Von der Idee bis zur Kapitalbeschaffung

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Author: Brigitte Beck
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Unternehmen gründen Band 0703: Unternehmen gründen

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Von der Idee bis zur Kapitalbeschaffung

von Dr. Jürgen Kaack Seite 1

BAND 0703

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INHALTSVERZEICHNIS

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Unternehmensgründung (Einleitung)

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Teil I: Systematische Vorgehensweise zur Unternehmensgründung 1. Bandbreite unterschiedlicher Geschäftsmodelle 2. Viele Geschäftsmodelle erfordern Partnerschaften 3. Das richtige Geschäftsmodell kann über den Erfolg entscheiden 4. Die Vertriebsplanung steht gleichwertig neben der Produktplanung 4.1 Direktvertrieb 4.2 Indirekter Vertrieb 4.3 Multiplikatoren 4.4 Multilevel-Vertrieb (Strukturvertrieb) 4.5 Empfehlungsvertrieb (virales Marketing) 4.6 Online-Vertrieb 5. Finanzierung, oft der Proof of Concept 6. Sorgfalt in der Vertragsgestaltung erspart spätere Probleme 7. Externe Hilfe von erfahrenen Unternehmern kann helfen

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Teil II: Fallstudie zur Unternehmensgründung 1. Der Ausgangspunkt: kein geborener Unternehmer 2. Erste Unternehmensgründung als Angestellter 3. Die erste „eigene“ Gesellschaft 4. Die Konkretisierung einer Idee 5. Von der Idee zur Geschäftsplanung 6. Die Planung des Produktportfolios 7. Informationsbeschaffung für den Business Case 8. Ohne Business Case geht es nicht weiter 9. Vorbereitung und Durchführung der Ausschreibung ... 10. Die Umsetzung geht nicht ohne Entwicklung einer Organisation 11. Die verschiedenen Elemente münden in einen Business Plan 12. Wie lässt sich das Vorhaben am besten finanzieren? 13. Die Wahl des Finanzierungspartners ist eine wichtige Weichenstellung 14. Erste Schritte zur Ansprache von Investoren 15. Überlegungen zur richtigen Gesellschaftsform 16. Das Gründungsteam formiert sich 17. Die persönliche Belastung wächst mit der Annäherung an die Gründung 18. Überlegungen zur Besetzung des Aufsichtsrates 19. Die Gründung – Point of no Return 20. Die operativen Vorbereitungen beginnen 21. Beschlüsse zur Kapitalerhöhung 22. Kapitaleinwerbung mit kleinen Hindernissen 23. Einbindung von Geschäftspartnern zur Vorbereitung ... 24. Abschluss der ersten Kapitalerhöhungsrunde 25. Aktien und Aktienbuch 26. Die Organisation bewährt sich 27. Die Einbindung neuer Mitarbeiter in eine neue Organisation 28. Der Aufbau einer Marktbekanntheit ist notwendig 29. Die Vorbereitung und die Durchführung von Aufsichtsratssitzungen ... 30. Die Markteinführung braucht Marketing und Vertrieb 31. Mit der Gewinnung von Neukunden bewährt sich das Unternehmen ... 32. Die erste ordentliche Hauptversammlung ... 33. Weitere Entwicklungen

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Teil III: Erfahrungen aus der Fallstudie 1. Unternehmensplanung und Vorbereitung 2. Gesellschaftsform 3. Zusammenstellung des Gründungsteams 4. Vorbereitung einer Kapitalmaßnahme 5. Investorenwahl für die Umsetzung von Innovationen 6. Mittelverwendung 7. Zusammenarbeit mit Investoren

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Mindmap einer Gründung

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Der Autor

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Unternehmen gründen Von der Idee bis zur Kapitalbeschaffung von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack Die Gründung eines neuen Unternehmens ist ein komplexes Unterfangen, bei dem unterschiedliche Aufgaben nahezu zeitgleich erledigt werden müssen. Neben der eigentlichen Ausgestaltung des späteren Leistungsangebotes mit Produktgestaltung, Wettbewerbsvorteilen und der Preisgestaltung sowie der Erstellung eines aussagekräftigen Business Plans sind organisatorische Aufgaben wie die Festlegung der späteren Rechtsform zu erledigen. Der Business Plan muss einerseits wahrheitsgemäß die Situation beschreiben, andererseits visionär die weitere Entwicklung aufzeigen. Es empfiehlt sich, die Planung bottom-up, vom einzelnen Produkt ausgehend zu gestalten und die Top-down-Betrachtung vom Gesamtmarkt aus zu Plausibilitätszwecken durchzuführen. In Teil I wird die Vorgehensweise zur Vorbereitung einer Unternehmensgründung beschrieben. Teil II beschreibt in einer Fallstudie die Vorgänge in Verbindung mit einer konkreten Unternehmensgründung im Telekommunikationsmarkt. Teil III zieht die Erfahrungen aus der Fallstudie.

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Teil I Systematische Vorgehensweise zur Unternehmensgründung 1. Bandbreite unterschiedlicher Geschäftsmodelle Mit dem Geschäftsmodell wird beschrieben, wie die Geschäftsidee umgesetzt werden soll. Bei dem Konzept für ein innovatives Produkt kann das Geschäftsmodell im Verkauf der Konstruktion bestehen, der Abgabe der Idee gegen eine Lizenz, aber auch der Eigenentwicklung und -vermarktung. Die Entwicklung kann wiederum mit eigenen Ressourcen oder als Auftragsentwicklung erfolgen. Das Gleiche gilt für die Produktion bzw. Leistungserbringung. Auch die Vermarktung ist durch einen eigenen Vertrieb, durch Vertriebspartner auf der Basis eines Kooperationsmodells oder durch Abgabe an ein anderes Unternehmen möglich. Die grundsätzlichen Möglichkeiten sind somit fast immer: ●

Verkauf einer Idee oder eines Konzeptes gegen eine einmalige Kaufsumme



Abschluss von Lizenzvereinbarungen und Partizipation am Produkterfolg



Vereinbarung von Kooperationsverträgen (Partnermanagement)



Zusammenarbeit mit Outsourcing-Partnern für Entwicklung, Produktion und Vertrieb



Eigenrealisierung



Mischmodelle mit teilweise eigener Wertschöpfung

Jede Form der Umsetzung bedeutet für ein Unternehmen andere Randbedingungen. In der Regel sind die Höhe der Investitionen und die Wertschöpfungstiefe umgekehrt proportional zum möglichen Erlös. Wenn die Mittel für Vorlaufkosten oder der Zugang zur Zielgruppe nicht vorhanden sind, können trotzdem Geschäftsmodelle mit geringerer Wertschöpfung wirtschaftlich sinnvoll sein. Am Beispiel des Angebots der mobilen Kommunikation lassen sich die unterschiedlichen Geschäftsmodelle leicht verdeutlichen: ●

Die höchste Wertschöpfung erzielt der Netzbetreiber, mit Investitionen in Milliardenhöhe und Payback-Zeiten oberhalb von sieben Jahren. Seite 5

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Der virtuelle Netzbetreiber (enhanced MVNO) kauft den Zugang über die Funkstrecke beim Mobilfunknetzbetreiber zu und realisiert seinen eigenen Dienst. Die Investitionen liegen im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich und die Payback-Zeiten bei ca. drei Jahren.



Der Service Provider kauft den fertigen Mobilfunkdienst zu und veredelt das Vorprodukt mit eigenen Tarifen und Mehrwertdiensten. Die Investitionen liegen im zweistelligen Millionenbereich. Der Service Provider ist Vertragspartner des Kunden und übernimmt das Inkasso.



Der Reseller verkauft ein fertiges Produkt im Namen des Netzbetreibers und erhält eine Marge auf den Umsatz.



Der Vertriebspartner tritt als Vermittler auf und erhält in der Regel eine einmalige Abschlussprovision. Er hat meistens keine Investitionen zu tätigen.

Alle Ausprägungen haben ihre Berechtigung und bieten dem jeweiligen Anbieter die Möglichkeit zur Existenzsicherung. Es ist also nicht für ein Produkt im Vorfeld zu definieren, welches Geschäftsmodell „richtig“ und erfolgreich ist. Ein Geschäftsmodell muss zum Unternehmen und seiner Situation passen, darf nicht zu hohe Risiken mit sich bringen, soll aber eine realistische Chance auf ausreichende Erträge haben.

2. Viele Geschäftsmodelle erfordern Partnerschaften Bei den meisten Geschäftsmodellen ist die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen im Sinne eines Partnermanagements und einer Aufteilung der Aufgaben unumgänglich. Strategische Partnerschaften können den Einstieg erleichtern und helfen, das Risiko abzufedern. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass ein strategischer Partner erheblichen Einfluss auf die Entwicklung und Ausrichtung des Geschäftes nimmt. Wenn die eigene Geschäftstätigkeit für den Partner langfristig hohe Bedeutung hat, ist eine mittelfristige Übernahme durch einen Trade Sale eine wahrscheinliche Option. Aber nicht nur bei strategischen Partnern sind schon in der Planungsphase eine Vorauswahl zu treffen und Kooperationsgespräche zu führen. Entwicklungs-, Produktionsund Vertriebskooperationen können die Entwicklung des Unternehmens deutlich beschleunigen. Es gehört daher mit zur Ausgestaltung des Geschäftsmodells, Wertschöpfungsstufen zu identifizieren, für die ein Kooperation gebraucht wird, ein Modell mit den Anforderungen an einen Partner zu erstellen und geeignete Partner zu identifizieren. Ein wirtschaftlich atSeite 6

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traktives Geschäftsmodell, das Partner zur Verwirklichung braucht, die es gar nicht gibt oder die nicht gefunden werden können, ist sinnlos und nicht umsetzbar. Ebenso wichtig ist, dass identifizierte Partner auch gewonnen und gebunden werden. Dies wird nur dann erfolgreich sein, wenn beide Parteien aus der Zusammenarbeit einen Vorteil ziehen können. Daher kann die Ausgestaltung eines erfolgreichen Geschäftsmodells nicht bei einem der Partner aufhören, vielmehr müssen alle für die vollständige Leistungserbringung erforderlichen Partner mit einbezogen werden. Je nach Bedeutung eines Partners für den Erfolg stellt die Bindung einen entscheidenden Erfolgsfaktor dar. Daher sind in der Ausgestaltung des Geschäftsmodells auch gegenseitige Beteiligungen oder Joint Ventures zu berücksichtigen.

3. Das richtige Geschäftsmodell kann über den Erfolg entscheiden Die sorgfältige Ausgestaltung des Geschäftsmodells unter Beachtung der gesamten Wertschöpfungskette ist somit eine äußerst wichtige Voraussetzung für den späteren unternehmerischen Erfolg. Anschließend muss ein Business Plan die wirtschaftliche Tragfähigkeit untermauern. Wenn das Ergebnis im ersten Anlauf nicht zufrieden stellend ist, müssen die einzelnen Elemente des Geschäftsmodells so lange variiert werden, bis ein Ergebnis erreicht wird, das zu hohe Risiken vermeidet und trotzdem positive Ergebnisse ermöglicht. Die Unternehmensplanung für ein als tragfähig erkanntes Geschäftsmodell sollte bottum-up von den Kundenbedürfnissen und dem Produktnutzen ausgehen; sie braucht für die Ermittlung von Absatzpotenzialen eine zum Geschäftsmodell passende Zielgruppensegmentierung und ausreichende Informationen zum Kaufverhalten, zur Kaufmotivation und zu anderen Einflussfaktoren (Zielgruppenanalyse). Bei einem Geschäftsmodell, das Kooperationspartner einbezieht, muss der Deckungsbeitrag oder die Marge für den Partner berücksichtigt werden. Bei einer größeren Anzahl von Partnern sinken in der Regel die eigene Wertschöpfung und die erzielbare Ergebnismarge. Diese kurze Diskussion zeigt, dass der Ausgestaltung des Geschäftsmodells fast immer eine sehr hohe Bedeutung zukommt und es besser ist, das Geschäftsmodell im Vorfeld, vor den ersten Investitionen und Festlegungen sorgfältig zu prüfen und Szenarien durchzuspielen. So können unternehmerische Risiken reduziert und die Erfolgschancen erhöht werden. Seite 7

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4. Die Vertriebsplanung steht gleichwertig neben der Produktplanung Neben den formalen Aspekten sollte besonderes Augenmerk auf die Gestaltung der Vertriebsstrategie und der Vertriebskanäle gelenkt werden, da der spätere Erfolg wesentlich vom optimalen Vorgehen im Vertrieb abhängt. Die Planung sollte bei den potenziellen Kunden beginnen und über eine Clusterung zu Zielgruppen zu einer Detailanalyse führen. Die Zielgruppenanalyse kann in Verbindung mit einer Markt- und Wettbewerbsanalyse wichtige Aufschlüsse liefern, welche Vertriebsstrategien Erfolg versprechend sind und welche Vertriebskanäle gewonnen werden müssen. Der Vertrieb, d.h. die Funktion, die eine Leistung des Unternehmens an entsprechende Kunden verkauft, kann in unterschiedlicher Form organisiert werden. Bekannte Formen sind der Direktvertrieb und der indirekte Vertrieb. Daneben gibt es auch noch den Multilevel-, sowie den Online-Vertrieb, die Vermarktung über Empfehlungen und schließlich gehören auch Multiplikatoren mit zu den Vertriebsformen. Keine der Vertriebsformen ist von Haus aus besonders gut oder besonders ungeeignet. Wohl gibt es aber für ein spezielles Produkt und spezielle Zielgruppen besser oder schlechter geeignete Formen; oft werden mehrere parallel genutzt. In diesen Fällen ist die Vertriebskanalsteuerung besonders gefordert, damit man Kanalkonflikte möglichst vermeidet oder im Falle eines Falles lösen kann. Bei der Aufstellung des Vertriebes sollte von vornherein (meistens in Verbindung mit der Ausgestaltung des Geschäftsmodells) festgelegt werden, welche Kriterien für die Beurteilung herangezogen werden sollen: ●

Kosten je Abschluss



Fixkosten, die auch ohne Kunden anfallen



Vorlaufzeiten und Rüstkosten



Aufwand für Schulung und Ausstattung



Einfluss auf die Vertriebsorganisation



Reaktionsgeschwindigkeit



Qualifikation



Marktdurchdringung



Kundennähe



Imagewirkung

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Viele Entscheidungen in Verbindung mit dem Vertrieb sind kostenorientiert, und dies ist gerade bei Produkten mit niedriger Marge auch kaum anders darstellbar. Aber die Kosten können auch nicht die einzigen Kriterien bleiben. Der „teuerste“ Vertrieb ist für jedes Unternehmen der erfolglose Vertrieb.

4.1 Direktvertrieb Mit Direktvertrieb bezeichnet man alle Vertriebsformen, bei denen Produkte auf Namen und Rechnung des Unternehmens verkauft werden. Die Kundenbeziehung ist also eine „direkte“, und der Kaufvertrag kommt zwischen dem Unternehmen, zu dem der Vertrieb gehört, und dem Kunden zustande. Der Direktvertrieb kann auf mehrere Weisen organisiert werden: ●

Außendienstorganisation



Telefonverkauf



Online-Shops



Ladengeschäfte



Katalogverkauf

Der Einfluss auf die Vertriebsorganisation ist beim Direktvertrieb am höchsten und direktesten, da die Vertriebsmitarbeiter weisungsgebunden sind. Der Direktvertrieb arbeitet üblicherweise exklusiv, so dass über diesen Kanal keine Wettbewerbsprodukte angeboten werden. Die Erfolgskontrolle ist ebenfalls unmittelbar, da zumindest grundsätzlich erfasst werden kann, wie viele Kundenkontakte gemacht, wie viele Angebote erstellt wurden, wie hoch die Abschlussquote ist und wie viele Reklamationen oder Kündigungen später eingehen. Da es sich beim Direktvertrieb meistens um eigene Mitarbeiter handelt, sind die Fixkosten im Direktvertrieb im Durchschnitt am höchsten. Die Mitarbeiter beziehen ein Gehalt (wenn auch normalerweise mit hohem erfolgsabhängig variablen Anteil), es müssen Sozialabgaben gezahlt werden, und die Mitarbeiter müssen gesteuert und qualifiziert werden. Unter anderem aus diesem Grunde setzen viele Unternehmen neben dem Direktvertrieb auf indirekte Vertriebsformen. In einigen Branchen wird es, unabhängig von der Wirtschaftlichkeit, gar nicht möglich sein, in erforderlichem Maße Vertriebsmitarbeiter zu finden und einzustellen. Seite 9

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Beim Direktvertrieb sind die Führung und die Motivation der Mitarbeiter von besonders hohem Stellenwert. Nur ein motivierter und von seinem Unternehmen und den Produkten überzeugter Vertriebsmitarbeiter kann auch erfolgreich Kunden überzeugen. Dies erfordert besonderen Einsatz und Aufmerksamkeit der Vorgesetzten. Wenn die Performance eines Vertriebspartners (z.B. eines Handelsvertreters) nachlässt, kann ihm auf relativ einfachem Wege gekündigt werden. Bei einem angestellten Mitarbeiter ist dies nicht so einfach, und außerdem hat das Unternehmen meist schon in ihn investiert. Also wird man versuchen, den Mitarbeiter wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Ein wichtiges Instrument zur Motivation ist die Transparenz von Zielen und Abläufen im Unternehmen. Ein Außendienstmitarbeiter ist in der Regel viel unterwegs und nicht im Unternehmen präsent. Um die notwendige Einbindung sicherzustellen, sind regelmäßige Vertriebsmeetings und andere Formen des Feedbacks wichtige Kommunikationsinstrumente. Dass auch ein Vertriebsmitarbeiter regelmäßig ein Feedback zu seiner Arbeitsleistung braucht, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Neben konstruktiver Kritik kann es durchaus auch Lob sein. Neben hohen Erfolgsprämien gehört schließlich das Lob eines Vorgesetzten immer noch zu den wichtigsten Motivatoren. Die Erfahrung von eigenen Vertriebsmitarbeitern kommt nicht nur bei der Akquisition selber zum Tragen. Da die Außendienstmitarbeiter ihre Kunden meist langjährig kennen, wissen sie auch um Kundenbedürfnisse, Kaufgewohnheiten, Nutzungsverhalten, Anforderungen und Wünsche. Diese Erfahrungen können Gewinn bringend im Rahmen der Produktgestaltung (Product Launch) eingesetzt werden. Es ist daher durchaus hilfreich, Vertriebsmitarbeiter zeitweise in die Arbeitsteams zur Produktgestaltung mit einzubeziehen.

4.2 Indirekter Vertrieb Beim indirekten Vertrieb ist der Kontakt zwischen dem Verkäufer einer Ware oder Leistung und dem Käufer, wie der Name schon sagt, indirekt. Die Vertriebsorganisation agiert als Vermittler und sucht für das Unternehmen passende Kunden. Der Kaufvertrag kommt dann zwischen Kunde und Eigentümer der Ware zustande. Für den Vermittler ist das Geschäft und der Kontakt mit dem Kunden mit dem Abschluss des Kaufvertrages in der Regel beendet. Der indirekte Vertrieb erhält seine Vergütung – meist in Form einer Provision – vom Verkäufer.

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Da der indirekte Vertrieb nicht zu dem Unternehmen gehört, das die Ware oder Dienstleistung verkauft, sind die Mitarbeiter keine Angestellten, so dass die Fixkosten in der Regel niedriger sind als beim Direktvertrieb. Durch die Suche nach geeigneten indirekten Vertriebsorganisationen kann eine Vertriebsorganisation meist schnell in der Fläche aufgebaut werden. Typische indirekte Vertriebsorganisationen sind: ●

Handelsvertreter



unabhängige Vertriebsorganisationen



andere Unternehmen mit komplementärem Produktangebot

Im Gegensatz zum Direktvertrieb ist ein Vertriebspartner nicht weisungsgebunden und daher nur über Anreizsysteme steuerbar. Da der indirekte Vertrieb in der Regel mehrere Produkte parallel vertreibt, hängt die Prioritätssetzung manchmal allerdings von Einflüssen ab, die nicht durch das Unternehmen steuerbar sind. Auch die Qualifikation der Vertriebsorganisation kann durch Schulungen nur begrenzt beeinflusst werden. Je enger die vertragliche Bindung gestaltet wird, desto größer wird die Gefahr, dass es zur Arbeitnehmerüberlassung kommt. Auf diesem Wege könnte ein Unternehmen ganz ungewollt zu neuen Mitarbeitern kommen. Obwohl die Vertriebspartner zunächst einmal unabhängig vom Unternehmen arbeiten und nur über einen Vertriebspartnervertrag gebunden werden, kann eine Beendigung der Zusammenarbeit für das Unternehmen teuer werden. Jeder Vertriebspartner, der einen Status als Handelsvertreter hat, hat bei Kündigung durch das Unternehmen einen Anspruch auf eine Abfindung, die sich nach dem Durchschnitt der gezahlten Provisionen in den vorangegangenen Jahren und der Dauer der Zusammenarbeit bemisst. Die Basis der Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern sollte in jedem Fall ein sorgfältig ausgestalteter Vertriebspartnervertrag sein, der die gegenseitigen Rechte und Pflichten präzise regelt. Hierzu gehören z.B. die folgenden Punkte: ●

genaue Beschreibung der zu vertreibenden Produkte oder Leistungen



Aufgaben beider Parteien



Einschaltung von Erfüllungsgehilfen



Schulungsmaßnahmen



Rechte zur Bewerbung

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Vorgehen bei der Akquisition



Gestaltung der Kundenverträge



Modalitäten der Abrechnung



Grundlagen für die Provisionsabrechnung



Zahlungsfristen



zustimmungspflichtige Vorgänge



Konfliktfälle



Einsatz von verkaufsfördernden Materialien



Laufzeiten und Kündigung

Natürlich ist auch für den indirekten Vertrieb eine Vertriebssteuerung und Betreuung erforderlich. Der indirekte Vertrieb ist somit insgesamt nicht die „billige“ Alternative zum Direktvertrieb. Trotzdem ist der Einsatz von Vertriebspartnern in vielen Fällen sinnvoll und sogar notwendig, um den geplanten Vertriebserfolg zu erzielen. Der indirekte Vertrieb muss nicht nur eine „Beimischung“ zum Direktvertrieb sein: Manche Unternehmen setzen ganz auf den indirekten Vertrieb und haben nur eine Vertriebsorganisation zur Betreuung von Vertriebspartnern. Das war lange Zeit die Strategie vieler Telekommunikationsanbieter; debitel hat in den ersten fünf Jahren und somit bis weit über den Zeitpunkt des Erreichens der Marktführerschaft hinaus seinen Umsatz zu fast 100 % über Vertriebspartner und ohne Direktvertrieb erreicht.

4.3 Multiplikatoren Multiplikatoren sind eine Sonderform des indirekten Vertriebs. Häufig führen Multiplikatoren selber keine Kundenakquisitionen durch und wirken durch eine Beeinflussung von Mitgliedern des Buying Centers, in dem alle an einem Beschaffungsvorgang eingebundenen Stellen zusammengefasst werden. Multiplikatoren können Türöffner für den eigentlichen Vertrieb sein, indem sie auf die Produkte und Leistungen des Unternehmens hinweisen. In anderen Fällen geben Multiplikatoren dem Vertrieb des Unternehmens Hinweise auf anstehende Beschaffungsvorgänge beim potenziellen Kunden. Die Motivation der Multiplikatoren kann von der Nutzung des fremden Produktes für die eigene Akquisition, der Nutzung zu Imagezwecken bis zum erhalt von Tipp-Provisionen reichen. In den eigentlichen Akquisitionsvorgang greifen Multiplikatoren, wenn über-

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haupt, nur indirekt ein. In der Regel vermitteln sie nicht einmal ein Geschäft. Multiplikatoren sind aus diesem Grunde auch noch schwerer zu steuern als Vertriebspartner. Trotzdem können sie eine wichtige Funktion haben, insbesondere bei Produkten, die in Systemlösungen eingehen und die nur in einem komplexen Vertriebsprozess abzusetzen sind. Es handelt sich in der Regel um höherwertige und teuere Leistungen. Mögliche Multiplikatoren sind: ●

Beratungsunternehmen



Ingenieurbüros



Systemhäuser



Verbände

4.4 Multilevel-Vertrieb (Strukturvertrieb) Der Multilevel-Vertrieb bedient sich einer Organisation, die über verschiedene Ebenen geführt wird und am Ende häufig Privatpersonen als Verkäufer oder Vermittler einschaltet. Typische Produkte richten sich an Privatkunden und werden über „Verkäufer“ aus dem Freundeskreis oder aus der Nachbarschaft geworben. Diese „Verkäufer“ am Ende der Organisationskette sind meistens keine professionellen Vertriebler, sondern eher nebenberuflich tätig. Sie werden über meist regional tätige Führungskräfte gesteuert, die wiederum von Managern für größere Regionen geführt werden. Die in der Regel sehr große Organisation ist auf anderem Wege kaum handhabbar. Die eigentlichen Verkäufer in einem Multilevel-Vertrieb (auch Strukturvertrieb) sind aufgrund ihres Status meist nur über einen begrenzten Zeitraum für die Vertriebsorganisation von Interesse. Wenn der unmittelbare Kontaktkreis „abgegrast“ ist, ist der Wert dieser Verkäufer für die Organisation auch häufig erschöpft. Die Vergütung erfolgt meist rein auf Erfolgsbasis, lediglich die Führungskräfte für die Organisation und die Gewinnung neuer Verkäufer sind oft Angestellte, die eine Vergütung mit fixen und variablen Bestandteilen beziehen. Dabei verdienen die Manager auf der mittleren Ebene oft anteilig mit an den Provisionen der nachgelagerten Mitarbeiter. Auf diesem Wege wird sichergestellt, dass eine durchgängige Abschlussorientierung vorherrscht.

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Bekannt geworden ist das Multilevel-Marketing mit Organisationen wie z.B. Tupperware oder Avon, aber auch andere Produkte bis hin zu Versicherungen werden über solche Strukturen vertrieben. Für bestimmte Produkte ist MultilevelMarketing durchaus geeignet, wie der Erfolg von Tupperware beweist. Die Produkte sollten möglichst ohne großen Erklärungsaufwand vermarktbar und nicht zu teuer sein.

4.5 Empfehlungsvertrieb (virales Marketing) Freundschaftswerbung ist eine im Privatkundengeschäft relativ häufig eingesetzte Form der Kundengewinnung z.B. bei Produkten aus dem Printbereich (Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen) sowie im Bereich des Versandhandels. Erfolgreich eingesetzt wird das virale Marketing z.B. auch von Skype und OpenBC. Bestehende Kunden werden dabei mittels mehr oder weniger attraktiver Prämien dazu animiert, neue Kunden zu werben, d.h. selber eine aktive Vertriebsfunktion wahrzunehmen. Teilweise wird auch ganz auf Prämien verzichtet, wenn es für den Kunden aus anderen Gründen interessant erscheint. Erfolgreiche Freundschaftswerbung bzw. Empfehlungsmarketing hat damit zwei Effekte: Zum einen werden durch diese Maßnahme weitere Neukunden gewonnen, zum anderen macht man Stammkunden zu aktiven Verkäufern, die sich intensiv mit dem Produkt und seinen Vorteilen beschäftigen und sich damit gegenüber Freunden und Bekannten identifizieren. Eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Freundschaftswerbung ist, ähnlich wie für das Multilevel-Marketing, dass das Produkt einfach verständlich ist und einen breiten Interessentenkreis findet, wie z.B. ein Zeitungsabonnement oder die Produkte von Tupperware. Darüber hinaus müssen die Abschlussprämien auf die Bedürfnisse und speziellen Interessen der Stammkunden zugeschnitten sein und für sie eine echte Motivation für die Kundenwerbung darstellen. Mit effektiver Freundschaftswerbung können sehr positive Ergebnisse erzielt werden, die Weiterempfehlung durch Stammkunden kann dabei den kundenbezogenen Gewinn bis zu 20 % steigern. Im Geschäftskundenbereich gibt es die klassische Freundschaftswerbung nicht. Aber hier spielt die Schaffung von Referenzkunden eine zunehmend wichtige Rolle. Auch sind Empfehlungen ein wichtiges Element der Neukundengewinnung. Dies trifft in besonderem Maße auf Dienstleistungsangebote zu, da diese nur schwer im Vorfeld beurteilt werden können. Wenn von anderen Unternehmen Empfehlungen

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ausgesprochen werden, gibt dies auf jeden Fall zusätzliche Sicherheit. Besonders wichtig ist dieses Vertriebsinstrument z.B. für Beratungsunternehmen, Finanzdienstleister und Versicherungen. Ein bei anderen vergleichbaren Unternehmen zur vollen Zufriedenheit eingesetztes Produkt schafft höhere Chancen für die erfolgreiche Vermarktung als Produkte, für die keine Referenzen bekannt sind. Dafür werden Referenzkunden besondere Vergünstigungen bis hin zur kostenlosen Nutzung des Produktes oder der Leistung angeboten.

4.6 Online-Vertrieb Der Online-Vertrieb umschreibt den Vertrieb unter Nutzung des Internets zur Kundenansprache und in der Regel auch für die Durchführung der Transaktion an sich. In den meisten Fällen stellt der Online-Vertrieb einen ergänzenden Vertriebskanal neben dem Direktvertrieb, Shops, Handelsvertretern etc. dar, aber es gibt auch Geschäftsmodelle, die ganz auf andere Vertriebskanäle verzichten. Der Vorteil des Online-Vertriebes liegt oft in der Erschließung zusätzlicher Zielgruppen und der Ausweitung der Vertriebsregion. Ein anderer positiver Effekt, der auch von Fachhändlern mit Ladengeschäft genutzt wird, liegt in der Möglichkeit, Mengenrabatte bei den Lieferanten wahrnehmen zu können, weil der Absatz durch den zusätzlichen Vertriebskanal steigt. Das Risiko beim Online-Handel besteht in zunehmenden Betrugsfällen, gefälschten oder vorgetäuschten Identitäten und Zahlungsausfällen. Trotzdem ist der Online-Vertrieb für kaum ein Geschäftsmodell wegzudenken. In einigen Bereichen verlagert sich der Vertriebsprozess immer stärker in den Bereich des Online-Vertriebs (z.B. bei Banken, Versicherungen, Reisebuchungen, Touristik, Buchhandel, Musik).

5. Finanzierung, oft der Proof of Concept Oft stellen die Finanzierung und die Auswahl unter den Finanzierungsalternativen im Mittelstand eine erhebliche Hürde dar. Gerade für Unternehmensgründer ist die Finanzierung in den letzten Jahren viel schwieriger geworden. Unter den verschiedenen Finanzierungsarten kommt neben den fast immer erforderlichen Eigenmitteln der Gründer die Finanzierung über Fördermittel (z.B. ERP-Darlehen) in Betracht. Gerade die Nutzung von öffentlichen (meist EU-)Fördermitteln sollte immer geprüft werden, da die Konditionen oft günstiger sind als bei anderen Investoren. Seite 15

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Wenn Eigenmittel und Fördermittel nicht ausreichen, kommen in erster Linie Business Angels und Venture Capital als Risikokapitalgeber in Betracht. Auch Industrieunternehmen bieten sich gelegentlich (wenn auch in den Jahren nach 2001 deutlich seltener) in Form von Corporate-Venture-Gesellschaften als Kapitalgeber an. Bei der Auswahl der Investoren gibt es nicht den allgemein gültigen, „richtigen“ Mix. Es sollten aber in jedem Fall die Anlageziele und Strategien der verschiedenen Investoren geprüft werden, da die Entscheidung für einen Investor immer auf einen längeren Zeitraum angelegt ist. Eine Analyse der anderen Beteiligungen eines Investors kann hilfreich sein. Für den Beteiligungsprozess ist auf jeden Fall eine ausreichend lange Zeit einzuplanen. Mit viel Glück kann eine Finanzierung innerhalb von drei Monaten nach der Erstansprache erfolgen; die Regel sind aber sechs bis neun Monate. Diese Zeit sollte von vornherein vorhanden sein.

6. Sorgfalt in der Vertragsgestaltung erspart spätere Probleme Obwohl insbesondere in der Gründungsphase die Zeit fehlt und oft auch das Kapital für eine sorgfältige Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Grundlagen bei der Unternehmensgründung, so sollte dieser Aspekt doch nicht unterschätzt werden. Im laufenden operativen Betrieb und mit einer ersten „Historie“ ist es mitunter aufwändig, Anfangsfehler zu beheben. Dabei kann gerade dieser Aspekt bei einer Aufnahme von neuen Gesellschaftern nach der Gründung (z.B. im Zuge einer Kapitalerhöhung) Schwierigkeiten bereiten. Hier sind die in Verbindung mit Aktionärsvereinbarungen oft geforderten Garantien in Beteiligungsverträgen zu beachten, da diese in der Regel eine Haftung mit dem privaten Vermögen der Gründer fordern.

7. Externe Hilfe von erfahrenen Unternehmern kann helfen Unternehmensgründer sind oft nicht in der Lage, die Hilfe von Unternehmensberatern in Anspruch zu nehmen. Trotzdem ist die Hilfe von erfahrenen Unternehmern sinnvoll, damit man „Anfängerfehler“ vermeidet und in der Geschäftsvorbereitung keine wichtigen Elemente übersieht. Ein anderer Aspekt, bei dem externe Hilfe sinnvoll ist, besteht in der Nutzung eines Kontaktnetzwerks, z.B. zu potenziellen Geschäftspartnern, aber auch zu Investoren.

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Damit man trotz Kostenrestriktionen nicht auf qualifizierte Hilfe verzichten muss, bieten sich verschiedene Wege an: Eine Möglichkeit besteht in der frühzeitigen Beteiligung eines Business Angels, der als ehemaliger Unternehmer die Voraussetzungen erfüllt. Daneben besteht die Möglichkeit, Beratungsprojekte über die regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaften fördern zu lassen (entsprechende Programme mit EU-Mitteln stehen für viele Fälle zur Verfügung). Eine andere Möglichkeit ist ein Coaching durch einen Berater (auch in Form des Online-Coachings). Der Coach entwickelt in der Regel selber keine Konzepte, aber er kann durch Hinweise und kritische Fragen bei der Umsetzung helfen und den Prozess zielgerichtet beschleunigen.

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Teil II Fallstudie zur Unternehmensgründung Unternehmensgründungen sind für die Wirtschaft von höchster Bedeutung. Zwar ist der Beitrag der Unternehmen in den ersten Jahren nach der Gründung noch klein, aber nur aus neu gegründeten Unternehmen entstehen vielleicht einmal etablierte mittelständische Unternehmen, die zusätzliche Wertschöpfung und neue Arbeitsplätze bringen. Gerade in den letzten Jahren beobachten wir auf dem deutschen Markt eine steigende Zahl von Unternehmensinsolvenzen und gleichzeitig eine sinkende Zahl von Neugründungen. Das ist eine für die deutsche Volkswirtschaft gefährliche Entwicklung! Einerseits sind die Neugründungen die späteren Nachfolger von aufgelösten oder in die Insolvenz geratenen Unternehmen. Andererseits werden in neu gegründeten Unternehmen häufiger innovative Produkte und Dienstleistungen realisiert als in etablierten Unternehmen. Die relative Anzahl der Neugründungen in einer Volkswirtschaft ist somit in gewisser Weise ein Gradmesser für die Innovationskraft. Unter diesem Gesichtspunkt zeigt sich Deutschland zurzeit ein beunruhigender Trend. Dies lässt sich auch an der jährlichen Bilanz der Zahlungen und Einnahmen für Lizenzen und Patentrechte ablesen. Traditionell erzielte Deutschland in der Vergangenheit immer deutliche „Exportüberschüsse“ auch in diesem Bereich. Seit ein paar Jahren hat sich dieser Saldo allerdings umgekehrt, und wir zahlen einen ständig steigenden Betrag für die Nutzung ausländischer Schutzrechte. Der Weg in die Selbständigkeit ist aber auch im Hinblick auf die Ausbildung von Führungskräften von Bedeutung. In anderen Ländern sind die Unternehmensgründer von gestern heute Manager in der Großindustrie. Im Vergleich zur Tätigkeit in einem etablierten Unternehmen, erhält der Unternehmensgründer einen umfassenden Überblick über alle Funktionen im Unternehmen. Die Auswirkungen unternehmerischen Handels – oder auch Nichtentscheidens – sind in jungen Unternehmen viel unmittelbarer spürbar als bei großen Organisationen. Das zwischenzeitlich eingestellte Börsensegment des Neuen Marktes in Frankfurt hat mit den Erfolgen in seiner Boomphase Ende der 90er-Jahre viele Unternehmen entstehen lassen, alleine durch die Tatsache, dass Kapital in scheinbar unbegrenzter Menge zur Verfügung stand. Nirgends schien

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es eine leichtere Möglichkeit zu geben, hohe Verzinsungen zu verdienen und schnelle Erfolge zu erzielen. Der Begriff der „Multiples“ war für jeden Anleger zum neuen Maßstab für Erfolg geworden. Mit solchen „Vielfachen“ wird beschrieben, um welchen Faktor sich das eingesetzte Kapital in der Anlagezeit, die häufig nicht mal ein Jahr betrug, vervielfachte. In guten Zeiten waren Multiples von zehn, 20 oder höher schon fast eine Selbstverständlichkeit. Nach dem Boom im Jahr 1999 haben wir aber erleben müssen, dass Trends sich umkehren können und Kapital eines der flüchtigen Güter ist. Nur Unternehmensgründungen mit einem tragfähigen Geschäftsmodell und einem geeigneten Managementteam haben eine Chance. Da Unternehmensgründungen einen hohen Stellenwert für die zukünftige Entwicklung haben, möchte dieses E-Book dazu beitragen, dass wieder mehr Menschen den Mut und die Entschlossenheit aufbringen, ihre Ideen umzusetzen und sich an die Gründung von Unternehmen wagen. Dies darf allerdings nicht schwerpunktmäßig von der Hoffnung auf einen schnellen Reichtum getrieben sein! Die Vielzahl der Insolvenzen nach dem Boom des Neuen Marktes belegen, dass hierauf nicht zu setzen ist. Die wichtigsten Motive für Unternehmensgründungen sollten in dem Wunsch liegen, Projekte umzusetzen, Unabhängigkeit zu gewinnen und eigene Entscheidungen zu treffen – aber auch die Folgen von Fehlentscheidungen unmittelbar zu spüren. Natürlich lässt sich dieses Stück der Selbstverwirklichung nur unter Risken umsetzen und indem man auf die Annehmlichkeiten großer Unternehmen verzichtet. Besonders in Deutschland ist leider immer noch das Phänomen ausgeprägt, über Gehälter von Führungskräften und die Gewinne von Unternehmern die Nase zu rümpfen, als ob es sich um etwas Unanständiges handele. Die Risiken und der unvergleichliche Einsatz bei der Gründung und Führung werden dabei allerdings übersehen. Natürlich gibt es gerade in der Start- und Wachstumsphase eines Unternehmens eine erhebliche Abhängigkeit von der Verfügbarkeit von Kapital, die auch vielfältigen Schwankungen ausgesetzt ist. Stattdessen soll aus der Sicht eines Unternehmers, der bereits mehrere Unternehmen gegründet bzw. die Gründung begleitet hat, über die Erfahrungen bei der Vorbereitung und dem Aufbau eines neuen Unternehmens berichtet werden. Die Fallstudie beginnt bei den ersten Ideen für innovative Produkte und schildert den gesamten Prozess, von der Ausgestaltung der Produktidee über die Entwicklung eines Geschäftsplanes und die Überlegungen zur organisatorischen Umsetzung bis zur Gründung und dem Aufbau des GeschäfSeite 19

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tes. Ein wichtiges Element ist die Beschaffung von Kapital und die Zusammenarbeit mit Aktionären sowie die Wechselwirkung zwischen Gesellschaftern, Gründern und Unternehmensführern. Die Fallstudie soll anregen, über das Unternehmertum nachzudenken und vielleicht vorhandene (falsche) Klischees gerade rücken. Dabei soll es kein Lehrbuch sein, sondern ein Bekenntnis zum Unternehmertum und ein Anreiz für den Leser, selber den Schritt zum Unternehmer zu tun. Nur mit Menschen, die den Mut haben, Verantwortung zu übernehmen und Risiken einzugehen, kann eine Volkswirtschaft weiter wachsen und sich immer wieder aus sich selbst heraus erneuern. Letztlich gibt es kaum eine größere Herausforderung als diejenige, selber ein Unternehmen aufzubauen.

1. Der Ausgangspunkt: kein geborener Unternehmer Wer ist zum Unternehmer geeignet und welche Voraussetzungen muss er erfüllen? Diese Frage lässt sich sicher nicht allgemein gültig beantworten. Es gibt immer wieder Beispiele von erfolgreichen Unternehmensgründungen von Studenten oder von Absolventen unmittelbar nach dem Studium. Andere sammeln Erfahrungen in anderen Unternehmen und gründen ihr Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt. Weder das Elternhaus noch der Freundeskreis sind im Nachhinein erkennbar die Ursache für meine spätere Entscheidung zur Gründung des eigenen Unternehmens. Auch die Schule und die Universität haben keinen erkennbaren Grundstein für eine spätere unternehmerische Tätigkeit gelegt. Das Studium der Physik vermittelte eine solide Ausbildung und die Befähigung zur wissenschaftlichen Analyse komplexer Situationen. Die wissenschaftliche Ausbildung in Deutschland prädestiniert den Absolventen aber in erster Linie für die Arbeit bei einer Forschungseinrichtung oder in einem Entwicklungslabor der Industrie. Über wirtschaftliche Zusammenhänge, die Anforderungen an einen Manager oder gar die Möglichkeit zur unternehmerischen Tätigkeit habe ich in den Jahren, die ich bis zum Abschluss von Studium und der Promotion an der Universität verbracht habe, nichts erfahren. Vielleicht ist es eher die Freude an neuen Dingen, am Begehen neuer Wege und an der Schaffung neuer Strukturen, die mich letztendlich dazu gebracht hat, ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Anders als viele Studienkollegen im Bereich der Physik habe ich mich nach dem Studium direkt für eine nicht-wissenschaftliche Tätigkeit in der Industrie entschieden und dabei

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sehr unterschiedliche Unternehmenskulturen kennen gelernt. Eine zur damaligen Zeit noch sehr konservative SEL/ITT in Stuttgart war meine erste berufliche Station, bei der man deutlich das „Amtsbau-Unternehmen“ spüren konnte, wie man damals die von der Deutschen Telekom (damals noch Deutsche Post) ausgewählten Lieferanten – durchaus zutreffend – genannt hat. Dabei habe ich bei SEL wertvolle Erfahrungen beim Herangehen an neue Märkte und Produkte gewinnen können. So war ich mit dabei, als das Geschäft mit öffentlichen Kartentelefonen vorbereitet wurde. Neben den großen Unternehmen, zu denen auch BMW und AEG gehörten, konnte ich in diesen Jahren auch Erfahrungen in mittelständischen Unternehmen mit Hightech-Ausrichtung sammeln und die unmittelbarere Entscheidungsfindung im Vergleich zur teilweise vorsichtig absichernden Vorgehensweise der Großunternehmen erfahren. Prägend war für mich in dieser Zeit ein eigentlich unrühmliches Kapitel in der deutschen Industriegeschichte: In die Zeit meiner Tätigkeit für die AEG-Zentrale fiel die Krise der AEG Olympia, die als eigener Verbund im Konzern alle Aktivitäten der Büroautomation bündeln sollte. Dabei hatten die verschiedenen Zweige weder von der Produkt- noch von der Marktseite sehr viele Gemeinsamkeiten. Zur AEG Olympia gehörten neben dem traditionellen „schreibenden“ Bereich mit seiner Palette unterschiedlichster Schreibmaschinen, Tisch- und Taschenrechner, Diktiermaschinen etc. ein Bereich UKW-Sendertechnik, die Herstellung von Postverteilanlagen, der Handel mit PCSystemen und der Bereich Funksysteme und -geräte. Um die Komplexität komplett zu machen, waren die Standorte in Deutschland mit Wilhelmshaven, Berlin, Ulm und Konstanz verkehrstechnisch sehr ungünstig verteilt. Trotzdem ist es gelungen, viele Teile der AEG Olympia wieder neu auszurichten und mit einer neuen Strategie und neuer organisatorischer Zuordnung erfolgreich weiter zu führen. So wurde der PC-Handel ein Teil der damals gerade neu geschaffenen debis, die Sendertechnik wurde in die DASA integriert, die Postverteilsysteme nach einer Zuordnung zur DASA erfolgreich an Siemens verkauft und der Mobilfunkbereich in ein Joint Venture mit Matra zur AMC verschmolzen. Nur für den ursprünglichen Bereich der AEG Olympia in Wilhelmshaven gab es keine dauerhafte Möglichkeit zur Fortführung. Aufgrund der im Markt gut etablierten Marke konnte hier ein weiteres Geschäft mit zugekauften Produkten gemacht werden. Die Entwicklung und Produktion konnte nicht aufrechterhalten werden. Dabei war der Standort technologisch keineswegs veraltet, im Gegenteil waren eine für die damalige Zeit hochmoderne Galvanik und ein CAD-System Seite 21

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für die Verbindung von Entwicklung und Musterbau im Einsatz, die den Vergleich mit internationalen Wettbewerbern nicht fürchten mussten. Zu keinem Zeitpunkt vorher bin ich selber so unmittelbar mit unternehmerischen Entscheidungen konfrontiert worden wie während dieser Zeit. Selten gibt es eine Gelegenheit, die Auswirkungen von Entscheidungen in einer so unmittelbaren Nähe zu erleben. In den letzten Jahren haben wir zwar eine ganze Reihe auch von viel größeren Unternehmensinsolvenzen erlebt, aber keine davon hat auf mich so viel Eindruck gemacht, wie die damaligen Erfahrungen bei der AEG Olympia am Ende der 80er-Jahre.

2. Erste Unternehmensgründung als Angestellter Eine für mich sehr prägende Erfahrung war die Mitarbeit im Gründungsteam des später größten europäischen Service Providers. In die Planungsphase fielen Überlegungen, wie eine ideale Gesellschafterstruktur für ein solches – in Deutschland noch völlig unbekanntes - Geschäftsmodell aussehen könnte. Das Ergebnis unserer Überlegungen ist für mich auch aus heutiger Sicht noch immer richtig. Gerade die Einbeziehung der Metro als wesentlichen Gesellschafter neben DaimlerChrysler (damals noch Daimler-Benz), nach zeitweise frustrierenden internen Diskussionen, haben sich für das Unternehmen nachhaltig gelohnt. Auch andere damals im Gründungsteam entstandene Ideen, wie z.B. eine Aufteilung der Tarifstruktur in drei Preismodelle, die auch dem Wenig- und Vieltelefonierer Vorteile bringen, die Fokussierung auf den indirekten Vertrieb für die ersten Jahre, die Entwicklung einer auf langfristige Bindung zielenden Abschlussprovision, die nebenbei auch den Liquiditätsabfluss in Zeiten eines starken Neukundenwachstums schont, haben sich im Nachhinein als richtig und tragfähig erwiesen. Symptomatisch für das Verhalten des deutschen Großkonzerns war die lange und gründliche Planungsphase von etwa anderthalb Jahren bis zur endgültigen Entscheidung zur Gründung der debitel. Für die Mitglieder im Gründungsteam ging damit eine lange unsichere Phase zu Ende, und zumindest diejenigen, die anschließend eine operative Aufgabe in der neuen Gesellschaft übernehmen sollten, haben die Entscheidung mit Erleichterung aufgenommen. Die damals noch vielleicht mehr als heute in Konzernen zu findenden Konzernplaner und Stabsmitarbeiter haben sich danach mit Freuden auf das nächste Projekt gestürzt und Business Pläne hinterfragt, zerpflückt, mit neuen Risiken nachgerechnet u.s.w.

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Nach der langen Planungsphase waren der Start und der Aufbau des Unternehmens, beginnend mit zehn Mitarbeitern, eine Herausforderung. Meine Aufgabe als Marketingund Vertriebsverantwortlicher bestand zunächst, neben der schwierigen Suche nach Mitarbeitern mit Profilen, die es in Deutschland nicht gab, in der Schaffung einer geeigneten und den Muttergesellschaftern angemessenen Positionierung im Markt. Ein nur schwer zu lösendes Problem war in der ersten Zeit der Aufbau der Distribution. Zwar hatten wir klingende Namen wie Mercedes-Benz, Metro und ElectronicPartner auf unseren Vertriebspartnerlisten stehen – nur war aus verschiedenen und in sich gut nachvollziehbaren Gründen kaum einer dieser Partner in den ersten drei Vertriebsjahren wirklich aktiv. Für die verschiedenen Metro-Vertriebslinien fehlten zunächst die notwendigen und vor allem auch zuverlässig verfügbaren Mengen an Mobilfunkgeräten; die anderen Vertriebslinien mussten geschult werden. Bei Mercedes waren die Sicherheitsstandards für den Einbau von Autotelefonen und Handys in Fahrzeugen zu erfüllen und aufwändig zu testen. Gleichzeitig konnten andere Wettbewerber wie z.B. ein Bosch-Telecom-Service in Zusammenarbeit mit den bereits im früheren analogen C-Netz erfolgreich tätigen Bosch-Partnern und Proficom im Verbund mit den qualifizierten Siemens-Fachhändlern einen fliegenden Start hinlegen. Uns blieb wenig anderes übrig, als einzelne Funkfachhändler zu gewinnen, die nicht in einer der großen Einkaufskooperationen zusammengeschlossen waren, und zur Vermarktung der debitel-Dienste zu qualifizieren. Auch heute noch muss ich gestehen, dass einige der von uns damals gewonnenen Vertriebspartner sicher nicht dem Standard und den Ansprüchen von DaimlerChrysler entsprochen haben. Es hat sich vor diesem Hintergrund als äußerst hilfreich erwiesen, dass wir in der Planungsphase den Aufbau einer eigenen Trainingsgruppe beschlossen hatten. Mit dieser heterogenen Vertriebsorganisation konnten die ersten Erfolge erzielt werden. Gleichzeitig wurde der Vermarktungsbeginn der anderen Vertriebsorganisationen von Metro, ElectronicPartner und Mercedes-Benz vorbereitet. Trotz der schwierigen Startbedingungen konnte debitel drei Jahre nach der Gründung an den anderen Wettbewerbern vorbeiziehen und die Marktführerschaft gewinnen. Ich sehe dies auch heute noch als einen wesentlichen persönlichen Erfolg an. Wenn ich die Entwicklung bei der Planung für debitel und den operativen Aufbau reflektiere, so war sicher auch damals schon der Gedanke an eine stärker unternehmerische

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Einbindung bei mir vorhanden. Der damals von allen Mitgliedern des Gründungsteams geleistete Arbeitseinsatz kann sich durchaus mit dem Zeiteinsatz messen, den ein Unternehmer typischerweise erbringt. Ich kann mich kaum an einen Tag erinnern, an dem in dieser Zeit vor 22 Uhr die Arbeit beendet worden wäre. Die konzeptionelle Arbeit war so nur noch am Wochenende möglich. Obwohl wir damals nicht mit Anteilen bei debitel berücksichtigt waren, hat diese Arbeit Spaß gemacht. Auch die Mitarbeiter waren damals hoch motiviert und haben wesentlichen Anteil an dem erreichten Erfolg.

3. Die erste „eigene“ Gesellschaft Mitte 1995 wagte ich dann den Absprung aus dem angestellten Arbeitsverhältnis und kaufte mich – diesmal ein Jahr nach der Gründung – in einem Beratungsunternehmen als Gesellschafter ein. Gemeinsam mit meinen beiden Partnern, die das Unternehmen gegründet hatten, bauten wir das Unternehmen auf und erreichten einen Qualitätsstandard, der sich durchaus mit den bekannten großen Unternehmensberatungen messen konnte. Unsere Kundenstruktur war das Who-is-who der damaligen deutschen Telekommunikationslandschaft. Wir halfen den neu gegründeten Telekommunikationsanbietern, ihre Organisationen aufzubauen, die Prozesse dem Wachstum anzupassen, Vertriebsorganisationen zu gestalten oder zu optimieren, neue Produkte zu gestalten und einzuführen etc. Der Arbeitsaufwand in dieser Zeit war zwar keineswegs geringer als zur Zeit der Tätigkeit für debitel. Der Unterschied lag auch weniger im Monatsgehalt als vielmehr in der Tatsache, das mir ein wesentlicher Teil von 40 % dieser Gesellschaft gehörte. Der Unterschied zur früheren angestellten Tätigkeit ist also weder in der geringeren Arbeitszeit noch im höheren Gehalt zu suchen. Und auch die Entscheidungsfreiheit ist eingeschränkt, wenn man mit anderen Gesellschaftern zusammen ist. Ich habe dies allerdings nur selten als tatsächlichen Nachteil gesehen und eher als Vorteil. Es gibt die Möglichkeit, Entscheidungen im Vorfeld unter verschiedenen Perspektiven zu diskutieren und Probleme gemeinsam zu lösen. Anders als im angestellten Arbeitsverhältnis ist die Fremdbestimmung, wie es sie in Großkonzernen immer wieder gibt, wesentlich geringer, der Gestaltungsspielraum ist größer – zumindest solange keine zusätzlichen Finanzmittel benötigt werden. Auf jeden Fall – und das empfinde ich persönlich als einen wichtigen Wert – ist die Transparenz gegeben. Natür-

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lich trägt der Unternehmer einen wesentlich höheren Teil des Risikos. Nach einigen äußerst erfolgreichen Jahren wurden kurz hintereinander zwei große Projekte vor dem Beginn vom Kunden gekündigt, weil sich die Strategie verändert hatte. Gleichzeitig wurde der Projektstart von anderen Projekten kurzfristig um ein halbes Jahr verschoben. Damit ergab sich eine Situation des Wechsels von der hektischen Vollbeschäftigung zum Stillstand. Aus dem Stand lassen sich auch bei guten Kontakten keine neuen Projekte aus dem Boden stampfen. Bei 25 Mitarbeitern und der Verpflichtung zu laufenden Zahlungen lässt sich dann die andere Seite des Unternehmertums unmittelbar erfahren! An einigen Abenden haben wir damals zusammen gesessen und gerechnet, wie lange die Reserven reichen. Diese Erfahrung war allerdings nicht der Grund, dass wir uns entschlossen, ein Telekommunikationsunternehmen zu gründen. Die Basisidee entstand aus einem Beratungsprojekt, das ich damals bei einem regionalen Netzbetreiber durchgeführt hatte. Unser damaliger Kunde war, so wie viele andere, nach der Liberalisierung des deutschen Telekommunikationsmarktes gegründet worden, ohne dass es eine wirkliche Differenzierungsstrategie gab. Die Gesellschafter – etablierte Unternehmen aus dem Kreis der Versorgungsunternehmen – hatten, wie ich meine, nur die Chancen eines wachsenden Marktes gesehen und sich der Erwartung hingegeben, dass für ihr Tochterunternehmen schon ein attraktiver Marktanteil abfallen werde. So starteten viele der in dieser Zeit gegründeten Unternehmen mit einem Angebot, das demjenigen der großen international tätigen Netzbetreiber sehr ähnlich war.

4. Die Konkretisierung einer Idee Bei einer Projektsitzung zusammen mit der Geschäftsführung des Regional-Carriers erarbeiteten wir eine neue Zielpositionierung für das Unternehmen und eine entsprechende Umsetzungsstrategie. Leider kam es dann allerdings nicht zur vollständigen Umsetzung, da das Unternehmen in der Zwischenzeit an einen anderen Gesellschafter mit anderen Vorstellungen von der Positionierung verkauft wurde. Was war jetzt das Besondere der neuen Ausrichtung? Anstatt „alles für alle“ anzubieten, wollten wir eine Konzentration der begrenzten Mittel auf einen Teilmarkt und eine klare Zielgruppe: die mittelständischen Geschäftskunden der Region. Das Produktangebot sollte sich auf höherwertige Dienste konzentrieren, die anspruchsvoller in der Realisierung sind,

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gleichzeitig aber auch weniger leicht kopierbar und mit besseren Margen vermarktbar. Es stellt sich natürlich die Frage: Warum setzen nicht mehr Unternehmen im Telekommunikationsmarkt auf das Mehrwertdienstesegment? Dies ist nicht ganz so einfach, wie es zunächst erscheinen mag. Zur Umsetzung von Mehrwertdiensten ist eine geeignete technische Infrastruktur erforderlich, die eine flexible Umsetzung der Kundenanforderungen ermöglicht. Eine wesentliche Voraussetzung ist die sorgfältige Marketingplanung. Nur wenn die Anforderungen der angestrebten Zielgruppe auch erfüllt werden, wird sich das Produkt erfolgreich vermarkten lassen. Auch muss das Marktpotenzial ziemlich präzise ermittelt werden, damit die notwendigen Investitionen wieder verdient werden können. Die Umsetzung des Mehrwertdienste-Ansatzes ist also deutlich anspruchsvoller und erfordert eine gründliche Planung. Ein weiteres „Hindernis“, gerade für größere Anbieter, ist der mit zunehmender Spezialisierung kleiner werdende Zielmarkt. Mit Basisdiensten lässt sich in einem Massenmarkt schnell ein signifikanter Umsatz erreichen. Sehr deutlich wurde diese Entwicklung in der Zeit kurz nach der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes. Der Service Provider Mobilcom griff die neuen Marktchancen am schnellsten und effizientesten auf. Mit minimaler Infrastruktur schuf Mobilcom ein Call-by-call-Angebot für Sprachverbindungen mit der Vorwahl einer speziellen Netzbetreiberkennung. Das einzig Neue an dem Angebot war das aggressive Marketing. Damit ist gelang sehr schnell, eine große Kundenzahl anzuziehen, die Mobilcom auch dann noch die Treue hielt, als das Angebot schon lange nicht mehr besonders billig war. Eine andere Hürde für die Umsetzung der MehrwertdiensteIdee ist die vertriebliche Komplexität, insbesondere bei der Ansprache von mittelständischen Unternehmen. Während es im Massenmarkt notwendig ist, mit Shops in Fußgängerzonen oder mit Shop-in-shop-Lösungen in Märkten präsent zu sein, ist es für die Zielgruppe der Geschäftskunden unumgänglich, den Entscheider persönlich zu überzeugen. Hierfür ist ein spezialisierter Direktvertrieb erforderlich. Damit man erfolgreich vermarkten kann, muss bereits im Vorfeld die Nutzenargumentation erarbeitet werden und das BuyingCenter mit Entscheider, Beeinflusser, Einkäufer etc. analysiert werden. Diese verschiedenen Aspekte lassen den Mehrwertdienste-Ansatz als Strategie für einen Netzbetreiber schnell nicht mehr ganz so attraktiv erscheinen. Die so geborene Basisidee hat mich in der Folge nicht mehr losgelassen. Wir waren aufgrund unserer Analysen sicher,

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dass der Markt für die richtigen Dienste vorhanden ist. Die notwendigen technischen Plattformen waren ebenfalls verfügbar, und über das notwendige Know-how verfügten wir auch. Einen wesentlichen Vorteil hatte der Geschäftsansatz außerdem: Zur Realisierung musste kein großes Netz mit eigenem Leitungsnetz aufgebaut werden. Bei Zukauf vorhandener Kapazitäten und der Nutzung von Outsourcing-Leistungen kann ein Mehrwertdienste-Anbieter mit Investitionen aufgebaut werden, die für den Telekommunikationsbereich vergleichsweise niedrig sind. Trotzdem bleiben natürlich immer noch Investitionen zu tätigen, die höher sind, als man als Privatperson gemeinhin aufbringen kann. In den folgenden Monaten besprachen wir im Partnerkreis die Möglichkeit zur Ausweitung unseres gut laufenden Beratungsgeschäftes. Auch diskutierten wir die Idee bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit anderen Marktkennern und Experten, die wir für die Umsetzung gewinnen wollten oder von denen wir zumindest sicher waren, dass sie nicht unsere Idee selber nutzen und umsetzen würden. Diese Zeit war geprägt von einem ständigen Hin und Her. Mal waren wir Feuer und Flamme, ein anderes Mal wieder überzeugt, dass es nicht funktionieren könne. Immerhin bestand bei der Umsetzung die Chance zur Schaffung eines erfolgreichen neuen Unternehmens – andererseits drohte bei einem Scheitern der Verlust von allen bislang geschaffenen Werten.

5. Von der Idee zur Geschäftsplanung Nachdem sich diese Phase des unentschlossenen Abwägens mehrere Monate hingezogen hatte, setzten wir uns zusammen und beschlossen, dass wir nun zu einer Entscheidung kommen müssten. Natürlich hatten wir zu diesem Zeitpunkt, im Januar 1999, noch nicht die Grundlage, um zu entscheiden, ob wir ein eigenes Netzbetreiberunternehmen aufbauen konnten. Wir wurden uns einig, dass wir ein internes Projekt starten wollen, um die Entscheidungsgrundlagen zu schaffen. Immerhin war dies schon eine wichtige erste Entscheidung. Damit schufen wir uns Zeit und auch das notwendige Geld zur Erarbeitung eines ersten Geschäftsplans. Wir erstellten einen Projektplan mit einer Verteilung der Aufgaben und einem Zeitplan mit Meilensteinen. Da diese Arbeiten neben unserer normalen Aktivität als Geschäftsführer eines mittelständischen Beratungsunternehmens laufen mussten, bedeutete dies natürlich auch eine zusätzliche zeitliche Belastung, die von der ohnehin geringen Freizeit abging. Wir waren uns zudem einig, dass wir in dieser Phase unsere Mitarbeiter nicht mit einbeziehen wollten. Einerseits schadet es

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nur, über ungelegte Eier zu diskutieren – und wie wir nur ein halbes Jahr später feststellen mussten, war das durchaus sinnvoll –, andererseits musste der „normale“ Geschäftsbetrieb möglichst ungestört fortlaufen, da wir den Umsatz brauchten, um die Kosten für die weiteren Vorarbeiten zu erwirtschaften. Zunächst ging es für uns darum, die Eckwerte für das potenzielle neue Geschäft zusammenzubekommen. „Wie groß ist der Markt tatsächlich?“ „Wie stark wächst er?“ „Ist die anvisierte Zielgruppe homogen?“ „Welche äußeren Einflüsse wirken auf die Zielgruppe ein?“ Um diesen Fragen näher zu kommen, sahen wir eigene Marktanalysen durch und stellten fest, dass im Zweifelsfall doch die entscheidenden Angaben fehlen. Wenn Informationen vorhanden waren, passten die Parameter nicht zusammen, so dass die Daten nicht direkt vergleichbar waren. Nach der ersten Sichtung war also schnell klar, dass wichtige Angaben fehlten. Also waren ergänzende Recherchen notwendig. Neben Datenbankrecherchen mussten viele Gespräche mit Experten aus dem Markt geführt werden. Dabei stellt sich jedes Mal die Frage: „Wie weit können wir unsere Zielsetzung offen legen, ohne das Projekt zu gefährden?“ Nun mussten wir doch interne Aufgaben an unsere Mitarbeiter geben, um die Recherche weiter zu vertiefen – dies erfolgte allerdings unter der offiziellen Zielsetzung, weitere Akquisitionen vorzubereiten. Nach etlichen Wochen intensiver Arbeit klärte sich dieser Bereich so langsam, und die Marktpotenziale und Zielgruppengrößen wurden transparenter. Eine ebenfalls wichtige Aufgabe in der Vorbereitung der Geschäftsplanung stellt die Analyse des Wettbewerbs dar: „Welche Stärken und Schwächen weisen die wichtigen Anbieter im Telekommunikationsmarkt auf?“ „Wie sind sie vertrieblich aufgestellt und welche technologischen Fähigkeiten haben sie?“ Insbesondere waren für uns dabei natürlich die damaligen und absehbaren weiteren Fähigkeiten und Absichten im Bereich der Mehrwertdienste wichtig. Neben Recherchen und der Auswertung von Veröffentlichungen waren auch für diese Aufgabe viele Gespräche mit Marktexperten erforderlich. Aufgrund der langjährigen Kenntnis des Telekommunikationsmarktes und seiner wesentlichen Vertreter war diese Informationsbeschaffung allerdings doch einfacher als die Beschaffung der Marktzahlen. Mithilfe der so gewonnenen Informationen machten wir uns Gedanken über die unterschiedlichen Positionierungen der einzelnen Unternehmen – und vor allem über unsere mögliche Differenzierung in diesem Umfeld.

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Markt, Zielgruppenbeschreibungen und Wettbewerbsanalysen sind zwar eine notwendige Informationsgrundlage, für eine Geschäftsplanung aber bei weitem nicht ausreichend, geschweige denn für die Gründung eines Unternehmens! Was jetzt erarbeitet werden musste, war das konkrete Produktangebot – in der Sprache der Telekommunikation sind die Produkte die so genannten „Dienste“. Bevor wir mit potenziellen Lieferanten von technischer Infrastruktur reden konnten und Kosten ermittelbar waren, mussten die möglichen Dienste beschrieben und spezifiziert werden. Hierfür sind Recherchen hilfreich, insbesondere in innovativen Märkten wie Nordamerika oder Asien, aber sie können nur als Anregungen dienen. Zur Annäherung führten wir verschiedene „Kreativ-Workshops“ durch und sammelten Ideen, die wir strukturierten, diskutierten und verwarfen oder für eine detailliertere Prüfung sammelten. Manchmal stellte sich heraus, dass andere Anbieter im Ausland ähnliche Dienste bereits entwickelt hatten, teilweise schien der Realisierungsaufwand zu hoch oder der Realisierungszeitpunkt zu weit weg. Dienste für unsere neue Gesellschaft mussten einige Randbedingungen erfüllen: ausreichendes kurzfristiges Marktpotenzial, starkes Wachstum, Differenzierungspotenzial gegenüber den anderen Anbietern, hohe Attraktivität als Zugpferd etc.

6. Die Planung des Produktportfolios Natürlich sind diese Anforderungen nicht mit einem einzigen Produkt zu erfüllen. Daher wollten wir uns auf drei Dienstegruppen konzentrieren, von denen eine den schnellen Start in einen wachsenden Markt ermöglichen und daher einen insgesamt niedrigeren Innovationsgrad haben sollte. Eine andere diente eher dem Aufbau des zukünftigen Wachstums und sollte die „Story“ für die Wachstumsfinanzierung in der mittleren Zukunft liefern. Die dritte Dienstefamilie zielte auf die Absicherung des weiteren Wachstums und die Bindung der gewonnenen Kunden. Nach längeren Diskussionen kristallisierte sich für uns heraus, dass die erste Gruppe von Diensten auf Basis von Servicerufnummern realisiert werden sollte. Servicerufnummern waren zum damaligen Zeitpunkt bereits im Markt etabliert, sie hatten aber noch starke Wachstumspotenziale, wenn man intelligente Zusatzdienste entwickelte. So sind damit nicht nur einfache Service-Hotlines und Bestellservices zu realisieren, sondern auch Direktmarketing-Instrumente, z.B. in Form von automatisierten Gewinnspiellösungen. Andere Lösungen sollten die Werbeeffizienzkontrolle durch eine Auswertung der Herkunft von Anrufen liefern, die Nutzung von Servicerufnummern zur RealisieSeite 29

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rung von Micropayments bei Internet-Käufen oder OnlineSpenden ermöglichen. Aus der einen Produktfamilie lässt sich also mit der richtigen technischen Infrastruktur und den richtigen Ideen eine Vielzahl unterschiedlicher Lösungen darstellen. Damit eine Differenzierung in diesem Markt möglich ist, sind Eigenentwicklungen notwendig, die auf eine flexiblere Nutzung und eine Verbesserung der Auswertung der Nutzungen zielen. Hierbei ist insbesondere die Schnelligkeit der Verfügbarkeit von Daten ein wichtiges Kriterium. Die Anforderungen für diese später als „Online-Control“ bezeichnete Dienstleistung haben wir ebenfalls zu diesem frühen Stadium bereits spezifiziert. Die zweite Gruppe von zu entwickelnden Produkten sollte die Nutzung der Kommunikation erleichtern, insbesondere außerhalb der üblichen Umgebung im Büro oder zu Hause. Bei der Weiterentwicklung der Kommunikationstechnologie ist die Benutzeroberfläche, im Fachjargon „Man-Machine-Interface“ genannt, aus meiner Sicht nicht ganz mitgekommen. Dies hat seine Ursache u.a. in der immer weiteren Miniaturisierung der Geräte, die die Unterbringung zusätzlicher Bedienelemente erschwert. Gleichzeitig hat die Telekommunikationsindustrie von der IT-Branche die Strukturierung von Anwendungen nach Baumstrukturen übernommen. Diese Art der Umsetzung bringt in der Logik und Programmierung der Dienste sicher ihre Vorteile, aber sie widerspricht der intuitiven menschlichen Nutzung. Vor diesem Hintergrund wollten wir daher einen Kommunikationsassistenten realisieren, der von jedem Telefon – egal ob vom Mobilfunk oder aus dem Festnetz im In- und Ausland – gleichermaßen funktionieren und intuitiv zu nutzen sein würde. Eine intuitive Nutzung unterstellt dabei gleichzeitig, dass ein ungeübter Nutzer ohne Studium einer Bedienungsanleitung mit dem Assistenten arbeiten kann. Ganz ohne eine minimale Anleitung kommt man natürlich nicht aus, da bei einem Zugriff auf den Assistenten von irgendeinem Telefon aus zunächst eine Verbindung durch eine Einwahl und eine anschließende Identifikation und Authentifizierung des Anrufers erfolgen müssen. Unsere Recherchen hatten ergeben, dass es erste kommerzielle sprecherunabhängige Spracherkennungslösungen gab, die für die erste Stufe unseres Kommunikationsassistenten ausreichen sollten. Ob unsere oben aufgestellten Anforderungen in einem Live-System erfüllt werden würden, konnten wir damals natürlich anhand der Recherche-Ergebnisse nicht überprüfen. Für die Nutzung der Spracherkennung in der Telekommunikation kommt nämlich noch eine nicht unwichtige Erschwernis hinzu: Die Umgebungsgeräusche, z.B. beim Telefonieren im Auto oder an stark frequentierten PlätSeite 30

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zen wie Flughäfen, Bahnhöfen und Fußgängerzonen können die Erkennungsrate deutlich reduzieren. Und auf die Qualität der Mikrofone in den Endgeräten haben nur die Hersteller Einfluss. Die Ausgestaltung der Anforderungen an den Spracherkenner sollte also eine spätere Aufgabe im Rahmen der Entwicklung sein; in der damaligen Projektphase reichte uns die Erkenntnis, dass die technologische Basis vorhanden war. Der nächste Schritt bestand jetzt in der Ausgestaltung dessen, was der Kommunikationsassistent später können sollte. Eine Basisanforderung war ein überall verfügbares Telefonbuch, das den Nutzer von seinem eigenen Telefon und seinem Terminplaner unabhängig macht. Da unsere Kernzielgruppe Geschäftskunden sein sollten, sollte dieses Telefonbuch in einer Ausprägung als Unternehmenstelefonbuch innerhalb einer definierten Gruppe allen zur Verfügung stehen, so wie es auch die gedruckten oder elektronischen Telefonbücher in Unternehmen tun. Daher war eine individuelle Provisionierung des Telefonbuches durch einen zentralen Administrator vorzusehen, und Einrichtung und Update mussten per Download aus einer Datei oder durch einzelne Ergänzungseinträge möglich sein. Mit diesem Unternehmenstelefonbuch konnten auch Gruppen innerhalb einer Organisation auf eigene Rufnummern zurückgreifen, z.B. der Vertrieb oder Service-Einheiten. Neben dem Unternehmenstelefonbuch sahen wir noch zwei weitere Register vor: ein individuelles Telefonbuch und ein Systemtelefonbuch. Das individuelle Telefonbuch sollte nur dem einzelnen Nutzer zur Verfügung stehen und von ihm z.B. per Internet-Eingabe provisionierbar sein. Daneben war vorgesehen, dass der Nutzer auch unterwegs und per Sprache neue Einträge oder neue Rufnummern eingeben kann. Im Umfang war das individuelle Telefonbuch mit 100 Kontakten kleiner ausgelegt als das Unternehmenstelefonbuch, das in der ersten Phase 1000 Kontakte umfassen sollte. Abgerundet wurde die Telefonbuchfunktionalität vom Systemtelefonbuch, in dem allgemein im Unternehmen benötigte Rufnummern wie z.B. Reservierungs-, Service-, Informations-Hotline- und Notfallnummern gespeichert werden sollten. Neben dieser Basisfunktionalität war die Idee, die schon gut etablierte und bei allen Mobilfunkanbietern vorhandene Mailbox durch Zusatzfunktionen aufzuwerten. Diese Beschreibung kann nur natürlich nur einen kurzen Abriss dessen wiedergeben, was an Komplexität in der tatsächlichen Funktionsbeschreibung steckte. Die Dienste mussten immer wieder der technischen Wirklichkeit angepasst, nicht realisierbare Elemente ersetzt oder ganz gestrichen werden. Die oben beschriebenen Dienste waren das Ergebnis dieser Seite 31

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Arbeit und wurden in dieser Form umgesetzt. Die spätere Entwicklung und die technische Realisierung haben gezeigt, dass selbst das technisch Machbare nicht immer exakt planbar war. Es war für uns von vornherein klar, dass wir eine solche Lösung auf keinen Fall selber entwickeln konnten und dies auch nicht durch Einstellung entsprechender Entwicklungsingenieure hätten schaffen können. Wir wollten die eigentliche Entwicklung durch ein technologisch führendes Unternehmen durchführen lassen. Nach unserer damaligen Recherche gab es international nur drei Unternehmen, die die Voraussetzungen erfüllten. Wir machten unsere Entscheidung von der Erfüllung der Kriterien Entwicklungs-Knowhow, in die Tiefe gehende Kenntnis der Telekommunikationsinfrastruktur und Umgang mit Spracherkennungslösungen abhängig. Allerdings war unsere Forderung sehr innovativ und an den Grenzen der damaligen technischen Möglichkeiten. Letztlich wurde der Assistent, der nach intensiven Überlegungen in der Zwischenzeit weiblich geworden war und auf den Namen „Veronica“ hörte, etwa anderthalb Jahre später fertig als ursprünglich gemeinsam geplant. Drei Jahre nach diesen Planungen analysierten und bewerteten Experten dann das fertig dastehende System und seine Performance. Das Urteil war eindeutig: „Das System entspricht in jeder Hinsicht einer marktreifen State-of-the-art-Lösung!“ Die dritte Gruppe unserer Dienste sollte in der Umsetzung nach den beiden anderen realisiert werden. Diese waren für sich schon komplex genug, und natürlich reicht es für ein Unternehmen nicht aus, Produkte zu spezifizieren und zu entwickeln – sie müssen auch erfolgreich vermarktet und operativ betrieben werden. Trotzdem haben wir uns auch in dieser Phase mit der möglichen weiteren Entwicklung beschäftigt. Die dritte Gruppe von Lösungen sollten Systemangebote für Unternehmen mit mehreren Standorten bzw. mit einer regelmäßigen Kommunikation mit verteilten Partnern sein, z.B. Lieferanten oder Vertriebspartnern. Die Zielsetzung für diese Dienste waren die Vereinfachung der Kommunikation und die einfache Nutzung von Leistungsmerkmalen, wie sie eine moderne Nebenstellenanlage heute auch schon anbietet – solange die Anschlüsse direkt an der Nebenstellenanlage angeschlossen sind, d.h. in der Regel nur auf dem eigenen Unternehmensgelände. Im Fachjargon der Telekommunikationsunternehmen handelt es sich dabei um „virtuelle Netzlösungen“, kurz: VPNs. Da die Anforderungen an Datenkommunikation innerhalb und außerhalb des Unternehmens ständig steigen, sollten unsere Lösungen auch diesen Aspekt berücksichtigen und daher auf der Basis des etablierten Internet-Standards realisiert werden. Damit erschloss Seite 32

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sich auch ein weiterer Bereich potenzieller Dienste: die Umsetzung von ASP-Lösungen. Diese bezeichnen Anwendungen, die nicht mehr auf den Servern des Unternehmens realisiert werden, sondern von einem Netzbetreiber in der Infrastruktur gehostet sind. Dies ist auf der Systemlösungsebene das Pendant zur „Veronica“-Realisierung, die in dieser Form auch nur Wirklichkeit werden konnte, weil die Spracherkennung und Verarbeitung zentral im Netz erfolgte und nicht im einzelnen Endgerät. Diese letzte Gruppe war für die Planung in der damaligen Zeit nur schwer zu konkretisieren, und wir beschränkten uns daher zunächst darauf zu ermitteln, wie viele Unternehmen mit verteilten Organisationen und Filialstruktur als potenzieller Markt zur Verfügung standen, welche Telekommunikationsausgaben von ihnen getätigt wurden und welche Einsparungen in einer ersten Abschätzung möglich waren. Eine andere wichtige Informationsquelle war die Lage in anderen „entwickelten“ Telekommunikationsmärkten wie z.B. Finnland, Großbritannien, Nordamerika und Japan. Bei aller Vorsicht, die bei Analogien zwischen den Märkten anzuwenden ist, ergaben sich so doch Indikatoren für mögliche Dienste und ihre Akzeptanz in der Zielgruppe. Ich beschreibe diese Phase der Konzeption in etwas größerer Breite, um deutlich zu machen, dass nach meiner Erfahrung die „eine“ geniale Idee zur Gründung eines Unternehmens eher die Ausnahme darstellt. Bevor überhaupt eine Entscheidung möglich ist, ob es sinnvoll ist, mit einer Geschäftsidee auf den Markt zu gehen, sind viele Analysen und Überlegungen notwendig. Dabei befinden wir uns an dieser Stelle der Darstellung immer noch in einer relativ frühen Phase. Es liegen zwar jetzt konkrete Vorstellungen zu den späteren Produkten vor, aber es fehlen noch die Planungen und Ausgestaltungen für die technische Umsetzung und die Erstellung eines Geschäftsplanes mit der Quantifizierung von möglichen Umsätzen, Investitionen und laufenden Kosten für die Produktion, die Vermarktung und die Organisation.

7. Informationsbeschaffung für den Business Case Die eine Seite des Business Plans ist die Entwicklung der Umsätze. Hierfür sind Informationen zu beschaffen oder Annahmen zu treffen bezüglich der Höhe des realisierbaren Nutzens durch den Dienst, der Preisbereitschaft eines Zielgruppenvertreters, der Nutzungshäufigkeit eines Dienstes und der Entwicklung der Neukundengewinnung in Abhängigkeit von verschiedenen Vertriebsformen. Die Umsatzentwicklung wird zusätzlich beeinflusst durch zu erwartende Seite 33

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Kündigungsraten und den immer zu gewärtigenden Forderungsausfällen. Um diese Angaben mit einem vernünftigen Grad von Realitätsnähe zu finden, sind möglichst viele Informationen über die Kernzielgruppen zu beschaffen. Wie ist die wirtschaftliche Lage der Zielgruppe? Wächst oder schrumpft das Marktsegment? Werden Investitionen getätigt? Wie stark ist der Wettbewerb? Gibt es technologische oder regulatorische Änderungen, die das Geschäft der Zielgruppe in der nächsten Zielgruppe verändern? Wichtige Parameter sind zusätzlich Angaben über die bisherigen Ausgaben der Zielgruppe für vergleichbare oder für zukünftige Substitutionsprodukte. Es ist wahrscheinlicher, dass die Ausgaben für ein neues Produkt, das ein bestehendes Angebot substituiert, kleiner sein werden, als dass sie steigen werden. Eine andere Möglichkeit der Ableitung eines Wertes ergibt sich durch eine Nutzenanalyse. Hierzu ist zunächst der Aufwand für die bisherige Realisierung zu kalkulieren und den Kosten durch das neue Angebot entgegenzustellen. Bei solchen Rechnungen ist aber generell Vorsicht bei der Einsparung von Personalkosten geboten: Potenzielle Einsparungen in Höhe von 0,1 Mitarbeitern lassen sich zwar rechnerisch erfassen, aber es ist doch fraglich, ob sie auch realisiert werden können. Mit den oben gestellten Fragen kann man sich in aller Tiefe entweder jahrelang beschäftigen, bis die identifizierte Markchance schon lange nicht mehr gegeben ist, oder auf der anderen Seite mit so grob abgeschätzten Annahmen arbeiten, dass die Wirklichkeit später ganz anders aussieht. Welcher Aufwand zu betreiben ist, hängt ganz wesentlich von den erforderlichen Investitionen und den zu erwartenden Amortisationszeiten ab; die Frage kann nicht pauschal beantwortet werden. Es ist aber auf jeden Fall sinnvoll, sich die verfügbaren Informationen zu beschaffen und auszuwerten. In den meisten Fällen findet man auch qualifizierte Informationen, z.B. in Berichten von Verbänden der Zielgruppen und der Anbieter sowie in statistischen Jahrbüchern. Teilweise veröffentlichen auch die Wettbewerber selbst interessante Daten. Auch Banken erstellen zum Teil sehr informative Branchenreports, die weiterhelfen können. Neben diesen Recherchen gibt es die von Marktforschungsinstituten angebotenen Reports, bei denen man sich allerdings vorher sehr genau informieren sollte, ob die Inhalte wirklich relevant und aktuell sind. Die aufwändigste und teuerste Form der Recherche ist sicher der Auftrag an ein Marktforschungsinstitut zur Durchführung einer Analyse. Vor der Gründung eines Unternehmens muss man sich allerdings bewusst machen, dass die großen Unternehmen im Zweifelsfall immer wesentlich mehr Seite 34

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Mittel in die Prüfung einer Geschäftschance investieren als dies ein Gründer tun kann, der die Vorarbeiten aus der eigenen Kasse finanzieren muss und das Realisierungsrisiko selber trägt. Nach Durchführung der Recherchen kommt es fast immer zum Problem des Abgleichs inkompatibler Daten. Dies gleicht einem Puzzle, bei dem manche Teile fehlen und andere die falsche Form haben. Hier sind mit plausiblen Annahmen Lücken zu schließen und unterschiedliche Maßstäbe anzupassen. Danach sollte sich ein erstes Bild ergeben, das die eigenen Erwartungen entweder bestätigt oder korrigiert. In dieser Phase macht es Sinn, sich einige Vertreter der angestrebten Zielgruppe herauszusuchen und bezüglich der Annahmen und der Akzeptanz des neuen Dienstes zu befragen. Auch wenn eine solche Aktion nur selten zu repräsentativen Aussagen führt, so dient sie doch zur Absicherung der eigenen Schlussfolgerungen oder führt zu Anpassungen. Wenn es größere Abweichungen gibt, ist es allerdings geboten, die Analysephase noch einmal zu vertiefen. Wenn man die Informationen zusammenstellt, sollte man auch gleich Angaben ermitteln, die für die spätere Vermarktung notwendig sind. Die Frage nach dem Buying Center kann gerade bei Geschäftskunden zu einer entscheidenden werden, da anders als im Privatbereich Entscheidungen nur in Ausnahmefällen spontan und durch einen Einzelnen getroffen werden. Die Frage nach dem Entscheider, dem Beeinflusser, dem Einkäufer und dem späteren Anwender kann sehr hilfreich sein, um die Vertriebsorganisation richtig aufzustellen. Wenn man die Analysen der Zielgruppen in kompakte Branchensteckbriefe zusammenfasst, hat man alle für die Planung und die spätere Vermarktung wesentlichen Informationen dokumentiert. In den meisten Fällen sollte es ausreichen, sich für die Planung auf ca. fünf Kernzielgruppen zu beschränken. Diese sollten allerdings so gründlich recherchiert sein, dass es später keine größeren Überraschungen mehr gibt. Trotzdem ist es von Vorteil, die Branchensteckbriefe auch in Zukunft in der operativen Phase weiter zu pflegen, Inhalte zu ergänzen, zu ändern oder zu konkretisieren und natürlich für weitere relevante Zielgruppen neue Steckbriefe anzulegen.

8. Ohne Business Case geht es nicht weiter Mit Hilfe der Informationen über die Zielgruppe in Bezug auf das geplante Produkt kann der Planungsprozess beginnen: mit einer Berechnung der Umsatzentwicklung. Dabei ist der Bottom-up-Ansatz trotz eines deutlich höheren Aufwands auf Seite 35

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jeden Fall von Vorteil gegenüber dem Top-down-Ansatz, bei dem aus dem Gesamtmarkt über Marktanteilsannahmen und andere gesamtwirtschaftliche Ansätze ein Ergebnis berechnet wird. Wir führten für unsere Planung beide Ansätze durch und werteten sie als Plausibilitätscheck gegeneinander aus. Eine sorgfältig durchgeführte Bottom-up-Kalkulation, die bei der Nutzenquantifizierung je Zielgruppenvertreter einsetzt und über Penetrations- und Substitutionsraten die erzielbaren Umsätze je Zielgruppe kalkuliert, hat den Vorteil, dass später ein regelmäßiger Soll-Ist-Vergleich möglich ist. Damit kann die weitere Planung mit den aus der Realität stammenden Werten laufend konkretisiert und verbessert werden. In dieser Phase können auch schon die aus der Vermarktung entstehenden Vertriebskosten ermittelt werden. Über die zugrunde gelegte Vertriebskanalaufteilung und die Kosten je Neukunde können die jeweiligen Kosten berechnet werden. Dabei sollten realistische Kennzahlen für die Verhältnisse von erforderlichen Kontakten je Präsentation, von erfolgten Präsentationen zu Angeboten und von erstellten Angeboten je Auftrag eingesetzt werden. Eine ebenfalls notwendige Kenngröße ist die zu erwartende Kündigungs- oder Wechselquote, da die Vertriebsleistung entsprechend erhöht werden muss, um den Kundenstamm stabil zu halten. Für die Vervollständigung der Business-Planungen müssen die Investitionen für die erforderliche technische Infrastruktur, die Kosten für den laufenden Betrieb und die entstehenden direkten Kosten aus der Leistungserbringung ermittelt werden. Im Falle unserer konkreten Überlegungen waren wir hier aus eigener Recherche nicht in der Lage, diese Werte zu ermitteln. Zur Realisierung unserer Produktkonzepte waren ein Telekommunikationsnetz mit den Komponenten Vermittlungs- und Übertragungstechnik, Netzzusammenschaltungselemente, Billing und Auswertung erforderlich sowie eine mit „Intelligent Network“ oder kurz „IN“ bezeichnete Plattform, die uns erst in die Lage versetzte, Dienste so kundenspezifisch in der Zuführung, Bearbeitung und Terminierung von Anrufen zu behandeln, wie wir es gemäß unserer Planungen brauchten. In erster Abschätzung ergab sich allein für die technischen Komponenten ein Investitionsvolumen in Höhe von 10 Mio. Euro. Die laufenden Kosten ergaben sich einerseits aus der Miete von Rechenzentrumsflächen zur Unterbringung der Infrastruktur, den Wartungs- sowie den Personalkosten für die Betriebsmannschaft. Zusätzlich fielen als wesentliche Kosten die Nutzung der Vorprodukte und Netzleistungen anderer Netzbetreiber an. Dies ist für ein Unternehmen, wie wir es geplant hatten, unvermeidlich, da wir uns auf die intelligente „Veredelung“ der Transportleistung Seite 36

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Kommunikation konzentrieren wollten und nicht auf den flächendeckenden Aufbau eines Netzes. Da die Deutsche Telekom auch heute noch ca. 94 % aller Haushalte und Unternehmen direkt angeschlossen hat, ist eine Doppelung dieser verlegten Infrastruktur wirtschaftlich sinnlos. Die bei der Nutzung eines anderen Netzes entstehenden Kosten sind wesentlich von der Planung und Konzeption des eigenen Netzes und der Anordnung der Netzzusammenschaltungspunkte abhängig.

9. Vorbereitung und Durchführung der Ausschreibung mit Hilfe eines Experten Es war eigentlich von vornherein klar, dass die konkrete Netzplanung und die Kalkulation der damit zusammenhängenden Kosten nur gemeinsam mit einem Lieferanten der Netzinfrastruktur möglich waren. Die Frage war nur: Wer ist der richtige Partner und wie beurteilen wir die präsentierten Vorschläge? Erste Recherchen und erste Gespräche zeigten uns sehr schnell unsere Grenzen bei diesem Vorhaben auf! Alleine die Erstellung einer technischen Spezifikation dessen, was wir eigentlich haben wollten, war ohne weit gehende technische Kenntnisse nicht möglich. An dieser Stelle blieb uns nichts anderes übrig, als einen Berater einzuschalten, der diese Fähigkeit besaß und diesen Part als Dienstleistung mit übernehmen konnte. Je weiter eine Planung fortschreitet, um so mehr ist damit auch mit weiteren Kosten zu rechnen. Im Falle unserer Planung beliefen sich die Vorlaufkosten auf ca. 250.000 Euro. Da auch zum damaligen Zeitpunkt die Finanzierung solcher Vorhaben bereits schwierig war, blieb eigentlich nichts anderes übrig, als die Finanzierung aus dem privaten Vermögen zu ermöglichen. Dabei war es unter mancherlei Gesichtspunkten von Vorteil für uns, dass wir die Vorbereitung neben unserer selbständigen Tätigkeit im eigenen Unternehmen durchführen konnten. Ein Teil der benötigten Informationen war aus verschiedenen Studien vorhanden, die Kontakte zu wichtigen Experten konnten genutzt werden, die Durchführung ergänzender Recherchen durch die Mitarbeiter war ebenfalls prinzipiell möglich und durch eine flexible Zeiteinteilung konnten wir uns auch schon mal tagsüber zusammensetzen. Die tägliche Arbeitszeit wurde durch die zusätzlichen Aufgaben allerdings leider nicht kürzer – eher im Gegenteil: deutlich länger. Zusammen mit unserem Berater stellten wird die Ausschreibung fertig und wandten uns an die wichtigsten internationalen Anbieter, denen es zum damaligen Zeitpunkt vor dem Börsencrash noch sehr gut ging. Ein spezielles Problem bei Seite 37

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der Ausschreibung war dann die Frage, unter welchem Namen wir auftreten sollten. Die neue Gesellschaft war noch nicht gegründet, die bestehende hatte einen ganz anderen Geschäftszweck, und als Privatperson ist die Wahrscheinlichkeit, eine Antwort bzw. ein für die Planung brauchbares, belastbares Angebot zu erhalten, mehr als gering. Letztendlich verschickten wir die Anfrage unter dem Namen unserer bestehenden Gesellschaft – mit der Begründung, dass wir dies im Namen eines anderen Unternehmens taten, das in den geschilderten Bereich expandieren wolle. Nun ja, ganz falsch war die Geschichte zumindest nicht … So schwierig die Vorbereitung des Angebotes auch war – ein Angebot zu bekommen war noch einmal unvergleichlich komplizierter. Ohne mehrfaches und hartnäckiges Nachfassen reagierten tatsächlich nur zwei von elf angeschriebenen Unternehmen. Letztendlich erreichten wir, dass wir bei fünf der angeschriebenen Unternehmen „vorgelassen“ wurden; tatsächlich mussten wir als potenzielle Käufer beim Anbieter vorbeikommen und nicht umgekehrt! Dann mussten wir im Detail erläutern, warum wir eigentlich was haben wollen – auch das hatten wir uns eigentlich etwas anders vorgestellt! Bei einigen Anbietern bekamen wir dann auch deutlich zu verstehen, dass unsere Idee so ja gar nicht funktioniere oder alles sowieso schon realisiert sei. Auch nach langwierigen Bemühungen erhielten wir von drei der Unternehmen nie ein qualifiziertes Angebot. Ich vermute, dass die Situation heute ein wenig anders aussähe. Allerdings sind auch nicht mehr alle Anbieter, mit denen wir damals verhandelten, überhaupt noch in Deutschland aktiv. Immerhin muss man auch feststellen, dass unsere Idee bei dreien der Anbieter nach den ersten Gesprächen auf fruchtbaren Boden fiel und man uns intensiv bei der weiteren Planung unterstützte. Nach ca. acht Wochen hatten wir einen Kenntnisstand erlangt, der zu einer Vorauswahl führte. Hierzu entwickelten wir zusammen mit unserem Berater ein Kriterienraster und bewerteten die verschiedenen Unternehmen. Dabei blieben dann aufgrund der Erfüllung der gestellten Anforderungen nur noch zwei Anbieter übrig, mit denen wir in die Endverhandlungen eintreten wollten. Beide Unternehmen hatten wir in der Zwischenzeit natürlich über unser Vorhaben informiert. Bemerkenswert war für uns, dass international renommierte Unternehmen kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit einem jungen Unternehmen hatten und vor allem nicht Willens waren, auf technische Sonderwünsche einzugehen. Zunächst hatten wir erwartet, dass die Entscheidung primär unter kommerziellen Gesichtspunkten zu treffen sei, da die Protokolle in der öffentlichen TelekomSeite 38

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munikation ja international normiert und schon lange ausgereift waren. Dies trifft aber nur dann zu, wenn man ein Profil wie die großen Netzbetreiber vom Zuschnitt einer Deutschen Telekom hat. So war die Technologie für uns letztlich doch viel entscheidender. Der von uns letztendlich ausgewählte Lieferant war Nortel Networks, ein großer und international aufgestellter Konzern – wenn er auch damals (wie so viele seiner Wettbewerber) deutlich größer war als heute, nach dem Zusammenbruch des Telekommunikationsmarktes und den massiven Verlusten an den Börsen. Die Zusammenarbeit mit Nortel war sehr intensiv, und wir erhielten qualifizierte Hilfe bei solchen Problemen wie der Netzplanung, für die es nur wenige gute Planungsprogramme gibt. Auch bei der Dienstegestaltung unterstützten uns die Mitarbeiter von Nortel, was in Äußerungen wie „Es ist schon lange fällig, dass ein Netzbetreiber mit unseren Ideen aktiv wird“ Ausdruck fand. Die eigentlichen Verhandlungen mit den beiden verbliebenen Anbietern war ein Iterationsprozess, da sich mit der weiteren Konkretisierung auch die Ausgestaltung der technischen Infrastruktur veränderte. So war diese Verhandlungsrunde, wie auch schon die Vorauswahl, mehr ein Wettstreit der Konzepte als der Konditionen. Immerhin waren wir jetzt in der Lage, den Business Plan in diesem Bereich zu konkretisieren, so dass sich die Konturen schärfer darstellten. Bei den Verhandlungen wussten unsere Geschäftspartner, dass die Verhandlungen unter den Vorbehalten standen, dass die neue Gesellschaft gegründet wird, die notwendige Finanzierung zusammenkommt und die dann etablierten Gesellschaftsorgane der Entscheidung zustimmen.

10. Die Umsetzung geht nicht ohne Entwicklung einer Organisation Eine andere noch offene Aufgabe war die Ausgestaltung der Organisation, die für die geplante Unternehmung erforderlich war. Neben der Definition der einzelnen Funktionen und des erforderlichen Qualifikationsprofils müssen insbesondere auch die Anzahl der für den Start und in Abhängigkeit vom Wachstum erforderlichen Mitarbeiter definiert werden. Bei diesem Teil der Planung half uns eine Analyse der einzelnen Prozesse. Die Kernprozesse für das von uns geplante Unternehmen waren die Produktgestaltung bis zur Vertriebsfreigabe, der Vertriebsprozess bis zur Auftragserfassung und der Kundenverwaltungs- und Kundenbetreuungsprozess, einschließlich der Abrechnung und des Inkasso. Nicht prozess-

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orientiert sind die Bereiche Netzbetrieb, Qualitätssicherung und Administration.

11. Die verschiedenen Elemente münden in einen Business Plan Das Zusammenführen der verschiedenen Elemente führt so zu einem sehr umfangreichen Modell mit sehr vielen unabhängigen Parametern. Dabei ist es unumgänglich, die kritischen Parameter zu identifizieren. Dies sind solche, bei denen schon kleinere Änderungen große Schwankungen im Ergebnis bewirken. Wenn diese kritischen Parameter identifiziert sind, ist zu analysieren, ob die angenommenen Werte realistisch sind. Bei weniger sensiblen Parametern ist eine solche Feinanalyse nicht erforderlich. Zur Ausgestaltung des Business Plans gehören dann nach der Sensitivitätsanalyse die Ermittlung eines Worst- und eines Best-case-Szenarios. Dabei sind solche Werte für die beiden Extremfälle anzunehmen, die bei planmäßigem Aufbau der Gesellschaft und der Entwicklung die schlechteste zu erwartende Entwicklung bzw. im Gegenteil die bestmögliche Entwicklung darstellen. Bei richtigen Annahmen und ohne katastrophale innere oder äußere Vorkommnisse sollte der spätere Real Case immer zwischen den beiden Extremen liegen. Dabei macht es natürlich keinen Sinn die Parameter so weit zu spreizen, dass zwischen einer Marktführerschaft und einem Konkurs alles abgebildet wird. Auch bei einem Eintritt der dem Worst Case zugeordneten Parameter muss das Unternehmen nicht nur überlebensfähig sein, sondern auch eine Chance haben, den Break-even-Punkte zu erreichen, damit ein langfristiges Überleben auch ohne ständigen Kapitalzufluss gewährleistet werden kann. Das heißt natürlich nicht, dass die Parameter für den Worst Case so lange nach oben „frisiert“ werden müssen, bis diese Bedingung erfüllt wird. Vielmehr sind die anderen Parameter so zu verändern, dass das Unternehmen weiter bestehen kann. Dabei müssen gegebenenfalls Investitionen verschoben werden oder es muss Personal reduziert werden. Auch diese neue Konstellation sollte natürlich so aussehen, dass die Leistung tatsächlich realisierbar ist. Beispielsweise macht es keinen Sinn, einen stetigen Neukundenzuwachs zu planen, wenn man vorher den Vertrieb eingespart hat. Nach dem Abschluss dieser Planungsrunde hatten wir einen wichtigen Schritt abgeschlossen. Wir wussten, was ein auf Mehrwertdienste spezialisierter Netzbetreiber anbieten könnte, welche Features mit welcher technischen Infrastruktur realisierbar waren, hatten zwei geeignete InfrastrukturSeite 40

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lieferanten identifiziert, wir wussten wie die Organisation aussehen musste und wir kannten die wirtschaftlichen Randbedingungen für ein solches Geschäft. Anhand dieser Planungen wussten wir jetzt auch endlich, wie viel Kapital notwendig sein würde, um ein Unternehmen von diesem Zuschnitt zu gründen und bis zum Break-even-Punkt zu führen. Der sich ergebende Betrag in Höhe von 40 Mio. Euro ist schon ein stattlicher! Dabei enthielt dieser Betrag nur die Umsetzung der ersten Produktgruppe und die Darstellung eines marktreifen ersten Systems von „Veronica“. Die Kapazitäts- und Funktionserweiterung von „Veronica“ für die breite Vermarktung sollte ebenso wie die Finanzierung für die Realisierung aus einer späteren Finanzierungsrunde stammen oder aus einer – aus damaliger Sicht nicht unrealistischen – Börseneinführung am Neuen Markt beschafft werden. Aber auch ohne einen Börsengang hätte eine Fortführung ermöglicht werden sollen, allerdings unter deutlichen Abstrichen bei den weiteren Produkten. Wir sind damals allerdings davon ausgegangen, dass „Veronica“ die attraktive Geschichte für einen Börsengang sein müsste … Später waren wir in diesem Punkt natürlich schlauer, aber unsere Worst-CaseKalkulation war richtig.

12. Wie lässt sich das Vorhaben am besten finanzieren? Wenn die bisherige Phase der Vorbereitung zwar arbeitsintensiv und spannend war, so war es doch eine Tätigkeit, die wir bereits kannten. Bei der Planung und Vorbereitung der debitel hatte ich schon die gleichen Phasen durchlaufen. Auch wenn die Produkte, Zielgruppen und Vertriebskanäle andere waren, so blieben die prinzipiellen Aufgaben doch die gleichen. Auch in unserem Beratungsunternehmen hatten wir für verschiedene Unternehmen in der Start- oder Wachstumsphase Teile der Aufgaben in Form von Projekten erledigt. Doch trotz der sich so ergebenden Routine dauerte diese Phase der Vorbereitung fast neun Monate. Die dann anstehende Phase war für uns alle aber wirklich Neuland. Denn bevor es weitergehen konnte, musste eine entscheidende Frage geklärt werden: Woher kommt das erforderliche Kapital zur Finanzierung des Unternehmens? Nur eines war klar: Keiner aus dem Gründerteam hatte das Kapital, um auch nur einen kleinen Teil des Unternehmens zu finanzieren. Wir waren alle in der Phase mit Familie und kleinen Kindern und das gemeinsame Beratungsunternehmen in einer noch von Wachstum geprägten Phase, die noch nicht so viel Gewinn abgeworfen hatte, als dass wir genügend Reserven für derartige Expansionen geschaffen hätten. Also

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brauchten wir externe Investoren, um das Unternehmen zu gründen. Dabei ging es zudem nicht nur um die Finanzierung der Gründungsphase, sondern auch um die Planung der Durchfinanzierung bis zum Break-even-Punkt, d.h. um die volle Summe von 40 Mio. Euro. Wenn man sich diesem Problem nähert, ist stets abzuwägen, welche der verschiedenen Finanzierungsformen geeignet wäre und welche auch in den möglichen Folgen sympathisch sein könnte. Ein möglicher Weg ist die Bindung an einen industriellen Partner, der ein eigenes Interesse an dem geplanten Geschäft hat und Synergien zu seinem Geschäft sieht. Dies hätte natürlich den Vorteil, dass der Partner nicht nur Kapital bereitstellt, sondern auch fachspezifisches Know-how einbringt. Auf der anderen Seite besteht bei einem solchen Partner die grundsätzliche Gefahr, dass dessen eigene Interessen im Zweifelsfall den Interessen der Beteiligungsgesellschaft vorgehen. Ein anderes mögliches Risiko besteht im häufigen Strategiewechsel bei den Unternehmen, die am ehesten als industrielle Partner in Betracht kommen, den nationalen und internationalen Netzbetreibern. Kaum einer der Netzbetreiber hatte in den vergangenen fünf Jahren eine durchgängige Strategie verfolgt. Trotzdem wollten wir diese Option zumindest prüfen. Dies stellte sich allerdings als nicht ganz so einfach dar, denn viele Netzbetreiber in Deutschland waren schließlich unsere Kunden im Beratungsgeschäft, und das sollte nicht unter unseren Planungen leiden. Daher versuchten wir es mit einem Kontakt zu einem Netzbetreiber im europäischen Ausland. Wir hatten diesmal sehr schnell einen Termin mit dem Verantwortlichen für das Business Development. Das Gespräch war äußerst konstruktiv, zwar mit kritischen Rückfragen geführt, aber zum Abschluss mit der klaren Aussage: „Das ist ein attraktives Geschäft, und wir haben selber Überlegungen zur Umsetzung.“ Die Umsetzung sei bislang wegen der fehlenden Managementressourcen und anderen Prioritäten in den verschiedenen Gesellschaften noch nicht angepackt worden. Nun waren wir uns zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht sicher, ob wir eines der großen Telekommunikationsunternehmen als „starken“ Partner mit dabei haben wollten, und wir waren ja auch erst am Beginn dieser Überlegungen. Aus diesem Grunde beschleunigten wir den Entscheidungsprozess bewusst nicht und führten noch ein paar andere Gespräche mit Banken und Beteiligungsgesellschaften. Auch wollten wir das Business-Angel-Konzept für uns prüfen. In der Zwischenzeit hatten wir auch über möglicherweise passende und geeignete Banken für eine Investition nachgedacht und den Kontakt zu einer aus unserer Sicht gut geeigSeite 42

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neten und renommierten Privatbank hergestellt. Auch in diesem Fall war es einfach, einen Termin zu bekommen und unsere Vorstellungen zu präsentieren. Hierbei wurde allerdings auch schon deutlich, dass das Geschäftskonzept für jemanden, der sich nicht regelmäßig mit Themen der Telekommunikation beschäftigt, nicht ganz einfach zu verstehen war. Die Anfrage scheiterte allerdings an einem anderen Aspekt: Da die Gesellschaft noch nicht einmal gegründet war, konnte die Bank sich nicht beteiligen, da die so genannten SeedFinanzierungen ausgeschlossen waren. Für eine spätere Phase, in der wir eine Wachstumsfinanzierung suchten, seien wir wieder willkommen. Dies war zwar nicht unbedingt die Reaktion, die wir uns erhofft hatten, aber es war auch keine Absage an unser Konzept. Tatsächlich gingen wir später mit dieser Bank wieder in die Diskussion über eine Wachstumsfinanzierung für die zweite große Finanzierungsrunde im Jahr 2001. Für die Gründungsphase hatten wir jedenfalls die Erkenntnis gewonnen, dass Banken vermutlich nicht die richtigen Partner für die erste Finanzierungsrunde sind. Unser Business Plan hatte, wie schon erwähnt, einen Finanzierungsbedarf in Höhe von 40 Mio. Euro aufgezeigt; davon sollten für den Start bis Ende 1999 50 % vorhanden sein, und die anderen 50 % in einer zweiten Finanzierungsrunde am Ende des folgenden Jahres. Die Höhe des Kapitalbedarfs war insbesondere eine Folge unserer Entscheidung, die technische Infrastruktur zu kaufen und nicht zu leasen oder über den Lieferanten vorfinanzieren zu lassen. Dabei war eine nicht unerhebliche Anzahlung des Kaufpreises zu leisten und im Fortschritt der Installation bis zur Abnahme die weiteren Raten. Mit einem Kapitalbedarf in Höhe von 20 Mio. Euro war und ist eine Größenordnung erreicht, die die meisten VentureCapital-Gesellschaften nicht finanzieren – weder alleine, noch in einem Konsortium. Daher führten wir Gespräche mit international agierenden Beteiligungsgesellschaften, um hier das Interesse und die Bereitschaft zur Beteiligung zu testen. In diesem Umfeld war es schon schwieriger, Termine für eine Präsentation zu erhalten, und entsprechend der jeweiligen Kriterien der Entscheidungsgremien kamen wir aus diesen Terminen – es waren allerdings weniger als fünf solcher Gespräche – mit langen Listen zurück, auf denen ergänzende Fragen formuliert waren. Dies war für uns insgesamt sehr hilfreich, weil wir so besser verstanden, wie der Entscheidungsprozess bei diesen Unternehmen verlief und welche Punkte wichtig waren. Bei einigen Gesprächen kehrten wir sofort mit einer negativen Entscheidung zurück, da unser Konzept nach den angesetzten Maßstäben zu klein (!) war, Seite 43

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andere Unternehmen hatten andere Restriktionen bei der Mittelvergabe und konnten z.B. nicht in dieser frühen Phase investieren. Diese Aspekte waren zumindest nachvollziehbar, bei anderen Unternehmen haben wir uns allerdings zum ersten Mal über die gestellten Bedingungen gewundert. Wir waren zu diesem Zeitpunkt im Hinblick auf den Finanzmarkt mit Sicherheit noch recht naiv. So gab es damals einen Investor, der schon bereit gewesen wäre, das Kapital aufzubringen, wenn jeder von uns drei Gründern sein bisheriges Vermögen als Sicherheit eingebracht hätte. Dabei sollten auch eventuell abgeschlossene Lebensversicherungen mit abgetreten werden. Darüber hinaus sollte jeder von persönlich bei der Beteiligungsgesellschaft einen Darlehensvertrag in Höhe von mindestens einer halben Mio. Euro unterschreiben. Damit wäre für jeden von uns klar, dass wir bei einem Scheitern – aus welchen Gründen auch immer – unsere bislang erarbeiteten Rücklagen für die Zukunft verlieren würden. Über dieses Angebot brauchten wir nun nicht allzu lange nachdenken; es war für uns indiskutabel. Diese Entscheidung hatte dabei nichts damit zu tun, dass wir nicht an unsere eigene Geschäftsidee glaubten. Aber wir waren keine Spieler, die nach dem Alles-odernichts-Konzept reich werden wollten. Damals erhielten wir allerdings auch Angebote, bei denen wir aus einem ganz anderen Grund staunen mussten: Wir nahmen auch mit einer Beteiligungsgesellschaft Kontakt auf, die selber gerade einen erfolgreichen Börsengang hingelegt hatte. Nach der Präsentation unserer Geschäftsidee machte uns der Gründer der Beteiligungsgesellschaft das Angebot, unsere Unternehmensgründung mit ca. einem Viertel des benötigten Kapitals zu finanzieren und dann, etwa ein Jahr nach der Gründung und nach Aufbau der ersten Stufe der Infrastruktur, aber noch ohne einen richtigen Nachweis des Funktionierens des Geschäftes zu liefern, an den Neuen Markt zu gehen und mit dem Börsengang das restliche Kapital zu beschaffen. Dies bezeichnet man auch als einen Konzept-IPO, und nicht wenige Anleger haben wohl mit solchen Aktien in der Folge schlechte Erfahrungen gemacht. So verlockend ein solches Angebot auch auf den ersten Blick aussieht, so wenig hielten wir dies für den richtigen Weg. Der weitere Fortgang hat gezeigt, dass diese Entscheidung sicherlich richtig war. Weder die Beteiligungsgesellschaft noch die Emissionsbank haben die Krise des Kapitalmarktes überlebt. Jetzt blieb für uns noch der Test des Weges über Business Angels, d.h. über Privatpersonen oder Gesellschaften, die selber oder über ein Netzwerk von Privatpersonen in nicht-

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börsennotierte Unternehmen investieren. Aber auch hier gibt es schwarze Schafe! Wir haben auch hier mit verschiedenen Business Angels gesprochen, die in der Lage waren, den benötigten Betrag aufzubringen. Typischerweise engagieren sich Business Angels bei Projekten, die bis zu 1 Mio. Euro an Kapital brauchen, und nicht bei den Größenordnungen, die wir benötigten. Aber diejenigen, die auch die größeren Projekte bearbeiten, gab es damals noch – heute dürfte es ungleich schwerer sein, sie zu finden. Auch in diesem Fall folgten wir dem bereits bewährten Procedere und präsentierten bei wenigen, geeignet erscheinenden Partnern unser Konzept. Nach den ersten Gesprächen blieben zwei Business Angels für uns übrig; für andere war das Investitionsvolumen doch zu hoch oder für sie war das Geschäftskonzept zu weit weg von ihrem bisherigen Erfahrungsumfeld. Nach den ersten Gesprächen wollten wir denn nun konkrete Angebote zu den Konditionen und der Gestaltung der Umsetzung. Ein Angebot sah vor, dass der Business Angel einerseits selber mit erheblichen Beträgen investieren wollte und zum anderen für seine Vermittlungsleistung kein Bargeld wollte, sondern erfolgsabhängig Anteile zu der bei der Finanzierung erzielten Bewertung. Ein anderer machte uns das „klassische“ Beratungsangebot: mit einer Zahlung für die Konzepterstellung, einem Retainer für die Umsetzung und Anteilen für die erfolgreiche Kapitalerhöhung. Beim unmittelbaren Vergleich ist schon klar, dass das erste Angebot für den Gründer attraktiver ist. Dies wurde noch dadurch verstärkt, dass der erste Business Angel zunächst sogar weniger Anteile wollte als der zweite.

13. Die Wahl des Finanzierungspartners ist eine wichtige Weichenstellung Wie schon bei der Betrachtung der Auswahl des richtigen Lieferanten für die Netzinfrastruktur gilt hier natürlich in gleichem Maße, dass die reinen Konditionen nur die eine Seite der Medaille darstellen. Im Bereich der Finanzierung gilt in vielleicht noch viel weiter gehendem Sinne, dass der Inhalt und die Wertigkeit des Angebotes entscheidend sind. Was passiert, wenn die Gesellschaft in gutem Glauben gegründet wird, technische Infrastruktur in zweistelliger Millionenhöhe bestellt ist, Mitarbeiter eingestellt sind und dann das benötigte Kapital nicht zur Verfügung steht? Diese Unsicherheit besteht grundsätzlich immer, wie sich gerade bei einer Analyse der Insolvenzen in den Jahren von 1999 bis 2003 zeigt. Es sind viele Unternehmen dabei, die ein attraktives Geschäft machen und ein gutes Management haben, aber

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trotzdem kein Kapital z.B. für ihr Halbfertiglager gefunden haben. Diesen Aspekt der Umsetzungsstärke sahen wir uns bei den für uns interessanten Partnern besonders intensiv an. Daher wurden auch hier Vertraulichkeitserklärungen unterzeichnet und Unterlagen ausgetauscht. In diesem Fall war eine Entscheidung allerdings weniger eindeutig zu fällen als beim Ausschluss anderer Anbieter. Beide konnten uns Referenzen benennen, die dokumentierten, dass beide das Potenzial hatten, unser Vorhaben zu finanzieren. Der eine Anbieter beabsichtigte, die Platzierung über verschiedene Investitionsboutiquen vorzunehmen und kooperierende Organisationen einzubeziehen. Der andere hatte aus seiner früheren Tätigkeit für verschiedene Banken ein Netzwerk sowohl aus vermögenden Privatleuten als auch zu Fonds, die im Auftrag ihrer Investoren in vorbörsliche Beteiligungen investierten. Den Ausschlag gab letztlich dann die Zeitplanung. Während einer der beiden noch länger zu brauchen glaubte, konnte der andere unseren Zeitplan einhalten. Damit hatten wir auf jeden Fall auch für die Finanzierungsseite eine Umsetzungsoption. Mittlerweile war es Sommer geworden. Wir mussten entscheiden, ob wir den nächsten Schritt tun wollten. Bislang hatten wir zwar schon viele Monate intensiver Arbeit hinter uns und auch nicht unerhebliche Kosten erzeugt, aber es würde nichts passieren, wenn wir an dieser Stelle die weiteren Aktivitäten einstellten. Unsere eigenen Analysen hatten ergeben, dass das Geschäftsmodell eigentlich funktionieren müsste. Wir hatten neben einem Produktportfolio für den Start auch Erweiterungspotenziale identifiziert, die das zukünftige Wachstum absichern sollten und den potenziellen Investoren eine realistische Chance für einen Exit aufzeigen konnten. Wir hatten bei Marktkennern eine Bestätigung für unsere Überlegungen gefunden, und wir hatten jetzt auch einen Weg zur Beschaffung der erheblichen Finanzmittel. Obwohl damit eigentlich alles in Ordnung war und die Punkte, die noch sechs Monate vorher völlig unbeantwortet waren, eine zufrieden stellende Lösung gefunden hatten, blieben immer noch die Zweifel: Wird es wirklich gut gehen? Überheben wir uns mit dem Vorhaben nicht? Werden wir selber die Gleichen bleiben wie vorher? Wird die Zusammenarbeit mit den weiteren Führungskräften unser bisher sehr gutes Verhältnis beeinträchtigen? Wie wird die Zusammenarbeit mit den Investoren funktionieren, wo wir doch bislang unsere eigenen Gesellschafter waren?

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14. Erste Schritte zur Ansprache von Investoren Nachdem wir uns entschlossen hatten, den nächsten Schritt zu gehen, hat uns unser bisheriger juristischer Berater wesentlich unterstützt. Damit war jetzt neben dem Wirtschaftsprüfer auch der zweite externe Berater bei unserem Projekt beteiligt. Selbst aus heutiger Sicht bin ich der Meinung, dass wir in beiden Fällen das Geld gut angelegt haben, und ich möchte jedem raten, nicht an den falschen Stellen zu sparen. Die gründliche Prüfung von Verträgen und den möglichen Folgen ist sicherlich so ein Punkt. Mit dem Abschluss des Kapitalbeschaffungsvertrags waren die wesentlichen Vorarbeiten bis auf die Aufstellung des Führungsteams für den Start und die Besetzung der Gremien abgeschlossen. Gemeinsam mit unserem Finanzierungspartner diskutierten wir das weitere Vorgehen. Um weitere Sicherheit zu gewinnen, planten wir auf seinen Vorschlag hin eine erste größere Investorenveranstaltung. Dabei sollten ca. 50 potenzielle Investoren, die jeweils für eine mögliche Investitionssumme zwischen 250.000 und 500.000 Euro standen, im Detail informiert werden und die Gelegenheit haben, mit den Gründern ausführlich über die Geschäftsidee und den persönlichen Hintergrund zu diskutieren. Damit das im „richtigen“ Rahmen stattfinden konnte, wählte unser Business Angel ein erstklassiges Hotel in der Schweiz aus und erstellte ein entsprechendes Rahmenprogramm. Da die Kosten für diese Veranstaltung natürlich bei uns lagen, hatten wir hier einen weiteren, nicht unerheblichen Kostenblock zu tragen. Für die Veranstaltung, die von einem Freitagabend im späten August bis zum Sonntagvormittag geplant war, wurden Einladungen mit dem Programm gedruckt und verschickt. Wir überarbeiteten unsere Investorenpräsentation für diesen Zweck und fuhren dann mit allen Unterlagen und voller Spannung in die Schweiz. Damit auch die über das Geschäftkonzept hinausgehenden Fragen beantwortet werden konnten, luden wir auch unseren Technikberater, unseren Steuerberater und den juristischen Berater ein. Das Hotel bildete auf jeden Fall den richtigen Rahmen; heute würde ich allerdings eine weniger aufwändige und teure Lokalität für eine solche Veranstaltung wählen. Die Präsentation war ein voller Erfolg. Bei der Präsentation selber kamen nur wenige Fragen, und ich dachte schon, dass unser Projekt vielleicht doch nicht auf die große Resonanz stoße, die wir uns erhofft hatten. Vielleicht lag es aber auch an der doch relativ großen Gruppe oder der Freitagnachmittagserschöpfung. Jedenfalls wurde in der Folge sehr viel in kleineren Gruppen diskutiert, hinterfragt und kommentiert. Dabei fanden wir neben den

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durchaus kritischen Fragen auch sehr viel Zuspruch und Unterstützung. Am Sonntag nach der Abreise unserer potenziellen Investoren waren wir zwar erschöpft, aber auch zuversichtlich, dass wir es schaffen und das notwendige Kapital aufbringen könnten. Bei einer rückblickenden Würdigung würde ich heute Gründern nicht unbedingt zu einem ähnlichen Vorgehen raten, da das gleiche Ergebnis auch mit weniger Aufwand zu erreichen ist. Ein anderer Aspekt war allerdings damals für uns die scheinbar höhere Sicherheit für die weitere Entwicklung unserer Idee. Insofern haben wir also eher für unser gutes Gefühl für die weitere Umsetzung gezahlt.

15. Überlegungen zur richtigen Gesellschaftsform Schon im Vorfeld der Investorenveranstaltung, aber natürlich auch während der Diskussionen dachten wir über die „richtige“ Gesellschaftsform für die neue Unternehmung nach. Eine GmbH wäre die einfachste und schnellste Form für die Gründung; für einen späteren Börsengang und zur Wahrung der Interessen erschien die Aktiengesellschaft die richtige Gesellschaftsform. Da für den zukünftigen weiteren Ausbau des Geschäftes in jedem Fall weiteres Kapital erforderlich werden würde und zum damaligen Zeitpunkt ein Börsengang am damals noch attraktiven und stark wachsenden Neuen Markt der eigentlich „natürliche“ Weg zur Kapitalbeschaffung war, sollte es denn eine Aktiengesellschaft werden. Wir hatten im Vorfeld schon verschiedentlich Gesellschaften mit beschränkter Haftung gegründet und wussten daher, dass dies relativ einfach und mit begrenztem Aufwand umzusetzen ist. Die Gründungsunterlagen bis zur Anmeldung beim Handelsregister hatten problemlos in einen schmalen Ordner gepasst. So ungefähr stellten wir uns das denn auch für die Gründung einer Aktiengesellschaft vor. Wie gesagt hatte keiner von uns vorher entsprechende Erfahrungen gesammelt. An dieser Stelle kann ich nur noch einmal betonen, wie wichtig ein kompetenter und in Fragen des Gesellschaftsrechts erfahrener Berater schon in dieser Phase ist. Es sind viele Dinge zu beachten, die im nachhinein nur schwer zu korrigieren sind, und diese Unterlagen werden später bei Due-Diligence-Prozessen im Rahmen von Kapitalerhöhungen und bei der Beurteilung von Entscheidungen immer wieder geprüft. Wir waren jedenfalls doch einigermaßen erstaunt, als die Gründungsunterlagen dann später zwei breite Ordner gut gefüllt haben. Nachdem wir unsere große Investorenveranstaltung absolviert hatten und mit dem Gefühl zurückgekehrt waren, beschloss ich, zum ersten Mal seit einem Jahr für drei Wochen

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in Urlaub zu fahren, und dachte, in dieser Zeit werde wohl nichts Dramatisches passieren. Die Gründung hatten wir so weit es ging vorbereitet; sie sollte unmittelbar nach meiner Rückkehr stattfinden. Ich war kaum mit meiner Familie im gemieteten Ferienhaus auf Sardinien angekommen, als auch schon das Mobiltelefon klingelte: Es gab Probleme mit der Finanzierung. Unser Finanzierungspartner, mit dem wir erst kürzlich einen Vertrag geschlossen hatten, wollte die Bedingungen ändern. Er hatte in der Zwischenzeit festgestellt, dass das Vorhaben doch mehr Einsatz erforderte, als er ursprünglich geplant hatte. Daher forderte er deutlich mehr Anteile als Kompensation für seine Leistung, und diese Anteile sollten ihm auch nicht, wie ursprünglich vereinbart, Zug um Zug jeweils beim erfolgreichen Abschluss eines Finanzierungsschrittes überschrieben werden, sondern er wollte Sie unmittelbar bei Gründung – quasi als Vorschuss auf seine Leistung – überschrieben bekommen. Jetzt war guter Rat teuer. Sollten wir auf die Forderungen eingehen oder uns lieber nach einem anderen Partner für die Finanzierung umsehen? Letzteres hätte allerdings bedeutet, dass wir die Gründung des Unternehmens hätten verschieben oder ganz fallen lassen müssen. Bei der Finanzierung waren wir, anders als bei anderen Themen, nicht mit Alternativ- oder Rückfallebenen vorgegangen – dies wäre auch vermutlich gar nicht möglich gewesen. Mittlerweile wartete eine ganze Reihe von Personen, mit denen wir über ihre Mitarbeit gesprochen hatten, auf die Gründung. Auch unser designierter Lieferant für die Netzinfrastruktur wartete auf die Gründung, da unsere Bestellung erst nach der Gründung verbindlich erfolgen konnte. Ob sie auch weiterhin so kooperativ sein würden, wenn wir die Gründung jetzt auf unbestimmte Zeit verschieben würden? Und wir selber – wie stand es um uns, würden wir nach der langen Vorbereitungszeit die Energie aufbringen, die notwendig sein würde, um das Finanzierungsthema neu aufzurollen? Die langen Diskussionen, die wir in der Folge mehrmals am Tag per Mobiltelefon führten, brachten die Erkenntnis: Entweder gründen wir jetzt in aller Kürze das neue Unternehmen, wobei auch eine Verschiebung um ein bis zwei Wochen akzeptabel wäre, oder wir lassen die Planungen sterben. Da wir eigentlich entschlossen waren, das Unternehmen zu gründen, blieb keine Alternative, als zu einer Einigung mit dem ausgewählten Business Angel zu kommen. Die Frage war nur, zu welchen Bedingungen. Und: Waren die gestellten Bedingungen noch verhandelbar? Was wäre für uns noch akzeptabel? Eigentlich hatten wir ja schon eingesehen, dass unsere vertraglich vereinbarten Bedingungen sehr zu unseSeite 49

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ren Gunsten waren. Zumal der Business Angel mit der Einwerbung des erforderlichen Kapitals erheblichen Aufwand haben würde und nach Vertrag von uns nur Anteile erhalten würde, die erst zu einem späteren Zeitpunkt handelbar sein würden – oder im schlimmsten Fall wertlos wären. Auch waren die Konditionen im Vergleich zu den anderen Angeboten von Business Angels vorher sehr günstig, jetzt allerdings eher ein bisschen ungünstiger. Wollten wir akzeptieren, dass er alle Anteile von Anfang erhielt? Und welche Alternativen gab es für uns? Nach langwierigen Gesprächen einigten wir uns auf eine Linie: Wir wollten nach außen hin weitermachen wie bisher und die Gründung vorsorglich um eine Woche nach hinten schieben. Wir wollten die Forderungen unseres Partners auf das Niveau des anderen Business Angels drücken. Die Anteile wollten wir ihm denn auch gleich bei der Gründung überschreiben, aber verbunden mit einem komplexen Rückübertragungsprozedere, dass dann greifen sollte, wenn vereinbarte Ziele nicht erreicht werden sollten. Nach längerem Hin und Her einigten wir uns dann auf Basis einer von allen als akzeptabel angesehenen Regelung. Letztlich waren beide Positionen begründbar, und mit dem entsprechenden Verständnis füreinander lassen sich solche Abweichungen auch bereinigen. Das wirklich Unangenehme an der Situation war der Zeitpunkt, zu dem die neue Forderung entstanden war. Daneben gab es immer wieder die Diskussionen darüber, wie es weitergehen sollte, falls wir uns nicht auf einen Kompromiss würden einigen können.

16. Das Gründungsteam formiert sich Vor der endgültigen Gründung fehlten uns noch die restlichen Führungskräfte und die Vertreter in den Gremien, von denen wir uns später Hilfe und Unterstützung in den sicher auch kommenden schwierigen Phasen erhofften. Diesen Prozess stellten wir natürlich nicht zeitlich hinter die Konzepterstellung und die Suche nach dem richtigen Finanzierungspartner, sondern betrieben ihn schon frühzeitig parallel. Ich habe mir hier allerdings erlaubt, aus Gründen der besseren Transparenz die einzelnen Schritte in der logischen Folge hintereinander anzuordnen. Auch die Gespräche mit potenziellen Finanzierungspartnern hatten wir schon begonnen als die Business-Planung noch bei weitem nicht abgeschlossen war. (Wenn wir die Aufgaben streng logisch hintereinander bearbeitet hätten, wäre die gesamte Vorbereitung nicht in neun Monate abgeschlossen gewesen, sondern hätte eher doppelt so lange Zeit in Anspruch genommen.)

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Der Erfolg eines Unternehmens hängt ganz entscheidend von den Menschen ab, die es führen und den Arbeitsstil bzw. die Kultur des Unternehmens bestimmen. Dies ist natürlich keine neue Erkenntnis. Zunächst „sortierten“ wir uns natürlich selber und überlegten, was wir besonders gut zu erfüllen glaubten. Bei einem meiner Partner war die Entscheidung schnell klar: Aufgrund seiner ingenieurwissenschaftlichen Ausbildung war er prädestiniert für das Ressort Technik mit dem Produktmanagement und der Dienste-Entwicklung. Auch die Umsetzung des großen Projektes mit unserem sprachgesteuerten Assistenten „Veronica“ stellte eine erhebliche Herausforderung dar. Da ich selber früher bereits operativ für den Vertrieb bei debitel verantwortlich war, lag nahe, dass ich diese Funktion auch in der neuen Gesellschaft erfüllen sollte. Daneben sollte ich die Rolle des Vorstandsvorsitzenden übernehmen. Damit hatten wir zwar schon wichtige Funktionen besetzt, aber für den Finanzbereich fehlte uns der „Kopf“. Auch gingen wir davon aus, dass wir ein Ressort Operations brauchten, das neben der für einen Telekommunikationsanbieter zentralen Aufgabe der Kundenbetreuung auch für den Betrieb der aufzubauenden Telekommunikations- und IT-Infrastruktur zuständig sein sollte. Wir nahmen damals an, dass es Vorteile für die weitere Entwicklung habe, wenn wir diese Funktionen auch auf Vorstandsebene besetzten. Damit hatte unser geplantes Vorstandsgremium vier Plätze, von denen erst zwei besetzt waren. Aufgrund der Sensibilität der Besetzung des Führungsgremiums wollten wir nicht den Weg über die Suche durch einen Personalberater gehen, sondern mit Personen starten, die wir bereits kannten – oder die wir zu kennen glaubten. Außerdem beschäftigte uns diese Frage natürlich schon relativ früh im Planungsstadium. Tatsächlich dachte ich für die Besetzung der Funktion des Finanzvorstandes an eine frühere Kollegin, mit der ich in den frühen Tagen von debitel eng zusammengearbeitet hatte und die ich auch im Hinblick auf ihre pragmatische und direkte Art schätzen gelernt hatte. Da wir über die Zeit immer einen losen Kontakt gehalten hatten, stieß ich sie an, als es bei uns ernster wurde. Grundsätzlich stieß ich wohl auch auf Interesse, und wir tauschten Unterlagen über unsere Geschäftsidee aus, um ihr Gelegenheit zu einer intensiveren Prüfung zu geben. Endlich schafften wir es nach mehreren Verschiebungen, einen Termin zu finden, an dem wir alle Zeit hatten – da musste Sie unseren Termin absagen und fiel wegen einer ernsten Erkrankung für lange Zeit aus. Das war natürlich nicht nur für sie persönlich eine dramatische Entwicklung; in unseren weiteren Planungen fehlte jetzt ein erfahrener „Kopf“! Seite 51

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Auch für die zweite Vorstandsfunktion hatte ich schon früh an einen sehr erfahrenen Telekommunikationsmanager gedacht, der sehr viel Erfahrung im Bereich der Planung und Umsetzung komplexer Systemlösungen besitzt. Mit ihm hatte ich schon früher in verschiedenen Strategieprojekten zusammengearbeitet und seine Fähigkeit der Entscheidungsfindung und auch der Moderation in sehr schwierigen Situationen erlebt. Neben diesen Voraussetzungen hatte er auch noch ein zusätzliches Maß an internationalen Erfahrungen im Telekommunikations- und Systemhausgeschäft gesammelt, das mir für die Umsetzung unseres Projektes äußerst wertvoll erschien. Wir waren uns allerdings unsicher, ob er seine Funktion in der Geschäftsführung eines großen Netzbetreibers zugunsten einer Funktion in einem kleinen Start-up-Unternehmen aufgeben würde. Trotzdem führten wir in der Folge eine Reihe von sehr intensiven Gesprächen und gaben ihm alle Unterlagen zur Prüfung. Sein Urteil über unsere Idee bestätigte uns mehr als die positiven Rückmeldungen aus dem Kreis der potenziellen Investoren, denn er war bereits ein „alter Hase“ im Telekommunikationsgeschäft, der eine gute Idee von einer unrealistischen Vision sehr wohl unterscheiden konnte. Zu unserer Freude war er nicht nur von der Idee an sich überzeugt, sondern auch bereit, das Wagnis der Gründung und des Aufbaus mit uns gemeinsam zu unternehmen. Insofern schien für uns im Hinblick auf die Besetzung des Vorstandsressorts Operations alles bestens geregelt. Dies war so lange richtig, bis er mich einige Zeit später informierte, dass er aufgrund seines eigenen, recht komplexen Vertrages nicht genau bestimmen konnte, wann er bei uns tätig werden könne – zumindest nicht im ersten Jahr nach Gründung. Nach längeren Diskussionen kamen wir einvernehmlich zu der Überzeugung, dass wir insbesondere für die Zeit unmittelbar nach dem Start jemanden brauchten, der den Aufbau von Kundenbetreuung und Netzbetrieb steuerte und führte. Das bedeutete für uns, dass auch der zweite Wunschkandidat nicht zur Verfügung stand, wenn auch zum Glück aus ganz anderen Gründen. Zum Glück verloren wir den Kontakt zu ihm dann nicht, sondern konnten ihn als Privatinvestor und als Aufsichtsrat gewinnen. Trotzdem blieb unser Problem der Besetzung der beiden Vorstandspositionen vorerst ungelöst. Da ein Unternehmen bekanntlich nicht nur von Vorständen geführt wird, bemühten wir uns auch schon frühzeitig um die Besetzung der Funktionen unterhalb des Vorstands. Hierzu nutzen wir teilweise eigene Kontakte und erhielten zum überwiegenden Teil Empfehlungen von anderen, mit denen wir in der Zwischenzeit über unsere Geschäftsidee gesproSeite 52

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chen hatten und die ebenso wie wir von der Idee begeistert waren. Mitte 1999 war die Arbeitsmarktsituation insbesondere im Bereich der Telekommunikation sehr angespannt. Der spätere Crash mit Insolvenzen und Entlassungen in großem Stil war damals noch weit weg und kaum absehbar. Das bedeutete, dass fast alle Telekommunikationsanbieter mit allen Mitteln nach geeigneten Mitarbeitern suchten. Es war die hohe Zeit der Job-Hopper, die nach recht kurzer Zeit von Unternehmen zu Unternehmen wechselten und bei jedem Wechsel fast 20 % mehr Gehalt erzielten. Unter diesem Gesichtspunkt kann man froh sein, dass diese Zeiten des ungezügelten Booms vorüber sind. Damals konnte uns dies aber vor ernsthafte Probleme stellen, da wir sicher nicht in der Lage waren, Mitarbeiter mit einem höheren Gehalt von anderen Unternehmen abzuwerben. Uns blieb also nur der Weg der Überzeugung und das Angebot, mit dem neuen Unternehmen zu wachsen – im Übrigen keine leere Versprechung: Einer der Mitarbeiter, die damals zu uns kamen, um eine Abteilung aufzubauen, konnte sich im Laufe von weniger als vier Jahren über eine Bereichsleiterfunktion bis zum Vorstand entwickeln.

17. Die persönliche Belastung wächst mit der Annäherung an die Gründung Wenn ich an die damalige Zeit denke, dann sind mir die Abende und Wochenenden deutlich vor Augen, die ich zur Entspannung im Garten verbracht habe – fast immer telefonierte ich da mit Personen, von denen wir gehört hatten, dass sie zu uns passen würden. Genauso häufig erhielt ich Anrufe von Leuten, die von unserem Projekt gehört hatten und sich über das Geschäftskonzept und über die Positionen, die zu besetzen waren, informieren wollten. Auf diesem Wege hatten wir recht bald viele Bewerbungen für die wichtigsten Positionen, die gerade auch schon zu Beginn zu besetzen waren. Besonders freute mich in diesem Zusammenhang, dass sich auch eine ganze Reihe von früheren Kollegen und Mitarbeitern aus verschiedenen Unternehmen meldete und Interesse an einer erneuten Zusammenarbeit bekundete. Tatsächlich hatten wir dann zeitweise mehr Interessenten als zu besetzende Positionen – für die damalige Zeit eine wirklich bemerkenswerte Situation. Obwohl wir in dieser Zeit natürlich noch keine Arbeitsverträge vergeben konnten, hatten wir viele Wenn-dann-Vereinbarungen, die nach der Gründung in Arbeitsverträge umgesetzt werden sollten. Natürlich gab es auch die Negativerfahrungen mit Interessenten, die sich primär und fast ausschließlich für die

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Höhe des Gehaltes interessierten oder sogar für eine noch nicht einmal geplante Altersversorgung. Viel Interesse bestand allgemein an der Möglichkeit zum Erwerb von Anteilen bzw. Optionen, da dies zur damaligen Zeit und aufgrund der breit gestreuten Informationen über die Erfolgsstorys als eine Möglichkeit zum schnellen Reichwerden hochstilisiert wurde. (Bei genauerem Hinsehen handelte es sich eigentlich immer um wenige Ausnahmefälle.) Das Interesse am Erwerb der Aktien schmolz verständlicherweise schnell dahin, wenn ich über die sich abzeichnenden Konditionen für die Kapitalerhöhung informiert hatte. Das von allen gewünschte Optionsmodell hatten wir aber bereits in unseren Planungen mit vorgesehen und die entsprechend notwendigen Beschlüsse für die ersten Sitzungen der Gesellschaftsvertretungen vorbereitet. So konkretisierte sich in dieser Zeit die Organisation der neuen Gesellschaft, und es standen zunehmend mehr Personen bereit, die gerne bei uns angefangen hätten. Aber immer noch waren die beiden Vorstandspositionen zu besetzen. Nachdem unsere Wunschkandidaten nicht mehr zur Verfügung standen, sahen wir uns wieder intensiver in unserem Netzwerk um, ob es geeignete Kandidaten hierfür gab. Dabei stieß ich auf zwei ehemalige Mitarbeiter bzw. Kollegen, mit denen ich in den letzten Jahren nur sehr wenig oder gar keinen Kontakt mehr gehabt hatte. Bei einem von beiden bekam ich von dritten den Hinweis, dass er sich gerade verändern wolle und kurz vor einer Entscheidung stehe. Ich nahm jedenfalls mit beiden Kontakt auf, und wir trafen uns ein paar Mal, um Informationen auszutauschen. Nachdem wir uns mit beiden Partnern abgestimmt hatten, waren wir uns einig, dass wir die beiden für die vakanten Positionen einsetzen wollten. Vielleicht hatten wir in der Zeit vorher zu viele Gespräche geführt oder waren nach der doch langen Vorbereitungszeit erschöpft, aber im Nachhinein bin ich mir sicher, dass ich in beiden Fällen Fehlentscheidungen getroffen habe.

18. Überlegungen zur Besetzung des Aufsichtsrates Da wir die Entscheidung getroffen hatten, die Gesellschaft als Aktiengesellschaft zu gründen, brauchten wir natürlich auch einen Aufsichtsrat. Die Anzahl der Aufsichtsräte muss in jedem Fall durch drei teilbar sein und zur Sicherstellung der Beschlussfähigkeit in einer Sitzung müssen mindestens drei Aufsichtsräte anwesend sein. Wie viele Aufsichtsräte sind für uns richtig? Zu viele sind in der ersten Phase eines Unternehmens sicher nicht sinnvoll, da auch der Aufsichtsrat

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„gemanagt“ werden muss, d.h. laufend Informationen erhalten soll, die Sitzungen und die Beschlussfassungen vorbereitet werden müssen. Auf der anderen Seite sollte der Aufsichtsrat die für uns wichtige Aufgabe der Unterstützung und Beratung übernehmen und damit mehr als die aktienrechtlich vorgeschriebenen Kontrollaufgaben wahrnehmen. Daher sollten es sechs Aufsichtsräte werden. Unseren Berater in allen technischen Aspekten in der Planungsphase wollten wir auf jeden Fall dabei haben, da er sich mit unserem Konzept sehr weit gehend identifiziert hatte und mit seinen langjährigen Erfahrungen aus operativen Aufgaben ein wichtiger Berater beim weiteren Aufbau des Unternehmens zu werden versprach. Auch brachte er viel Erfahrung im Telekommunikationsmarkt mit. Natürlich sollte auch unser Business Angel im Aufsichtsrat mitwirken, da die weitere Strukturierung der Kapitalzufuhr ein lebenswichtiges Element darstellen würde. Außerdem war er der Vertreter der von ihm eingeworbenen Investoren. Den eigentlich für den Bereich Operations vorgesehenen Experten wollten wir ebenfalls aufgrund seiner Erfahrungen für den Aufsichtsrat gewinnen. Da die mit der Führung einer Aktiengesellschaft zusammenhängenden Beschlüsse und die Strukturierung der Kapitalerhöhungen ein recht komplexes Gebilde darstellen, wollten wir auch gerne unseren bisherigen juristischen Berater der letzten Jahre gewinnen. Er hatte uns mit seiner Erfahrung im Bereich des Gesellschaftsrechts schon früher wesentlich geholfen, und er hatte den Vorteil, dass er die Historie der Gesellschaft genauso gut kannte wie wir. Damit waren wir uns bezüglich der ersten vier Vertreter recht schnell einig und – noch wichtiger – die Angesprochenen waren auch gerne bereit, uns im Aufsichtsrat zu unterstützen. Damit blieben noch zwei zu besetzende Positionen, und wir haben zunächst für uns festgelegt, welche Fähigkeiten wir gerne noch ergänzend im Aufsichtsrat vertreten haben wollten. Zum einen hätten wir gerne noch einen gestandenen und erfahrenen Manager gehabt, der uns mit seiner Erfahrung gerade in den sicher auch auf uns zukommenden schwierigen Phasen helfen sollte. Dabei wäre uns ein Vertreter aus einer Branche, die absolut nichts mit der Telekommunikation zu tun hatte, am ehesten willkommen gewesen. Wir fanden schließlich einen nachweislich erfolgreichen ExManager aus einem international tätigen Konzern, der mit seinem Unternehmen viele Krisen gemeistert hatte und auch viel Erfahrung in den Verhandlungen mit Banken besaß. Was uns außerdem komplett fehlte, war der Zugang zur Politik und den wirtschaftspolitischen Verbänden, die wir vielleicht zur Gewinnung neuer Kontakte und Multiplikatoren nutzen Seite 55

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konnten. Nach einiger Suche fanden wir auch hier einen aus unserer Sicht sehr gut geeigneten Vertreter mit einer langjährigen Erfahrung in Politik und Wirtschaft, den wir nach einem intensiven Gespräch in Berlin ebenfalls überzeugen konnten. Was für uns eine besondere Auszeichnung darstellte, war die Tatsache, dass er bislang bei Angeboten zur Vertretung in Aufsichtsratsgremien sehr zurückhaltend behandelt hatte – und er hatte mit Sicherheit sehr viele Angebote bekommen! Da einer unserer designierten Aufsichtsräte aufgrund seiner vertraglichen Situation erst ein paar Monate später sein Mandat antreten konnte, musste meine Kollegin sich als Platzhalterin in den Aufsichtsrat wählen lassen, mit dem eigentlich vorgesehenen Aufsichtsrat als Nachrücker. Der Nachrücker wird automatisch zum Aufsichtsrat, wenn der gewählte Aufsichtsrat von seinem Amt zurücktritt – eine etwas komplizierte Vorgehensweise, aber da ein Aufsichtsrat nur von der Hauptversammlung gewählt werden kann, spart man auf diesem Wege die Einberufung einer zusätzlichen Hauptversammlung. Auf jeden Fall war aus der damaligen Sicht die Welt in Ordnung. Die Finanzierung schien gesichert. Der Business Plan war schon von verschiedenen Experten begutachtet. Und die Startmannschaft stand ebenfalls. Bei dem von uns gewonnenen Aufsichtsrat waren wir sicher, die richtigen Experten beisammen zu haben, die uns helfen würden, Probleme zu meistern. Jetzt war nur noch die letzte Entscheidung zum Start notwendig.

19. Die Gründung – Point of no Return Es waren also die letzten Vorbereitungen zur Gründung zu treffen: ein weiterer Termin mit dem Notar zur Abstimmung der Unterlagen und die Koordination der notwendigen formalen Schritte wie z.B. der Durchführung einer ersten Hauptversammlung – noch im kleinen Kreise der Gründer und daher auch als Vollversammlung, damit die Beschlüsse für die Kapitalerhöhung vorbereitet, der Aufsichtsrat und der Abschlussprüfer für den Jahresabschluss gewählt werden konnten. Ende September 1999 war dann der große Tag, und wir kamen zusammen, um die verschiedenen Gründungsformalien zu erledigen. Nachdem der Notar erschienen war, mussten in letzter Minute doch noch kleine Änderungen und letzte Ergänzungen in den Unterlagen vorgenommen werden, Unterlagen wurden ausgedruckt und kopiert. Der eigentliche Vorgang der Gründung war dann im Vergleich zur ganzen vorherigen Aufregungen eher unspektakulär. Dann fand die erste Hauptversammlung statt, die mit der Abarbeitung der

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formalen Beschlüsse überwiegend aus dem Unterzeichnen immer weiterer Unterlagen bestand. Immerhin musste auch schon in dieser ersten Hauptversammlung die Präsenz des stimmberechtigten Eigenkapitals festgestellt und dokumentiert werden. Der Kreis der Gründungsaktionäre bestand damals aus nur etwa zehn Personen, so dass alles überschaubar war. Wenig erstaunlich ist daher, dass alle Beschlüsse einstimmig getroffen wurden. Die erste Hauptversammlung war relativ schnell vorüber, und im Anschluss wurde direkt die erste Aufsichtsratssitzung mit der Wahl eines Vorsitzenden und eines Stellvertreters sowie – für unsere Handlungsfähigkeit natürlich nicht ganz unwichtig – mit der Bestellung des Vorstands und des Vorstandsvorsitzenden. Der Arbeitsvertrag der Vorstände musste natürlich auch noch separat mit dem Aufsichtsrat abgeschlossen werden. Die Geschäftsordnungen für den Aufsichtsrat und den Vorstand, in dem über den gesetzlichen Rahmen hinausgehend genau geregelt wird, wer welche Vollmachten hat, über welche Geschäftsvorgänge zu informieren ist und in welchen Fällen der Vorstand vorab eine Zustimmung durch den Aufsichtsrat einholen muss, war ebenfalls zu erstellen, abzustimmen und zu beschließen. Damit eine Gesellschaft am Markt als solche agieren kann, sind die verschiedenen Anmeldungen am Handelsregister erforderlich, mit Hinterlegung des notariell beglaubigten Gründungsdokuments, des Gesellschaftsvertrages und der „Unbedenklichkeitsbestätigungen“ für die Vorstände, dem Nachweis der Einzahlung des Eigenkapitals, dem notariell beglaubigten Protokoll der ersten Hauptversammlung u.s.w. Der formale Aufwand war aus meiner Sicht schon sehr hoch. Auf der anderen Seite geben diese Auflagen eine gewisse Sicherheit gegen Missbrauch. Die bekannt gewordenen Fälle von Verstößen bei einigen börsennotierten Unternehmen (ob es nun kleine wie z.B. Flowtex oder emTV sind oder auch große, spektakuläre wie Enron und MCI Worldcom, ob sie im Einzelfall nun tatsächlich betrügerisch erfolgt sind oder nicht) zeigen jedenfalls, dass diese Hürden auch keinen wirklichen Schutz darstellen. Nach den langen Vorarbeiten mit immer wieder neu aufkommenden Problemen und Zweifeln sowie vielen für uns neuen Themenbereichen war jetzt ein wichtiger Schritt getan. In gewisser Weise machte sich eine gewisse Erleichterung breit, obwohl natürlich die eigentliche Arbeit erst losging. Schon jetzt hatte sich unser Unternehmen gegenüber dem früheren Status verändert: Wir hatten eine neue Zusammenarbeit mit früheren Kollegen, Beratern und neu hinzu gekommenen Personen begründet und wir waren schon zu diesem Seite 57

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Zeitpunkt nicht mehr alleine Gesellschafter dieses Unternehmens. Selbst wenn die puren Fakten rein rational offensichtlich sind, so dauert es im einen oder anderen Fall doch länger, die neuen Bedingungen auch emotional zu akzeptieren. Die neuen Anforderungen an die Formalisierung von Prozessen mit einer Prüfung von Zuständigkeiten und Zustimmungserfordernissen, die notwendigen Abstimmungen im Vorfeld, die Formulierung von Beschlussvorlagen, die Einhaltung der jeweils festgelegten Fristen und die vollständige Dokumentation aller Beschlüsse haben letztlich viel mehr Kapazität und Zeit gefordert, als ich im Vorfeld je vermutet hatte. Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, dass in unserem früheren Unternehmen selbst Gesellschafterbeschlüsse schnell und formlos getroffen wurden, indem wir uns zu dritt in einem Büro trafen und eine Entscheidung fällten. Auch dabei war es natürlich notwendig, Gesellschafterbeschlüsse zu dokumentieren, aber auch dies war wenig aufwändig.

20. Die operativen Vorbereitungen beginnen Nach der ersten bescheidenen Feier zur Gründung des Unternehmens gingen am nächsten Tag die operativen Aufgaben dann richtig los. Mit den potenziellen Mitarbeitern, die wir für unser Unternehmen gewinnen wollten, mussten Arbeitsverträge geschlossen werden, wir brauchten neue Räumlichkeiten zur Unterbringung der in nächster Zeit stark wachsenden Mitarbeiterzahl. Heute wäre dies überhaupt kein Problem, da es gerade im Bereich von Gewerbeimmobilien ein deutliches Überangebot gibt. Im Jahr 1999 sah dies aber ganz anders aus. Für unser Beratungsunternehmen hatten wir in einer Jungendstilvilla Büroräume gemietet. Für das neue Unternehmen passten weder der Stil noch die Kapazität zur Unterbringung von hundert Mitarbeitern, die nach Plan innerhalb eines Jahres an Bord kommen sollten. Frei waren damals entweder sehr teure Räumlichkeiten oder aber ziemlich heruntergewirtschaftete Büros, die man in erheblichem Maße hätte renovieren müssen. Auch fand sich kaum etwas in der richtigen Größe, und wir wollten vermeiden, dass wir das Unternehmen an verschiedenen Standorten aufbauen mussten. Mit mehreren Standorten hatte ich in der Vergangenheit schon schlechte Erfahrungen gemacht, und das wollte ich nicht unbedingt wiederholen. Mit etwas Glück fand sich dann doch eine geeignete Immobilie, die ein Unternehmen zunächst zur Eigennutzung gebaut hatte, das dann aber nach der Übernahme durch einen Wettbewerber diesen Standort nicht mehr in vollem Umfang brauchte. Da außerdem das Preis-Leistungsverhältnis sehr

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gut war und es die Möglichkeit gab, dass wir Mietflächen mit unserem Wachstum hinzumieten konnten, war die Entscheidung einfach. Natürlich sollten wir gleich einen Zehnjahresvertrag mit gestaffelter Mietpreissteigerung unterschreiben, was zur damaligen Zeit keineswegs unüblich war. Nach zähen Verhandlungen konnte dies reduziert werden auf „nur“ sieben Jahre Mietdauer. Auf jeden Fall hatten wir damit einen sogar repräsentativen Standort, an dem unsere bisherige Beratungsgesellschaft untergebracht werden konnte und in den das neue Unternehmen hineinwachsen konnte. Auch andere administrative und organisatorische Dinge waren zu klären: Welches Büromöbelprogramm ist geeignet, preiswert und hat die richtige Funktionalität? Welche Versicherung braucht ein Unternehmen mit unserem Profil? Wie soll die IT-Infrastruktur aufgebaut werden? Welche Reisekostenrichtlinie ist angemessen? Welche Unterschriftsvollmachten sind notwendig? Etc. Nach den Überlegungen zur Ausgestaltung des Geschäftskonzeptes sind dies zwar eher die Niederungen des operativen Geschehens, aber ohne sie funktioniert ein Unternehmen nun mal nicht oder zumindest nicht reibungsfrei. Es gab natürlich auch die anderen Aufgaben, die unmittelbar mit unserem Geschäft zusammenhingen. Für den Betrieb eines Telekommunikationsnetzes, über das auch öffentliche Sprachkommunikation möglich ist, wird eine Lizenz durch die zuständige Behörde, die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, erforderlich. Die notwendigen Auskünfte und Netzplanungen, aber auch die Angaben zu Unternehmen und Management hatten wir bereits vor der Gründung vorbereitet und konnten sie jetzt fertig stellen und ergänzen. Unseren Lizenzantrag erstellten wir im technischen Teil natürlich in enger Zusammenarbeit mit unserem potenziellen Lieferanten. Diesen Lizenzantrag stellten wir dann bald nach der Gründung des Unternehmens, und schon nach erstaunlich kurzer Zeit wurde uns die Lizenz zum Betrieb eines Kommunikationsnetzes erteilt. Ein weiterer Meilenstein war geschafft. Den Auftrag für die Beschaffung der Infrastruktur konnten wir allerdings immer noch nicht erteilen, da das Unternehmen bislang nur über das Gründungskapital verfügte und noch keine eigenen Umsätze realisieren konnte.

21. Beschlüsse zur Kapitalerhöhung Die Kapitalerhöhung und die Sicherstellung der Kapitalzufuhr zur richtigen Zeit, d.h bis spätestens Ende des Jahres und in

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der richtigen Höhe, war damit die vordringliche Aufgabe für uns. Da auch in dieser ersten Phase Geld für die notwendigen Anschaffungen und zur Zahlung der Gehälter notwendig war, konnte das Unternehmen ohne die geplante Kapitalzufuhr nicht überleben. So lag der Fokus auf der Vorbereitung und Unterstützung der Kapitalzufuhr. Die Beschlüsse für die Kapitalzufuhr mit den erforderlichen Angaben zum Mindestausgabebetrag, der Frist zur Eintragung im Handelsregister und der notwendigen Mindestkapitalzufuhr für eine Eintragung mussten erstellt und juristisch geprüft werden. Da die Zeit im verbleibenden vierten Quartal zur Abwicklung der Kapitalerhöhung knapp zu werden drohte, beschlossen wir daher, die benötigte Kapitalzufuhr in zwei Tranchen aufzuteilen, die jeweils Ende November und Ende Februar im Folgejahr erfüllt werden sollten. Dabei wurde zur Absicherung der investierenden Aktionäre eine Hürde eingebaut, die für uns kritisch werden konnte: Wenn zum Stichtag nicht das im Kapitalerhöhungsbeschluss geforderte Mindestvolumen gezeichnet und auf ein Sonderkonto eingezahlt sei, gelte die Kapitalerhöhung als nicht erfolgreich. In diesem Fall müsste das ganze bis dahin eingezahlte Kapital wieder zurück überwiesen werden. Für uns hätte dies natürlich bedeutet, dass wir immer noch keine Infrastruktur bestellen konnten und vermutlich nach einem kurzen Start wieder am Ende gewesen wären, da das vorhandene Kapital sich berechenbar verbrauchte. Immerhin hatten wir im Vorfeld bei der Auswahl des Business Angels und der Durchführung der Investorenveranstaltung das Mögliche getan. Da wir aber nicht den einen großen Investor haben wollten, sondern zunächst auf Privatinvestoren und Fonds gesetzt hatten, bestand eine nicht unerhebliche Unsicherheit. Die Hauptversammlung und die Aufsichtsratssitzung zur Kapitalerhöhung liefen planmäßig ab; die Kapitalerhöhung wurde einstimmig beschlossen und der Beschluss beim Handelsregister angemeldet. Für die zukünftigen Aktionäre erstellten wir verbindliche Zeichnungsscheine, auf denen das jeweilige Zeichnungsvolumen eingetragen werden sollte. Für unseren Finanzierungspartner und mich begann jetzt ein arbeitsintensiver Countdown mit vielen Gesprächen, der Klärung von Fragen potenzieller Aktionäre und der Versendung von Informationen. Da alle Aktionäre aus dem unmittelbaren Bekanntenkreis unseres Business Angels stammten, brauchten wir keinen offiziellen Emissionsprospekt erstellen, der noch mal zusätzlichen Aufwand und vor allem Zeit gekostet hätte. Trotzdem wollten auch diese Investoren ihre Fragen geklärt haben. Immerhin waren wir nach der aufwändigen Investorenveranstaltung von vor etwa drei Monaten recht siSeite 60

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cher, dass das Volumen voll werden würde. Dabei mussten wir aber die Erfahrung machen, dass in drei Monaten auch bei interessierten Investoren viel passieren kann. Einige hatten in der Zwischenzeit in andere vorbörsliche Beteiligungen investiert, andere konnten ihr Geld nicht aus anderen Anlagen abziehen und von einigen hörten wir auch gar nichts mehr. Daraus haben wir zwar gelernt, dass zwischen einer Aktionärsveranstaltung und dem tatsächlichen Zeichnungsangebot nicht zu viel Zeit verstreichen darf, aber damals waren wir eben noch nicht so weit, Zeichnungsscheine auszugeben. Im Übrigen ist man hinterher immer klüger. Es gab natürlich eine ganze Reihe von Zeichnungen von Investoren, die an der Veranstaltung teilgenommen hatten, aber doch bei weitem nicht so viele, wie wir erwartet hätten.

22. Kapitaleinwerbung mit kleinen Hindernissen Im Laufe der Zeit gingen die Zeichnungsscheine ein, und zwar mal bei der Gesellschaft und mal bei unserem Finanzierungspartner. So mussten wir regelmäßig abgleichen, welche Zeichnungsscheine denn nun vorlagen und wer nach seiner Anfrage denn noch nicht gezeichnet hatte. Dann gab es natürlich auch die Fälle, bei denen wir Zeichnungsscheine erhielten, bei denen der Text durch Streichungen oder Ergänzungen verändert worden war. In diesen Fällen mussten wir wieder hinterhertelefonieren, denn schließlich konnten wir die Aktien nur zu den festgelegten und beim Handelsregister hinterlegten Bedingungen ausgeben. Zwei Wochen vor Ablauf der Frist war das erforderliche Volumen noch nicht erreicht, und es waren weitere Erinnerungsanrufe erforderlich. Natürlich gab es auch die Fälle, dass uns verbindliche Zeichnungsscheine vorlagen, aber das Kapital nicht rechtzeitig auf unserem Sonderkonto einging. Diese Investoren konnten wir natürlich für diese Runde nicht berücksichtigen. Zum Schluss hing alles an der Entscheidung von zwei größeren Investoren, die eigentlich schon mündlich zugesagt hatten. Zu guter Letzt erreichten wir dann sicher zum Stichtag das erforderliche Minimum an Zeichnungen und auch die entsprechenden Einzahlungen auf unserem Kapitalerhöhungssonderkonto. Es gab sogar bereits verbindliche Zeichnungen für die zweite Tranche Ende Februar und von anderen feste Zusicherungen, in der zweiten Runde zu zeichnen. Mit unseren Unterlagen gingen wir dann zum Handelsregister und lieferten die erforderlichen Nachweise. Danach konnten wir zwar immer noch nicht über das Kapital auf dem Sonderkonto verfügen, da wir erst den Bescheid vom Handelsregister

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brauchten, aber eigentlich konnte jetzt nichts mehr dazwischenkommen. Dies war für mich das erste Mal, dass ich persönlich mit der Kapitalbeschaffung für ein Unternehmen beschäftigt war, und es war eine zeitweise doch Nerven aufreibende Aktivität! Dabei ist mir auch bewusst geworden, welche Leistung unser Business Angel erbringen musste, um das Ziel zu erreichen. Das ist wahrlich nicht unbedingt leicht verdientes Geld! Da jetzt absehbar war, dass es weiterging, konnten die Vertragsverhandlungen mit unserem ausgewählten Lieferanten rasch weiter geführt werden. Entsprechend den neuen Spielregeln musste der Aufsichtsrat dem ausgehandelten Vertrag noch zustimmen. In der dritten Dezemberwoche kam dann endlich die Eintragung der Kapitalerhöhung vom Handelsregister, und die Zustimmung des Aufsichtsrats lag mittlerweile vor. Jetzt musste nur noch ein Termin zur offiziellen Vertragsunterzeichnung gefunden werden. Der Vertrag sollte auf jeden Fall noch vor Weihnachten unterschrieben werden, damit unser Lieferant die interne Produktion der benötigten Vermittlungsrechner beauftragen konnte, andernfalls wäre unser Zeitplan für die Aufnahme des operativen Geschäftes in Gefahr gekommen und wir hätten mit ca. zwei Monaten Verzögerung rechnen müssen. Der letzte Termin für die Unterzeichnung war dann der 24. Dezember! Wir trafen uns dann am 24. in einem verwaisten Büro und unterzeichneten mit drei Vorständen einen Auftrag mit einem Volumen von über 10 Mio. Euro – auch hier war für uns das erste Mal, dass wir einen Auftrag in einer solchen Höhe unterschrieben! Nach einem schnellen Glas Champagner zur Besiegelung der weiteren Zusammenarbeit gingen wir dann auseinander, und unsere Vermittlungstechnik wurde noch rechtzeitig vor dem allgemeinen Weihnachtsurlaub in die Produktion gegeben. Damit war der hektische Teil des Jahres für uns alle vorbei, und zwischen Weihnachten und Neujahr blieb Zeit zur Aufarbeitung der liegen gebliebenen Vorgänge. Nach Weihnachten begann die eigentliche Formierung der Organisation. Jetzt hatte eine größere Anzahl von Mitarbeitern ihren Arbeitsbeginn, die wir im letzten Jahr eingestellt hatten. Diese Mitarbeiter mussten in die bestehende Struktur eingewiesen werden und ihre Aufgabe erhalten. Da wir immer noch in der Aufbauphase waren und uns in der Zeit vor Weihnachten insbesondere um die Finanzierung hatten kümmern müssen, war einiges in der Organisationsvorbereitung liegen geblieben. Die Mitarbeiter der ersten Stunde mussten vor allem sehr viel Eigeninitiative mitbringen. Auf jeden Fall brachte es eine deutliche Entlastung der Arbeitsbelastung, und nachdem sich alles sortiert hatte, ging es Seite 62

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doch schneller voran. Immerhin war unser operativer Vermarktungsstart für den April geplant, d.h. es bleiben uns gerade noch gute drei Monate bis dahin. In der Zwischenzeit musste die Technik fertig gestellt, die Produkte und die Preise endgültig festgelegt, Prospekte und Kundenverträge entwickelt werden. Dann musste natürlich auch der Vertrieb vorbereitet werden. Wir brauchten Vertriebspartner und mussten potenzielle Direktkunden identifizieren und im Vorfeld ansprechen. Schließlich wollten wir ja zeigen, dass wir schnell Erfolg hatten. Ich war daher froh, dass ich seit Anfang Januar einen erfahrenen Vertriebsprofi als Leiter der Außendienstmannschaft, die sich jetzt langsam bildete, an meiner Seite hatte, mit dem ich schon früher zusammengearbeitet hatte.

23. Einbindung von Geschäftspartnern zur Vorbereitung des Vermarktungsstarts Zunächst war aber noch ein anderes Problem zu lösen. Wir würden zwar bis April unsere intelligenten Netzkomponenten installiert und in Betrieb genommen haben – zumindest wenn es keine größeren Probleme beim Aufbau gab –, aber wir würden auf keinen Fall die Zusammenschaltung mit der Deutschen Telekom realisieren können, die uns erlauben würde, Gespräche direkt zu übernehmen und nach der Bearbeitung auch direkt wieder zu übergeben. Wie schon erwähnt hat die Deutsche Telekom auch heute noch über 94 % aller Teilnehmeranschlüsse, und insbesondere für einen alternativen Anbieter macht es wirtschaftlich, bis auf Ausnahmefälle, fast nie Sinn, eigene Teilnehmeranschlüsse zu installieren. Daher nutzen alle alternativen Netzbetreiber die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Zusammenschaltung mit der Deutschen Telekom und anderen Anbietern. Diesen Weg wollten wir auf jeden Fall auch gehen, um unsere Investitionen auf die Differenzierungsmerkmale zu konzentrieren. Die Zusammenschaltung mit der Deutschen Telekom hatten wir auf jeden Fall auch schon vorbereitet, bestellen konnten wir erst jetzt, nachdem uns die Lizenz zum Netzbetrieb erteilt worden war. Der Prozess selber ist sehr weit gehend festgelegt und dauert mindest ein halbes Jahr. Da wir so lange nicht ohne Vertriebsaktivitäten warten wollten, mussten wir uns einen so genannten Vorschalt-Carrier suchen, der zwischen die Deutsche Telekom und unser eigenes Netz geschaltet werden würde. Ein Anruf geht somit vom Anschluss bei der Deutschen Telekom zum Zusammenschaltungspunkt mit dem Vorschalt-Carrier, dann über das Netz dieses Carriers bis zu unserem Netz; wir bearbeiten den Seite 63

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Ruf und geben die Zieladresse an den Vorschalt-Carrier weiter, der den Anruf an einem in der Nähe des Zieles gelegenen Zusammenschaltungspunkt wieder an das Netz der Deutschen Telekom übergibt, die den Anruf schließlich an das Ziel übergibt. Ein komplexer Weg, der für einen Anrufer allerdings in unmerklich kurzer Zeit erfolgt. Da damit in dem Prozess der Leistungserbringer somit vor den nächsten Partner noch ein weiterer geschaltet ist, wird die verbleibende Marge deutlich geschmälert. Aber, wie schon gesagt: Es gibt für diesen Weg keine Alternative, und wir hatten diesen Weg auch in unserer Planung bereits so berücksichtigt. Dies gehörte zu den letzten Konkretisierungen des Business Plans im letzten Jahr. Einen geeigneten Partner als Vorschalt-Carrier hatten wir ebenfalls im Vorfeld identifiziert und bereits erste Gespräche geführt. Diese mussten jetzt ebenfalls in Vertragsform fixiert werden. Für den Aufbau der Infrastruktur hatten wir zusammen mit unserem Lieferanten geeignete Räumlichkeiten identifiziert, ein so genanntes Carrier-Hotel. Dies ist ein auf die Anforderungen von Netzbetreibern spezialisiertes Rechenzentrum mit einer Anbindung an die großen und breitbandigen Backbone-Netze in Deutschland. Damals boomte die Telekommunikationsindustrie, und die Nachfrage nach geeigneten Räumlichkeiten war größer als das Angebot. Es schien damals eine sichere Investition, neue Carrier-Hotels zu bauen, die häufig schon vermietet waren, bevor sie fertig gestellt wurden. Alle primären, d.h. in Bezug auf die Backbone-Netze günstig gelegenen Carrier-Hotels waren voll, und das von uns zukünftig genutzte Carrier-Hotel lag ein wenig abseits – wir sollten die ersten Nutzer sein. Dass dies auch seine Tücken haben würde, sollten wir allerdings später auch noch erfahren. Generell ist die Unterbringung von Telekommunikationsequipment eine flächenintensive Angelegenheit. Ein Vermittlungsrechner, wie ihn wir bestellt hatten, besteht ohne Zusatzeinrichtung aus etwa zehn Metern an Schaltschränken, mit einem Energieverbrauch, der es erforderlich macht, dass eine Klimaanlage von gleichen Ausmaßen daneben aufgestellt wird.

24. Abschluss der ersten Kapitalerhöhungsrunde Bevor die Markteinführung erfolgen konnte, war es zunächst aber notwendig, auch die zweite Tranche der Kapitalerhöhung erfolgreich zu bewältigen. Wie wir im letzten Jahr erlebt hatten, gibt es hier keinen Automatismus. Daher mussten wir uns wieder rechtzeitig mit dieser Angelegenheit auseinander setzen. Die Hauptlast lag auch diesmal wieder bei

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unserem Finanzierungspartner, aber genau wie in der letzten Runde blieb auch jetzt wieder genug für uns zu tun übrig. Wieder mussten Informationen verschickt und Fragen beantwortet sowie verschiedene Treffen mit potenziellen Investoren organisiert werden, die bei bisherigen Veranstaltungen nicht mit dabei waren, um sie zu informieren und zu gewinnen. Wieder stellten wir Listen von Investoren auf, die bereits gezeichnet hatten, von solchen die eine konkrete Zeichnungsabsicht erklärt hatten, von solchen, die sich noch nicht entschieden hatten, und von solchen, die noch weiter „bearbeitet“ werden mussten. Eigentlich hatten wir ganz positive Erfahrungen mit der Veranstaltung von Treffen mit einer Gruppe von Investoren gemacht. Wir hatten im letzten Jahr schon bald nach dem Beschluss über die Kapitalerhöhung begonnen und diese Veranstaltungen jetzt intensiviert. Die Teilnehmer der Veranstaltungen lud jeweils unser Finanzierungspartner ein, und er war meistens auch selber mit dabei. Im Rahmen dieser Investorenrunden ergaben sich eher interaktive Diskussionen als bei den Einzelgesprächen am Telefon. Bei potenziell größeren, institutionellen Investoren machten wir auch Besuche und präsentierten unser Geschäft. Als der Ablauf der Zeichnungsfrist näher rückte, hatten wir zwar zusammen mit der ersten Kapitalerhöhungsrunde bereits über 80 Investoren gewonnen, aber das dem Handelsregister gemeldete Mindestvolumen noch nicht erreicht. Es fehlten noch einige Millionen Euro zu diesem Ziel, die unser Finanzierungspartner sich von zwei institutionellen Fonds erwartete, die sich allerdings für ihre Entscheidung viel Zeit ließen. Wir hofften nur, dass sie sich nicht mehr Zeit lassen würden, als uns noch zur Verfügung stand! Die sich nun langsam im Unternehmen ausbreitende Unruhe führte dazu, dass sich fast alle Fragen um dieses Thema drehten. Dabei gab es auf der anderen Seite noch keinen Grund zur Panik, und es war mein Bestreben, den weiteren Aufbau von Unternehmen und Organisation nicht durch Unruhe zu gefährden. Über den Fall, dass die Kapitalerhöhung nicht erfolgreich sein sollte, konnten wir uns immer noch Gedanken machen – zunächst hatten wir alle genug zu tun, um auf unser Ziel hinzuarbeiten. Kurz vor Ablauf der Frist hatten wir dann endlich einen Termin mit dem von unserem Finanzierungspartner ausersehenen institutionellen Unternehmen vereinbart. Der Geschäftsführer kam dann zu uns und führte verschiedene Gespräche, sah sich alles an, was es zu sehen gab – eigentlich nur Büroräume – und fuhr dann wieder davon, mit dem Versprechen, seine Entscheidung kurzfristig zu treffen. Den zweiten großen institutionellen Investor besuchten wir vor Seite 65

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Ort und beantworteten mehrere ergänzende Fragen, aber auch von ihm gab es noch keine Entscheidung. Mittlerweile wurde die Zeit doch knapp, und obwohl ich eigentlich eher optimistisch eingestellt bin, kamen auch mir langsam Zweifel, ob es diesmal gelingen würde. So fingen auch bei mir die Überlegungen an: „Was wäre, wenn …“ Unser Finanzierungspartner legte jedenfalls eine großartige Leistung hin, mit permanenten Reisen und Telefonaten, und ich spürte in den vielen Telefonaten, die wir in dieser Zeit führten, auch bei ihm die Erschöpfung. Schließlich erhielten wir fast in letzter Minute die Zeichnungsscheine der beiden Fonds – jetzt mussten sie nur noch rechtzeitig ihre Einzahlungen leisten! Denn die Kapitalerhöhung wird nur dann vom Handelsregister akzeptiert, wenn neben den Zeichnungsscheinen auch per Kontoauszug der Eingang des Geldes nachgewiesen werden kann. Prompt überwies einer der Fonds dann auf die falsche Kontonummer, obwohl die richtige deutlich gekennzeichnet war. Dank der spontanen Hilfe unserer Hausbank war es aber noch möglich, das Geld rechtzeitig auf das richtige Konto zu dirigieren. Nur von dem zweiten Fonds fehlte die Zahlung trotz regelmäßiger Erinnerung immer noch – dort musste wohl erst noch Geld aus einer anderen Anlage frei gemacht werden. Als Blitzüberweisung ging das Geld dann buchstäblich am Stichtag noch ein. Damit waren wir in der zweiten Runde nicht nur an der festgelegten Grenze, sondern sogar ein gutes Stück darüber! Nicht genug damit – jetzt kam noch eine ganze Reihe weiterer Interessenten, die gerne zeichnen wollten, aber nach Ablauf der Frist konnten wir dies nicht mehr annehmen. Da aber doch noch ein ganz interessanter Betrag zusammenzukommen schien, überlegten wir, ob es nicht sinnvoll wäre, diese Aktionäre im Rahmen einer kleineren, zusätzlichen Kapitalerhöhung mit aufzunehmen. Unsere Planung sah ja vor, dass wir noch mehrere Kapitalmaßnahmen durchführen wollten. Vom insgesamt benötigten Kapital hatten wir jetzt gerade die Hälfte eingeworben.

25. Aktien und Aktienbuch Die Anzahl der Aktionäre war mittlerweile auf über hundert angestiegen, und nach der Bestätigung der Eintragung beim Handelsregister stand wieder die diffizile Aufgabe der Aktienerstellung bevor. Vor der Gründung hatten wir beschlossen, Namensaktien auszugeben, und dabei stellte sich schnell die Frage: Wie geht denn das eigentlich? Zwar haben die meisten von uns wohl ein mehr oder weniger großes Aktiendepot bei der Hausbank, aber ich vermute, nur die weSeite 66

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nigsten haben bislang eine Aktienurkunde in der Hand gehabt. Da wir keine Bank mit der Ausgabe und Verwaltung der Aktien beauftragen konnten und wollten, entschieden wir, unsere Aktien tatsächlich in physischer Form als Papierdokumente auszugeben. Dabei gibt es Verschiedenes zu beachten: Neben der reinen Gestaltung des Layouts, die sich an der Unternehmens-CI orientiert, sind zunächst zwei Dokumente zu gestalten, einmal die Globalaktienurkunde selber und dann der zugehörige Gewinnanteilsschein. Als Nächstes ist das Aktienbuch zu gestalten, und in diesem Fall kam für uns nur die elektronische Form in Betracht. Das Aktienbuch ist nicht nur irgendein Verzeichnis über die ausgegebenen Aktien, sondern das verbindliche Dokument, das den Stand der Aktionäre verbindlich festhält. Eine Aktienurkunde, die nicht im Aktienbuch eingetragen ist, hat daher nur einen zweifelhaften Wert. Im Aktienbuch werden verschiedene Katalogisierungslisten geführt. Zunächst gibt es die Aktionärsnummer, die fortlaufend vergeben wird, aber für jeden Aktionär nur einmal. Kauft ein bestehender Gesellschafter zu einem späteren Zeitpunkt weitere Aktien, so werden auch diese unter seiner Aktionärsnummer eingetragen. Die nächste Nummer ist die Globalaktiennummer, die exakt einer Globalaktie zugeordnet ist. Verkauft der Aktionär seine Globalaktie, so wird eine neue Urkunde mit der Aktionärsnummer des Erwerbers und der bisherigen Globalaktiennummer ausgestellt. Wenn eine Globalaktie, die mehrere Stimmrechte bündelt, aufgeteilt wird, so entfällt die bisherige Globalaktiennummer und es werden je nach Anzahl der neuen Globalaktien neue Nummern vergeben. Schließlich gibt es je Stimmrecht eine eigene Aktiennummer. Die Globalaktie enthält somit mindestens eine Aktiennummer. Damit bei einer möglichen späteren Aktienteilung, die beispielsweise durchgeführt wird, um den Kaufpreis einer Aktie durch entsprechende Ausgabe zusätzlicher Aktien zu reduzieren, keine Aktiennummern kleiner als eins entstehen, bietet es sich an, mit der Nummerierung bei einer höheren Zahl zu beginnen, z.B. bei 5000. Das Aktienbuch spielt unter anderem deshalb eine so große Rolle, weil es die Grundlage für die Feststellung der Anwesenheit, der Beschlussfähigkeit und der Abstimmungsergebnisse in der Hauptversammlung ist. Wenn es hierbei Fehler gäbe, müsste die entsprechende Hauptversammlung oder Abstimmung wiederholt werden, und diesen Aufwand gilt es auf jeden Fall zu vermeiden. Im Aktienbuch werden dann der Name und die Anschrift des Aktionärs aufgenommen sowie zu Zwecken der späteren Nachverfolgung die Bewegungen und Verkäufe von Aktien. Das Aktienbuch ist somit ein DokuSeite 67

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ment von zentraler Bedeutung für das Unternehmen und mit großer Sorgfalt zu führen. Wenn, wie im obigen Fall, nach einer Kapitalerhöhung eine größere Zahl neuer Aktien ausgegeben wird, dann stellt das schon eine erhebliche „Fleißarbeit“ dar, damit auch wirklich alle Angaben richtig erfasst sind! Bei der doch noch immer verhältnismäßig geringen Zahl von Aktien, erstellten wir die Aktien selber auf einem Farbdrucker. Den Abschluss des Produktionsprozesses stellt dann die Unterschriftenleistung dar: Jede der Aktien wurde von zwei Vorständen und dem Aufsichtsratsvorsitzenden unterschrieben. Mit der Aussendung der Aktien aus der ersten großen Kapitalerhöhungsrunde war das Unternehmen mit dem für den weiteren Netzaufbau notwendigen Kapital ausgestattet, und aus meiner Sicht war dies der Abschluss der Gründungsphase. Jetzt musste der auch in der Gründungsphase begonnene operative Aufbau weiter vorangetrieben werden. Die nächste Hürde in der Entwicklung waren die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Dienstleistung und die Umsetzung der geplanten eigenen Leistungsmerkmale, die eine Differenzierung vom Wettbewerb erlauben sollten. Das Ziel für den Marktstart war der April, also nur zwei Monate nach Abschluss der Kapitalerhöhung!

26. Die Organisation bewährt sich In dieser Phase zahlte sich die lange Vorarbeit aus, da der Technikaufbau zügig voranging. Die am Vormittag des 24. 12. bestellten Vermittlungsrechner wurden rechtzeitig produziert und standen zur Anlieferung bereit. Der Vorschaltnetzbetreiber war ebenfalls bereit, und die notwendigen Prozesse zur Realisierung der Anbindung waren vorbereitet. Auch die für den Erfolg entscheidende Bereitstellung der Abrechnungsdaten zur Erstellung der Kundenrechnungen war geklärt. Nur der Betreiber des Carrier-Hotels, in dem die Netzinfrastruktur aufgestellt werden sollte, war mit seinen Baumaßnahmen hinter dem Zeitplan zurück! Wenn es keine Alternative gab, müssten wir den Aufbau der Netzinfrastruktur verschieben, und – wie oben schon erläutert – im Jahr 2000 war die verfügbare Fläche für Netzinfrastruktur mehr als knapp. Der Betreiber des Carrier-Hotels bot uns dann in letzter Minute an, ein gerade von ihm fertig gestelltes Carrier-Hotel übergangsweise zu nutzen. Der Haken bei der Sache war, dass diese Fläche in München lag und nicht wie geplant in Frankfurt. Dies war aufgrund unserer Netzplanung alles andere als optimal, da der Standort nach dem Verkehrsaufkommen geplant war und unter diesen Gesichts-

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punkten lag München eben abseits. Dies hatte zur Folge, dass zusätzliche Mietleitungen zum Transport des Minutenvolumens zum Vermittlungszentrum und von diesem wieder weg angemietet werden müssten, die unsere Margen reduzieren würden. Außerdem sollte die Infrastruktur für den bereits in der Entwicklung befindlichen Kommunikationsassistenten später unmittelbar neben dem Vermittlungsrechner aufgebaut werden. Aufgrund der Entfernung war München in diesem Fall eine denkbar schlechte Lösung. Daher kam das Angebot des Carrier-Hotel-Betreibers gerade recht, die Kosten für den späteren Umzug des Vermittlungsrechners zu übernehmen. Bei der Komplexität der Infrastruktur ist dies nicht nur ein langwieriger Vorgang, der einige Wochen in Anspruch nimmt, sondern auch mit hohen Kosten im fünfstelligen Bereich verbunden. Die Entscheidung für die Alternativlösung hatte zum Ergebnis, dass unser Lieferant mit der Anlieferung der Infrastruktur und dem Aufbau beginnen konnte. Auf der anderen Seite kam später eine komplizierte Umzugsbewegung auf uns zu. Der bestellte zweite Vermittlungsrechner sollte nach Inbetriebnahme des ersten Vermittlungsrechners an dem dann hoffentlich fertigen Standort in Frankfurt aufgebaut werden. Wenn der Frankfurter Standort in Betrieb war, würde die Einrichtung in München abgebaut, verpackt und an den dann auch ausgebauten zweiten Standort in Düsseldorf gebracht werden. Nach der Wiederinbetriebnahme der Einrichtung sollten beide Vermittlungsrechner miteinander verbunden und der Betrieb von unserem Vorschaltnetzbetreiber auf das geplante eigene Netz umgeschaltet werden. Diese Planung war nicht nur komplex, sondern auch ohne größere Reserven. Das Betriebsausfallrisiko war zwar minimal, so dass wir keine Sorge hatten, dass der Service nicht zur Verfügung stehen werde. Aber eine Verzögerung konnte sich auf die Wirtschaftlichkeit nachteilig auswirken, da wir in der Zeit der Zusammenarbeit mit dem Vorschaltnetzbetreiber höhere Kosten hatten und – fast noch schlimmer für den erfolgreichen Start – unsere differenzierenden Leistungsmerkmale nicht vollständig umsetzen konnten. Die Verhandlungen mit den verschiedenen beteiligten Unternehmen und die Koordination stellten eine nicht zu unterschätzende Managementleistung dar. Allerdings war die Technik für uns in der ganzen Zeit niemals wirklich kritisch, und obwohl wir, wie alle anderen Netzbetreiber auch, von Netzausfällen betroffen waren, so hatten wir eine hohe Netzverfügbarkeit und eine sehr gute Stabilität der angebotenen Dienste – und das ist die Kernanforderung der Kunden im Telekommunikationsgeschäft. Seite 69

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Nicht nur die Technik musste aufgebaut werden, sondern auch die anderen Funktionen, die für ein operativ tätiges Unternehmen nötig sind. Dabei hatten auch der Finanzbereich und das Controlling eine wichtige Rolle bei der Überwachung der Planeinhaltung und der Liquiditätsplanung. Wir hatten zwar gerade erst einen erheblichen Kapitalzufluss durch unsere erfolgreiche Kapitalerhöhung realisiert, aber durch die Bestellung der Infrastruktur würde ein nicht unwesentlicher Teil hiervon schon in Kürze wieder abfließen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir ja noch keine Umsätze, und alle durch die Organisation entstehenden Kosten gingen zu Lasten des eingeworbenen Eigenkapitals.

27. Die Einbindung neuer Mitarbeiter in eine neue Organisation Auch die internen Prozesse mussten sich einspielen. Mittlerweile hatten wir wöchentliche Vorstandssitzungen eingeführt und mit der Erstellung von Protokollen begonnen, damit die getroffenen Entscheidungen später nachvollziehbar bleiben würden. Die Einbringung von Tagesordnungspunkten und die Vorbereitung der Entscheidungspunkte brauchten am Anfang ihre Zeit. Mit dem Wachsen der Organisation ist die durchgängige Information immer wieder ein Problem. Je nach den Vorlieben der jeweiligen Führungskräfte wird nur über das Notwendigste informiert oder in möglichst umfassender Form. Ich bin selber ein Vertreter einer offenen Information, da ich davon ausgehe, dass Mitarbeiter, von denen eine qualifizierte Arbeit erwartet wird, auch Informationen über die Vorgänge in ihrem Unternehmen haben möchten. Dabei wurde ich immer wieder von Mitarbeitern aus anderen Bereichen angesprochen, die über Dinge informiert werden wollten, die eigentlich allgemein bekannt sein sollten. Die interne Kommunikation ist für mich eine wichtige Funktion und prägt die Unternehmenskultur, trotzdem wollten wir in Anbetracht der Kosten und der Größe des Unternehmens mit damals etwa dreißig Personen noch niemanden für die interne Kommunikation einstellen. Bei unserem Beratungsunternehmen hatten wir schon vor einigen Jahren ein allgemeines Freitagsfrühstück eingeführt, das neben der sonst vorwiegend projektbezogenen Kommunikation auch den Austausch zu allgemeinen Themen ermöglichen sollte. Es lag also nahe, diese Regelung auch im neuen Unternehmen zu übernehmen. Sie wurde auch bald zu einer stehenden Einrichtung und war ein wichtiger Schritt in Richtung auf die Ausbildung einer Unternehmenskultur. Um auch die „offizielle“ Kommunikation ohne Mitarbeiterzeitschrift o.Ä. zu intensivieren, be-

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gann ich, über einen allgemeinen E-Mail-Verteiler regelmäßig, d.h. meistens wöchentlich, über allgemein interessierende Entwicklungen und Fortschritte zu berichten. Das von uns genutzte Gebäude war von den Eigentümern auch mit einem beschränkten Hotelbetrieb für Schulungen ausgerüstet, und hierzu gehörte auch eine Kellerbar. Schnell kam der Vorschlag, diese Einrichtung mit zu nutzen, und so führten wir versuchsweise einen „Bar-Abend“ ein, der ein voller Erfolg wurde. Hieraus entwickelte sich ein zweiwöchiger Turnus, und in Ermangelung von Barpersonal übernahm reihum jeder Bereich das „Management“ und den Barbetrieb. Im Vergleich zum Freitagsfrühstück hatten die BarAbende einen eher informellen Charakter, der sicher dazu beitrug, dass die Mitarbeiter schneller zusammenfanden. Immerhin hatten wir auch damit zu kämpfen, dass die Mitarbeiter aus den unterschiedlichen Unternehmen zu uns gekommen waren und das Unternehmen ziemlich schnell wuchs. In solchen Situationen ist es aus meiner Sicht für die Unternehmenskultur förderlich, Kommunikationsforen zu schaffen. Wie oben schon erwähnt, war die Einarbeitung neuer Mitarbeiter am Anfang ziemlich unstrukturiert und sie wurde noch dadurch erschwert, dass alle so viel zu tun hatten, dass eigentlich überhaupt keine Zeit mehr blieb. Um dieses Phänomen nicht weiter einreißen zu lassen, hielten wir dann eine Einführungsveranstaltung zu Monatsbeginn ab, an der alle neuen Mitarbeiter teilnahmen. Bei diesen Veranstaltungen war immer einer der Vorstände mit dabei und stellte das Unternehmen als Ganzes vor. Vertreter der einzelnen Bereiche führten dann in die jeweiligen Aufgaben der Bereiche und in das Zusammenwirken mit den anderen Bereichen ein. Diese Halbtagesveranstaltungen wurden von den Neueinsteigern insgesamt sehr gelobt und waren ein weiterer Schritt in Richtung eines gemeinsamen Verständnisses. Während der Monate mit den meisten Einstellungen nahmen jeweils über zehn neue Mitarbeiter an diesen Einführungsveranstaltungen teil, d.h. wir wuchsen über einen relativ kurzen Zeitabschnitt mit monatlich 10–20 %. Eine solche Wachstumsrate stellt für eine Organisation, die selber gerade ein halbes Jahr alt ist, eine ziemliche Herausforderung dar. Wenn ich die hohe Motivation und das Engagement der sich formenden Mannschaft im Rückblick sehe, dann haben wir diese Aufgabe ganz gut gemeistert. Bei dem starken Wachstum blieb es natürlich nicht aus, dass nicht alle neuen Mitarbeiter in die Gemeinschaft passten oder die in sie gesetzten Erwartungen erfüllten. Am Anfang machten wir den Fehler, die persönliche Entwicklung neuer

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Mitarbeiter nicht rechtzeitig zu verfolgen. So kam es schon ein paar Mal vor, dass wir erst nach Ablauf der Probezeit merkten, dass ein Mitarbeiter nicht die Erwartungen erfüllte. Aus den hiermit verbundenen Kosten lernten wir allerdings schnell, einen festen Beurteilungsprozess einzuführen, so dass wir schon rechtzeitig reagieren konnten. In einzelnen Fällen war nicht die fachliche Qualifikation zu bemängeln, sondern das Hereinfinden in die neue Gemeinschaft. Dies ist im Einzelfall zwar bedauerlich, aber zeigt doch auch, dass aus einem „Haufen“ von Individuen so langsam eine Gemeinschaft mit einer eigenen Unternehmenskultur entsteht. Positiv zu vermerken ist außerdem, dass in den ersten drei Jahren, bis auf zwei Ausnahmen, kein Mitarbeiter das Unternehmen verließ, bei dem wir nicht auf ein Ausscheiden hingewirkt hätten.

28. Der Aufbau einer Marktbekanntheit ist notwendig Ein nicht zu unterschätzendes Problem eines neu gegründeten Unternehmens ist die fehlende Bekanntheit im Markt, bei potenziellen Kunden, Kooperationspartnern und möglichen zukünftigen Investoren. Wie für viele andere Unternehmen war auch für uns entschieden, dass wir nicht mit einer groß angelegten Werbekampagne Bekanntheit schaffen konnten, da hierfür kein Budget vorhanden war. Also blieb für uns der Weg über Public Relations. Viele Zeitschriften und Magazine nehmen gerne neue Themen auf, und wir machten uns dies ebenfalls zunutze und erstellten verschiedene Beiträge zum Unternehmen, zu den geplanten Diensten etc. Damit erzielten wir auch eine gute Resonanz, und ich wurde mehrfach von Redakteuren interviewt. PR ist für mich nach wie vor immer dann ein geeignetes Instrument zur Steigerung der Bekanntheit, wenn das Unternehmen tatsächlich Neuigkeiten und Produktinnovationen anzubieten hat. Für den PR-Einsatz, aber auch für die absehbare Gewinnung neuer Investoren ließen wir einen professionellen Unternehmensfilm erstellen. Dies war für die Mitarbeiter eine spannende Erfahrung. Alleine der Aufbau der Kamera- und Beleuchtungstechnik nahm erhebliche Zeit in Anspruch, und die eigentlichen Aufnahmen aus den verschiedenen Perspektiven dauerten fast zwei Tage. Mit dem Ergebnis hatten wir dann das Material, das für die verschiedenen Anlässe zusammengestellt und verteilt werden konnte. In Anbetracht der weiteren Entwicklung würde ich aus der heutigen Perspektive auf die erneute Erstellung eines Unternehmensfilms eher verzichten, denn im Vergleich zu den doch nicht uner-

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heblichen Kosten war der spätere Nutzen vergleichsweise gering.

29. Die Vorbereitung und die Durchführung von Aufsichtsratssitzungen müssen geübt werden Nicht nur die internen Strukturen bildeten sich in dieser Zeit im Frühjahr 2000 heraus, auch die Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat wurde strukturierter. Für uns war dies ja in jeder Hinsicht neu. Aber im Laufe der Zeit entwickelte sich eine Routine, die den Aufwand für Vorbereitung, Durchführung und Protokollerstellung in Grenzen hielt. Bei den ersten Sitzungen war der Aufwand für die Vorbereitungen mit Erstellung und Abstimmung der Tagesordnung, die Koordination der zu präsentierenden Unterlagen und die Abstimmung der Beschlussvorlagen mit hohem zeitlichem Einsatz verbunden. Vor allem stellte sich häufiger die Frage: Ist dies überhaupt ein Thema für den Aufsichtsrat oder kann der Vorstand alleine entscheiden? Dann gab es auch immer wieder die Fälle, in denen eine Entscheidung zwischen den vier Sitzungen, die wir im Jahr abhielten, erforderlich war, z.B. in Verbindung mit Bestellungen in zustimmungspflichtiger Höhe. Hierzu ist zunächst die Entscheidungsvorlage selbst zu erstellen, dann muss ein Vorstandsbeschluss herbeigeführt werden. Dann wird die Vorlage mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden abgestimmt und nach seiner Zustimmung im Umlaufverfahren verschickt. Die Schwierigkeit bei diesem Verfahren besteht weniger in der Kommunikation der Unterlagen als in der Erreichbarkeit der einzelnen Aufsichtsräte, denn die Abstimmung im Umlaufverfahren ist nur dann gültig, wenn alle dem Verfahren zustimmen. Diese Hürde ist mitunter viel schwieriger zu nehmen als eine Mehrheit in der Abstimmung zu erreichen. In einer der ersten Sitzungen erwirkten wir im Aufsichtsrat den Beschluss, dass wir eine weitere Kapitalerhöhung aus dem in der ersten Hauptversammlung geschaffenen genehmigten Kapital durchführen, um die Investoren mit berücksichtigen zu können, die bei der letzten Kapitalerhöhung nicht rechtzeitig gezeichnet hatten. Das ganze Verfahren mit der Anmeldung beim Handelsregister, der Vorlage der Zeichnungsscheine und dem Kontoauszug als Nachweis für die Einzahlung war mittlerweile schon fast Routine, ebenso wie die Erstellung der neuen Aktien nach der Eintragung im Handelsregister.

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30. Die Markteinführung braucht Marketing und Vertrieb In Vorbereitung auf den Marktstart erstellten wir die notwendigen Verkaufsförderungsmaßnahmen, die im Wesentlichen aus einer Unternehmensbroschüre, produktspezifischen Prospekten mit einer Herausstellung des Nutzens und unserer Vorteile, Datenblättern und einer Preisliste bestanden. Insbesondere die Vertriebsmitarbeiter waren froh, als endlich die gedruckten Unterlagen zur Verfügung standen, damit den potenziellen Kunden mehr als die vorher genutzte Powerpoint-Präsentation übergeben werden konnte. Mittlerweile war die Vertriebsmannschaft mit Außendienstmitarbeitern für die Direktansprache größerer Kunden sowie zur Gewinnung von Vertriebspartnern und eine Innendienstgruppe zur Unterstützung bei der Terminvereinbarung, der Erstellung von Angeboten und der hoffentlich auch in Kürze startenden Auftragserfassung auf eine arbeitsfähige Größe herangewachsen. Die ersten Partner für den indirekten Vertrieb waren auch schon identifiziert, so dass die operative Vertriebstätigkeit mit dem Marktstart auch beginnen konnte. Um die noch verfügbare Zeit zu nutzen und die Anforderungen an weitere Zusatzdienstleistungen direkt von den Partnern im Markt zu bekommen, führten wir Workshops durch, bei denen wir einerseits natürlich das Unternehmen und seine Ziele vorstellten, andererseits die für die Entwicklung geplanten neuen Dienste präsentierten sowie Vor- und Nachteile diskutierten. Diese Fokusgruppen brachten uns noch einige hilfreiche Informationen zur Modifikation der Dienste, und ich halte das Instrument der Fokusgruppe, so wie ich sie hier beschrieben habe, für sehr hilfreich, um ergänzende Informationen zur Produktgestaltung zu bekommen. Allerdings sind nur dann verwertbare Informationen zu erwarten, wenn die eigene Produktplanung schon sehr konkret darstellbar ist. Eine Gewinnung von völlig neuen Produktideen wäre eher ein klassisches Brainstorming und für diese Zielsetzung nicht unbedingt geeignet. Da auch für viele der ausgewählten Vertriebspartner das Geschäft mit dem zuerst fertig gestellten Dienste-Angebot auf der Basis von Servicerufnummern recht neu war und dieses Geschäft anders als z.B. die Vermittlung von PreselectionVerträgen für das Festnetz oder von Mobilfunkanschlüssen eher einen Systemcharakter hat, erschien es notwendig, ein Schulungskonzept und Schulungsmaterialien zu entwerfen und kurzfristig mit der Durchführung der Schulungen zu beginnen. Zeitgleich begann der Vertriebsinnendienst mit der Recherche nach potenziellen Nutzern von Servicerufnummern. Da für diese Zielgruppe teilweise keine separaten Da-

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tenbankinformationen verfügbar waren, mussten wir diese Zielgruppe anders recherchieren. Für die Unternehmen, die als Markenartikelhersteller, Dienstleistungsunternehmen oder Call-Center-Betreiber primär in Betracht kamen, suchten wir uns und erwarben eine geeignete Datenbank. Da viele angebotene Datenbanken schlecht gepflegtes Material enthalten, ist die Suche nach einem geeigneten Anbieter nicht ganz leicht. Die Zielgruppe, die sich nicht über diese Datenbanken finden ließ, waren die Betreiber von Audiotexplattformen, die schon seit längerem bevorzugt Servicerufnummern einsetzen. Der technische Aufbau verlief denn auch nach dem kurzfristigen Standortwechsel von Frankfurt nach München planmäßig, und weitere Änderungen blieben uns erspart. Die Fertigstellung erfolgte innerhalb der Zeitplanung, und auch die anderen Systemkomponenten, wie z.B. das Abrechnungssystem wurden planmäßig einsatzbereit. Nach der Zusammenschaltung mit dem Vorschalt-Carrier wurden die notwendigen Tests durchgeführt, und dann wurde die Vertriebsfreigabe erteilt. Damit war es uns gelungen, ein funktionsfähiges Telekommunikationsnetz, das auch die öffentliche Telefonie ermöglichte, innerhalb von weniger als sechs Monaten nach Gründung des Unternehmens und nur vier Monate nach Beauftragung des Lieferanten in Betrieb zu nehmen. Selbst wenn man außer Acht lässt, dass dies mit einer Organisation im schnellen Aufbau erfolgte, war diese Zeit wohl benchmarkfähig! Über diesen Erfolg freuten wir uns denn auch sehr. Innerhalb von kurzer Zeit wurde der erste Kunde freigeschaltet, und bislang war alles nach Plan verlaufen. Zu diesem Zeitpunkt sah es so aus, als sollten sich unsere Planungen in allen Punkten erfüllen. Die nächste Zeit war ausgefüllt mit der Intensivierung der Vertriebsaktivitäten und der Erstellung vieler Angebote. Dabei gab es natürlich auch diejenigen, die glaubten, sie könnten die Tatsache ausnutzen, dass wir unseren Kundenstamm schnell steigern wollten. So erhielt ich immer wieder Anfragen nach Konditionen, die unsere Marge auf null gedrückt hätten. Auch wenn es für einen Vertriebsmitarbeiter verlockend ist, schnell einen großen Kunden zu gewinnen, so „kauften“ wir in dieser Zeit – und auch später – keine Kunden in dem Sinne, dass wir Umsatz ohne Marge akquirierten. Natürlich sah unser Konditionsmodell eine volumenabhängige Staffelung vor, damit wir auch Großkunden gewinnen konnten. Dabei erinnere ich mich an Verhandlungen mit einem der anerkannt Großen im Audiotexgeschäft. Unsere Staffelpreise waren für ihn schon attraktiv – aber er wollte die besten Preise schon von der ersten Minute an. Dies hätte Seite 75

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mein gesamtes Konditionsmodell gesprengt, und ich kannte die Gefahr durch die Kontakte der Anbieter untereinander. Auf der anderen Seite war dieser Anbieter ein attraktiver Kunde für uns, und er hätte das Potenzial gehabt, unser Netz schon schnell zu füllen. Als Kompromiss bot ich ihm die höchste Rabattstaffel von der ersten Minute ab an, wenn er innerhalb von drei Monaten so viele Minuten auf unser Netz bringen würde, wie dieser Rabattstaffel entsprachen. Obwohl ich sicher bin, dass dies ein äußerst attraktives Angebot war, kam es nicht zum Vertrag. Selbst mit dem von uns angebotenen Dienstespektrum war der Vertrieb auch damals kein simples Verteilgeschäft. Jeder Kunde musste überzeugt und gewonnen werden.

31. Mit der Gewinnung von Neukunden bewährt sich das Unternehmen im Markt Der Hochlauf der Kunden- und Minutenzahl war in den ersten Wochen langsamer als sich bei einer Linearisierung der Planung ergeben hätte. Aber die vor dem eigentlichen Marktstart erarbeiteten Kontakte wurden halt nicht automatisch zu Kunden, sondern mussten erneut bearbeitet werden. Ein anderer Effekt wirkte allerdings in noch viel stärkerem Maße bremsend, und das war der Faktor Vertrauen. Telekommunikationsdienste sind für fast alle Unternehmen ein Produktionsfaktor, der fast genauso wichtig ist wie die Elektrizitätsversorgung. Bei den Unternehmen, die wir zunächst schwerpunktmäßig bearbeitet hatten, den Betreibern von Audiotexplattformen, ist die Telekommunikation sogar der entscheidende Produktionsfaktor, und ein Netzausfall bedeutet sofort auch einen Umsatzausfall. Daher sind diese Anbieter natürlich zunächst vorsichtig bei einem Lieferantenwechsel und probieren lieber erst mal mit kleinerem Volumen, wie sich Verfügbarkeit und Qualität über einen längeren Zeitraum entwickeln. So blieb es nicht aus, dass das Volumen am Anfang erst langsam anstieg. Neben dem Phänomen, dass die „Hyänen“ im Markt versuchen, Neueinsteiger mit unseriösen Angeboten zu überrumpeln, gibt es die Gruppe der Anbieter, die von anderen Netzbetreibern abgewiesen worden sind und dann versuchen, den Marktneuling als Lieferanten zu gewinnen. Die Abweisung von anderen Netzbetreibern kann ganz unterschiedliche Gründe haben, von denen schlechte Zahlungsmoral oder fehlende Zahlungsfähigkeit eher die Ausnahmen sind. Häufig bewegten sich diese Anbieter – überwiegend diejenigen aus dem Audiotexumfeld – hart am Rande der Legalität mit ihren Angeboten oder

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erfüllten Anforderungen aus den Telekommunikationsverordnungen nicht. Die Zeit unseres Marktstarts fiel zusammen mit dem Verbot vieler nicht kundenfreundlicher Dialer-Lösungen. Im Kreis der Netzbetreiber und Dienste-Anbieter wurde zur Vorbeugung gegen kriminelle Angebote der Verein zur freiwilligen Selbstkontrolle in der Telekommunikation (FST) gegründet, der unter anderem die am Markt angebotene Dialersoftware prüft und zertifiziert. Viele der seriösen Anbieter von Dialersoftware sind selber Mitglied und folgen den Vorschlägen der FST. Die schärferen Kontrollen der angebotenen Dialer bewirkten im ersten Halbjahr 2000 einen deutlichen Einbruch im Bereich der für die Abrechnung der Nutzung von Internet-Seiten eingesetzten Servicerufnummern. Auf unser Geschäft hatte dies jedoch wenig Einfluss; einerseits befand sich dieses Geschäft für uns nicht im Fokus unseres Interesses, und zum anderen hatten wir die Gunst des späten Starts auf unserer Seite. Allerdings spürten wir die Auswirkungen durch die Anfragen von entsprechenden Anbietern, die bei anderen Netzbetreibern mit ihren nicht zertifizierten Lösungen nicht mehr ankommen konnten. Wie schon ein paar Mal erwähnt, ist es gerade für einen neuen Anbieter am Markt wichtig, sich vor unseriösen Kunden zu schützen und auf jeden Fall eigene Prüfungen vorzunehmen, sofern dies im Einzelfall überhaupt möglich ist. Insbesondere die Dynamik und Flexibilität vieler Kunden, die ihr Angebot vom einen Tag auf den anderen ändern, macht es schwierig, bei der Überwachung zu folgen. Mit Servicerufnummern kann man allerdings deutlich mehr Lösungen gestalten als die kostenfreie Rufnummer. Eine wichtige Anwendung ist die Werbeeffizienzkontrolle. Ein Unternehmen, das überregionale Werbung schaltet, hat bislang das Problem, dass nur schwer zu kontrollieren ist, in welchen Regionen die Kundenresonanz besonders stark oder schwach ist. Die einzige Möglichkeit war bislang, regional unterschiedliche Telefonnummern einzusetzen oder den Anrufer zu befragen – was aber kostbare Telefonzeit kostet. Mit einer Servicerufnummer, die einheitlich in der Werbung eingesetzt wird, kann durch den Netzbetreiber quasi online, d.h. mit nur wenigen Minuten Versatz zum eigentlichen Gespräch, ausgewertet werden, woher die Anrufe gekommen sind. Mit einer automatisierten Lösung kann der Kunde selber über das Internet diese Informationen abrufen. Bei Printwerbekampagnen kann man nach der ersten Schaltung die Werbung in den Regionen mit schwacher Resonanz (oder auch ganz) einsparen. Bei der Radiowerbung lässt sich auf dem gleichen Wege kurzfristig feststellen, zu welchen TaSeite 77

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geszeiten die Zielgruppe besser oder schlechter angesprochen werden kann. Setzt der Werbetreibende mehrere Anlaufstellen für die Anrufe ein, z.B. die eigenen Filiale oder Vertriebsniederlassungen, so braucht er in der Werbung trotzdem nicht auf eine überregional einheitliche Rufnummer zu verzichten. Mit intelligentem Routing können die Anrufer aus einer bestimmten Region, die natürlich weit gehend frei wählbar ist, einem bestimmten Ziel zugeführt werden. Eine Weiterleitung an die zuständige Filiale entfällt somit. Zusätzlich können unterschiedliche Arbeitszeiten der einzelnen Filialen berücksichtigt werden und die eingehenden Anrufe an ein anderes Ziel weitergeleitet werden. Auch der Fall, dass das Ziel besetzt ist, kann durch eine Umleitung berücksichtigt werden. Mit einer auf den ersten Blick recht einfachen Servicerufnummer lassen sich so kundenspezifische Lösungen realisieren. Andere Einsatzgebiete sind z.B. Spendenhotlines, bei denen der Anrufer nicht mit einem Call-Center-Agenten sprechen und seine Kontonummer zur Abbuchung angeben muss. Es gibt hierzu Servicerufnummernlösungen, die pro Anruf mit einem festen Betrag abgerechnet werden, den so genannten Blocksatztarifen. Auch Gewinnspiele können anstatt mit Postkarten mit Audiotexlösungen realisiert werden. Die Abfragen von Namen und Anschrift können sprachgesteuert erfolgen, ebenso die Gewinnfrage. Auch in diesem Fall wird kein Call Center benötigt, und neben dem Vorteil der kurzfristigen Auswertung der Resonanz wird der Veranstalter von dem Aufwand entlastet, der mit dem Sammeln und Erfassen der Daten auf den Postkarten verbunden ist. Bei der Beschreibung der verschiedenen Lösungen wird deutlich, dass der Vertrieb in erster Linie Systemlösungen verkaufen muss und hierzu zunächst zusammen mit dem potenziellen Kunden eine Bedarfsanalyse durchführen muss. Die geeignete Lösung muss dem Kunden über eine Nutzenargumentation nahe gebracht werden; hier ist Überzeugungsarbeit zum Verlassen eingefahrener Wege nötig. Dies ist eine schwierige Aufgabe, die mit nicht unerheblichen Vorlaufzeiten verbunden ist. Das Problem, dem auch wir uns damals gegenüber sahen, ist die Identifikation der geeigneten Vertriebsmitarbeiter, die einerseits analytische und beratende Fähigkeiten mitbringen müssen, andererseits aber auch Kontakt- und Abschlussstärke als die üblichen Vertriebsstärken. Trotz der sich vor diesem Hintergrund ergebenden Schwierigkeiten entwickelte sich das Geschäft in den ersten operativen Jahren nach ersten Anlaufverzögerungen erfolgreich und zum Ende des Jahres lag der erzielte Umsatz fast dopSeite 78

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pelt so hoch wie ursprünglich geplant. Und da die Gesamtkosten gleichzeitig auch deutlich unter den Planwerten lagen, wird deutlich, dass der erzielte Umsatz auch nicht durch Konditionen „gekauft“ wurde, die unter dem Marktdurchschnitt lagen. Auf der Kostenseite kam uns allerdings zugute, dass wir eine sehr gute Zusammenarbeit mit unserem Infrastrukturlieferanten etabliert hatten und der Aufbau planmäßig ablief. Hätten wir hierbei Verzögerungen hinnehmen und dadurch den Marktstart verschieben müssen, hätte dies möglicherweise anders ausgesehen.

32. Die erste ordentliche Hauptversammlung schließt die Gründungsphase ab Obwohl wir mit dem operativen Aufbau eigentlich mehr als genug zu tun hatten, standen im Sommer die Vorbereitung und die Durchführung der ersten planmäßigen Hauptversammlung an. Für eine Aktiengesellschaft besteht die Pflicht, eine ordentliche Hauptversammlung spätestens acht Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres durchzuführen. Da der Bericht über das abgelaufene Geschäftsjahr zu diesem Zeitpunkt noch nicht besonders interessant ausfallen konnte – das erste „Geschäftsjahr“ umfasste mit knapp vier Monaten ja nur ein Rumpfgeschäftsjahr – und außer ersten Vorbereitungen, insbesondere zur Durchführung der Kapitalerhöhung, im Jahr 1999 noch nicht viel geschehen war, wollten wir die Durchführung der Hauptversammlung so weit wie möglich nach hinten verschieben. Da dies die erste Gelegenheit zum Treffen mit den Aktionären nach der Kapitalerhöhung darstellte, wollten wir auch etwas über den erfolgreichen Marktstart zu berichten haben. Es gab allerdings noch einen weiteren Grund, warum wir die Hauptversammlung zeitlich verschoben, und der lag in der Entscheidung zur Aufnahme eines weiteren institutionellen Investors.

33. Weitere Entwicklungen Das Geschäft entwickelte sich im ersten operativen Jahr deutlich besser als geplant, und daher trafen wir zum Jahresende eine folgenreiche Entscheidung: Anstatt die zweite Kapitalerhöhung noch im ersten Jahr durchzuführen, beschlossen wir, den Jahresabschluss abzuwarten und mit der Kapitaleinwerbung dann im ersten Quartal 2001 zu beginnen. Die zu dieser Zeit einsetzende Krise im Kapitalmarkt hätte fast das Aus für die Gesellschaft bedeutet. Nur unter größten Anstrengungen und um einen insgesamt sehr hohen Preis konnte die Kapitalerhöhung dann doch gestemmt werden –

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sechs Monate später als geplant. Immerhin war dies die einzige bekannte Finanzierung für ein Telekommunikationsunternehmen im denkwürdigen Jahr 2001.

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Teil III Erfahrungen aus der Fallstudie Die beschriebenen Erfahrungen gelten natürlich nur für unser Unternehmen und sind stark vom Geschäftsmodell bedingt, der damaligen Kapitalmarktsituation und natürlich zu einem nicht unerheblichen Teil auch von den handelnden Personen. In der Tat hängt auch bei der Entwicklung und Steuerung eines Unternehmens sehr viel von den Personen und ihrem Zusammenspiel ab.

1. Unternehmensplanung und Vorbereitung Die sorgfältige Vorbereitung der Unternehmensgründung ist von entscheidender Bedeutung für den späteren Erfolg. Dies gilt auch in dem Fall, dass es sich um dynamische Märkte mit schnellen Veränderungen handelt. Dabei ist neben der intensiven Beschäftigung mit den potenziellen Zielgruppen und dem Produktnutzen insbesondere auch die Analyse der aktuellen Wettbewerbssituation wichtig, und man sollte nach Möglichkeit auch die erkennbaren Entwicklungen mit in die Überlegungen einbeziehen. Damit man als Gründer selber möglichst hohe Sicherheit gewinnt, sollte man auf verschiedene und voneinander unabhängige Quellen zurückgreifen. Selbst wenn die Aussagen in Teilbereichen widersprüchlich sein sollten, so zeigt dies doch eine Unsicherheit in der Einschätzung an. Auf der Basis der hinzugezogenen Quellen müssen natürlich die eigenen Schlüsse gezogen und eigene Erkenntnisse eingebracht werden. Nur in den seltensten Fällen reichen hierfür externe Quelle aus. Dabei ist auch die eigene Erfahrung in der Zielbranche von hoher Bedeutung. Da jede Branche ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten aufweist, ist eine mehrjährige aktive Berufserfahrung vor einer Neugründung eigentlich unerlässlich. Bei der Gesamtplanung spielt die Planung der Finanzierung eine wichtige Rolle. Wie das Beispiel unseres Unternehmens deutlich gezeigt hat, begannen die eigentlichen Probleme nicht in der Umsetzung der Produkte, und auch die Entwicklung unseres innovativen Produktes war nicht eigentlich kritisch, obwohl wir die Umsetzungszeit zu optimistisch geplant hatten. Die Probleme begannen für uns mit dem Crash im Kapitalmarkt Anfang 2001. Dies war zwar kaum vorhersehbar und auch Insider hatten diese Entwicklung wohl nicht er-

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wartet. Aber es ist hilfreich, schon bei der Planung eine Verschiebung oder auch das Ausbleiben einer Kapitalerhöhung zu berücksichtigen. Wenn die Planung dabei ergibt, dass bei dem Geschäftsmodell das Unternehmen beim Ausbleiben einer zweiten oder dritten Kapitalerhöhung nicht überleben kann, so kennen Sie auf jeden Fall die Randbedingungen und sollten von vornherein Investoren suchen, die bereit sind – und sich vertraglich verpflichten –, die folgenden Kapitalerhöhungen beim Erreichen definierter Meilensteine mitzutragen. Der Aufwand für die sorgfältige Planung sollte nicht unterschätzt werden. In unserem Beispiel dauerte die Vorbereitung, die wir zu dritt durchführten, neben unserer Geschäftsführertätigkeit fast ein Jahr.

2. Gesellschaftsform Der bei der Führung einer Aktiengesellschaft mit über hundert Aktionären entstehende Aufwand ist erheblich höher als im Falle einer vergleichbaren GmbH. Da es sich bei dem beschriebenen Fall für mich um die erste Gründung einer AG handelte, verschätzte ich mich (wie auch die anderen Gründer) beim Aufwand deutlich. Alleine für die Gründung an sich gibt es erhöhte formale Anforderungen, die sowohl Zeitaufwand als auch zusätzliche Kosten bedeuten. Wir gingen in unseren Planungen, insbesondere auch getrieben durch die Vorstellungen und Äußerungen in den ersten Investorengesprächen, von einem Börsengang kurz nach Erreichen des Break-even aus. Daher wollten wir auch von Anfang an die Bedingungen für das Reporting und die Prozesse eines börsennotierten Unternehmens erfüllen. Hierfür benannten wir eine Investor-Relations-Verantwortliche und erstellten aussagekräftige Quartalsberichte. Auch die Vorbereitung von Hauptversammlungen und Aufsichtsratssitzungen ist aufwändiger, als man sich dies im Vorfeld einer Gründung vorstellt. Bei fast allen Vorgängen ist das Einhalten genau definierter Zeitpläne und Abläufe notwendig. Dies habe ich insbesondere bei der Vorbereitung von Kapitalerhöhungen mehrfach erlebt. Zunächst ist genehmigtes Kapital in einer Hauptversammlung zu schaffen oder in einer alternativen Haupt- oder Vollversammlung eine Kapitalmaßnahme zu beschließen, dann ist für die Durchführung ein Vorstands- und Aufsichtsratsbeschluss erforderlich. Selbst der Prozess der Gestaltung, Produktion und Vergabe von Aktien muss festgelegten Regeln folgen. Die Verwaltung des Aktienbuchs, in dem verbindlich die Aktionäre mit der Anzahl der von ihnen gehaltenen Aktien festgehalten wird, ist sehr sorgfältig vorSeite 82

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zunehmen und bereitet bei Aktienverkäufen, der Aufteilung von Globalaktien und ähnlichen Änderungen nach eigenen Erfahrungen viel Aufwand. Fast alle Vorgänge müssen notariell beglaubigt und beim Handelsregister eingetragen werden. Da diese Abläufe ohne profunde juristische Vorkenntnisse kaum richtig zu handhaben sind, kommt man, wie in unserem Fall, nicht ohne eigenen Juristen aus. Selbst in diesem Fall benötigten wir häufig externe juristische Beratung durch erfahrene Gesellschaftsrechtler. Da für einen möglichen späteren Börsengang alle Vorgänge im Unternehmen, einschließlich des Gründungsvorganges selber, im juristischen Sinne korrekt sein müssen, lassen sich auch kaum Kosten sparende Kürzungen vornehmen. Viele Vorgänge, die nicht ordnungsgemäß abgelaufen, lassen sich im Nachhinein nur schwer wieder korrigieren. Die Regelungen des Corporate Governance legen dem Unternehmen recht enge Anforderungen an, die besser eingehalten werden sollten. Wenn wir die für die formalen Vorgänge und die juristische Beratung eingesetzten Mittel für Marketing-Aktionen hätten umsetzen können, hätte sich damit sicher einiges bewegen lassen! Daher ist vor der Gründung sorgfältig abzuwägen, ob es tatsächlich schon bei der Gründung eine Aktiengesellschaft sein muss oder ob nicht das Gleiche auch mit einer GmbH erreicht werden kann. Die Regelungen für eine GmbH sind für einen Gründer leichter zu erfüllen, und die formalen Anforderungen sind deutlich niedriger. Dies sollte natürlich trotzdem keinen Einfluss auf die unternehmerische Sorgfalt bei gesellschaftsrechtlichen Vorgängen haben. Sollte später ein Börsengang geplant sein, so ist die Umwandlung der GmbH in eine AG möglich. Der dabei entstehende Aufwand ist auch nicht höher als bei der Gründung der AG und erfolgt in der Regel in einer Unternehmensphase, in der bereits eine Organisation aufgebaut ist und nicht alle Aufgaben gleichzeitig umgesetzt werden müssen.

3. Zusammenstellung des Gründungsteams Dem Gründungsteam kommt eine große Bedeutung für den Erfolg des Unternehmens zu. Wie viele Mitglieder dieses Gründungsteam haben sollte, lässt sich nicht verallgemeinern. Typisch sind Größenordnungen von drei bis sechs Personen. Dabei sind für die überwiegende Zahl der Geschäftsmodelle die Bereiche Finanzen und Verwaltung, Vertrieb und Technik abzudecken. Nach wie vor haben bei vielen Gründungen die Bereiche Entwicklung und Technik bzw. Produktion einen überdurchschnittlich hohen Stellenwert. Dabei sind Seite 83

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die Bereiche Finanzen und gerade auch Vertrieb nicht als nachgelagerte Funktionen zu betrachten, sondern können für das Überleben und das erfolgreiche Wachsen von entscheidender Bedeutung sein. Sie sollten daher schon in der Vorbereitungs- und Gründungsphase einbezogen werden und ein Mitspracherecht bei der Planung haben. Neben der rein fachlichen Qualifikation der Mitglieder des Gründungsteams ist allerdings der menschliche Faktor ein sehr wichtiger. Der Prozess von der Gründung über den Aufbau und das Wachstum bis zum Erreichen ist ein sehr schwieriger und arbeitsintensiver, bei dem es nur in Ausnahmefällen ohne Krisen abgeht. Es ist daher notwendig, dass sich die Mitglieder des Gründungsteams absolut aufeinander verlassen können und übereinstimmende Ziele verfolgen. Da der Arbeitseinsatz in dieser Phase überdurchschnittlich hoch ist, sollten alle Gründungsmitglieder bereit und willens sein, diesen Stress auszuhalten. Für die verschiedenen Aufgaben sind in der Regel auch unterschiedliche Erfahrungen notwendig. Trotzdem sollten die mit der Unternehmensgründung verfolgten Ziele möglichst weit gehend übereinstimmen. Den Gründern sollte eine weit gehende Resistenz gegen die bestehenden Unsicherheiten gemeinsam sein. Wer die Sicherheit einer laufenden Gehaltszahlung und einer langfristigen Beschäftigung sucht, sollte sich die Gründung eines Unternehmens sehr gut überlegen. Dabei darf dies nicht mit einer fehlenden Sensibilität gegenüber Risiken oder gar einem leichtsinnigen Verhalten gleichgesetzt werden. Es kann für die Entwicklung des Unternehmens kritisch sein, bei der Zusammensetzung des Gründungsteams Kompromisse zu machen. Aus eigener Erfahrung habe ich die Folgen solcher Kompromisse erleben müssen. Die späteren Krisen des Unternehmens waren zwar nicht ausgelöst durch die unterschiedlichen Vorstellungen von der Führung und den unterschiedlichen persönlichen Zielen, aber bei der Bewältigung von Krisen können solche Unterschiede die Auswirkungen der Krise verschlimmern. Aus diesem Grunde ist es von Vorteil, wenn alle Gründer mit den gleichen Erfolgschancen im Sinn von Anteilen und Optionen ausgestattet sind, so dass bei einer erfolgreichen Entwicklung auch ein gleich hoher Gewinn möglich ist. So weit es Sinn macht, sollten auch die Gehaltskonditionen identisch sein, um spätere Diskussionen zu vermeiden. Auf jeden Fall ist der Zusammensetzung des Gründungsteams hohe Bedeutung beizumessen. Wenn Sie Bedenken im Hinblick auf das Team haben, verschieben Sie lieber eine Gründung oder starten in einer kleineren Besetzung. Fehlende Kompetenzen

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können u.U. auch von Venture-Capital-Gesellschaften beigesteuert werden. Eine andere Möglichkeit ist die Zusammenarbeit mit Interimsmanagern oder die Unterstützung durch erfahrene Coaches.

4. Vorbereitung einer Kapitalmaßnahme Von Unternehmensgründern wird der Aufwand für die Durchführung von Kapitalerhöhungen in aller Regel deutlich unterschätzt. Erschwerend kommt hierbei hinzu, dass nur die wenigsten Unternehmensgründer im Vorfeld Erfahrung mit der Unternehmensfinanzierung gesammelt haben. Ich habe versucht an Hand der eigenen Erfahrungen möglichst genau zu beschreiben, welche Schritte erforderlich sind, um eine Kapitalerhöhung durchzuführen. Dabei lassen sich folgende Phasen unterscheiden: ●

Überlegung zum Bedarf und Bewertung des Unternehmens



Vorbereitung von Unterlagen zur Präsentation und Prüfung



Auswahl geeigneter Investoren (Business Angel, Venture Capital bzw. Corporate Venture Capital, Fördermittelgeber, Beteiligungsgesellschaften etc.) und Identifikation von Unternehmen



Formale Vorbereitung mit Kapitalerhöhungsbeschlüssen



Präsentation und Interessenweckung bei ausgewählten Investoren



Technische, rechtliche und wirtschaftliche Due Diligence durch den potenziellen Investor; hierfür ist je nach Phase des Unternehmens und Art des Investors ein Zeitaufwand von zwei bis fünf Monaten zu planen



Vertragsverhandlung



Umsetzung und Eintragung der Kapitalerhöhung

Dieser Prozess kann durchaus ein ganzes Jahr in Anspruch nehmen und sollte daher früh genug begonnen werden. Dabei hängt natürlich vieles von der Attraktivität des Marktes und dem Stand des Unternehmens ab, aber der entscheidende Faktor ist die aktuelle Situation der Kapitalmärkte zum Zeitpunkt der Kapitalerhöhung- In der Zeit von 2000 bis 2003 gerieten viele Unternehmen alleine durch die fehlende Investitionsbereitschaft der Venture-Capital-Gesellschaften in die Insolvenz. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist dabei: sich bei dem Gesamtprozess von der Ansprache über die Gestaltung Seite 85

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der Präsentation bis zur späteren Vertragsverhandlung auf die Sicht der Kapitalgeber einzustellen. Diese haben in der Regel eine wesentlich allgemeinere Markt- und Branchenkenntnis als der Unternehmer. Auch sind die verfolgten Ziele und die durch die Vorgaben von Anlagestatuten gegebenen Randbedingungen zu beachten. Durch die Orientierung an einem späteren Exit ergeben sich zusätzliche Anforderungen, die Sie bei Ihrer Vorbereitung zu berücksichtigen haben. Der Anlagehorizont der Kapitalgeber liegt dabei in der Regel im Bereich von drei bis sechs Jahren und ist damit kürzer als die Perspektive der meisten Unternehmensgründer.

5. Investorenwahl für die Umsetzung von Innovationen Es gibt keine generelle Aussage zu richtigen oder falschen Investorenkategorien. Im eBook „Finanzierungsalternativen für den Mittelstand“ werden die wichtigsten Charakteristika der verschiedenen infrage kommenden Kapitalgeber dargestellt. Dies kann ein Anhaltspunkt sein. In dem hier beschriebenen Fall mit dem spezifischen Geschäftsmodell waren ein „kleiner“ Einstieg und eine Anfangsfinanzierung mit VentureCapital-typischen Beträgen von bis zu zwei Mio. Euro nicht möglich. Der Aufbau eines Unternehmens mit aufwändiger Infrastruktur oder teuren Produktionseinrichtungen benötigt wie in diesem Fall mit ca. 40 Mio. Euro, eine nicht unerhebliche Menge an Kapital. In unserem Falle wäre es vermutlich besser gewesen, auf einen strategischen Investor zu setzen und damit die weitere Entwicklung unabhängiger von der Entwicklung des Kapitalmarktes zu machen – obwohl natürlich auch der Telekommunikationsmarkt selber eine Krise durchlaufen hat. Natürlich war die Entwicklung des Kapitalmarktes zum Zeitpunkt der Unternehmensgründung nicht vorhersehbar. Auf der anderen Seite bestanden schon damals durch die erheblichen Vorleistungen für die Entwicklung des Kommunikationsassistenten ein Entwicklungsrisiko im Hinblick auf das Ergebnis, ein Risiko in der notwendigen Entwicklungszeit und ein Risiko bei der Akzeptanz des Produktes beim Nutzer. Durch die Zusammenarbeit mit einem israelischen Entwicklungspartner erlebten wir unerwartete Risiken in der laufenden Problemlösung bei offenen Fragen und der fristgerechten Fertigstellung. In solchen Situationen kann die Zusammenarbeit mit einem strategischen Partner möglicherweise von Vorteil sein. Wenn das Innovationsvorhaben Synergien zu seinem Kerngeschäft aufweist, sind die Chancen für eine faire Aufteilung der Risiken höher als bei einer Auftragsentwicklung. Seite 86

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Auf der anderen Seite bereitet ein strategischer Partner dem Unternehmensgründer möglicherweise andere Risiken. So kann ein Strategiewechsel, wie er gerade in der Telekommunikationsbranche in den letzten Jahren viele Anbieter getroffen hat, ein Synergieprodukt mit strategischer Bedeutung auch ebenso schnell in eine unbedeutende Nischenposition drängen, für die keine Bereitschaft zur weiteren Finanzierung gegeben ist. Also ist auch die Zusammenarbeit mit einem strategischen Partner nicht ohne Probleme. Eine Einschätzung aus unserer Planung würde ich allerdings mit Sicherheit nicht wieder akzeptieren: Laut unserem Business Plan wollten wir nach der Entwicklung der Basisfunktionalität und der ersten Markteinführung die Finanzierung für die Kapazitätserweiterung, die Weiterentwicklung der Funktionalität und die erforderlichen Marketing-Maßnahmen über einen Börsengang oder die Aufnahme eines strategischen Partners beschaffen. Wie sich gezeigt hat, war in der konkreten Situation weder das eine noch das andere möglich, so dass alle Arbeiten an einem aus meiner Sicht nach wie vor attraktiven Produkt mit großen Marktchancen eingestellt werden mussten. Eine andere Schlussfolgerung kann dabei sein, dass Innovationsvorhaben mit einem Gesamtinvestitionsbedarf für Entwicklung, Personal und Markteinführung in Höhe von 15 bis 20 Mio. Euro für die Umsetzung in neu gegründeten Unternehmen nicht geeignet sind. Vielleicht gilt dies nicht in allen Fällen und in allen Branchen. Für unseren konkreten Fall wäre es vielleicht besser gewesen, zunächst mit einem noch überschaubaren Geschäft zu beginnen, wie es mit Servicerufnummern möglich war, und erst nach erfolgreicher Umsetzung und der Erzielung von nachhaltigen Umsätzen an eine Erweiterung zu gehen. Allerdings: Auch dabei sollte die vorhersehbare Gesamtfinanzierung schon im Vorfeld gesichert sein, z.B. durch die Einbeziehung eines strategischen Partners. Dabei bedeutet Sicherung der Finanzierung nicht, dass das benötigte Kapital schon zum Zeitpunkt des Arbeitsbeginns auf dem Konto eingezahlt ist. Es genügt die Zusicherung einer Zahlung oder die Zahlung in Tranchen; die zwischenzeitliche Anlage des Kapitals können Beteiligungsgesellschaften oder strategische Partner im Zweifelsfall besser als der Unternehmensgründer. Diese Überlegungen gelten natürlich in erster Linie für Innovationsvorhaben mit hohen Risiken und hohem Finanzierungsbedarf. Wenn insbesondere der Finanzierungsbedarf deutlich niedriger liegt, können Venture-Capital-Gesellschaf-

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ten und Förderbanken durchaus geeignete Investoren für Unternehmensgründer sein.

6. Mittelverwendung Unabhängig davon gibt es paar Dinge, die ich aus heutiger Sicht anders machen würde. Hierzu gehört in unserem Fall die Aufbauorganisation während der Startphase. Wir wollten vieles in kürzester Zeit schaffen und setzen dies auch zum größten Teil um. Ein anderer Ansatz ist das langsamere Wachstum mit weniger Personal und mit einem geringeren Mitteleinsatz. An die Stelle des Anspruches, in kurzer Zeit möglichst viel in perfekter Form zu erreichen, würde ich heute setzen, dass mit dem in der ersten Gründungsphase eingezahlten Kapital ein möglichst langes Auskommen möglich ist. Da sich die Kapitalmärkte auch in Zukunft weiter verändern werden und es keine Garantie dafür gibt, dass sich der Crash von 2001 nicht wiederholt, sollte in einer Worst-Case-Planung immer davon ausgegangen werden, dass kein weiteres Kapital oder zumindest keine weiteren Investoren gewonnen werden können. Wenn dies bei der Gründung des Unternehmens geschieht, ist der Schaden noch nicht sehr groß. Wenn aber eine solche Entwicklung während des Aufbaus bzw. in der Wachstumsphase geschieht, dann kann es existenzbedrohend werden. Dabei kommt es zu verschiedenen möglichen Auswirkungen. So sind z.B. die eigenen Anteile unter den Bedingungen einer aufgezwungenen Aktionärsvereinbarung fast nichts mehr wert, die vorherige Freiheit der Entscheidung wird in ein enges Korsett gezwängt und die Arbeitsweise unterscheidet sich nicht mehr von derjenigen einer angestellten Tätigkeit. Es gelingt vielleicht nicht immer, mit der Anfangsfinanzierung bis zum Erreichen des Breakeven auszukommen, aber die Überlegung nach dem Muster „was wäre, wenn“ kann sehr hilfreich sein.

7. Zusammenarbeit mit Investoren Die Zusammenarbeit mit Investoren sollte eigentlich immer auf einer offenen und transparenten Basis erfolgen. Nach der Beteiligung haben die Gründer und die Investoren in der Regel die gleichen Ziele, und diese Situation sollte helfen, mögliche Probleme gemeinsam zu meistern. Daher ist eine offene und transparente Kommunikation unabdingbar. Ob dies in Form eines ausführlichen Quartalsberichtes oder durch Monatsreports erfolgt, ist eine Frage der individuellen Absprachen. Beachten Sie dabei aber den Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre. Wenn ein Aktionär eine de-

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taillierte Information benötigt, müssen sie diese den anderen Aktionären ebenfalls anbieten. Es macht daher natürlich keinen Sinn, Probleme geheim halten zu wollen. Gerade professionelle Investoren haben vermutlich schon mehr Probleme in jungen Unternehmen gesehen als die meisten Gründer. Unter Umständen können sie daher auch Ratschläge zur Problemlösung geben. Es ist auf jeden Fall ratsam, bestehende Investoren frühzeitig über geplante Kapitalmaßnahmen zu informieren. Auch wenn sie vielleicht selber nicht an einer weiteren Kapitalerhöhung teilnehmen, können sie Empfehlungen zu anderen geeigneten Investoren geben oder auch Kontakte herstellen. Es ist z.B. keineswegs ungewöhnlich, dass auch institutionelle Investoren Co-Investments eingehen. Auch im Bereich der Fördermittel können viele Investoren beratend und vielleicht auch vermittelnd tätig werden. Für einige Programme ist es sogar nötig, dass einer der institutionellen Investoren als Leadinvestor den Fördermittelantrag stellt. Auch in anderen Bereichen können die Investoren helfend mitwirken. Dies gilt z.B. bei der Suche nach Führungskräften oder bei der Einführung von Controlling-Instrumenten. Es kann daher nicht schaden, bei solchen Themen die Investoren zu fragen. Je nach Ausrichtung des Investors kann er Kontakte zu anderen Beteiligungsunternehmen herstellen, wenn es mögliche Synergien gibt. Allerdings sollten Sie als Gründer nicht darauf vertrauen, dass bei Ihrem Unternehmen vorhandene Lücken durch den Investor geschlossen werden. Auch ein institutioneller Investor hat schließlich nur ein begrenztes Portfolio an Beteiligungsunternehmen. Im Bereich des Marktzuganges oder bei der Vermittlung von Vertriebskontakten werden die Möglichkeiten der Investoren dagegen häufig überschätzt. Aus eigener Erfahrung sind die Möglichkeiten in diesem Segment eher beschränkt, und man kann sich als Gründer keinesfalls auf solche Kontakte verlassen. In diesem Bereich sind die Corporate-Venture-CapitalUnternehmen vielleicht ein bisschen im Vorteil, wenn sie einen internen Markt öffnen können. Dr. rer. nat. Jürgen Kaack STZ-Consulting Group

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Der Autor

Dr. Jürgen Kaack STZ-Consulting Group Tel.: 0 22 35 – 9 88 77 6 Mobil: 0 17 1 – 4 07 00 00 Website: www.stz-consulting.de eMail: [email protected]

Dr. Jürgen Kaack studierte in Köln Physik und promovierte auf dem Gebiet der Festkörperphysik. In seiner Berufslaufbahn nahm er Managementfunktionen bei international tätigen und auch bei mittelständischen Unternehmen (z.B. SEL, BMW, AEG, debis) wahr. Er wirkte erfolgreich mit am Aufbau mehrerer Unternehmen. Als Managementberater besitzt er langjährige Erfahrung in der Unterstützung von Unternehmen. Er gestaltete als späterer Marketing- und Vertriebsleiter maßgeblich Europas erfolgreichsten Mobilfunk Anbieter debitel. Das Erreichen der Marktführerschaft, die langfristige Bindung wichtiger Vertriebsorganisationen, die Einführung innovativer Tarife und der sekundengenaue Abrechnung im deutschen Markt waren einige Ergebnisse. Das Konzept und die Gründung des auf Mehrwertdienste spezialisierten Netzbetreibers mcn tele.com geht wesentlich auf seine Initiative und Vorarbeit zurück. Dr. Kaack hatte den Vorstandsvorsitz von der Gründung bis 2002 inne. Heute unterstützt er als Gründer der STZ-Consulting Group Unternehmen als Berater und Coach bei der Bewältigung von intern oder extern bedingten Änderungen, z.B. durch Innovationsvorhaben, Vertriebsoptimierung oder die Einführung des Risikomanagement-Prozesses. Ein Schwerpunkt liegt in der Ausgestaltung innovativer Geschäftsmodelle sowie im Aufbau von Unternehmens-Kooperationen und Allianzen.

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»Beratung vom Unternehmer für Unternehmer« STZ-Consulting Group ... ... verbindet als Managementberatung konzeptionelle Stärken mit unternehmerischem Know-How bei der Umsetzung. Die Partner verfügen über langjährige operative Berufserfahrung in leitenden Funktionen. ... setzt Schwerpunkte beim Aufbau von Geschäftskooperationen, in Marketing und Vertrieb, sowie im Risikomanagement. Zu den Leistungen gehören Coaching, Umsetzung neuer Geschäftsmodelle, Restrukturierungsvorhaben und der Einstieg in neue Märkte.

Tätigkeitsfelder der STZ-Consulting Group Unternehmensführung Marketing und Vertrieb, Vertriebsoptimierung, Coaching, Einführung von Risikomanagement, Unternehmensnachfolge-Projekte. Kooperationen Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Aufbau strategische Partnerschaften, Unterstützung bei Markteintritt und Kooperationen Telekommunikation und Innovation Spezialist für Telekommunikationsthemen (Mobilfunk, Konvergenz, Breitbandanwendungen), innovative Geschäftsmodelle und Produktentwicklung.

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