VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES SAARLANDES

Lv 12/08 VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES SAARLANDES BESCHLUSS IM NAMEN DES VOLKES In dem Prozeßkostenhilfeverfahren betreffend den Antrag des Herrn T.F. ...
Author: Frida Schenck
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Lv 12/08

VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES SAARLANDES BESCHLUSS IM NAMEN DES VOLKES In dem Prozeßkostenhilfeverfahren

betreffend den Antrag des Herrn T.F.

Antragsteller, auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 58 VerfGHG

hat der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes unter Mitwirkung

des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Roland Rixecker des Vizepräsidenten des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Rudolf Wendt des Verfassungsrichters Ulrich André des Verfassungsrichters Prof. Dr. Günter Ellscheid der Verfassungsrichterin Monika Hermanns des Verfassungsrichters Hans-Georg Warken

2 des Verfassungsrichters Prof. Dr. Stephan Weth des Verfassungsrichters Henner Wittling am 30. Oktober 2009

beschlossen:

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Gründe

A. Der Antragsteller wendet sich mit seiner Eingabe gegen Gerichtsentscheidungen des Amtsgerichts, Landgerichts und des Oberlandesgerichts Saarbrücken, die einen Anspruch auf Entfernung von in seiner beim Amtsgericht Saarbrücken geführten Betreuungsakte gespeicherten Daten ablehnen.

Am 20.8.1998 wurde durch das Amtsgericht Saarbrücken eine Betreuung für den Antragsteller angeordnet. Diese wurde später erweitert und umfasste zum Zeitpunkt der Aufnahme der streitgegenständlichen Daten in die Betreuungsakte sowohl die Gesundheitssorge hinsichtlich der nervenärztlichen Behandlung als auch die Aufenthaltsbestimmung, soweit diese die Entscheidung über die Unterbringung oder unterbringungsähnliche Maßnahmen zur Durchführung der nervenärztlichen Behandlung erfordern sollte.

Mit Beschluss vom 10.3.2008 hat das Amtsgericht Saarbrücken die Betreuung mit der Begründung aufgehoben, die Betreuung sei tatsächlich nicht zu führen.

Die Betreuungsakten enthalten auf den Blättern 1503 bis 1506 und 1551 bis 1554 einen Vermerk eines Rechtspflegers des Amtsgerichts, wonach ein Polizeibeamter der Polizeiinspektion Alt-Saarbrücken um Mitteilung bat, ob für den Antragsteller eine 2

3 Betreuung eingerichtet sei. Weiterhin ist die Kopie eines Vermerks des Polizeibeamten über den Vorfall enthalten, der zu der Anfrage geführt hat. Nach dem Inhalt des Vermerks wurde am 15.4.2007, dem Thementag „Kinder“, ein an der Eingangstür der Staatskanzlei in Saarbrücken abgestelltes Plakat sichergestellt, das folgenden Text enthielt:

„Wie schützt unsere Landesregierung die Grundrechte unserer Jugend vor nordischem Radar?? Wie schützt unsere Landesregierung unsere saarländische Jugend vor nordischer Selektion?? Was tut unsere Landesregierung gegen soziale Diskriminierung im Ausbildungsbereich??“

Das Plakat wurde dem Antragsteller als Eigentümer auf dessen Verlangen hin wieder ausgehändigt. Im Vermerk des Polizeibeamten wird ausgeführt, daß der Antragsteller im Gespräch nicht nachvollziehbare Ansichten vertreten und psychisch auffällig gewirkt habe.

Der Antragsteller beantragte beim Amtsgericht Saarbrücken, die genannten Unterlagen aus der Betreuungsakte zu entfernen.

Mit Beschluss vom 13.3.2008 (10 XVII [F] 677/96) wies das Amtsgericht den Antrag als unbegründet zurück. Die seitens des Antragstellers hiergegen erhobene Beschwerde und die weitere Beschwerde blieben erfolglos und wurden durch Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 18.8.2008 (5 T 203/08) und Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 25.11.2008 (5 W 230/08–87) zurückgewiesen.

Am 18.12.2008 hat der Antragsteller beim Verfassungsgerichthof einen „Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes“ gestellt, „um eine Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichtes und des Landgerichtes (5 T 203/08) sowie des Oberlandesgerichtes (5 W 230/08–87–) zur Aufnahme von personenbezogenen Daten in die Betreuungsakte 10 XVII F 677/96 zu erheben“. Zur Begründung des Antrages hat er eine Liste von mehreren Rechtsanwaltskanzleien vorgelegt, bei denen er 3

4 auf Anfrage keine Zusage für die Übernahme des Mandats erhalten habe. Nach der Beiordnung solle durch den Rechtsanwalt Verfassungsbeschwerde erhoben werden, gegebenenfalls verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung.

Zur Begründung der beabsichtigten Verfassungsbeschwerde führt der Antragsteller aus: Bereits die Anfrage des Polizeibeamten beim Amtsgericht Saarbrücken, ob eine Betreuung eingerichtet sei, sei rechtswidrig. Das gelte auch für die Weitergabe der personenbezogenen Daten an das Amtsgericht durch den Polizeibeamten und die Aufnahme der Daten in die Betreuungsakte sowie für die Nichtentfernung der Daten. Die Maßnahmen verstießen gegen sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, sein Persönlichkeitsrecht und seine Meinungsfreiheit. Bereits für die Anfrage und die Weitergabe der Daten an das Amtsgericht habe es keine Rechtsgrundlage gegeben. Der Antragsteller sieht in der Ablehnung des Antrags auf Entfernung der Unterlagen aus der Betreuungsakte durch Amtsgericht, Landgericht und Oberlandesgericht eine Rechtsschutzverweigerung und Repressionsmaßnahme mit dem Ziel einer Unterdrückung seiner Äußerungen über die satellitengestützte Überwachung und Kontrolle der Menschen durch den Staat. Die Rechtswidrigkeit der weiteren Speicherung der Daten in der Betreuungsakte ergebe sich nicht zuletzt auch daraus, daß die Betreuung mittlerweile aufgehoben worden sei.

B. Der Antrag auf „Beiordnung eines Rechtsanwaltes“ ist als Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nach § 58 VerfGHG auszulegen. Bei verständiger Würdigung des Begehrens des Antragstellers ergibt sich, dass dieser nach erfolgter Beiordnung eines Rechtsanwalts Verfassungsbeschwerde erheben möchte, um gegen die eine Entfernung der fraglichen Unterlagen aus der Betreuungsakte ablehnenden Gerichtsentscheidungen vorzugehen. Entscheidend ist insoweit, dass das Gesetz über den Verfassungsgerichtshof keinen isolierten Antrag auf „Beiordnung eines Rechtsanwalts“ kennt, wie dies z.B. in § 78b ZPO der Fall ist.

Im Rahmen der Prozesskostenhilfe verweist § 58 VerfGHG allerdings auf die entsprechenden Vorschriften in der Zivilprozeßordnung (§§ 114 ff. ZPO). Gem. § 121 Abs. 1 ZPO wird einer Partei, die Prozesskostenhilfe erhält, für den Fall einer vorge4

5 schriebenen Vertretung ein Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet. Da die Verfassungsbeschwerde gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 VerfGHG nur durch einen Rechtsanwalt (oder einen Professor des Rechts an einer deutschen Universität) formgerecht eingelegt werden kann, besteht ein entsprechender Vertretungszwang auch für die beabsichtigte Verfassungsbeschwerde des Antragstellers. Der Antragsteller macht jedoch gerade geltend, keinen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu finden. Für diese Fallgestaltung sieht § 121 Abs. 5 ZPO vor, dass auf Antrag der Partei ein Rechtsanwalt beigeordnet wird. So liegt der Fall hier. Der Antragsteller hat eine Auflistung von Anwälten eingereicht, bei denen er auf Anfrage keine Zusage zur Übernahme des Mandates erhalten hat. Daher ist sein Begehren auch als Antrag im Sinne von § 121 Abs. 5 ZPO auszulegen.

Es war ausschließlich über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gem. § 58 VerfGHG zu entscheiden. Der Antragsteller hat hinreichend deutlich gemacht, dass er keine Verfassungsbeschwerde verbunden mit einem Antrag auf Prozesskostenhilfe erheben will. Es ist ihm bewusst, dass eine Verfassungsbeschwerde gem. § 56 VerfGHG nur durch einen Rechtsanwalt (oder einen Professor des Rechts an einer deutschen Universität) eingelegt werden kann. Er hat ausdrücklich angekündigt, erst nach der Beiordnung eines Rechtsanwalts solle durch diesen Verfassungsbeschwerde (gegebenenfalls zusammen mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand) erhoben werden.

C. Das so verstandene Begehren des Antragstellers hat keinen Erfolg.

I. Dabei bestehen vorliegend bereits hinsichtlich der Zulässigkeit Bedenken, weil der Antragsteller es versäumt hat, die gem. § 58 VerfGHG in Verbindung mit § 117 Abs. 2 S.1 ZPO nötige Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dem Antrag beizufügen.

II. Jedenfalls ist der Antrag aber unbegründet. 5

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Voraussetzung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist nach § 58 VerfGHG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist nicht der Fall.

1. Gegen die Zulässigkeit der beabsichtigten Verfassungsbeschwerde bestehen allerdings keine Bedenken.

a. Die Verfassungsbeschwerde wäre nach § 9 Nr. 13 in Verbindung mit § 55 Abs. 1 VerfGHG statthaft, da die genannten Gerichtsentscheidungen der saarländischen öffentlichen Gewalt mit der Behauptung der Verletzung von Grundrechten (Art. 2 S. 2, Art. 2 in Verbindung mit Art. 1 SVerf, Art. 5 Abs.1 SVerf) angegriffen werden.

b. Die Versäumung der Frist des § 56 Abs. 1 S. 1 VerfGHG wäre unschädlich, da ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand vom Antragsteller angekündigt worden ist und ein solcher Antrag auch erfolgversprechend wäre. Obwohl ein solches Verfahren im Gesetz über den Verfassungsgerichtshof nicht ausdrücklich vorgesehen ist, ergibt sich die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrages aus § 11 Abs. 2 GO/VerfGH, wonach der Verfassungsgerichtshof sein Verfahren nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung der Grundregeln des deutschen Verfahrensrechts bestimmt, soweit das Gesetz über den Verfassungsgerichtshof und die Geschäftsordnung des Verfassungsgerichtshofes keine besonderen Regelungen enthalten. Zu diesen Grundregeln des deutschen Verfahrensrechts gehört auch die Möglichkeit, bezüglich bestimmter Fristen Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand erhalten zu können, falls diese unverschuldet versäumt wurden (dazu ausführlich SVerfGH, Beschluss vom 19.5.2006, Az.: Lv 6/05).

c. Der Antragsteller hat auch den Rechtsweg erschöpft. Gegen den Beschluss des OLG Saarbrücken vom 25.11.2008 (5 W 230/08–87) standen ihm keine weiteren Rechtsbehelfe mehr zur Verfügung.

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2. Eine Verfassungsbeschwerde wäre allerdings nicht begründet. Die angegriffenen Gerichtsentscheidungen verletzen den Antragsteller nicht in seinen landesverfassungsrechtlichen Grundrechten. a. Der Antragsteller ist nicht in seinem durch Art. 2 S. 2 SVerf garantierten Grundrecht auf Schutz seiner personenbezogenen Daten verletzt. aa. Dieses von der Verfassung des Saarlandes ausdrücklich anerkannte Grundrecht gewährleistet dem Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (SVerfGH, Beschluss vom 19.3.2004, Az.: Lv 6/03). In dieses Grundrecht darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit auf Grund eines Gesetzes und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingegriffen werden. Dabei darf die Einschränkung nicht weiter gehen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (SVerfGH, a.a.O.).

bb. Durch das Auskunftsersuchen des Polizeibeamten bei Gericht, die Weitergabe der Daten sowie die Aufnahme der Daten in die Betreuungsakte und durch die Nichtentfernung der Unterlagen wird in das Grundrecht des Antragstellers auf Schutz seiner personenbezogenen Daten eingegriffen. Für einen Eingriff sind nämlich rein faktische Einwirkungen wie die Speicherung, Verwendung und Weitergabe der Daten ausreichend (Guckelberger, in: Wendt/Rixecker, Verfassung des Saarlandes, 2009, Art. 2 Rn. 18 unter Hinweis auf BVerfGE 65, 1, 43; 84, 239, 279).

cc. Allerdings sind diese Eingriffe entsprechend den oben (C II 2 a aa) dargestellten Maßstäben gerechtfertigt. Ein Anspruch auf Beseitigung personenbezogener Daten aus Gerichtsakten kann bestehen, wenn die Aufnahme der Daten unzulässig war oder die Belassung der Daten in den Akten für die Erfüllung der gerichtlichen Aufgabe nicht mehr erforderlich ist (vgl. dazu den Rechtsgedanken von § 32 Bundeskriminalamtgesetz [BKAG], § 489 Abs. 2 StPO, § 38 Abs. 2 SPolG und § 21 Abs. 3 Saarländisches Datenschutzgesetz [SDSG]).

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8 Vorliegend war die Aufnahme der Daten nicht schon deswegen unzulässig, weil bereits das Auskunftsersuchen der Polizei und die Weitergabe der Daten durch diese rechtlich unzulässig gewesen wäre und diese Unzulässigkeit ein Verwertungsverbot begründet hätte, das von Amtsgericht, Landgericht und Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Entfernung der streitgegenständlichen Daten hätte beachtet werden müssen. Das Auskunftsersuchen der Polizei und die Weitergabe der Daten durch diese beruhten vielmehr auf einer gesetzlichen Grundlage, so daß kein Verwertungsgebot besteht. Die Aufnahme der Daten in die Betreuungsakte war auch nicht aus sonstigen Gründen unzulässig, und es besteht auch die Notwendigkeit ihrer weiteren Speicherung bzw. Belassung in den Akten. Die Aufnahme der Daten in die Betreuungsakte und die Ablehnung von deren Entfernung durch die genannten Gerichte verletzen das Grundrecht des Antragstellers auf Schutz seiner personenbezogenen Daten daher insgesamt nicht.

(1) Für das Auskunftsersuchen der Polizei bei Gericht und die Weitergabe der Daten bildete § 35a S. 2 FGG die Rechtsgrundlage. Von dieser hat die Polizei rechtmäßig Gebrauch gemacht, so daß ein Verwertungsverbot ausscheidet.

Nach dieser Vorschrift dürfen Gerichte und Behörden dem Vormundschafts- oder Familiengericht personenbezogene Daten übermitteln, wenn deren Kenntnis aus ihrer Sicht für vormundschafts- oder familiengerichtliche Maßnahmen erforderlich ist, soweit nicht für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass schutzwürdige Interessen des Betroffenen an dem Ausschluss der Übermittlung das Schutzbedürfnis eines Minderjährigen oder Betreuten oder das öffentliche Interesse an der Übermittlung überwiegen. § 35a S. 2 FGG ermöglicht gerade unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten die Weitergabe und Übermittlung von personenbezogenen Daten an das Vormundschaftsgericht (Mertens, in: Jürgens, Betreuungsrecht, 3. Auflage 2005, FGG § 35a Rn. 2). Dabei hat die übermittelnde Stelle schon nach dem Wortlaut der Vorschrift eine Abwägung vorzunehmen zwischen den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen an dem Ausschluss der Übermittlung und dem öffentlichen Interesse an der Übermittlung.

Aufgrund des Inhalts des von dem Antragsteller aufgestellten Plakates und dessen im Gespräch vertretenen nicht nachvollziehbaren Ansichten sowie der Annahme ei8

9 ner psychischen Auffälligkeit durfte der Polizeibeamte vor Ort davon ausgehen, dass eine Lage, wie sie von § 35a S. 2 FGG gefordert wird, gegeben war, dass nämlich beim Bestehen einer Betreuung eine Kenntnisnahme von dem Geschehen durch das Vormundschaftsgericht geboten war, um dieser ein umfassendes Bild der Situation zu verschaffen. Der Text des von dem Antragsteller gefertigten Plakates zeigte, dass dieser die Vorstellung hatte, die Grundrechte von Jugendlichen seien durch „nordisches Radar“ und durch „nordische Selektion“ bedroht. Diese unverständliche Befürchtung vermochte die Annahme eines bedenklichen neurologischen Gesundheitszustandes des Antragstellers zu rechtfertigen. Der Polizeibeamte durfte somit zunächst durch ein Auskunftsersuchen bei Gericht ermitteln, ob eine Betreuung bereits bestand, und anschließend auch den Sachverhalt mitteilen, auf den er seine Anfrage stützte.

Die Erhebung und Weitergabe der Daten als Ergebnis der von dem Polizeibeamten anzustellenden Abwägung verletzte auch nicht den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Grenze der Einschränkung des Grundrechts des Antragstellers auf Schutz seiner personenbezogenen Daten. Die durch die Mitteilung der Daten an das Gericht als solche entstehende Grundrechtsbeeinträchtigung ist von begrenzter Tragweite. Daher dürfen die Anforderungen an die benachrichtigende Stelle nicht überspannt werden (vgl. auch Müller-Lukoschek, in: Jansen, FGG, 3. Auflage 2005, § 35a Rn. 17).

Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist daher zum einen zu beachten, dass der Eingriff in das Grundrecht des Antragstellers durch das bloße Auskunftsersuchen bei Gericht und die Weitergabe der Daten nur eine begrenzte Intensität aufwies, und zum anderen, dass dieser Eingriff von dem Antragsteller durch sein Verhalten selbst veranlaßt wurde und letztlich auch seinem eigenen Schutz diente. Denn nur wenn das Gericht auch die entsprechenden Informationen erhält, kann es ein sachgemäßes Betreuungsverfahren gewährleisten. Es ist gerade auf die Erlangung von Informationen durch Außenstehende angewiesen, um sich ein umfassendes Bild von der aktuellen Situation machen zu können. Dabei kann es nicht darauf ankommen, dass die Informationen dem Betroffenen „genehm“ sind, sondern alleine darauf, dass eine Beurteilung seiner Verfassung und seiner Verhaltensweisen möglichst der tatsächlichen Lage entsprechen. Hinter diesen Erwägungen muss das Grundrecht 9

10 des Antragstellers zurücktreten. Die Vorgehensweise der Polizei ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie begründet kein Verwertungsverbot.

(2) Die Aufnahme der Daten in die Betreuungsakte und deren Speicherung durch das Gericht lässt sich auf § 12 FGG als gesetzliche Grundlage stützen und ist in rechtlich zulässiger Weise erfolgt. Das Verfahren vor dem Betreuungsgericht unterliegt nach dieser Vorschrift der Offizialmaxime. Die sachgemäße Gestaltung des Verfahrens ist daher weitgehend dem Richter überlassen (Bumiller/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Kommentar, 8. Auflage 2006, § 12 Rn. 35). Er hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu verfahren. Im Blick auf diese Vorgaben bestehen an der Aufnahme der Daten in die Akte und deren Speicherung im Hinblick auf das Grundrecht des Antragstellers auf Schutz seiner personenbezogenen Daten keine verfassungsrechtlichen Bedenken, so daß sich ein Anspruch des Antragstellers auf Entfernung nicht aus einer Unzulässigkeit der Aufnahme der Daten ergibt.

Insbesondere ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch hier gewahrt. Die bei dem Antragsteller von den gerichtlich bestellten Sachverständigen diagnostizierte paranoide Schizophrenie mit einem ausgeprägten Wahnerleben rechtfertigt die Beachtung der Verhaltensweisen des Antragstellers sowohl im Alltag als auch bei derartigen Aktivitäten wie der hier streitgegenständlichen. Der Antragsteller kann hinsichtlich des tatsächlichen Akteninhaltes kein Recht haben, dass nur ihm vorteilhaft erscheinende Informationen in die Akten aufgenommen werden. Vielmehr muss das Ziel der Aktenführung sein, gerade im Hinblick auf eventuell zu treffende Maßnahmen durch das Gericht einen möglichst realitätsnahen Eindruck von der Persönlichkeit und dem aktuellen Verhalten des Betroffenen dokumentieren zu können. Die Dokumentation dient neben der bestmöglichen Gestaltung des Betreuungsverfahrens auch der Möglichkeit der Überprüfung der durch das Gericht getroffenen Entscheidungen. Weiterhin hat das Landgericht in seiner angegriffenen Entscheidung zu Recht darauf hingewiesen, dass die entsprechenden Daten als Teil der Betreuungsakte nur einem sehr eingeschränkten Personenkreis zugänglich sind, weil § 34 FGG für eine Akteneinsicht ein berechtigtes Interesse verlangt, welches das Interesse des Betroffenen auf Geheimhaltung des Akteninhalts überwiegen muss. Die Belange des Betroffenen werden somit in dieser Hinsicht weiterhin geschützt.

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11 Im Ergebnis müssen daher die durch Art. 2 S. 2 SVerf geschützten grundrechtlichen Interessen das Antragstellers hinter diesen öffentlichen Interessen und den eigenen Schutzinteressen des Antragstellers zurücktreten.

(3) Eine Löschung oder Entfernung der Daten wäre gleichwohl dann vorzunehmen, wenn die Erforderlichkeit der Speicherung der Daten bzw. deren Belassung in den Akten nicht mehr gegeben wäre. Dies ist aber ungeachtet des Umstandes, dass die Betreuung mittlerweile aufgehoben worden ist, nicht der Fall. Es besteht vielmehr die Notwendigkeit, die Daten in der Betreuungsakte zu belassen. Die Entscheidungen der Fachgerichte, die einen Anspruch auf Löschung der Daten aus der Akte abgelehnt haben, sind auch insoweit nicht zu beanstanden.

Die Belassung der Daten in der Akte verletzt den Antragsteller ebensowenig in seinem Grundrecht aus Art. 2 S. 2 SVerf wie deren Aufnahme. Die Daten sind weiterhin von Bedeutung für eventuell einzuleitende zukünftige Betreuungsverfahren oder aber auch dafür, eine mögliche Besserung des Krankheitsbildes des Antragstellers feststellen zu können. In diesem Zusammenhang ist es von Bedeutung, daß die zuständigen Gerichte auf die Fortführung der Betreuung des Antragstellers aus tatsächlichen Gründen nur deshalb verzichten konnten, weil sie derzeit eine gewichtige Gefährdung seiner Person verneint haben. Der Bestand dieser Beurteilung hängt von dem zukünftigen Verhalten ab. Deshalb sind Auffälligkeiten, wie sie sich aus den streitgegenständlichen Daten ergeben, für zukünftig anstehende Prüfungen und Entscheidungen von Bedeutung, ob erneut eine Betreuung zum Schutz des Antragstellers anzuordnen ist.

b. Eine Verletzung des Antragstellers in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 in Verbindung mit Art. 1 SVerf scheidet aus, da vorliegend das vorrangige Grundrecht auf Datenschutz einschlägig ist, das eine besondere Ausprägung des Grundrechtes auf Schutz der Persönlichkeit darstellt, soweit es um Gefährdungen und Verletzungen der Persönlichkeit geht, die sich für den Einzelnen aus informationsbezogenen Maßnahmen ergeben (vgl. Guckelberger, in: Wendt/Rixecker, Verfassung des Saarlandes, 2009, Art. 2 Rn. 32).

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12 c. Genausowenig wie das Auskunftsersuchen der Polizei bei Gericht und die Weitergabe der Daten verletzen die Aufnahme der Daten in die Betreuungsakte und das Nichtentfernen der Unterlagen des Antragstellers in seinem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 SVerf.

aa. Art. 5 Abs. 1 SVerf gewährleistet das Recht jedes Einzelnen, seine Meinung in Wort, Schrift, Druck, Bild oder sonstiger Weise frei zu äußern. Dabei umfasst der Begriff der Meinung in Abgrenzung zu bloßen Tatsachenbehauptungen in erster Linie Werturteile, die durch ein Element der Stellungnahme, des Bewertens oder des Dafürhaltens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung gekennzeichnet sind (Dörr, in: Wendt/Rixecker, Verfassung des Saarlandes, 2009, Art. 5 Rn. 3). Auch Tatsachenbehauptungen sind aber jedenfalls dann durch das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit geschützt, wenn sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind.

Vorliegend kann dahinstehen, ob hinsichtlich der ersten beiden Fragen auf dem sichergestellten Plakat überhaupt der Schutzbereich der Meinungsfreiheit einschlägig ist. Dies wäre zweifelhaft, wenn es sich um erwiesenermaßen unrichtige Tatsachen handelte (vgl. hierzu Dörr, in: Wendt/Rixecker, Verfassung des Saarlandes, 2009, Art. 5 Rn. 4; Wendt, in: Grundgesetz-Kommentar, 5. Aufl. 2000, Art. 5 Rn. 10). Denn jedenfalls in der dritten Frage auf dem Plakat ist unzweifelhaft eine Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 SVerf enthalten. Die Äußerung, im Bereich der Ausbildung gebe es eine soziale Diskriminierung, enthält ein Element wertender Stellungnahme. Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit ist mithin einschlägig.

bb. Ob ein Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit vorliegt, kann dahinstehen. Eine Maßnahme einer öffentlichen Stelle, die sich final gegen die Meinungsäußerung des Antragstellers richtete, liegt nicht vor. Dem Antragsteller wurde seine Meinungsäußerung nicht verboten oder zielgerichtet erschwert. Weder die Maßnahmen des Polizeibeamten noch die Aufnahme der Daten in die Betreuungsakte und die Ablehnung des Antrags auf Entfernen der Unterlagen den Antragstellers durch die Fachgericht hatten die Intention, gerade die Meinungsäußerung des Antragstellers zu unterbinden oder zu erschweren. Allerdings könnte der Antragsteller zumindest mittelbar beeinträchtigt sein, wenn er aus seiner Sicht bei ähnlichen Gelegenheiten erneut mit 12

13 einer Aufnahme und Speicherung des Geschehens in die Betreuungsakte rechnen muss. Dies könnte ihn davon abhalten, weiterhin seine Meinung in dieser Form zu äußern. Ob eine solche „faktische“ Betroffenheit für das Vorliegen eines Eingriffs ausreichend ist, braucht nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls läge bei Annahme eines Eingriffs eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung vor, so dass im Ergebnis eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 SVerf ausscheidet.

cc. Art. 5 Abs. 1 SVerf steht – im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 1 GG – unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt. Ob damit der Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit nach saarländischem Verfassungsrecht hinter jenem der Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG zurückbleibt, bedarf keiner Klärung (vgl. dazu Dörr, in: Wendt/Rixecker, Verfassung des Saarlandes, 2009, Art. 5 Rn. 20). Denn auch nach dem Standard des Art. 5 Abs. 1 GG wäre die Maßnahme gerechtfertigt. Danach liegt ein einen Eingriff rechtfertigendes allgemeines Gesetz vor, wenn sich die einschränkende Vorschrift nicht gegen eine Meinung als solche richtet, sondern auf die Wahrung eines allgemeinen Rechtsguts zielt, dessen Schutz unabhängig davon ist, ob es durch Meinungsäußerungen oder auf andere Weise gefährdet oder verletzt werden kann (vgl. hinsichtlich Art. 5 Abs. 2 GG BVerfGE 117, 244, 260; 120, 180, 200). Solche Gesetze können die Meinungsäußerungsfreiheit aber nicht beliebig einschränken. Sie sind ihrerseits aus der Erkenntnis der Bedeutung der Meinungsfreiheit im freiheitlichen demokratischen Staat auszulegen und so in ihrer dieses Grundrecht beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken (vgl. BVerfGE 71, 206, 214). Diese sogenannte Wechselwirkung bildet eine besondere Ausprägung der verfassungskonformen Auslegung und der Verhältnismäßigkeit. Bei der konkreten Güterund Interessenabwägung spielt daher der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine wesentliche Rolle (vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 10. Aufl. 2009, Art. 5 Rn 57; Wendt, in: Grundgesetz-Kommentar, 5. Aufl. 2000, Art. 5 Rn. 75 ff.).

Die vorliegend einschlägigen gesetzlichen Grundlagen (§§ 12 und 35a Abs. 1 S. 2 FGG) sind solche „allgemeinen Gesetze“ und vermögen daher einen Eingriff in Art. 5 Abs. 1 SVerf grundsätzlich zu rechtfertigen.

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14 Das Vorliegen eines Eingriffs unterstellt, entsprechen die angegriffenen Maßnahmen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zwar hat die Meinungsfreiheit als für eine Demokratie konstituierendes Grundrecht eine erhebliche Bedeutung, die besondere Berücksichtigung innerhalb der Abwägung finden muss. Doch sind, wie dargelegt, die im Streit befindlichen polizeilichen Maßnahmen und die Speicherung und das Belassen der Daten in den Akten schlichtweg unverzichtbar für die Durchführung eines geordneten Betreuungsverfahrens. Die bloße Aufnahme des streitgegenständlichen Vorfalls in die Betreuungsakte und das Belassen der Unterlagen in der Akte macht es dem Antragsteller weder unmöglich, seine Meinung auch weiterhin zu vertreten und zu äußern, noch erschwert sie dies in tatsächlicher Hinsicht in unzumutbarer Weise. Das Interesse der Allgemeinheit – und letztlich auch des Betroffenen selbst – an einer bestmöglichen Durchführung des Betreuungsverfahrens überwiegt die rein faktische Beeinträchtigung der Meinungsäußerungsfreiheit. Eine Abwägung der betroffenen Belange muss daher dazu führen, dass das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 SVerf zurückzutreten hat.

III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe bzw. Beiordnung eines Rechtsanwaltes war nach alledem zurückzuweisen.

gez.: Prof. Dr. Rixecker

Prof. Dr. Wendt

Prof. Dr. Ellscheid

Hermanns

Prof. Dr. Weth

André

Warken

Wittling

Ausgefertigt:

(Bensch) Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

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