Friedensgebet (Franz von Assisi zugeschrieben) Gott, mach uns zum Werkzeug

50 Jahre Friedenskirche Steißlingen

deines Friedens, dass wir Liebe wagen, wo man sich hasst; dass wir verzeihen, wo man sich beleidigt; dass wir schlichten, wo Streit ist; dass wir die Wahrheit sagen, wo Irrtum herrscht; dass wir Hoffnung wecken, wo Verzweiflung quält; dass wir ein Licht anzünden, wo Finsternis regiert; wo Kummer wohnt. Gott, lass uns das Geheimnis

Evangelische Kirchengemeinde Steißlingen-Langenstein Friedhofstraße 19

deines Friedens erfahren,

78256 Steißlingen

dass wir getröstet werden,

Telefon: 07738 / 5900

wenn wir trösten;

Telefax: 07738 / 923123

dass wir verstanden werden,

[email protected]

wenn wir verstehen; dass wir geliebt werden, wenn wir lieben. Denn wer hingibt, der empfängt; wer sich selbst vergisst, der findet; wer verzeiht, dem wird verziehen; und wer stirbt, wird nicht verloren sein. Amen.

Text (soweit nicht anders angegeben): Hermann Bollenbach Gestaltet und gedruckt mit freundlicher Unterstützung durch DesignConnection Kommunikationsdesign www.designconnection.eu Druckerei Berchtold www.berchtold-druck.de

0120001.06.2007

dass wir Freude bringen,

Inhaltsverzeichnis Präambel

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Grußworte Landesbischof Dr. Ulrich Fischer Bürgermeister Artur Ostermaier Pfarrerin Müller-Fahlbusch

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I

Vor 50 Jahren: Der Kirchenbau 1956/57 Der Festtag der Einweihung Die beiden namenlosen Männer …

II

Wissenswertes aus der Anfangszeit der Gemeinde bis zur Selbständigkeit 1978

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III Eindrücke aus 50 Jahren Gemeindeleben

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IV

Die Pfarrerinnen und Pfarrer der Friedenskirche

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V

Gelebte Ökumene in der Gemeinde Steißlingen

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VI

Friedenskirche 2007: Die Renovierung zum 50-jährigen Kirchenjubiläum Unsere Vision: Das 50-jährige Kirchenjubiläum in einer renovierten Kirche feiern Unsere Herausforderung: 100.000 Euro Spenden sammeln Baubeginn Januar 2007

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VII Gedanken des Architekten zur Konzeption der Renovierung

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VIII Die künstlerische Ausgestaltung der Kirche

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IX

Beteiligte Handwerker und Firmen

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X

Ein Blick auf die Baustelle

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XI

Dank

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Friedensgebet

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Präambel Vor 50 Jahren haben unsere Vorgänger mit bewundernswertem Mut und großer Entschlossenheit in Steißlingen die Friedenskirche erbaut. Nach 50 Jahren hat sich der jetzt amtierende Kirchengemeinderat entschlossen, diese Kirche zu renovieren, um sie für weitere Generationen zu erhalten. Gerade aus der Verpflichtung gegenüber den damals Verantwortlichen hielten wir eine Erneuerung für notwendig, denn alles Leben ist geprägt durch Fortentwicklung und das Entstehen von Neuem. Unsere Kinder und Enkel wachsen in einer von rasantem Wandel bestimmten Zeit auf, erkunden neue Welten – davor kann die Kirche die Augen nicht verschließen. Mit Hoffnung und Zuversicht bauen wir darauf, dass auch die nachrückende Generation wieder verstärkt an Gottesdiensten teilnehmen und die umgestaltete Friedenskirche als Ort der Begegnung erfahren wird.

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Grußworte Dr. Ulrich Fischer In 50 Jahren werden möglicher­ weise, in einer dann wiederum veränderten Welt, unsere Nachfahren zur 100-Jahr-Feier ebenfalls eine Neugestaltung für erforderlich halten. Bis dahin wünschen wir uns und unseren Nachkommen vielerlei gute, die Menschen ansprechende, vom Geist Gottes durchdrungene Gottesdienste – zur Ehre Gottes, den Menschen zu Frieden und Segen. Der Kirchengemeinderat der evangelischen Friedenskirche

Sehr herzlich gratuliere ich Ihnen zum 50-jährigen Jubiläum Ihrer Friedenskirche und freue mich mit Ihnen, dass Sie Ihr Jubiläum in der frisch renovierten Kirche feiern können! Mit der Einweihung der Friedenskirche vor 50 Jahren hat die damals noch junge evangelische Gemeinde in Steißlingen einen sichtbaren Mittelpunkt bekommen. Von Anfang an war dieses Kirchengebäude vom Idealismus derer inspiriert, die sich für seinen Bau mit persönlichem Engagement eingesetzt hatten. Dieses Engagement hat sich nun fortgesetzt und andere angesteckt, so dass die Renovierung zur Sache des ganzen Dorfes geworden ist. Vereine und politische Gemeinden, die katholische Schwesterngemeinde, die Stiftung KiBa und viele Einzelne haben Zeit, Energie, Geld und Ideen eingebracht und so gemeinsam eine Vision wahr werden lassen, wie ich mit Freude gehört habe. Herzlichen Dank allen, die dazu beigetragen haben! Als Kirche im Dorf ist die Friedens­ kirche öffentliches Zeichen dafür, wie vielen Menschen ein solches Gebäude am Herzen liegt und wie viele in ihrer Wohngemeinde auch eine geistliche Heimat suchen. So verbindet sich die Geschichte der Friedenskirche mit

Dr. Ulrich Fischer, Landesbischof der evangelischen Landeskirche in Baden

der persönlichen Lebensgeschichte mehrerer Generationen. Wo Menschen sich im Namen Jesu Christi versammeln, da wird Lebensbegleitung und Gemeinschaft erfahrbar, vor 50 Jahren ebenso wie heute. Solche Gemeinschaft wirkt einladend und nimmt andere mit hinein, über konfessionelle Grenzen und manche kirchliche Schwellenängste hinweg. Einladende Gottesdienste können Sie in Ihrer renovierten Kirche nun wieder in vielfältiger Form feiern, unterstützt durch manche Neuerung in der Ausgestaltung des Kirchenraumes. Ich wünsche Ihnen, dass auch künftig Menschen aller Generationen den Weg in Ihre Friedenskirche finden und sie zu einem „Haus der lebendigen Steine“ werden lassen. Ihr

Dr. Ulrich Fischer Landesbischof 5

Grußworte Artur Ostermaier Das Jahr 2007 wird in die Geschichte von Steißlingen eingehen. Zeitgleich werden die Kirchen der katholischen und der evangelischen Pfarrgemein­den einer grundlegenden Innen­renovation und Neugestaltung unterzogen. Bis zum Ende des Jahres werden beide Gotteshäuser neu erstrahlen. Ich freue mich, dass dies möglich ist und möchte beide Kirchengemeinden zu dieser guten Entscheidung beglückwünschen. Für die Evangelische Kirche ist die Renovation gleichsam ein Geburtstagsgeschenk. Sie ist dieses Jahr 50 Jahre alt. Eine kleine Gruppe evangelischer Christen hat damals mit viel persönlichem Einsatz und großem Engagement diese Kirche am nördlichen Ortseingang von Steißlingen errichtet. Wie damals wurde auch die jetzige Renovation von den Verantwortlichen – mit viel Mut und Optimismus – angegangen. Besonders die Finanzierung gestaltete sich schwierig. Die Aufnahme und

Artur Ostermaier, Bürgermeister der Gemeinde Steißlingen

Förderung durch die Stiftung KIBA war ein Glücksfall. Aber auch die vielen privaten Spenden und nicht zuletzt der Zuschuss der Gemeinde haben dazu beigetragen, dass die Renovationsarbeiten durchgeführt werden konnten. Die Aktion „Vereine für Kirchen“ möchte ich besonders lobend erwähnen. Es war nicht nur der finanzielle Beitrag, sondern das gemeinsame Miteinander, das dabei zum Ausdruck kam. Gemeinwohl und bürgerschaftliches Engagement standen im Vordergrund. Herzlichen Dank allen Beteiligten.

Möge die Kirche auch in Zukunft ein Ort der Besinnung, als Mittelpunkt und Heimat für die evangelischen Christen in Steißlingen, Orsingen, Eigeltingen und Umgebung sein. Ich gratuliere der Evangelischen Kirchengemeinde SteißlingenLangenstein zum 50-jährigen Jubiläum und zur Neugestaltung und Renovation der Kirche und freue mich auf die weiterhin gute und fruchtbare Zusammenarbeit.

Artur Ostermaier Bürgermeister

Mit der grundlegenden Renovation hat sich die innere Atmosphäre der Kirche verändert. Ich meine, posi­tiv! Mit viel Einfühlungsvermögen und Liebe zum Detail hat man dem Kirchen­inneren ein neues und modernes Aussehen verliehen.

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7

Grußworte Christiane MüllerFahlbusch Wir haben doppelten Grund zur Freude und Dankbarkeit: Wir feiern das 50-jährige Bestehen unserer Friedenskirche, und wir feiern dieses Fest in einem renovierten und innen neu gestalteten Kirchengebäude. An einem runden Geburtstag gehen die Gedanken zurück: Wie war es früher, wie fing es an? Dankbar blicken wir auf den Mut und auf das Vertrauen der Menschen, die vor 50 Jahren unsere Kirche erbaut haben. Viele hatten nach dem Krieg Flucht und Vertreibung hinter sich. Gerade aus der Erfahrung, die Heimat verloren zu haben, wuchs der Wunsch der evangelischen Christen, als Gemeinde wieder ein Stück Heimat zu finden, sonntags wieder „zur Kirche“ gehen zu können. Unter großem Einsatz und mit manchen Opfern gewann der Wunsch Gestalt: 1957 konnte die Kirche eingeweiht werden und bekam den Namen „Friedenskirche“ - auf dem Hintergrund der Geschichte verstehen wir, warum.

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Christiane Müller-Fahlbusch, Pfarrerin der Kirchengemeinde Steißlingen-Langenstein

Zum 50-jährigen Jubiläum wurde die Friedenskirche von Grund auf renoviert. Die neue Innenraumgestaltung eröffnet viele Möglichkeiten, Gottesdienste lebendig und vielgestaltig zu feiern. Wie damals der Bau, bedeutete dieses Vorhaben für unsere kleine Kirchengemeinde eine große Herausforderung, die wir nur mit der Hilfe und Unterstützung Vieler gemeistert haben. Diese Festschrift ist ein Dank an sie alle.

als ein Gebäude. Kirche sind die Menschen, die miteinander das Ziel haben, ihren Glauben zu leben, zu feiern und weiterzugeben. Dass das gelingt, dafür kann man keine Pläne zeichnen und kein Geld sammeln. Das ist unbezahlbar. Doch an ihrem Geburtstag soll das „Geburtstagkind“ im Mittelpunkt stehen: Zum 50-jährigen Jubiläum und zur Einweihung der renovierten Friedenskirche freuen wir uns auf viele Gäste, die mit uns feiern, sich mit uns freuen und neugierig auf unseren neu gestalteten Kirchenraum sind!

Pfarrerin Christiane Müller - Fahlbusch

Das gemeinsame Planen, Denken und Arbeiten für die Kirchenrenovierung hat Freude gemacht und war mir wichtig, denn unsere Kirche soll uns und kommenden Generationen ein schöner, einladender Ort und Mittelpunkt unserer weit verstreuten Gemeinde bleiben. Genauso wichtig ist mir aber dies: Kirche ist mehr 9

Vor 50 Jahren: Der Kirchenbau 1956/57 Wir feiern das 50-jährige Bestehen der Friedenskirche in Steißlingen im Jahr 2007 – im globalisierten 21. Jahrhundert. Doch die Zeit vor 50 Jahren war eine vollkommen andere als die heutige – besonders für die Deutschen.

Für die Kirche in Steißlingen wurde am 17.6.1956 der erste Spatenstich vollzogen

Im August 1956 feierte man Richtfest.

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Das Ende des verheerenden Weltkrieges lag erst zwölf Jahre zurück, die Bundesrepublik war gerade mal acht Jahre alt. Es war die Zeit des Wiederaufbaus und des einsetzenden Wirtschaftwunders, Aufbruchstimmung hatte sich breit gemacht. Dies mag auch eine Rolle gespielt haben bei dem Entschluss, in Steißlingen eine evangelische Kirche zu errichten. Seit 1925 hatte sich hier unter Stadtpfarrer Hauss (Stockach) eine kleine evangelische Gemeinde zusammengefunden, die im Rathaussaal ihren Gottesdienst feiern konnte, zunächst nur an hohen Festtagen, während des Krieges monatlich, seit 1947 14-tägig. Nach dem Krieg vergrößerte sich die Gemeinde durch die Ankunft weiterer evangelischer Familien, vor allem durch den Zuzug von Heimatvertriebenen, jenen Menschen also, die ihre Heimat in den deutschen Ostgebieten hatten verlassen müssen. Nirgendwo in Deutschland wurden diese gern gesehen, musste doch der vor allem in den zerstörten Städten knapp gewordene Wohnraum mit ihnen geteilt werden. Nicht selten wurde das Wort Flüchtling als Zeichen der Abneigung ge­­braucht. Andererseits bereicherten die Neubürger durch Arbeitsfleiß und neue Ideen das Leben in den Gemeinden.

So entstand der Entschluss, für Steißlingen, Eigeltingen, OrsingenLangenstein und weitere umliegende kleine Gemeinden in Steißlingen ein Zentrum zu bilden und als sichtbares Zeichen dafür eine Kirche zu bauen. Die evangelische Gemeinde Steißlingen war damals ein Teil der Filialkirchengemeinde Orsingen-Langenstein und in die Gesamtkirchengemeinde Stockach eingegliedert, welche 2500 Seelen zählte. Der Kirchenbau wurde unter Stadt­pfarrer Friedrich Ueltzhöffer (Stockach) errichtet. Der Satz Die Geldmittel waren knapp, man war auf Spenden angewiesen hat auch für die 2007 durchgeführte Renovierung seine Gültigkeit behalten. Der Unterschied: Damals musste ein völlig neues Gebäude errichtet werden – und das mit Geldbeuteln, die wesentlich kleinere Münze enthielten als heute. Neben vielen kleineren und größeren Geldbeträgen wurden 1957 auch wertvolle Sachspenden beigetragen, z.B.: Die Christusglocke (Wert 4000 DM) von der politischen Gemeinde Steiß­ lingen. Sie hat ein Gewicht von 522 kg, einen Durchmesser von 99 cm und trägt die Inschrift: Christus spricht: Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viele Frucht, denn ohne mich könnet ihr nichts tun.

Das gesamte Bauholz, die Glasgemälde, die Kanzel von Graf Wilhelm Douglas. Das vergoldete Turmkreuz mit Weltkugel von Familie Dr. Wollheim. Bundespräsident Theodor Heuss spendierte die Altarbibel mit persönlicher Widmung. Den Fortschritt beim Kirchenbau im Bezirk Konstanz kann man daran erkennen, dass es 1952 in den 120 Gemeinden, in denen evangelische Gottesdienste gehalten wurden, 18 Kirchen gab, 1957 waren es schon 33.

Im Juni 1957 zogen Männer, Frauen und Kinder der Gemeinde in festlicher Stimmung zusammen am Seil die Glocke in den Turm.

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Der Festtag der Einweihung Lothar Benzinger

Am 30. Juni 1957 frühmorgens zog die Geistlichkeit aus dem gesamten Kirchenbezirk Konstanz und aus Nachbarbezirken in den Rathaussaal in Steißlingen ein. Die Musikkapelle Steißlingen spielte: Das ist der Tag des Herrn. Die Andacht fand zum Abschied von der langjährigen Gottesdienststätte statt und war doch Anlass zur Freude, da ja ein neues Gotteshaus am Dorfeingang wartete. Pfarrer Ueltzhöffer und die Gemeinde, die den Saal und das Treppenhaus füllte, konnten aus vollem Herzen Lobe den Herrn singen. Den anschließenden Umzug zur neuen Kirche führte die Musikkapelle Steißlingen an, dahinter die Kinder,

Die Kirche am Tag der Einweihung

der Kirchengemeinderat und die Vertreter der Gemeinde Steißlingen, die Geistlichkeit im Ornat, an der Spitze Landesbischof Bender, Dekan Mono, Stadtpfarrer Ueltzhöffer, danach die Ehrengäste und die Gemeindemitglieder. Nach der Schlüsselübergabe durch Architekt Engels sprach in einem feierlichen Akt der Landesbischof das Weihegebet für die Friedenskirche und die Christusglocke. Zum ersten Geläut der Glocke sang die Gemeinde Nun danket alle Gott, nach der Predigt wurde der Kirche feierlich der Name Friedenskirche verliehen. Im Anschluss an den Gottesdienst hielt Pfarrer Ueltzhöffer im großen Krone-Saal, der bis auf den letzten Platz besetzt war, seine Dankansprache. Es folgten die Glückwunsch-Ansprachen: Bürgermeister Oexle beglückwünschte die evangelische Gemeinde im Namen der politischen Gemeinde. Die gestiftete Glocke möge immer eine Mahnung sein, den Frieden zu wahren.

ihnen, die Heimatvertriebenen, ihre irdische Heimat noch nicht wieder finden konnten. Zwei Zitate aus der Rede von Dekan Stichler (Tuttlingen): „Die Tatsache, dass Geistliche aus Württemberg zu einer Kircheneinweihung nach Südbaden kommen, ist ein Beweis dafür, dass sich die Zeiten gebessert haben.“ Und: „Die erhebende Einweihungsfeier hat gezeigt, dass Gottes Wort auch durch verschwitzte Kittel das Herz findet.“ Noch eine kleine Geschichte aus der Bauphase der evangelischen Kirche: Im Sommer 1956 wurde der Kirchturm mit Kupferblech belegt. Die Arbeit an dem hoch aufragenden Turm war nicht einfach. In der heißen Sonne ließen die Männer so manchen Schweißtropfen fallen. Da nahte um die Mittagszeit die herbeigesehnte Erfrischung: Ein Bub von sieben Jahren, schwer beladen mit kalten Getränken, hatte sich nach Schulschluss auf den Weg

gemacht zum Neubau der Kirche am Dorfrand. Sein Vater, Blechnermeister Benzinger, stieg vom steilen Turm, erlabte sich an kühlem Wasser oder Saft und schöpfte neue Kraft. Nach 51 Jahren kommt der Junge von damals wieder zur evangelischen Kirche, diesmal selbst als Blechnermeister, bei der Renovierung zuständig für Heizungs- und Installationsarbeiten. Er heißt Lothar und hat die damaligen Fußmärsche bis heute nicht vergessen.

Die Glückwünsche der katholischen Pfarrgemeinde Steißlingen überbrachte Pfarrer Hangarter: Er freue sich, dass die evangelischen Christen hier eine Heimat der Seele gefunden hätten, wo doch die meisten von 12

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Die beiden namenlosen Männer in den Fenstern des Altarraums

Wissenswertes aus der Anfangszeit der Gemeinde bis zur Selbstständigkeit 1978

Herkunft: Die Klosterkirche von St. Blasien war früher mit farbigen Bilderfenstern ausgestattet, die dem Raum eine warme, festliche Atmosphäre verliehen. Nach der Aufhebung der Abtei 1806 wurden die Fenster entfernt. Der damals neu entstandene badische Staat wollte zunächst die Kuppelkirche abbrechen und begann mit der Demontage. Dabei ließ Großherzog Ludwig I. die ausgebauten Fenster auf sein Schloss Langenstein bei Stockach bringen. Bei der Versteigerung 1897 durch den damaligen Schlossherrn Graf Wilhelm von Douglas wurde der größte Teil in alle Winde zerstreut. Der Rest lagerte im Kellergewölbe von Schloss Langenstein, zwei

davon stiftete der Schlossherr 1956 für den Neubau der evangelischen Kirche in Steißlingen. Sie wurden in die Fenster im Altarraum eingebaut. Die Namen der beiden Männer, die in einem Feld um die Figuren angebracht waren, gingen verloren. Sachverständige fanden jedoch heraus und sind heute überwiegend der Meinung:

Das Thema Geld spielte naturgemäß zur Zeit des Kirchenbaus und danach eine große Rolle. Bemerkenswert, dass es in die Zuständigkeit des Landrats fiel, eine Darlehensaufnahme von 25.000 DM im März 1957 zu genehmigen. Nach der Abschlussabrechnung für den Kirchenbau wurden Ende 1957 noch ca. 10.000 DM benötigt.

Die rechte Figur, der Mann mit dem Schwert, ist der Apostel Paulus. Die linke Figur, mit einer Lanze versehen, soll den Apostel Thomas darstellen.

Die Beteiligung des Kultusministeriums am Bau der Kirche ist heute nicht mehr denkbar. 1957 bekam aber die Gemeinde Orsingen-Langenstein 792,35 DM zur außerordentlichen teilweisen Tilgung der bestehenden Darlehensschuld betr. der Kirche in Steißlingen. Aus dem Staatshaushalt BadenWürttemberg erhielt die Kirchengemeinde 1958 0,98% der nachgewiesenen Ausgaben als Beihilfe. Das waren 537 DM. Im selben Jahr wurde ein Antrag des Pfarramts, ein niederverzinsliches langfristiges Darlehen von 30.000 DM zu gewähren, vom Oberkirchenrat abgelehnt, da keine Mittel zur Verfügung stünden.

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Unterstützung durch die politische Gemeinde gab es damals ebenfalls schon: Sie übernahm 1.500 DM (von 2.000 DM) von den Kosten für die verstärkte Stromzuleitung und die Kosten für den Wasseranschluss von 628,27 DM. Die evangelische Kirchensteuer ergab sich aus Grundbesitz, Gewerbebetrieb und aus der Körperschaftssteuer. Für die Abgabepflichtigen mussten Listen erstellt werden. Immer wieder baten einzelne Personen um Ermäßigung ihrer Kirchensteuer, was dann einen Schriftverkehr mit dem Oberkirchen­ rat auslöste. Meistens erfolgte ein abschlägiger Bescheid mit dem Hinweis auf die Pflicht, Kirchensteuer zu bezahlen. In den Schulen wurde in jener Zeit jährlich eine Religionsprüfung durchgeführt und darüber ein Bericht erstellt, der u.a. auch im Kirchengemeinderat verlesen wurde. Zur Konfirmation 1968 wurde angemerkt, dass im nächsten Jahr bei laschem Verhalten der Eltern und Kinder die Konfirmation strenger gehandhabt werden solle. Die 7. und 8. Klassen sollten regelmäßiger zum Kirchenbesuch gemahnt werden.

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Schon bald standen auch Renovationen in der Kirche an: 1964 war es notwendig, die Deckenplatten neu zu befestigen, 1966 war eine Mauerisolierung fällig. Zur 10-JahresFeier am 2.7.1967 nahm man sich folgende Arbeiten vor: den Außenputz der Kirche zu erneuern, den Kirchenplatz anzulegen, Fahnenstangen anzubringen. Auch der Innenputz war schadhaft, und der Bogen an der Apsis (Altarraum) sollte mit einem Gesims verstärkt werden. Im Jahr 1968 hatte man vor, anlässlich des Ruhestandes von Dekan Mono das große Dekanat zu teilen in den Landkreis Konstanz plus Singen und Stockach-Überlingen mit Landgemeinden. Der Kirchengemeinderat stimmte im September dieser Teilung zu. 1973 wehrte man sich gegen eine Reform dieser Einteilung mit dem Motto: Landkreis gleich Dekanat. Die Kirche solle den politischen Tanz nicht mitmachen. Ein ProtestSchreiben ging an den Oberkirchenrat, Ziel blieb die längstmögliche Haltung des Dekanats ÜberlingenStockach.

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Schlosskapelle von innen

Am 1. April 1978 wurde die nach ihren beiden Predigtstellen benannte Kirchengemeinde Steißlingen-Langenstein von Stockach abgetrennt und damit selbständig. Zu ihr gehören bis heute die Orte Steißlingen mit Wiechs und Schoren; Eigeltingen mit Münchhöf, Homberg, Reute, Honstetten, Heudorf, Eckartsbrunn, Rorgenwies und Guggenhausen sowie Orsingen mit Schloss Langenstein: insgesamt ca. 1.100 Gemeindemitglieder (heute zählt die Gemeinde rund 1.600 Mitglieder). Ebenfalls im April 1978 wurde ein Antrag für ein neues Siegel und auf die Umbenennung der Gemeinde

Orsingen-Langenstein in Steißlingen-Langenstein vom Kirchengemeinderat beschlossen. Am 21. Mai 1978 wurde Pfarrer Ueltzhöffer in Steißlingen verabschiedet, seine Nachfolgerin im Amt wurde Pfarrvikarin Miller. Die Predigtstelle in der Schloss­ kapelle Langenstein: Evangelische Wurzeln liegen seit dem 19. Jahrhundert in der Herrschaft von Schloss Langenstein. Die Schlosskapelle wurde 1603/04 errichtet und 1746 umgebaut. Großherzog Ludwig von Baden kaufte 1826 Schloss Langenstein und wollte die Kapelle für den evangelischen

Gottesdienst umgestalten. Erst 1894 unter Graf Wilhelm Douglas d.Ä. konnte sie für den öffentlichen evangelischen Gottesdienst zur Verfügung gestellt werden. 1953 wurde die Schlosskapelle nach einer einschneidenden Renovierung durch Landesbischof Bender geweiht. Seit dieser Zeit findet an jedem 1. und 3. Sonntag im Monat darin Gottesdienst statt.

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Erntedank auf dem Bruderhof, Eigeltingen 1996

Eindrücke aus 50 Jahren Gemeindeleben

Kindergottesdienst „Spuren“ 2002

Frau Jaiter, Pfarrerin Miller, Frau Magdalena Maier, Frau Breisch, Frau Margarethe Miller, Herr Preiser; 1978 (v.l.n.r.) Hedwig und Theo Odenwald 1998 Emil Maut (re), einer der größten Spender für den Kirchenbau 1957 an seinem 90. Geburtstag 1989

Kranzen für das Erntedankfest

Nimmermüde und mit Lust an der Musik: Charlotte Ehrhardt

Gottesdienst im Grünen 2003 (Langenstein)

Seniorenausflug 1999

Sonny und Hery Bokenbach 2004

Sekretärin Monika Zerwek

Herr Häberlein und „sein“ neu erbautes Gemeindehaus 1994

Die Pfarrerinnen und Pfarrer der evangelischen Friedenskirche Von 1946 bis 31.3.1978: Pfr. Ueltzhöffer (Stockach) in der Filialkirchengemeinde Orsingen-Langenstein

Ab 1.4.1978: Pfarrvikarin Adelheid Miller (heute Groten), ab 1.7.1979 als Pfarrerin

Ab 1.7.1987: Kirchenrat i.R. Theo Odenwald für die Dauer der Vakanz

Ab 25.3.1988: Pfarrvikar Wilhelm Schwendemann

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Ab 1.9.1989: Pfarrer Ulrich Reinecke Ab 27.1.1992: Kirchenrat i.R. Theo Odenwald für die Dauer der Vakanz Ab 1.6.1992: Pfarrer Detlef Krohm

Seit 1.9.2001: Pfarrerin Christiane MüllerFahlbusch

Gelebte Ökumene in der Gemeinde Steißlingen Wer nicht zur großen Menge Gleichgesinnter zählt, ist zunächst einmal ein Außenseiter. So erging es auch den ersten evangelischen Christen, die nach dem 2. Weltkrieg in dieses traditionell katholische Gebiet zuzogen. Natürlich waren sie Fremde, obwohl Christen, so doch mit einer anderen Religion. Die Trennungslinie zwischen beiden christlichen Konfessionen war klar und streng – eine Heirat z.B. über diese Grenze hinweg in den meisten Fällen undenkbar. Das Wort Ökumene war zu jener Zeit noch nicht in den allgemeinen Sprachgebrauch eingedrungen. Die Zeiten haben sich – Gott sei Dank – grundlegend verändert, und damit auch das Verhältnis der evangelischen und katholischen Gemeinden zueinander. Einige Beispiele: Heute werden mehrmals jährlich ökumenische Gottesdienste gefeiert, etwa am Volkstrauertag, beim jährlichen Partnerschaftreffen mit Gästen aus St.-Palais-sur-mer oder bei Vereinsjubiläen. Inzwischen eine schöne Tradition: Die Osterkerze in der Friedenskirche ist jedes Jahr ein Geschenk der katholischen Gemeinde. Die kleinere Schwester der Osterkerze in der Remigiuskirche wird in der

Einweihung Seniorenwohnanlage Steißlingen

Osternacht an der Flamme des Oster­ feuers der katholischen Gemeinde entzündet und im evangelischen Osternachtgottesdienst feierlich an die Gemeinde übergeben. Seit einigen Jahren werden wegen Platzmangels in der evangelischen Kirche die Konfirmationen in der katholischen St. Remigius-Kirche gefeiert. Konfirmation 2002 in der Remigiuskirche Steißlingen

Friedenskirche 2007: Die Renovierung zum 50-jährigen Kirchenjubiläum Die nach der Renovierung nicht mehr benötigten, aber gut erhaltenen evangelischen Kirchenbänke finden in der katholischen HeiligKreuz-Kapelle eine sehr angemessene Weiterverwendung.

Kirchenbänke in der katholischen Heilig-Kreuz-Kapelle

Als im Jahr 1997 die evangelische Friedenskirche ihr 40-jähriges Jubiläum feierte, hat Pfarrer Meier im Pfarrblatt der katholischen Pfarrge-

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meinden folgendes geschrieben: Wenn ich von Friedingen-Beuren zurückfahre, dann grüßt Steißlingen mit dem evangelischen und katholischen Kirchturm. Wie zwei Brüder künden sie von einem christlich geprägten Dorf. In den klassischen deutschen Konfessionen versuchen Christen miteinander den Glauben zu leben, haben in Kirchen und Gemeinden eine geistliche Heimat ... Es kann heute nicht der Wunsch einer Konfession sein, alles zu bestimmen und alles unter einem geistlichen Dach zu vereinen, sondern in der Vielfalt der Formen dem EINEN nachzufolgen. In diesem Geist leben beide Religionsgemeinschaften in Steißlingen zusammen und werden auch in Zukunft nicht das Trennende, sondern die Gemeinsamkeiten betonen und weiterentwickeln.

Unsere Vision: Das 50-jährige Kirchenjubiläum in einer renovierten Kirche feiern!

des Altarraumes und eine flexible Bestuhlung, die es erlaubt, bei Bedarf die frontale Sitzordnung aufzuheben.

Die Steißlinger Friedenskirche wurde mit viel persönlichem Einsatz von den ersten evangelischen Christen erbaut, die nach dem Krieg in die Gegend zwischen Bodensee und Hegau kamen. Sie wurde Mittelpunkt und Heimat für die evangelischen Gemeindeglieder in Steißlingen, Eigeltingen und Orsingen, von denen viele Flucht und Vertreibung hinter sich hatten. Damals mit einfachen Mitteln erbaut, verlangt unsere Kirche nach 50 Jahren an vielen Stellen nach Reparaturen und Modernisierung. Dem Idealismus der Gründungsväter und -mütter verpflichtet, wollen wir, dass unsere Kirche uns und zukünftigen Generationen ein schöner und ansprechender Ort der Begegnung und des Gebets bleibt.

Dieses Konzept hat den Oberkirchenrat in Karlsruhe überzeugt. Die Landeskirche ist bereit, unser Vorhaben mit einer 40 %-igen Baubeihilfe und 20 % Darlehen zu unterstützen! Das ist für uns eine einmalige Chance und die Voraussetzung, unser Projekt in Angriff nehmen zu können. Zugleich bedeutet es eine große Herausforderung für unsere kleine Gemeinde: 40% der Bausumme von insgesamt 250.000 € müssen wir als Eigenanteil erbringen.

Im Zusammenhang der anstehenden Sanierungsmaßnahmen (Dachsanierung, Wärmedämmung, Erneuerung der Elektrik etc.) soll der Innenraum eine zukunftsgerichtete Umgestaltung erfahren, die geänderte oder neu hinzugekommene Möglichkeiten gottesdienstlichen Feierns aufgreift. Hierzu gehören eine Vergrößerung

Unsere Herausforderung: 100.000 € Spenden sammeln! Und welches Grundstück verkauft ihr?, fragt der Pfarrer einer Nachbargemeinde, als wir von unseren Renovierungsplänen sprechen. Wir haben kein Grundstück. Auch keine anderen Rücklagen. Wir haben ein gutes Konzept, wir haben das Jubiläum, wir haben die Unterstützung der Landeskirche: Karlsruhe gibt 150.000 €, wenn wir 100.000 € haben. Das ist der kairos, der so nicht wiederkommt, den wir ergreifen müssen! 23

Im Dezember 2004 gründen wir einen Finanzierungskreis, ein fünfköpfiges Gremium, das sich Gedanken macht, wie wir innerhalb von zwei Jahren an 100.000 € Spenden kommen. Unser Konzept steht auf drei Säulen: gute Öffentlichkeitsarbeit, Spendenbriefe, attraktive Veranstaltungen. Und dann geht es los! Die Firma Klatt DesignConnection aus Wahlwies entwirft für uns unentgeltlich (!) einen Flyer. Gedruckt wird er zum Materialpreis von der Druckerei Berchtold in Singen. Wir führen viele Gespräche, versuchen Unterstützungsmöglichkeiten vorzusondieren. Wir nehmen Kontakt zur Presse auf. Mitte März 2005 ist es soweit: Wir können die Spendenaktion für unser Projekt Friedenskirche 2007 offiziell eröffnen, mit Gottesdienst, anschließendem Empfang und Pressekonferenz. Der Start ist gelungen!

Ende März sucht ein verheerendes Gewitter Steißlingen heim. Durch Hochwasser und Schlammmassen wird der halbe Ort verwüstet, es gibt ein Todesopfer. Steißlingen hat erst einmal andere Sorgen. Mitte Mai 2005 verschicken wir 1.200 Briefe an alle erwachsenen Gemeindemitglieder. Ausgetragen werden sie von den AusträgerInnen des Gemeindebriefes. Es folgen Briefe an Geschäftsleute und Firmen am Ort und in der Umgebung und Briefe an weitere Persönlichkeiten, die wir für unser Projekt gewinnen wollen. Die Resonanz ist groß: Viele Menschen unterstützen uns und machen uns Mut. Wir bekommen Spenden von Privatleuten zwischen 5 € und 1.000 €; einige richten Spendendaueraufträge ein. Die politische Gemeinde Steißlingen sagt uns großzügige Unterstützung zu, später auch die

Gemeinden Orsingen-Nenzingen und Eigeltingen. Die Presse berichtet immer wieder, unser Vorhaben wird weithin bekannt. Im zweiten Halbjahr 2005 konkretisieren wir die Planung von Veranstaltungen zugunsten unserer Kirchenrenovierung. Zunächst sind dies – im November 2005 ein Mundart­ abend mit Sigrun Mattes – im Dezember 2005 ein Stand auf dem Steißlinger Weihnachtsmarkt – im Januar/Februar 2006 eine Freitagabend-Tanzreihe – im März 2006 ein Benefizkonzert mit dem Allegro Frauenchor Steißlingen – im April 2006 ein großer Flohmarkt in der Steißlinger Seeblickhalle – im Mai 2006 ein Muttertagskonzert mit dem Vokalensemble Biengen Inzwischen plant die katholische Kirchengemeinde Steißlingen die Innenrenovierung ihrer Kirche und gründet einen Kirchenbauverein. Wir wollen uns nicht gegenseitig Konkurrenz machen, sondern Synergieeffekte nutzen und gemeinsam dafür sorgen, dass die Kirchen in unserem Dorf schöner werden.

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Es kommt uns jetzt zugute, dass wir als Diasporagemeinde immer versucht haben, aktiv die Ökumene zu pflegen und uns auch ins dörfliche Leben einzubringen. Wir sind inzwischen so weit im öffentlichen Bewusstsein, dass Steißlinger Vereine uns ihre Unterstützung und Mithilfe zusagen. Katholiken kommen zum Pfarramt und sagen: Das, was wir für unsere (katholische) Kirche gespendet haben, geben wir auch euch, ihr habt‘s auch nötig. Ein großes Zeichen für die Ökumene und für die Verbundenheit in unserem Dorf setzen die nächsten beiden Benefizveranstaltungen: Im Mai 2006 lädt der Musikverein Steißlingen anlässlich seines 150-jährigen Bestehens das Polizeimusikkorps Baden-Württemberg zu einem GalaKonzert ein, dessen Erlös zu gleichen Teilen für die Renovierung der evangelischen und der katholischen Kirche bestimmt ist. Im Juni 2006 organisieren unter dem Motto Vereine für Kirchen 17 Steißlinger Vereine ein großes Benefizkonzert mit Uwe Sauter und den Neuen Böhmerländern für die Renovierung ihrer beiden Kirchen! 25

Ein weiterer Glücksfall: Die Aktion Aus 2 mach 3 der Stiftung KiBa. Die Stiftung KiBa hat es sich zum Ziel gesetzt, kirchliche Baudenkmäler vor dem Verfall zu retten. Wir bewerben wir uns mit unseren noch nicht ganz 50 Jahren für die Aktion Aus 2 mach 3 – und können mit unserem Konzept überzeugen: Als eine von deutsch-

landweit 20 Gemeinden (eine von vier in den alten Bundesländern) werden wir für die Teilnahme ausgewählt! Aus 2 mach 3 bedeutet: Jede Spende, die zwischen April und September 2006 auf das Sonderkonto bei der Stiftung KiBa mit dem Stichwort Steißlingen eingeht, wird mit 50% bonifiziert. Aus 2 Spendeneuro werden so für uns 3, aus 10 € werden 15 €, aus 100 € werden 150 € … Der Erfolg bei dieser Bewerbung freut und motiviert uns sehr – und auch unsere Spender, denen wir nach einem Jahr einen zweiten Brief senden, diesmal mit Überweisungsträger der Stiftung KiBa und Einladung zu den Benefizveranstaltungen. Auch die Presse berichtet wieder – im Wochenblatt schaffen wir es auf die Titelseite.

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Baubeginn Januar 2007 Unsere Anstrengungen haben sich gelohnt! Unser Projekt Friedenskirche 2007 ist weit über unsere Gemeinde hinaus bekannt geworden und findet viel Unterstützung. Wir sind noch einmal mehr Kirche im Dorf geworden. Die Finanzierung steht! 1. Spendenkonto Steißlingen: 49.306,09 € 2. Stiftung KiBa gesamt: 64.460,16 € (setzt sich zusammen aus Spenden bei der Stiftung KiBa April bis September 2006: 44.460,16 € + Bonus (50% für 40.000 €) 20.000 €)

Anfang Januar 2007 verabschieden wir uns mit einem Konzert aller musikalisch Tätigen unserer Gemeinde vom Kirchenraum in seiner derzeitigen Gestalt. Die Kirche wird ausgeräumt, und aus dem Kirchenraum wird eine Baustelle. Bis Ende Juni 2007 sollen die Renovierungsarbeiten abgeschlossen sein, so dass wir zeitnah zum Jahrestag der Einweihung (30.6.1957) wieder in unsere renovierte Kirche einziehen können. Christiane Müller-Fahlbusch

Es stehen uns an Spendengeldern, die wir als Eigenanteil einbringen können, insgesamt 113.766,25 € zur Verfügung.

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Gedanken des Architekten zur Konzeption der Renovierung

Die künstlerische Ausgestaltung der Kirche

Der ursprüngliche Raumeindruck der Friedenskirche wurde bestimmt durch eine etwas unglückliche Deckenkonstruktion, deren dumpfer Ausdruck kein heiteres und freies Raumgefühl aufkommen ließ. Daher war es bei der Renovierung der Friedenskirche eine wesentliche Gestaltungsaufgabe, mit der neuen, in sechs gewölbte Schalen gegliederten Lamellendecke aus Weißtanne einen bewegten und bewegenden Raumeindruck zu erzeugen, wobei sich der Kirchenraum unterstützt durch die indirekte Beleuchtung emotional zu öffnen und zu weiten scheint. Auch die Neugestaltung des Altarbereiches und der Empore tragen entscheidend dazu bei, dass der Kirchenraum in Verbindung mit der umlaufenden Sitzbank und der freien Bestuhlung im Zentrum deutlich großzügiger und homogener wirkt und zudem vielfältiger nutzbar ist.

Nach Abschluss der Arbeiten am Gebäude und am Kirchenraum steht die künstlerische Ausgestaltung unserer Kirche mit Kreuz, Leuchter und den Prinzipalstücken (Altar, Ambo, Taufbecken) noch aus. Sie soll bald nach dem Jubiläum erfolgen. Wir freuen uns, in dem Bildhauer und Maler Tobias Kammerer aus Rottweil einen vielfach ausgezeichneten Künstler für diese anspruchsvolle Aufgabe gefunden zu haben.

Der zurückhaltend und dennoch fein wirkende Bodenbelag aus Sandstein lebt wie die sonst verwendeten natürlichen Werkstoffe (Holz, Putz, Metall und Glas) durch seinen ehrlichen materialbedingten Eigenausdruck und bedarf wie diese keiner weiteren Veredelung. In dieses gestalterische Gesamtkonzept fügt sich in hervorragender Weise der überzeugende Entwurf des Künstlers Tobias Kammerer für die Prinzipalstücke ein, die aus Aluminium gefertigt werden sollen, einem Werkstoff mit regionaler Tradition, sozialer Verankerung und sehr differenzierten Ausdrucksmöglichkeiten. Im Außenbereich ist es ein wichtiges Anliegen, die Friedenskirche mit ihrer Eingangssituation und Platzgestaltung wieder eindeutig zum Mittelpunkt des Gemeindezentrums auf dem Areal zu machen und in Bezug auf die Wegeführung mit klarer Geste an das Dorf anzuschließen. Bereits vom öffentlichen Straßenraum aus soll die Friedenskirche mit ihrem Hauptzugang einladend wirken und die Neugierde der Passanten und die einstimmende Vorfreude der Besucher wecken. Ingo Bucher-Beholz Architekt BDA/BWB

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Beim Jubiläum werden wir die Entwürfe Tobias Kammerers für unsere Kirche im Modell besichtigen können. Bis diese verwirklicht sind, werden wir Provisorien als Kreuz, Altar und Lesepult haben – als Platzhalter für die späteren Kunstwerke in unserer Kirche.

Tobias Kammerer (geb. 1968; studierte Malerei und Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste Wien; zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen)

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An der Renovierung beteiligte Handwerker und Firmen Erläuterungen des Künstlers zu den Prinzipalstücken für die Friedens­ kirche in Steißlingen: Das verwendete Material soll wegen seines regionalen Bezuges und seiner besonderen Gestaltungsmöglichkeiten Aluminium sein. Das Kompositionsprinzip folgt dem Dreieck. Die Dreiecksform deutet auf die Dreieinigkeit hin. Die Form des Altares erinnert an ein Tor. Auch Ambo und Osterleuchter bilden diese torartige Öffnung aus. Die Oberfläche des Aluminiums soll auf der Außenseite der Prinzipalien patiniert, also matt geätzt erscheinen. Bei allen Stücken soll die Innenhaut glatt poliert werden. Der Silberglanz des Aluminiums reflektiert das Licht der Umgebung, so versinnbildlicht er den Abglanz der Herrlichkeit.

Auch beim Kreuz als zentralem Punkt der Komposition spiegelt sich die Dreifaltigkeit in der Dreiecksform. Der Holzbalken, der das Kreuz trägt, bildet ein Zitat an die Architektur. Er ist aus dem gleichen Material wie die Decke und markiert die Mittelachse des Raumes. Die Paramente in den liturgischen Farben sollen rechts vom Kreuz ihren Platz finden. Das Taufbecken wird mit einer Halterung in der Chorapsis befestigt. Die integrierte Glasschale kann bei einer Taufe herausgenommen und auf dem Altar platziert werden. Vor dem Gebäude soll eine Außenstele quasi wie eine Landmarke den Blick auf sich ziehen. Betritt man das Gebäude, begegnet man zunächst einem Kerzenhalter, der eine Gelenkfunktion hat und die optische und thematische Verbindung zu den verschiedenen Orten im Kirchenraum herstellt. Der Kerzenhalter trägt eine Aluschale, die mit Sand gefüllt wird, darin können dann dünne Stabkerzen gesteckt werden.

Architektur: Ingo Bucher-Beholz, Freier Architekt BDA/DWB 78343 Gaienhofen Projektleitung: Martin Frey, Dipl.Ing. (FH) Fachplanung: Bernhard Mahler, Konstanz (Beleuchtung) Dietmar Hürrig, Konstanz (Elektro) Martin Rimmele, Überlingen (Heizung) Hans P. und Jürgen Becker, Konstanz (beratende Bauingenieure)

Lothar Benzinger, Steißlingen, Heizung und Sanitär Fa. Czinczoll, Singen, Gerüstbau Mathias Georgius, Steißlingen, Elektroarbeiten Fa. Hirt-Kähler Gartenbau, Eigeltingen-Honstetten, Außenanlage Gebr. Klotz, Steißlingen, Schlosserarbeiten Roland Lunow, Allensbach, Malerarbeiten Christian Massler, Öhningen, Holzbau Fa. Stein-Stocker, Engen-Welschingen, Bodenbelag Sandstein Fa. Welte-Joos, Überlingen, Fußbodenbelag Empore

Tobias Kammerer M.A.

Modell des Altarraums

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Ein Blick auf die Baustelle Herr Massler und seine Mitarbeiter montieren die neue Holzdecke aus gewachster Weißtanne an die alte vorhandene Deckenkonstruktion.

Immer wieder sonntags nach dem Gottesdienst gibt es Baustellenbesichtigungen, bei denen die Fortschritte in Augenschein genommen werden.

Die Kanzel, die aus dem Hause Graf Douglas stammt, kommt wieder dorthin zurück.

Der fertig gestaltete, aber noch leere Altarraum.

Ein Hoch auf die gelungene Decke!

Die Kirche erhält eine Fußbodenheizung.

Innen und außen wird fleißig gestrichen.

Die ersten Bodenplatten des Sandsteinsbodens werden verlegt.

Der Fußboden erhält eine dicke Wärmedämmung. Herr Georgius verlegt Stromleitungen.

Dank Die Renovierung unserer Kirche anzugehen war für unsere Kirchengemeinde eine große Herausforderung, die wir ohne vielfältige Unterstützung nicht hätten bewältigen können. So danken wir anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Friedenskirche und der gelungenen Renovierung

denen, die die Kirche damals erbaut haben, für ihren Mut und ihr Vertrauen, das uns Vorbild war und bleibt der Evangelischen Landeskirche in Baden für die Genehmigung, die finanzielle Förderung und Begleitung unseres Projektes allen Spenderinnen und Spendern aus unserer Kirchengemeinde, aus unserem Ort und darüber hinaus unseren katholischen Mitchristen für die ökumenische Verbundenheit und vielfältige Unterstützung den Gemeinden Steißlingen und Orsingen-Nenzingen, stellvertretend Herrn Bürgermeister Ostermaier und Herrn Bürgermeister Volk, für ihre großzügigen Zuschüsse der Gemeinde Eigeltingen, vertreten durch Herrn Bürgermeister Bendl, für ihre Unterstützung allen Geschäftsleuten und Firmen, die gespendet haben

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der Stiftung KiBa (Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland) für die Aufnahme in die Aktion „Aus 2 mach 3“ und die damit verbundene finanzielle Förderung den Steißlinger Vereinen, die uns mit großartigen Konzerten unterstützten und uns das Gefühl gaben, dass unser Vorhaben auch Sache des ganzen Dorfes ist allen, die Benefizveranstaltungen organisiert oder besucht haben den Mitgliedern des Finanzierungskreises, die sich von der Höhe der zu erbringenden Spendensumme nicht abschrecken ließen unseren Architekten, Herrn Bucher-Beholz und Herrn Frey, für ihr feinsinniges Herangehen an ihre Aufgabe, für ihre großartigen Ideen und die verantwortungsvolle Begleitung des Bauprozesses allen Handwerkern für die gute, sorgfältige und zügige Umsetzung und die kreative Zusammenarbeit

Herrn Tobias Kammerer, der sich mit Freude und Sensibilität auf die anspruchsvolle Aufgabe der künstlerischen Ausgestaltung unserer Kirche eingelassen hat allen, die den langen Prozess der Kirchenrenovierung mit Rat und Tat, mit Ermutigung und mit konstruktiver Kritik begleitet haben den Firmen Klatt DesignConnection aus Wahlwies und Druckerei Berchtold aus Singen für die ansprechende Gestaltung und den Druck dieser Festschrift Herrn Heinz Sauer, Frau Magdalena Schwald und Frau Elisabeth Maier für den Blick in ihre Fotoalben denen, die einfach immer da sind, wenn man sie braucht allen, die uns auch in Zukunft verbunden bleiben und uns unterstützen werden!

Für den Kirchengemeinderat Christiane Müller-Fahlbusch, Vorsitzende

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