DER VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES FREISTAATES SACHSEN

verkündet am 26. Juni 2009 gez. Franz Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Vf. 79-II-08 DER VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES FREISTAATES SACHSEN IM NAMEN D...
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verkündet am 26. Juni 2009

gez. Franz Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Vf. 79-II-08

DER VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES FREISTAATES SACHSEN IM NAMEN DES VOLKES Urteil In dem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle

auf Antrag der Mitglieder des 4. Sächsischen Landtages 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22.

Elke Altmann Klaus Bartl Julia Bonk Dr. Cornelia Ernst Cornelia Falken Dr. Michael Friedrich René Fröhlich Rico Gebhardt Dr. André Hahn Heiko Hilker Kathrin Kagelmann Freya-Maria Klinger Kerstin Köditz Heiko Kosel Dr. Volker Külow Kerstin Lauterbach Caren Lay Ingrid Mattern Falk Neubert Dr. Dietmar Pellmann Prof. Dr. Peter Porsch Andrea Roth

2 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Dr. Monika Runge Sebastian Scheel Regina Schulz Bettina Simon Klaus Tischendorf Ronald Weckesser Horst Wehner Heike Werner Karl-Friedrich Zais

sämtlich: Sächsischer Landtag, Bernhard-von-Lindenau-Platz 1, 01067 Dresden - Antragsteller Verfahrensbevollmächtigte:

Dombert Rechtsanwälte, Mangerstraße 26, 14467 Potsdam,

hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen durch die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes Birgit Munz sowie die Richter Jürgen Rühmann, Matthias Grünberg, Ulrich Hagenloch, Hans Dietrich Knoth, Rainer Lips, Hans v. Mangoldt und Martin Oldiges

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 2009

für Recht erkannt:

1. § 2 Abs. 1 und § 3 Nr. 4 des Gesetzes zur Neugliederung des Gebietes der Landkreise des Freistaates Sachsen (Sächsisches Kreisgebietsneugliederungsgesetz – SächsKrGebNG) vom 29. Januar 2008 (SächsGVBl. S. 102) sind mit der Verfassung des Freistaates Sachsen vereinbar. 2. Art. 66, 67 und 73 des Gesetzes zur Neuordnung der Sächsischen Verwaltung (Sächsisches Verwaltungsneuordnungsgesetz – SächsVwNG) vom 29. Januar 2008 (SächsGVBl. S. 138) sind mit der Verfassung des Freistaates Sachsen vereinbar.

3 Gründe: A. Die Antragsteller wenden sich im Wege der abstrakten Normenkontrolle gegen die Auflösung der bisherigen Landkreise durch § 2 Abs. 1 und die Bestimmung von Borna als Sitz des Landratsamtes des neu gebildeten Landkreises Leipzig durch § 3 Nr. 4 SächsKrGebNG sowie gegen Bestimmungen des Gesetzes zur Neuordnung der Sächsischen Verwaltung, soweit sich diese mit Zuständigkeiten für den Vollzug des Bundes-Immissionsschutzesgesetzes, des Sächsischen Abfallwirtschafts- und Bodenschutzgesetzes und des Waldgesetzes für den Freistaat Sachsen befassen.

I. 1. Bei Wiederbegründung des Freistaates Sachsen bestanden durch Übernahme der Kreisstruktur der DDR zunächst 48 Landkreise und sechs Kreisfreie Städte. In Folge des Kreisgebietsreformgesetzes vom 24. Juni 1993, des 1. und 2. Kreisgebietsreformänderungsgesetzes vom 6. September 1995 sowie des 3. Kreisgebietsreformänderungsgesetzes vom 23. Mai 1996 verringerte sich die Anzahl der Landkreise auf 22; die der Kreisfreien Städte erhöhte sich auf sieben. Als Leitlinie galt damals für die Landkreise eine anzustrebende Mindestgröße von 125.000 Einwohnern und für die kreisfreien Städte eine solche von 50.000 Einwohnern. Mit Abschluss der Gebietsreform im Jahre 1996 betrug die durchschnittliche Einwohnerzahl der Landkreise 139.473, diejenige der Kreisfreien Städte 211.043. Die Rechtsgrundlagen einer Gemeindegebietsreform wurden im Jahre 1998 geschaffen. Mit dem Gesetz zur Regelung der Stadt-Umland-Verhältnisse im Bereich der Kreisfreien Städte vom 24. August 1998 und den Gesetzen zur Gemeindegebietsreform in den jeweiligen Planungsregionen vom 28. Oktober 1998 reduzierte sich die Zahl der kreisangehörigen Gemeinden von 1.623 auf 546. Durch freiwillige Vereinbarungen nach der Sächsischen Gemeindeordnung hat sich die Zahl kreisangehöriger Gemeinden auf heute 492 verringert. Daneben wurden verschiedene Maßnahmen einer Verwaltungsreform realisiert. So kam es zur Zusammenfassung von Behörden in neuen Behördentypen, z. B. wurden aus den Oberschulämtern und Schulämtern im Jahr 1998 fünf Regionalschulämter gebildet. Ferner fasste man alle staatlichen Archiveinrichtungen 2005 zu einem Sächsischen Staatsarchiv zusammen. Die Staatlichen Gewerbeaufsichtsämter und die Staatlichen Umweltfachämter wurden im Jahr 2005 in die Regierungspräsidien, die Bergämter im Jahr 2004 in das Sächsische Oberbergamt eingegliedert. Außerdem wurden Staatsbetriebe gemäß § 26 SäHO gegründet sowie einzelne Aufgaben materiell privatisiert. Gemeinsam mit den Bundesländern Sachsen-Anhalt und Thüringen werden das Justizvollzugskrankenhaus in Leipzig, der Strafvollzug für weibliche und jugendliche Gefangene sowie die sächsische Landessammelstelle für radioaktive Abfälle genutzt. Zum 1. Oktober 2005 fusionierten die Landesversicherungsanstalten der drei Länder. Änderungen der Sächsischen Bauordnung und die Verabschiedung des Sächsischen Verwal-

4 tungsmodernisierungsgesetzes im Jahr 2004 führten zur Kommunalisierung von Aufgaben im Bereich der Bauordnung, des Umwelt- und Denkmalschutzes sowie des Straßenverkehrswesens. 2. Für den Freistaat werden erhebliche demografische Veränderungen prognostiziert. In den Landkreisen betrug im Jahr 2006 die durchschnittliche Einwohnerzahl 124.037, in den Kreisfreien Städte 217.280. Die 4. Regionalisierte Bevölkerungsprognose des Statistischen Landesamtes Sachsen weist für das Jahr 2020 einen Rückgang der durchschnittlichen Einwohnerzahl in den Landkreisen auf 109.373 und in den Kreisfreien Städte auf 209.786 aus. Zudem wird eine Erhöhung des Durchschnittsalters der Einwohner von 39,4 Lebensjahren im Jahre 1990 über 44,7 Lebensjahre im Jahre 2005 auf knapp 49 Lebensjahre im Jahre 2020 erwartet. Die Zahl der Personen im Erwerbsalter soll bis zum Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 2005 um 19,3 % zurückgehen. Dementsprechend wird die Zahl der über 65-Jährigen bis zum Jahr 2020 um voraussichtlich 15,7 % auf 1,1 Millionen ansteigen. Bei der Prognose der Einwohnerzahlen zeigen sich erhebliche regionale Unterschiede. Für die Kreisfreien Städte reichen die Annahmen von Verlusten in Höhe von 29,6 % bis zu Zugewinnen von 2,8 %. Bei den Landkreisen bewegen sich die erwarteten Verluste zwischen 4,1% und 18,3 %. Der prognostizierte Bevölkerungsrückgang bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die finanzielle Ausstattung der öffentlichen Haushalte; er wird durch andere Entwicklungen in seinen Folgen noch verstärkt. Die Einnahmen des Freistaates aus den SonderbedarfsBundesergänzungszuweisungen werden sich im Zeitraum von 2005 bis 2019 von 2,746 Mrd. EUR auf 547 Mio. EUR verringern. Gleichzeitig führt der Rückgang der Einwohner zu jährlichen Mindereinnahmen von ca. eine Mrd. EUR aus dem Bund-Länder-Finanzausgleich. Allein der erwartete Rückgang der Mittel aus dem Solidarpakt II beläuft sich auf 16,3 % des aktuellen Einnahmeansatzes im Haushalt 2007. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes Sachsen betrug die Gesamtverschuldung i.S.d. Nr. 11 der Anlage zur Kommunalhaushaltsverordnung zum 31. Dezember 2006 bei den Kreisfreien Städten durchschnittlich 1.372 Euro je Einwohner. Für die Landkreise lag der Durchschnittswert bei 241 Euro je Einwohner. Bis zum Jahre 2020 wird eine durchschnittliche Steigerung der Pro-Kopf-Verschuldung um 16 % prognostiziert. Freistaat und Kommunen wirken auf einen Personalabbau hin. Mit dem Haushaltsgesetz 2005/2006 beschloss der Sächsische Landtag, im staatlichen Bereich bis zum Jahr 2010 13.000 der vorhandenen 93.000 Personalstellen einzusparen. Ohne Schulen (ca. 33.500 Stellen) und Hochschulen (ca. 9.900 Stellen) hatte die sächsische Staatsverwaltung im Jahr 2005 insgesamt ca. 49.600 Stellen im Personalsoll A. Davon entfielen auf den Polizeibereich ca. 15.200 Stellen, die Finanz- und Steuerverwaltung ca. 8.000 Stellen, die Justiz und den Justizvollzug ca. 9.700 Stellen sowie auf alle übrigen Verwaltungen ca. 16.700 Stellen. Umgerechnet auf die Bevölkerungsdichte lag der Personalbestand des Freistaates im Jahr 2005 bei 23,6 Vollzeitäquivalenten je 1.000 Einwohner, während der Durchschnitt aller Bundesländer bei

5 20,3 Vollzeitäquivalente je 1.000 Einwohner lag. Am 31. August 2005 gab es im Freistaat insgesamt 312 staatliche Behörden und Einrichtungen. Bei der Anzahl kommunaler Beschäftigter ist ein Rückgang von 115.345 Vollzeitäquivalenten im Jahr 1997 auf 64.033 Vollzeitäquivalente im Jahr 2005 zu beobachten. Für das Jahr 2005 entsprach dies 14,9 Vollzeitäquivalenten je 1.000 Einwohner, bei den finanzschwachen Flächenländern West liegt dieser Wert im Durchschnitt bei 12,1 Vollzeitäquivalenten je 1.000 Einwohner.

II. 1. Am 18. Januar 2005 beschloss die Sächsische Staatsregierung, ein Gesamtkonzept für eine Funktional- und Verwaltungsreform erarbeiten zu lassen, und beauftragte hiermit eine Expertenkommission. In ihrem Bericht vom 18. Oktober 2005 sprach sich die Kommission für eine Bündelung der staatlichen Verwaltung auf einer Mittelebene und eine weitgehende Kommunalisierung staatlicher Aufgaben aus. Das hieraus resultierende Kommunalisierungspotenzial schätzte sie auf ca. 3.000 Stellen, unter Einschluss von nachrangigen Vorschlägen sogar auf ca. 5.000 Stellen. Das Einsparpotenzial im Personalbereich sei auf ca. 30 % (davon 15 % Verschmelzungsrendite im Bereich Organisation, Personal, Haushalt und IT, 10 % Synergieeffekte bei den Fachstellen und 5 % Skalierungseffekte durch größere Mengen gleicher Leistungen) des Stellenbestandes der zu kommunalisierenden Aufgaben zu veranschlagen. Bei dem im Raum stehenden Kommunalisierungspotenzial staatlicher Aufgaben in einer Größenordnung von ca. 3.000 bzw. 5.000 Stellen entspreche dies ca. 900 bzw. 1.500 Stellen. Weiteres Einsparpotenzial durch Aufgabenwegfall und Privatisierung sei dabei noch gar nicht berücksichtigt. Etwa 120 staatliche Behörden könnten entfallen. Die vorgeschlagene Übertragung von Aufgaben auf die Kreise setze aber eine deutliche und dauerhafte Stärkung ihrer Leistungs- und Verwaltungskraft, definiert durch die Einwohnerzahl, voraus. Die gegenwärtige Struktur mit 22 Landkreisen und sieben Kreisfreien Städten biete keine hinreichenden Voraussetzungen. Künftig sollten neben den drei Kreisfreien Städten Chemnitz, Dresden und Leipzig nur noch Landkreise mit durchschnittlich 200.000 Einwohnern existieren. Am 26./27. Juni und 18. Juli 2006 fasste die Staatsregierung verschiedene Beschlüsse zur Privatisierung und Kommunalisierung staatlicher Aufgaben, zum Verzicht auf sie sowie zu ihrer Konzentration und Bündelung im staatlichen Bereich. Am 27. Juni 2006 billigte sie die vom Sächsischen Staatsministerium des Innern erarbeiteten Grundsätze und Leitlinien zur Neugliederung der Landkreise und Kreisfreien Städte und räumte diesen die Gelegenheit ein, bis zum 31. Oktober 2006 im Rahmen der Grundsätze und Leitlinien eine Kreisneugliederung anzuregen. Gleichzeitig stellte das Staatsministerium des Innern eine Karte mit einem möglichen Neugliederungskonzept vor. Mit Beschluss vom 19. Dezember 2006 gab die Staatsregierung die Entwürfe des Sächsischen Verwaltungsneuordnungsgesetzes und des Gesetzes zur Neugliederung des Gebietes der Landkreise des Freistaates Sachsen und zur Änderung anderer Gesetze zur Anhörung frei. Das Staatsministerium des Innern übersandte die Entwürfe den

6 Landkreisen, Kreisfreien Städten und anderen Trägern öffentlicher Belange und gab diesen bis zum 15. bzw. 31. März 2007 Gelegenheit zur Stellungnahme. In der Zeit vom 23. April bis 4. Mai 2007 fand eine erneute Anhörung der Landkreise, Kreisfreien Städte und anderer Träger öffentlicher Belange zur geplanten Verwaltungsneuordnung statt. Sie war aufgrund bundesrechtlicher Novellierungen im Beamtenrecht und nachträglicher Änderungen im Teil 10 „Anpassungen im Bereich des Staatsministeriums für Soziales“ erforderlich geworden. Am 22. Mai 2007 beschloss die Staatsregierung, die Gesetzentwürfe dem Sächsischen Landtag zuzuleiten (Drs. 4/8810 und 4/8811). Der mit dem Gesetzgebungsvorhaben federführend befasste Innenausschuss des Landtages führte am 1. sowie vom 3. bis 7. September 2007 Anhörungen zu den Gesetzentwürfen durch. 2. Am 15. Januar 2008 legte der Innenausschuss des Landtages die Beschlussempfehlung und den Bericht zum Entwurf des Sächsischen Verwaltungsneuordnungsgesetzes vor (Drs. 4/10839). In seiner Sitzung vom 22. Januar 2008 verabschiedete der Landtag das Sächsische Verwaltungsneuordnungsgesetz. Die Verkündung erfolgte im Sächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt vom 5. Februar 2008. Auszugsweise heißt es im Gesetz: Artikel 66 Änderung des Ausführungsgesetzes zum Bundes-Immissionsschutzgesetz und zum Benzinbleigesetz Das

Ausführungsgesetz

zum

Bundes-Immissionsschutzgesetz

und

zum

Benzinbleigesetz

(AGImSchG) vom 4. Juli 1994 (SächsGVBl. S. 1281), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 24. Juni 2004 (SächsGVBl. S. 245, 264), wird wie folgt geändert: 1. § 1 wird wie folgt geändert: a) In Nummer 1 wird das Wort „Landesentwicklung“ durch das Wort „Landwirtschaft“ ersetzt. b) Nummer 2 wird wie folgt geändert: aa) Das Wort „Regierungspräsidien“ wird durch das Wort „Landesdirektionen“ ersetzt. bb) Das Wort „höhere“ wird durch das Wort „obere“ ersetzt. 2. § 2 wird wie folgt geändert: a) Absatz 1 wird wie folgt geändert: aa)

In Satz 1 wird die Angabe „geändert durch Artikel 41 des Gesetzes vom

25. November 2003 (BGBl. I S. 2304, 2308)“ durch die Angabe „zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2470)“ sowie die Angabe „zuletzt geändert durch Artikel 40 der Verordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I

7 S. 2304, 2308)“ durch die Angabe „zuletzt geändert durch Artikel 58 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407, 2413)“ ersetzt. bb) In Satz 2 wird das Wort „höheren“ durch das Wort „oberen“ ersetzt. cc) In Satz 3 wird das Wort „Landesentwicklung“ durch das Wort „Landwirtschaft“ ersetzt. dd) Nach Satz 3 wird folgender Satz angefügt: „Ändert sich im Laufe eines Verwaltungsverfahrens die Zuständigkeit, so kann die bisher zuständige Behörde im Benehmen mit der nunmehr zuständigen Behörde unter Wahrung der Interessen der Beteiligten das Verfahren zu Ende führen, wenn dies der einfachen und zweckmäßigen Verfahrensführung dient.“ b) Absatz 2 wird wie folgt gefasst: „(2) Das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft kann durch Rechtsverordnung die Zuständigkeiten für den Vollzug der Aufgaben abweichend von Absatz 1 Satz 2 und 3 bestimmen. Dabei soll es Aufgaben nur dann auf sich selbst, die Landesdirektionen oder das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie übertragen, wenn sie nicht von den Landkreisen und Kreisfreien Städten sowie vom Sächsischen Oberbergamt zuverlässig und zweckmäßig erfüllt werden können, insbesondere wenn die Aufgaben von landesweiter oder überregionaler Bedeutung sind.“ c) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 3 eingefügt: „(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 3 und Absatz 2 kann das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft die Zuständigkeit für einzelne Aufgaben durch gesonderte Entscheidung bestimmen. Aufgaben im Sinne von Satz 1 sind solche, 1. die sich aus Änderungen immissionsschutzrechtlicher Vorschriften oder aus Neuregelungen ergeben oder 2. die in Betriebsstätten wahrzunehmen sind, die anteilig unter Bergaufsicht stehen. Eine Entscheidung nach Satz 1 kommt insbesondere in Betracht, wenn sie die Verwaltungsleistung verbessert, vereinfacht, wirtschaftlicher oder bürgernäher gestaltet. Im Falle des Satzes 2 Nr. 1 können die Aufgaben der obersten oder oberen Immissionsschutzbehörde oder dem Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie übertragen werden; diese Übertragung gilt bis zu einer Regelung der Zuständigkeit durch Rechtsverordnung, längstens jedoch für einen Zeitraum von neun Monaten. Im Falle des Satzes 2 Nr. 2 kann bestimmt werden, dass die Aufgaben dem Sächsischen Oberbergamt für die gesamte Betriebsstätte obliegen.“ d) Die bisherigen Absätze 3 und 4 werden die Absätze 4 und 5. e) Im neuen Absatz 4 wird das Wort „Landesentwicklung“ durch das Wort „Landwirtschaft“ ersetzt. f) Der neue Absatz 5 wird wie folgt gefasst: „(5) Die den Landkreisen und Kreisfreien Städten übertragenen Aufgaben sind Weisungsaufgaben. Das Weisungsrecht ist unbeschränkt. Die Befugnis, sich unterrichten zu lassen, erstreckt sich auf alle Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben der Fachaufsichtsbehörde erforderlich sind, insbesondere auch zur Erstellung von Fachplanungen, Berichten und Verwaltungsstatistiken.“ 3. In § 3 Satz 1 wird das Wort „Landesentwicklung“ durch das Wort „Landwirtschaft“ ersetzt. 4. In § 4 Abs. 1 Satz 1 wird die Angabe „vom 26. April 2000 (BGBl. I S. 603)“ durch die Angabe „in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Juni 2005 (BGBl. I S. 1598)“ ersetzt.

8 Artikel 67 Änderung des Sächsischen Abfallwirtschafts- und Bodenschutzgesetzes Das Sächsische Abfallwirtschafts- und Bodenschutzgesetz (SächsAGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 1999 (SächsGVBl. S. 261), zuletzt geändert durch Artikel 21 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 (SächsGVBl. S. 148, 156), wird wie folgt geändert: 1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert: a) Die Angabe zu § 13 wird wie folgt gefasst: „§ 13 Abfall- und Bodenschutzbehörden“. b) Nach der Angabe zu § 13 wird folgende Angabe eingefügt: „§ 13a Zuständigkeit, Aufsicht und Befugnisse“. c) Die bisherige Angabe zu § 13a wird wie folgt gefasst: „§ 13b Rechtsverordnungen“. 2. In § 3 Abs. 3 Satz 2 und § 4 Abs. 3 wird jeweils das Wort „höheren“ durch das Wort „oberen“ ersetzt. 3. § 8 wird wie folgt geändert: a) Der bisherige Wortlaut wird Absatz 1. b) Nach dem neuen Absatz 1 wird folgender Absatz 2 angefügt: „(2) Das Erfordernis des Einvernehmens nach Artikel 1 § 4 Abs. 3 Satz 1 des Umweltrahmengesetzes gilt entsprechend auch bei wesentlichen Entscheidungen im Vollzug der Altlastenfreistellung nach Absatz 1 und nach Artikel 1 § 4 Abs. 3 des Umweltrahmengesetzes. Näheres wird durch Verwaltungsvorschrift der obersten Abfallbehörde geregelt.“ 4. In § 12b Abs. 2 werden die Wörter „Umwelt und Geologie“ durch die Wörter „Umwelt, Landwirtschaft und Geologie“ ersetzt. 5. § 13 wird wie folgt gefasst: „§ 13 Abfall- und Bodenschutzbehörden (1) Allgemeine Abfallbehörden sind: 1. das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft als oberste Abfallbehörde, 2. die Landesdirektionen als obere Abfallbehörden, 3. die Landkreise und die Kreisfreien Städte als untere Abfallbehörden. Diese sind auch Bodenschutzbehörden. (2) Besondere Abfallbehörde ist das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, auch als technische Fachbehörde zur fachlichen Beratung und Unterstützung der obersten Abfallbehörde. Dieses ist auch besondere Bodenschutzbehörde.“ 6. Nach § 13 wird folgender § 13a eingefügt: „§ 13a Zuständigkeit, Aufsicht und Befugnisse

9 (1) Der Vollzug abfall- und bodenschutzrechtlicher Vorschriften, insbesondere des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, des Abfallverbringungsgesetzes, des Umweltrahmengesetzes, des Bundes-Bodenschutzgesetzes, dieses Gesetzes und der aufgrund dieser Gesetze erlassenen Verordnungen obliegt den unteren Abfallbehörden, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Die oberste Abfallbehörde bestimmt durch Rechtsverordnung die Zuständigkeiten für den Vollzug der Aufgaben nach Absatz 1. Dabei soll sie Aufgaben nur dann den oberen Abfallbehörden übertragen, wenn sie nicht von den unteren Abfallbehörden zuverlässig und zweckmäßig erfüllt werden können oder wenn die unteren Abfallbehörden oder ein Zweckverband, dem sie angehören, beteiligt sind. Die oberste Abfallbehörde kann unter den Voraussetzungen des Satzes 2 im Einzelfall zur Verhütung einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eine Aufgabe auf eine andere nachgeordnete Behörde übertragen, wenn eine rechtzeitige oder zweckmäßige Aufgabenerfüllung durch die zuständige Abfallbehörde nicht möglich ist. (3) Die den Landkreisen und Kreisfreien Städten übertragenen Aufgaben sind Weisungsaufgaben. Das Weisungsrecht ist unbeschränkt. Die Befugnis, sich unterrichten zu lassen, erstreckt sich auf alle Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben der Fachaufsichtsbehörde erforderlich sind, insbesondere auch zur Erstellung von Fachplanungen, Berichten und Verwaltungsstatistiken. (4) Die mit dem Vollzug dieses Gesetzes beauftragten Personen sind berechtigt, in Ausübung ihres Amtes Grundstücke und Anlagen zu betreten. Wohnungen dürfen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen oder zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreten werden. Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 30 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen) wird insoweit eingeschränkt. (5) Die Rechte und Pflichten aufgrund abfall- und bodenschutzrechtlicher Entscheidungen gehen mit der Anlage oder, wenn sie sich auf ein Grundstück beziehen, mit diesem auf den Rechtsnachfolger über, soweit in der Entscheidung nichts anderes bestimmt ist.“ 7. Der bisherige § 13a wird § 13b.

Art. 73 Änderung des Waldgesetzes für den Freistaat Sachsen Das Waldgesetz für den Freistaat Sachsen (SächsWaldG) vom 10. April 1992 (SächsGVBl. S. 137), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. April 2007 (SächsGVBl. S. 110, 124), wird wie folgt geändert: 1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 38 wie folgt gefasst: „§ 38 (aufgehoben)“. 2. In § 4 Abs. 3 werden die Wörter „die Forstbehörde“ durch die Wörter „die obere Forstbehörde“ ersetzt. 3. § 10 Abs. 5 wird wie folgt gefasst:

10 „(5) Für Entscheidungen nach den Absätzen 1 und 4 ist die untere Landwirtschaftsbehörde zuständig; sie entscheidet nach Anhörung der Gemeinde im Benehmen mit der Forstbehörde und der unteren Naturschutzbehörde, soweit nicht nach anderen Vorschriften eine weitergehende Beteiligung vorgeschrieben ist.“ 4. In § 15 Abs. 1 wird nach dem Wort „angezündet“ das Wort „und“ durch ein Komma ersetzt. 5. In § 19 Abs. 6 Nr. 1 wird vor dem Wort „Forstbehörde“ das Wort „oberen“ eingefügt. 6. § 23 Abs. 1 wird wie folgt geändert: a)

Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

„(1) Die Forstbehörden sind zur Durchführung ihrer Aufgaben ausreichend mit geeigneten Fachkräften des gehobenen und höheren Forstdienstes auszustatten. Zum Sachverständigen für die Ausarbeitung forstlicher Rahmenpläne und der periodischen Betriebspläne soll nur bestellt werden, wer die Befähigung zum höheren Forstdienst besitzt. Zum Leiter eines Forstreviers soll nur bestellt werden, wer die Befähigung zum gehobenen Forstdienst besitzt. Abweichungen, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes gegeben sind, bleiben unberührt.“ b) In Absatz 2 wird vor dem Wort „Forstbehörde“ das Wort „obere“ eingefügt. 7. § 24 Abs. 2 wird wie folgt gefasst: „(2) Zur Schaffung eines natürlichen Gleichgewichtes von Wald und Wild sind die Wildbestände auf eine ökologisch begründete Bestandeshöhe zu begrenzen, welche die natürliche Waldverjüngung ermöglicht. Die obere Forstbehörde führt unter Mitwirkung der Forstbehörde eine Erhebung über den Vegetationszustand, die entstandenen Verbiss- und Schälschäden und den Stand der Waldverjüngung durch. Auf dieser Grundlage überprüft die Forstbehörde, in den Jagdbezirken nach § 9 des Sächsischen Landesjagdgesetzes (SächsLJagdG) vom 8. Mai 1991 (SächsGVBl. S. 67), das zuletzt durch Artikel 71 des Gesetzes vom 29. Januar 2008 (SächsGVBl. S. 138, 187) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, die obere Forstbehörde, in einem forstlichen Gutachten die für die örtlichen Verhältnisse tragbare Höhe des Wildbestandes. Die in diesem Gutachten zu treffende zusammenfassende Wertung der vorhandenen Wilddichte ist wesentliche Grundlage für die Bestätigung oder Festsetzung der Abschusspläne nach § 33 Abs. 1 SächsLJagdG. Die oberste Forstbehörde kann Näheres über das Verfahren, den Inhalt und den Umfang der Erhebung sowie die Begutachtung durch Rechtsverordnung regeln.“ 8. In § 27 Abs. 1 Satz 4 wird vor dem Wort „Forstbehörde“ das Wort „obere“ eingefügt. 9. In § 29 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 wird das Wort „schalverursachendem“ durch das Wort „schadensverursachendem“ ersetzt. 10. § 30 Abs. 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst: „Rechtsverordnungen zur Festsetzung von Naturschutzgebieten, Nationalparken, Landschaftsschutzgebieten und Flächennaturdenkmalen, die ganz oder teilweise Wald berühren, erlassen die Naturschutzbehörden im Benehmen mit der Forstbehörde der gleichen Verwaltungsebene.“

11 11. In § 33 Abs. 4 werden die Wörter „der Freistaat Sachsen“ durch die Wörter „die Forstbehörde“ ersetzt. 12. § 35 wird wie folgt gefasst: „§ 35 Forstbehörden (1) Forstbehörden sind 1.das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft als oberste Forstbehörde, 2. der Staatsbetrieb Sachsenforst als obere Forstbehörde sowie 3. die Landkreise und Kreisfreien Städte als untere Forstbehörden. (2) Die den Landkreisen und Kreisfreien Städten übertragenen Aufgaben sind Weisungsaufgaben. Das Weisungsrecht ist unbeschränkt. Der § 53 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 der Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen (SächsGemO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. März 2003 (SächsGVBl. S. 55, 159), die zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 29. Januar 2008 (SächsGVBl. S. 138, 158) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung und § 49 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 der Landkreisordnung für den Freistaat Sachsen (SächsLKrO) vom 19. Juli 1993 (SächsGVBl. S. 577), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 29. Januar 2008 (SächsGVBl. S. 102, 110) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, finden keine Anwendung. (3) Die Befugnis, sich unterrichten zu lassen, erstreckt sich auf alle Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben der Fachaufsichtsbehörde erforderlich sind, insbesondere auch zur Erstellung von Fachplanungen, Berichten und Verwaltungsstatistiken.“ 13. § 37 wird wie folgt gefasst: „§ 37 Aufgaben und Zuständigkeit der Forstbehörden (1) Die Forstbehörden haben die ihnen nach diesem Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen, insbesondere 1. die Bewirtschaftung und Verwaltung des Staatswaldes des Freistaates Sachsen, 2. die forsttechnische Betriebsleitung und den forstlichen Revierdienst im Körperschaftswald, 3. die Beratung, Betreuung und technische Hilfe im Privatwald, 4. die Durchführung forstlicher Förderungsmaßnahmen, 5. die Ausübung der Forstaufsicht und des Forstschutzes, 6. die Anordnung und Festlegung von Maßnahmen nach § 28 Abs. 1, 7. die forstliche Rahmenplanung und sonstige Fachplanungen für die Forstwirtschaft, 8. die Durchführung von Standorterkundungen, Waldfunktionskartierungen, forstlichen Rahmenplanungen, Waldzustandsinventuren, mittel- und langfristige Planungen, Revisionen, Analysen, Waldwertschätzungen und Schadensbewertungen sowie das Anfertigen sonstiger forstlicher Gutachten, 9. die Durchführung praxisbezogener Versuchs- und Forschungsaufgaben auf dem Gebiet der Forstwirtschaft und im forstlichen Bereich der Landschaftspflege und -gestaltung, im Hinblick auf die Erforschung der vielfältigen Funktionen des Waldes und seiner Beziehung zur Umwelt, 10. die Erarbeitung und laufende Fortschreibung der Waldbiotopkartierung im Zusammenwirken mit dem Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, 11. die Waldpädagogik. (2) Sachlich zuständig sind die unteren Forstbehörden, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die unteren Forstbehörden sind die zuständige Forstbehörde im Sinne des § 6 Abs. 3 der Verordnung über

12 die Verwertung von Bioabfällen auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich und gärtnerisch genutzten Böden (Bioabfallverordnung – BioAbfV) vom 21. September 1998 (BGBl. I S. 2955), die zuletzt durch Artikel 5 der Verordnung vom 20. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2298, 2332) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, sowie zuständige Behörden, zuständige Landesbehörden, zuständige Stellen, zuständige Kontrollstellen oder zuständige Landesstellen im Sinne 1. des Dritten Kapitels und des § 42 Abs. 1 des Gesetzes zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Bundeswaldgesetz) vom 2. Mai 1975 (BGBl. I S. 1037), das zuletzt durch Artikel 213 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, 2. der § 9 Abs. 3 Satz 1, § 10 Abs. 2 und 3 sowie § 12 Abs. 8 Satz 1 der Verordnung über den Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Flächen, das Verfahren sowie den Beirat nach dem Ausgleichsleistungsgesetz (Flächenerwerbsverordnung – FlErwV) vom 20. Dezember 1995 (BGBl. I S. 2072), die zuletzt durch Artikel 538 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407, 2433) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, für den Bereich der Forstwirtschaft, 3. der § 5 Abs. 2, § 9 Satz 1, § 10 Abs. 2 und 3 Satz 1, § 18b Abs. 1 Satz 1 und § 34 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4 sowie, im Umfang der übertragenen Aufgaben, Nr. 6 des Gesetzes zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz – PflSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 1998 (BGBl. I S. 971, 1527, 3512), das zuletzt durch Artikel 1 § 5 Abs. 1 des Gesetzes vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2930, 2932) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, für den Bereich der Forstwirtschaft, 4. der § 3 Abs. 3 und § 7 Abs. 2 der Verordnung über Anwendungsverbote für Pflanzenschutzmittel (Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung) vom 10. November 1992 (BGBl. I S. 1887), die zuletzt durch Verordnung vom 23. Juli 2003 (BGBl. I S. 1533) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, für den Bereich der Forstwirtschaft, 5. des § 7 Abs. 4 Satz 2 bis 4 der Verordnung über Pflanzenschutzmittel und Pflanzenschutzgeräte (Pflanzenschutzmittelverordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. März 2005 (BGBl. I S. 734), die zuletzt durch Artikel 3 Abschnitt 2 § 7 des Gesetzes vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2930, 2933) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, für den Bereich der Forstwirtschaft, 6. des § 3 Satz 1 der Verordnung über die Anwendung bienengefährlicher Pflanzenschutzmittel (Bienenschutzverordnung) vom 22. Juli 1992 (BGBl. I S. 1410), die zuletzt durch Artikel 4 § 3 des Gesetzes vom 6. August 2002 (BGBl. I S. 3082, 3093) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, für den Bereich der Forstwirtschaft, 7. der § 7 Abs. 1 Satz 2, § 8 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 1 bis 4 und § 24 Abs. 2 des Forstvermehrungsgutgesetzes (FoVG) vom 22. Mai 2002 (BGBl. I S. 1658), das zuletzt durch Artikel 214 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407, 2433) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung; in dem Umfang der übertragenen Aufgaben sind die unteren Forstbehörden auch nach den §§ 18 und 20 Abs. 2 FoVG zuständig, 8. des § 12 Abs. 8 Satz 3 der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) vom 12. Juli 1999 (BGBl I S. 1554), die durch Artikel 2 der Verordnung vom 23. Dezember 2004 (BGBl. I. 3758, 3807) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung. Die unteren Forstbehörden sind zuständig für die Anerkennung von Betriebsgutachten nach § 34b Abs. 4 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom

13 19. Oktober 2002 (BGBl. I S. 4210, 2003 I S. 179), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3150) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung. (3) Die unteren Forstbehörden haben im Rahmen der Ausbildung der Forstinspektoranwärter und der Forstreferendare Aufgaben nach Maßgabe der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft über die Ausbildung und Prüfung für den gehobenen Forstdienst (Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den gehobenen Forstdienst – APrOgFD) vom 8. Dezember 1997 (SächsGVB. 1998 S. 22), zuletzt geändert durch Artikel 5 der Verordnung vom 15. August 2006 (SächsGVBl. S. 439, 441), in der jeweils geltenden Fassung, und der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft über die Ausbildung und Prüfung für den höheren Forstdienst (Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den höheren Forstdienst – APrOhFD) vom 27. April 1993 (SächsGVBl. S. 410), zuletzt geändert durch Artikel 4 der Verordnung vom 15. August 2006 (SächsGVBl. S. 439, 441), in der jeweils geltenden Fassung, wahrzunehmen. Sie nehmen nach Maßgabe der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft über die Reitwege (ReitwegeVO) vom 14. Dezember 1994 (SächsGVB. 1995 S. 6), zuletzt geändert durch Artikel 9 der Verordnung vom 15. August 2006 (SächsGVBl. S. 439, 443), in der jeweils geltenden Fassung, die Schadensbegutachtung und Schadensregulierung im Sinne des § 12 Abs. 2 vor, geben die Kennzeichnung der Pferde aus, nehmen das Aufkommen nach § 12 Abs. 3 ein und leiten dieses an den Freistaat Sachsen weiter. (4) Die Aufgaben nach Absatz 1 Nr. 1 bis 4, 7 und 8 mit Ausnahme von Waldwertschätzungen und Schadensbewertungen im Bundes-, Körperschafts- und Privatwald sowie des Anfertigens sonstiger forstlicher Gutachten, Absatz 1 Nr. 9, 10 und 11 werden von der oberen Forstbehörde wahrgenommen. Die obere Forstbehörde ist auch in Verfahren nach §§ 8 und 9 zuständig, wenn die Gebietskörperschaft, für deren Gebiet die untere Forstbehörde zuständig ist, selbst beteiligt ist; dies gilt nicht für Verfahren nach § 8 Abs. 8. Die obere Forstbehörde ist die zuständige Landesstelle im Sinne des § 4 Abs. 4 Satz 1, § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 1 FoVG; in dem Umfang der übertragenen Aufgaben ist die obere Forstbehörde auch nach den §§ 18 und 20 Abs. 2 FoVG zuständig. Die obere Forstbehörde nimmt als Amt für Großschutzgebiete in den Nationalparken, der Nationalparkregion Sächsische Schweiz, den Naturschutzgebieten ‚Königsbrücker Heide’ und ‚Gohrischheide und Elbniederterrasse Zeithain’ und in den Biosphärenreservaten die Aufgaben nach dem Sächsischen Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Sächsisches Naturschutzgesetz – SächsNatSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juli 2007 (SächsGVBl. S. 321), geändert durch Artikel 64 des Gesetzes vom 29. Januar 2008 (SächsGVBl. S. 138, 181), in der jeweils geltenden Fassung, wahr. (5) Fällt eine Angelegenheit in die örtliche Zuständigkeit mehrerer unterer Forstbehörden, so ist die Behörde zuständig, in deren Zuständigkeitsbereich der Schwerpunkt der Angelegenheit fällt. Soweit zwischen den Behörden Meinungsverschiedenheiten darüber bestehen, wo der Schwerpunkt der Angelegenheit liegt, entscheidet die obere Forstbehörde. Die obere Forstbehörde kann sich auch selbst für zuständig erklären. (6) Die Forstbehörden haben bei Planungen nach § 6 und sonstigen Maßnahmen die Behörden und Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich berührt sein kann, insbesondere die Raumordnungs- und Naturschutzbehörden, so rechtzeitig zu beteiligen, dass diese ihre Interessen wirksam vertreten können; Vorschriften über eine weitergehende Beteiligung bleiben unberührt. Soweit wesentliche Belange der Forstwirtschaft berührt werden, sind der Landesforstwirtschaftsrat (§ 39) und die Vertretungen der Waldbesitzer anzuhören.“

14 14. § 38 wird aufgehoben. 15. § 40 wird wie folgt geändert: a)

In Absatz 2 werden die Sätze 1 und 2 wie folgt gefasst:

„Die Bediensteten im forstlichen Außendienst der Forstbehörden haben bei forstaufsichtlichen Tätigkeiten die Stellung von Polizeibediensteten im Sinne des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen (SächsPolG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. August 1999 (SächsGVBl. S. 466), zuletzt geändert durch Artikel 17 des Gesetzes vom 29. Januar 2008 (SächsGVBl. S. 138, 159), in der jeweils geltenden Fassung, soweit sie über die für den gehobenen Forstdienst vorgeschriebene Ausbildung und Prüfung verfügen.“ b) Absatz 5 wird wie folgt gefasst: „(5) Erfüllt eine Körperschaft, in deren Eigentum Wald steht, die ihr nach diesem Gesetz oder einer dazu erlassenen Rechtsvorschrift obliegenden Verpflichtungen nicht, so weist die Forstbehörde, im Falle des § 47 Abs. 2 die obere Forstbehörde, sie auf die Mängel hin. Bleibt der Hinweis unbeachtet, so kann die Forstbehörde, im Falle des § 47 Abs. 2 die obere Forstbehörde, die erforderlichen Anordnungen im Einvernehmen mit der Rechtsaufsichtsbehörde der Körperschaft treffen.“ c) Absatz 6 wird wie folgt geändert: aa) In Satz 1 wird das Wort „Forstbehörde“ durch das Wort „Forstbehörden“ ersetzt. bb) In Satz 4 werden die Wörter „der Freistaat Sachsen“ durch die Wörter „die veranlassende Behörde“ ersetzt. 16. In § 43 Abs. 3 Satz 1 wird das Wort „Forstbehörde“ durch das Wort „Forstbehörden“ ersetzt. 17. § 44 wird wie folgt geändert: a) In Absatz 2 Satz 1 wird vor dem Wort „Forstbehörde“ das Wort „obere“ eingefügt. b) In Absatz 3 Satz 1 werden die Wörter „der Forstbehörde“ durch die Wörter „des Freistaates Sachsen“ ersetzt. 18. § 45 wird wie folgt geändert: a) In Absatz 1 Satz 2 wird die Angabe „von der Forstbehörde (§ 35)“ gestrichen. b) In Absatz 2 werden die Wörter „die Forstbehörde“ durch die Wörter „die obere Forstbehörde“ ersetzt. c) In Absatz 6 Satz 1 Halbsatz 2 wird die Angabe „§ 37 Abs. 4“ durch die Angabe „§ 37 Abs. 6“ ersetzt. 19. § 47 wird wie folgt geändert: a) In Absatz 1 Satz 1, Absatz 3 Satz 3, Absatz 4 und Absatz 5 Satz 2 wird jeweils vor dem Wort „Forstbehörde“ das Wort „oberen“ eingefügt. b) In Absatz 1 Satz 5 und Absatz 5 Satz 1 wird jeweils vor dem Wort „Forstbehörde“ das Wort „obere“ eingefügt. 20. In § 48 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, Abs. 4 Satz 2 und 4 wird jeweils vor dem Wort „Forstbehörde“ das Wort „oberen“ eingefügt.

15 21. In § 49 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 2 wird jeweils vor dem Wort „Forstbehörde“ das Wort „obere“ eingefügt. 22. § 50 wird wie folgt geändert: a)

Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Der Forstschutz obliegt der Forstbehörde. Sie wird bei der Erfüllung der Aufgabe durch Forstschutzbeauftragte unterstützt.“ b) Absatz 3 Nr. 1 wird wie folgt gefasst: „1. die Bediensteten des forstlichen Revierdienstes des Freistaates Sachsen im Staatswald des Freistaates Sachsen und der Körperschaften sowie die Bediensteten der Forstbehörde, soweit sie über die für den gehobenen Forstdienst vorgeschriebene Ausbildung und Prüfung verfügen,“. c) In Absatz 5 Satz 2 wird die Angabe „Satz 3“ durch die Angabe „Satz 2“ ersetzt. 23. § 51 wird wie folgt geändert: a) In Absatz 1 wird das Wort „Dienstaufgaben“ durch das Wort „Aufgaben“ ersetzt. b) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 3 eingefügt: „(3) Die Forstschutzbeauftragten des Freistaates Sachsen sind in allen Waldungen ihres Dienstherrn örtlich zuständig.“ c) Die Absätze 3 und 4 werden die Absätze 4 und 5. 24. § 54 Abs. 1 wird wie folgt gefasst: „(1) Verwaltungsbehörden im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 7. August 2007 (BGBl. I S. 1786, 1787) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, sind hinsichtlich § 13 Abs. 2 Satz 1, sofern es sich um Erholungswald nach § 31 Abs. 2 handelt, die Gemeinden, im Übrigen die Forstbehörden.“

3. Am 17. Januar 2008 folgten die Beschlussempfehlung und der Bericht zum Entwurf des Gesetzes zur Neugliederung des Gebietes der Landkreise des Freistaates Sachsen und zur Änderung anderer Gesetze (Drs. 4/10840). a) Zu den Zielen der Neugliederung heißt es dort: Die strukturelle Neugliederung auf der Ebene der Landkreise und Kreisfreien Städte strebt als Ziel eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und eine bürgerfreundliche Verwaltung an, indem der Aufgabenbestand durch Kommunalisierung deutlich erweitert, zugleich die Leistungsfähigkeit der kreiskommunalen Ebene erhöht und die grundlegende Voraussetzung geschaffen wird, im Sinne der kreislichen Ausgleichs- und Ergänzungsfunktion vor Ort besser auf die sich ändernden Rahmenbedingungen reagieren zu können. Es geht zudem um eine nachhaltige Verbesserung der Effizienz des öffentlichen Verwaltungshandelns sowie um eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit der Landkreise.

16 Kommunale Selbstverwaltung wird maßgeblich durch den Grad der Spezialisierung von Aufgaben und Personal geprägt. Deshalb soll die gebietsstrukturelle Neugliederung der Landkreise und Kreisfreien Städte dazu beitragen, die Fähigkeit zur Anstellung gut ausgebildeter, hochspezialisierter Verwaltungsfachkräfte weiter zu erhöhen. Die Landkreise und Kreisfreien Städte sollen in die Lage versetzt werden, ohne Qualitätsverlust bei den übertragenen Aufgaben größere finanzielle Handlungsfreiräume erwirtschaften zu können. Die Kosten öffentlicher Dienstleistungen sollen vermindert und Synergieeffekte genutzt werden können. Die Landkreise und Kreisfreien Städte sollen sich verstärkt als Impulsgeber für eine ausgewogene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung im Freistaat Sachsen entwickeln. Sie sollen insbesondere vermehrt dazu beitragen, - eine umfassende, ausgewogene Entwicklung aller Landesteile zu gewährleisten, - strukturelle Unterschiede zwischen den Landkreisen und zwischen den Landkreisen und Kreisfreien Städten besser ausgleichen zu können, - flexibler auf Schwankungen und externe Einflüsse reagieren zu können, - eine hohe Stabilität im länderübergreifenden Wettbewerb insbesondere auch mit Blick auf die neu beigetretenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu erreichen, - die Standortverteilung weitgehend in eigener Verantwortung zu planen und umzusetzen, - Verwaltungskosten einzusparen und - die Einheit von Ökonomie, Ökologie und Sozialem innerhalb des Landkreises sichern zu können.

b) Außerdem enthält das Dokument die folgenden Leitlinien für die Neugliederung der Landkreise und Kreisfreien Städte: 1. Die Landkreise und Kreisfreien Städte sollen aus Gründen der Tragfähigkeit und Wirtschaftlichkeit bei der Erfüllung ihrer durch die Funktionalreform erweiterten Aufgaben und der Schaffung einer weitgehend ausgewogenen und auch längerfristig tragfähigen Gesamtstruktur der kreiskommunalen Verwaltungsebene innerhalb des Freistaates Sachsen zum Jahr 2020 möglichst noch mehr als 200.000 Einwohner haben. 2. Die neugebildeten Landkreise sollen in der Regel eine Flächengröße von 3.000 Quadratkilometern nicht wesentlich überschreiten und über eine ausgewogene gemeindliche Struktur verfügen. 3. Das im LEP 2003 festgelegte Leitbild der Landesentwicklung sowie die Ziele und Grundsätze der Raumordnung sind zu beachten. Die Neugliederung soll letztlich die Verwirklichung dieser Ziele und Grundsätze unterstützen und befördern und die Raumstruktur beachten. 4. Das funktionsteilige System der Zentralen Orte und ihrer funktionsräumlichen Verflechtungsbereiche ist zu beachten. 5. Die bestehenden Landkreise sollen ganzheitlich in der neuen Struktur aufgehen. Eine Zergliederung der jetzigen Landkreise soll ebenso wenig erfolgen, wie gebietliche Anpassungen an den Grenzen zwischen den künftigen Landkreisen und zu Kreisfreien Städten. 6. Die räumliche Abgrenzung des Gebietes der Landkreise soll so erfolgen, dass auch dadurch auf einen Ausgleich der zwischen den Teilräumen des Freistaates Sachsen bestehenden Unterschiede in der Wirtschafts- und Infrastruktur hingewirkt werden kann.

17 7. Eine ausreichende Erreichbarkeit und Verkehrsanbindung aller Teilräume des Kreisgebietes muss zu gewährleisten sein. 8. Die Landkreise müssen in einer Größenordnung und Struktur gebildet sein, die die erforderliche Bürger- und Problemnähe der öffentlichen Verwaltung auf der Ebene der Landkreise und Kreisfreien Städte hinreichend und dauerhaft sicherstellen können und sich durch eine möglichst hohe Akzeptanz auszeichnen. 9. Bei der Bildung der neuen Landkreise sind kulturelle, historische und religiöse Bindungen und Beziehungen nach Möglichkeit zu berücksichtigen, da sie häufig auch eine regionale Identität widerspiegeln und so die Bildung der neuen kreislichen Identität fördern können. 10. Es gibt im Ergebnis der Gemeindegebietsreform keine Notwendigkeit, gesetzliche Eingliederungen in Kreisfreie Städte vorzunehmen.

c) Für die Bestimmung des Sitzes der Kreisverwaltung werden insbesondere folgende Kriterien genannt: - die Festlegung des Sitzes des Landratsamtes ist Aufgabe des Gesetzgebers, - im Rahmen der Organisationshoheit können die Landkreise Außenstellen der Landratsämter schaffen, - der Abwägungsentscheidung sind landesplanerische, historische und wirtschaftliche Gesichtspunkte zugrunde zu legen, - Städte, die bisher nicht Kreissitz oder Kreisfreie Stadt waren, kommen als Sitz des Landratsamtes nicht in Betracht, - die Stärkung der höherrangigen zentralen Orte hat Vorrang vor einer Förderung anderer Ober- und Mittelzentren, - bei zentralörtlicher Gleichrangigkeit von Gemeinden sind die weiteren landesplanerischen, historischen und alle wirtschaftlichen Aspekte im Einzelfall unter Berücksichtigung der Spezifik der Region und der Stabilität des Zentrale-Orte-Systems in die Entscheidung einzustellen.

d) In der Begründung zur Kreisgebietsneugliederung (Anlage 3 zur Drs. 4/10840, S. 30 ff.) wird ausgeführt, dass Kooperationsformen keine Alternative zu Gebietsneugliederungen bilden könnten. Bei ihnen ergäben sich zahlreiche Probleme vollzugspraktischer Natur. Zudem könnten sie wegen des deutlich intransparenteren Verwaltungsaufbaus einen umfassenden Kommunalisierungsansatz nicht gewährleisten und ein größeres kreisliches Aufgabenspektrum nicht bewältigen. Würden originäre Kreisaufgaben weitgehend übertragen, stehe darüber hinaus die demokratische Legitimation in Frage. Zu den einzelnen Kooperationsformen wird weiter ausgeführt: Eine Zweckvereinbarung nach § 71 SächsKomZG scheide als ungeeignet aus. Bei ihr sei ein interkommunaler Finanzausgleich nur mit erheblichen Erschwernissen auszugestalten und zu bemessen. Es drohe der Aufbau eines vertikalen Finanzausgleichs, der mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sei und einen zusätzlichen bürokratischen Aufwand verursache. Zudem seien haftungsrechtliche Probleme größeren Ausmaßes zu befürchten. Die mangelnde Transparenz bei den Zuständigkeiten gefährde die Akzeptanz bei der Bevölkerung. Schließlich

18 könne jene Gebietskörperschaft, welche die Aufgabe erfülle, durch die anderen beteiligten Kommunen nur schwer politisch kontrolliert werden. Eine Zweckverbandslösung nach §§ 51 ff. SächsKomZG komme ebenso wenig in Betracht. Sie gewährleistete zwar übersichtlichere Strukturen. Die mit ihr verbundene Einführung einer zusätzlichen kreiskommunalen Verwaltungsebene führe aber zu einer ineffizienten, kostenintensiven und wenig durchsichtigen Aufgabenerfüllung. Herrsche in der Verbandsversammlung das Einstimmigkeitsprinzip, wirke sich dies nachteilig auf die Funktionsfähigkeit des Zweckverbandes aus. Könnten die Entscheidungen mehrheitlich getroffen werden, drohe bei einem aus zwei Mitgliedern gebildeten Zweckverband, dass der stärkere Partner dominiere. Ein Verband mit mindestens drei Mitgliedern könne zwar grundsätzlich tauglicher Aufgabenträger sein. Bei den vorhandenen Strukturen und Verflechtungen auf kreiskommunaler Ebene müsste ein solches Zweckverbandsmodell letztlich zur Bildung von fünf bis sechs kommunalen Verwaltungsregionen führen, in denen jeweils mehrere Landkreise und kreisfreie Städte kooperativ zusammenzuarbeiten hätten. Eine solche Konzeption sei aber nicht grundsätzlich vorzugswürdig, da sie eine schnelle, unbürokratische und transparente Entscheidungsfindung gefährde sowie mit Defiziten bei der demokratischen Legitimation verbunden sei. Auf Landkreise ließen sich auch nicht die für Gemeinden geschaffenen Kooperationsformen übertragen, da diese ausnahmslos auf eine sektorale Verlagerung gemeindlicher Aufgaben gerichtet seien. In anderen Bundesländern entwickelte Modelle einer Zusammenarbeit könnten ebenfalls nicht ohne weiteres übernommen werden, da sie sich regelmäßig nur auf Teilbereiche des Gesamtaufgabenspektrums bezögen und für spezifische regionale Problemlagen geschaffen worden seien. e) Zum Sitz des Landratsamtes für den Landkreis Leipzig heißt es, die im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens vorgebrachten Einwände hätten keinen schlüssigen Nachweis dafür erbracht, dass gerade Grimma nach den Kriterien für die Kreissitzbestimmung habe ausgewählt werden müssen und die Festlegung zugunsten Bornas fehlerhaft und willkürlich sei. Bei der Auswahl Bornas werde weder die relativ zentrale Lage der Stadt Grimma innerhalb des neu zu bildenden Landkreises noch ihre langjährige Tradition als Amts- und Verwaltungssitz verkannt. Auch habe man berücksichtigt, dass Grimma die im Landesentwicklungsplan 2003 (LEP 2003) für Mittelzentren geforderte Arbeitsplatz-, Wirtschafts- und Fremdenverkehrszentralität im Gegensatz zu Borna besitze und damit im Vergleich eine höhere Wirtschaftskraft aufweise. Das allein könne aber die Zuweisung des Kreissitzes nicht begründen. Einer lediglich hieran orientierten Auswahl stünden die Grundsätze und Leitlinien zur Kreissitzbestimmung entgegen, weil sie landesplanerische Belange weitgehend unberücksichtigt ließe. Bei der Bestimmung der Kreissitze sei stattdessen den landesplanerischen Erwägungen grundsätzlich besonderes Gewicht zuzumessen. Folgerichtig habe man insbesondere auf die zentralörtliche Einstufung im System der Zentralen Orte abgestellt. Überwiegend sei bereits aufgrund einer höherrangigen zentralörtlichen Einstufung die Entscheidung zugunsten einer Gemeinde angezeigt gewesen. Vorliegend sei dies allerdings anders, da von der zentralörtlichen Gleichrangigkeit beider Städte auszugehen sei. Deshalb komme es auf eine strukturpolitische und insbesondere raumstrukturelle Betrachtung auf der Grundlage des LEP 2003 an. Das spezifische

19 strukturpolitische Gewicht Bornas bilde die Lage inmitten eines seit ca. 100 Jahren großräumig durch Braunkohlebergbau geprägten, von diversen Umweltbelastungen gekennzeichneten und in einem Strukturumbruch befindlichen Raums zwischen dem Oberzentrum Leipzig und dem Mittelzentrum mit Teilfunktionen eines Oberzentrums Altenburg. Nach dem LEP 2003 handele es sich um einen Raum mit besonderem landesplanerischen Handlungsbedarf. Entsprechend dem Ziel 3.3.8. des LEP 2003 sei er vorrangig aus eigener Kraft über den Abbau struktureller Defizite und die Mobilisierung von Eigenkräften zu entwickeln. Die Kreissitzvergabe solle und könne dazu beitragen. Borna weise einen um 15.700 Einwohner größeren Verflechtungsbereich als Grimma auf. Anders als im Gesetzgebungsverfahren vorgetragen, besitze Borna auch erhebliche Bedeutung für die Entwicklung des Tourismus im Südraum Leipzig. Diese Bedeutung finde in den landesplanerischen Festlegungen ihren Ausdruck. Im Zuge des Gesetzgebungsvorhabens hätten sich keinerlei Anhaltspunkte dafür gezeigt, dass der LEP 2003 geänderten Bedingungen angepasst werden müsste. Ein solches Anliegen habe der Regionale Planungsverband auch nicht an die Staatsregierung herangetragen. Folglich sei die mittelzentrale Funktion Bornas nach dem LEP 2003 weiter auszuprägen (Ziel 2.3.8.), wobei gerade die Bedeutung als Arbeitsmarktzentrum für einen Verflechtungsbereich von ca. 84.000 Einwohnern, gegenüber 68.400 Einwohnern bei der Stadt Grimma, besonderes Gewicht besitze. Die vorhandenen Defizite Bornas im Bereich der Bildungs-, Kultur-, Freizeit- und Fremdenverkehrszentralität seien schrittweise abzubauen, ihr im Vergleich mit Grimma sehr niedriger Anteil am Arbeitsplatzbesatz zu erhöhen und ihr negativer Pendlersaldo durch eine zunehmende Arbeitsplatzzentralität auszugleichen. Die seit dem Jahr 2000 erreichte Verwaltungszentralität sei zu stabilisieren, was angesichts der besseren Ausstattung von Grimma ebenfalls für eine Kreissitzvergabe zugunsten Bornas spreche. Die südwestliche Lage im neuen Kreisgebilde stehe dem Kreissitz in Borna nicht entgegen, da keine signifikanten Unterschiede in der Erreichbarkeit für die Einwohner zu beobachten seien. Grimma liege in einem nach dem LEP 2003 bestimmten ländlichen Raum mit der landesplanerischen Entwicklungsoption eines Wirtschaftsstandortes mit 5.000 bis 10.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sowie einer Einpendlerquote von mehr als 120 %. Diese Perspektive sei durch die Auswahl Bornas als Kreissitz nicht gefährdet. Es drohe kein Abbau des Bedeutungsüberschusses der Stadt Grimma bezüglich ihrer Arbeitsplatzzentralität und ihres ausgeprägten touristischen Potenzials. Eine Schmälerung der Wirtschaftskraft sei ebenfalls nicht zu erwarten. Als Verwaltungsstandort werde sie auch zukünftig innerhalb des Landkreises und über dessen Grenzen hinaus Bedeutung besitzen. Dafür spreche etwa der Sitz der Polizeidirektion Westsachsen, des Amtsgerichtes, des Finanzamtes sowie einer Geschäftsstelle der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig. f) In seiner Sitzung vom 23. Januar 2008 verabschiedete der Landtag das Sächsische Kreisgebietsneugliederungsgesetz als Art. 1 des Gesetzes zur Neugliederung des Gebietes der Landkreise des Freistaates Sachsen und zur Änderung anderer Gesetze. Die Verkündung erfolgte im Sächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt vom 5. Februar 2008. Auszugsweise lautet das Sächsische Kreisgebietsneugliederungsgesetz:

20 §1 Kreisfreie Städte und Landkreise Im Freistaat Sachsen bestehen die Kreisfreien Städte Chemnitz, Dresden und Leipzig sowie die Landkreise Bautzen, Erzgebirgskreis, Görlitz, Leipzig, Meißen, Mittelsachsen, Nordsachsen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Vogtlandkreis und Zwickau. §2 Auflösung bisheriger Landkreise, Aufhebung der Kreisfreiheit (1) Die bisherigen Landkreise werden aufgelöst. (2) Die Kreisfreiheit der Städte Görlitz, Hoyerswerda, Plauen und Zwickau wird aufgehoben (Einkreisung).

§3 Neubildung von Landkreisen Es werden neu gebildet: … 4. der Landkreis Leipzig mit dem Sitz des Landratsamtes in Borna. … § 16 Durchführung der Kreiswahlen im Jahr 2008 (1) Die ersten Kreistagswahlen und Landratswahlen (Kreiswahlen) für die neu zu bildenden Landkreise finden am 8. Juni 2008 statt. Sofern für die Wahl von Landräten eine Neuwahl gemäß § 44 Abs. 2 SächsLKrO erforderlich wird, findet diese Wahl am 22. Juni 2008 statt. ... § 17 Fiktion des Bestehens (1) Die neu zu bildenden Landkreise gelten für die Vorbereitungen der Kreiswahlen nach § 16 bis zum Inkrafttreten des Abschnitts 1 als bereits bestehend. ...

III. Die Antragsteller – 31 Mitglieder des 4. Sächsischen Landtages – beantragen, festzustellen, dass § 2 Abs. 1 SächsKrGebNG sowie Art. 66, 67 und 73 SächsVwNG gegen Art. 85, 88 SächsVerf verstoßen und nichtig sind. Zur Begründung machen sie Verstöße gegen die Art. 85 und 88 SächsVerf geltend. Da die Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofes im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle nicht durch die im Antrag oder in der Begründung angegriffenen Normen begrenzt sei, be-

21 schränkten sie ihre Ausführungen auf einige Punkte der Regelungswerke, die verfassungsrechtliche Zweifel an der Verwaltungs- und Kreisgebietsneuordnung begründeten. Diesem Vorgehen komme nicht die Bedeutung einer abschließenden Aufzählung verfassungsrechtlicher Bedenken zu. Bedingt durch den parlamentarischen Zeitdruck, den die Regierungskoalition in Bezug auf beide Vorhaben entfaltet habe, greife man vielmehr mit dem Antrag nur jene Regelungsteile heraus, bei denen sich die näher darzulegenden Zweifel geradezu aufdrängten. Bei der verfassungsgerichtlichen Überprüfung beanspruchten die Bestimmungen zur Kreisgebietsneugliederung das Hauptaugenmerk. 1. Die Begründung zum Sächsischen Kreisgebietsneugliederungsgesetz mache deutlich, dass die gesetzgeberische Konzeption von dem Bemühen geprägt gewesen sei, wegen der angestrebten Entlastung der Landesebene vor allem die Kommunen Veränderungen auszusetzen. Kennzeichen der beschlossenen Reform sei zudem ein ausschließlich an Maßstäben der Effektivität ausgerichteter Zugriff auf die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften, ohne dass Gesichtspunkten der bürgerschaftlichen Mitwirkung wie auch der Akzeptanz durch die Bürger irgendeine Bedeutung zugekommen wäre. Es stelle sich damit die Frage, ob die Kreise reine Zugriffsmasse zur Erreichung landespolitischer Ziele seien oder aber das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung dem legislatorischen Zugriff Schranken setze. Die Sächsische Verfassung lasse eine Neuordnung der Kreise allein aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit zu. Die Bestimmung des Wohls der Allgemeinheit vollziehe sich traditionell nach dem Modell der Abwägungslehre. Dem Gesetzgeber obliege es, den erheblichen Sachverhalt zu ermitteln, die Gemeinwohlgründe und die Vor- und Nachteile der Alternativen in die Abwägung einzustellen und dabei das Gebot der kommunalen Gleichbehandlung zu beachten. Diese Abwägungsformel trage dem Spannungsverhältnis zwischen gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit auf der einen und dem Maß der verfassungsgerichtlichen Kontrolle auf der anderen Seite Rechnung. Dementsprechend habe der Verfassungsgerichtshof zunächst darüber zu befinden, ob Ziele, Wertungen und Prognosen, die der Gesetzgeber seinem Handeln zu Grunde legt, offensichtlich und eindeutig widerlegbar seien oder den Prinzipien der verfassungsrechtlichen Ordnung widersprächen. Für diese Prüfung sei es unabdingbar, dass der Landtag seiner Entscheidung eine Begründung beigebe, die den Gang des Abwägungsprozesses und seine ergebnisrelevanten Gesichtspunkte erkennen lasse. Die verfassungsrechtlich dem Gesetzgeber auferlegte Darlegungslast entspreche der dezentralen Organisationsstruktur der Bundesrepublik und könne nicht mit dem Hinweis auf die Komplexität der Probleme oder die stärkere Legitimation des Parlaments entkräftet werden. a) Die Regelungen zur Kreisgebietsneugliederung erfüllten den Tatbestand einer Mehrfachneugliederung. Davon gehe auch der Gesetzentwurf der Staatsregierung aus. Diese Einschätzung sei für den Verfassungsgerichtshof bindend, weshalb es keiner weiteren Auseinandersetzung mit dem Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 26. Juli 2007 bedürfe. Bei der Annahme einer Mehrfachneugliederung handele es sich nicht um einen Vorgang schlichter Subsumtion, die allein Sache des zuständigen Verfassungsgerichts sei. Da eine Mehrfachneugliederung Modifikationen der Reformprinzipien und damit eine Konzeptänderung erzwinge, gehe es vielmehr um einen Akt der politisch-planerischen Gestaltung, der

22 durch den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers geprägt sei und sich folglich der verfassungsgerichtlichen Nachprüfung entziehe. Die Einschätzung des Gesetzgebers, es bestehe noch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen vorangegangener und geplanter Gebietsreform, sei im verfassungsgerichtlichen Verfahren deshalb hinzunehmen. Der Gesetzgeber sei zwar grundsätzlich nicht gehindert, Gebietsreformen später wieder aufzuheben oder zu ändern. Allerdings begründe ein vorangegangener Eingriff in die Struktur von Selbstverwaltungskörperschaften erhöhte Darlegungslasten. Von dem einmal gewählten Gebietszuschnitt gehe die Vermutung der Gemeinwohlkonformität aus. Der Gesetzgeber könne sich deshalb nur anhand einer qualifizierten Auseinandersetzung mit allen Vor- und Nachteilen zu einer Mehrfachneugliederung entschließen. Zudem könnten Bürger und Kommunen Bestands- und Vertrauensschutz reklamieren. Bei den Kommunen sei in besonderer Weise zu berücksichtigen, dass sie sich auf ihr neu gegliedertes Gebiet eingestellt und entsprechende Dispositionen getroffen hätten. Diesen Anforderungen sei der Gesetzgeber nicht nachgekommen. Er habe insbesondere die Wirkungen der vorangegangenen Gebietsänderungen keiner Untersuchung unterzogen. Der Gesetzentwurf der Staatsregierung begnüge sich stattdessen damit, die durchschnittliche Einwohnerzahl der Kreise vor und nach der Kreisgebietsreform der 90er Jahre darzustellen. Auch spreche er an, dass Stellenreduzierungen und Einsparungen die Folge der Gebietsreform gewesen seien, ohne dies detaillierter darzulegen. Ein Nachweis des Nachbesserungsbedarfs fehle vollständig. Bestandsschutzinteressen hätten offenbar weder im Gesetzentwurf der Staatsregierung noch im Gesetzgebungsverfahren eine Rolle gespielt. Anscheinend habe auch regierungsintern zu keinem Zeitpunkt eine Abwägung mit Aspekten des Vertrauensschutzes stattgefunden. Der Gesetzgeber sei zwar nicht gehalten gewesen, sich im Detail mit den vielfältigen Investitionen der Kreise seit der vorangegangenen Gebietsreform auseinanderzusetzen. Er müsse sich aber im Klaren darüber werden, welche Konsequenzen eine Neuordnung der Kreisgebiete mit sich bringe. Der Gesetzentwurf der Staatsregierung sei von der Tendenz geprägt, sich von diesen Darlegungslasten dadurch zu befreien, dass auf eine unausgesprochene Vorsorgeverantwortung verwiesen und damit auch die parlamentarische Debatte und die gesellschaftliche Diskussion umgangen werde. Dieses Defizit lasse sich nicht mit dem Hinweis auf das Gewicht der in Rede stehenden staatlichen Belange – wie der demografischen Entwicklung und der finanziellen Verhältnisse – rechtfertigen. Es sei schon fraglich, ob allein in der Sphäre des Landes wurzelnde Belange ausreichend seien, um den Eingriff in die Existenz der Landkreise zu rechtfertigen. Für die Kreisgebietsneugliederung im Freistaat sei kennzeichnend, dass als maßgebliche Gründe des öffentlichen Wohls die Leistungsfähigkeit und Finanzierbarkeit des Landes und damit vornehmlich strukturelle Probleme der Landesverwaltung angeführt seien. Bei der Bestimmung des öffentlichen Wohls habe aber stets ein kommunalbezogenes Begriffsverständnis vorgeherrscht. Gebietsreformen hätten vordringlich der Stärkung der Leistungsfähigkeit und Verwaltungskraft der Kommunen dienen sollen. Die Rechtsprechung habe als zulässige Gemeinwohlziele mit Kommunalbezug die Schaffung leistungsfähiger Kreise wie auch die Stärkung der Finanzkraft und Verwaltungskraft der Kommunen akzeptiert. Auch die vorangegangene Kreisgebietsreform im Freistaat sei ausweislich der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auf die Schaffung hinreichend leistungsfä-

23 higer Landkreise gerichtet gewesen. Zwar sei der in der Rechtsprechung akzeptierte Katalog an Gemeinwohlgründen nicht abschließend, doch zeige er, dass aus dem Gemeinwohlprinzip ein Gebot der Verbesserung der Situation der kommunalen Selbstverwaltung abzuleiten sei. Dieses Gebot mache die Erstellung einer kommunalen Defizitanalyse unabdingbar. Gerade im Falle einer Mehrfachneugliederung sei die Darlegung erforderlich, ob und inwieweit sich bei der kommunalen Aufgabenerledigung Unzuträglichkeiten, Effektivitätsmängel, fachliche Überforderung oder sonstige Leistungserfüllungsdefizite gezeigt hätten. Der Gesetzgeber müsse den Nachweis erbringen, dass die abgeschlossene Gebietsreform auf der Ebene der Kreise Mängel hervorgebracht habe, die nun zu erneuter Korrektur Anlass böten. Fehle es an einer Defizitanalyse, sei eine Auflösung von Kreisen mit dem Ziel einer Ertüchtigung der Landesebene unzulässig. Zwar stehe die kommunale Selbstverwaltung nicht in einer Abwehrstellung zur Staatsorganisation. Die Kommunen dürften aber nicht als quasi in den staatlichen Instanzenzug eingegliedert angesehen werden. Es handele sich bei ihnen um keine beliebigen dezentralen Verwaltungseinheiten. Eine vom Gesetzgeber geltend gemachte Vorsorgeverantwortung sei ungeeignet, die bestandssichernden Eingriffsvoraussetzungen zu überspielen. Die Verfassung nehme Missstände bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben durchaus hin, wenn sie durch die vom Grundgesetz gewollte dezentrale Aufgabenansiedlung bedingt seien. Einer Defizitanalyse sei der Gesetzgeber schließlich auch nicht etwa mit Blick auf die gegenwärtige Größe und Einwohnerzahl der Kreise enthoben gewesen. Es gebe keine tatsächliche Vermutung des Inhalts, dass kleinere Körperschaften ihren Aufgaben nicht gewachsen seien. Bloße Wirtschaftlichkeitserwägungen rechtfertigten deshalb keinen gesetzlichen Eingriff in Gebietsstrukturen. Den kommunalen Interessen komme damit bei der Bestimmung des Allgemeinwohls eine herausgehobene Bedeutung zu. Auch wenn der Begriff des Gemeinwohls staatliche Belange einschließe, besäßen diese doch nicht den gleichen Rang. Die Institutsgarantie des Art. 84 Abs. 1 SächsVerf wirke vielmehr nach Art eines planungsrechtlichen Optimierungsgebotes. Den rechtspolitischen Ausgangspunkt für die Maßnahmen der Gebietsreform bilde das Ziel des Freistaates, den Stellenbestand auf 80.000 Personalstellen zu reduzieren. Dieses Ziel sei nur dann als Element des öffentlichen Wohls denkbar, wenn klar wäre, dass eine zu Gunsten aller wirkende Einsparung zu erreichen sei. Hieran bestünden aber erhebliche Zweifel. Der Gesetzentwurf mache nicht klar, welcher Einspareffekt zu welchem Zeitpunkt überhaupt eintreten solle. Nach einem Gutachten zu den ökonomischen und fiskalischen Effekten der Kreisgebietsneugliederung sei tatsächlich zunächst einmal nicht mit Einsparungen zu rechnen. Die Äußerungen der Staatsregierung legten aber die Annahme nahe, sie selbst billige der Reform nur einen Zeitraum von etwa 20 Jahren zu. Die Prognose im Gesetzesentwurf gehe sogar nur von einem Zeitraum von 12 Jahren aus. b) Die Abwägung des Gesetzgebers leide zudem unter einer unzureichenden Berücksichtigung der Verbundenheit der Bürger mit ihrem Kreis. Es sei das Verdienst des Urteils des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 26. Juli 2007, dem Aspekt der Identifikation des Bürgers mit den Trägern kommunaler Selbstverwaltung verfassungsrechtliche Aufmerksamkeit zugewiesen zu haben. Kommunale Selbstverwaltung bedeute Aktivie-

24 rung der Bürger für ihre eigenen Angelegenheiten. Die in der örtlichen Gemeinschaft lebendigen Kräfte schlössen sich zur eigenverantwortlichen Erfüllung öffentlicher Aufgaben der engeren Heimat zusammen. Kommunale Selbstverwaltung solle dem Bürger das Gefühl der Zusammengehörigkeit vermitteln. Die Leitbilder im Gesetzentwurf der Staatsregierung wiesen zwar darauf hin, dass bei der Bildung der neuen Landkreise historische und religiöse Bindungen und Beziehungen nach Möglichkeit zu berücksichtigen seien. Dieses Ziel werde allerdings sogleich mit dem Argument geschwächt, eine zukunftsgerichtete Reform könne sich nicht allein an Vergangenem orientieren. c) Notwendig erscheine auch eine Überprüfung der Festlegung zum Sitz des Landratsamtes des neuen Landkreises Leipzig in § 3 Nr. 4 SächsKrGebNG. Die Bestimmung beende eine politische Diskussion um die Frage, inwieweit die Kreissitzbestimmung zu Gunsten Bornas tatsächlich gegenüber der bisherigen Kreisstadt des Muldentalkreises zu rechtfertigen sei. Der Gesetzentwurf der Staatsregierung lege dar, es sei das spezifische strukturpolitische Gewicht, das für Borna spreche. Es bleibe aber die Frage zu stellen, ob sich die Kreissitzbestimmung tatsächlich als Ergebnis eines Abwägungsprozesses darstelle. Denn der Ministerpräsident habe ausweislich der Berichterstattung in den Medien zum umstrittenen Kreissitz wörtlich ausgeführt: „Der Kreissitz Borna ist ein Teil der Absprache mit der SPD“. Den Antragstellern gehe es insoweit nicht um ein Pro oder Contra zu Gunsten von Grimma oder Borna. Vielmehr bleibe zu klären, ob Koalitionsabsprachen in der Lage seien, die Gemeinwohlorientierung des Art. 88 Abs. 1 SächsVerf zu beeinflussen. Die Ausrichtung am Gemeinwohlinteresse müsse der Zulässigkeit von Koalitionsabsprachen Grenzen setzen. Anhörungs- wie auch Gesetzgebungsverfahren seien ergebnisoffen zu gestalten. Koalitionsabsprachen könnten zwar dienlich sein, um eine parlamentarische Mehrheit für das Vorhaben zu erlangen. Die Willensbildung dürfe sich aber nicht außerhalb des Parlaments vollziehen und damit die Entscheidung in der Sache den Abgeordneten entziehen. 2. Im Rahmen der Verwaltungsneuordnung sei der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung von einer Erstkompetenzvermutung zu Gunsten der Kommunen ausgegangen. Danach seien alle Aufgaben, auf die nicht verzichtet werden könne und die nicht privatisierbar oder von einer privatrechtlichen Organisationsform wahrnehmbar seien, grundsätzlich von einem Träger der kommunalen Selbstverwaltung zu erfüllen. Art. 85 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf zeige allerdings, dass die Aufgabenübertragung an Voraussetzungen geknüpft sei. Sie komme nur in Betracht, wenn die Aufgaben von den Kommunen auch zuverlässig und zweckmäßig erfüllt werden könnten. Letztere Voraussetzung sei bereits Gegenstand der Anhörungen im Landtag gewesen. Die Frage der Zweckmäßigkeit werfe in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht unerheblichen Klärungsbedarf auf. Judikatur hierzu fehle. Die Befassung der rechtswissenschaftlichen Literatur falle eher spärlich aus. Dies sei auch erklärlich, weil allein die Landesverfassung des Freistaates ein derartiges Gebot enthalte. Inhalt und Reichweite der Norm ließen sich daher nur nach allgemeinen Grundsätzen ermitteln. Dabei bleibe zunächst festzustellen, dass Art. 85 SächsVerf durchaus in Gegensatz zum Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung geraten könne. Die kommunale Selbstverwaltung sei nicht nur bei einem Entzug, sondern auch bei der Übertragung von Aufgaben gefährdet. Dies gelte insbesondere, wenn der Gesetzgeber den Kommunen Aufgaben in einer Fülle zuweise, dass Verwaltungskapazitäten

25 in erheblichem Umfang gebunden würden und der Raum für originäre Selbstverwaltungsangelegenheiten empfindliche Schmälerungen erfahre. a) Der Gesetzentwurf gehe davon aus, dass zukünftig die Kreise für die kommunalisierten Aufgaben zuständig seien. Fasse man Art. 85 SächsVerf aber als Ausdruck eines kommunalverfassungsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips auf, bleibe zu fragen, ob nicht vorrangig die Möglichkeit einer Aufgabenübertragung auf die Gemeinden vom Gesetzgeber geprüft werden müsse. Der Wortlaut des Art. 85 Abs. 1 SächsVerf, der nur allgemein von den kommunalen Trägern der Selbstverwaltung spreche, deute in diese Richtung. b) Was die Zweckmäßigkeit der Aufgabenübertragung angehe, seien nach Sichtung der zur Verfügung stehenden Protokolle erhebliche Zweifel anzumelden. Die Landkreise selbst hätten Bedenken gegen den Umfang der Kommunalisierung in verschiedenen Bereichen geltend gemacht. Das gelte zum einen für die Straßenbauverwaltung, wo die Annahme nicht fern liege, dass die Kommunalisierung alles andere als zweckmäßig sei und tatsächlich nur zu einer Kleinstaaterei bei der Straßenunterhaltung führe. Zum anderen hätten mehrere Landkreise hinsichtlich der Kommunalisierung im Umweltsektor die Befürchtung einer Qualitätsminderung geäußert. Auf heftige Kritik sei die Betrauung der Kreisebene mit den Aufgaben der unteren Forstbehörde gestoßen. Nach der in der Anhörung des Landtages geäußerten Auffassung der Sachverständigen erfordere die Pflege und Bewirtschaftung des Waldes einen hohen Spezialisierungsgrad. Landkreisübergreifende Aufgaben wie der vorbeugende Waldbrandschutz und die Katastrophenabwehr machten ein Höchstmaß an landeseinheitlicher Erledigung erforderlich. Die Zuweisung hochqualifizierter Mitarbeiter an die Kreise schade dem erst kürzlich gegründeten Staatsbetrieb Sachsenforst. Attestiert worden sei dem Gesetzentwurf deshalb, Fachwissen zu zersplittern und der Bevölkerung sowie den Waldbesitzern die Förster zu entfremden. Bereits diese wenigen herausgehobenen Beispiele machten deutlich, dass das Streben nach finanzieller Entlastung der Landesebene dazu geführt habe, dass die Frage nach der Zweckmäßigkeit unter Außerachtlassung fachlicher Anforderungen beantwortet worden sei. Durch die Zersplitterung der bislang bei den Regierungspräsidien angesiedelten Umweltfachbereiche stünden zukünftig nicht jedem neu gebildeten Landkreis im ausreichenden Maße Spezialisten in der Umweltverwaltung zur Verfügung. Es zeichne sich bereits jetzt ab, dass die Lösung in Verwaltungskooperationen als zweckverbandsähnlichen Zusammenschlüssen gesucht werden müsse. Damit gerate die Kommunalisierung in Gegensatz zu der an sich angestrebten Einräumigkeit der Verwaltung. Kooperationsvereinbarungen habe die Staatsregierung gerade aus verschiedenen Gründen als nicht geeignete Alternative zur Gebietsneugliederung angesehen. Sie habe insoweit insbesondere auf eine Gefährdung der Transparenz der Zuständigkeiten hingewiesen. Genau dies drohe aber nun als Folge der Kommunalisierung. 3. Die Antragsteller halten die im Antrag genannten Artikel insgesamt für nichtig. Auch wenn der Verstoß gegen Art. 85 SächsVerf zunächst nur einzelne Bestimmungen des jeweiligen Fachgesetzes betreffe, seien diese über die Kommunalisierung so eng miteinander verbunden, dass er die Nichtigkeit der gesamten jeweiligen Artikel bewirke.

26 4. Unabhängig von den förmlich zum Gegenstand des Antrages gemachten Bedenken regen die Antragsteller die Prüfung weiterer Punkte an. a) Der Gesetzgeber habe kommunale Kooperationsformen als Alternative zu den Neugliederungsmaßnahmen abgelehnt. Dabei habe er dem Gesichtspunkt unzureichende Beachtung geschenkt, dass Kooperationsformen auch sichtbarer Ausdruck bürgerschaftlicher Akzeptanz und demokratischer Mitwirkung seien. Selbstverwaltung sei darauf angewiesen, dass sich Vertreter aus möglichst vielen gesellschaftlichen Gruppen zusammenfänden. Die Bereitschaft zur Mitwirkung sei aber von der räumlichen Ausdehnung der Landkreise abhängig. Daneben spielten auch ideelle Faktoren, wie die örtliche Verbundenheit und Identifikation mit der Körperschaft eine Rolle. Den Gesetzgeber verpflichte die Betonung nachhaltiger kommunaler Mitwirkung dazu, alles zu vermeiden, was das Ehrenamt zum Gegenstand bloßer gesetzlicher Regelung und zum Objekt nicht näher begründeter organisatorischer Eingriffe mache. So verstanden erwiesen sich kommunale Kooperationsformen nicht nur als milderes Mittel gegenüber Eingriffen in die Existenz von Selbstverwaltungskörperschaften. Sie seien gleichzeitig auch Ausdruck kommunaler Eigenverantwortung. Damit begründeten sie gesteigerte Darlegungslasten für den Gesetzgeber, denen er im konkreten Fall nicht gerecht geworden sei. Eine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der geplanten Eingriffe auf die Akzeptanz und Mitwirkungsbereitschaft der Bürger sei nicht erkennbar. Stattdessen würden lediglich Argumente der Effizienz der Aufgabenerfüllung ins Feld geführt. Der Hinweis des Gesetzgebers auf das Prinzip der Einräumigkeit der Verwaltung deute in diesem Zusammenhang auf einen Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit hin. Während er auf der einen Seite konsensuale Handlungsformen ablehne, schaffe er mit Art. 24 SächsVwNG gerade die Möglichkeit, Aufgaben zur Erprobung einer ortsnahen Aufgabenverwaltung auf kreisangehörige Gemeinden zu übertragen. Ausweislich der Gesetzesbegründung entspreche diese Ermächtigung sowohl einem verfassungskonformen Verständnis der Selbstverwaltungsgarantie als auch dem Ziel einer ortsnahen Aufgabenerledigung. Es sei dann aber nicht einsichtig, warum eine solche Form der Zusammenarbeit zwar vertikal im Verhältnis zwischen Landkreisen und Gemeinden möglich sein solle, horizontal aber ausgeschlossen werde. b) Anlass zur verfassungsrechtlichen Überprüfung biete schließlich die Bestimmung des § 17 SächsKrGebNG. Sie fingiere die Existenz der neu zu bildenden Landkreise für die Vorbereitung der Kreiswahlen. Hierin sei ein möglicher Verstoß gegen Art. 84 SächsVerf zu sehen. Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung sehe vor, dass Träger kommunaler Selbstverwaltung existierten, die man gegebenenfalls auch auflösen könne. Vorhandene Landkreise dürften jedoch nicht von fingierten neuen Trägern der kommunalen Selbstverwaltung überlagert werden.

IV. Der Landtag hat von einer Stellungnahme abgesehen.

27 Die Staatsregierung hält den Antrag teilweise für unzulässig, im Übrigen für unbegründet. 1. Soweit sich der Antrag auf die Art. 66 und 67 SächsVwNG beziehe, sei er bereits unzulässig, weil durch diese Regelungen keine neuen Aufgaben auf die kommunalen Träger der Selbstverwaltung übertragen würden. In den Rechtsbereichen dieser Artikel sei bereits nach der bislang geltenden Gesetzeslage eine generelle Zuständigkeit der Kreise als untere Verwaltungsbehörden begründet. 2. Unabhängig hiervon lägen die von den Antragstellern geltend gemachten verfassungsrechtlichen Verstöße nicht vor. a) Die Auflösung der Landkreise stehe in Einklang mit den Art. 85, 88 SächsVerf. aa) Vom Vorliegen der Voraussetzungen einer Mehrfachneugliederung im rechtlichen Sinne sei der Gesetzgeber nicht ausgegangen. Mit dem Hinweis auf die relativ kurze Zeit zurückliegende Neubildung der Landkreise habe lediglich der Umstand Erwähnung finden sollen, dass in der Zeit nach dem Beitritt bereits eine Anpassung der Gebietsstrukturen erfolgt sei. Den Verfassungsgerichtshof binde eine solche Einschätzung des Gesetzgebers ohnehin nicht, da der Landtag keine Kompetenz besitze, die für die Prüfung der Verfassungskonformität des Gesetzes einschlägigen Maßstäbe zu bestimmen. Zwar handele es sich bei der vorliegenden nicht um die erste kommunale Gebietsreform im Freistaat. Sie weise allerdings Besonderheiten auf, die eine Einordnung als Mehrfachneugliederung ausschlössen. Eine Mehrfachneugliederung liege nur dann vor, wenn sich bereits ein Vertrauensschutz in Bezug auf die durch die frühere Reform geschaffene Situation gebildet habe. Ein solches Vertrauen könne zum einen auf der Seite der neu gegliederten Gebietskörperschaften bestehen, auf der anderen Seite aber auch bei den betroffenen Bürgern, auf deren Identifikation mit der Gebietskörperschaft und deren Bereitschaft zur Beteiligung an den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft die Kommunen angewiesen sei. Die Umstände, unter denen ab 1993 die Reform im Freistaat stattgefunden habe, sei im Vergleich mit den Reformen der westdeutschen Bundesländer von deutlich weniger Stabilität geprägt gewesen. In Anbetracht der Dringlichkeit der damaligen Reformen und vor dem Hintergrund der erheblichen Unsicherheiten habe man nicht ernsthaft davon ausgehen können, dass die neu geschaffenen Strukturen in gleicher Weise stabil sein würden. Ein Vertrauen in die dauerhafte Fortexistenz der neu gebildeten Strukturen habe sich damit von vornherein nicht bilden können. Selbst wenn man vom Vorliegen einer Mehrfachneugliederung ausgehe, sei diese verfassungskonform. Der Verfassungsgerichtshof habe bereits im Beschluss vom 22. April 2008 dargelegt, dass der Gesetzgeber von der Notwendigkeit einer umfassenden Neugliederung auf der Kreisebene habe ausgehen dürfen. Zugleich hätten die vom Landtag verfolgten Ziele dem Gemeinwohl entsprochen und deshalb die Maßnahmen gerechtfertigt. Da es sich um eine landesweite Reform handele, habe es auch keiner Defizitanalyse auf der Ebene einzelner Kreise bedurft. Vielmehr gehe es notwendigerweise um die Beseitigung von Defiziten in den landesweit vorfindbaren Verwaltungsstrukturen. Aus den Materialien zur Reform werde auch die Auseinandersetzung des Gesetzgebers mit den Auswirkungen der vorangegangenen Reform

28 deutlich. Die Gesetzesbegründung stelle ausdrücklich fest, dass der demografischen Entwicklung seinerzeit noch keine hinreichend große Beachtung geschenkt worden sei. Aus der sich nunmehr abzeichnenden Entwicklung würden konkrete Probleme für die Kommunen gefolgert. Auch die Auswirkungen der Erweiterung der EU und der Globalisierung seien in den Materialien herausgearbeitet. Schließlich finde sich eine ausführliche Darlegung, dass die Verwirklichung der Ziele des LEP 2003 eine Verstärkung der Verwaltungskraft der Kommunen erfordere. Insgesamt beruhe die Reform damit auf einer ordnungsgemäßen Defizitanalyse. Im Übrigen sei der Gesetzgeber aber nicht darauf beschränkt, auf bereits eingetretene Mängel zu reagieren. Er dürfe vielmehr mit Blick auf die künftigen Entwicklungen eine Gebietsreform betreiben. bb) Die Entscheidung des Gesetzgebers lasse Abwägungsmängel nicht erkennen. Der Verfassungsgerichtshof habe die Vereinbarkeit der Grundsätze und Leitlinien der Gebietsreform mit den Vorgaben der Sächsischen Verfassung bereits bestätigt. Die neu zugeschnittenen Landkreise seien hinreichend überschaubar und böten die Möglichkeit der räumlichen Identifikation und Akzeptanz durch die Bürger. Auch sei die Verbundenheit der einzelnen Bürger mit den vorhandenen Landkreisen hinreichend berücksichtigt worden. Die Begründung des Gesetzentwurfs stelle insoweit sowohl auf die Bürger- und Problemnähe ab wie auch auf historische und religiöse Bindungen und Beziehungen. Bereits geklärt sei durch den Verfassungsgerichtshof, dass der Gesetzgeber auf die demografische Entwicklung mit der Gebietsneugliederung habe reagieren dürfen und es insofern genüge, dass positive finanzielle Auswirkungen zumindest in einem noch überschaubaren Zeitraum zu erwarten seien. cc) Die Entscheidung des Gesetzgebers für Borna als Sitz des neu zu bildenden Landkreises Leipzig sei in einem ergebnisoffenen Verfahren zustande gekommen, wie der Verfassungsgerichtshof bereits festgestellt habe. Gegen die in diesem Zusammenhang geäußerte Behauptung einer Koalitionsabsprache habe sich der seinerzeit amtierende Ministerpräsident ausdrücklich verwahrt. In ähnlicher Weise habe sich auch der Staatsminister des Innern vor dem Landtag geäußert. Im Übrigen ließen Äußerungen von Regierungsmitgliedern keine Rückschlüsse auf die Willensbildung im Landtag zu. Den Partnern einer Koalitionsregierung sei es nicht verwehrt, sich über Einzelheiten einer Reform auszutauschen und das Ziel zu verfolgen, auch im Rahmen der politischen Willensbildung dem Leitbild zu entsprechen und bei dessen Anwendung das Vorbringen der betroffenen Kommunen in die konkrete Abwägungsentscheidung aufzunehmen. dd) Die Gesetzesbegründung enthalte eine ausführliche und umfassende Auseinandersetzung mit der Alternative kommunaler Kooperationsformen. Soweit die Grundsätze und Leitlinien der Gebietsreform Kooperationsmodelle als Alternative ablehnten, habe der Verfassungsgerichtshof ihre Vereinbarkeit mit der Sächsischen Verfassung bereits bejaht. ee) In der durch § 17 SächsKrGebNG geschaffenen Fiktion des Bestehens der neuen Landkreise liege keine Verletzung von Art. 84 SächsVerf. Das Selbstverwaltungsrecht vorhande-

29 ner Landkreise erleide nicht dadurch Beeinträchtigungen, dass Wahlen vorbereitet und durchgeführt würden, deren Ergebnisse erst nach Auflösung dieser Landkreise zur Umsetzung gelangten. Bis zu diesem Zeitpunkt erfolge keine Übertragung öffentlicher Aufgaben und keine Überlagerung von Kompetenzen. Die Fiktion des Bestehens habe organisatorische und legitimatorische Gründe gehabt. Organisatorisch sei eine Wahl am besten in den bestehenden Verwaltungsstrukturen abzusichern. In den neuen Strukturen könnten dann solche Organe die Arbeit aufnehmen, die über eine unmittelbare demokratische Legitimation verfügen. b) Die mit dem Sächsischen Verwaltungsneuordnungsgesetz ins Werk gesetzte Kommunalisierung staatlicher Aufgaben verstoße nicht gegen Art. 85 SächsVerf. aa) Art. 85 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf sei Ausdruck der Entscheidung für eine möglichst dezentrale und bürgernahe Aufgabenansiedlung. Seine Voraussetzungen lägen vor, wenn die Kommunen eine bestimmte überörtliche Aufgabe für die nähere Zukunft in hinreichender Qualität und Quantität erfüllten, der Freistaat sich hierauf aufgrund der erkennbaren Umstände verlassen könne und das Ganze in wirtschaftlicher Hinsicht unter Beachtung der Entscheidung für die dezentrale und bürgernahe Verwaltung Sinn mache. Die Fähigkeit zu zuverlässiger und zweckmäßiger Aufgabenerfüllung hänge maßgeblich von der Verwaltungskraft der Kommunen ab. Die Zuordnung von Aufgaben setze eine Prognose des Gesetzgebers voraus, die naturgemäß mit Unsicherheiten behaftet sei. Verfassungsrechtlich sei der Gesetzgeber gehalten, die ihm mit vertretbarem Aufwand zugänglichen Erkenntnismittel auszuschöpfen. Bei der Entscheidung selbst komme ihm eine Einschätzungsprärogative zu, die gerichtlich nicht vollständig überprüfbar sei. Für die Übertragung auf die Kommune komme es nicht notwendig darauf an, dass diese die fraglichen Aufgaben genauso gut oder gar besser als staatliche Behörden erfüllen könnten. Ausreichend sei vielmehr eine Erledigung in hinreichender, zufriedenstellender Qualität. Auch die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit anderen Kommunen stehe der Übertragung nicht entgegen. Nach diesen Maßstäben seien die konkreten Aufgabenübertragungen verfassungsgemäß. Dies gelte insbesondere für die streitigen Übertragungen von Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes. Die Leistungsfähigkeit der kommunalen Ebene sei nicht zuletzt durch den Personalübergang und den Mehrbelastungsausgleich gegeben. Aufgaben, die hoch spezialisierte Fachkenntnisse erforderten, seien in der Regel auch nicht kommunalisiert worden. Insofern sei es zu einer Konzentration auf der staatlichen Ebene bei den künftigen Landesdirektionen gekommen. Hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der Aufgabenübertragung bleibe zu erwähnen, dass die Kreisebene schon bisher vielfältige Umweltvollzugsaufgaben wahrgenommen habe und deshalb über ein hohes Maß an Sachkompetenz und Erfahrung verfüge. Durch die Zusammenlegung der Gebietskörperschaften komme es zudem zu einer qualitativen und quantitativen Stärkung der materiellen Leistungsfähigkeit. Der Umweltfachbereich der Regierungspräsidien habe schon bisher neben der fachlichen Betreuung der Vollzugsaufgaben der Regierungspräsidien auch die Beratung der unteren Umweltbehörden bei deren Vollzugsaufgaben sichergestellt. Ein wesentlicher Teil dieser Fachkompetenz sei nun direkt den neu gegliederten Ge-

30 bietskörperschaften zugeordnet. Durch diese Zusammenführung von Vollzugs- und Fachkompetenz könnten Synergien erschlossen werden. Zudem seien die Zuständigkeiten übersichtlicher und könnten die Verfahren ortsnäher durchgeführt werden. Zum 1. August 2008 gingen im Bereich der Umweltverwaltung 387 Vollzeitäquivalente (Fachpersonal) auf die Kreisebene über. Zusammen mit dem bereits vorhandenen Personal verfüge diese dann über insgesamt über 1000 Vollzeitäquivalente in diesem Bereich. Betrachte man allein das Fachpersonal, so stünden je Gebietskörperschaft dann im Bereich Immissionsschutz im Mittel 17, im Bereich Naturschutz im Mittel 14, im Bereich Abfall/Bodenschutz im Mittel 15 und im Bereich Wasser im Mittel 22 Fachkräfte je Landkreis zur Verfügung. Der Umfang des dann vorhandenen Personals ermögliche eine mit den Umweltfachbereichen der Regierungspräsidien vergleichbare Spezialisierungstiefe. bb) Es sei auch nicht zu befürchten, dass die Übertragung zusätzlicher Aufgaben eine Gefährdung der Selbstverwaltungshoheit begründe. Durch die Übertragung zusätzlichen Personals und den Mehrbelastungsausgleich erscheine gewährleistet, dass den kommunalen Trägern der Selbstverwaltung noch ein angemessener Raum für die Wahrnehmung originärer Selbstverwaltungsangelegenheiten verbleibe. Im System der Art. 84 und 85 SächsVerf seien Gefahren für die Selbstverwaltung dadurch ausgeschlossen, dass der Freistaat den Kommunen für die Finanzierung im Grundsatz sämtlicher Pflichtaufgaben durch seine Pflicht zur Kostendeckung aus Art. 85 Abs. 1 Satz 3 SächsVerf und zum Mehrbelastungsausgleich nach Art. 85 Abs. 2 SächsVerf verantwortlich bleibe. cc) Mit der Novellierung des Sächsischen Waldgesetzes durch Art. 73 SächsVwNG trenne man das hoheitliche Handeln im Wald aus ordnungspolitischen Gründen vom schlichthoheitlichen und betrieblichen Handeln. Bürger- und ortsnahes Vollzugshandeln sei originäre Kernkompetenz der kommunalen Gebietskörperschaften. Beim Staatsbetrieb Sachsenforst verblieben hingegen die Aufgaben der Staatswaldbewirtschaftung, der Beratung und Betreuung im Privatwald, der forsttechnischen Betriebsleitung sowie der forstliche Revierdienst im Körperschaftswald. Diese Aufgaben seien sämtlich durch unternehmerisches und betriebswirtschaftliches Handeln geprägt. Daneben nehme der Staatsbetrieb Sachsenforst auch zukünftig die gesamtstaatlichen, waldbesitzartenübergreifenden Aufgaben des forstlichen Versuchs- und Forschungswesen wahr. Der Vollzug der zentralen waldgesetzlichen Aufgaben sei hingegen durch häufige, intensive und enge Kontakte mit Trägern öffentlicher Belange wie den unteren Naturschutz-, Landwirtschafts- und Baubehörden geprägt, die auf der Kreisebene angesiedelt seien. Deshalb führe die Kommunalisierung zum Abbau von Behördenschnittstellen, zu Synergieeffekten sowie zur Einräumigkeit und Einheitlichkeit der Verwaltung. Im Übrigen seien keine Eigenheiten erkennbar, die es rechtfertigten, die Forstaufsicht anders als im übrigen Umweltrecht zu gestalten. Unabhängig hiervon bestehe auch bislang schon innerhalb des Staatsbetriebs Sachsenforst eine Trennung der Geschäftsfelder. Dies sei ein Indiz für den differenzierten Charakter der Aufgaben, die Notwendigkeit zur Spezialisierung und die Zweckmäßigkeit der Übertragung des Geschäftsfeldes Forsthoheit auf die Kreisebene. Der Übergang von 193 Mitarbeitern

31 des Staatsbetriebs Sachsenforst – vor allem aus dem ingenieur-technischen Bereich – stelle sicher, dass in ausreichendem Maße Fachkompetenz auf der Kreisebene angesiedelt werde. dd) Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 85 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf bestehe im Regelfall ein Verfassungsauftrag zur Übertragung der in Rede stehenden Aufgaben. Nur wenn eine atypische Konstellation vorliege, könne der Gesetzgeber hiervon absehen. Dies sei der Fall, wenn das öffentliche Interesse an der Aufgabenwahrnehmung durch höherstufige Behörden ausnahmsweise das Interesse an Dezentralität und Ortsnähe überwiege. Anhaltspunkte hierfür seien aber weder vorgetragen noch ersichtlich. Des Weiteren sei nicht erkennbar, dass Art. 85 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf in Gegensatz zum Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung geraten könnte. Die Vorschrift stehe vielmehr im Zusammenhang mit Art. 84 Abs. 1 und Art. 82 Abs. 2 Satz 2 SächsVerf, die die Fähigkeit der Kommunen zur eigenverantwortlichen Erfüllung örtlicher Aufgaben vor den Risiken überörtlicher Aufgabenübertragung flankierend schützten. Der Verfassung sei nicht zu entnehmen, dass auf der kommunalen Ebene den übertragenen staatlichen Aufgaben eine bestimmte Mindestmenge an örtlichen Aufgaben gegenüberstehen müsse. Schließlich lasse sich Art. 85 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf auch kein Grundsatz entnehmen, Aufgaben vorrangig an die Gemeinden zu übertragen, soweit von ihnen eine zuverlässige und zweckmäßige Erfüllung zu erwarten sei.

B. Der Antrag ist nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 2 SächsVerf, § 7 Nr. 2, § 21 Nr. 1 SächsVerfGHG zulässig.

I. Der Antrag war dahin auszulegen, dass neben den Regelungen des § 2 Abs. 1 SächsKrGebNG und der Art. 66, 67 und 73 SächsVwNG auch § 3 Nr. 4 SächsKrGebNG der verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterworfen werden soll. Zwar wird diese Norm im Antrag nicht benannt. Die Antragsteller setzen sich aber ausführlich mit ihr auseinander und bringen in der Antragsschrift zum Ausdruck, insoweit eine verfassungsgerichtliche Überprüfung zu begehren. Den Anforderungen an eine hinreichende Bestimmung des Verfahrensgegenstandes mit der Antragsschrift sind sie damit gerecht geworden (vgl. Graßhof in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl., § 76 Rn. 21).

II. Die Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofes ist auf die vom Antrag umfassten Vorschriften des Sächsischen Kreisgebietsneugliederungsgesetzes und des Sächsischen Verwaltungsneuordnungsgesetzes begrenzt. Über Weiteres war nicht zu entscheiden.

32

1. Im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle wird der Prüfungsgegenstand durch den Antrag bezeichnet, der im Hinblick auf die im Einzelnen vorgebrachten Beanstandungen auszulegen ist (vgl. BVerfGE 86, 148 [210 f.]; 93, 37 [65]; 97, 198 [213]). Allerdings können von den Antragstellern nicht konkret angegriffene Vorschriften in die Prüfung einbezogen werden, wenn sie mit den zulässigerweise angegriffenen Vorschriften in einem engen inhaltlichen Regelungszusammenhang stehen (SächsVerfGH JbSächsOVG 4, 50 [127]; vgl. BVerfGE 109, 279 [374, 380]). Außerdem ermächtigt § 23 Satz 2 SächsVerfGHG den Verfassungsgerichtshof, seine Entscheidung auf weitere nicht konkret angegriffene Bestimmungen desselben Gesetzes zu erstrecken, soweit bei ihnen dieselben (Un-)Vereinbarkeitsgründe vorliegen (SächsVerfGH JbSächsOVG 11, 55 [143]). 2. Eine Einbeziehung weiterer Regelungen beider Gesetzeswerke in die verfassungsgerichtliche Kontrolle kam danach nicht in Betracht. a) Hinsichtlich des § 17 SächsKrGebNG haben die Antragsteller eine gerichtliche Überprüfung ausdrücklich lediglich angeregt. Mit dem konkret angegriffenen § 2 Abs. 1 SächsKrGebNG, der die bisherigen Landkreise auflöst, steht er aber in keinem derart engen sachlichen Regelungszusammenhang, dass eine gemeinsame Überprüfung geboten erscheint. Die von den Antragstellern vorgetragenen Gründe für seine Verfassungswidrigkeit unterscheiden sich zudem von den Bedenken hinsichtlich des § 2 Abs. 1 SächsKrGebNG, so dass auch eine Anwendung des § 23 Satz 2 SächsVerfGHG ausscheidet. b) Soweit die Antragsteller darüber hinaus ganz allgemein anregen, die Regelungen des Sächsischen Verwaltungsneuordnungsgesetzes und des Sächsischen Kreisgebietsneugliederungsgesetzes insgesamt auf ihre Verfassungsgemäßheit hin zu überprüfen, entspricht die Antragsschrift schon nicht den Begründungserfordernissen. Die Zulässigkeit der abstrakten Normenkontrolle setzt eine substantiierte Darlegung der behaupteten Verfassungswidrigkeit durch den Antragsteller voraus (vgl. Graßhof, a.a.O., § 76 Rn. 41; Rozek in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Stand April 2008, § 76 Rn. 61). Hieran fehlt es augenscheinlich. Der Verfassungsgerichtshof ist daher von vornherein an einer umfassenden inhaltlichen Überprüfung der Gesetzeswerke gehindert. c) Der Vortrag der Antragsteller in ihrem Schriftsatz vom 26. Mai 2009 sowie in der mündlichen Verhandlung zu Schwierigkeiten bei der Vollziehung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch sollte ersichtlich nicht einer vertieften Auseinandersetzung mit der Verfassungsgemäßheit von bestimmten Regelungen des Sächsischen Verwaltungsneuordnungsgesetzes dienen, sondern vielmehr die Auswirkungen der Funktionalreform in der Praxis illustrieren. Er war damit nicht geeignet, die Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofs über die im Antrag benannten Regelungen hinaus auszudehnen.

33 3. Allein innerhalb dieses gegenständlichen Rahmens prüft der Verfassungsgerichtshof die Gültigkeit der angegriffenen gesetzlichen Regelungen unter allen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, mithin ohne eine Bindung an den Vortrag der Antragsteller (vgl. BVerfGE 93, 37 [65]).

C. § 2 Abs. 1 und § 3 Nr. 4 SächsKrGebNG und Art. 66, 67 und 73 SächsVwNG sind mit der Sächsischen Verfassung vereinbar.

I. Die Auflösung der bisherigen Landkreise durch § 2 Abs. 1 SächsKrGebNG steht im Einklang mit Art. 82, 88 SächsVerf. 1. Den Landkreisen wird durch Art. 82 Abs. 2 SächsVerf das Recht gewährleistet, ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Diese an Art. 28 Abs. 2 GG anknüpfende und in den Art. 84 bis 90 SächsVerf näher ausgeformte Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung enthält eine objektive Garantie der Kreisebene mit ihren typusbestimmenden Merkmalen als Institution; den einzelnen Landkreis als solchen oder dessen konkreten gebietlichen Bestand sichert sie nicht (SächsVerfGH JbSächsOVG 2, 61 [70]; SächsVerfGH SächsVBl. 1997, 79 [79 f.]). Gleichwohl ist dieser gegenüber seiner Auflösung und der Neuordnung der Kreisgebiete nicht ohne Schutz. Zum verfassungsrechtlich gewährleisteten Kernbereich des kreiskommunalen Selbstverwaltungsrechts, so wie es sich historisch entwickelt hat, gehört auch, dass Veränderungen des Gebietszuschnitts nur aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit und nach Anhörung der die Veränderung betreffenden Gebietskörperschaften zulässig sind. In diesem Sinne ist auch Art. 88 Abs. 1 SächsVerf zu verstehen, der nicht nur für Gebietsänderungen, sondern auch für die ihnen vorgelagerte Auflösung von Trägern kommunaler Selbstverwaltung gilt (SächsVerfGH JbSächsOVG 2, 61 [70 f.]; SächsVBl. 1997, 79 [80]). 2. Die gesetzgeberische Entscheidung zur Neugliederung der Landkreise entspricht den hieraus abzuleitenden prozeduralen und materiellen Anforderungen. a) Der Verfassungsgerichtshof hat bereits entschieden, dass die in den Jahren 1993 bis 1996 umgesetzte Kreisgebietsreform keinen aus dem Tatbestand einer Mehrfachneugliederung abzuleitenden Bestands- oder Vertrauensschutz der Landkreise begründete (SächsVerfGH NVwZ 2009, 39 [40 f.]). aa) Zwar schränken frühere Änderungen des Gebietszuschnitts den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ein, soweit ein schutzwürdiges Vertrauen der Betroffenen in den Bestand der kommunalen Struktur und der ihrer Schaffung zu Grunde liegenden

34 Erwägungen besteht. Dies gilt sowohl bezogen auf die Perspektive der Gebietskörperschaft für im Vertrauen auf die Entscheidung des Gesetzgebers getroffene Dispositionen als auch für das Vertrauen der Einwohner in den Bestand einmal getroffener staatlicher Organisationsentscheidungen (vgl. BVerfGE 86, 90 [110]; BVerwGE 36, 108 [111 ff.]). Dem Gesetzgeber ist es damit nicht grundsätzlich verwehrt, fehlerhafte Annahmen zu korrigieren oder neuen Erkenntnissen bzw. veränderten Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Vertrauens- und Bestandsschutzinteressen bleiben aber im Falle einer Mehrfachneugliederung bei der Ermittlung des die Gebietsänderung rechtfertigenden Sachverhalts, der Anhörung der betroffenen Körperschaften und auch bei der Abwägung der Gemeinwohlgründe zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 86, 90 [109f.]; VerfGH NRW, Urteil vom 13. September 1975 – 43/74, juris Rn. 58; Stüer, DVBl. 1977, 1 [7]; Rothe, Kreisgebietsreform und ihre verfassungsrechtlichen Grenzen, 2004, S. 151 f.). Die Beurteilung der konkret zu berücksichtigenden Interessen hängt dabei einerseits von den Rahmenbedingungen der jeweiligen Gebietsänderung und andererseits von den Erwartungen ab, die der Gesetzgeber mit einer früher verfolgten Konzeption begründet hat (SächsVerfGH NVwZ 2009, 39 [40]). bb) Mit dem Kreisgebietsreformgesetz vom 24. Juni 1993 sind die aus der deutschen Wiedervereinigung hervorgegangenen kreiskommunalen Strukturen im Freistaat einer in sich abgeschlossenen Neuordnung unterzogen worden. Diese erste Kreisgebietsreform wurde aber unter nicht gefestigten Rahmenbedingungen und ohne gesicherte Landesplanung mit dem Ziel vorgenommen, zunächst einmal funktionsfähige und den damaligen Verhältnissen entsprechende Selbstverwaltungsstrukturen zu schaffen. Hiervon ausgehend konnte der Gesetzgeber bereits nach einem Zeitraum von etwa zwölf Jahren seit dem Abschluss der ersten Gebietsreform seine damaligen Annahmen einer kritischen Überprüfung unterziehen und auf der Basis nunmehr erhobener Daten und Prognosen die Kreisgebiete unter Berücksichtung der zwischenzeitlich entwickelten Landesplanung neu ordnen. Dem noch bestehenden zeitlichen Zusammenhang mit der Kreisgebietsreform der Jahre 1993 bis 1996 korrespondieren jedoch keine den Gesetzgeber in seiner Gestaltungsfreiheit einschränkenden Bestands- oder Vertrauensschutzinteressen. Aufgrund der Rahmenbedingungen konnte von einem langfristigen, über einen Zeitraum von 30 bis 40 Jahren währenden Bestand der ersten Kreisgebietsreform nicht ausgegangen werden. Der Gesetzgeber sah sich einem Zielkonflikt ausgesetzt, da einerseits dem dringenden Bedürfnis zur Anpassung der Kreisgebiete an zeitgemäße Strukturen zu entsprechen war, andererseits aber Ungewissheit im Hinblick auf den noch nicht abgeschlossenen und in seinen Folgen auch nicht absehbaren Umstrukturierungsprozess nach der Wiedervereinigung bestand (vgl. Drs. 2/1572, S. 7 ff.). Die sachlich begründete und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Entscheidung zur Gebietsreform unter Inkaufnahme von Ungewissheiten hatte zwangsläufig zur Folge, dass durch seinerzeit nicht vorauszusehende Entwicklungen bereits zu einem früheren Zeitpunkt Handlungsbedarf entstehen konnte und dem Gesetzgeber hieran

35 anknüpfend ein erneutes Tätigwerden aufgrund neuer und besserer Erkenntnisse in größerem Umfang eröffnet sein muss. Diese aus der seinerzeitigen Ungewissheit über die künftige Entwicklung resultierende Vorläufigkeit begrenzte von vornherein die Bestands- und Vertrauensschutzinteressen der betroffenen Kreise und ihrer Einwohner (SächsVerfGH NVwZ 2009, 39 [41]). cc) Insoweit war der Verfassungsgerichtshof auch nicht an eine etwaige Einschätzung des Gesetzgebers zum Vorliegen einer Mehrfachneugliederung gebunden. Zum einen fehlt es bereits an einer entsprechenden Einschätzung des Gesetzgebers. Mit den Ausführungen in der Begründung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung (vgl. Anlage 3 zur Drs. 4/10840, S. 47 f.) wurde der Tatbestand einer Mehrfachneugliederung nicht als gegeben vorausgesetzt. Zum anderen würde eine dahingehende Einschätzung den Verfassungsgerichtshof nicht binden. Der Begriff der Mehrfachneugliederung ist Teil des verfassungsrechtlichen Maßstabs, anhand dessen die kommunale Neugliederungsmaßnahme des Gesetzgebers zu prüfen bleibt. Dieser ist indes allein aus der vom Verfassungsgerichtshof zu konkretisierenden Verfassung herzuleiten (SächsVerfGH NVwZ 2009, 39 [40]). b) Die betroffenen Gebietskörperschaften wurden vor Erlass des Sächsischen Kreisgebietsneugliederungsgesetzes angehört. Vor Gebietsänderungen sind die von ihr betroffenen Träger kommunaler Selbstverwaltung anzuhören, um ihnen zu ermöglichen, ihre Sicht der Belange des Wohls der Allgemeinheit zum Ausdruck zu bringen und dem Gesetzgeber eine umfassende und zuverlässige Kenntnis von allen abwägungserheblichen Gesichtspunkten rechtlicher und tatsächlicher Art zu vermitteln (SächsVerfGH JbSächsOVG 2, 110, 120; SächsVBl. 2008, 170 [174]). Dieses Anhörungsrecht gehört zum Kern der institutionellen Garantie der kommunalen und kreiskommunalen Ebene und ist damit Bestandteil der Gewährleistung des Art. 82 Abs. 2 Satz 2 SächsVerf (SächsVerfGH JbSächsOVG 2, 110, 119 f.). Mängel im Anhörungsverfahren sind weder mit dem Antrag geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Den Landkreisen und Kreisfreien Städten wurde im Zeitraum Dezember 2006 bis einschließlich März 2007 vom Staatsministerium des Inneren Gelegenheit gegeben, zum später auch so umgesetzten Neugliederungskonzept Stellung zu nehmen. Die Ergebnisse dieser Anhörung wurden im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu Grunde gelegt (vgl. Drs. 4/10840, S. 197 ff. und 220 ff.). c) Die mit dem Sächsischen Kreisgebietsneugliederungsgesetz umgesetzten Gebietsänderungen dienen – wie der Verfassungsgerichtshof bereits entschieden hat (SächsVerfGH NVwZ 2009, 39 [41 ff.]; SächsVBl. 2008, 170 [174 ff.]) – dem Wohl der Allgemeinheit. Den dort entfalteten Maßstäben der verfassungsgerichtlichen Kontrolle werden die angegriffenen gesetzlichen Regelungen gerecht.

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aa) Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Neuzuschnitt der Kreise legitime Ziele, die ihre Basis in der institutionellen Garantie kommunaler Selbstverwaltung haben. Mit Blick auf die in der 4. Regionalisierten Bevölkerungsprognose des Statistischen Landesamtes Sachsen prognostizierten Entwicklungen der demografischen Parameter, der Verschuldungssituation im Freistaat Sachsen und den im Vergleich mit anderen Bundesländern nach wie vor bestehenden Personalüberhang (vgl. Anlage 3 zur Drs. 4/10840, S. 7 ff.; sowie zur Rahmensituation insgesamt bereits SächsVerfGH SächsVBl. 2008, 170 [175]) durfte sich der Gesetzgeber zu einem Handeln veranlasst sehen und mit der Neuordnung der Kreise auf eine Stärkung der kreiskommunalen Selbstverwaltung hinarbeiten. Deren Strukturen sollen der prognostizierten Entwicklung angepasst werden, um die Effizienz öffentlichen Verwaltungshandelns sowie die Wirtschaftlichkeit der Kreise nachhaltig zu erhöhen und die Voraussetzungen für eine bürgernahe Verwaltung zu schaffen. Darüber hinaus sollen sich die Kreise bei der Erfüllung ihres durch das Sächsische Verwaltungsneuordnungsgesetz deutlich erweiterten Aufgabenkreises besser auf die sich ändernden Rahmenbedingungen einstellen können (Anlage 3 zur Drs. 4/10840, S. 49 f.). Die verfassungsrechtliche Legitimation dieser Zielsetzungen steht außer Frage (SächsVerfGH NVwZ 2009, 39 [42]; SächsVBl. 2008, 170 [175]). Mit der Erhöhung der Leistungskraft und Effizienz der Landkreise und Kreisfreien Städte bei gleichzeitiger Gewährleistung einer bürgernahen Verwaltung verfolgt der Gesetzgeber ein unmittelbar in der institutionellen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung verankertes Ziel (SächsVerfGH SächsVBl. 1999, 236 [239]; vgl. BVerfGE 79, 127 [148], ThürVerfGH LVerfGE 5, 391 [417]). Nichts anderes gilt für das Bestreben, Unterschiede in den bestehenden Kreisstrukturen abzuschaffen und eine ausgewogene Entwicklung aller Landesteile zu ermöglichen. Ob sich die Gemeinwohlgerichtetheit solcher Gebietsreformen bejahen ließe, die ihren Anlass allein in strukturellen Problemen der Staatsverwaltung haben, mag hier dahinstehen. Denn – anders als die Antragsteller meinen – ging es dem Gesetzgeber ersichtlich nicht darum, mit der Gebietsreform lediglich die Voraussetzungen für einen Personalabbau auf der staatlichen Ebene zu schaffen. Er sah die Funktionalreform mit ihren Aufgaben- und Personaldelegationen vielmehr als ein Element der notwendigen Stärkung aller Verwaltungsebenen an (vgl. Anlage 3 zur Drs. 4/10840, S. 45 f.). Bestand aus seiner Sicht neben dem Bedarf an Gebietsänderungen auch die Notwendigkeit zu Reformen des Verwaltungsaufbaus, durfte er nicht nur die Gebiets- mit einer Funktionalreform verbinden. Vielmehr drängte sich diese Verbindung angesichts der Komplementarität beider Reformvorhaben unter Gesichtspunkten der Effektivität und Nachhaltigkeit der Gebietsänderungen geradezu auf. bb) Die der Neugliederung als Ordnungsrahmen zu Grunde gelegten Grundsätze und Leitlinien sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

37

(1) Der Verfassungsgerichtshof hat in den bislang zur Kreisgebietsneugliederung 2008 ergangenen Entscheidungen festgestellt, dass der Gesetzgeber den für die Leitsatzbildung relevanten Sachverhalt im gebotenen Umfang erhoben hat, insbesondere auf Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung zurückgreifen konnte, die nicht über das Jahr 2020 hinausreichen (SächsVerfGH NVwZ 2009, 39 [42]; SächsVBl. 2008, 170 [176]). (2) Den Grundsätzen und Leitlinien ist die Geeignetheit, die Reformziele zu verwirklichen, nicht abzusprechen. Insbesondere erscheint die vorgesehene Vergrößerung der Landkreise und Kreisfreien Städte auf eine Regelmindestgröße von 200.000 Einwohnern im Jahr 2020 bei einer Fläche der Landkreise von nicht wesentlich mehr als 3.000 km² und einer auf den Ausgleich bestehender Unterschiede gerichteten Abgrenzung der Kreisgebiete nicht offensichtlich ungeeignet, die der Reform zu Grunde liegenden Ziele zu erreichen (SächsVerfGH NVwZ 2009, 39 [42 f.]; SächsVBl. 2008, 170 [175 f.]). Die Annahme des Gesetzgebers, dass der Neuzuschnitt der Landkreise geeignet ist, die Verwaltungsstrukturen im Hinblick auf die durch die Funktionalreform bewirkte Aufgabenkommunalisierung zu optimieren, begegnet mit Blick auf den eingeschränkten Prüfungsmaßstab des Verfassungsgerichtshofs keinen Bedenken (SächsVerfGH NVwZ 2009, 39 [42 f.]). Dem Gesetzgeber kann nicht der Vorwurf gemacht werden, auf die Bedeutung historischer und regionaler Zusammenhänge mit offensichtlich ungeeigneten Leitlinien reagiert zu haben. Allerdings setzt die Aktivierung der Bürger für die kommunalen Angelegenheiten Gebietskörperschaften voraus, die durch ihren Zuschnitt Identifikation und Zusammengehörigkeitsgefühl vermitteln (vgl. BVerfGE 82, 310 [314]; 11, 266 [275 f.]). Eine ausschließlich an Effizienzgesichtspunkten orientierte Gebietsreform kann hierzu in Widerspruch geraten. Der Gesetzgeber hat jedoch diesen Aspekten bei der Bestimmung der Kreisgröße wie auch bei deren räumlichem Zuschnitt besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Was die Kreisgröße anbelangt, sah er gerade im Hinblick auf die Ermöglichung und Wahrung bürgerschaftlichen Engagements sowie der Identifikation der Bürger mit ihrem Kreis eine Regelobergrenze von 3.000 km² vor. Trotz einer mit der Größe der Kreise zunehmenden Effizienz der Verwaltungsstrukturen erteilte er dem Modell von Großkreisen damit eine Absage (Anlage 3 zur Drs. 4/10840, S. 63 f.). Beim Zuschnitt der Kreise ließ sich der Gesetzgeber einerseits von der Maßgabe leiten, das Gebiet bestehender Landkreise nicht auf mehrere neue Landkreise aufzuteilen, um so die seit der vorhergehenden Kreisgebietsreform entstandenen Beziehungen und Strukturen nicht zu stören (Anlage 3 zu Drs. 4/10840, S. 67). Darüber hinaus hat er sich mit der Leitlinie 9 einer Berücksichtigung kultureller, historischer und religiöser Bindungen und Beziehungen verschrieben und insoweit den Kulturräumen nach dem Sächsischen Kulturraumgesetz besondere Bedeutung beigemessen (Anlage 3 zur Drs. 4/10840, S. 74).

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(3) Die Grundsätze und Leitlinien sind auch erforderlich, um die gesetzgeberischen Ziele zu erreichen. (aa) Der Verfassungsgerichtshof hat nicht zu untersuchen, ob die bestehenden Kreisgebietsstrukturen einen besonderen Handlungsbedarf begründeten, weil sich Mängel in der Verwaltung oder bei der Versorgung der Bevölkerung gezeigt haben. Die Selbstverwaltungsgarantie zwingt den Gesetzgeber nicht, den Eintritt konkreter Defizite abzuwarten, bevor er Maßnahmen einer Gebietsreform in Angriff nimmt. Sie sind vielmehr verfassungsrechtlich schon dann gerechtfertigt, wenn er eine Verbesserung anstrebt (vgl. StGH BW ESVGH 26, 129 [149]; ESVGH 25, 1 [22]; VerfGH NRW 30, 209 [305]). Hierzu hat die Begründung zur Kreisgebietsneugliederung nachvollziehbar aufgezeigt, dass die Vergrößerung der Kreisgebiete den künftigen Aufgabenstellungen besser entspricht und auch die Verteilung des in Sonderbehörden angesiedelten Personals im Zuge der Aufgabenkommunalisierung besser bewerkstelligt werden kann (vgl. Anlage 3 zur Drs. 4/10840, S. 55 ff.). Einer besonderen Defizitanalyse, wie sie die Antragsteller anmahnen, bedurfte es damit nicht. Dem Gesetzgeber ging es im Schwerpunkt nicht um eine Beseitigung bestehender Defizite auf der Kreisebene; er hat einen Handlungsbedarf in erster Linie aus den prognostizierten Entwicklungen der näheren Zukunft abgeleitet. Rechtfertigen diese schon für sich die ins Werk gesetzte Reform, konnte er von einer detaillierten Untersuchung bestehender Mängel absehen. (bb) Schließlich hat sich der Gesetzgeber mit alternativen Lösungen auseinandergesetzt und mit nachvollziehbarer Begründung die Beibehaltung der bestehenden Kreisgebiete (vgl. Anlage 3 zur Drs. 4/10840, S. 27 f.), aber auch Kooperationsmodelle als Handlungsalternative und schließlich die Bildung deutlich größerer Landkreise abgelehnt (vgl. Anlage 3 zur Drs. 4/10840, S. 63 f.; hierzu bereits SächsVerfGH SächsVBl. 2008, 170 [176 f.]). Mit der grundsätzlichen Ablehnung von Kooperationsmodellen als Alternative zur Gebietsreform setzt sich der Gesetzgeber nicht in Widerspruch zu den Grundzügen der Funktionalreform, die eine weitgehende Aufgabenkommunalisierung unter Nutzung interkommunaler Kooperationsmodelle vorsehen. Zur Vermeidung von Gebietsreformen wären Kooperationslösungen notwendig geworden, die eine umfassende Erledigung der kommunalen Aufgaben ermöglicht hätten, als solche aber verschiedenen verfassungsrechtlichen wie auch einfach-gesetzlichen Einwänden begegnen. Die Einschätzung des Gesetzgebers, sie seien zur Zielerreichung weniger geeignet, erscheint mit Blick hierauf verfassungsrechtlich unbedenklich (SächsVerfGH SächsVBl. 2008, 170 [176]). Im Rahmen der Funktionalreform geht es hingegen um die gemeinsame Erledigung einzelner Aufgaben oder auch nur Teilen davon, die die grundsätzlich eigenverantwortliche Aufgabenerledigung durch den Kreis unberührt lässt. Unter diesen Voraussetzungen bietet das Kommunalrecht einen effektiven Rechtsrahmen. Auch

39 drohen in weitaus geringerem Maße Nachteile der Kooperationsformen im Hinblick auf die Transparenz der Verwaltung. cc) Die Anwendung der Grundsätze und Leitlinien im konkreten Fall hält einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung stand. Es ist weder ersichtlich noch von den Antragstellern geltend gemacht, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Abwägungsentscheidung von seinen Grundsätzen und Leitlinien abgewichen ist oder offensichtlich unzutreffende Wertungen oder Prognosen angestellt hat. Ob die zugrunde liegenden Prämissen auch andere als die beschlossenen Gebietszuschnitte ermöglicht hätten, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu entscheiden. Es ist allein Sache des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, die relevanten Belange zu gewichten und zwischen möglichen Handlungsalternativen auszuwählen (SächsVerfGH SächsVBl. 2008, 170 [174], st. Rspr.).

II. Die Bestimmung des Sitzes des Landratsamtes für den Landkreis Leipzig in § 3 Nr. 4 SächsKrGebNG steht ebenfalls im Einklang mit Art. 82 Abs. 2 und Art. 88 SächsVerf. 1. Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Bestimmung des Sitzes des Landratsamtes, soweit sie mit einer Gebietsänderung nach Art. 88 Abs. 1 SächsVerf einhergeht, dem Landesgesetzgeber zusteht (SächsVerfGH JbSächsOVG 2, 52 [54]; vgl. VerfGH Rh.-Pf. DÖV 1970, 198 [202]; VerfGH NRW OVGE 31, 296 f.; NdsStGH DÖV 1979, 406). Wegen des unmittelbarem Zusammenhangs unterliegt sie den gleichen verfassungsrechtlichen Bindungen, wie sie für die Gebietsänderungen selbst gelten (SächsVerfGH JbSächsOVG 2, 52 [54]; vgl. StGH BW ESVGH 23, 1 [21]). Daraus folgt, dass den Maßstab der verfassungsgerichtlichen Kontrolle im Rahmen des Art. 90 SächsVerf allein die Selbstverwaltungsgarantie bildet, wie sie in Art. 82 Abs. 2 und Art. 88 SächsVerf gewährleistet ist (SächsVerfGH NVwZ 2009, 39 [40]). 2. Der Gesetzgeber hat mit den Grundsätzen und Leitlinien zur Bestimmung des Sitzes der Kreisverwaltung eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende Konkretisierung des Gemeinwohlbegriffs vorgenommen. a) Das vom Gesetzgeber zu schaffende System hat die Funktion des Sitzes der Kreisverwaltung als Mittelpunkt politischer, gesellschaftlicher und administrativer Aktivitäten mit Ausstrahlung auf das gesamte Kreisgebiet zu verwirklichen (vgl. Pappermann/Stollmann, NVwZ 1993, 240 [244]). Die für die Kreissitzbestimmung entwickelten Kriterien müssen geeignet sein, eine hieran orientierte Einzelfallentscheidung herbeizuführen.

40 Der Verfassungsgerichtshof hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber mit der weitgehenden Anbindung der für die Sitzbestimmung maßgeblichen Kriterien an das im LEP 2003 dokumentierte System der Zentralen Orte (vgl. Nr. 2.3 LEP 2003) eine diesem Maßstab genügende Grundlage für eine Einzelfallentscheidung geschaffen hat. Die in diesem System vorgenommene Einstufung orientiert sich an Kriterien, die zugleich Ausdruck der Bedeutung einer Gemeinde innerhalb des neu zu bildenden Landkreises sein können. Für den Vorrang von Oberzentren gegenüber Mittelzentren liegt dies auf der Hand. Von nachvollziehbaren Erwägungen getragen ist darüber hinaus auch der Vorrang qualifizierter Mittelzentren gegenüber solchen im Verdichtungsraum und als Ergänzungsstandort im ländlichen Raum, deren landesplanerische Einstufung auf raumkategoralen Besonderheiten beruht (SächsVerfGH NVwZ 2009, 39 [43]). b) Ist auf dieser Grundlage von der landesplanerischen Gleichrangigkeit mehrerer im Gebiet des Landkreises gelegener Gemeinden auszugehen, gebietet es die Verfassung nicht, die Grundsätze und Leitlinien auf die Auswahl der Stadt mit der höchsten landesplanerischen Zentralität zu konkretisieren. Eine solche Festlegung wäre in Fällen mehrkerniger Kreisgebiete nicht zweckmäßig, weil damit Entscheidungsalternativen von vornherein ausgeschlossen würden (vgl. Schoch, Die Verwaltung 26 [1993], 289 [292]). Der Gesetzgeber darf vielmehr weitere landesplanerische, historische und alle wirtschaftlichen Gesichtspunkte im Einzelfall unter Berücksichtigung der Spezifik der Region und des Erfordernisses der Stabilität des im Landesentwicklungsplan verankerten Systems der Zentralen Orte für maßgeblich erachten. Auf der Ebene landesplanerischer Gleichrangigkeit kann typischerweise von einer so weit gehenden Vergleichbarkeit zweier Städte ausgegangen werden, dass die Entscheidung über die Einrichtung des Verwaltungssitzes in einer Wechselwirkung zur landesplanerischen Einordnung steht, weil diese bereits für sich genommen die Entwicklungschancen eines Ortes beeinflussen kann (SächsVerfGH NVwZ 2009, 44 [45]; vgl. Schoch, a.a.O., 294). Ausgehend von einer weitgehenden Vergleichbarkeit mehrerer Städte im Kreisgebiet, ist es dem Gesetzgeber auch eröffnet, raumordnungs- und strukturpolitische Erwägungen in seine Entscheidungen mit einzubeziehen. 3. Anhand dieser Grundsätze und Leitlinien ist die Entscheidung, den Sitz des Landratsamtes in der Großen Kreisstadt Borna einzurichten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. a) Der maßgebliche Sachverhalt ist vom Gesetzgeber umfassend ermittelt worden. Das gilt insbesondere auch für die in die Abwägung einbezogenen Größen der Verflechtungsbereiche von Grimma und Borna. Der Regionale Planungsverband Westsachsen zählt im Rahmen der Fortschreibung des Regionalplans Westsachsen (Stand des Satzungsentwurfs vom 1. April 2008) das Gemeindegebiet Frohburgs und Geithains ebenfalls zum Verflechtungsbereich Bornas (vgl. Karte 3 zum Satzungsentwurf nach § 7 Abs. 2 SächsLPlG vom 1. April 2008). Die in der Begründung zum Gesetzentwurf angegeben Zahlen entsprechen diesem Planungsstand (vgl. SächsVerfGH NVwZ 2009, 39 [43]).

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b) Die Entscheidung, den Sitz des Landratsamtes in der Großen Kreisstadt Borna einzurichten, liegt in dem von den Grundsätzen und Leitlinien vorgegebenen Rahmen und enthält keine verfassungsrechtlich relevanten Abwägungsdefizite. Nach den Grundsätzen und Leitlinien war eine Entscheidung auf der Basis zentralörtlicher Gleichrangigkeit zwischen den Städten Borna und Grimma zu treffen. Soweit in der Anlage 3 zur Beschlussempfehlung und dem Bericht des Innenausschusses (Drs. 4/10840, S. 215) ausgeführt ist, Grimma weise im Gegensatz zu Borna sämtliche für Mittelzentren geforderten Kriterien auf, folgt hieraus nichts anderes. Zwar trifft es zu, dass die Ausweisung Bornas im LEP 2003 als qualifiziertes Mittelzentrum mit seiner Lage in einem wirtschaftlichen Problemgebiet begründet wurde. Diese Einordnung unterlag ungeachtet dessen aber keiner besonderen Rechtfertigung, weil sie nach der Begründung zu Ziel 2.3.7 bis Ziel 2.3.9 LEP 2003 bereits aufgrund der Einwohnerzahl und der Größe des Verflechtungsbereichs vorgenommen werden konnte. Maßgeblich für die Entscheidung über den Sitz der Kreisverwaltung waren daher die weiteren landesplanerischen, historischen und alle wirtschaftlichen Aspekte im Einzelfall unter Berücksichtigung der Spezifik der Region und der Stabilität des Zentrale-Orte-Systems. Die Abwägung lässt offensichtliche Fehler nicht erkennen. Dass der Gesetzgeber evident relevante Umstände außer Betracht gelassen hätte, wird von den Antragstellern nicht gerügt und ist auch nicht ersichtlich. Auch die Gewichtung der für die Entscheidung maßgeblichen Kriterien ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der im Rahmen der Abwägung als letztlich entscheidend herangezogene Gesichtspunkt der Entwicklung des Südraums Leipzig als Bergbaufolgelandschaft ist ein sachgerechtes, an landesplanerische Zielsetzungen und dem Leitbild der zentralörtlichen Stabilität anknüpfendes Kriterium. Es ist nicht feststellbar, dass dessen Priorisierung gegenüber der zentralörtlichen Bedeutung Grimmas von sachfremden Erwägungen getragen ist, zumal die Stärkung strukturschwächerer Räume ein legitimes Auswahlkriterium zwischen mehreren in Betracht kommenden Städten ist (SächsVerfGH NVwZ 2009, 39 [44]). Lässt die Gesetzesbegründung eine auf sachgerechten Erwägungen beruhende Entscheidung erkennen, so ergeben sich verfassungsrechtliche Bedenken schließlich nicht daraus, dass sie auch das Ergebnis politischer Kompromisse zum Zwecke einer parlamentarischen Mehrheitsbildung gewesen sind (vgl. BVerfGE 50, 50 [53]; VerfGH NRW, Urteil vom 15. März 1975 – 26/74 – juris Rn. 69).

III. Die mit den Art. 66, 67 und 73 SächsVwNG umgesetzten Maßnahmen der Funktionalreform entsprechen Art. 82 Abs. 2, Art. 84 Abs. 1 und Art. 85 Abs. 1 SächsVerf.

42 1. Die Ansiedlung staatlicher Aufgaben auf der Kreisebene, wie sie die angegriffenen Regelungen vorsehen, ist in den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Verwaltungsorganisation angelegt. a) Neben Art. 82 Abs. 2, Art. 84 Abs. 1 SächsVerf, die den Kommunen das Recht zur Wahrnehmung und eigenverantwortlichen Erfüllung aller Aufgaben des örtlichen Wirkungskreises verbürgen (SächsVerfGH JbSächsOVG 2, 52 [58 f.]; Urteil vom 18. November 1999 – Vf. 174-VIII-98), enthält Art. 85 Abs. 1 SächsVerf nähere Maßgaben für das Verhältnis zwischen staatlicher und kommunaler Aufgabenwahrnehmung. Für die Verteilung staatlicher Aufgaben zwischen Landesbehörden und den Trägern kommunaler Selbstverwaltung geht Art. 85 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf vom Prinzip der gestuften Aufgabenwahrnehmung aus (vgl. Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Art. 70 Rn. 19; Wolff in: Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2009, Art. 77 Rn. 32 ff.). Es wirkt auf eine möglichst ortsnahe Wahrnehmung der staatlichen Aufgaben hin. Ihre Erledigung soll den Trägern kommunaler Selbstverwaltung übertragen werden, wenn sie von diesen zuverlässig und zweckmäßig wahrgenommen werden können (Art. 85 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf). Die Verfassung konkretisiert damit das Gemeinwohlinteresse, das den Maßstab gesetzgeberischer Zuordnungsentscheidungen bildet, im Verhältnis zwischen staatlicher und kommunaler Aufgabenwahrnehmung. Grundsätzlich steht Dezentralisierung für eine effektive, orts- und bürgernahe sowie selbstverwaltungsfreundliche Aufgabenerledigung (vgl. Stüer, DVBl. 2007, 1267 [1273]), auch bei der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben. Für die Zuordnung staatlicher Aufgaben innerhalb der kommunalen Ebene enthält die Verfassung allerdings keine näheren Maßgaben; insbesondere kennt sie keinen Vorrang der Gemeinde- vor der Kreisebene. Ein solcher Vorrang lässt sich auch nicht der Selbstverwaltungsgarantie entnehmen, da ihrem Schutz die staatlichen Aufgaben gerade nicht unterfallen (vgl. Meissner in: Degenhart/Meissner, Handbuch der Verfassung des Freistaates Sachsen, 1997, § 14 Rn. 75; Dreier, in: Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 28 Rn. 90). Der Gesetzgeber ist mithin innerhalb der von Art. 85 Abs. 1 SächsVerf gesetzten Grenzen frei, staatliche Aufgaben den Kreisen oder den Gemeinden zuzuordnen (vgl. BVerfGE 79, 127 [152]). b) Das Aufgabenverteilungsprinzip des Art. 85 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf lässt dem Gesetzgeber, soweit die Voraussetzungen der Aufgabenübertragung auf die Träger der kommunalen Selbstverwaltung vorliegen, einen Gestaltungsspielraum, innerhalb dessen er auch anderen verfassungsrechtlichen Belangen Geltung verschaffen kann. Dieser wird durch den von Art. 83 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf abweichenden Wortlaut des Art. 85 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf bestätigt.

43 c) Liegen die Voraussetzungen des Art. 85 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf vor, bedarf die Übertragung staatlicher Aufgaben auf die kommunalen Träger der Selbstverwaltung regelmäßig keiner weiteren verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Den kommunalen Trägern der Selbstverwaltung drohen durch eine Übertragung staatlicher Aufgaben im Rahmen des Art. 85 Abs. 1 SächsVerf grundsätzlich keine rechtfertigungsbedürftigen Eingriffe in ihre Selbstverwaltungsgarantie. Insbesondere wird die ihnen gewährleistete Finanzhoheit nicht beeinträchtigt. Denn unter der Geltung des strikten Konnexitätsprinzips des Art. 85 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 SächsVerf (SächsVerfGH JbSächsOVG 2, 79 [90 f.]; 4, 132 [135 f.]; 8, 17 [21 ff.]) ist eine verfassungsrechtlich erhebliche Schmälerung des Spielraums für die Wahrnehmung originärer Selbstverwaltungsangelegenheiten, wie sie in Bezug auf die Übertragung staatlicher Aufgaben befürchtet wird (vgl. zu den Gefahren Nierhaus in: Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl., Art. 28 Rn. 71; Dreier, a.a.O., Art. 28 Rn. 120 f.; BVerfGE 119, 331 [354]), nicht anzunehmen (SächsVerfGH JbSächsOVG 2, 79 [90 f.]; 8, 17 [23 f.]; ebenso BbgVerfG LKV 2002, 323 [324]). In Bezug auf die Übertragung von staatlichen Aufgaben auf die Landkreise ist zu berücksichtigen, dass deren Aufgabenbestand ohnehin erst durch den Gesetzgeber festgelegt werden muss, sie also auf die Übertragung von Aufgaben angewiesen sind (Art. 84 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf). Eine Beeinträchtigung durch Aufgabenüberbürdung wäre deshalb allein dann möglich, wenn der Kreisebene neben den staatlichen kein nennenswerter Bestand an überörtlichen, kreiskommunalen Aufgaben zugewiesen würde oder diese aufgrund der für die staatlichen Aufgaben benötigten Verwaltungskapazitäten nicht mehr wahrgenommen werden könnten (vgl. BVerfGE 119, 331 [353 f.]). 2. Die Übertragung staatlicher Aufgaben auf die kommunalen Träger der Selbstverwaltung ist an weitere Voraussetzungen gebunden, deren Vorliegen lediglich eingeschränkt verfassungsgerichtlich überprüft werden kann. a) Art. 85 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf macht die Übertragung von der Zuverlässigkeit und Zweckmäßigkeit der Aufgabenerfüllung durch die kommunalen Träger der Selbstverwaltung abhängig. Das Merkmal der Zuverlässigkeit stellt auf die Leistungsfähigkeit des die Aufgabe übernehmenden Selbstverwaltungsträgers ab, die anhand der Personalausstattung, der fachlichen Spezialisierung des Personals und der technischen und finanziellen Ressourcen beurteilt werden kann. Die Zweckmäßigkeit bezieht sich auf die Art der zu erledigenden Aufgabe und verlangt, dass sie für eine dezentrale Wahrnehmung geeignet ist. Daneben verweist das Merkmal der Zweckmäßigkeit auf die wirtschaftlichen Aspekte einer Aufgabenverlagerung (vgl. Protokoll der 8. Klausurtagung, S. 4, in: Schimpff/Rühmann, Die Protokolle des Verfassungs- und Rechtsausschusses zur Entstehung der Verfassung des Freistaates Sachsen, 1997, S. 538). Allerdings setzt die Kommunalisierung nicht voraus, dass es sich um die effizienteste Form der Aufga-

44 benwahrnehmung handelt. Das Prinzip der dezentralen Aufgabenverteilung dient gerade der Ortsnähe von Entscheidungen und kann damit in einen von der Verfassung hingenommenen Gegensatz zum Interesse an der Wirtschaftlichkeit und Übersichtlichkeit der Verwaltung stehen (vgl. BVerfGE 79, 127 [153]). Für die Zweckmäßigkeit genügt es deshalb, wenn die kommunalen Träger der Selbstverwaltung die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung sicherstellen können, ohne dass sich gegenüber einer Erledigung durch staatliche Behörden unverhältnismäßige Mehrkosten ergeben. b) Soweit es um die Zuordnung und Wahrnehmung von Aufgaben des Umweltschutzes geht, können sich aus dem Verfassungsrecht weitere Vorgaben ergeben. Sie sind im Rahmen der Prüfung der Zweckmäßigkeit in Art. 85 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf zu berücksichtigen. Einerseits verpflichtet das Staatsziel Umweltschutz aus Art. 10 Abs. 1 SächsVerf die Umweltbehörden, im Rahmen ihrer Kompetenzen auf die Erhaltung der Umweltgüter als Grundlagen des menschlichen Lebens hinzuwirken (vgl. Murswiek in: Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 20a Rn. 39 ff.). Andererseits begründen die Grundrechte, insbesondere Art. 16 Abs. 1 Satz 1 SächsVerf, Schutzpflichten des Staates (vgl. zu Art. 2 Abs. 2 GG Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG, Stand Juni 2007, Art. 2 Abs. 2 Rn. 41 ff., 81 ff. und 95), die in den hier in Rede stehenden Bereichen des Immissionsschutzes und der Abfallwirtschaft eine Bedeutung haben können. Auch wenn sich daraus im Einzelnen nicht immer ein bestimmtes Schutzniveau ableiten lässt, muss doch der aufgabenübertragende Gesetzgeber des Art. 85 SächsVerf dafür Sorge tragen, dass die kommunalen Träger der Selbstverwaltung die verfassungsrechtlichen Vorgaben umsetzen können (vgl. zu den Pflichten des Gesetzgebers Schulze-Fielitz in: Dreier, a.a.O., Art. 20a Rn. 72). c) Ein Mittel der Sicherung staatlicher Verantwortung für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung bilden Weisungsrechte. Art. 85 Abs. 3 SächsVerf stellt deren Begründung in das Ermessen des aufgabenübertragenden Gesetzgebers. Da die staatlichen Aufgaben selbst nicht dem Schutz der Selbstverwaltungsgarantie unterfallen (vgl. Dreier, a.a.O., Art. 28 Rn. 90), berühren auch die gesetzlichen Regelungen zum Umfang und Modus der staatlichen Aufsicht über deren Wahrnehmung grundsätzlich keine geschützten Interessen der Kommunen. Es kann mithin insoweit nicht um eine möglichst weitgehende Schonung kommunaler Eigenverantwortlichkeit gehen. Der Gesetzgeber hat den Umfang und die Modalitäten der Aufsicht vielmehr maßgeblich an der Ordnungsmäßigkeit der Aufgabenerledigung auszurichten. d) Es entzieht sich einer generellen Festlegung, wann die Voraussetzungen des Art. 85 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf vorliegen. Vielmehr hängt die Möglichkeit der Übertragung staatlicher Aufgaben von den konkreten Bedingungen der kommunalen Träger der Selbstverwaltung wie auch von den Anforderungen der zu erledigenden Aufgabe ab. Die Merkmale der Zuverlässigkeit und Zweckmäßigkeit der Aufgabenerfüllung enthalten dabei notwendig prognostische Elemente, mit denen ein Einschätzungsspiel-

45 raum des Gesetzgebers einhergehen muss. Der Verfassungsgerichtshof ist insoweit auf die Kontrolle beschränkt, ob der Gesetzgeber alle ihm mit vertretbarem Aufwand zugänglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat, keine unvertretbaren tatsächlichen Annahmen zur Grundlage seiner Entscheidung macht sowie ob die Prognose auf methodischen Fehlern beruht oder sonst eindeutig fehlerhaft erscheint (vgl. zu Entscheidungen mit Prognoseelementen: SächsVerfGH SächsVBl. 1999, 236 [238]; SächsVBl. 2000, 239 [243]; SächsVBl. 2001, 167 [172]; SächsVBl. 2008, 170 [175]). 3. Die Neuzuordnung von staatlichen Aufgaben im Rahmen größerer Reformmaßnahmen stellt eine allgemeine Frage dar und löst damit die Anhörungspflicht des Art. 84 Abs. 2 SächsVerf aus. Für die vollständige Ermittlung des relevanten Sachverhalts kommt der Anhörung in diesen Fällen vor allem insoweit Bedeutung zu, als es um die Beurteilung der spezifischen Bedingungen der kommunalen Träger der Selbstverwaltung im Hinblick auf die Aufgabenwahrnehmung geht. 4. Gemessen hieran begegnen die angegriffenen Regelungen des Sächsischen Verwaltungsneuordnungsgesetzes keinen Bedenken. a) Im Bereich des Immissionsschutzes sowie der Abfallwirtschaft und des Bodenschutzes hat allerdings nicht der Gesetzgeber die staatlichen Aufgaben abschließend zugeordnet, sondern dies dem Verordnungsgeber überlassen. Dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. aa) Die angegriffenen Art. 66 und 67 SächsVwNG wollen die Zuständigkeiten im Bereich der Umweltverwaltung nicht abschließend zuordnen; sie normieren lediglich eine Allzuständigkeit der unteren Verwaltungsbehörden (§ 2 Abs. 1 Satz 3 AGImSchG, § 13 a Abs. 1 SächsABG). Mit der gleichzeitigen Ermächtigung des Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft, durch Rechtsverordnung die sachliche Zuständigkeit abweichend zu bestimmen (§ 2 Abs. 2 AGImSchG, § 13 a Abs. 2 SächsABG), hat der Gesetzgeber die Feinsteuerung der Zuständigkeiten letztlich dem Verordnungsgeber überlassen. Allerdings bleiben die gesetzgeberischen Maßnahmen im Grundsatz auf eine weitgehende Kommunalisierung der Vollzugszuständigkeiten im Bereich des Immissionsschutzes wie auch der Abfallwirtschaft und des Bodenschutzes gerichtet (vgl. Gesetzentwurf der Staatsregierung, Drs. 4/8810, S. 344, 348 f.; SächsOVG SächsVBl. 2009, 68). Für die verfassungsgerichtliche Beurteilung ist deshalb von der gesetzgeberischen Grundentscheidung auszugehen, die Vollzugsaufgaben möglichst umfassend auf die Kreisebene zu übertragen und bei den Landesdirektionen als Mittelbehörden im wesentlichen Aufgaben der Rechts- und Fachaufsicht sowie der Beratung der unteren Verwaltungsbehörden zu belassen. bb) Art. 85 Abs. 1 Satz 1 SächsVerf, der von einer Übertragung der Aufgaben durch Gesetz spricht, begründet keinen institutionellen Gesetzesvorbehalt (vgl. zum Begriff Reimer in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2006, § 9 Rn. 37 ff.), der die Aufgabenübertragung an ein formel-

46 les Gesetz binden würde (so Kunzmann/Haas/Baumann-Hasske, Die Verfassung des Freistaates Sachsen, 2. Aufl., 1997, Art. 85 Rn. 1; Meissner, a.a.O., § 13 Rn. 9). Die Materialien zur Verfassungsgebung belegen, dass mit der Formulierung gerade keine abschließende Regelung der Zuständigkeiten durch den Gesetzgeber eingefordert werden sollte (vgl. Protokoll der 9. Klausurtagung, S. 55 f., in: Schimpff/Rühmann, a.a.O., S. 629 f.). Dem Gesetzgeber steht es grundsätzlich frei, sich im Rahmen des Art. 85 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf auf die Regelung der wesentlichen Fragen zu beschränken, die Ausfüllung der Grundentscheidungen und mit ihr die Zuordnung einzelner Aufgaben aber dem Verordnungsgeber zu überlassen. Der Landtag hat insoweit im Bereich des Immissionsschutzes sowie der Abfallwirtschaft und des Bodenschutzes mit den angegriffenen Regelungen ein Konzept der Zuständigkeitsverteilung geschaffen, das eine Feinsteuerung durch den Verordnungsgeber ermöglicht. Die grundsätzliche Zuordnung der Zuständigkeiten auf die Landkreise und Kreisfreien Städte als untere Verwaltungsbehörde lässt dem Fachministerium lediglich einen eingeschränkten Spielraum zur abweichenden Zuordnung einzelner Aufgaben, soweit diese sich als nicht kommunalisierungsfähig erweisen oder der Kommunalisierung andere Belange von Verfassungsrang entgegenstehen (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 AGImSchG; § 13a Abs. 2 Satz 2 SächsABG). b) Der Gesetzgeber hat den für seine Entscheidung relevanten Sachverhalt umfassend ermittelt. aa) Die Gesetzesinitiative der Staatsregierung beruhte auf dem Gutachten eines pluralistisch zusammengesetzten Gremiums von Sachverständigen, das denkbare Optionen einer Funktionalreform erarbeitete. (1) Ausgangspunkt der Funktionalreform waren die von der Expertenkommission Verwaltungsreform vorgelegten Vorschläge zur Neuordnung der Verwaltung im Freistaat Sachsen (Sächsisches Staatsministerium des Innern, Expertenkommission Verwaltungsreform – Vorschläge zur Neuordnung der Verwaltung im Freistaat Sachsen vom 18. Oktober 2005, Dresden 2005). Der Kommission war die Aufgabe übertragen, ein Gesamtkonzept für eine Funktional- und Verwaltungsreform zu erarbeiten und hierzu insbesondere Vorschläge für eine künftige Verwaltungsgliederung und ein Leitbild zu liefern. Ihr Auftrag war thematisch weder auf bestimmte Modelle einer Funktionalreform begrenzt, noch gab es sonstige inhaltliche Vorgaben. Durch die Besetzung mit langjährig in leitenden Verwaltungspositionen tätigen Personen, die zum Teil Vorhaben der Funktionalreform in anderen Bundesländern begleitet hatten, bot die Kommission grundsätzlich Gewähr für eine fundierte Analyse der Verhältnisse im Freistaat und hierauf bezogene Vorschläge einer künftigen Gestaltung. Die Kommission konnte zudem auf einen Beirat zurückgreifen, der unter anderem mit Vertretern aus Verwaltung, kommunalen Spitzenverbänden, Wirtschaft und Wissenschaft besetzt war.

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(2) Drei grundlegende Varianten einer Funktionalreform legte die Kommission ihren Überlegungen zu Grunde: die Bündelung der anstehenden Aufgaben auf einer Mittelebene, die Bündelung auf einer Mittelebene bei gleichzeitiger Kommunalisierung weiterer Aufgaben sowie eine umfassende Kommunalisierung der Aufgaben, bei der die Mittelebene weitgehend entfallen sollte. Bei ihren Vorschlägen hat sie sich von folgendem Leitbild bestimmen lassen (Sächsisches Staatsministerium des Innern, a.a.O., S. 43 ff.): Am Anfang einer Reform seien im Rahmen der Aufgabenkritik solche öffentlichen Aufgaben zu identifizieren, die vollständig oder teilweise entfallen könnten. In einem zweiten Schritt müssten die verbleibenden Aufgaben daraufhin untersucht werden, ob sie privatisierbar seien und eine Privatisierung wirtschaftlich erscheine. Nicht privatisierbare Aufgaben sollten den Kommunen übertragen werden, sofern sie von ihnen zuverlässig und zweckmäßig erfüllt werden könnten. Zudem sollten Verwaltungszuständigkeiten gebündelt und eindeutig, klar, bestimmt sowie transparent geregelt werden. Schließlich gehe es um ein grundsätzlich ortsnahes Angebot der Verwaltungsleistungen und die Sicherung ihrer langfristigen Finanzierbarkeit. (3) Auf dieser Grundlage untersuchte die Kommission die einzelnen Behörden auf ihr bisheriges Aufgabenprofil und das bestehende Potenzial zur Aufgabenverlagerung und Personaleinsparung hin. Zu den einzelnen Verwaltungszweigen und Behörden gab sie im Gutachten jeweils Empfehlungen ab. Auch machte sie konkrete Vorschläge zur Umsetzung der Reformen, etwa zum Stellen- und Personalübergang. Letztlich favorisierte sie eine Bündelung mit Kommunalisierungselementen, wie sie der Gesetzgeber nachfolgend auch umgesetzt hat. Dieser Variante schrieb sie das höchste Potenzial zur Personaleinsparung zu. Zugleich könnten 120 staatliche Behörden entfallen. Allerdings mahnte sie insoweit eine deutliche und dauerhafte Stärkung der Landkreise und Kreisfreien Städte an, die nur über eine Kreisgebietsreform mit dem Leitbild einer Größe der Landkreise von durchschnittlich 200.000 Einwohnern und drei verbleibenden Kreisfreien Städten im Freistaat umzusetzen sei. Zudem befasste sich die Kommission ausführlich mit den Reforminitiativen anderer Bundesländer. Diese wurden in ihren Zielstellungen, Maßnahmen und – soweit bereits umgesetzt – in ihren Ergebnissen vorgestellt (Sächsisches Staatsministerium des Innern, a.a.O., S. 34 f. und Anlage 5). Dabei zeigte sich die Vielfalt der Ansätze, die keinen Trend in Richtung Zwei- oder Dreistufigkeit des Verwaltungsaufbaus erkennen ließ. Allerdings belegten die ins Werk gesetzten Reformen, wie die Kommission konstatierte, ganz überwiegend das Bemühen um eine Kommunalisierung staatlicher Aufgaben. bb) Der Gesetzgeber ist während des Gesetzgebungsverfahrens seiner Anhörungspflicht aus Art. 84 Abs. 2 SächsVerf nachgekommen. Die Staatsregierung hatte die Entwürfe des Sächsischen Verwaltungsneuordnungsgesetzes und des Gesetzes zur Neugliederung des Gebietes der Landkreise des Freistaa-

48 tes Sachsen und zur Änderung anderer Gesetze mit Beschluss vom 19. Dezember 2006 zur Anhörung freigegeben. Das Staatsministerium des Innern übersandte sie daraufhin den Landkreisen, Kreisfreien Städten und anderen Trägern öffentlicher Belange und gab diesen bis zum 15. März 2007 Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Funktionalreform. In der Zeit vom 23. April bis 4. Mai 2007 fand eine erneute Anhörung der Kreise statt, die Auswirkungen bundesrechtlicher Novellierungen im Beamtenrecht und nachträglicher Änderungen im Teil 10 des Gesetzentwurfs „Anpassungen im Bereich des Staatsministeriums für Soziales“ betraf. Damit bestand für die kommunalen Träger der Selbstverwaltung ausreichende Gelegenheit, ihre Positionen zu den geplanten Reformen darzulegen. cc) Schließlich waren die Anhörungen im federführenden Innenausschuss des Landtages durch den Austausch konträrer Standpunkte geprägt, der ein plastisches Bild von den teils gegenläufigen Erfahrungen und Interessen aber auch den Risiken der geplanten Reform zeichnete. In den Anhörungen im Innenausschuss des Landtages hatten Vertreter aus Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft sowie der kommunalen Spitzenverbände Gelegenheit zur Stellungnahme zum Gesamtkonzept und einzelnen Ausschnitten der Reformvorhaben. Als Sachverständige wurden insbesondere auch Bedienstete solcher Bundesländer gehört, in denen im Vorfeld Funktionalreformen durchgeführt worden waren. Dabei sind auch die kritisierten Aspekte der Funktionalreform umfassend zur Sprache gekommen (vgl. APr 4/6-33 A 2, S. 4 ff., 10 ff., 16 ff., 23 f., 28 ff.). dd) Insoweit besteht kein Anlass, an der Offenheit des Gesetzgebungsverfahrens hinsichtlich der Modelle einer Funktionalreform wie auch der mit ihnen einhergehenden Nachteile und Risiken zu zweifeln. Die Beauftragung der Expertenkommission Verwaltungsreform einerseits und die Auswahl der Sachverständigen in der Landtagsanhörung andererseits gewährleistete, dass die Erfahrungen anderer Bundesländer mit aktuellen Funktionalreformen in das Gesetzgebungsverfahren Eingang finden konnten. Zudem boten die Anhörungen der Sachverständigen im Innenausschuss sowie der kommunalen Träger der Selbstverwaltung im Vorfeld der Gesetzeseinbringung Gelegenheit, die Erfahrungen und Erwartungen ganz verschiedener gesellschaftlicher und staatlicher Akteure wahrzunehmen. Die von den Antragstellern vorgetragene inhaltliche Kritik an der Funktionalreform war denn auch schon ausführlich Gegenstand der Erörterungen in der Sachverständigenanhörung gewesen. Für eine unvollständige Ermittlung des relevanten Sachverhalts oder eine Ausblendung der Nachteile und mit den Reformen einhergehenden Gefahren lassen sich folglich keine Anhaltspunkte finden. c) Defizite des Prognoseverfahrens oder des Ergebnisses der gesetzgeberischen Entscheidung sind nicht erkennbar; insbesondere erscheint die Entscheidung für eine weitgehende Kommunalisierung der in Rede stehenden Aufgaben der Umwelt- und Forstverwaltung nicht als offensichtlich fehlerhaft.

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aa) Den Entscheidungen des sächsischen Gesetzgebers gingen Funktionalreformen in verschiedenen Bundesländern voraus. Wenn diese auch auf unterschiedlichen Ansätzen beruhten, bestätigen sie doch den Trend zur Kommunalisierung der in Rede stehenden Aufgaben (vgl. zur Übersicht: Hesse, NdsVBl. 2007, 145 ff.). Sie haben in der Umwelt- und Forstverwaltung vielfach Strukturen hervorgebracht, die den im Freistaat geschaffenen entsprechen. In der wissenschaftlichen Diskussion wurden und werden sie ganz überwiegend zustimmend begleitet (vgl. für Baden-Württemberg: Trumpp, Verwaltungsreform – Chance und Herausforderung für die Landkreise in BadenWürttemberg, in: Hennecke/Meyer, Kommunale Selbstverwaltung zwischen Bewahrung, Bewährung und Entwicklung, 2006, S. 209 ff.; Schliesky, VerwArch 2008, 313 [335]; Ruge, Verwaltungsreformen in den Bundesländern – Ein Überblick, in: Hennecke, Kommunale Verwaltungsstrukturen der Zukunft, 2006, S. 91 [96]; für Niedersachsen: die erste Bewertung der Landesregierung [LT-Drs. 15/2852]; Ruge, a.a.O., S. 97 f.; Hesse, NdsVBl. 2007, 145 [154 f., 159]; für Sachsen-Anhalt: Ruge, a.a.O., S. 104). Auch jenseits größerer Strukturreformen haben verschiedene Bundesländer vergleichbare Zuständigkeitsregelungen im Bereich des Immissionsschutzes sowie der Abfallwirtschaft und des Bodenschutzes geschaffen, die jeweils die Kreisebene als untere Verwaltungsbehörde mit weitgehenden Kompetenzen ausstatten (vgl. Art. 1 Abs. 1 Buchst. c Bayerisches Immissionsschutzgesetz, Art. 29 Abs. 2 Bayerisches Abfallwirtschaftsgesetz i.V.m. § 4 Abfallzuständigkeitsverordnung vom 7. November 2005, Art. 10 Abs. 2 Bayerisches Bodenschutzgesetz; für Hessen: § 4 ImSchUVPZustVO, § 25a HAKA, § 1 HAltBodSchGZustVO). In der Forstwirtschaft zeigt sich zwar eine größere Vielfalt an Organisationsmodellen; verschiedene Bundesländer haben aber auch hier dem sächsischen Ansatz vergleichbare Strukturen geschaffen. Einzelne Bundesländer sehen staatliche Forstämter als untere Behörde vor (Thüringen bei zweistufigem Aufbau, § 59 Abs. 1 ThürWaldG; Hessen bei dreistufigem Aufbau mit Regierungspräsidien als Mittelbehörden, § 48 ForstG), andere kennen Fachämter als untere, grundsätzlich zuständige Behörde (Art. 27 BayWaldG; § 26 Abs. 1 und 2 WaldG LSA). Baden-Württemberg hat hingegen – entsprechend § 37 Abs. 2 SächsWaldG – die Kreisebene zur unteren Verwaltungsbehörde gemacht, die sich neben den hoheitlichen Aufgaben sogar um die Bewirtschaftung des Staatswaldes kümmert (§ 64 LWaldG). Eine vergleichbare Rechtslage besteht in Niedersachsen, wo grundsätzlich die Kreisebene als untere Verwaltungsbehörde zuständig ist (§ 43 Abs. 1 WaldG), Außendienstaufgaben aber durch die Anstalt Niedersächsische Landesforsten wahrgenommen werden (§ 43 Abs. 3 WaldG). bb) Der Landtag konnte nicht nur auf diese Erfahrungen mit gleichartigen Reformvorhaben in anderen Bundesländern zurückgreifen. Er ist darüber hinaus durch die konkrete Ausgestaltung der Aufgabenübertragung den Nachteilen von Kommunalisierungen in einer Weise begegnet, die seine Einschätzung von der Zuverlässigkeit und

50 Zweckmäßigkeit der kommunalen Aufgabenerfüllung jedenfalls nicht als offensichtlich fehlerhaft erscheinen lässt. (1) Allerdings hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen für den Bereich des Immissionsschutzes darauf hingewiesen, dass die zuständigen Behörden über Mitarbeiter mit komplexen Fachkenntnissen und einschlägigen Erfahrungen verfügen müssten und im Hinblick auf die Konzentrationswirkung der Vorhabenzulassungen zudem interdisziplinärer Sachverstand erforderlich sei. Diese Anforderungen könnten kommunale Körperschaften regelmäßig nicht erfüllen, da sie mangels personeller Kapazitäten den erforderlichen Sachverstand nicht vorhielten. Bei einer Herabzonung von Aufgaben drohten deshalb längere Genehmigungsverfahren, höhere Kosten für die Unternehmen und Gefahren für die Einhaltung der Umweltstandards. Eine weitere Schwierigkeit stelle der potenzielle Konflikt zwischen der kommunalen Standortpolitik und den im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigenden Umweltschutzbelangen dar (vgl. zur Kritik: Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten Umweltverwaltungen unter Reformdruck – Herausforderungen, Strategien, Perspektiven, BT-Drs. 16/4690, S. 110). Einer Kommunalisierung stehen diese Gefahren allerdings auch aus Sicht des Sachverständigenrates nicht generell entgegen. Vielmehr betont er die Abhängigkeit der Kommunalisierungsoption vom Anforderungsprofil der Aufgabe, der verfügbaren sächlichen und personellen Ausstattung des kommunalen Verwaltungsträgers und einer adäquaten Ausgestaltung der staatlichen Aufsicht (vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen, a.a.O., S. 105, 113, 175). (2) Die Zuordnung der in Rede stehenden Aufgaben auf die Kreisebene erscheint auch im Licht der aufgezeigten Risiken nicht als offensichtlich fehlerhaft. (aa) Mit der im Bereich des Immissionsschutzes sowie der Abfallwirtschaft und des Bodenschutzes gewählten Regelungstechnik hat es der Landtag dem zuständigen Fachministerium überlassen, im Wege einer Rechtsverordnung entgegen der allgemeinen Zuordnungsentscheidung bestimmte Aufgaben von der Kreisebene nach oben zu verlagern. Damit besteht insbesondere die Möglichkeit, auf im Verwaltungsvollzug sichtbar werdende Defizite zeitnah zu reagieren und Zuordnungsentscheidungen abzuändern. Dieses flexible System der Zuständigkeitsregelungen bietet zugleich die Chance, zunächst Erfahrungen mit der Qualität der kommunalen Aufgabenwahrnehmung zu sammeln. Dazu gehört auch die Bewährung der gesetzlich bereitgestellten Kooperationsmodelle, die insbesondere dort zum Tragen kommen werden, wo jeder Kreis für sich keine ausreichende Routine zu gewinnen vermag oder der Verwaltungsvollzug auf Kreisebene ineffizient ist. Soweit in diesem System das Fachministerium seinen Pflichten zur Begleitung des Gesetzesvollzugs und zur Beobachtung der Sachdienlichkeit von Zuständigkeitszuordnungen nachkommt, erscheint eine sachgerechte Aufgabenzuordnung gewährleistet. (bb) Dies gilt umso mehr, als sich der Landtag für den Erhalt der Landesdirektionen als Mittelbehörden entschieden und diese mit umfassenden Weisungsrechten gegen-

51 über den Landkreisen und Kreisfreien Städten ausgestattet hat (§ 2 Abs. 5 AGImSchG, § 13 a Abs. 3 SächsABG). Wird in diesem Verhältnis, etwa durch die Einbindung des Landesamtes für Umwelt und Geologie, die notwendige fachliche Hilfe beim Verwaltungsvollzug gewährleistet (vgl. § 15 Abs. 2 Nr. 1 SächsVwOrgG), ist den Einwänden hinreichend Rechnung getragen (vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen, a.a.O., S. 113, 172 ff.). (cc) Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das Personal der bisherigen Umweltfachbereiche der Regierungspräsidien auf die Kreisebene übergegangen ist. Es handelt sich hierbei um 387,1 Vollzeitäquivalente (vgl. Drs. 4/8810, Begründung S. 180 ff. und Anlage 1), die nach den Verteilungskriterien des Art. 2 § 3 SächsVwNG auf die Landkreise und Kreisfreien Städte aufgeteilt wurden. Zwar kann mit der Aufteilung dieses Personals von bislang drei Mittelbehörden auf zehn Landkreise und drei Kreisfreie Städte ein Verlust an Spezialisierungstiefe einhergehen. Andererseits hat der Gesetzgeber mit der gleichzeitigen Gebietsneugliederung größere und leistungsfähigere Kreise geschaffen, die über eine personalstarke Umweltverwaltung verfügen und damit neue Spezialisierungen zulassen. Die Einschätzung des Gesetzgebers, die bislang schon mit Umweltvollzugsaufgaben betraute und durch die Gebietsreform noch gestärkte Kreisebene könne die übertragenen Aufgaben sinnvoll erledigen, erscheint vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. (dd) Für eine abweichende Einschätzung im Bereich der Forstverwaltung ergeben sich keine Anhaltspunkte. Der Gesetzgeber hat hier selbst die Zuständigkeiten abschließend zugeordnet und den Staatsbetrieb Sachsenforst als Mittelbehörde mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet. Insoweit hat es im Gesetzgebungsverfahren Verschiebungen zu Gunsten der Mittelinstanz gegeben, die auf die Kritik an einer zu umfassenden Kommunalisierung reagierten. Zudem unterliegt auch hier die Kreisebene einem unbeschränkten Weisungsverhältnis (§ 35 Abs. 2 SächsWaldG). Dass die Eingliederung der übergehenden Mitarbeiter des Staatsbetriebs Sachsenforst in die Kreisebene Auswirkungen auf den Wissenstransfer zwischen den Forstbehörden und die Spezialisierung der Bediensteten habe, die sich grundlegend von den Folgen der Kommunalisierung in anderen Bereichen unterschieden, ist nicht ersichtlich und lässt sich jedenfalls nicht allein mit Eigenheiten der Aufgabe begründen. Von einer offensichtlichen Fehleinschätzung des Gesetzgebers hinsichtlich des Kommunalisierungspotentials der Forstverwaltung kann damit jedenfalls keine Rede sein. Ob das bisherige Modell einer Einheitsforstverwaltung durch eine staatliche Sonderbehörde gegenüber der Übertragung der Hoheitsaufgaben auf die Kreisebene aus fachlichen Gründen vorzugswürdig erscheint, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen.

52 D. Die Entscheidung ergeht kostenfrei (§ 16 Abs. 1 Satz 1 SächsVerfGHG). Die Erstattung der notwendigen Auslagen der Antragsteller erscheint nicht geboten (§ 16 Abs. 4 SächsVerfGHG).

gez. Munz

gez. Rühmann

gez. Grünberg

gez. Hagenloch

gez. Knoth

gez. Lips

gez. v. Mangoldt

gez. Oldiges

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