll mit dem herkömmlichen Geschlechterdualismus brechen, indem zwischen der „männlichen“ und der „weiblichen“ Endung ein symbolischer Zwischenraum frei gelassen wird, der Raum für die Repräsentanz all jener Menschen lässt, die sich nicht in der gesellschaftlich hegemonialen

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Zweigeschlechtlichkeit („Mann“, „Frau“) einordnen können beziehungsweise wollen. Dies betrifft sowohl das soziale Geschlecht (im Eng. Gender) als auch das biologische Geschlecht (im Eng. Sex) (vgl. Voß 2011, S.9ff.). Eine solch sprachliche Inklusion schafft das Binnen-I, wie zum Beispiel bei LeserIn, eben gerade nicht und wird daher nicht verwendet. Eine Einschränkung des Leseflusses wird im Namen der Emanzipation von den Autor_innen entschuldigt.

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2. Forschungshintergrund 2.1 Weshalb ist Barrierefreiheit im ÖPNV wichtig? Die Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ist sowohl für Menschen mit als auch für Menschen ohne Behinderung ein wesentlicher Aspekt zur Ermöglichung sozialer Teilhabe (vgl. Cloerkes 2007, S. 74). Es geht bei der Forderung nach barrierefreier Mobilität nicht nur darum, den täglichen Arbeitsweg zu verwirklichen, sondern auch um die Realisierung von Freizeitaktivitäten, schlicht um die Partizipation am gesellschaftlichen Leben (vgl. Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. & VDV-Förderkreis e. V. 2012, S. 22). Sonderregelungen für Menschen mit Behinderungen, wie die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr nach § 145 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (vgl. Beförderungs- und Tarifbestimmungen des Regensburger Verkehrsverbundes 2014, S. 15), „sind eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Mobilität“ (Cloerkes 2007, S. 74).

Seit Mitte der 90er Jahre werden jährlich zwischen 14 und 15 Millionen schwerbehinderte Personen mit dem ÖPNV befördert (vgl. Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. & VDV-Förderkreis e. V. 2012, S. 596); wobei hier betont werden muss, dass diese Personengruppe nur eine von vielen ist, die auf eine barrierefreie Gestaltung des ÖPNV angewiesen ist. Vielmehr ist es so, dass die Barrierefreiheit der Umwelt für etwa 10 % der Bevölkerung zwingend erforderlich, für 40 % notwendig und für alle komfortabel sein muss (vgl. Neumann & Reuber 2004, S. 13; Rebstock 2009, S. 45). Etwa 40 Prozent aller über 60-Jährigen setzen für ihre Aktivitäten ein hohes Maß an Mobilität voraus (vgl. König 2008, S. 38).

„Die Erfüllung der Forderung nach (nahezu) stufenlosem Einstieg bei möglichst geringen Restspalten ist einerseits eine entscheidende Voraussetzung für die selbstbestimmte Teilnahme mobilitätseingeschränkter Fahrgäste am ÖPNV, andererseits eine bedeutende Maßnahme zur Erhöhung des Komforts für alle Fahrgäste und außerdem ein wichtiger Bestandteil

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zur

Erhöhung

der

Reisegeschwindigkeit

durch

Verkürzung

von

Fahrgastwechselzeiten.“ (vgl. Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. & VDV-Förderkreis e. V., 2012, S. 596)

Die Herstellung von Barrierefreiheit im ÖPNV wird nicht nur als Voraussetzung für selbstbestimmtes Leben, sondern auch als Indikator für die Gewährleistung von Inklusion behinderter Menschen gesehen (vgl. ebd., S. 622).

2.2 Welche Bedingungen liegen für eine Barrierefreiheit im ÖPNV vor? Im Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (vgl. BGG, BGBl. I S. 1467f.) findet sich im § 8 Abs. 2 die Vorgabe, dass öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen Personenverkehr barrierefrei zu gestalten sind. Die Bundesregierung verweist darauf, dass die Länder nach dem BGG in ihren Nahverkehrsplänen zwingend die Bedürfnisse mobilitätseingeschränkter

Personen

zu

berücksichtigen

haben

(vgl.

Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung 2004, S. 129). Folgende Grundaussagen werden im regionalen Nahverkehrsplan Regensburg zur Barrierefreiheit getroffen (vgl. Arbeitsgruppe „Regionaler Nahverkehrsplan Regensburg“ 2010, S. 34):

-

Die Notwendigkeit einer barrierefreien Gestaltung des ÖPNV in Regensburg wurde erkannt. Diesbezüglich hat sich die Stadt das Ziel gesetzt, einen „weitgehend barrierefreien ÖPNV“ (ebd.) schaffen zu wollen.

-

Bei Neubauten bzw. umfassenden Umbauten von Verkehrsanlagen sowie der Neuanschaffung von Verkehrsmitteln für den ÖPNV ist auf eine weitgehende Barrierefreiheit nach den Vorgaben des BGG zu achten.

-

Sollten Verkehrsanlagen bzw. Fahrzeuge umgebaut werden „ist die Gewährleistung eines stufenfreien Einstiegs und eines stufenfreien

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Zugangs des Bahnsteigs/ [der, Anm. d. Verf.] Haltestellenkante sowie weitgehend durchgängige Orientierbarkeit für Blinde/ Sehbehinderte/ Gehörlose umzusetzen“ (ebd.) -

Für bereits vorhandene Verkehrsanlagen soll eine bessere Erreichund Nutzbarkeit durch möglichst kostengünstige Maßnahmen erreicht werden.

Als Orientierung für Lösungsvorschläge zur Minderung von Barrieren soll das Gestaltungsprinzip eines „Universellen Designs“ dienen (vgl. Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V.; VDV-Förderkreis e. V. 2012, S. 30). Universelles Design bedeutet:

„ein Design von Produkten, Umfeldern, Programmen und Dienstleistungen in der Weise, dass sie von allen Menschen möglichst weitgehend ohne eine Anpassung oder ein spezielles Design genutzt werden können. Universelles Design schließt Hilfsmittel für bestimmte Gruppen von Menschen mit Behinderungen, soweit sie benötigt werden, nicht aus.“ (Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, BGBl. II, S. 1419)

Als Beispiel wird der stufenlose Zugang zu Haltestellen genannt: Dieser dient nicht nur Menschen, die einen Rollstuhl nutzen, sondern stellt auch für ältere Personen und solche mit Kinderwägen einen Attraktivitäts- sowie für alle übrigen

Personen

einen

Komfortzuwachs

dar

(vgl.

Verband

Deutscher

Verkehrsunternehmen e. V.; VDV-Förderkreis e. V. 2012, S. 30).

„Bei Betrachtung einer Reise aus Sicht der Verkehrsteilnehmer [und Verkehrsteilnehmer_innen, Anm. d. Verf.] wird erkennbar, dass es nicht ausreicht, einzelne Verkehrsmittel und Verkehrsanlagen fahrgastfreundlich und möglichst weitgehend barrierefrei zu gestalten. Damit das Reiseziel für alle, einschließlich mobilitätseingeschränkter Personen, ohne beson-

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dere Erschwernis erreichbar wird, sollten »barrierefreie Mobilitätsketten« gebildet werden.“ (vgl. ebd., S. 50).

Zu den Gliedern einer barrierefreien Mobilitätskette zählen demnach:

Abbildung 1: Barrierefreie Mobilitätsketten (vgl. Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. & VDV-Förderkreis e. V. 2012, S. 48)

Vorausgesetzt es kann keine Abstimmung zwischen Fahrzeug und Haltestelle erfolgen, um Hilfsmittel zu vermeiden, lautet das Ziel, fahrzeuggebundene Einstiegshilfen so zu gestalten, dass Fahrgäst_innen mit Behinderungen nicht darauf angewiesen sind, die Einstiegshilfe von einer dritten Person bedienen zu lassen (vgl. ebd., S. 210; König 2008, S. 105).

„Nur dann vollzieht sich der Ein- und Ausstieg unauffällig und in kürzester Zeit. Das Prinzip der Selbstbestimmung, das durch die UN-Behindertenrechtskonvention weiter gestützt wird, lässt sich in solchen Fällen uneingeschränkt umsetzen“ (vgl. Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. & VDV-Förderkreis e. V. 2012, S. 210).

Inwiefern dieses Ziel in einer Stadt, deren öffentliche Busse überwiegend mithilfe Rampen Barrierefreiheit gewährleisten sollen, erfüllt wird, bleibt fraglich.

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„Bei der Anschlusssicherung ist zu beachten, dass mobilitätseingeschränkte Personen für die benötigten Umsteigewege längere Zeit benötigen als nicht behinderte Fahrgäste. Menschen mit einer Behinderung sind zudem auf Zuverlässigkeit von Informationen (Verständlichkeit, Aktualität, Vollständigkeit) sowie die Funktionsfähigkeit technischer Ausstattung, z. B. Anforderungstasten, fahrzeuggebundene Einstiegshilfen etc., im besonderen Maße angewiesen“ (König 2008, S. 106 f.).

Neben der Ausstattung der Fahrzeuge kommt der Gestaltung der Haltestellen bei der Betrachtung der Barrierefreiheit im ÖPNV große Bedeutung zu. Diese wird

unter

anderem

bestimmt

von

der

Durchgangsbreite

zwischen

Hindernissen, der Bewegungsfläche zum Rangieren eines Rollstuhls, baulicher Hindernisse, der Ausstattung mit Bodenindikatoren und der Beleuchtung der Haltestelle (vgl. Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. & VDV-Förderkreis e. V. 2012, S. 346ff.).

2.3 Inwiefern liegt Barrierefreiheit im ÖPNV bisher vor? Ein vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen in Auftrag gegebenes Gutachten zum Stand der Umsetzung des BGG sagt aus, dass die Vorgaben des BGG „in der Praxis angekommen“ (Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung 2004, S. 128) seien. Dieser Feststellung widerspricht jedoch Cloerkes (2007, S. 75): „Berichte von Betroffenen und Selbsthilfevereinigungen in Selbsthilfeforen im Internet belegen […], dass es bis zur

Herstellung

umfassender

Barrierefreiheit

im

gesamten

öffentlichen

Personenverkehr noch ein weiter Weg ist“. Cloerkes (ebd.) kritisiert an dieser Stelle beispielsweise die fehlende Berücksichtigung barrierefreier Kommunikation und Information bei Um- und Neubauten, die Nichtberücksichtigung direkt geäußerter Bedarfe von Hörgeschädigtenverbänden und nennt als konkretes (hypothetisches) Beispiel den außergewöhnlich hohen zeitlichen und logistischen Aufwand, welchen die Reise einer Gruppe von 15 blinden Rollstuhlfah-

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rer_innen von einer deutschen Kleinstadt auf eine Mittelmeerinsel darstellen würde.

Eine Bestandsaufnahme aus dem Jahr 2012 hingegen sichert der Barrierefreiheit im deutschen ÖPNV zu, sich auf einem guten Weg zu befinden (vgl. Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. & VDV-Förderkreis e. V. 2012, S. 622). Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. sowie der VDVFörderkreis e. V. betonen, dass in den letzten Jahren eine Verbesserung der Barrierefreiheit im ÖPNV stattgefunden hat, die Programme jedoch noch nicht fertig gestellt wurden und einer ständigen Weiterentwicklung bedürfen. Beispielsweise werden hier als Defizite die flächendeckende Verfügbarkeit barrierefreier Verkehrssysteme sowie die noch nicht umgerüsteten alten nicht barrierefrei gebauten Fahrzeuge und Verkehrseinrichtungen genannt. Insgesamt schätzen o. g. Herausgeber Deutschland jedoch im Jahr 2012 als weltweiten Spitzenreiter in Sachen Barrierefreiheit ein (vgl. ebd., S. 24).

Rebstock (2009, S. 4) unterscheidet zwischen der relativ gut ausgebauten Barrierefreiheit in Städten und der eher schleppend verlaufenden barrierefreien Erschließung im ländlichen Raum. Zugleich betont er jedoch die Notwendigkeit der barrierefreien Anbindung ländlicher Regionen, aufgrund deren Zugehörigkeit

zu

touristischen

Serviceketten

und

der

Wichtigkeit

„als

Fremdenverkehrsdestination im barrierefreien Tourismus erfolgreich agieren zu können“ (ebd.).

2.4 Welche Barrieren sind im ÖPNV vorhanden? Für Fahrgäst_innen mit eingeschränkter Mobilität gibt es diverse Barrieren, die sie bei der Nutzung des ÖPNVs überwinden müssen (vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 15). Für blinde und sehbehinderte Benutzer_innen des ÖPNVs stellen beispielsweise folgende Dinge eine Barriere dar: „Auffinden der Ein-/Ausgangstür, Haltestelle, Bordsteinkante, Einstiegstür öffentlicher Verkehrsmittel, […] Erkennbarkeit von visuellen Informationen (Wegweiser, Fahr- und Liniennetz-pläne); Auswahl der richtigen Linie/des

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richtigen Fahrtziels an zentralen Haltestellen“ (ebd.). Benutzer_innen mit Rollstühlen oder Gehbehinderungen treffen wiederum auf andere Hindernisse. Für sie erscheinen die „Zugänglichkeit und Nutzbarkeit von […] öffentlichen Wegen, Haltestellen; Einstieg in öffentliche Verkehrsmittel; Aufstellung in den Fahrzeugen; Erreichbarkeit von Bedienungselementen; steile Rampen“ (ebd.). als wesentliche Barrieren bei der Nutzung des Personennahverkehrs (vgl. ebd.).

Die Befragung von Senior_innen, die das iso-Institut unter 1000 Kund_innen der Saarbahn GmbH durchgeführt hat, ergab, dass „Kritik […] vor allem im Hinblick auf die Erreichbarkeit („keine gesicherten Fußgängerüberwege“, „keine abgesenkten Gehwege und Rampen“) sowie die Ausstattung der Haltestellen („fehlende Hochbord-Haltestellen“, „keine elektronische Fahrgastanzeige an Bushaltestellen“) [geäußert wurde, Anm. d. Verf.]. Fehlende Unterstände und Sitzplätze an den Haltestellen werden vor allem von weiblichen Fahrgästinnen kritisiert. Auch beim Fahrverhalten der Bus- und Saarbahnfahrer [und Saarbahnfahrer_innen, Anm. d. Verf.] gibt es Verbesserungspotential, vor allem beim offenbar zu schnellen Anfahren an Haltestellen.“ (Saarbahn GmbH 2012).

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3. Forschungsgegenstand 3.1. Forschungsfrage Das Thema der Studie ist „Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV)“, welches im Zusammenhang mit der Lehrveranstaltung „Evaluationsforschung“ des Masterstudienganges „Soziale Arbeit - Inklusion und Exklusion“ der Fakultät Angewandte Sozial- und Gesundheitswissenschaften an der Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg und dem Projekt „Regensburg Inklusiv“ entstanden ist. Dabei entwickelten wir die Forschungsfrage: „Wie barrierefrei ist der Regensburger Nahverkehr?“

3.2 Forschungsgebiet Das

Untersuchungsgebiet

sollte

der

Busverkehr

des

Regensburger

Verkehrsverbund (RVV) sein. Laut Eigenangaben besitzt der RVV 86 Buslinien, die sowohl in der Stadt Regensburg, als auch im Landkreis verkehren (vgl. RVV Fahrplan 2014; RVV Liniennetzplan Region 2014). Des Weiteren schließt das RVV-Gebiet den Zugverkehr der Deutschen Bahn, als auch privater Anbieter mit ein, diesen waren aber aufgrund der Eingrenzung des Themengebietes nicht Forschungsgegenstand (vgl. RVV Tarifzonenplan 2014). Im Jahr 2013 beförderte der RVV laut Eigenangabe mit 353 eingesetzten Bussen 35,69 Millionen Menschen (vgl. RVV Leistungsdaten 2014).

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Abbildung 2: Schematischer Liniennetzplan Regensburg (vgl. RVV : Schematischer Liniennetzplan Regensburg 2014)

3.3 Forschungsuntersuchungsgruppe Die Untersuchungsgruppe dieser Forschungsarbeit sind generell alle Menschen mit Beeinträchtigungen die den Öffentlichen Busnahverkehr des RVV in Regensburg nutzen. Laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2009 leben in Deutschland mehr als 9,6 Millionen Menschen mit Behinderungen. Im Durchschnitt hat somit jede_r neunte_r Einwohner_in eine Behinderung. Das sind 11,7% der Gesamtbevölkerung (vgl. Statistisches Bundesamt 2011). In Regensburg lebten 2013 laut Eigenangabe der Stadt Regensburg 153 812 Menschen. Hiervon hatten 136 886 Personen ihren Erstwohnsitz und 16 926 Personen ihren Zweitwohnsitz in Regensburg (vgl. Stadt Regensburg Amt für Stadtentwicklung 2013, S.10). Rechnet man die Zahlen der Menschen mit Behinderung auf die Bevölkerung von Regensburg um, müssten ihn Regens-

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burg 17 996 Menschen mit Behinderungen leben. Diese ungefähre Zahl von Menschen stellt in der Forschungsarbeit die Untersuchungsgruppe dar. Aufgrund von begrenzten Ressourcen und aus forschungspragmatischen Gründen können wir die Untersuchungsgruppe nur Stichprobenartig erfassen und befragen. Unsere Forschungsarbeit ist demnach nicht repräsentativ, soll aber trotzdem einen Überblick über die Barrierefreiheit des Regensburger Nahverkehrs geben.

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4. Methode und Ablauf

Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Evaluationsforschung“ im Masterstudiengang „Soziale Arbeit –Inklusion und Exklusion“ obliegt es unserer Forschungsgruppe bis Dezember 2014 die Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr der Stadt Regensburg zu prüfen. Zu diesem Zweck sollte grundlegend ein Befragungsbogen erarbeitet werden, welcher die diesbezüglichen Erfahrungen der betroffenen Menschen mit (Geh-)Behinderung eruiert. Bevor der Bogen ausgearbeitet wurde, verschafften wir uns einen Überblick bei Expert_innen und erstellen im Anschluss an die Gespräche eine Mindmap (siehe 4.1). Ein Feldversuch sollte uns weiter den Überblick über die Barrierefreiheit des RVV bieten, hierzu erstellten wir in Kapital 4.2 einen Methodenbericht.

4.1 Mindmap

Um sich über das Themengebiet eine erste Übersicht zu machen, gestaltete das Forscherteam zusammen eine Mindmap. Die Mindmap hatte insgesamt sechs Schwerpunkte, zum einen der Weg vom Wohnort zur Bushaltstelle. Das Szenario an der Bushaltestelle, beim Einsteigen in den Bus, die Fahrt und der Ausstieg aus dem Bus. Des Weiteren beinhaltet die Mindmap noch Überlegungen zum Buswechsel und Umstieg. Aus der Mindmap ergaben sich die Fragestellungen im Fragebogen zu den unterschiedlichsten Themenbereichen, welche zur Beantwortung unsere Forschungsfrage relevant waren.

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Abbildung 3: Mindmap „Barrierefreiheit im ÖPVN“

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4.2 Methodenbericht „Beobachtungsbogen“ a. Ausgangslage

Über die Homepage der Stadt Regensburg, konnten in einem ersten Schritt Ansprechpartner_innen im Bereich „Beratung für behinderte Menschen“ gefunden werden (vgl. Stadt Regensburg: Beratung für behinderte Menschen 2014). Insbesondere Frau Hüelya Högl vom Phönix Verein e.V. 1 und Herr Sebastian Müller von der Individuellen Schwerstbehinderung (ISB) der Diakonie Regensburg e.V. 2 lieferten wertvolle Erfahrungen zum Thema Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr. Im Gespräch mit den Expert_innen entstand zudem das Vorhaben, dem eigentlichen Befragungsbogen eine wissenschaftliche Beobachtung vorzulagern. Ziel

dieser

Herangehensweise

war

die

Entwicklung

eines

besseren

Verständnisses für die besondere Situation von Menschen mit Behinderung im öffentlichen Nahverkehr. Die dort gesammelten Erfahrungswerte sollten, wie bereits erwähnt, im Weiteren für eine fundierte Ausarbeitung des eigentlichen Befragungsbogens (siehe Anhang) dienen. Im Folgenden wird der methodische Hintergrund des Beobachtungsverfahrens kurz erläutert. Hierbei erklärt sich die wissenschaftliche Fundierung des geschilderten Vorgehens.

b. Heranführung an den Begriff der Beobachtung Der Begriff der Beobachtung lässt unterschiedliche Interpretationen zu. Um die daraus resultierende Komplexität der Thematik anschaulicher zu vermitteln, steht einleitend das Schaubild in Abbildung 4. Die daran folgende Abhandlung 1

Der Verein Phönix e.V. steht für eine Beratungsstelle der Regensburger offenen Behindertenarbeit (OBA). Er bietet Menschen mit Behinderung theoretische und praktische Hilfestellungen rund um die Themen Antragstellung, Persönliches Budget bzw. Pflege-und Assistenzdienst (vgl. Phönix Regensburg 2014)

2

Die individuelle Schwerstbehindertenbetreuung (ISB) des Diakonischen Werkes Regensburg unterstützt Menschen mit Körper-und Sinnesbehinderungen durch Assistenzkräfte im Alltag. Das erklärte Ziel der Organisation, ist der Erhalt eines weitgehend selbständigen Lebens für die Menschen mit Behinderung zu ermöglichen (vgl. Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung (ISB) des Diakonischen Werkes Regensburg 2014).

21

über Beobachtungsformen orientiert sich an den unterschiedlichen Ebenen des Schaubilds und mündet in der Klassifikation der Beobachtungsformen im vorliegenden Beispiel „Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr(ÖPNV)“ 3.

naive Beobachtung

theoretischer Bezugsrahmen strukturierte Beobachtung Beobachtung mit hohem Partizipationsgrad

offen

verdeckt

unstrukturierte Beobachtung

Beobachtung mit geringem Partizipationsgrad

offen

verdeckt

Erfassung zum Zweck der Quantifizierung

Beobachtung mit hohem Partizipationsgrad

offen

verdeckt

Beobachtung mit

geringerm Partizipationsgrad

offen

verdeckt

Erfassung qualitativer Sachverhalte

Abbildung 4: Klassifikation der Beobachtungsformen (vgl. Atteslander 2003, S.131)

c. Die unterschiedlichen Formen der Beobachtung

Unter Beobachtung versteht man im Allgemeinen, wenn etwas aktiv, also nicht beiläufig zum Objekt der eigenen Aufmerksamkeit wird (vgl. Bortz & Döring 2006, S. 262). Dieses Verständnis der visuellen Beobachtung ist tief in unserem Alltagsverständnis verankert. Die Beobachtung als Datenerhebungsmethode scheint deshalb auch die „ursprünglichste Technik“ um an Informationen zu gelangen (vgl. Schnell, Hill & Esser 1999, S. 358). In Abgrenzung zur Alltagsbeobachtung oder „naiven Beobachtung“, ist die wissenschaftliche Beobachtung standardisiert und intersubjektiv überprüfbar (vgl. Bortz & Döring 2006, S. 262). Sie ist demnach, entsprechend Abbildung 4, durch einen theoretischen Bezugsrahmen gekennzeichnet.

3

Siehe dazu: Abbildung 5 und Abbildung 6

22

Die Beobachtung ist in der Lage sowohl quantitative als auch qualitative Daten hervorzubringen.

Erstere

eignen

sich

als

Grundlage

für

statistische

Hypothesenbildung. Letztere erlauben auf Grund ihrer Subjektivität einen interpretativen Zugang zum beobachteten Vorgang (vgl. ebd.). Die wissenschaftliche Beobachtung lässt sich in unterschiedliche Ebenen unterteilen. Genaue Klassifizierungen und Bezeichnungen variieren in der Fachliteratur. Im Folgenden findet sich eine Skizzierung von Beobachtungsformen, welche sich an Ausführungen von Jürgen Bortz bzw. Nicola Döring auf der einen Seite und Siegfried Lamnek auf der anderen Seite orientiert: A. Strukturiert

/

unstrukturierte

Beobachtung,

je

nachdem

ob

ein

ausformuliertes Beobachtungssystem vorliegt oder „frei“ beobachtet wird. (vgl. Lamnek 2010, S. 509.) B. Teilnehmende Beobachtung / Nicht-teilnehmende Beobachtung, je nachdem, ob der_die Beobachter_in am beobachteten Geschehen aktiv teilnimmt (vgl. Bortz & Döring 2006, S. 267). Hierbei sind unterschiedliche Partizipationsgrade des Beobachters denkbar (vgl. Lamnek 2010, S. 512). In Abbildung 4 ist dieser Aspekt mit dem Titel „hoher“ bzw. „niedriger“ Partizipationsgrad benannt.

C. Offene Beobachtung / verdeckte Beobachtung, je nachdem ob die beobachteten Personen wissen, ob sie beobachtet werden oder nicht (vgl. Bortz & Döring 2006, S. 267).

d. Bezug Forschungsprojekt „Barrierefreiheit öffentlichen Nahverkehr“

Vor dem Hintergrund der oben geschilderten Beobachtungsformen, ist die im Forschungsprojekt vorgenommene Beobachtung zwei unterschiedliche Formen der wissenschaftlichen Beobachtung. Die Beobachtungsform der drei externen Beobachter_innen auf der einen Seite ist einer verdeckten-, nicht-teilnehmenden-, systematischen-, Fremdbeobachtung zuzuordnen. Die systematische Beobachtung

erklärt

sich

durch

die

Nutzung

eines

standardisierten

23

Beobachtungsbogens (siehe Anhang). Ziel dieser Beobachtungsform ist die Erlangung quantitativer Daten.

• strukturierte Beobachtung • nicht-teilnehmende Beobachtung • verdeckte Beobachtung

=

• quantitative Daten

Abbildung 5: Visuelle Darstellung der 1. Beobachtungsform im Forschungsprojekt

Die Beobachtung des Probanden im Rollstuhl lässt sich zweifach interpretieren. Zum einen ist sie im Rahmen einer Qualitativen Forschung einer unstrukturierten, teilnehmenden und verdeckte Beobachtung zuzuordnen.

• unstrukturierte Beobachtung • teilnehmende Beobachtung • verdeckte Beobachtung =

• qualitative Daten

Abbildung 6: Visuelle Darstellung der 2.Beobachtungsform im Forschungsprojekt

Zum anderen ist die Schilderung der persönlichen Eindrücke gleichfalls ein Beispiel für eine sogenannte Selbstbeobachtung oder Introspektion. Dabei stehen

24

die Selbstauskünfte zu Gedanken, Gefühlen und seelischem Befinden des Untersuchungsteilnehmenden im Mittelpunkt. Die von der wissenschaftlichen Beobachtung geforderte „Systematik“ wird durch festgelegte „Zeitstichproben“ erreicht, zu denen der_die Teilnehmer_in seine_ihre Eindrücke wiedergibt. (vgl. Bortz & Döring 2006, S. 324). Während des Forschungsprojektes war diese Zeitspanne im Anschluss an die jeweils absolvierte Busteilstrecke.

e. Ablauf der Beobachtung beim Feldversuch

Im Detail absolvierte ein Forschungsmitglied als Proband, in einem Rollstuhl sitzend, drei zuvor festgelegte Teilstrecken innerhalb des Regensburger Verkehrsverbunds (RVV) per Bus. Die Strecke wurde in drei Einheiten eingeteilt: Einheit (E)

Abfahrt

Ankunft

1

Haltestelle Albertstraße

Haltestelle Donaueinkaufszentrum

2

Haltestelle Donaueinkaufszentrum

Haltestelle Arnulfsplatz

3

Haltestelle Arnulfsplatz

Haltestelle Alberstraße

Tabelle 1: Visuelle Darstellung der Einheiten des Beobachtungsbogens

Handlungen, Interaktionen mit anderen Fahrgäst_innen, sowie hierbei eventuell auftretende Schwierigkeiten des Probanden im Rollstuhl wurden von drei weiteren Forschungsmitglieder_innen beobachtet und auf vorstrukturierten Beobachtungsbögen (siehe Anhang) protokolliert. Für jede Einheit gab es mehrere Kategorienblöcke, die deduktiv nach der Mindmap erstellt worden sind. Diese waren „Situation vor Fahrantritt“, „Einstieg in den Bus“, „Situation im Bus“, „Ausstiegsvorhaben und Ausstieg“. Die Kategorien waren zu dem noch weiter unterteilt, um eine deskriptive Beobachtung durchzuführen. So waren zum Beispiel Beobachtungselemente, die mit ja oder nein beantwortet werden könnten:

25

Teil I: Situation vor Fahrtantritt 1) Es gibt einen barrierefreien Zugang zur Bushaltestelle (z.B. abgesenkter Bordstein) a. ja

b. nein Abbildung 7: Faksimile 1: Beobachtungsbogen

Oder bei Beobachtungselemente die mehrere Auswahlmöglichkeiten hatten:

Teil III: Situation im Bus 10.1) Wenn nein: der behindertengerechte Platz im Bus wird frei gemacht a. unaufgefordert b. aufgefordert durch Proband c. aufgefordert durch Busfahrer_in d. aufgefordert durch weitere Fahrgäst_innen e. der Patz wird nicht freigemacht (weiter mit Teil IV) Abbildung 8: Faksimile 2: Beobachtungsbogen

Des Weiteren schilderte der Proband im Rollstuhl, ohne strukturelle Vorgabe von außen und intuitiv, die jeweils während einer Teilstrecke erlebten Gedanken und Gefühle nach jeder Einheit (siehe Anhang). Die Auswertung erfolgt in zwei Schritte, zuerst werden die insgesamt neun Beobachtungsbögen tabellarisch zusammengefügt (siehe Anhang), damit ein Überblick möglich ist. Im zweiten Schritt werden die Ergebnisse dann in schriftlicher Form beschrieben und mit den Beobachtungen des Probanden abgeglichen um dann für den Fragebogen Hypothesen zu bilden.

26

4.3 Methodenbericht Befragung

Die zweite Methode ist eine anonyme Befragung. Die Befragung wurde sowohl online als auch schriftlich durchgeführt. Der Fragebogen bestand aus einem Methodenmix von sowohl quantitativen Fragestellungen zur Bestätigung der Thesen und der besseren Quantifizierung bei der Auswertung als auch qualitativen Fragestellungen die der kleinen Stichprobe entgegenkommen und das finden weiterer Hypothesen ermöglichen (vgl. Schaffner 2009, S. 59 - 60). Die Kontakte mit der Zielgruppe wurden über folgende Organisationen hergestellt: •

Herr Müller der Diakonie Regensburg - Individuelle Schwerstbe hindertenbetreuung (ISB) 4



Frau März-Bäuml des Familienbüros der OTH Regenburg. 5



Frau Feuerer und Frau Jauch der Sozialberatungsstelle und Studentennetzwerk Niederbayern-Oberpfalz der Universität Re gensburg. 6

Die Organisationen erhalten ein Anschreiben per E-Mail (siehe Anhang) in dem über Anlass und Inhalt der Studie informiert wird und leiten dieses, aus Gründen des Datenschutzes, selbstständig an Ihren Verteiler weiter. Es liegen daher keine Kontaktdaten der Stichprobe vor. Auch die Größe der Stichprobe kann nur mithilfe der Angaben Dritter geschätzt werden.

4

(vgl. Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung(ISB) des Diakonischen Werkes Regensburg 2014). (vgl. OTH Regensburg: Familienbüro 2014) 6 (vgl. Universität Regensburg: Sozialberatungsstelle 2014) 5

27

Der zeitliche Ablauf stellt sich wie folgt dar:

Datum

Aktion

Das Anschreiben wurde an zwei Organisationen verschickt. ISB hatte noch eine Nachfrage zu dem Befragungszeitraum und hat 01.07.2014 daher das Anschreiben noch nicht weitergeleitet. Das Familienbüro der OTH Regensburg hat das Anschreiben an den Verteiler (sechs Adressen) verschickt. 02.07.2014 Rücklauf Stand: fünf Exemplaren. 03.07.2014

Die Diakonie Regensburg versendet ein Rundschreiben mit dem Link zu der Befragung.

08.07.2014 Rücklauf Stand: 14 Exemplaren. 15.07.2014 Rücklauf Stand: 14 Exemplaren. 15.07.2014

Mail an das Studentennetzwerk und Beratungsstelle der Uni Regensburg zwecks Weiterleitung.

22.07.2014 Rücklauf Stand: 28 Exemplaren. 12.10.2014

Ende des Befragungszeitraums. Rücklauf Onlineexemplaren, zuzüglich vier Papierfragebögen.

von

Tabelle 2: Zeitlicher Ablauf des Fragebogens

28

30

5. Auswertung des Beobachtungsbogen Der Feldversuch der am 07. Mai 2014 stattfand, dauerte insgesamt knapp zweieinhalb Stunden und hatte drei Einheiten (siehe Kapitel 4.2 e). Auffallend für alle drei Beobachtenden war, obwohl der Feldversuch um die Mittagszeit (12 Uhr) stattfand und von vielen Schüler_innengruppen ausgegangen wurde, es kaum Fahrgäst_innenaufkommen gab. So waren bei der ersten Einheit nicht mehr als fünf Personen im Bus. Auch bei Einheit zwei und drei waren es nicht mehr als 15 Personen im Bus. Das Aufkommen wird dementsprechend von den Beobachtenden als sehr gering bis gering eingeschätzt. Die Beobachter_innen gehen des Weiteren davon aus, dass bei einem erhöhten Fahrgäst_innenaufkommen, der Feldversuch sich anderes gestaltet hätte.

Abbildung 9: Proband im Rollstuhl beim Feldversuch

29

5.1 Situation vor dem Fahrantritt An der Alberstraße angefangen wurde im Beobachtungsbogen von allen drei Personen ein barrierefreier Zugang vermerkt. Auch bei der Haltestelle Donaueinkaufszentrum wurde beobachtet dass es der Proband im Rollstuhl zwar schwierig hat, es dennoch aber machbar ist. Auch am Arnulfsplatz waren sich die zwei von drei Beobachter_innen sicher, dass hier ein barrierefreier Zugang

ist. Ganz anderes nahm es der Proband war, so fasst er in seiner

Beobachtungsprotokoll zusammen: „ […] der Weg von der Bushaltestelle auf der einen Straßenseite zur Bushaltestelle auf der anderen Straßenseite [war; Anm. d. Verf.] schwierig mit dem Rollstuhl zu erreichen. Der Fußgängerweg war mit dem Rollstuhl nicht zu passieren, da die Bordsteinkante zu hoch war. Ich habe deswegen den Radweg genommen.“ Auch schreibt er: „Der Arnulfsplatz stellte sich als sehr barrierereich heraus“. Es ist interessant zu erkennen, dass hier die Erfassungen der nicht-teilnehmende und teilnehmenden Beobachtungen divergiert. Spannend für den Feldversuch wäre gewesen, wenn an der Bushaltestelle viele weitere Personen gewartet hätten, da sich hier die Frage stellt, inwiefern Platz für den Probanden zum Rangieren gewesen wäre. Da aber wenige Personen an den Haltestellen waren, konnte der Proband mit dem Rollstuhl gut wenden. Dennoch ist dem Beobachtungsteam aufgefallen, dass sowohl an der Haltestelle Alberstraße als auch am Arnulfplatz wenig Platz vorhanden ist. Gerade bei Hauptverkehrszeit (z.B. ab 17.00 Uhr), scheint ein Durchkommen mit einem Rollstuhl nur schwer machbar zu sein. Aus diesen Beobachtungen

formulierten wir

unsere

ersten beiden Thesen für den Fragebogen: „Die Befragten haben Probleme auf dem Weg von ihrer Wohnung zur Haltestelle.“ „Der Umstieg bereitet den Befragten Probleme“

30

Des Weiteren wurde beobachtet, dass der Proband in mindestens einem von zwei Fällen auf Hilfe beim Lesen des Fahrplanes angewiesen ist.

5.2 Einstieg in den Bus für den Probanden Die Einstiegshilfe für den Probanden erfolgte in den drei Einheiten unterschiedlich, bei der ersten Einheit nahm er per Handzeichen mit dem Fahrer

Kontakt

auf,

beim

zweiten

Bus

drückte

er

den

Knopf

für

Rollstuhlfahrer_innen und beim dritten Mal mussten den Busfahrer 7 erst andere Passant_innen auf den Probanden aufmerksam machen. Doch trotzdem wurde dieser in allen Fällen durch die Bus-Rampe in den Bus gebracht. Hierbei bedienten sich die Busfahrer zwei unterschiedlicher Methoden zum einen wurde der Proband von hinten gezogen und zum anderen von hinten geschoben.

Wir stellten darauf hin, die These auf, dass „Der Einstieg in den Bus keine Probleme bereitet.“

In allen drei Fällen half der Busfahrer beim Einstieg in den Bus.

Die Hilfe

kündigten nur wenige an, auch auf Wünsche des Probanden ging nur ein Busfahrer ein. Beobachtung: E1 E2

Anmerkung E3

6 Ankündigung der Hilfe durch Helfer_in

2 * nein 1 * k. B.

2 * ja 1 * k.B.

3 * nein

7 Auf Anliegen/ Wünsche des Probanden beim Einstieg wird eingegangen

3 * k. B.

3 * ja

3 * nein

7

Im folgenden Kapitel wird nur von Fahrer bzw. Busfahrer geschrieben, dies ist wiederum zu begründen, da im Feldversuch nur (scheinbar) männlich sozialisierte Personen den Bus gefahren haben.

31

Tabelle 3: Auswertung Beobachtungsbogens , Beobachtung 6 & 7

Von der Haltestelle Donaueinkaufszentrum zur Haltestelle Arnulfplatz schilderte der Proband: „Auf der Fahrt vom DEZ zum Arnulfsplatz war der Busfahrer sehr freundlich. Er hat mich gefragt wie rum ich sitzen will und wo ich wieder aussteigen möchte.“

5.3 Situation im Bus Obwohl in zwei von drei Fällen der vorgesehene behindertengerechte Platz im Bus frei ist und beim dritten Mal er unaufgefordert frei gemacht wird, wird der Proband in zwei von drei Fällen nur in die Mitte des Busses geschoben, er musste sich dann selbst positionieren. So berichtet der Proband: „Leider nur einer von drei Busfahrern hat mich dann auch noch auf den Platz für Rollstuhlfahrer_innen geschoben. Als ich mich selbst auf den Platz manövrieren musste, war das für mich etwas schwieriger.“ Auch die Fahrt selbst bereitet dem Probanden erhebliche Schwierigkeiten. So wird die Standfestigkeit des Rollstuhls sowohl beim Beschleunigen als auch beim Abbremsen des Buses deutlich für die Beobachter_innen beeinflusst. Beobachtung: E1 E2 12 Das Fahrverhalten beeinflusst die Standfestigkeit des Rollstuhls a. beim Beschleunigen b. beim Abbremsen c. das Fahrverhalten beeinflusst die Standfestigkeit des Rollstuhls nicht

3*b

2*a 2*b 1* k.B.

Anmerkung E3 2*b 1 * k.B.

Tabelle 4: Auswertung Beobachtungsbogen, Beobachtung 12

32

Dies schilderte auch der Proband: „Bei meiner letzten Fahrt stand ich mit dem Rollstuhl in Fahrtrichtung, was nicht so toll war, da es schwierig ist sich festzuhalten und der Rollstuhl ist beim Beschleunigen und Abbremsen des Busses nach hinten weggekippt.“ Auch beklagt er sich über seinen Sichtradius während der Fahrt: „Mein Sichtradius während der Fahrt war eingeschränkt. Das empfand ich als unangenehm“.

Das Forscherteam folgerte daraus, dass die Busfahrt Menschen mit Behinderung Probleme bereitet und entwickelte folgende These: „Die Busfahrt bereitet den Befragten Probleme.“

Die Reaktion der anderen Fahrgäst_innen beschreibt der Proband wie folgt: „Nach

meinen

Gefühl

regierten

die

Leute

im

Bus

zwischen

Teilnahmslosigkeit und Peinlich berührt auf meine Anwesenheit. Im Bus hat sich bei einer Fahrt auch ein Kreis um mich gebildet und ich hatte das unangenehme Gefühl, dass alle einen beobachten. Bei einer Fahrt konnte ich auch hören, dass einige Leute die in meiner Nähe saßen über Rollstuhlfahrer_innen redeten.“ Dies konnte auch das Beobachtungsteam wahrnehmen, so tendierten die beobachteten

Menschen

zwischen

teilnahmelos

und

distanziert.

Auch

begannen andere Mitfahrer_innen, sowohl bei Einheit eins als auch bei Einheit zwei, ein Gespräch über Menschen im Rollstuhl an. Eine Person äußerte sich hierbei direkt über den Probanden.

33

5.4 Ausstiegsvorhaben und Ausstieg Beim Ausstieg konnte der Proband in allen drei Einheiten mühelos den Haltestellenwunschknopf (siehe Abbildung 10) erreichen.

Abbildung 10: Platz für Menschen mit Rollstuhl (© Rill 2015)

Auch versperrten keine anderen Mitfahrer_innen den Weg zur Ausgangstür. Dies kann aber bei erhöhtem Fahrgäst_innenaufkommen oftmals ein Problem darstellen. In allen drei Einheiten unterstütze der Busfahrer den Probanden beim Ausstieg. Hierzu kam in nur in zwei Fällen die Busrampe zum Einsatz. In der letzten Einheit hob der Busfahrer den Probanden aus dem Bus rückwärts heraus. Dies nahmen sowohl die Beobachter_innen als auch der Proband als gefährlich war. So äußerte er sich: „Auch hob mich der Busfahrer an der Haltestelle ohne Rampe aus dem Bus, was mir sehr gefährlich vorkam.“. Auch konnten in allen drei Einheiten erkannt werden, dass die Busfahrer

drei

unterschiedliche Techniken verwendeten, der erste schob den Probanden, der nächste zog ihn von hinten, was die adäquateste Art ist und der letzte Busfahrer, wie schon beschrieben, hob den Rollstuhl.

34

Dies veranlasste uns folgende These aufzustellen: „Der Ausstieg aus dem Bus bereitet den Befragten Probleme“

Auch bei der Freundlichkeit der Busfahrer gegenüber dem Probanden konnte das Beobachtungsteam kein äquivalentes Verhalten erkennen, nur der Busfahrer in der zweiten Einheit kündigte seine Hilfe an (siehe Tabelle 5). Dieser als auch der letzte Busfahrer fragten den Probanden, in welche Richtung er gestellt werden wolle. Der erste Busfahrer hingegen, stellte ihn nach dem Ausstieg vor eine Glasscheibe an der Bushaltestelle. Der Proband empfand dies wie folgt: „Beim Ausstieg am DEZ schob mich der Busfahrer Richtung der Glasscheibe von der Bushaltestelle und dies machte mir Angst. Er lies mich dann dort auch stehen, was ich als sehr unangenehm und unpraktisch empfand, da es dort nicht einfach war wieder raus zu kommen. Auch nahmen die anderen Busfahrer nur teilweise meine Wünsche war.“ Beobachtung: E1 E2

Anmerkung E3

3 * nein

3* ja

3* nein

1 * nein 18 Auf Anliegen/ Wünsche des Probanden beim Ausstieg wird 2 * k.B. eingegangen

3 * ja

2 * ja 1 * pt

17 Ankündigung der Hilfe durch Helfer_in

E2: B: „Pack mas“

Tabelle 5: Auswertung Beobachtungsbogen, Beobachtung 17 & 18

Aus diesem Verhalten heraus, sowohl beim Einstieg als auch beim Ausstieg, entwickelten wir die These, dass die Teilnehmer_innen des Fragebogens eine Unzufriedenheit mit den Busfahrer_innen kenntlich machen.

35

Die These lautet wie folgt: „Die

Befragten

sind

mit

dem

Verhalten

der

Busfahrer_innen ihnen gegenüber nicht zufrieden.“

Die Reaktion der anderen Fahrgäst_innen währende dem Ausstieg beschreibt der Proband wie folgt: „Als ich aus dem Bus geschoben worden bin, waren die Leute sehr freundlich. Sie haben sofort Platz gemacht und gefragt ob ich genügend Platz habe.“. Insgesamt schätzt dieser die Situation wie folgt ein: „Bei anderen Mitfahrer_innen hatte ich das Gefühl dass sie mir schon helfen möchten.“ Obwohl einige ein Gespräch über Rollstuhlfahrende angefangen haben, hatte der Proband dennoch den Eindruck dass ihm ein größtenteils wohlgesonntes Verhalten entgegen kommt. Dies beobachtet zudem das Beobachtungsteam.

Deshalb entwickelten wir die These, dass die Befragten mit den anderen Personen im Bus zufrieden sind. Die These lautet demzufolge: „Die

Befragten

sind

mit

dem

Verhalten

Fahrgäst_innen ihnen gegenüber zufrieden“

36

der

6. Auswertung des Fragebogens Von den 34 Personen, die an der Befragung teilgenommen haben, konnten die Daten von 32 Befragten für die Auswertung berücksichtigt werden (siehe Anhang Datencd). Bei zwei Befragten lagen uns keine auswertbaren Daten vor, da der Fragebogen zwar geöffnet, aber die Fragen nicht beantwortet wurden. Im Folgenden werden als befragte Personen diejenigen 32 bezeichnet, deren Daten für die Auswertung herangezogen werden konnten. Die prozentualen Angaben beziehen sich immer auf die jeweils gültigen Antworten.

6.1 Persönliche Angaben

a. Alter Bei den berücksichtigungsfähigen Datensätzen von 30 befragten Personen handelte es sich hierbei um 21 Frauen und neun Männer.

Wie alt sind Sie?

30

30 25 20 15

5

Anzahl

9

10 1

4

2

5

6 2

1

0 Keine 11-20 Angabe Jahre

21-30 Jahre

31-40 Jahre

41-50 Jahre

51-60 Jahre

61-70 älter als Gesamt Jahre 70Jahre

Abbildung 11: Auswertung 1: Alter der Befragten

Im Fragebogen haben wir die Personen gebeten, sich anhand ihres Alters in vorgegebene Altersgruppen einzuordnen. Hierzu ist zu sagen, dass die größte Anzahl, nämlich neun Befragte, der Altersgruppe 21-30 Jahre zuzuordnen sind.

37

Ebenfalls häufiger wurden die Altersgruppen 31-40 Jahre (vier Nennungen), 4150 Jahre (fünf Nennungen) und 51-60 Jahre (sechs Nennungen) angegeben. Zwei der 30 befragten Personen waren zwischen 11-20 sowie 61-70 Jahre alt. Eine Person war älter als 70 Jahre; eine andere wollte zu ihrem Alter keine Angabe machen.

b. Wohnort

Abbildung 12: Regensburger Stadtkarte. Wohnorte der Befragten (vgl. Stadt Regensburg 2014; bearbeitet von M. Rill 2014)

Um den Wohnort der Befragten zu ermitteln, baten wir sie, ihre Postleitzahl (PLZ) anzugeben. Von den 30 befragten Personen wollten die meisten (neun Personen) keine Angaben zu ihrem Wohnort machen. Acht der Befragten kommen aus dem Regensburger Stadtgebiet mit der PLZ 93049 (Westenviertel);

38

vier aus 93047 (Innenstadt); jeweils zwei aus 93051 (Westenviertel) und 93053 (Kasernenviertel, Oberisling, Graß). Jeweils eine befragte Person gab als Wohnort die PLZ 93057 (Konradsiedlung, Wuzlhofen, Sallern), 93059 (Steinweg, Pfaffenstein, Reinhausen) und 93073 (Neutraubling), 93309 (Kelheim) und 85283 (Wolnzach) an. Bei Kelheim und Wolnzach handelt es sich um eine eigene Stadt bzw. um einen Markt, die beide nicht dem Regensburger Landkreis zuzuordnen sind und demnach auch nicht auf der unten abgebildeten Karte dargestellt sind. c. Art der Behinderung Von den 30 von uns befragten Personen gaben 26 an, einen Rollstuhl zu nutzen. Unter den 26 Rollstuhlfahrer_innen befinden sich sowohl Personen mit manuellen als auch Elektrorollstühlen und eine Person, die zusätzlich an einer Hundephobie leidet. Vier Personen gaben an, keinen Rollstuhl zu nutzen. Darunter war eine Person, die auf einen Gehstock angewiesen ist. Die übrigen drei Personen wollten zu möglichen vorhandenen Einschränkungen keine Auskunft geben. d. Nutzung des ÖPNV

Wie häufig nutzen Sie den ÖPNV? 100% 80% 60% 40%

31,0% 27,6%

24,1%

20%

3,4%

6,9%

einmal pro Woche

mehrmals im Monat

6,9%

0% täglich

mehrmals pro Woche

einmal im Monat

gar nicht

Abbildung 13: Auswertung 2: Häufigkeitsnutzung des ÖPNV?

Bei der Frage nach der Nutzungshäufigkeit des ÖPNV gaben knapp ein Viertel der Befragten an, den Busverkehr täglich zu nutzen. Ein Drittel der Befragten nutzt den ÖPNV mehrmals in der Woche und knappe drei Prozent immerhin

39

einmal pro Woche bzw. fast sieben Prozent zumindest einmal pro Monat. Weitere sieben Prozent gaben an, den ÖPNV überhaupt nicht zu nutzen. Für diese sieben Prozent der Befragten war die Befragung zur Barrierefreiheit des ÖPNV an dieser Stelle beendet, da sie keine relevanten Antworten für die Fragestellung liefern konnten. Über die Hälfte der Befragten (etwa 55 Prozent) nutzen somit den ÖPNV täglich bzw. mehrmals pro Woche, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass auch mehr als die Hälfte der befragten Personen (18 von 30) im unmittelbaren Regensburger Stadtgebiet wohnen und somit die Nutzung der Businfrastruktur nahe liegt. Vor allem im Bereich der Innenstadt herrscht beispielsweise eine angespannte Parkplatzsituation, was möglicherweise viele auf die Nutzung des ÖPNV rückgreifen lässt.

40

Abbildung 14: RVV- Liniennetzplan nach Auslastung der Befragten (vgl. Liniennetzplan 2014; bearbeitet von M. Rill 20104)

41

RVV

Bei der Frage, welche Buslinien die Befragten nutzen, war es möglich, mehrere Buslinien auszuwählen. Die Linie 11, die zwischen dem Roten-Brach-Weg in Prüfening und Burgweinting verkehrt, wurde mit 69,2 Prozent am häufigsten genannt. Sie ist im oben dargestellten RVV (Regensburger Verkehrsverbund)Liniennetzplan in der Farbe Lila eingezeichnet. Es folgten mit jeweils 61,5 Prozent die Linien 6 in Gelb, welche zwischen der Wernerwerkstraße im Westenviertel und dem Klinikum fährt, und 1 in Rot. Diese Linie fährt zwischen Prüfening und der Pommernstraße in der Konradsiedlung. Die drei genannten Linien durchfahren das nördliche Innenstadtgebiet bis zum Hauptbahnhof; Linie 6 und 11 fahren anschließend die OTH (Ostbayerische Technische Hochschule) und die Universität an. Gerade der Regensburger Campus wird von vielen Studierenden mit den Bussen angefahren. Zudem kommen acht der von uns befragten Personen aus dem Stadtgebiet mit der PLZ 93049, durch das alle drei genannten Linien fahren. Des Weiteren nutzen die Linien 2A/B fast 40 Prozent der Befragten, möglicherweise deshalb, weil die Linien 2A/B von Graß in die Schwabenstraße ebenfalls einen Großteil des Innenstadtgebietes abfahren. Es folgen nach Häufigkeit der Nennungen die Linien C1, welche zwischen der Innenstadt und dem Campus fährt und 4 (zwischen Universität und der Danziger Freiheit in der Konradsiedlung) mit jeweils 23,1 Prozent, die Linie 8 (19,2 Prozent), die zwischen Pentling und Grünthal verkehrt, 10 (15,4 Prozent) und 13 (15,4 Prozent; fährt zwischen Lappersdorf und der Albertstraße). 11,5 Prozent der Befragten nutzen jeweils die Linie A, C2, C4, C6 und 31. Die Linien 3, 5, 9 und 30 wurden von jeweils 7,7 Prozent der Befragten angegeben, die Linien 11A, 12, 14, 17, 32 und der Nachtbus von 3,8 Prozent.

42

Nutzen Sie den ÖPNV überwiegend alleine oder in Begleitung?

23,1% 30,8% alleine in Begleitung alleine und in Begleitung 46,2%

Abbildung 15: Auswertung 3: Nutzung des ÖPNV

Über die Hälfte der Befragten nutzt den ÖPNV überwiegend oder gelegentlich alleine. Etwa 46 Prozent der von uns befragten Personen nutzen den ÖPNV überwiegend zusammen mit einer Begleitung. Da uns aufgrund technischer Schwierigkeiten der Datensatz zu Frage 1.10 „Handelt es sich bei der Begleitung überwiegend um eine/n Assistentin/en (kein Freund, Bekannter etc.)?“ nicht vorliegt, kann keine Auswertung zu dieser Fragestellung erfolgen.

6.2 Weg von Wohnung zur Haltestelle a. Probleme auf dem Weg von der Wohnung zur Haltestelle Nach den vorangehenden Methoden des Mindmap (siehe Kapitel 4.1) und der teilnehmende und nicht-teilnehmenden Beobachtung formulierten wir in Kapitel 5 sieben Thesen. Die erste These lautete:

43

(1) Die Befragten haben Probleme auf dem Weg von ihrer Wohnung zur Haltestelle. Im Rahmen der Auswertung unseres Fragebogens haben wir die Möglichkeit, die Thesen zu verifizieren, d. h. zu belegen, oder zu falsifizieren, also zu widerlegen. Im Fall der ersten These liefert uns die Auswertung der Frage „Was bereitet Ihnen auf dem Weg von ihrer Wohnung zur Haltestelle Probleme?“ eine Grundlage zur Beurteilung der Behauptung. Was bereitet Ihnen auf dem Weg von Ihrer Wohnung zur Haltestelle Probleme? (Mehrfachnennungen möglich) 100% 90% 80% 70% 60% 50% 30,8%

40%

19,2%

30% 20% 10%

11,5% 7,7%

3,8%

0%

Abbildung 16: Auswertung 4: Probleme auf dem Weg von der Wohnung zur Haltestelle

Bei der Frage, welche Probleme auf dem Weg von der Wohnung zur Haltestelle auftreten, wollten 42,3 Prozent der Befragten keine Angaben machen. Es ist zu vermuten, dass bei diesen Personen keine Schwierigkeiten auftreten, wenn sie sich von ihrer Wohnung zur Haltestelle begeben und sie deswegen bei dieser Frage keine Angaben machen konnten bzw. wollten. Über die Hälfte der Befragten (57,7 Prozent) gab Auskunft darüber, welche Bedingungen ihnen den Weg von der Wohnung zur Haltestelle erschweren. Hier war es möglich, aus den vorgegebenen Antworten mehrere auszuwählen. Am häufigsten wurde mit

44

knapp ein Drittel die Beschaffenheit des Weges genannt. Danach wurde die offene Antwortmöglichkeit „Andere Schwierigkeit“ mit knapp 19 Prozent am meisten ausgewählt. Hier hatten die befragten Personen die Gelegenheit, selbst anzugeben, was ihnen auf dem Weg von ihrer Wohnung zur Haltestelle Probleme bereitet. Als andere Schwierigkeit wurden Baustellen, ein defekter Aufzug im Wohnhaus, umgeräumte Straßen und eine Hundephobie genannt. Stufen identifizierten 11,5 Prozent der Befragten als ein Problem auf dem Weg von der Wohnung zur Haltestelle. Die Entfernung beider Orte voneinander nannten knappe 8 Prozent als Schwierigkeit. Straßenüberquerungen auf dem Weg von der Wohnung zur Bushaltestelle bereiten den Befragten nur geringe Probleme (3,8 Prozent). Da sich unter den von uns befragten Personen überwiegend Rollstuhlfahrer_innen

befinden,

Antwortmöglichkeit

„Beschaffenheit

Innenstadtbereich Schwierigkeiten,

bereitet aber

überrascht des

vermutlich

auch

Schotter

die

häufige

Weges“ vor und

allem

kaum. das

insgesamt

Nennung Vor

allem

der im

Kopfsteinpflaster eine

schlechte

Straßenqualität in Form von Schlaglöchern dürfte Rollstuhlfahrende vor Herausforderungen stellen. Im

Gegensatz

zur häufigen

Nennung der

Wegbeschaffenheit verwundert, dass Stufen die Betroffenen scheinbar vor weniger große Probleme stellen. Gegebenenfalls kann dies jedoch auch daran liegen, dass sich Personen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, schon bei der Wohnungssuche auf Gebäude und Gegenden beschränken, die barrierefrei sind. Die erste These (1) Die Befragten haben Probleme auf dem Weg von ihrer Wohnung zur Haltestelle können wir aufgrund der Antworten, die in der Frage „Was bereitet Ihnen auf dem Weg von ihrer Wohnung zur Haltestelle Probleme?“ gegeben wurden, verifizieren. Über die Hälfte der Befragten (57,7 Prozent) gab hier Auskunft darüber, welche Bedingungen ihnen den Weg von ihrer Wohnung zur Haltestelle erschweren: Überwiegend handelt es sich in diesem Kontext um die Beschaffenheit des Weges. Es wurden aber

45

auch andere Schwierigkeiten wie Stufen, Baustellen und defekte Aufzüge genannt.

b. Barrierefreiheit des Weges, des Fahrplans und des Fahrkartenautomaten

Bewerten / Benoten Sie die Barrierefreiheit des Weges von Ihrer Wohnung zur Haltestelle, die Einsehbarkeit des Fahrplans an den Haltestellen und die Handhabung des Fahrkartenautomaten 100% 7,7%

11,5% 90% 3,8%

11,5%

19,2%

11,5%

80% 70%

65,4%

60% 26,9% 50% 40%

53,8% 19,2%

30%

3,8% 7,7% 3,8%

20% 19,2%

11,5%

10% 11,5% 3,8%

0% Barrierefreiheit des Weges

Einsehbarkeit des Fahrplans

1 = sehr gut

2 = gut

3 = befriedigend

5 = mangelhaft

6 = ungenügend

Keine Angabe

7,7% Handhabung am Fahrkartenautomaten 4 = ausreichend

Abbildung 17: Auswertung 5: Barrierefreiheit des Weges, Einsehbarkeit des Fahrplans; Handhabung des Fahrkartenautomaten

Die Befragten wurden gebeten, die Barrierefreiheit des Weges von ihrer Wohnung zur Haltestelle, des Fahrplans sowie des Fahrkartenautomaten mit

46

Schulnoten zu bewerten. Insgesamt wurde hierbei die Barrierefreiheit des Weges von über 65 Prozent der Befragten als „gut“ bis „sehr gut“ beurteilt. Dies könnte auf die oben beschriebene Vermutung, dass sich Rollstuhlfahrende insgesamt eine barrierefreie Wohngegend und Wohnung suchen, zurückzuführen sein. 23 Prozent der Befragten geben an, die Barrierefreiheit sei „befriedigend“ bis „ausreichend“ und 11,5 Prozent bezeichnen diese als „mangelhaft“. Die Einsehbarkeit des Fahrplans bewerten fast ein Viertel der Befragten als „sehr gut“ bis „gut“. 38,4 Prozent bezeichnen die Barrierefreiheit des Fahrplans noch als „befriedigend“ bis „ausreichend“ und fast ein weiteres Viertel der Befragten beurteilte die Einsehbarkeit des Fahrplans als „mangelhaft“ und „ungenügend“. Bei der Frage, was die Barrierefreiheit des Fahrplans behindere, wurde sehr häufig die Höhe, in der die Fahrpläne aufgehängt seien, bemängelt. Die Betroffenen gaben an, dass die Fahrpläne für sie zu hoch angebracht seien. In Anbetracht der Tatsache, dass die Fahrpläne für stehende Personen auf Augenhöhe hängen, ist es nachvollziehbar, dass die Pläne für Rollstuhlfahrende schlecht einsehbar sind. Zudem wurde angegeben, dass die Schriftgröße der Fahrpläne zu klein und der Fahrplan insgesamt zu unübersichtlich sei. Weitere äußere Einflüsse, wie sich spiegelndes und verschmutztes Glas – die Fahrpläne sind meist hinter Glasscheiben angebracht, Verwitterung der Pläne und zu enge Haltestellen, um bei vielen wartenden Fahrgäst_innen mit dem Rollstuhl zum Fahrplan zu gelangen, erschweren die Nutzung der Pläne für die Befragten. Ebenso wurde der persönliche Gesundheitszustand als Hinderungsgrund für die Einsehbarkeit der Fahrpläne angegeben. Gerade aber die äußeren Einflüsse, die die Barrierefreiheit der Fahrplannutzung für Menschen mit Behinderung negativ beeinflussen, wären zu beheben. Hierzu werden in einem späteren Abschnitt konkrete Vorschläge dargelegt. 7,7 Prozent der Befragten möchten sich zur Einsehbarkeit des Fahrplans nicht äußern, möglicherweise deshalb, weil sie die Fahrtzeiten auswendig wissen, sich anhand der Anzeigetafeln an den Haltestellen oder der Fahrpläne im Internet informieren. Bei der Handhabung der Fahrkartenautomaten gaben die meisten Befragten (65,4 Prozent) an, keine Angabe machen zu wollen. Der hohe Anteil derer, die sich zu dieser Frage nicht äußern können bzw. möchten ist höchstwahrschein-

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lich darauf zurückzuführen, dass die meisten von uns befragten Personen über eine Wertmarke verfügen. Mithilfe dieser Wertmarke und in Verbindung mit einem Schwerbehindertenausweis ist es Personen gestattet, den ÖPNV ohne den weiteren Erwerb von Fahrkarten zu nutzen (vgl. § 145 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX; BGBl. I S. 1046, 1047 und BGBl. I S. 2598)). Aus diesem Grund ist vermutlich die Handhabung des Fahrkartenautomaten für den größten Anteil unserer Befragten überhaupt nicht relevant. Fast acht Prozent bezeichnen die Handhabung des Fahrkartenautomaten als „gut“ und etwa 15 Prozent als „befriedigend“ und „ausreichend“. 11,5 Prozent bewerten die Barrierefreiheit des Automaten als „mangelhaft“ und „ungenügend“. Nach konkreten Gründen, die die Handhabung des Fahrkartenautomaten erschweren, wurde in unserem Fragebogen nicht gefragt. Es liegt jedoch die Vermutung nahe, dass auch der Fahrkartenautomat für Rollstuhlfahrende insgesamt zu hoch ist und die Tasten sowohl für sie als auch beispielsweise für Sehbehinderte nicht auf Augenhöhe angebracht sind.

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6.3 Einstieg in den Bus a. Aufmerksamkeit der_s Busfahrers_in erwecken

Wie machen Sie bei der Einfahrt des Busses in die Haltestelle den_die Busfahrer_in überwiegend auf sich aufmerksam? (Mehrfachnennungen möglich) 100% 90% 80% 70%

62,5%

60% 41,7%

50% 40% 30%

20,8% 16,7%

20%

16,7%

10% 0% Handzeichen

Druckknopf

Busfahrer_in Fahrgäste sieht mich von machen auf mich selbst aufmerksam

Sonstiges

Abbildung 18: Auswertung 6: Einfahrt des Busses, Aufmerksamkeit

Die überwiegende Anzahl der Befragten (62,5 Prozent) macht den_die Busfahrer_in vor einem beabsichtigten Einstieg in den Bus durch ein Handzeichen auf sich aufmerksam. Fast 42 Prozent geben an, dass die_der Busfahrer_in sie von selbst sieht. In über 20 Prozent der Fälle nutzen die Betroffenen den Druckknopf an der Außenseite des Busses, welcher an der hinteren bzw. mittleren Tür angebracht ist. Dieser Knopf befindet sich neben der Tür etwas unterhalb desjenigen, der zum Öffnen der Bustüren vorgesehen ist.

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Abbildung 19: Druckknopf für Personen im Rollstuhl an der Außenseite des Busses (© K. Karl 2014)

Fast 17 Prozent geben an, dass andere Mitfahrende den_die Busfahrer_in auf die beeinträchtigte Person aufmerksam machen. Weitere 16,7 Prozent der Befragten nutzten bei der Beantwortung dieser Frage das offene Feld „Sonstiges“. Hier wurde angegeben, dass die Assistenz bzw. Begleitung der befragten Person den_die Busfahrer_in verständigt bzw. die befragte Person durch Blickkontakt mit dem_der Busfahrer_in auf sich aufmerksam macht. Normalerweise befindet sich am mittleren oder hinteren Eingang des Busses eine ausklappbare Rampe, die zum Einsatz kommt, wenn eine Person mit Rollstuhl in den Bus einsteigen möchte (vgl. hu 2013). Bei der Frage, ob die Rampe beim Einstieg in den Bus bzw. Ausstieg aus dem Bus genutzt wird, antworteten 87,5 Prozent der Befragten mit Ja und 12,5 Prozent mit Nein. Demzufolge nutzen fast alle von uns befragten Personen die Rampe als Hilfsmittel beim Einstieg, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass es sich bei den von uns Befragten fast ausschließlich um Rollstuhlfahrende handelt.

50

b. Nutzen und Verfügbarkeit der Rampe

Wie beurteilen Sie den Nutzen der Rampe? 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30%

33,3%

33,3%

28,6%

20% 4,8%

10%

0,0%

0,0%

0% 1 = Sehr gut

2 = Gut

3= Befriedigend

4= 5 = Mangelhaft 6= Ausreichend Ungenügend

Abbildung 20: Auswertung 7: Nutzen der Rampe

Der Nutzen der Rampe wird von den Befragten fast ausschließlich positiv bewertet. Etwa jeweils ein Drittel beurteilt den Nutzen der Rampe als „sehr gut“ (28,6 Prozent), „gut“ (33,3 Prozent) und „befriedigend“ (33,3 Prozent). Lediglich 4,8 Prozent der Befragten bewerten die Rampe als „mangelhaft“. Neben der Beurteilung der Rampe mit Schulnoten baten wir die Befragten auch, Verbesserungsvorschläge bezüglich der Rampe zu äußern. Zwei Drittel der von uns befragten Personen sehen hierbei Verbesserungsbedarf. Genannt wurde hauptsächlich, dass eine manuell zu bedienende Rampe der elektrischen vorzuziehen sei, da die elektrische Einstiegshilfe nicht immer funktioniere. Es wurde beschrieben, dass eine solche Rampe im Bus zwar vorhanden war, jedoch nicht bzw. nur eingeschränkt genutzt werden konnte, da sie nicht betriebsbereit war. Genannt wurde hier beispielsweise: „Die automatisch ausfahrenden Rampen funktionieren nur in ca. 20% der Busse wirklich zuverlässig; ein Teil fährt gar nicht erst aus, wieder andere fahren nur zur Hälfte aus und dann wieder ein usw.“. Dieses Problem wurde von den Regensburger Verkehrsbetrieben offensichtlich bereits erkannt, denn in Zukunft sollen auf-

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grund der Fehleranfälligkeit elektrischer Rampen alle Busse mit manuell ausklappbaren Rampen ausgestattet werden (vgl. hu 2013). Doch auch diese Lösung ist mit Problemen verbunden: Von den von uns befragten Personen wurde hierzu erwähnt, dass auch die manuell zu bedienende Rampe im Winter häufiger ausfalle. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Rampen bei starker Kälte anfrieren und nicht mehr ausgeklappt werden können. Des Weiteren wurde angemerkt, dass ein rutschhemmender Belag der Rampe wünschenswert sei und der Höcker am oberen Ende der Rampe geglättet werden sollte. Eine andere befragte Person gab an, dass die Nutzung der Rampe in Abhängigkeit zur Höhe des Bordsteins mit dem Absenken des Busses verbunden werden sollte: „Ich glaube, manche [Busfahrer_innen, Anm. d. V.] bedienen ausschließlich die Rampe und vergessen das Absenken des Buses. Dann wird es zu steil.“ Wie beurteilen Sie die Verfügbarkeit der Rampe? 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

37,5% 20,8%

20,5%

8,3% 1 = Sehr gut

8,3% 2 = Gut

3= 4= Befriedigend Ausreichend

5= Mangelhaft

0,0% 6= Ungenügend

Abbildung 21: Auswertung 8: Verfügbarkeit der Rampe

Wir baten die Teilnehmende unserer Befragung, die Verfügbarkeit der Rampe insgesamt zu beurteilen. Zur Erläuterung haben wir die Fragen gestellt: „Ist die Rampe z. B. in jedem Bus, mit dem Sie fahren, vorhanden? Ist die Rampe z. B. immer betriebsbereit?“ Etwa 30 Prozent bewerteten die Verfügbarkeit der Rampe als „gut“ bis „sehr gut“; weitere knappe 30 Prozent gaben die Noten „ausreichend“ und „mangelhaft“. Am häufigsten wurde die Verfügbarkeit der Rampe als „befriedigend“ angegeben; die Note „ungenügend“ vergab niemand.

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Aufgrund der unter oben beschriebenen Verbesserungsvorschläge der Befragten ist zu vermuten, dass die Betriebsbereitschaft der elektrischen Rampen das ganze Jahr über sowie die Einsetzbarkeit der manuellen Rampen im Winter zu wünschen übrig lassen. In Buslinien, die Ziele außerhalb des Stadtgebietes anfahren, sind häufig noch keine Rampen eingebaut. Man kann lediglich über Treppenstufen in den Bus gelangen. Insgesamt spiegelt die dargestellte Abbildung eine Unzufriedenheit der Betroffenen bezüglich der Verfügbarkeit der Rampen in den Bussen wieder, was darauf schließen lässt, dass einiger Nachrüstungs- bzw. Verbesserungsbedarf vorhanden ist.

c. Hilfe beim Einstieg in den Bus

Wer unterstützt Sie überwiegend beim Einstieg in den Bus? 100% 90% 80% 70% 60% 50% 34,8%

40% 30%

26,1% 21,7%

20%

13,0%

10%

4,3%

0% Begleiter_in

Assistent_in

Busfahrer_in

niemand

keine Angabe

Abbildung 22: Auswertung 9: Unterstützung beim Einstieg in den Bus

Teilweise sind die Rampen, gerade wenn der Bus keinen Bordstein anfahren kann und der Einstieg ebenerdig ist, im ausgeklappten Zustand so steil, dass die_der Rollstuhlfahrer_in nur mit Anlauf alleine in den Bus gelangen kann. Da dies aus Platzproblemen häufig nicht nötig ist, brauchen die Betroffenen Hilfe

53

von anderen Personen, um in den Bus einsteigen zu können (vgl. Bader 2014). Wir wollten daher von den Befragten wissen, wer sie beim Einstieg in den Bus überwiegend unterstützt. Der größte Anteil der von uns befragten Personen (34,8 Prozent) gibt an, durch eine Assistenz unterstützt zu werden. Hierbei handelt es nicht um eine_n Freund_in oder eine_n Bekannte_n, sondern um eine_n professionelle_n Assistent_in, die_der der_dem Betroffenen aufgrund seiner Einschränkung als Unterstützung zur Verfügung steht. Körper- bzw. mehrfach behinderte Personen können bei ihrer Alltagsgestaltung bzw. beruflichen Tätigkeit oder im Studium auf professionelle Hilfe angewiesen sein. Diese Hilfe steht dann auch auf dem Hin- und Rückweg zu der jeweiligen Aktivität zur Verfügung, was vermutlich der Grund dafür ist, dass überwiegend eine Assistenz beim Einstieg in den Bus unterstützt. Sind von Behinderung betroffenen Personen mit einem Freund bzw. einer Freundin im ÖPNV unterwegs, erscheint es naheliegend, dass diese_r beim Einsteigen hilft. Weitere 26,1 Prozent der Befragten erhalten demnach von einer Freundin bzw. einem Freund Hilfe beim Einstieg und 21,7 Prozent werden von der_dem Busfahrer_in beim Einsteigen in den Bus unterstützt. 13 Prozent der von uns befragten Personen erhalten keine Unterstützung und 4,3 Prozent wollten keine Angaben machen.

d. Verhalten der Fahrgäst_innen und Busfahrer_innen

Wir baten die Teilnehmer_innen der Befragung zum einen das Verhalten der Busfahrenden und zum anderen das Verhalten anderer Fahrgäst_innen beim Einstieg in den Bus anhand verschiedener Kriterien zu beurteilen. Zu diesen Kriterien zählen •

die Aufmerksamkeit für Fahrgäst_innen mit Einschränkungen (Nehmen

Busfahrer_innen

und

Fahrgäst_innen

Menschen

mit

Einschränkungen wahr und sind aufmerksam für deren besondere Bedürfnisse?), •

die Freundlichkeit gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen (Begegnen Busfahrer_innen und Fahrgäst_innen den Menschen mit Einschränkungen freundlich und wertschätzend?),

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die Hilfsbereitschaft gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen (Sind Busfahrer_innen und Fahrgäst_innen bereit, Menschen mit Einschränkungen zu unterstützen und bieten hierfür ihre Hilfe an?) und



die Rücksichtnahme gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen (Gehen Busfahrer_innen und Fahrgäst_innen rücksichtsvoll mit Menschen mit Einschränkungen um und reagieren sensibel auf ihre Wünsche und Bedürfnisse?).

Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir mithilfe der quantitativen Methode lediglich pauschalisierte Aussagen zu den einzelnen Kriterien treffen können und der individuelle Einzelfall unberücksichtigt bleibt. Dennoch möchten wir uns zumindest einen Gesamteindruck darüber verschaffen, wie zufrieden Menschen mit Behinderung mit dem Verhalten der Teilnehmer_innen des ÖPNV sind und wie sie das Verhalten der Beteiligten wahrnehmen. Zunächst stellen wir hierzu die Bewertung des Verhaltens der Busfahrer_innen dar. Diese nehmen in regelmäßigen Abständen an Schulungen teil, die sie für die besonderen Bedürfnisse von Rollstuhlfahrer_innen vorbereiten sollen (vgl. Bader 2014): Dort lernen die Busfahrer_innen beispielsweise, wie sie die im Rollstuhl sitzenden Fahrgäst_innen am besten in den Bus schieben und sie beim Ausstieg aus dem Bus unterstützen können. Dabei haben sie auch Gelegenheit, selbst einmal die Situation aus der Rollstuhlfahrer_innenperspektive zu erleben und nehmen hierzu selbst im Rollstuhl Platz (vgl. ebd.).

Die Ergebnisse der Frage, wie Menschen mit Behinderung das Verhalten der Busfahrer_innen beim Einstieg in den Bus bewerten, dienen uns zur Verifizierung bzw. Falsifizierung der zweiten These. (2) Die Befragten sind mit dem Verhalten der Busfahrer_innen ihnen gegenüber nicht zufrieden.

55

Beurteilen Sie das Verhalten der_des Busfahrerin_Busfahrers beim Einstieg in den Bus anhand folgender Kriterien 100% 90%

4,5%

9,5%

9,1%

9,5%

38,1%

40,9%

42,9%

9,1% 4,5%

80% 70% 60%

40,9%

50% 40% 36,4%

30%

47,6%

42,9%

31,8% 20% 10% 13,6%

9,1%

4,8%

0% Aufmerksamkeit für Fahrgäste mit Einschränkungen

Freundlichkeit gegenüber Fahrgästen mit Einschränkungen

4,8% Hilfsbereitschaft gegenüber Fahrgästen mit Einschränkungen

Rücksichtnahme gegenüber Fahrgästen mit Einschränkungen

1 = sehr gut

2 = gut

3 = befriedigend

4 = ausreichend

5 = mangelhaft

6 = ungenügend

Abbildung 23: Auswertung 10: Verhalten der_des Busfahrerin_Busfahrers beim Einstieg in den Bus

Das Verhalten der Busfahrer_innen wurde je nach angegebenen Kriterien unterschiedlich beurteilt, weshalb die jeweiligen Kriterien hier nacheinander vorgestellt werden. •

Aufmerksamkeit für Fahrgäst_innen mit Einschränkungen Die Aufmerksamkeit der Busfahrer_innen für Fahrgäst_innen mit Einschränkungen wurde mit über 40 Prozent mit „sehr gut“ und „gut“ bewertet. Weitere 40 Prozent der Befragten beurteilten die Aufmerksamkeit der Busfahrer_innen für Fahrgäst_innen mit Einschränkungen als

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„befriedigend“ und fast 20 Prozent gaben an, das Verhalten hierbei sei „ausreichend“, „mangelhaft“ und „ungenügend“. Insgesamt lässt sich demnach festhalten, dass etwa 60 Prozent der von uns befragten Personen mit Einschränkungen nur mittlere bis schlechte Noten vergeben, fragt man sie danach, für wie aufmerksam sie die Busfahrer_innen ihnen gegenüber halten. •

Freundlichkeit gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen Die Beurteilung der Freundlichkeit der Busfahrer_innen gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen hingegen fällt etwas besser aus. Über 50 Prozent der Befragten vergeben die Noten „sehr gut“ und „gut“. 38,1 Prozent bewerten die Freundlichkeit der Busfahrer_innen als „befriedigend“ und 9,5 Prozent bezeichnen diese als „mangelhaft“.



Hilfsbereitschaft gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen Die Hilfsbereitschaft der Busfahrer_innen bewerten 13,6 Prozent der Befragten als „sehr gut“. 36,4 Prozent vergeben die Note „gut“ und genau die Hälfte der von uns befragten Personen gibt bei diesem Kriterium die Note „befriedigend“ und „mangelhaft“.



Rücksichtnahme gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen Auch die Rücksichtnahme gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen bewertet über die Hälfte der Befragten als „befriedigend“ und „mangelhaft“. 47,7 Prozent vergeben die Noten „gut“ und „sehr gut“.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich die Beurteilung der Aufmerksamkeit, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme der Busfahrer_innen gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen im mittleren Notenbereich bewegt. Die Ausreißer nach oben und unten auf der Notenskala könnten ein Hinweis darauf sein, dass es im Verhalten der einzelnen Busfahrer_innen starke Abweichungen gibt. Wie wir bereits im Selbstversuch und der nichtteilnehmenden Beobachtung wahrnehmen konnten, variiert das Verhalten der Busfahrer_innen stark. Während alle Busfahrer, mit denen unser Proband im Laufe seines Selbstversuches in Kontakt getreten ist, ihre Hilfe angeboten und ihn sowohl beim Ein- als auch beim Ausstieg unaufgefordert unterstützt haben,

57

war jedoch die Aufmerksamkeit für die besonderen Bedürfnisse eines Rollstuhlfahrenden

sowie

die

Rücksichtnahme

ihm

gegenüber

stets

unterschiedlich. So wurde unser Proband einmal aus dem Bus knapp an eine Glasscheibe geschoben; ein anderes Mal fragte der Busfahrer nach der gewünschten Richtung, in die unser Proband abgestellt werden wollte. Die zweite These: Die Befragten sind mit dem Verhalten der Busfahrer_innen ihnen gegenüber nicht zufrieden kann mittels der Angaben, die bei der Frage „Beurteilen Sie das Verhalten des Busfahrers anhand der Kriterien Aufmerksamkeit,

Freundlichkeit,

Hilfsbereitschaft

und

Rücksichtnahme“

gemacht wurden, mit Einschränkungen falsifiziert werden. Wie aus der dargestellten Abbildung ersichtlich ist, wurden fast immer sehr gute, gute und befriedigende Noten vergeben. Es kam jedoch auch vor, dass schlechte Bewertungen wie „mangelhaft“ und „ungenügend vergeben wurden. Allein die häufig vergebene Note „befriedigend“ deutet darauf hin, dass in Sachen Aufmerksamkeit, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme der

Busfahrer_innen

gegenüber

Menschen

mit

Behinderung

noch

Verbesserungsbedarf vorhanden ist. Insgesamt zeigen sich betroffene Personen jedoch eher zufrieden mit dem Verhalten der Busfahrer_innen ihnen gegenüber.

58

Beurteilen Sie das Verhalten der Fahrgäst_innen beim Einstieg in den Bus anhand folgender Kriterien 100%

4,5%

9,1%

13,6%

90% 80%

4,5% 9,1%

22,7%

18,2% 31,8%

70%

40,9% 60%

27,3%

50% 54,5% 40% 36,4% 30%

31,8%

31,8%

20% 10%

13,6%

18,2%

18,2%

Freundlichkeit gegenüber Fahrgästen mit Einschränkungen

Hilfsbereitschaft gegenüber Fahrgästen mit Einschränkungen

13,6%

0% Aufmerksamkeit für Fahrgäste mit Einschränkungen 1 = sehr gut

2 = gut

3 = befriedigend

4 = ausreichend

Rücksichtnahme gegenüber Fahrgästen mit Einschränkungen 5 = mangelhaft

Abbildung 24: Auswertung 11: Verhalten der Fahrgäst_innen beim Einstieg in den Bus

Anhand der folgenden Abbildung kann die dritte These (3) Die Befragten sind mit dem Verhalten der Fahrgäst_innen ihnen gegenüber zufrieden verifiziert oder falsifiziert werden. Zunächst erfolgt jedoch eine Übersicht der Daten.

Die von uns befragten Personen wurden gebeten, das Verhalten der Fahrgäst_innen ihnen gegenüber zu bewerten. Beurteilungskriterien waren, wie bereits genannt, die Aufmerksamkeit, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen. Die Beurtei-

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lung des Verhaltens der Fahrgäst_innen fällt insgesamt gemischter aus als die Bewertung des Busfahrer_innenverhaltens. •

Aufmerksamkeit für Fahrgäst_innen mit Einschränkungen Die Aufmerksamkeit der Fahrgäst_innen für Menschen mit Behinderung bewerten 45,4 Prozent der Befragten als „sehr gut“ und „gut“. 27,3 Prozent geben an, das Verhalten der Fahrgäst_innen sei „befriedigend“, knappe 18 Prozent bezeichnen es als „ausreichend“ und 9,1 Prozent bewerten das Verhalten der Fahrgäst_innen als „mangelhaft“.



Freundlichkeit gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen Die Freundlichkeit der Fahrgäst_innen gegenüber Menschen mit Behinderung wird etwas besser bewertet als das vorhergehende Beurteilungskriterium: Über 50 Prozent der Befragten sind der Meinung, die Freundlichkeit der Fahrgäst_innen verdiene die Noten „sehr gut“ und „gut“. Die restlichen 45,4 Prozent geben an, das Verhalten der Fahrgäst_innen Menschen mit Behinderung gegenüber wäre „befriedigend“ und „ausreichend“.



Hilfsbereitschaft gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen Am besten fällt die Beurteilung der Hilfsbereitschaft der Fahrgäst_innen gegenüber Menschen mit Behinderung aus. Fast Dreiviertel der von uns befragten Personen bewerten die Hilfsbereitschaft der Fahrgäst_innen ihnen gegenüber mit den Noten „sehr gut“ und „gut“. 22,7 Prozent benoten das Verhalten der Fahrgäst_innen in diesem Beurteilungskriterium mit „befriedigend“; lediglich 4,5 Prozent der Befragten sind der Meinung, das Verhalten der Fahrgäst_innen im Hinblick auf die Hilfsbereitschaft gegenüber Menschen mit Behinderung sei „ausreichend“.



Rücksichtnahme gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen Die Bewertung der Rücksichtnahme der Fahrgäst_innen gegenüber Menschen mit Behinderung hingegen fällt deutlich schlechter aus als die beiden vorangegangenen Kriterien. 45,4 Prozent der befragten Personen beurteilen die Rücksichtnahme als „sehr gut“ und „gut“. Genau die Hälfte der Befragten bewertet das Verhalten der Fahrgäst_innen im Hinblick auf

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die Rücksichtnahme als „befriedigend“ und „ausreichend“. 4,5 Prozent geben

an,

die

Rücksichtnahme

der

Fahrgäst_innen

gegenüber

Menschen mit Behinderung verdiene die Note „mangelhaft“. Sieht man sich die „sehr gut-“, „gut-“ und „befriedigend-“Bewertungen in der oberen Abbildung an, scheinen die meisten von uns befragten Personen mit dem Verhalten der Fahrgäst_innen ihnen gegenüber zufrieden zu sein.

Aus diesem Grund kann die These Die Befragten sind mit dem Verhalten der Fahrgäst_innen ihnen gegenüber zufrieden verifiziert werden. Auch hier ist allerdings anzumerken, dass

offensichtlich

noch

Verbesserungsbedarf

hinsichtlich des Verhaltens der Fahrgäst_innen gegenüber Menschen mit Behinderung besteht.

e. Schwierigkeiten In einer weiteren Frage wurden die von uns befragten Personen gebeten, die äußeren Rahmenbedingungen, die ihnen den Einstieg in den Bus gegebenenfalls erschweren, zu beschreiben. Es handelte sich hierbei um die Möglichkeit einer offenen Eingabe, sodass die Befragten die Schwierigkeiten beim Einstieg in eigenen Worten beschreiben konnten. Über die Hälfte der von uns befragten Personen gab an, dass es äußere Rahmenbedingungen gebe, die ihnen den Einstieg in den Bus Probleme bereiten würden. Nur 16,7 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen die äußeren Rahmenbedingungen beim Einstieg in den Bus keine Schwierigkeiten bereiten würden. Zu den äußeren Rahmenbedingungen, die den Einstieg in den Bus erschweren, wurde beispielsweise sehr häufig angegeben, dass der Abstand zwischen dem Bus und dem Bordstein bzw. allgemeine Platzverhältnisse beim Einstieg zum Problem werden können: „An manchen Haltestellen kann die Rampe nicht

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ausgefahren werden, wegen Platzmangel, oder wenn die Rampe defekt ist und der Abstand zwischen Bus und Bordstein zu groß ist.“. Auch hier wird – ähnlich wie das bereits bei der Frage zur Beurteilung des Nutzens der Rampe geschehen ist – erneut auf die (teilweise eingeschränkte) Betriebsbereitschaft der Rampe hingewiesen. „Die Bushaltestellen sind sehr oft so vollgeparkt, dass der Bus nicht nah genug an den Bordstein kann!“. Nicht nur der Abstand zwischen dem Bus und der Bordsteinkante können Menschen mit Behinderung den Einstieg in den Bus erschweren, auch die unterschiedlichen Höhen des Busses und des Bordsteins können zum Problem werden, z. B. wenn „die Rampe, wg. Höhe der Bordsteinkante, schlecht auf [liegt, Anm. d. Verf.], was das Befahren mit E-Rolli erschwert“. Ist der Einstieg in den Bus wesentlich höher als die Bordsteinkante, wird die Rampe sehr steil und das Befahren mit dem Rollstuhl dadurch erschwert. Dieses Problem wird noch verstärkt, wenn überhaupt keine Bordsteinkanten an den Haltestellen sind. Dann muss die Rampe bis zum Straßenniveau heruntergeklappt werden und wird noch steiler.

Aufgrund der eben genannten Ausführungen kann die vierte These (4) Der Einstieg in den Bus bereitet keine Probleme falsifiziert werden. Für bestimmte Teilgruppen der Befragung mag diese Behauptung zwar zutreffend sein, doch

da

über die Hälfte

der von

uns

befragten

Personen

angibt,

Schwierigkeiten beim Einstieg in den Bus zu haben, ist die These eher zu verneinen als zu bejahen.

62

Abbildung 25: Steile Rampen erschweren den Einstieg in den Bus (©A. Petersohn, bearb. K. Karl; vgl. Petersohn 2013)

Dieses Problem kann zum Teil mithilfe des Absenkmechanismus des Busses, das Kneeling genannt wird, behoben werden. „Mit Kneeling-System wird eine Absenkvorrichtung bezeichnet, durch die der Aufbau eines Fahrzeugs gegenüber der normalen Fahrtposition ein- oder beidseitig abgesenkt oder angehoben werden kann.“ (Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. o. J.). Das Kneeling ermöglicht durch das Absenken des Busses einerseits einen erleichterten Einstieg für alle Fahrgäst_innen und andererseits das Abflachen der Rampe für Rollstuhlfahrende. Kann der Bus direkt an einen vorhandenen Bordstein gefahren werden, ist das Kneeling gegebenenfalls überhaupt nicht möglich, wie Abbildung 26 zeigt. Doch beim Einstieg vom Straßenniveau kann die Absenkfunktion eine wesentliche Erleichterung für die Menschen mit Behinderung darstellen.

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Abbildung 26: Flache Rampen erleichtern den Einstieg in den Bus (© Stadt Offenbach, bearb. K. Karl, vgl. Stadtverwaltung Offenbach 2012)

Eine andere befragte Person gibt an: Der „Bus fährt teilweise mit dem Einstieg zu nah an ein Hindernis“. In solchen Fällen ist es vermutlich nicht möglich, die Rampe vollständig auszuklappen. Des Weiteren könnten diese beengten Platzverhältnisse die Wendemöglichkeiten des Rollstuhls beeinträchtigen. Die Betriebsbereitschaft und Verfügbarkeit der Rampe, welche den Fahrgäst_innen mit Behinderungen den Einstieg in den Bus erleichtern soll, ist ein häufig angesprochenes Thema: „Der 14er Bus, mit dem ich von der Entfernung zu meinem Haus aus besser fahren könnte, hat nur selten und vor allem unregelmäßig eine Rampe.“

Abschließend zu Themenblock 3 „Einstieg in den Bus“ baten wir die Befragten uns darüber Auskunft zu erteilen, ob sie schon einmal von einem Bus nicht mitgenommen wurden, z. B. weil der Bus zu voll war oder weil die_der Busfahrer_in sie übersehen hatte usw. Hierzu gab fast zwei Drittel der Befragten an,

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dass ihnen dies schon einmal passiert sei. Die meisten der Befragten, die schon einmal die Erfahrung machen mussten, von einem Bus nicht mitgenommen worden zu sein, schrieben dazu im offenen Eingabefeld, dass der Bus zu voll war. Beispielsweise waren zahlreiche Schüler_innen, mehrere Kinderwagen oder andere Rollstuhlfahrer_innen im Bus, sodass nicht mehr genügend Platz vorhanden war, weitere Personen (ggf. mit Rollstuhl) mitzunehmen. Andere Male wurden die betroffenen Personen von der_dem Busfahrer_in übersehen und deswegen nicht mitgenommen. Mehrmals genannt wurde auch die Situation, dass der Bus über keine Rampe verfügte und deswegen der Einstieg in den Bus für die (vermutlich im Rollstuhl sitzende) Person nicht möglich war. Insgesamt müssen betroffene Personen scheinbar aus verschiedenen Gründen die Erfahrung machen, von der_dem Busfahrer_in nicht mitgenommen zu werden. Eine von uns befragte Person schrieb beispielsweise: „Busfahrer[_innen, Anm. d. Verf.] wollte keine zwei Rollstuhlfahrer[_innen, Anm. d. Verf.] mitnehmen, er sagte er darf das nicht“. Auch diese Situationen werden in den Schulungen, die die Busfahrer_innen bei der Vorbereitung auf den Umgang mit Fahrgäst_innen im Rollstuhl durchlaufen, besprochen (vgl. Bader 2014). Auf den Frontscheiben des Busses sind Plaketten angebracht, auf denen man entnehmen kann, wie viele Personen im Bus befördert werden dürfen und auch, wie viele sichere Plätze für Rollstuhlfahrer_innen im Bus vorhanden sind. „In einem Bus mit nur einem solchen Platz muss der Fahrer also auch nicht mehr als einen Fahrgast im Rollstuhl mitnehmen.“ (ebd.). Des Weiteren antwortete eine befragte Person auf die Frage, ob sie schon einmal von einem Bus nicht mitgenommen worden ist: „Zum Teil, weil der Bus zu voll war; zum Teil, weil der Busfahrer mich übersehen hat; zum Teil, weil der Busfahrer [bzw. die Busfahrer_in, Anm. der Verf.] mich nicht mitnehmen wollte, weil er [bzw. _sie, Anm. der Verf.] keine Rampe im Bus hatte; zum Teil, weil besonders auf den Linien in den Landkreis hohe Reisebusse fahren, in die man mit dem Rollstuhl nicht einsteigen kann“. Die Verfügbarkeit und Betriebsbereitschaft der Rampe wird auch bei der Beantwortung dieser Frage von den Befragten häufig erwähnt. Dies liegt vermutlich daran, dass gerade für Rollstuhlfahrende die Rampe ein essentieller Bestandteil ist, um überhaupt erst in den Bus einsteigen zu können und den ÖPNV zu nutzen.

65

6.4 Fahrt Das vierte Kapitel widmet sich der Situation für Menschen mit Beeinträchtigungen während der Fahrt im öffentlichen Nahverkehr. Um die weitergehenden Auswertungen des Berichts besser nachvollziehen zu können, informiert das vierte Kapitel einleitend zur barrierefreien Ausstattung innerhalb der Linienbusse. Im Detail wird hierzu der ausgewiesene Platz für Rollstuhlfahrer_innen im Mittelteil des Busses näher betrachtet (siehe Abbildung 27). Gleichzeitig wird die fünfte These (5) Die Busfahrt bereitet den Befragten Probleme auf ihre Richtigkeit hin überprüft.

a. Barrierefreie Ausstattung der Linienbusse Der in Abbildung 27 beispielhaft dargestellte Platz steht Rollstuhlfahrenden zu. Menschen ohne Beeinträchtigungen oder mit anderen Hilfen sollten diesen freigeben (vgl. Bader 2014)

8

. Die entsprechende Stellfläche ist durch

Hinweisschilder in manchen Bussen des RVV als Nutzungsfläche für Rollstuhlfahrer_innen gekennzeichnet (siehe Abbildung 28).

8

Ein Beispiel für andere Hilfen wären Rollatoren. Personen mit diesem Hilfsmittel sollten sich hinsetzten und den Rollator sicher in ihrer Nähe verstauen (vgl. Bader 2014).

66

Abbildung 27: Stellfläche für Rollstuhlfahrer_innen im Linienbus (©DSW21, vgl. DSW21 2014)

Abbildung 28: Kennzeichnung der ausgewiesenen Stellfläche für Rollstuhlfahrende (© Ségas 2014)

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Zudem verfügt die beschriebene Stellfläche in den meisten Fällen über einen speziellen Halteknopf, welcher von der Höhe bequem für Rollstuhlfahrende zu erreichen ist (siehe Abbildung 10). Neben der Nutzung durch Rollstuhlfahrer_innen ist die Stellfläche in vielen RVV-Bussen gleichzeitig für das Abstellen von Kinderwagen gedacht. Eine entsprechende Beschilderung dokumentiert Abbildung 29.

Abbildung 29: Gleichzeitige Nutzung der ausgewiesenen Stellfläche durch Rollstuhlfahrende und Kinderwägen (© Ségas 2014)

b. Platzverhältnisse im Bus Nach einer allgemeinen Einführung widmet sich die Abhandlung an dieser Stelle wieder den Ergebnissen der vorliegenden Befragung. Die einleitende Frage zur ausgewiesenen Stellfläche im Linienbus lautet: „Ist der Platz im Bus für Menschen mit Beeinträchtigungen ausreichend bemessen?“. 50 Prozent der Befragten schätzen demnach die Stellfläche als zu gering bemessen ein. Rund 41 Prozent der Teilnehmer_innen sind mit der Größe des für sie bestimmten

68

Raumes zufrieden, die verbleibenden Nennungen enthalten sich einer Angabe. Damit zeigt sich ein annähernd ausgeglichenes Meinungsbild. Tendenziell wird der Platz im Bus für Menschen mit Beeinträchtigungen allerdings als unzureichend bewertet. Eine erste Begründung für diese Einschätzung lässt sich aus der gemeinsamen Nutzung des Platzes für Kinderwagen und Rollstuhl sowie einer Nennung aus Frage 6.9: „Viele Busfahrer nehmen nur einen Rollstuhl mit. Stehen Kinderwägen am Rollstuhlplatz müssen Rollstuhlfahrer draußen bleiben, bzw. werden nicht mitgenommen(…)“ herleiten. Auch zu Frage:“ Wurden Sie schon einmal von einem Bus nicht mitgenommen?“ finden sich vier weitere Nennungen gleichen Inhalts. In der Tat scheint die in Abbildung 29 doppelte Beschilderung für Rollstuhlfahrende und das Abstellen von Kinderwägen eine Begründung für den (subjektiv empfundenen) Platzmangel für Rollstuhlfahrende im Linienbus zu sein. Weitere Erläuterungen zu dieser Thematik finden sich in Abbildung 30.

Ist der Platz für Menschen mit Beeinträchtigungen im Bus immer frei? 3%

40,0% 56,7%

ja

nein

keine Angabe

Abbildung 30: Auswertung 12: freier Platz für Menschen mit Beeinträchtigungen

69

Im Anschluss gaben die Teilnehmer_innen der Befragung darüber Auskunft, ob sie den ausgewiesenen Platz für Menschen mit Behinderung immer frei, sprich unverstellt von anderen Fahrgäst_innen, Gepäckstücken etc. vorfinden. Mit 56,7 Prozent entscheidet sich hierbei die Mehrheit der Antwortgeber_innen dafür, keine Angabe machen zu wollen. 40 Prozent sprechen sich dafür aus, dass der beschriebene Platz nicht ständig frei anzutreffen ist. Nur rund drei Prozent der RVV-Nutzer_innen sind der Meinung, jederzeit einen für sie reservierten freien Platz anzutreffen. Bei der Interpretation der vorliegenden Abbildung 30 überrascht der hohe Wert des grünunterlegten Feldes „keine Angabe“. Insbesondere, da sich die Teilnehmer_innen bezüglich ihrer Antworten bei allen anderen Fragen immer klar pro oder contra eines Sachverhaltes entscheiden. Die Tatsache, dass sich der Großteil der Befragten stattdessen dafür entschieden hat, keine Angabe machen zu wollen, lässt sich nur spekulativ beantworten. Es beispielsweise möglich, dass die Frage nicht als relevant erachtet wurde, da der besetzte Platz freigegeben wird, sobald sich die_der Rollstuhlfahrer_in bemerkbar macht. Weiterhin ist möglich, dass die Frage aufgrund ihrer absoluten Formulierung mit dem Zusatz „immer“, die Befragungsteilnehmer_innen nicht ausreichend anspricht. Besser wäre in diesem Fall wahrscheinlich die weniger drastische Formulierung „in den meisten Fällen frei“ gewesen. Eine Erkenntnis, die zur Erstellung künftiger Fragebögen genutzt werden kann. Wenn der Platz im Bus nicht frei ist, wodurch ist er verstellt? (Mehrfachnennungen möglich) 100% 90% 80% 70% 60% 50% 84,6%

40% 30%

69,2% 53,8%

20% 10%

15,4%

% andere Fahrgäste ohne andere Fahrgäste mit Beeinträchtigungen Beeinträchtigungen

Kinderwägen

Sonstiges

Abbildung 31: Auswertung 13: Grund für Besetztheit des Platzes

70

Abbildung 31 stellt mögliche Personen oder Gegenstände dar, welche den für Menschen mit Beeinträchtigungen bestimmten Platz verstellen. Die sinngemäße Frage „Wenn der Platz nicht frei ist, wodurch ist er dann verstellt?“, wurde wie folgt beantwortet: Rund 85 Prozent nennen Kinderwägen als häufigstes Hindernis für einen freien Platz. Der auffallend hohe Prozentsatz in der Rubrik „Kinderwägen“ stützt die Behauptung der zu Abbildung 20 beschriebenen „Konkurrenz“ um die doppelbeschilderten Stellfläche. Über zwei Drittel der Teilnehmer_innen

(69

Prozent)

nannten

andere

Fahrgäst_innen

ohne

Beeinträchtigungen, welche die Stellfläche blockieren. Über die Hälfte der Antwortgeber_innen (54 Prozent) gaben an, der ausgewiesene Platz sei am ehesten durch andere Mitfahrende mit Beeinträchtigungen besetzt. Die Vermutung liegt nahe, dass hierunter weitere Rollstuhlfahrende sowie Personen mit Gehhilfe

(z.

B.

ein

Rollator)

zu

verstehen

sind.

15,4

Prozent

der

Befragungsteilnehmer_innen finden den Platz durch sonstige Gegenstände, beispielsweise Gepäckstücke verstellt vor. Sollte der Platz für Menschen mit Beeinträchtigungen besetzt sein, so äußert die Mehrheit der Befragungsteilnehmer_innen persönlich die Bitte, diesen zu räumen (69,2 Prozent). Rund 23 Prozent der befragten Personen überlassen diese Aufgabe ihrer Begleitung oder Assistenz. Die restlichen Rollstuhlfahrenden (7,7 Prozent) verzichten darauf, die Räumung des Platzes einzufordern. Der letztgenannte Wert legt die Vermutung nahe, dass dem Platzanspruch für Rollstuhlfahrer_innen in einigen Fällen auch ohne vorherige verbale Aufforderung entsprochen wird.

71

c. Bevorzugte Fahrtrichtung

Falls Sie den Platz für Menschen mit Beeinträchtigungen nutzen, welche Fahrtrichtung bevorzugen Sie?

9% 27,3%

18,2%

45,5% in Fahrtrichtung

gegen Fahrtrichtung

ist mir egal

keine Angabe

Abbildung 32: Auswertung 14: Bevorzugung der Fahrtrichtung

Öffentliche

Ratgeber

empfehlen

Rollstuhlfahrer_innen,

sich

aus

Sicherheitsgründen im Bus rückwärts zur Fahrtrichtung zu positionieren 9 (siehe Abbildung 27) (vgl. DSW21 2014, S. 3). Betrachtet man die Auswertung von Abbildung 32, so scheint ein Großteil der Befragungsteilnehmer_innen (45,5 Prozent) mit dieser Empfehlung einverstanden zu sein. 27,3 Prozent dagegen bevorzugen, im Bus in Fahrtrichtung zu sitzen. Die Präferenz der Positionierung in Fahrtrichtung variiert vermutlich in Abhängigkeit von der jeweiligen körperlichen Einschränkung. Ein Befragter erläutert hierzu: „(Ein) Rollstuhl quer zur Fahrtrichtung ist für mich am angenehmsten und mit Sicherheit nicht unsicherer als die anderen beiden Varianten. Die Entscheidung über Standrichtung des Rollstuhls muss dem Rollstuhlfahrer [_der Rollstuhlfahrer_in, Anm. d. Verf.] überlassen werden, da abhängig von der individuellen Einschränkung“. Weitere Auswertungen ergaben einen Anteil von 18,2 Prozent der Rollstuhlfahrer_innen, die keine bestimmte Fahrtrichtung bevorzugt. Die übrigen 9,1 Prozent wollten sich in diesem Fall gar nicht äußern.

9

Dabei sollte zeitgleich die Feststellbremse betätigt werden (vgl. Dortmunder Stadtwerke 2014, S. 3)

72

Zum Abschluss soll ein Bezug zur fünften These hergestellt werden. Diese behauptet, dass (5) die Busfahrt den Befragten Probleme bereiten würde.

Bei der Auswertung der Grafiken fiel uns auf, dass die genannte These angesichts der verfügbaren Ergebnisse nur teilweise zu beantworten ist. Wie das vierte Kapitel zeigt, gestaltet sich die Busfahrt für Rollstuhlfahrende oft deshalb schwierig, da ihr ausgewiesener Platz im Bus anderweitig belegt ist. Diesbezüglich kann die These also verifiziert werden. Allerdings wurden im Fragebogen keine weiteren Kriterien zur Busfahrt, wie beispielsweise

Fahrverhalten

der

Busfahrer_innen

oder

Qualität

der

Sicherheitsgurte im Bus beurteilt. An dieser Stelle kann demnach keine abschließende Wertung der Busfahrt für Menschen mit Behinderung erfolgen. Dies bedeutet für die These, dass diese ebenfalls nur teilweise bejaht werden kann.

73

6. 5 Umstieg Nachdem die vorangegangenen Ausführungen ausführlich die Situation im Bus behandelt haben, fragt das vorliegende Kapitel nach der Umstiegssituation für Personen im Rollstuhl.

a. Häufigkeit

Kommt es vor, dass Sie umsteigen müssen?

5%

22,7%

72,7%

ja

nein

keine Angabe

Abbildung 33: Auswertung 15: Umstiegsvorhaben

Die erste Frage zum Umstieg sollte sondiert einleitend, wie viele der Befragten überhaupt von einem Buswechsel betroffen sind. Es wird deutlich, dass ausschließlich ein relativ geringer Prozentsatz von 22,7 Prozent auf seiner Busstrecke gar nicht umsteigen muss. Dagegen sind 72,2 Prozent der befragten Personen gezwungen, auf ihrer Fahrt den Bus zu wechseln. Dieser hohe Prozentsatz verdeutlicht die Bedeutung des fünften Kapitels für die Befragten. 4,5 Prozent der Teilnehmer_innen wollen in diesem Kontext keine relevanten Angaben machen.

74

b. Wartezeiten und Barrierefreiheit

Wie beruteilen Sie Wartezeiten und Barrierefreiheit beim Umstieg? 100%

5,9%

90%

23,5%

17,6%

80% 70% 23,5% 60% 47,1%

50% 40%

35,3% 30% 20%

23,5%

10%

17,6% 6%

%

Wartezeiten Umsteigen 1 = sehr gut

2 = gut

Barrierefreiheit Umsteigen

3 = befriedigend

4 = ausreichend

keine Angabe

Abbildung 34: Auswertung 16: Wartezeit & Barrierefreiheit Umstieg

Die obenstehende Abbildung vereinigt in ihrer Grafik die Antworten auf Frage 5.2 und 5.3. Im Detail geht sie im linksstehenden Balken auf die Wartezeit beim Aussteigen, und beim rechtsstehenden Balken auf die Barrierefreiheit beim Umsteigen ein. Bezüglich der Wartezeit lässt sich dem linken Balken entnehmen, dass knapp die Hälfte der Menschen mit Behinderung (47,1 Prozent) diese als befriedigend einschätzt. Jeweils 23,5 Prozent unter der Befragten benoten die Zeit zwischen zwei Busfahrten als „gut“ beziehungsweise „ausreichend“. Ein geringer Prozentsatz (5,9 Prozent) hatte an der Wartezeit nichts zu beanstanden und gab ihr die Note „sehr gut“. Würden Fahrgäst_innen ohne Einschränkungen zu Wartezeiten im RVV befragt, ist es durchaus möglich, ein ähnliches Ergebnis wie in Abbildung 34 zu erhalten. Oder mit anderen Worten: Von Buswartezeiten sind alle betroffen, ob mit oder ohne Rollstuhl. Trotzdem muss angemerkt werden, dass die Bedingungen der Wartezeit für Personen im Rollstuhl

vermutlich

schwieriger

zu

gestalten

sind.

Auf

Grund

75

ihrer

eingeschränkten

Mobilität

sind

Rollstuhlfahrer_innen

von

überfüllten

Bushaltestellen, schlechten Wetterbedingungen etc. besonders betroffen. Es folgt die Einschätzung der Teilnehmer_innen in zur Barrierefreiheit beim Umstieg. Ein eher geringer Anteil der Befragungsteilnehmer_innen (17,6 Prozent) bewertet diese als „sehr gut“. 35,3 Prozent der Befragten bescheinigt dem Kriterium der Barrierefreiheit ein insgesamt „gutes“ Ergebnis. Mit insgesamt 41,1 Prozent siedelt der Großteil der Rollstuhlfahrer_innen die Barrierefreiheit beim Busumstieg im „befriedigenden“ bis „ausreichenden“ Bereich an. Die restlichen 5,9 Prozent wollen sich dazu nicht äußern. Es bleibt zu klären, welche Folgerungen für die sechste These (6) Der Umstieg bereitet den Befragten Probleme aus diesen Daten abzuleiten sind. Angesichts des insgesamt durchwachsenen Ergebnisses kann die genannte These an dieser Stelle allerdings weder verifiziert noch falsifiziert werden.

6.6 Ausstieg

Im letzten Kapitel beleuchtet der Forschungsbericht die spezielle Situation des Busausstiegs für Rollstuhlfahrende. Auf Grund der Beobachtungen, welche im Selbstversuch generiert werden konnten (siehe Seite 26ff.), soll dabei die siebte These überprüft werden. Diese lautet: (7) Der Ausstieg aus dem Bus bereitet den Befragten Probleme

76

a. Anzeige im Bus Ist die Anzeige Ihrer Haltestelle im Bus überwiegend für Sie ersichtlich?

13,6%

54,5%

31,8%

ja

nein

keine Angabe

Abbildung 35: Auswertung 17: Ersichtlichkeit der Anzeige

Das erste Kriterium, welches für einen entspannten Ausstieg aus dem Bus gegeben sein muss, ist eine gut sichtbare Anzeige. Diese informiert die Reisenden über die folgende Bushaltestelle. Knapp über die Hälfte der befragten Rollstuhlfahrer_innen (54,5 Prozent) nimmt diese Anzeige als gut sichtbar war. Mit 31,8 Prozent ein ebenfalls nicht unerheblicher Teil spricht sich gegen eine gute Sichtbarkeit der Anzeige aus. 13,6 Prozent der Teilnehmer_innen enthalten sich einer Meinung. Angesichts des nicht unerheblichen Anteils an befragten Personen, welche die Anzeige für nicht gut ersichtlich erachten, werden an dieser Stelle zwei mögliche Erklärungsversuche verfolgt. Einerseits ist die Busanzeige bei hohem Fahrgastaufkommen häufig bereits für Menschen ohne Beeinträchtigung schwer ersichtlich. In diesem Fall wird die Anzeige beispielsweise durch stehende Personen verdeckt. Aus einem Rollstuhl, in einer zwingend sitzenden Position, ist dieser Aspekt noch zusätzlich verstärkt. Andererseits trägt die vorwiegend rückwärtsgewandte Fahrposition von Rollstuhlfahrer_innen zu einer erschwerten Anzeigensichtbarkeit bei. Die Betroffenen sitzen mit dem Rücken zur Anzeige und sind ohne Hilfe von außen nicht in der Lage diese zu lesen.

77

b. Durchsage im Bus

Ist die Durchsage Ihrer Haltestelle im Bus überwiegend für Sie hörbar?

5% 22,7%

72,7%

ja

nein

keine Angabe

Abbildung 36: Auswertung 18: Hörbarkeit der Durchsage

Da Personen im Rollstuhl sich teilweise schwer tun, die Busanzeige zu lesen, sind sie umso mehr auf die gesprochene Haltestellendurchsage angewiesen. Wie die Auswertung der Befragung zu diesem Punkt zeigt, wird das auditive Informationsmedium in der Tat positiver bewertet als das visuelle. Hier sind es rund 73 Prozent der befragten Rollstuhlfahrer_innen, welche die Durchsage als gut hörbar bezeichnen. Ihnen gegenüber stehen rund 23 Prozent, die diese Einschätzung nicht teilen können. Wiederum rund fünf Prozent wollen in diesem Kontext keine Meinung abgeben. Auf den ersten Blick betrachtet, mag dieses Untersuchungsergebnis positiv erscheinen. Ein hoher Prozentsatz der Menschen mit Beeinträchtigung ist dank der gesprochenen Durchsage selbstständig in der Lage, die für sie relevante Ausstiegsbushalte zu erfahren. Auf der anderen Seite stehen allerdings auch 22,7 Prozent, welche die Durchsage nicht verstehen. Die für diese Befragung relevante Einschränkung war, wie bereits mehrfach aufgeführt, eine Gehbehinderung. Diese offenkundig nicht hörgeschädigte Personengruppe weist einen Anteil von rund 23 Prozent auf, der die Busansage nicht gut hören kann. Es stellt sich also für das Forschungsteam die Frage, wie schwierig die Durchsage demnach erst für Menschen mit einer explizierten Hörbeeinträchtigung zu verstehen sein muss. Diese spezielle

78

Personengruppe wäre umso mehr auf eine gut einsehbare visuelle Anzeige angewiesen. Eine Bedingung welche, wie bereits beschrieben, bei hohem Fahrgastaufkommen schwierig zu erfüllen ist. An dieser Stelle bietet sich unserer Meinung nach ein interessantes Feld für Anschlussforschungen an. Die Zielgruppe der Befragung könnten dann beispielsweise Menschen mit einer Hörund/ oder Sehbeeinträchtigung im ÖPNV sein.

c. Aufmerksamkeit der_s Busfahrers_in erwecken Abbildung

37

veranschaulicht

auf

welche

Weise

die

Befragten

ihr

Busausstiegsvorhaben kundtun. Mit 4,5 Prozent entscheidet sich nur ein geringer Anteil der Rollstuhlfahrer_innen eine beliebige Haltewunschtaste zu drücken. Dies leuchtet insofern ein, dass sich die „normalen“ Haltewunschtasten von der Höhe zumeist außerhalb der Reichweite von Rollstuhlfahrenden befinden. Anders verfällt es sich mit dem in Kapitel 4 beschriebenen speziellen Halteknopf für Rollstuhlfahrende. Dieser bietet mit 68,2 Prozent, dem Großteil der Befragten eine unkomplizierte Möglichkeit den eigenen Haltewunsch zu äußern. Allerdings verlässt sich ein nicht unerheblicher Anteil der Befragten nicht (allein) auf die Technik. Im Gegenteil - 54,5 Prozent der Rollstuhlfahrenden

informieren

(auch)

den_die

Busfahrer_in

über

die

gewünschte

Ausstiegshaltestelle. Dies hat vermutlich den Hintergrund, dass die_der Fahrzeugführer_in die Person ist, welche den Betroffenen mit am Häufigsten beim Aussteigen behilflich ist. Ein rechtzeitiges Bescheid geben beim_bei der Busfahrer_in erleichtert einen stressfreien Ausstieg. Dies gilt auch für den_die Fahrzeugführer_in, welche_r rechtzeitig die Rampe ausfahren und ggf. persönlich behilflich sein kann. Weitere 50,5 Prozent der Befragungsteilnehmer_innen verlassen sich bei ihrem Ausstiegsvorhaben auf ihre Begleitung. Auch diese hohe Prozentzahl lässt sich leicht nachvollziehen betrachtet man die Tatsache, dass 46,2 Prozent der Rollstuhlfahrer_innen auf ihrer Busroute ständig begleitet wird. Weitere 23,1 Prozent nutzen den RVV sowohl alleine, als auch in Begleitung (siehe Abbildung 15). Rund 9 Prozent der Befragten wendet sich bezüglich des Haltewunsches an andere Fahrgäst_innen. Hintergrund hierfür könnte sein,

79

dass der spezielle Halteknopf insbesondere bei Bussen des Regensburger Landkreises noch keine Selbstverständlichkeit ist. In diesem Fall sind Menschen mit Beeinträchtigung ohne Assistenz/Begleitung beim Betätigen des Halteknopfes auf fremde Hilfe angewiesen. Weitere 4,5 Prozent der Befragungsteilnehmer_innen geben keine Angabe darüber, wie sie ihren Haltewunsch im Bus äußern.

Abbildung 37: Auswertung 19: Bemerkbarmachung beim Ausstiegshalt

80

d. Hilfe beim Ausstieg aus dem Bus

Wer unterstützt Sie beim Ausstieg aus dem Bus? (Mehrfachnennungen möglich) 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

54,5%

54,5%

36,4%

31,8% 18,2%

Begleiter_in

Assistent_in Busfahrer_in

andere Fahrgäste

niemand

9% keine Angabe

Abbildung 38: Auswertung 20: Unterstützung beim Ausstieg aus dem Bus

Die vorliegende Abbildung 38 gibt Auskunft darüber, wer den Rollstuhlfahrer_innen wie häufig beim Ausstieg aus dem Bus behilflich ist. Mehr als die Hälfte der Betroffenen nennen hier ihre_n Assistent_in, eine_n Begleiter_in und/oder den_die Busfahrer_in. Anders als beim autonomen Betätigen der Haltewunschtaste, ist der Großteil der Betroffenen beim Ausstieg selbst auf Hilfe von außen angewiesen. Das trifft allerdings nicht auf rund 20 Prozent der Befragten zu. Diese geben an, (auch) ohne fremde Hilfe den Bus verlassen zu können. 9,1 Prozent der Befragten enthalten sich einer Aussage.

81

e. Verhalten der Fahrgäst_innen und Busfahrer_innen

Beurteilen Sie das Verhalten der Busfahrer_innen beim Ausstieg aus dem Bus anhand folgender Kriterien 100% 90%

5%

5%

5%

9,5%

9,5%

9,5%

80%

9,5% 5%

14,3% 23,8%

70%

28,6%

33,3%

60% 50% 57,1%

40% 30%

47,6% 52,4%

47,6%

20% 10% 0%

14,3%

14,3%

5% Aufmerksamkeit für Fahrgäste mit Einschränkungen sehr gut

5% Freundlichkeit gegenüber Fahrgästen mit Einschränkungen gut

befriedigend

Hilfsbereitschaft gegenüber Fahrgästen mit Einschränkungen ausreichend

Rücksichtnahme gegenüber Fahrgästen mit Einschränkungen

mangelhaft

Abbildung 39: Auswertung 21: Verhalten der Busfahrer_innen beim Ausstieg

Anhand der vorliegenden Abbildung 39 wird nachvollziehbar, wie die Rollstuhlfahrenden das Verhalten der Busfahrer_innen beim Ausstieg ihnen gegenüber beurteilen. Bewertet wurden die oben genannten Kriterien. Als Bewertungseinheiten konnte zwischen „sehr gut“ bis „mangelhaft“ gewählt werden. In der Grafik wurden die Fragen 6.5.1 – 6.5.4 zusammengefasst. Das Verhalten der Busfahrer_innen wurde entsprechend der unten aufgeführten Kriterien beurteilt.

82



Aufmerksamkeit für Fahrgäst_innen mit Einschränkungen: Die Aufmerksamkeit der Busfahrer_innen den Rollstuhlfahrenden gegenüber wurde zu über 50 Prozent mit „gut“ oder „sehr gut“ bewertet. Ein Drittel

der

Befragten

siedelten

die

ihnen

entgegengebrachte

Aufmerksamkeit im befriedigenden und ausreichenden Bereich an. Die übrigen bewerten die genannte Kategorie als „mangelhaft“. Insgesamt überwiegen bei den Bewertungen zur Aufmerksamkeit der Busfahrer_innen demnach die „guten“ bis „sehr guten“ Einschätzungen. •

Freundlichkeit gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen: Betrachtet man anschließen die Befragungsergebnisse zur Freundlichkeit gegenüber Rollstuhlfahrer_innen, so zeichnet sich ein noch deutlicheres

Ergebnis

ab.

Hier

schätzen

71

Prozent

der

Befragungsteilnehmer_innen an, die Freundlichkeit der Busfahrer_innen ihnen gegenüber als „gut“ oder „sehr gut“ ein. Neben diesem hohen Prozentsatz fallen die 14 Prozent „befriedigender“ Bewertungen und die restlichen 15 Prozent „ausreichender“ oder „mangelhafter“ Bewertungen eher weniger ins Gewicht. •

Hilfsbereitschaft gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen: Die Analyse der Kategorie „Hilfsbereitschaft“ offenbart ebenfalls einen hohen orangefarbenen Farbanteil. Dieser steht für „gute“ Bewertungen – in diesem Fall 48 Prozent. 14 Prozent der Befragten entschieden sich sogar für eine „sehr gute“ Evaluation der ihnen entgegengebrachten Freundlichkeit seitens der Busfahrer_innen. Weitere 24 Prozent siedeln die Hilfsbereitschaft dagegen im „befriedigenden“ Segment an. Allein ein Anteil von 5 Prozent empfindet die Hilfsbereitschaft der Busfahrer_innen als mangelhaft.



Rücksichtnahme gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen: Beleuchtet man die Evaluation der Rücksichtnahme im genannten Feld, so unterscheiden sich deren Ergebnisse wenig von den vorangegangenen Kategorien. Auch hier finden sich die wenigsten Antworten im

83

„ausreichenden“ bis „mangelhaften“ Bereich (15 Prozent). Die häufigsten Nennungen konnten im Gegenzug bei den „guten“ bis „sehr guten“ Bewertungseinheiten generiert werden (57 Prozent). Die Rücksichtnahme der Busfahrer_innen Rollstuhlfahrenden gegenüber als „befriedigend“ zu werten – für diese Option entschieden sich immerhin noch ein Drittel der Befragungsteilnehmer_innen (29 Prozent). Abgesehen von einer insgesamt „guten“ Bewertung wird die Rubrik „Freundlichkeit gegenüber Fahrgästen mit Einschränkungen“ von den Befragten alles in allem am positivsten eingeschätzt. Im Gegenzug schneidet die Aufmerksamkeit der Busfahrer_innen insgesamt am schlechtesten ab.

Beurteilen Sie das Verhalten der Fahrgäst_innen beim Ausstieg aus dem Bus anhand folgender Kriterien 100%

5%

10,0% 90% 10,0%

15,0%

30,0%

80% 50,0% 70% 30,0%

30,0%

60% 50% 50,0% 40% 30%

35,0%

35,0%

15,0%

15,0%

Aufmerksamkeit für Fahrgäste mit Einschränkungen

Freundlichkeit gegenüber Fahrgästen mit Einschränkungen

40,0%

20% 10%

20,0% 10,0%

%

sehr gut

gut

befriedigend

Hilfsbereitschaft gegenüber Fahrgästen mit Einschränkungen ausreichend

Rücksichtnahme gegenüber Fahrgästen mit Einschränkunge

mangelhaft

Abbildung 40: Auswertung 22: Verhalten der Fahrgäst_innen beim Ausstieg

84

Abbildung 40 steht in engem Zusammenhang zu Abbildung 39. Sie bewertet den Kontakt zwischen Rollstuhlfahrenden im öffentlichen Nahverkehrt und ihrer Umwelt. Diesmal steht nicht das Verhalten der Busfahrer_innen, sondern der anderen Fahrgäst_innen im Mittelpunkt. Bewertet wurden die oben genannten Kriterien. Als Bewertungseinheiten konnte zwischen „sehr gut“ bis „ungenügend“ gewählt werden. In der Grafik wurden die Fragen 6.6.1 – 6.6.4 zusammengefasst. •

Aufmerksamkeit für Fahrgäst_innen mit Einschränkungen: Die Einschätzung der Aufmerksamkeit seitens der anderen Fahrgäst_innen weist ein eher heterogenes Bild auf. Die Hälfte der Befragten bewerten diese als „gut“ oder „sehr gut“. Ein Drittel (30 Prozent) ist der Meinung,

im

ÖPNV

fahrende

Menschen

einer

„befriedigenden“

Aufmerksamkeit für Rollstuhlfahrende zu begegnen. Weitere 20 Prozent der Befragungsteilnehmer_innen finden diese Meinung zu positiv. In ihrer Evaluation erreicht die Aufmerksamkeit nur „ausreichende“ bis „mangelhafte“ Werte. •

Freundlichkeit gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen: Bei der Untersuchung der Freundlichkeit seitens der anderen Mitfahrenden ohne Einschränkungen, fällt der hohe Grünanteil des Balkens aus. Dieser steht stellvertretend für die Hälfte der Befragten, welche hier eine insgesamt „befriedigende“ Bewertung abgaben. Auffallend ist, dass im Gegensatz zu den anderen Kategorien keine schlechteren Nennungen abgegeben wurden. „Ausreichende“ oder gar „mangelhafte“ Evaluierungen fehlen im Bereich der Freundlichkeit. Dafür entschied sich die andere Hälfte der Befragungsteilnehmer_innen, die ihnen entgegengebrachte Freundlichkeit seitens der anderen Fahrgäst_innen im „guten“ bis „sehr guten“ Segment anzusiedeln.



Hilfsbereitschaft gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen: Die folgenden Zahlen geben Auskunft über die Hilfsbereitschaft der Mitfahrer_innen

im Bus.

Auch hier fällt

auf,

dass

keiner der

Rollstuhlfahrenden diese als „ausreichend“ oder „mangelhaft“ bewertet.

85

Anstatt negativer Wertungen erhält die Hilfsbereitschaft der Fahrgäst_innen sogar mit 20 Prozent der Nennungen den höchsten „sehr guten“ Wert. 50 Prozent der Befragten machten in ihrer Evaluation nur einige Abstriche und gaben der Hilfsbereitschaft die Note „gut“. Die verbleibenden Bewertungen sammeln sich im „befriedigenden“ Segment (30 Prozent). •

Rücksichtnahme gegenüber Fahrgäst_innen mit Einschränkungen: Eine ähnliche Beurteilung wie die Aufmerksamkeit seitens anderer Mitfahrer_innen erhält deren Rücksichtnahme. Sie wird somit insgesamt schlechter als die Freundlichkeit und insbesondere die Hilfsbereitschaft in diesem Bereich benotet. Bei der Rücksichtnahme entfallen jeweils 15 Prozent auf das „ausreichende“ und fünf auf das „mangelhafte“ Segment Die meisten Bewertungen erhielt die Rücksichtnahme im „guten“ Segment, wofür sich 40 Prozent der Rollstuhlfahrer_innen entschied. Die übrigen Nennungen halten die Rücksichtnahme anderer Fahrgäst_innen für „sehr gut“ (15 Prozent).

Die Interaktion zwischen Fahrgäst_innen ohne und mit Einschränkungen lässt sich insgesamt – genau wie bei den Busfahrer_innen – anhand guter Mittelwerte beschreiben. Unter den beiden Vergleichsgruppen wurden die Mitfahrenden tendenziell etwas besser bewertet als die Fahrzeugführer_innen 10 . Der Unterschied ist allerdings marginal. Die Tatsache, dass insbesondere die Kategorie „Aufmerksamkeit“ in den Abbildungen 28 und 29 vergleichsweise schlechter abschneidet, lässt sich interpretativ deuten. Es ist zum Beispiel denkbar, dass Busfahrer_innen und weitere Fahrgäst_innen in vielen Fällen freundlich und hilfsbereit sind. Die Hilfsangebote werden aber nicht ohne weiteres ausgesprochen. Auf den speziellen Hilfebedarf von Rollstuhlfahrenden im Bus müssen Fahrgäst_innen und Busfahrer_innen häufig erst aufmerksam gemacht werden.

10

Die Einschätzungen der Befragten zur geschilderten Thematik decken sich also beim Einstieg und beim Ausstieg (siehe dazu Seite 39ff. des Forschungsberichts).

86

f. Schwierigkeiten

Bereiten Ihnen die äußeren Rahmenbedingungen beim Ausstieg aus dem Bus Probleme?

5%

33,3% 61,9%

ja

nein

keine Angabe

Abbildung 41: Auswertung 23: Probleme beim Ausstieg

Die Frage, ob äußere Rahmenbedingungen den Ausstieg erschweren, ist offenbar für die meisten Rollstuhlfahrenden relevant. Nur fünf Prozent entschieden sich dafür, zu diesem Thema keine Angabe machen zu wollen. Zweidrittel der Befragten bejahten die Frage. 33 Prozent dagegen sehen keine Gründe für einen erschwerten Ausstieg. Dieser deutlich erhöhte Anteil an Personen, die sich schwertun, den Bus im Rollstuhl zu verlassen, lässt vermuten, dass es hier ein Problem mit der Barrierefreiheit geben könnte. In der Tat beschreiben die Befragten im offenen Teil der Frage 6.7 einige Schwierigkeiten, welche die vielen negativen Antworten begründen. Die meisten Befragten (insgesamt 10 Personen) nannten in diesem Zusammenhang eine erhöhte Bordsteinkante bzw. den Abstand zwischen Bus und Bordsteinsteinkante. An einigen Bushaltestellen behindert demnach ein zu starkes Gefälle zwischen Bus und Bordsteinkante bzw. gänzlich fehlende Borsteinkanten einen barrierefreien Busausstieg. Dieses Problem scheint bereits seit längerem, auch beim Regensburger Verkehrsverbund, bekannt zu sein, wie ein Artikel der Mittelbayerischen Zeitung aus dem Jahr 2013 bestätigt.

87

Darin wird der Fall eines 62-Jährigen gehbehinderten Rentners aus Bad Abbach im Landkreis Kelheim beschrieben, welcher auf Grund einer bordsteinlosen Haltestelle und einer damit für ihn unüberwindbaren Ausstiegsbarriere beim Regensburger Verkehrsverbund vorsprach. Sein Vorschlag wäre, die Busse an der jeweiligen Haltestelle entsprechend weiter abzusenken. Bedingung hierfür ist der Einsatz von Bussen mit sogenannter Niederflurtechnik 11. Die Forderung wird allerdings seitens der RVV-Geschäftsstelle abgelehnt. Als Begründung wird eine Verspätung der Busse angeführt, welche durch den zusätzlichen Zeitaufwand beim Absenken entsteht. Die zweite Möglichkeiten wäre der Einbau von Bordsteinkanten an Bushaltestellen – im Idealfall sogar spezielle, höhere Bus-Bordsteine, auf gut einer Buslänge. Zuständig für die Finanzierung dieses Ausbaus wäre in den meisten Fällen die jeweilige Gemeinde. Ein Unterfangen, das demnach abhängig ist vom vorhandenen Finanzvolumen und häufig nur schrittweise umgesetzt werden kann (vgl. uh 2013). Der Artikel in der Mittelbayerischen Zeitung verdeutlicht, dass der nicht behindertengerechte Bussaustieg im öffentlichen Nahverkehr allgemein bekannt ist und sogar in den Medien behandelt wird. In der Tat bezieht sich die Problematik auch nicht nur auf das Regensburger Umland, wie der zitierte Artikel vermuten lässt. Auch Nutzer_innen des Stadtverkehrs sind nicht selten mit einer unüberwindbaren Bordsteinkante konfrontiert. Die Mittelbayerischen Zeitung führt hierzu aus: „Gerade im Stadtkern Regensburgs sind die Haltestellen häufig nicht viel mehr als ein Schild mit den Abfahrtszeiten. Oft fehlt hier eine Stufe, an die Busfahrer anfahren können, um den Schritt in den Bus zu verkleinern“ (vgl. Bader 2014). Bislang konnte für das geschilderte Problem offenbar noch keine für alle Beteiligten befriedigende Lösung gefunden werden. Die zweithäufigste Schwierigkeit beim Busausstieg sehen die Rollstuhlfahrer_innen in den Busrampen. Eine Person beschrieb die Busrampe als „manch11

Die Niederflurtechnik ist durch eine Einstiegshöhe von 320 + 20 Millimeter, einen ebenen, stufenlosen Fußbodenverlauf von der Vordertür bis in der Regel hinter die Mitteltür, die Möglichkeit der Fahrzeugabsenkung sowie durch eine zusätzliche Einstiegshilfe (z. B. in Form manueller Klapprampen oder Hublifte) charakterisiert. (vgl. Mobiles-Wissen Busse und Bahnen von A-Z o.J.)

88

mal zu steil oder zu schief“. Drei weitere Personen bemängelten, die Rampe sei „häufig defekt oder funktioniere nicht richtig“. Auch auf Seite 44 dieses Berichts wurde das Problem bereits ausführlich erläutert. Bei der weiteren Recherche zeigte sich, dass auch diese Schwierigkeit beim behindertengerechten Ausstieg allgemein nicht neu ist. Der bereits zitierte Artikel der Mittelbayerischen Zeitung aus dem Jahr 2014 führt an, dass im ÖPNV sowohl manuell ausklappbare, als auch elektronische Rampen im Einsatz sind. Die Busfahrt von Rollstuhlfahrenden wird durch die fehleranfälligen elektrischen Rampen in der Tat häufig erschwert. Hier kann die Elektronik aus unerfindlichen Gründen immer wieder ausfallen, deshalb werden mittlerweile nur noch Busse mit Ausklapprampen gekauft. Bis der Bestand völlig ersetzt ist, sind allerdings weiterhin „alte“ Busse mit elektronischen Rampen in Betrieb (vgl. ebd.). Betrachtet man zusammenfassend die Auswertungen zu Frage 6.7, so lässt sich die eingangs aufgestellte These (7)

„Der

Ausstieg

aus

dem

Bus

bereitet

Rollstuhlfahrenden Probleme“ verifizieren. Der Großteil der Befragten (62 Prozent) beschreibt

die

Rahmenbedingungen

des

Ausstiegsprozesses als erschwert. Das meistgenannte Hindernis

beim

barrierefreien

Ausstieg

Differenzhöhe zwischen Bus und Bordsteinkante.

89

ist

die

7. Verbesserungsvorschläge der Teilnehmenden

Gibt es Ihrer Meinung nach Möglichkeiten, mit Hilfe derer die Nutzung des Personennahverkehrs für Sie angenehmer gestaltet werden kann?

14,3%

19,0% 66,7%

ja

nein

keine Angabe

Abbildung 42: Auswertung: 24: Möglichkeiten der Hilfe für die Nutzung des ÖPNV

Wie sich bereits bei Frage 6.7 zeigte, können die Rollstuhlfahrer_innen des RVV konkrete Mängel beim Busausstieg benennen. Deshalb verwundert es nicht,

dass

knapp

über

zwei

Drittel

der

Befragten

insgesamt

Verbesserungspotentiale bei der Barrierefreiheit im Nahverkehr sehen. Welche Verbesserungsvorschläge die Rollstuhlfahrer_innen sich konkret vorstellen, beschreibt im Anschluss Frage 6.9. Erfreulicherweise

wurde

auf

die

Frage

6.9

nach

konkreten

Verbesserungsvorschlägen im ÖPNV von Seiten der Befragungsteilnehmer_innen ausführlich geantwortet. Zur besseren Lesbarkeit werden die Antworten unter den Gesichtspunkten „barrierefreie Ausstattung der Linienbusse“ und „Busfahrer_innen“ im ÖPNV aufgeführt. 7.1 Barrierefreie Ausstattung der Linienbusse

Angesichts der oben stehenden Erläuterungen nicht weiter verwunderlich, findet sich seitens der Rollstuhlfahrenden die Forderung nach einer flächendeckenden Ausstattung der Linienbusse mit Niederflurtechnik und Rampen. Explizit werden

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an dieser Stelle die störanfälligen, elektrischen Rampen ausgenommen. Ein_e Befragte_r führt als Beispiel die Linie 14 an, welche Richtung Lappersdorf im Landkreis Regensburg fährt. Durch diese Äußerung wird gleichzeitig auf die meist schlechtere Ausstattung der Landbusse aufmerksam gemacht. Zudem findet sich der Wunsch nach mehr Stellfläche für Rollstuhlfahrende im Bus. Weiterhin plädieren zwei Befragte für mehr Gurte, um den Rollstuhl besser sichern zu können. Dies ist ein Aspekt, der auf diese Weise noch nicht aufgeführt wurde. 7.2 Busfahrer_innen im ÖPNV Wie bereits beschrieben, sind Schulungen im Bereich Barrierefreiheit für Busfahrer_innen des RVV verpflichtend. Hier sehen zwei Rollstuhlfahrende allerdings Verbesserungsbedarf und äußern den Wunsch nach besseren Schulungen für Busfahrer_innen, um ihre Kompetenz im Umgang mit „behinderten Fahrgästen“ zu steigern. Wie eine Äußerung zu Frage 6.10 zeigt, warten einige Fahrzeugführer_innen beispielsweise nicht, bis die Rollstuhlfahrenden sich am Stellplatz sicher positioniert haben, sondern fahren sofort los: „manche Fahrer[_innen, Anm. d. Verf.] warten nicht bis ich mit dem Rolli auf dem Platz stehe und das ist sehr unangenehm“. Weiterhin sollte bei den Busfahrer_innenschulungen vermehrt auf die Wichtigkeit abgesenkter Busse hingewiesen werden. 7.3 Kritik am Fragebogen

Zum Abschluss des Fragebogens, sollte den Rollstuhlfahrer_innen die Möglichkeit gegeben werden ohne vorgegebene Fragestellung ihre Meinung kundzutun. Ein Teil der Rollstuhlfahrer_innen schloss die Befragung ab, indem sie sich bewusst von Pauschalisierungen abgrenzten. Hierzu ein Beispiel: „Die Bewertungen von Busfahrer[_innen, Anm. d. Verf.] und Fahrgästen[_innen, Anm. d. Verf.] (Aufmerksamkeit usw...) kann AUF KEINEN FALL pauschalisiert werden. Es gibt solche und solche. Einige Busfahrer[_innen, Anm. d. Verf.] springen schon auf, um zu helfen, bevor sie überhaupt die Haltestelle richtig erreicht haben. Wieder andere maulen

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dann noch rum, wenn man sie bittet, beim Ein- und Aussteigen zu helfen. So verhält es sich auch mit den Fahrgästen (…)“ Weitere drei Personen schlossen sich dieser Meinung an. Ein zweiter Teil schloss mit einer Kritik am Fragebogen selbst. Eine Person verwies dabei auf den eingeschränkten Personenkreis der Befragten. Die genannten Problematiken würden nicht nur Rollstuhlfahrer_innen, gleichfalls Personen mit Rollator und Kinderwagen betreffen. In der Tat ist der Fragebogen nicht nur für Rollstuhlfahrende, sondern auch für Menschen mit anderen Gehbehinderungen konzeptioniert worden. Letztere schließen auch Personen mit Rollator ein. An dieser Stelle hätte es eventuell einleitend einer genaueren Zielgruppenbeschreibung bedurft. Eine weitere Äußerung kritisierte die Länge der Fragebogens: „Der Fragebogen ist sehr lange vor allem, wenn man vorher nicht weiß, wie viele Fragen noch kommen (…).“ Auch diese Rückmeldung wird vom Forschungsteam ernst genommen. Der Fragebogen war in der Tat sehr detailliert ausgearbeitet, was bei Fragen rund um Ein- und Ausstieg von Rollstuhlfahrenden teilweise zu Mehrfachnennungen führte. Als Beispiel können hier der problematische Gebrauch der Busrampe und die nicht abgesetzten Bordsteine genannt werden. Eine Gesamtübersicht der Länge des Fragebogens fehlte offenkundig bei der elektronischen Befragung. Hier hätte ein kurz eingeblendeter Informationstext mit der Anzahl der fehlenden Seiten wahrscheinlich Abhilfe schaffen können.

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8. Weiterführende Überlegungen und Hypothesen Mithilfe von Kreuztabellen kann untersucht werden, welchen Einfluss unabhängige Variablen auf eine abhängige Variable haben. Der Signifikanztest Chi Quadrat nach Pearson gibt an, ob ein signifikanter Zusammenhang zwischen den untersuchten Variablen besteht. Wenn der Wert kleiner als 0,05 ist, ist der Zusammenhang zwischen den Variablen signifikant, d.h. es ist unwahrscheinlich, dass er zufällig entstanden ist. Höchst signifikant ist der Zusammenhang zwischen Variablen dann, wenn der Wert 0,000 entspricht. Der Signifikanztest sagt nichts darüber aus, wie stark der Zusammenhang zwischen den Variablen ist, nur, ob überhaupt ein signifikanter Zusammenhang vorliegt. In keiner von uns gemachten Gegenüberstellung mehrerer Variablen ergab der Signifikanztest Chi Quadrat nach Pearson einen signifikanten Zusammenhang der von uns untersuchten Variablen. Dennoch möchten wir an dieser Stelle darstellen, bei welchen Variablen wir einen Zusammenhang vermutet haben. Die Werte der Signifikanztests Chi Quadrat nach Pearson können der entsprechenden Anlage entnommen werden. 8.1 Hypothese 1: Barrierefreiheit nach Abhängigkeit des Alters

Bewerten Sie die Barrierefreiheit des Weges von Ihrer Wohnung zur Haltestelle (nach dem Alter der Befragten) 100% 90% 80% 70%

58,3% 53,8% 53,8%

60% 50% 40% 30% 20% 10%

30,8% 16,7% 11,5%

11,5% 8,3% 7,0%

19,2%

7,7%

8,3%

8,3% 3,8%

0,0%

0% sehr gut

gut

Barrierefreiheit des Weges Insgesamt

befriedigend

ausreichend

mangelhaft

Barrierefreiheit des Weges bis 40

Barrierefreiheit des Weges über 40

Abbildung 43: Auswertung 25: Barrierefreiheit des Weges von Wohnung zur Haltestelle (nach dem Alter der Befragten)

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Wir haben uns gefragt, ob die Aussagen der von uns befragten Personen zur Barrierefreiheit des Weges von ihrer Wohnung zur Haltestelle, zur Barrierefreiheit beim Umsteigen sowie zum Nutzen der Rampe in Abhängigkeit zu ihrem Alter abgegeben wurde. Wir stellten die Hypothese auf, dass Personen über 40 Jahren beispielsweise die Barrierefreiheit des Weges sowie den Nutzen der Rampe anders beurteilen als die Befragten bis zu einem Alter von 40 Jahren. Wir vermuteten bei Personen bis 40 Jahren eine höhere körperliche Fitness sowie weniger altersbedingte Gebrechen als bei Personen über 40, was dazu führt, dass ihnen der Weg von der Wohnung zur Haltestelle sowie das Umsteigen leichter fällt. Um vorhandene Zusammenhänge untersuchen zu können, bildeten wir zunächst zwei Personengruppen: Die erste Gruppe umfasst alle Personen bis zu einem Alter von 40 Jahren; die zweite Gruppe beinhaltet die Befragten über 40 Jahren. Die Barrierefreiheit des Weges von der Wohnung zur Haltestelle bewertete die Personengruppe bis 40 Jahren etwas besser als die Gruppe der Teilnehmer_innen, die über 40 Jahre alt sind. Während genau Dreiviertel der Befragten bis 40 die Note „sehr gut“ und „gut“ vergaben, sind es bei den Befragten über 40 Jahren nur 61,5 Prozent. Die Noten „befriedigend“, „ausreichend“ und „mangelhaft“ vergaben 24,9 Prozent der Befragten bis 40Jährigen und 37,8 Prozent der über 40-Jährigen. Diese Angaben lassen vermuten, dass tatsächlich ein Zusammenhang zwischen dem Alter der Befragten und ihren Angaben zur Barrierefreiheit des Weges von ihrer Wohnung zur Haltestelle besteht. Der Signifikanztest Chi Quadrat nach Pearson ergab jedoch keinen signifikanten Zusammenhang der von uns untersuchten Variablen. Bei der Annahme, die unabhängige Variable (Alter) würde mit der abhängigen Variablen (Bewertung der Barrierefreiheit des Weges von der Wohnung zur Haltestelle) in Zusammenhang stehen, kann es sich ebenso gut um einen Irrtum handeln. Es besteht also kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Alter der Befragten und der Bewertung der Barrierefreiheit des Weges von ihrer Wohnung zur Haltestelle.

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Bewerten Sie den Nutzen der Rampe (nach dem Alter der Befragten) 100% 90% 80% 70% 60% 50%

44,4% 36,4%

40% 28,6%

30%

33,3% 33,3%

33,3% 27,3%

27,3%

22,2%

20% 9,1% 4,8% 0,0%

10% 0% sehr gut Nutzen der Rampe Insgesamt

gut

befriedigend

Nutzen der Rampe bis 40

mangelhaft

Nutzen der Rampe über 40

Abbildung 44: Auswertung 26: Nutzen der Rampe (nach dem Alter der Befragten)

Den Nutzen der Rampe bewerten 55,5 Prozent der Befragten bis 40-Jährigen mit „sehr gut“ und „gut“. Dieselbe Note vergeben 63,7 Prozent der über 40Jährigen von uns befragten Personen. Die ältere Personengruppe bewertet den Nutzen der Rampe somit häufiger als „sehr gut“ und „gut“ als der jüngere Anteil der Befragten. Die jüngere Personengruppe beurteilt den Nutzen der Rampe überwiegend (44,4 Prozent) als „befriedigend“, während dies nur 27,3 Prozent der über 40-Jährigen tun. 9,1 Prozent der Befragten über 40-Jährigen haben jedoch ebenso den Nutzen der Rampe als „mangelhaft“ bewertet. Hier ließe sich nur schwer ein Zusammenhang zwischen dem Alter der Befragten und der Bewertung der Rampe herstellen. Sehr gute und gute Noten wurden zwar häufiger von der jüngeren Altersgruppe vergeben, Personen über 40 Jahren bewerten den Nutzen der Rampe – anders als die jüngeren Befragten – jedoch auch mit mangelhaft. Auch hier ergab der Signifikanztest nach Chi Quadrat keinen signifikanten Zusammenhang zwischen den Variablen Alter und Bewertung der Rampe.

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Bewerten Sie die Barrierefreiheit der Wege zwischen den Haltestellen beim Umsteigen (nach dem Alter der Befragten) 100% 90% 80% 70% 60%

50,0%

50% 40%

37,5%

35,3% 25,0%

30% 20%

17,6%

10%

23,5%

25,0%

25,0% 17,6% 12,5% 12,5%

0,0%

0%

12,5% 5,9% 0,0%

sehr gut gut befriedigend ausreichend Keine Angabe Barrierefreiheit Umsteigen Insgesamt Barrierefreiheit Umsteigen bis 40 Barrierefreiheit Umsteigen über 40

Abbildung 45: Auswertung 27: Barrierefreiheit der Wege zwischen den Haltestellen beim Umsteigen (nach dem Alter der Befragten)

Wie die vorliegende Grafik zeigt, wurde die Barrierefreiheit beim Umsteigen von den unter 40-Jährigen tendenziell besser bewertet als von den über 40Jährigen. Nicht eine Person über 40 Jahre entschied sich demnach dafür, die Barrierefreiheit beim Umstieg als sehr gut zu bewerten. Ein Viertel der Vergleichsgruppe vergab stattdessen die Note gut. Bei den unter 40-Jährigen finden sich dagegen 63 Prozent, welche der Meinung sind, die Barrierefreiheit sei „sehr gut“ oder „gut“. „Die Barrierefreiheit zwischen den Haltestellen ist befriedigend“: Für diese Aussage entschieden sich 25 Prozent der Personen bis 40 Jahre. 13 Prozent der über 40-Jährigen schloss sich dieser Meinung an. Damit entfallen insgesamt 24 Prozent auf die Kategorie befriedigend. Ein Viertel der älteren Befragungsteilnehmer_innen (>40 Jahre) hält die Barrierefreiheit beim Umstieg nur für ausreichend. Nur 13 Prozent der jüngeren Befragten (