DER VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES FREISTAATES SACHSEN

Vf. 7-IV-05 DER VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES FREISTAATES SACHSEN IM NAMEN DES VOLKES Beschluss In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Fr...
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Vf. 7-IV-05

DER VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES FREISTAATES SACHSEN IM NAMEN DES VOLKES

Beschluss In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

der Frau H. Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt U.

hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen durch den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes Klaus Budewig, die Richter Siegfried Reich, Ulrich Hagenloch, Alfred Graf von Keyserlingk, Hans Dietrich Knoth, Hans v. Mangoldt, die Richterin Birgit Munz sowie die Richter Hans-Peter Schneider und Hans-Heinrich Trute am 16. Juni 2005 beschlossen:

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

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G r ü n d e:

I. Die am 17. Januar 2005 bei dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen eingegangene Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen den eine Nachdiplomierung teilweise ablehnenden Bescheid des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 6. April 2000 (3-7333.10/36/188171) sowie gegen das die hiergegen gerichtete Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 10. Oktober 2002 (2 K 583/01) und den am 17. Dezember 2004 eingegangenen Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 2004 (4 B 12/03), mit dem der Antrag auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen wurde. 1. Die Beschwerdeführerin studierte an der Ingenieurschule für Pharmazie L. vom September 1988 bis Januar 1993 im Fernstudium Pharmazie. Mit dem Abschlusszeugnis vom 1. Februar 1993 erwarb sie die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Pharmazieingenieur zu führen. Nach Abschluss ihres Studiums war sie als Pharmazieingenieur in einer Apotheke tätig. 2. Im Jahr 2000 beantragte die Beschwerdeführerin die „Nachdiplomierung“ ihres Abschlusses mit dem Ziel, den Diplomgrad „Diplomingenieur für Pharmazie (FH)“ führen zu dürfen. Das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst lehnte dieses Gesuch mit dem angegriffenen Bescheid vom 6. April 2000 ab. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführerin bestätigt, dass der von ihr an der Ingenieurschule für Pharmazie L. erworbene Abschluss einem solchen von Vorläufereinrichtungen von Fachhochschulen in den alten Bundesländern gleichstehe und sie berechtigt sei, die Berufsbezeichnung Pharmazieingenieur weiter zu tragen. Die Beschwerdeführerin erhob beim Verwaltungsgericht Chemnitz Klage mit dem Antrag, das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst dazu zu verpflichten, ihr die Berechtigung zur Führung der Bezeichnung „Diplomingenieur für Pharmazie (FH)“ zuzuerkennen. Diese Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 10. Oktober 2002 ab. Zur Begründung führte es aus, dass das Ausbildungsniveau der Beschwerdeführerin nicht jenem eines Fachhochschulabschlusses unmittelbar entspreche. Auch eine Gleichwertigkeit gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 EV scheide aus, da die Beschwerdeführerin nicht die hierfür erforderlichen zusätzlichen Qualifikationen erlangt habe. Diese setzten nach den als sachverständige Bewertungen anzusehenden Beschlüssen der Kultusministerkonferenz bei Pharmaingenieuren, die ihren Abschluss vor dem 31. Dezember 1990 erworben haben, eine mindestens dreijährige einschlägige Berufstätigkeit voraus. Bei Pharmaingenieuren, die ihren Abschluss – wie die Beschwerdeführerin – nach diesem Stichtag erlangt hätten, werde eine einjährige Zusatzausbildung an einer Fachhochschule gefordert.

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Den von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss abgelehnt. Es hat hierzu ausgeführt, dass die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, „ob in der unterschiedlichen Behandlung von Absolventen der gleichen Studienrichtung mit ansonsten gleichen Voraussetzungen bei nur einem einzigen Unterschied, nämlich der Beendigung des Studiums vor bzw. nach dem 31. Dezember 1990, ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot“ vorliege, in seiner Rechtsprechung im Sinne der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung geklärt sei. An der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestünden auch keine ernstlichen Zweifel, da die zur Begründung des Zulassungsantrags von der Beschwerdeführerin aufgestellte Behauptung, es gebe in der Bundesrepublik Deutschland kein der Ausbildung zum Pharmaingenieur entsprechendes Fachhochschulstudium, den Nachdiplomierungsanspruch grundsätzlich in Frage stelle. Sollte ein vergleichbarer Fachhochschulstudiengang bestehen, fehle es an einer näheren Darlegung für die Behauptung, dass die Beschwerdeführerin nie die Möglichkeit gehabt habe, die geforderte einjährige Zusatzausbildung zu absolvieren. Die von der Beschwerdeführerin gesehene Divergenz zu Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts liege nicht vor. Schließlich leide das verwaltungsgerichtliche Verfahren auch nicht an dem von der Beschwerdeführerin gerügten Verfahrensmangel, da sich ihm mangels entsprechenden erstinstanzlichen Vorbringens nicht die Frage habe aufdrängen müssen, ob ein einjähriges Zusatzstudium möglich gewesen wäre. 3. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 38, 78 Abs. 2 und Art. 18 Abs. 1 SächsVerf. Sie meint, das Sächsische Oberverwaltungsgericht habe unter Verstoß gegen Art. 38 und 78 Abs. 2 SächsVerf den Zugang zum Rechtsmittelverfahren unzumutbar erschwert. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung gehabt, da die Behandlung der Absolventen der Ingenieurschule für Pharmazie L. klärungsbedürftig gewesen sei. Zudem habe das Sächsische Oberverwaltungsgericht zu hohe Anforderungen an die Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gestellt. Schließlich liege eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darin, dass das Verwaltungsgericht Chemnitz und das Sächsische Oberverwaltungsgericht, die Behauptung, dass ein Zusatzstudium nicht möglich gewesen sei, übergangen hätten. Die angegriffenen Entscheidungen verstießen zudem gegen das aus Art. 18 Abs. 1 SächsVerf folgende Gebot der Gleichbehandlung, da kein vernünftiger Grund dafür bestehe, bei der Qualifikation der Absolventen der Ingenieurschule für Pharmazie L. nach einer Stichtagsregelung zu differenzieren. 4.

Der Staatsminister der Justiz hat zum Verfahren Stellung genommen.

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II. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den gemäß § 28 SächsVerfGHG an ihre Begründung zu stellenden Anforderungen. 1. Danach ist eine Verfassungsbeschwerde nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer substantiiert die Möglichkeit der Verletzung eigener Grundrechte aus der Verfassung des Freistaates Sachsen darlegt. Rügt er einen Grundrechtsverstoß durch Verletzung des von den Fachgerichten auszulegenden und anzuwendenden sachlichen oder des Verfahrensrechts, so hat er darzulegen und zu begründen, dass und wodurch der Richter, dessen einfach-rechtliche Sichtweise oder Beweiswürdigung zweifelhaft sein mag, die Bedeutung verfassungsbeschwerdefähiger Rechte für den seiner besonderen fachlichen Kompetenz zugewiesenen Normenbereich verfehlt, etwa die Grundrechtsrelevanz der von ihm zu entscheidenden Frage überhaupt nicht gesehen, den Gehalt des maßgeblichen Grundrechts verkannt oder seine Auswirkungen auf das einfache Recht in grundsätzlich fehlerhafter Weise missachtet hat (vgl. SächsVerfGH, Beschluss vom 15. Juli 2004 - Vf. 56-IV-02; st. Rspr.). 2. Diesen Begründungserfordernissen wird das Vorbringen der Beschwerdeführerin weder in Bezug auf die Rechtsweggarantie noch auf den Anspruch auf rechtliches Gehör oder den Gleichbehandlungsgrundsatz gerecht. a) Soweit die Beschwerdeführerin durch die Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung die Rechtsweggarantie verletzt sieht, wird durch die Verfassungsbeschwerde nicht dargelegt, weshalb die vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht angelegten Maßstäbe verfassungswidrig sein sollen. Vielmehr stellt die Beschwerdeführerin ausschließlich ihre einfach-rechtliche Sicht jener des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts entgegen. b) Ebenso wenig zeigt die Beschwerdeführerin auf, wodurch das Verwaltungsgericht Chemnitz oder das Sächsische Oberverwaltungsgericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt haben sollen. Das Verwaltungsgericht konnte die Behauptung, ein einjähriges Zusatzstudium sei noch nie angeboten worden, schon im Hinblick darauf nicht berücksichtigen, dass sie – wie die Anlagen zur Verfassungsbeschwerde ergeben – erstmals im Berufungszulassungsverfahren aufgestellt wurde. Im erstinstanzlichen Rechtsstreit hatte sich die Beschwerdeführerin hingegen auf die Darlegung beschränkt, dass ihr ein Studien- oder Ausbildungswechsel weder möglich noch zumutbar gewesen sei. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat die entsprechende Behauptung der Beschwerdeführerin in den Gründen seiner Entscheidung mehrfach erwähnt und damit zum Ausdruck gebracht, sie zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen zu haben.

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c) Die Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes aus Art. 18 Abs. 1 SächsVerf ist ebenfalls nicht substantiiert aufgezeigt. Die Beschwerdeführerin rügt, dass jene Absolventen der Ingenieurschule für Pharmazie L., die ihren Abschluss nach dem 31. Dezember 1990 erlangt haben, anders als die früheren Absolventen behandelt werden. Hiermit kann aber eine sachwidrige Differenzierung nicht aufgezeigt werden. Die von der Beschwerdeführerin beanstandete Privilegierung betrifft jene Absolventen, die ihr Studium zumindest weitgehend vor der Wiedervereinigung beendet haben. Hingegen werden die gesteigerten Anforderungen an jene Absolventen gestellt, die ihren Abschluss erst nach Jahresende 1990 erworben haben und deren Studienzeit damit nicht ausschließlich oder ganz überwiegend in die Zeit vor der Wiedervereinigung fällt. Es ist nicht dargetan, dass ein solches – auf den Zeitpunkt der Wiedervereinigung anknüpfendes – Unterscheidungskriterium nicht von hinreichenden sachlichen Gründen getragen ist. Es dient der Zusammenführung unterschiedlicher Rechts- und Wirtschaftssysteme und gewichtet in diesem Zusammenhang den Vertrauensschutz jener Absolventen, die ihr Studium (zumindest weitgehend) vor der Wiedervereinigung abgeschlossen haben, stärker als den Vertrauensschutz von Absolventen, die bereits während des Studiums mit einer veränderten Rechtslage konfrontiert wurden und sich deshalb auf diese tendenziell eher einstellen konnten.

III. Der Verfassungsgerichtshof ist zu dieser Entscheidung einstimmig gelangt und trifft sie daher durch Beschluss nach § 10 SächsVerfGHG i.V.m. § 24 BVerfGG.

IV. Die Entscheidung ist kostenfrei (§ 16 Abs. 1 Satz 1 SächsVerfGHG).

gez. Budewig

gez. Reich

gez. Hagenloch

gez. Graf von Keyserlingk

gez. Knoth

gez. v. Mangoldt

gez. Munz

gez. Schneider

gez. Trute

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