Umweltrecht (Sanierung von Altlasten) und Insolvenz. Teil 1: Materielles (Insolvenz-) Recht

Prof. Dr. von Wilmowsky Insolvenzrecht II: Vertiefung Umweltrecht (Sanierung von Altlasten) und Insolvenz Teil 1: Materielles (Insolvenz-) Recht I. ...
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Prof. Dr. von Wilmowsky Insolvenzrecht II: Vertiefung

Umweltrecht (Sanierung von Altlasten) und Insolvenz Teil 1: Materielles (Insolvenz-) Recht

I.

Einleitung: Um welche Fälle geht es?

2

1. Unproblematische Fälle: Laufende Unternehmenstätigkeit

2

2. Problematische Fälle: Altlasten

3

II.

Verwertung

4

III.

Verteilung: Erfüllung der öffentlichrechtlichen Sanierungspflichten

5

1. „Anspruch“

5

2. „Vermögensanspruch“

7

3. „zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet“

8

a)

unproblematisch: Tatbestände der Handlungsverantwortlichkeit

8

b)

problematisch: Tatbestände der Zustandsverantwortlichkeit

9

4. Ergebnis (zum Befriedigungsstatus): Die Erfüllung der Sanierungsverantwortlichkeit in der Insolvenz des Verantwortlichen 5. Rechtsvergleich amerikanisches Recht: Streit über die Erfassung als „claim“

IV.

VI.

17

Option des Umweltrechts: Gesetzliche Sicherungsrechte für AltlastSanierungspflichten a) Einfaches gesetzliches Sicherungsrecht an dem betroffenen Grundstück

V.

16

18 18

b)

Gesetzliches Sicherungsrecht am betroffenen Grundstück mit Vorrang vor bereits bestehenden Sicherungsrechten (sog. Supervorrecht) 18

c)

Gesetzliches Sicherungsrecht mit Vorrang (also als Supervorrecht) an sämtlichen Vermögensgegenständen des Sanierungsverantwortlichen

19

Wertsteigerung, die das Grundstück durch die Sanierung der öffentlichen Hand erfahren hat

19

Schrifttum

21

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

I.

Einleitung: Um welche Fälle geht es?

1.

Unproblematische Fälle: Laufende Unternehmenstätigkeit

Anforderungen,

die

das

(öffentliche)

Umweltrecht

an

2

die

laufende

Unternehmenstätigkeit stellt --

Beispiele: WHG: Emission von Schadstoffen in Gewässer; KrW/AbfG:

Anforderungen an die Entsorgung (d.h. Beseitigung oder

Wiederverwendung) von Abfällen; BImSchG: Emission von Schadstoffen in die Luft; Bodenschutzrecht: Emission von Schadstoffen in den Erdboden Behandlung dieser Pflichten im Insolvenzverfahren: --

Diese Fälle werfen in der Insolvenz keine Probleme auf.

Auch nach

Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind diejenigen umweltrechtlichen Anforderungen zu beachten, die sich an den laufenden Betrieb des Unternehmens richten. --

Wie jedes andere Unternehmen muss auch das insolvente, solange es fortgeführt wird, sämtliche Normen des Umweltrechts einhalten.

--

Das Insolvenzrecht kann die Fortführung insolventer Unternehmen nicht subventionieren (oder sollte es jedenfalls nicht). Daher lockert es nicht die rechtlichen Anforderungen an deren Geschäftstätigkeit.

--

Gewiss hat die Insolvenzverwaltung die Aufgabe, das insolvente Unternehmen bestmöglich zu verwerten. jedoch nicht von Recht und Gesetz.

Diese Aufgabe entbindet sie

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

--

3

Beispiel „Chemielabor“ Gehört zu dem insolventen Unternehmen z.B. ein Chemielabor, so darf die Insolvenzverwaltung dieses nicht zur Produktion von Kokain einsetzen, obgleich diese Produktionslinie einen höheren Ertrag verspricht.

Das

verbietet

das

das

Betäubungsmittelgesetz.

Ebenso

wenig

gibt

Insolvenzrecht eine Lizenz, umweltrechtliche Standards zu missachten und die Umwelt stärker als zulässig in Anspruch zu nehmen. --

Befriedigungsstatus: Aufwendungen, die das Unternehmen während des Insolvenzverfahrens macht, um in Einklang mit den Normen des Umweltschutzes tätig zu sein, sind Kosten des Insolvenzverfahrens (= Masseverbindlichkeiten).

--

Beispiel: Entsorgung derjenigen Abfälle, die währen der laufenden Produktion anfallen: Masseverbindlichkeiten

2.

Problematische Fälle: Altlasten

--

„Altlasten“: Umweltverschmutzungen, die auf in der Vergangenheit liegenden Ereignissen beruhen.

Unter dem Blickwinkel des Insolvenzrechts:

Ereignisse, die vor dem Insolvenzverfahren stattfanden; also Schadstoffe, die ein Insolvenzschuldner freisetzte, bevor er insolvent wurde --

Typischer Sachverhalt: siehe „Fall“

--

Im Folgenden werden allein diese „problematischen Fälle“ berücksichtigt.

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

II.

4

Verwertung

Welche Verwertungsentscheidung ist im Hinblick auf das (mit Schadstoffen belastete) Grundstück zu treffen? Alternative:

entweder Reinigung des Grundstücks (durch Beseitigung der

Schadstoffe) (= „Sanierung“) oder keine Sanierung Entscheidungskriterium: Vergleich Aufwand – Etrag --

Aufwand: Kosten der Sanierung des Bodens

--

Ertrag: Steigerung des (Markt-) Werts des Grundstücks

--

Verwertungsentscheidung: Sanierung, wenn: Wertsteigerung > Aufwand keine Sanierung, wenn: Wertsteigerung < Aufwand

--

regelmäßig:

Der Sanierungsaufwand führt im Regelfall nicht zu einer

entspreche nden Steigerung des Grundstückswerts. Bsp.:

Die Sanierung des Grundstücks koste 500.000 EUR;

Sanierung betrage der Wert des Grundstücks 100.000 EUR.

nach der Vor der

Sanierung ist es also wertlos. Hier übersteigt der Sanierungsaufwand die mit einer Sanierung bewirkte Steigerung des Marktwerts.

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

III.

5

Verteilung: Erfüllung der öffentlichrechtlichen Sanierungspflichten

Frage der Verteilung: Welcher Teil des Vermögens des Schuldners ist für die Sanierung der Altlast, und welcher Teil ist für die sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners einzusetzen? Quellen von Sanierungspflichten:

Altlastenrecht;

Abfallrecht;

Wasserrecht;

Bodenschutzrecht; Immissionsschutzrecht; Atomrecht; allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht Rechtsnorm des Insolvenzrechts, die über die aufgeworfene Verteilungsfrage, ob und wie (d.h. in welchem Umfang) die Pflichten, die das öffentliche Recht zur Sanierung von Altlasten aufstellt, im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Sanierungsverantwortlichen erfüllt werden, entscheidet: der Begriff der Insolvenzforderung (§ 38 InsO). „Vermögens-Anspruch,

der

zur

Zeit

der

Eröffnung

des

Insolvenzverfahrens begründet war“ (§ 38 InsO) Probleme, die sich bei der Antwort auf die Frage stellen, ob die öffentlichrechtlichen Sanierungspflichten „Insolvenzforderungen“ iSd § 38 InsO sind:

1.

„Anspruch“

--

umstritten, ob die öffentlichrechtliche Sanierungspflicht als ein „Anspruch“ iSd § 38 InsO angesehen werden kann; Hintergrund: „Anspruch“ ist ein Begriff des Zivilrechts;

im öffentlichen Recht spricht man nicht von

„Ansprüchen“, die der Staat gegenüber dem Bürger hat. --

einige (frühe) „Anspruch“.

Gerichtsentscheidungen:

Sanierungspflicht ist

kein

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

6

Begründung: Niemand, auch nicht der Staat, habe einen Anspruch auf die Sanierung. Zwar habe der Staat das Recht, die Sanierungspflichten mit Zwang durchzusetzen.

Aber damit verwirkliche er lediglich objektives Recht,

ohne dass ihm hierbei subjektive Rechte zur Seite stünden. Öffentlichrechtliche Ordnungspflichten ließen sich daher nicht mit schuldrechtlichen Verpflichtungen vergleichen; insbesondere könne der Staat insofern nicht als „Gläubiger“ angesehen werden. Mithin: Mangels eines Anspruchs könne folglich keine Insolvenzforderung (im Sinne des § 38 InsO) vorliegen. --

Folge

dieser

Auffassung:

Erst

dann,

wenn

der

Staat

in

der

Verwaltungsvollstreckung einen Zahlungsanspruch erlange, geselle sich zu dem

objektiven

Recht

ein

subjektives

Recht,

welches

wie

ein

zivilrechtlicher Anspruch in das Insolvenzverfahren einbezogen werden könne. --

Kritik: durchaus subjektive Rechte des Staats Die These, dass die Sanierungspflichten des öffentlichen Rechts nicht von subjektiven Rechten (des Staats) begleitet würden, leuchtet nicht ein. Sie versucht,

Erkenntnis

daraus

zu

saugen,

dass

die

diversen

öffentlichrechtlichen Sanierungspflichten objektiv kraft Gesetzes bestehen und keiner Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt bedürfen. Das schließt jedoch inhaltsgleiche subjektive Rechte des Staats nicht aus. Auch hinter jedem zivilrechtlichen Anspruch steht das Gesetz. Dass Verträge zu erfüllen sind, wird durch Gesetz angeordnet. Daher entspricht derjenige, der eine schuldrechtliche Verbindlichkeit erfüllt, auch einer objektiven gesetzlichen Pflicht. Der Staat lässt sich durchaus als Inhaber von Rechten vorstellen und nicht nur als eine Institution, die Recht durch Zwang durchsetzt. (Man könnte sich ein System denken, in dem die Exekutive nicht selbst Zwang ausüben dürfte, sondern die Einhaltung der Gesetze vor Gericht einklagen müsste.

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

7

Bei diesem z.B. im amerikanischen Verwaltungsrecht umgesetzten Konzept würde deutlich, dass die Exekutive hierbei eigene Rechte geltend macht.) --

InsO: in zivilrechtlicher Terminologie verfasst; Anpassung erforderlich, wenn Anwendung auf öffentlichrechtliche Pflichten.

--

Letztlich: Über die Einbeziehung gesetzlicher Sanierungspflichten in den Kreis der Insolvenzforderungen sollte nicht die Differenzierung nach objektivem und subjektivem Recht entscheiden.

Ob der Staat nun ein

subjektives Recht auf Sanierung besitzt oder nicht, kann kaum den Ausschlag

geben.

Schuldnervermögens

Es

geht

(auf

um

Kosten

die

Frage,

der

anderen

welcher

Teil

des

Gläubiger)

zur

Altlastsanierung eingesetzt werden soll. --

Ergebnis: Sanierungspflicht sollte insolvenzrechtlich als „Anspruch“ des Staats erfasst werden.

(überwiegende Auffassung wenigstens im

Schrifttum)

2.

„Vermögensanspruch“

--

Definition: „Vermögensanspruch“ liegt vor, wenn Insolvenzvermögen in Anspruch genommen werden muss, um den „Anspruch“ zu erfüllen

--

Sanierungspflichten:

Sie

verlangen

vom

Schuldner,

bestimmte

Handlungen (wie etwa die Auskofferung von Erdreich oder die ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen) vorzunehmen oder durch Dritte durchführen zu lassen. --

Hierzu benötigt der Schuldner Geld, so dass sich Sanierungspflichten (häufig sogar ganz beträchtlich) auf das Vermögen des Schuldners auswirken.

--

unvertretbare Handlung? Wäre die Altlastsanierung eine unvertretbare Handlung: dann kein Vermögensanspruch, weil Zwang gegen Person und nicht Zwang gegen das Vermögen erforderlich wäre, vgl. § 888 Abs. 1 ZPO. -- Hier: keine Unvertretbarkeit; nicht erforderlich, dass der Schuldner

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

selbst handelt;

vielmehr:

8

Vollstreckung durch Ersatzvornahme (durch

eine dritte Person) möglich (vgl. § 887 ZPO: Vollstreckung vertretbarer Handlungen, indem der Gläubiger vom Gericht ermächtigt wird, die Handlung vornehmen zu lassen und die hierbei anfallenden Kosten beim Schuldner

zu

vollstrecken;

ganz

ähnlich

im

Recht

der

Verwaltungsvollstreckung) --

Ergebnis: Sanierungsverantwortung = Vermögensanspruch

3.

„zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet“

Frage nach dem Zeitpunkt, zu dem die öffentlichrechtliche Sanierungspflicht „begründet“ worden war Differenzierung danach, ob die öffentlichrechtliche Sanierungspflicht (um deren Erfüllung es im konkreten Fall geht) an eine Handlung des Verantwortlichen oder an einen Zustand, den der Verantwortliche beherrscht, anknüpft

a)

unproblematisch: Tatbestände der Handlungsverantwortlichkeit

--

Sanierungspflichten,

die

an

eine

Handlung

des

Verantwortlichen

anknüpfen --

Handlungsverantwortlichkeit:

Sie knüpft an einen Beitrag an, den der

Verantwortliche zur Verursachung der Umweltbelastung geleistet hat. Grundlagen für eine Verantwortlichkeit als Handlungsstörer können der Betrieb einer Anlage, die Emission von Schadstoffen, das Ablagern von Abfällen oder die Erzeugung von Abfällen sein. --

Beispiel:

§ 4 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 Bundes-Bodenschutzgesetz:

„Der

Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast . . . [ist] verpflichtet, den Boden . . . so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren . . . für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen.“ --

Zeitpunkt,

zu

Meinungsstreit)

dem die

Handlung

vorgenommen

wurde

(kein

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

9

wenn: Handlung vor Insolvenzverfahren: Insolvenzforderung wenn:

Handlung

nach

Verfahrenseröffnung:

Massestatus

der

Sanierungsverantwortung (d.h. Kosten des Insolvenzverfahrens)

b)

problematisch: Tatbestände der Zustandsverantwortlichkeit

--

Sanierungspflichten, die daran anknüpfen, dass der Verantwortliche einen (gefährlichen) Zustand beherrscht

--

Zustandsverantwortlichkeit:

Sie richtet die Sanierungspflicht an den

Inhaber der tatsächlichen Gewalt.

Als Zustandsstörer kommen der

Eigentümer des verseuchten Grundstücks sowie der Besitzer des Grundstücks in Betracht. --

Beispiel:

§ 4 Abs. 3 Satz 1 Alt. 3 Bundes-Bodenschutzgesetz:

Inhaber der tatsächlichen Ge walt über ein Grundstück

...

„[D]er [ist]

verpflichtet, den Boden . . . so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren . . . für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen.“ Rechtsauffassungen:

aa)

Rechtsprechung und inzwischen die Mehrheit des Schrifttums

--

Zustandsverantwortlichkeit

bedeutet,

dass

diese

Verantwortlichkeit

andauernd neu begründet wird und somit auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

neu

begründet

wird.

Folge:

keine

Insolvenzforderung; sondern: Masseverbindlichkeit --

Ausnahme: Wenn die Umweltbehörde die Sanierungsverantwortung des Insolvenzschuldners bereits Verwaltungsakt

vor

konkretisiert

dem Insolvenzverfahren und

diesen

in einen

Verwaltungsakt

per

Ersatzvornahme vollstreckt hatte, so ist der Anspruch der Behörde gegen den Insolvenzschuldners auf Erstattung der Kosten der Ersatzvornahme eine Insolvenzforderung, auf die nur die Insolvenzquote ausgeschüttet wird.

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

10

bb)

Schrifttum, Mindermeinung

--

Teil des Schrifttums (so auch meine Position):

--

Zustandsverantwortlichkeit wird in dem Zeitpunkt begründet, zu dem der Insolvenzschuldner die Herrschaft über das Grundstück erlangt.

(Die

Zustandsverantwortlichkeit „entsteht“ sogar in diesem Zeitpunkt;

erst

recht wurde sie zu diesem Zeitpunkt „begründet“.) --

Folge: Da (oder soweit) dieser Zeitpunkt vor dem Insolvenzverfahren lag: Insolvenzforderung

(und

nicht

Masseverbindlichkeit).

Die

Sanierungspflicht wird daher lediglich monetär und lediglich iHd Insolvenzquote befriedigt.

cc)

Argumentationen

Argumente

der

Rechtsprechung

(pro

Masseverbindlichkeit,

contra

Insolvenzforderung) und Auseinandersetzung mit diesen Argumenten: (1)

Erlangung der Herrschaft (= der tatsächlichen Gewalt) über das Grundstück

durch

die

Insolvenzverwaltung

(nach

der

Verfahrenseröffnung) --

Hauptargument der Gerichte: Die Zustandsverantwortlichkeit knüpft an die Herrschaft über die gefährliche Sache (das verunreinigte Grundstück) an.

Durch

die

Eröffnung

des

Insolvenzverfahrens

erlange

die

Insolvenzverwaltung die tatsächliche Herrschaft über das Grundstück. Folglich

entstehe

die

Zustandsverantwortlichkeit

neu

mit

der

Insolvenzverwaltung als Verantwortlichen. Die Gerichte stützen sich vor allem auf die 3. Alt. des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG.

Die Insolvenzverwaltung werde (durch die Eröffnung des

Insolvenzverfahrens) „Inhaber der tatsächlichen Gewalt“. Nur sie habe die Rechtsmacht, das Grundstück zu verwalten und über es zu verfügen (§ 80 InsO).

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

--

Kritik:

11

Missverständnis der Funktion der Insolvenzverwaltung:

Die

Insolvenzverwaltung übt keine eigene Sachherrschaft aus; sondern sie übt die Sachherrschaft des Insolvenzschuldners aus. Vgl. auch den Meinungsstreit über den „Besitz“ der Insolvenzverwaltung: § 148 InsO spricht vom „Besitz“ der Insolvenzverwaltung.

Daraus

schließen Rechtsprechung und überwiegende Schrifttumsmeinung, dass die

Insolvenzverwaltung

eigenen

Insolvenzschuldners habe.

Besitz

an

den

Sachen

des

M.E. wäre es funktionsgerechter, diese

Bestimmung dahin zu verstehen, dass die Insolvenzverwaltung den Besitz des Insolvenzschuldners ausübt -- so, wie die Insolvenzverwaltung auch kein

Eigentum

an

den

Sachen

erlangt,

sondern

lediglich

die

Eigentümerrechte des Insolvenzschuldners ausübt. (2)

Funktionsverlust von Insolvenzverfahren (insbes. der Verwertung durch Fortführung des Unternehmens des Insolvenzschuldners)

--

weitere Folge der Rechtsprechung: Zustandsverantwortlichkeit überdauert das

Insolvenzverfahren,

wenn

das

Unternehmen

des

Schuldners

fortgeführt wird. Bei Reorganisation des Insolvenzschuldners (durch einen Insolvenzplan): Sanierungsverpflichtung bliebe nach Reorganisation bestehen (weil diese nicht unter § 227 InsO fällt). Bei Fortführung durch neuen Träger:

Der neue Träger, der den

vorhandenen Zustand (Altlast im Grundstück) übernimmt, würde zustandsverantwortlich und hätte daher die Sanierungsverpflichtung, die das öffentliche Recht auferlegt, zu erfüllen. --

Damit: erhebliche Erschwernis (wenn nicht gar Verlust) der „Fortführung des Unternehmens des Insolvenzschuldners“ als Verwertungsoption Wird das Unternehmen des Insolvenzschuldners fortgeführt, kann der Insolvenzgrund der Überschuldung unter Umständen nicht mehr beseitigt werden

(nämlich

wenn

die

Überschuldung

gerade

in

der

Sanierungsverpflichtung liegt, was nicht selten der Fall ist). Die Belastung

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

12

des reorganisierten Schuldners bzw. des neuen Unternehmensträgers mit der Sanierungspflicht bestünde vielmehr fort und würde unter Umständen sofort ein weiteres Insolvenzverfahren erforderlich machen. Man sollte jedoch Insolvenzrecht, hier den Begriff der Insolvenzforderung, nicht so auslegen, dass der Schuldner bei einer bestimmten Verwertungsoption (hier der Verwertung durch Fortführung) von einem Insolvenzverfahren in das nächste taumelt. --

Beispiel: LTV Corp. (Ling Temco Vought Corp.) Zur Veranschaulichung mag die Insolvenz der LTV Corporation dienen, eines

Mischkonzerns

mit

Aktivitäten

im

Stahlbereich,

der

Energieerzeugung und der Raumfahrt und mit gewaltigen Altlasten. Zu dem Zeitpunkt, als LTV das (erste) Insolvenzverfahren beantragte (1986), hatte die amerikanische Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency)

bereits

32

Millionen

USD

für

Sanierungsmaßnahmen

aufgewendet. Den weiteren Sanierungsbedarf hatte EPA nicht ermittelt, doch wurde allgemein angenommen, dass LTV noch in Höhe von mehr als 100 Millionen Dollar für die Altlastensanierung einzustehen habe. Die EPA meldete sich nicht als Gläubigern, was ihr (gemäß amerikanischem Insolvenzrecht) nur die Insolvenzquote auf den Sanierungsaufwand gebracht hätte; sie spekulierte stattdessen auf eine Fortführung von LTV und somit darauf, sich nach Abschluss des Insolvenzverfahrens in voller Höhe an das Neuvermögen von LTV halten zu können. annehmen, gegenüber

dass

die

dem

Insolvenzverfahren

Sanierungsverantwortung

Insolvenzverfahren

wäre

uneingeschränkt

von

Würde man

LTV

und

fortbestünde,

resistent

nach

dem

müsste

die

Reorganisation von LTV (d.h. die Fortführung des Unternehmens durch den bisherigen Schuldner) fehlschlagen. Am Tage 1 nach dem Abschluss des

Insolvenzverfahrens

wäre

LTV

Sanierungspflichten erneut insolvent.

aufgrund

der

immensen

Es müsste sogleich ein neues

Insolvenzverfahren eröffnet werden. Da die Zustandsverantwortlichkeit -nach

Meinung

vieler

Gerichte

--

auch

von

diesem

neuen

Insolvenzverfahren nicht berührt würde, setzten sich die ihrer Funktion beraubten Insolvenzverfahren beliebig fort.

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

13

Dieses Problem sah auch der zweite Circuit Court, der diesen Fall zu entscheiden hatte.

Er hält zwar im Grundsatz daran fest, dass die

Sanierungsverantwortung von dem Insolvenzverfahren unberührt bleibe. Er entkleidet die fortbestehende Sanierungsverantwortung jedoch ihrer finanziellen Komponente, indem er den gesamten Sanierungsaufwand für vor

Antragstellung

eingetretene

Umweltverschmutzungen

als

Insolvenzforderung in die Schuldbefreiung des Insolvenzplans (im deutschen Recht wäre dies § 227 InsO) einbezieht. Und das Gericht geht noch weiter:

Die Schuldbefreiung erfasse auch

Altlasten von LTV, die bei Beendigung des Insolvenzverfahrens noch unbekannt seien. (Anmerkung:

Nachdem

Reorganisation

das

abgeschlossen

1986er

wurde,

Insolvenzverfahren

begann

2000

Insolvenzverfahren über das Vermögen von LTV.

ein

durch weiteres

Dieses zweite

Insolvenzverfahren stand meines Wissens nicht im Zusammenhang mit Altlastsanierungspflichten. Es endete 2012 nicht mit einer Reorganisation, sondern

mit

der

Übertragung

und

der

Stilllegung

von

Unternehmensteilen.) --

Ergebnis:

In den Fällen, in denen das Schuldnervermögen durch eine

Fortführung des Unternehmens verwertet werden soll, führt der hier kritisierte Ansatz zu unvertretbaren Ergebnissen. Insolvenzverfahrens

sollte

die

Nach Abschluss des

Zustandsverantwortlichkeit

des

Unternehmensträgers (in diesen Fällen) allein in der Form fortbestehen, dass dieser Sanierungsmaßnahmen zu dulden hat; sie sollte jedoch keine Vermögenswirkungen mehr entfalten. (3)

Verzerrung

von

Anreizen

(Manipulationsmöglichkeiten

für

die

Umweltbehörde) --

Konsequenz der Position der Rechtsprechung: Sowohl die Behörde als auch die Insolvenzverwaltung haben es danach in der Hand, durch Sanierung während des Insolvenzverfahrens deren Kosten in den Rang von Kosten des Insolvenzverfahrens (= Massestatus) zu erheben.

Die

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

„optimierende“

Behörde

Insolvenzverfahrens vollstrecken.

wird

abwarten

und

daher erst

die

14

Eröffnung

während

des

des

Verfahrens

Die Kosten einer Ersatzvornahme gehören dann zu den

Kosten des Insolvenzverfahrens und sind vorweg zu befriedigen. --

Kritik: bloßes Zuwarten verbessert die Rechtsposition der Behörde Die fleißige, gut funktionierende Behörde, die die Einhaltung von Normen des Umweltschutzes gewissenhaft überwacht, auf diese Weise früh von Altlasten erfährt und daher die Sanierungsverantwortung vor der Eröffnung

des

Insolvenzverfahrens

vollstreckt,

erhält

ihre

Ersatzvornahmekosten lediglich als Insolvenzforderung mit der Quote befriedigt.

Demgegenüber kann sich die Behörde, die erst durch den

Insolvenzantrag erwacht, an die Spitze der ungesicherten Gläubiger schwingen. (4)

„Erhaltung

des

Insolvenzvermögens“

als

Kosten

des

Insolvenzverfahrens --

weiteres Argument der Gerichte: „Verwaltung des Insolvenzvermögens“

--

Zu den Kosten des Insolvenzverfahrens gehört der Aufwand, der nötig ist, um die Gegenstände des Schuldnervermögens zu „verwalten“ (§ 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO. Was zur Verwaltung der Insolvenzmasse erforderlich sei, ergebe sich -- so die Gerichte -- aus den allgemeinen Gesetzen, und somit auch aus dem Umweltrecht. Wenn dort bestimmte Höchstwerte für die Belastung des Erdbodens mit Schadstoffen festgelegt seien, gehöre zur „Erhaltung“

des

Grundstücks

auch,

es

in

Einklang

mit

den

„Erhaltung“

des

umweltrechtlichen Anforderungen zu bringen. --

Zurückweisung

dieses

Arguments:

Unter

Insolvenzvermögens ist der Zustand gemeint, der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestand; und das war nun einmal das Grundstück in verseuchtem Zustand.

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

(5)

Zweck der Privilegierung von Verfahrenskosten

--

entscheidender Kritikpunkt an der Rechtsprechung:

15

Zweck, den die

Privilegierung der Kosten des Insolvenzverfahrens verfolgt. --

Zweck:

Insolvenzverfahren sind nötig, um das Schuldnervermögen zu

sichten und die Entscheidung vorzubereiten, wie das Schuldnervermögen verwertet werden soll. Dazu benötigt man Zeit. Während dieser Zeit fallen Kosten an, wie etwa die Kosten der Insolvenzverwaltung, die Löhne für die Arbeitnehmer, die Kosten für die Anschaffung von Roh- und Einsatzstoffen oder für die Entsorgung neu anfallender Abfälle.

Diese

Kosten müssen vor den bisherigen Gläubigern des Schuldners beglichen werden;

anderenfalls könnten Insolvenzverfahren nicht durchgeführt

werden. --

Die Sanierung von Altlasten kann nicht an dieser Privilegierung teilhaben, weil sie von dem skizzierten Zweck nicht erfasst wird.

Die

Altlastsanierung steht mit der Durchführung des Insolvenzverfahrens in keinem Zusammenhang; sie ist nicht erforderlich, ein Insolvenzverfahren durchzuführen.

Da

die

Sanierungspflicht

bereits

vor

dem

Insolvenzverfahren bestand, kann sie nicht zu dessen Kosten gehören. (gedanklicher Test: Näherte sich die Zeit des Insolvenzverfahrens gegen Null, müssten sich auch die Kosten des Insolvenzverfahrens gegen Null nähern. Das ist bei den Kosten, die die Sanierung ökologischer Altlasten erfordert, nicht der Fall. (6)

Funktion des Rechts der Insolvenzverteilung:

Respektierung der

außerhalb der Insolvenz geltenden Rangverhältnisse --

strukturierte Sicht der Dinge: Die Verteilungsverhältnisse, die außerhalb der Insolvenz (also nach Nicht-Insolvenzrecht) bestehen, sind auch in der Insolvenz maßgeblich.

--

Auf der Verteilungsseite fällt dem Insolvenzrecht die Aufgabe zu, die außerhalb der Insolvenz begründeten Rangverhältnisse zu respektieren.

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

--

Folge:

Das

Insolvenz(verteilungs)recht

hat

die

16

Aufgabe,

die

Rangverhältnisse zwischen den verschiedenen Verbindlichkeiten eines Schuldners so umzusetzen, wie sie vor der Insolvenz begründet wurden. Zu welchem Anteil das (verwertete) Schuldnervermögen für die Sanierung von Altlasten einzusetzen ist, entscheidet nach alledem das Recht außerhalb des Insolvenzrechts, konkret: das öffentliche Umweltrecht. Diesem

Rechtsgebiet

obliegt

es,

über

den

Befriedigungsrang

zu

entscheiden, den die ordnungsrechtlichen Sanierungspflichten gegenüber den sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners bekleiden sollen. --

Um zu entscheiden, welcher Teil des Vermögens eines insolventen Schuldners auf die Sanierung von Altlasten entfallen soll, ist folglich in erster Linie das Recht außerhalb des Insolvenzrechts maßgebend.

Das

Insolvenzrecht muss die Sanierungspflichten mit dem Rang übernehmen, mit

welchem

das

öffentliche

Umweltrecht

diese

Pflichten

selbst

ausgestattet hat. --

Soweit das öffentliche Umweltrecht die Sanierungsverantwortung nicht mit

einem

privilegierten

Befriedigungsrang

ausstattet,

ist

diese

Insolvenzforderung. denn:

Das Insolvenzrecht hat die Rangverhältnisse, die außerhalb der

Insolvenz (also in der Solvenz) bestehen, grundsätzlich zu respektieren. --

Hieraus wird deutlich: Das öffentliche Umweltrecht hat die Option, den Sanierungspflichten für Altlasten einen Vorrang einräumen: siehe unten Abschnitt IV.

4.

Ergebnis

(zum

Befriedigungsstatus):

Die

Erfüllung

der

Sanierungsverantwortlichkeit in der Insolvenz des Verantwortlichen --

Öffentlichrechtliche

Pflichten

zur

Insolvenzforderungen --

Ausschüttung: nur die Insolvenzquote

Sanierung

von

Altlasten:

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

--

Ersatzvornahme der Behörde:

17

Anspruch der Behörde auf Kostenersatz

(nur Insolvenzquote)

5.

Rechtsvergleich amerikanisches Recht:

Streit über die Erfassung als

„claim“ --

ganz ähnliche Fälle und Debatten wie im deutschen Recht

--

h.M.:

Die wohl überwiegende Mehrheit der amerikanischen Gerichte

wertet Pflichten zur Sanierung von bei Insolvenzeröffnung bestehenden Verunreinigungen generell als Insolvenzforderungen. --

Damit finden der Vollstreckungsstopp und die Restschuldbefreiung (bei einer Reorganisation) Anwendung.

--

Detail:

Strenggenommen

fällt

mit

der

Feststellung

einer

Insolvenzforderung auch die Entscheidung gegen eine Privilegierung dieser Forderung als Masseverbindlichkeit. Wenn die Forderung bereits begründet war, als der Schuldner insolvent wurde, kann es sich schlechterdings nicht um Kosten des Insolvenzverfahrens handeln. Nicht wenige amerikanische Gerichte scheuen vor dieser Schlussfolgerung zurück.

Sie meinen zwar, die Sanierungspflicht für Altlasten sei eine

Insolvenzforderung, räumen den Aufwendungen, die der Staat oder Dritte für Sanierungen seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens getätigt haben, aber gleichzeitig das Befriedigungsprivileg als Verfahrenskosten ein. Wie einige Autoren treffend anmerken, ist diese Haltung „somewhat illogical“.1 Durch sie suchen die Gerichte der Haftung für Umweltschäden einen Befriedigungsvorrang vor anderen Verbindlichkeiten des Schuldners zu verschaffen.

1

Mirsky / Conway / Humphrey, The Interface Between Bankruptcy and Environmental Laws, 46 The Business Lawyer 626 (654 f.) (1991).

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

IV.

18

Option des Umweltrechts: Gesetzliche Sicherungsrechte für AltlastSanierungspflichten

--

Wie öffentlichrechtliche Pflichten zur Sanierung von Altlasten im Insolvenzverfahren

befriedigt

werden,

hängt

somit

untätig,

bleibt

es

letztlich

vom

öffentlichen Recht ab. --

Bleibt

das

öffentliche

Recht

beim

Status

als

Insolvenzforderung. --

Das öffentliche Umweltrecht hat aber auch die Möglichkeit, den Befriedigungsstatus der Altlastsanierungspflichten zu verbessern. Hierzu muss

der

Gesetzgeber

gesetzliche

Sicherungsrechte

für

Altlast-

Sanierungspflichten festlegen. --

Für

derartige

gesetzliche

Sicherungsrechte

bestehen

verschiedene

Optionen.

a)

Einfaches gesetzliches Sicherungsrecht an dem betroffenen Grundstück

Man

könnte

der

Sanierungsverantwortung

ein

gesetzliches

Befriedigungsvorrecht an dem verseuchten Grundstück einräumen. Sicherungsrecht

verdrängt

bereits

bestehende

(vertraglich

Dieses

begründete)

Grundpfandrechte nicht. Beispiel: Grundpfandrecht, welches die amerikanische Bundesumweltbehörde (EPA) für ihre Auslagen und Kosten an dem betroffenen Grundstück kraft Gesetzes erwirbt.

b)

Gesetzliches Sicherungsrecht am betroffenen Grundstück mit Vorrang vor bereits bestehenden Sicherungsrechten (sog. Supervorrecht)

Man kann einen Schritt weiter gehen und der Sanierungsverantwortung ein solches

Befriedigungsvorrecht

einräumen,

das

Sicherungsrechte am Schuldnervermögen verdrängt.

bereits

bestehende

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

19

Beispiel: die „öffentliche Last“ an dem sanierungsbedürftigen Grundstück Rechtsfolge der öffentlichen Last: Die Sanierungspflicht ist im Rang vor den Inhabern

rechtsgeschäftlicher

Sicherungsrechte

an

dem

Grundstück

zu

befriedigen (§ 10 Abs. 1 Ziff. 3 ZVG). Zu entscheiden, ob die Sanierungspflicht eine „öffentliche Last“ sein soll, ist Aufgabe der Bundesländer. Beispiel: Hessisches Gesetz zur Ausführung des Bundes-Bodenschutzgesetzes und zur Altlastensanierung (2007) (GVBl. I 2007, 652) § 13 Abs. 3: „Kosten für Maßnahmen, die im Wege der Ersatzvornahme, der unmittelbaren Ausführung oder vom Träger der Altlastensanierung durchgeführt werden, ruhen als öffentliche Last auf dem Grundstück. Die öffentliche Last ist in das Grundbuch einzutragen.“

c)

Gesetzliches Sicherungsrecht mit Vorrang (also als Supervorrecht) an sämtlichen Vermögensgegenständen des Sanierungsverantwortlichen

Man kann noch weiter gehen und der Sanierungsverantwortung ein gesetzliches Befriedigungsvorrecht mit Rangvortritt (= Supervorrecht) nicht nur an dem betroffenen

Grundstück,

sondern

an

sämtlichen

Vermögenswerten

des

Schuldners einräumen. Beispiel: Altlastengesetze einiger US-Bundesstaaten

V.

Wertsteigerung, die das Grundstück durch die Sanierung der öffentlichen Hand erfahren hat

Hat die öffentliche Hand (etwa per Ersatzvornahme) das Grundstück saniert, hat sie einen Anspruch auf Herausgabe der Wertsteigerung, die das Grundstück durch die Sanierung erlangt hat. (Dieser Anspruch steht neben dem Anspruch der Behörde auf Erstattung der Kosten der Altlastsanierung.)

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

20

Grundlage dieses Anspruchs: --

Spezielle Regelungen des öffentlichen Rechts, z.B. § 25 BBodenSchG („Wertausgleich“) § 25 Abs. 1 BBodenSchG: „Soweit durch den Einsatz öffentlicher Mittel bei Maßnahmen zur Erfüllung der Pflichten nach § 4 der Verkehrswert eines Grundstücks nicht nur unwesentlich erhöht wird und der Eigentümer die Kosten hierfür nicht oder nicht vollständig getragen hat, hat er einen von der zuständigen Behörde festzusetzenden Wertausgleich in Höhe der maßnahmenbedingten Wertsteigerung an den öffentlichen Kostenträger zu leisten.

Die Höhe des Ausgleichsbetrages wird durch die Höhe der

eingesetzten öffentlichen Mittel begrenzt. . . . “ Abs. 2:

„Die durch Sanierungsmaßnahmen bedingte Erhöhung des

Verkehrswerts eines Grundstücks besteht aus dem Unterschied zwischen dem Wert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn die Maßnahmen nicht durchgeführt worden wären (Anfangswert), und dem Verkehrswert, der sich für das Grundstück nach Durchführung der Erkundungs- und Sanierungsmaßnahmen ergibt (Endwert).“ --

BGB-Bereicherungsrecht, wo spezielle gesetzliche Regelungen fehlen

Befriedigungsstatus (des Anspruchs auf Herausgabe der Wertsteigerung) --

wo spezielle gesetzliche Regelungen fehlen: abhängig vom Zeitpunkt, zu dem die öffentliche Hand sanierte Sanierung vor dem Insolvenzverfahren: Insolvenzforderung Sanierung während des Insolvenzverfahrens: Massestatus

--

spezielle

gesetzliche

Regelung

zum

Anspruch

der

Behörde

auf

Wertausgleich nach § 25 Abs. 1 BBodenSchG: „öffentliche Last“. § 25 Abs. 6 BBodenSchG: „Der Ausgleichsbetrag ruht als öffentliche Last auf dem Grundstück. Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Art und

Umweltrecht (Altlasten) und Insolvenz: Materielles Recht

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Weise, wie im Grundbuch auf das Vorhandensein der öffentlichen Last hinzuweisen ist, zu regeln.“

VI.

Schrifttum

--

meine Position

--

von Wilmowsky: „Insolvenz und Umwelthaftung: Die Verantwortlichkeit für Altlasten im Verhältnis zu den anderen Pflichten des Schuldners“ in: ZHR (Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht) 160 (1996) 593-625

--

von

Wilmowsky:

„Gesetzliche

Sicherungsrechte

für

Altlastsanierungspflichten?“ in: JZ (Juristenzeitung) 1997, 817-825

--

herrschende Meinung

--

Münchener Kommentar zur InsO (Hefermehl), 3. Aufl., Band 1, 2013, § 55 Rn. 89-103