Darlehen der Gesellschafter und Insolvenz der GmbH im italienischen Recht

ZInsO-Praxis 298 ZInsO 6/2008 Darlehen der Gesellschafter und Insolvenz der GmbH im italienischen Recht von Avvocato und Rechtsanwalt Dr. Dott. Val...
Author: Klaus Böhmer
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Darlehen der Gesellschafter und Insolvenz der GmbH im italienischen Recht von Avvocato und Rechtsanwalt Dr. Dott. Valerio Sangiovanni LL.M., Mailand* Art. 2467 des italienischen Zivilgesetzbuches sieht vor, dass die Darlehen der Gesellschafter an die GmbH nicht an die Gesellschafter zurückbezahlt werden dürfen, wenn zuvor die anderen Gesellschaftsgläubiger nicht befriedigt worden sind. Diese Regel gilt für die Darlehen, die zu einem Zeitpunkt gewährt wurden, in dem ein krasses Missverhältnis zwischen Verschuldung und Nettovermögen der Gesellschaft vorlag. Im Fall der Insolvenz müssen die Gesellschafter der Gesellschaft die Darlehen zurückzahlen, die im Laufe des Jahres vor der Insolvenzerklärung an die Gesellschafter zurückbezahlt wurden. I. Einführung Das italienische Recht der Kapitalgesellschaften ist im Jahre 2003 grundlegend reformiert worden. Einige Bücher1 und Artikel2 in deutscher Sprache sind nach dieser wichtigen Novelle erschienen. Die Reform betrifft auch die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (società a responsabilità limitata).3 Eine der wichtigsten Neuheiten der Reform des italienischen Gesellschaftsrechts von 2003 ist die Einführung einer Bestimmung zur Regelung der Darlehen, welche die Gesellschafter zugunsten der GmbH gewähren.4 Das italienische Zivilgesetzbuch (codice civile; abgekürzt: c.c.) sieht vor, dass die Rückzahlung der Darlehen der Gesellschafter an die Gesellschaft erst dann erfolgen kann, wenn zuvor die anderen Gläubiger befriedigt worden sind. Wenn die Rückzahlung in dem Jahr vor der Insolvenzerklärung der Gesellschaft stattgefunden hat, müssen die entsprechenden Beträge an die Gesellschaft zurückbezahlt werden (Art. 2467 Abs. 1 c.c.). Das Gesetz sieht darüber hinaus vor, dass als Darlehen der Gesellschafter jene Darlehen gelten, die zu einem Zeitpunkt gewährt wurden, zu dem – auch in Anbetracht der Typologie der Tätigkeit der Gesellschaft – ein krasses Missverhältnis zwischen Verschuldung und Nettovermögen der Gesellschaft vorlag oder zu dem eine Einlage vernünftig gewesen wäre (Art. 2467 Abs. 2 c.c.). Der Grundgedanke der italienischen Neuregelung der Darlehen der GmbH-Gesellschafter ist, dass die Darlehen der Gesellschafter an die GmbH in wirtschaftlicher Hinsicht den Einlagen ähneln. Beide Beiträge dienen dazu, der Gesellschaft jene Mittel zur Verfügung zu stellen, die der Gesellschaft ermöglichen, ihre Tätigkeit auszuüben und den Gesellschaftsgegenstand zu verwirklichen. Kapital und Darlehen befinden sich, obwohl sie von den gleichen Personen stammen (Gesellschafter) und die gleiche Zielsetzung haben (Finanzierung der Gesellschaft), aus der Sicht der Regelung nicht auf der gleichen Ebene. Es gibt eine wirtschaftliche, aber keine rechtliche Ähnlichkeit. Der größte Unterschied zwischen Kapital und Darlehen liegt darin, dass das Kapital an die Gesellschafter nicht zurückgegeben werden darf, während die Darlehen – unter normalen Bedingungen (aber Art. 2467 c.c. macht eben eine Ausnahme) – für die Rückzahlung an die Gesellschafter bestimmt sind. Die unbefugte Rückgabe der Einlagen erfüllt sogar nach italienischem Recht einen Straftatbestand. Gem. Art. 2626 c.c. werden die Ge-

schäftsführer, welche den Gesellschaftern die Einlagen zurückgeben, mit Haftstrafe bis zu einem Jahr bestraft. Im Hinblick auf die Darlehen haben hingegen die Gesellschafter Anspruch auf Rückzahlung. Der Zeitpunkt der Rückzahlung hängt von den Bedingungen des Vertrages zwischen Gesellschafter und Gesellschaft ab: es kann sich um kurzfristige, mittelfristige oder langfristige Darlehen handeln. Aber nach Ablauf der dafür vorgesehenen Frist wird das Darlehen dem Gesellschafter zurückbezahlt. Der Anspruch des Gesellschafters auf Rückbezahlung des Darlehens kennt nach Art. 2467 Abs. 1 c.c. eine bedeutende Einschränkung, wenn das Darlehen als „anomal“ oder „anormal“ oder „pathologisch“ qualifiziert werden kann. Im Fall des Vorliegens der in Art. 2467 Abs. 2 c.c. aufgelisteten Bedingungen kann der Gesellschafter die Rückzahlung der an die Gesellschaft geliehenen Summen nicht verlangen, solange die Gesellschaftsgläubiger nicht befriedigt worden sind. Die Bestimmungen über die Darlehen der GmbH-Gesellschafter an die Gesellschaft besitzen auch aus der Sicht des deutschen Beobachters praktische Relevanz. Die società a responsabilità limitata ist der meist verbreitete Gesellschaftstyp in Italien. Ende 2006 gab es in Italien 866.110 Gesellschaften mit beschränkter Haftung und nur 43.605 Aktiengesellschaften (società per azioni).5 Deutsche Unternehmen, die in Italien tätig sein wollen, gründen nicht selten eine GmbH bzw. kaufen eine Beteiligung *

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Der Autor ist als italienischer Avvocato und als deutscher Rechtsanwalt in Mailand tätig. Er ist darüber hinaus Lehrbeauftragter an der Juristischen Fakultät der Universität Trient. Der Verfasser dankt Frau RAin Marita Rabenschlag für das Korrekturlesen dieses Artikels und freut sich über Anregung und Kritik ([email protected]). Hilpold/Perathoner/Steinmair, Die Reform des italienischen Gesellschaftsrechts, 2006; Magrini, Italienisches Gesellschaftsrecht, 2004. Buse, RIW 2002, 676 ff.; Hilpold/Brunner, ZVglRWiss 105 (2006), 519 ff.; Padovini, ZfRV 2003, 138 ff.; Rossmanith/Wurzer, Der Schweizer Treuhänder 2007, 263 ff.; Steinhauer, EuZW 2004, 364 ff. Über die Regelung der italienischen GmbH nach der Novelle von 2003 s. in deutscher Sprache Bader, GmbHR 2005, 1474 ff. (allgemein zur Neuregelung); Buenger, RIW 2004, 249 ff. (zu Geschäftsführung und Kontrolle); Haas, GmbHR 2004, 557 ff. (zu den Gesellschafterdarlehen); Lorenzetti/ Strnad, GmbHR 2004, 731 ff. (allgemein zur Reform); Magelli/Masotto, RIW 2003, 575 ff. (zu den Kapitalmaßnahmen); Sangiovanni, GmbHR 2007, 1264 ff. (zur Abberufung der Geschäftsführer); Sangiovanni, GmbHR 2006, 1316 ff. (zur Struktur der Geschäftsführung). Speziell zu den Darlehen der Gesellschafter nach der Reform von 2003 vgl. Assonime, Il finanziamento della società a responsabilità limitata, Circolare n. 40, 17.7.2007; Capelli, Rivista di diritto privato 2005, 99 ff.; Esposito, Il “sistema” delle reazioni revocatorie alla restituzione dei finanziamenti postergati ex art. 2467: il coordinamento “possibile” tra la norma del codice ed il corpo fallimentare, in: Di Marzio, Il nuovo diritto della crisi di impresa e del fallimento, 2006, S. 177 ff.; Finardi, Società 2006, 596 ff.; Guarino, Vita notarile 2006, 948 ff.; Irrera, Anm. zu Art. 2467, in: Cottino/Bonfante/ Cagnasso/Montalenti, Il nuovo diritto societario, 2. Bd., 2004, S. 1789 ff.; Panzani, Fallimento 2006, 680 ff.; Salafia, Società 2005, 1077 ff.; Spaltro, Società 2006, 1268 ff. Diese Daten sind in Il Sole-24 Ore, 29.11.2007, 36, veröffentlicht.

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an einer GmbH. Wenn die Gesellschaft zusätzliche Mittel braucht, ist die Gewährung von Darlehen durch ihre Gesellschafter eine gewöhnliche Modalität der Finanzierung. Es ist daher auch aus deutscher Sicht von Interesse, sich mit der italienischen Neuregelung zu befassen. II. Überblick über Ähnlichkeiten und Unterschiede zum deutschen Recht In diesem Artikel wird die italienische Regelung betreffend die Darlehen der GmbH-Gesellschafter skizziert. Es ist allerdings angebracht, mit einigen rechtsvergleichenden Anmerkungen zum deutschen Recht zu beginnen. Das deutsche Recht der Darlehen der GmbH-Gesellschafter steht i.Ü. kurz vor dem Umbruch. Durch das MoMiG wird die entsprechende Regelung geändert.6 Derzeit ist aber das deutsche Kapitalersatzrecht noch in den §§ 32a und 32b GmbHG enthalten. Es soll daher ein kurzer Blick in diese Bestimmungen geworfen werden. Dem italienischen Recht ähnlich ist die Bestimmung des § 32a Abs. 1 GmbHG: Hat ein Gesellschafter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), statt dessen ein Darlehen gewährt, so kann er den Anspruch auf Rückgewähr des Darlehens im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft nur als nachrangiger Insolvenzgläubiger geltend machen. Der Gesellschafter wird vom Gesetzgeber „bestraft“, weil er versucht hat, die Risiken der Investition zu umgehen, indem er – an Stelle Eigenkapital zuzuführen – ein Darlehen gewährt hat. Erhebliche Unterschiede zwischen italienischem und deutschem Recht können hingegen anhand von § 32a Abs. 3 GmbHG festgestellt werden. Diese Bestimmung klammert aus dem Anwendungsbereich der Regeln über den Eigenkapitalersatz die Gesellschafter aus, die mit 10 v.H. oder weniger am Stammkapital beteiligt sind. Dies gilt im italienischen Recht nicht: Jeder Gesellschafter unterliegt – unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung – dem Eigenkapitalersatzrecht.7 Im deutschen Recht gilt aber § 32a GmbHG auch für Kleingesellschafter, wenn sie gleichzeitig Geschäftsführer der Gesellschaft sind. Der Unterschied zwischen deutschem und italienischem Recht besteht daher im Endeffekt nur insoweit: Im deutschen Recht – im Unterschied zum italienischen Recht – sind die Kleingesellschafter, die keine Geschäftsführer sind, aus dem Anwendungsbereich der Bestimmung ausgeschlossen. Im deutschen Recht legt § 39 Abs. 1 InsO die Rangfolge der Forderungen der Insolvenzgläubiger fest: Die Forderung auf Rückgewähr des kapitalersetzenden Darlehens eines Gesellschafters wird als letzte befriedigt. Die Forderungen nachrangiger Gläubiger sind nur anzumelden, soweit das Insolvenzgericht besonders zur Anmeldung dieser Forderungen auffordert (§ 174 Abs. 3 InsO). Im italienischen Recht sind hingegen die Forderungen der Gesellschafter auf Rückgewähr von Darlehen automatisch, d.h. unabhängig von einer Aufforderung des Insolvenzgerichts, von den Gesellschaftern anzumelden.

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In beiden Systemen sind die Chancen einer Befriedigung der Gesellschafter im Insolvenzverfahren gering. Systematische Unterschiede ergeben sich auch im Zusammenhang mit der Insolvenzanfechtung. Anders als im deutschen Recht (§ 135 InsO), findet man direkt im italienischen Insolvenzgesetz (legge fallimentare; abgekürzt: l.f.) keine spezielle Bestimmung über die mögliche Anfechtung der Rückgewähr der Gesellschaftsdarlehen. Nach der deutschen Vorschrift ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines kapitalersetzenden Darlehens Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist. Art. 2467 Abs. 1 c.c. hat allerdings den gleichen Inhalt wie § 135 InsO. III. Die Insolvenzerklärung und die Nachrangigkeit der Darlehen Die finanzielle Lage einer GmbH kann sich derart verschlechtern, dass die Insolvenzerklärung eintritt. Die Insolvenzerklärung erfolgt, wenn sich die Gesellschaft in einem Status der Insolvenz befindet (Art. 5 Abs. 1 l.f.). Der Insolvenzstatus zeigt sich durch Nichterfüllungen oder andere externe Tatsachen, die beweisen, dass der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, seinen Verpflichtungen regelmäig nachzukommen (Art. 5 Abs. 2 l.f.).8 Die Eröffnung der Insolvenz bringt eine Reihe von Wirkungen mit sich. Die Insolvenzerklärung wirkt sich auch auf die Darlehen der GmbH-Gesellschafter aus. Wenn das Darlehen bereits in dem Jahr vor der Insolvenzerklärung den Gesellschaftern zurückbezahlt wurde, muss es der Gesellschaft zurückbezahlt werden. Wenn hingegen das Darlehen den Gesellschaftern noch nicht zurückbezahlt wurde, verbietet der Eintritt der Insolvenz eine solche Rückzahlung. Die entsprechenden Beträge werden Bestandteil der Insolvenzmasse. Mit der Insolvenzerklärung wird der Gesellschafter, der eine Forderung aus einem Darlehen zugunsten der Gesellschaft hat, einer der vielen Gläubiger der GmbH. Abstrakt, d.h. wenn eine Bestimmung wie Art. 2467 Abs. 1 c.c. nicht existieren würde, würde der Gesellschafter – gleichberechtigt mit den anderen Gläubigern – Anspruch auf das Restvermögen der Gesellschaft haben. Aber der wichtigste Inhalt des Art. 2467 Abs. 1 c.c. ist eben die Nachrangigkeit im Insolvenzfall der Befriedigung der Gesellschafter im Hinblick auf die von ihnen zugunsten der Gesellschaft gewährten Darlehen. Durch den Mechanismus des Nachrangs wird vermieden, dass die Gesellschafter gleichberechtigt mit den an6 7

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Zum neuen deutschen Kapitalersatzrecht nach dem MoMiG s. statt aller Haas, ZInsO 2007, 617 ff. Eine Ausnahme ergibt sich aus Verordnungsbestimmungen der italienischen Zentralbank (Banca d’Italia). Nach der italienischen Zentralbank können die Gesellschaften, anders als die Genossenschaften, Geld ohne Beschränkungen nur von denjenigen Gesellschaftern leihen, die mindestens 2 % des Kapitals halten (Titel IV Kapitel II Abschnitt V der Anleitungen, istruzioni, der italienischen Zentralbank, italienisches Gesetzblatt Nr. 96 v. 26.4.2007, 115). Zu den Voraussetzungen der Insolvenzerklärung im italienischen Recht vgl. in deutscher Sprache Rabenschlag, Jahrbuch für italienisches Recht, Bd. 12, 1999, 133 ff.

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deren Gesellschaftsgläubigern bzgl. des Restvermögens der Gesellschaft konkurrieren. Man kann sich folgende Lage vorstellen. Das Restvermögen einer GmbH beträgt 100.000 € und es gibt 10 interne Gläubiger (Gesellschafter, die Darlehen an die Gesellschaft gewährt haben) mit Forderungen i.H.v. 100.000 € und 10 externe Gläubiger mit Forderungen i.H.v. weiteren 100.000 €. Die Aktiva der Gesellschaft (100.000 €) reichen nicht aus, um die gesamten Schulden (200.000 €) der GmbH zu begleichen. Würden alle (internen und externen) Gläubiger einen gleichberechtigten Anspruch auf das Restvermögen der Gesellschaft haben, so wären alle Gläubiger befriedigt, aber nur zu 50 % (100.000 € geteilt durch 20 Personen). Diese Lösung würde die Gesellschafter im Vergleich zu den anderen Gesellschaftsgläubigern begünstigen. Hätten die Gesellschafter an Stelle von Darlehen Einlagen geleistet, würden sie in dem zuvor gemachten Beispiel im Insolvenzfall nichts erhalten, da die 100.000 € lediglich für die Befriedigung der externen Gläubiger der Gesellschaft ausreichen. Um einen solchen Vorzug der Gesellschafter zu vermeiden, hat der italienische Gesetzgeber durch Art. 2467 Abs. 1 c.c. vorgesehen, dass die Gesellschafter erst nach den anderen Gesellschaftsgläubigern befriedigt werden dürfen. Als erste werden die externen Gesellschaftsgläubiger befriedigt. Erst dann können die Gesellschafter in ihrer Qualität als Darlehensgeber befriedigt werden. Schließlich ist das Restvermögen unter den Gesellschaftern als Kapitalgebern zu verteilen. IV. Anmeldung der Forderungen Auch dann wenn die Insolvenz der Gesellschaft erklärt worden ist, bleibt der Gesellschafter, der der GmbH ein Darlehen gewährt hat, Gläubiger der Gesellschaft. Für den Gesellschafter gibt es aber zwei Besonderheiten: 1) der Konkurs der anderen Gesellschaftsgläubiger und 2) die Nachrangigkeit seiner Forderung. Im Hinblick auf den Ablauf des Insolvenzverfahrens muss der Gesellschafter, der eine Forderung aus einem Darlehen zugunsten der Gesellschaft hat, seine Forderung anmelden (Art. 93 l.f.).9 Man könnte die Meinung vertreten, dass eine Anmeldung der Forderungen der finanzierenden Gesellschafter im Insolvenzverfahren nicht erforderlich ist, da die Gesellschafter ohnehin Anspruch auf all das haben, was nach der Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger übrig bleibt. Diese These ist aber nicht überzeugend, wenn man bedenkt, dass nicht immer alle Gesellschafter die Gesellschaft in der Form eines Darlehens finanziert haben. Bspw. kann man an eine GmbH mit zwei Gesellschaftern denken, in der nur der Gesellschafter D. (Darlehensgeber) und nicht der Gesellschafter N.D. (NichtDarlehensgeber) ein Darlehen gewährt hat. Wenn die Insolvenzerklärung eintritt, will der Gesetzgeber nicht, dass beide Gesellschafter gleich behandelt werden. Im Gegenteil: D. soll vor N.D. befriedigt werden. Zu diesem Zweck muss D., der ein Darlehensgeber der Gesellschaft ist, seine Forderung im Insolvenzverfahren anmelden.

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Eine solche Anmeldung braucht von N.D., der kein Darlehensgeber (sondern nur Kapitalgeber) der Gesellschaft ist, nicht vorgenommen zu werden. Wenn D. durch Rückzahlung des Darlehens befriedigt worden ist, wird das Restvermögen unter D. und N.D. im Verhältnis zu deren Kapitalbeteiligung verteilt. Die mögliche Anwesenheit von zwei Kategorien von Gesellschaftern (Darlehensgebern und Nicht-Darlehensgebern) zwingt zu einer Differenzierung im Insolvenzverfahren. Es kann vorkommen, dass nur einige Gesellschafter Darlehen zugunsten der Gesellschaft geleistet haben, z.B. weil sie – im Unterschied zu den anderen – die notwendigen Mittel hatten. In der Insolvenz bestehen somit zwei Kategorien von Gesellschaftern: die Darlehensgeber und die Nicht-Darlehensgeber. In einer solchen Lage gibt es einen Konflikt zwischen diesen zwei Kategorien. Der Kontrast wird vom Gesetzgeber zugunsten der Gesellschafter gelöst, die ein Darlehen gewährt haben. Folglich müssen die Forderungen von denjenigen Gesellschaftern angemeldet werden, die der Gesellschaft ein Darlehen geleistet haben. In Bezug auf das Kapital ist hingegen eine Forderungsanmeldung nicht erforderlich. Am Ende des Insolvenzverfahrens kann ein Restvermögen übrig bleiben oder nicht. Im positiven Fall werden die Gesellschafter unter sich all das verteilen, was nach Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger und der finanzierenden Gesellschafter übrig bleibt. Die Forderungen der finanzierenden Gesellschafter sind keine garantierten Forderungen. Solche Forderungen werden darüber hinaus erst dann befriedigt, wenn sonstige nicht garantierte Forderungen befriedigt worden sind.10 Insgesamt ist festzuhalten, dass der italienische Gesetzgeber von 2003 mit der Praxis der Darlehen der GmbHGesellschafter streng gewesen ist. Es muss nämlich berücksichtigt werden, dass die Chancen für die Gesellschafter, eine Befriedigung ihrer Forderungen zu erhalten, gering sind. Gründe dafür sind, dass die Gesellschaft insolvent ist und dass zuvor die anderen Gesellschaftsgläubiger befriedigt werden müssen. V. Pflicht zur Rückgewähr der Rückzahlungen Nach italienischem Recht müssen die Rückzahlungen der Darlehen an die Gesellschafter wieder an die Gesellschaft zurückbezahlt werden, wenn sie in dem Jahr vor der Insolvenzerklärung erfolgt sind (Art. 2467 Abs. 1 c.c.). Wenn das Darlehen kurz vor der Insolvenzerklärung zurückbezahlt wird, vermutet der Gesetzgeber, dass eine solche Rückzahlung nachteilig für die Gesellschaftsgläubiger ist. Das Gesetz erklärt daher die Rückzahlung für unwirksam und die entsprechenden Beträge müssen von den Gesellschaftern an die Gesellschaft zurückbezahlt werden. 9 Balp, Rivista delle società 2007, 345, 376; Fico, Società 2006, 1372, 1376; Moramarco, Diritto fallimentare 2007, II, 77, 89. 10 Campobasso, Diritto commerciale, 2. Bd., 6. Aufl., 2006, S. 556 f.; Menti, Anm. zu Art. 2467, in: Cian, Commentario breve al codice civile, 8. Aufl., 2007, S. 2900.

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Der Gesetzgeber geht davon aus, dass eine Rückzahlung kurz vor der Insolvenzerklärung den Zweck hat, die entsprechenden Summen der Insolvenzmasse und daher der Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zu entziehen. Der Gesellschafter, der der Gesellschaft ein Darlehen gewährt hat, hat den Status als Gesellschafter mit einer erhöhten Kapitalbeteiligung umgangen. Wenn der Gesellschafter – an Stelle ein Darlehen zu gewähren – an einer Kapitalerhöhung teilgenommen hätte, hätte er seine Kapitalbeteiligung dementsprechend erhöht. Der Gesellschafter hat aber frei entschieden, einen anderen Status (Darlehensgeber) anzunehmen. Nun versucht der Gesellschafter in der Krise der Gesellschaft, sich den negativen Folgen der Rolle als Darlehengeber zu entziehen, indem er die Rückzahlung des Darlehens und folglich die Beendigung seines Status als Gläubiger annimmt. Der Gesetzgeber ist misstrauisch gegenüber der Rückzahlung der Darlehen auch aus dem Grund, dass es sich um eine Angelegenheit handelt, die sich völlig innerhalb der Gesellschaft abspielt. Die Gesellschafter, welche die Darlehen gewährt haben, sind zum einem Inhaber der Gesellschaftsbeteiligungen und zum anderen Darlehensgeber. Es ist unwahrscheinlich, dass in einem Gesellschaftstyp wie der GmbH, wo normalerweise wenige Gesellschafter anwesend sind, die Gesellschafter die Lage – insbesondere die finanzielle Lage – der Gesellschaft ignorieren. I.d.R. verfügen hingegen die Gesellschafter über Informationen bzgl. der Gesellschaftslage. Dies gilt sicherlich, wenn die Gesellschafter gleichzeitig auch Geschäftsführer sind. Aber auch dann, wenn die Gesellschafter keine Geschäftsführer sind, kann davon ausgegangen werden, dass die Gesellschafter die Lage der Gesellschaft kennen. Diesbezüglich darf nicht vergessen werden, dass die Gesellschafter das Recht haben, von den Geschäftsführern Informationen über den Geschäftsablauf zu erhalten und die Gesellschaftsbücher und die Dokumente, die die Geschäftsführung betreffen, einzusehen (Art. 2476 Abs. 2 c.c.).11 In Anbetracht des wirtschaftlichen Interesses in der Gesellschaft und der informativen Überlegenheit im Vergleich zu Dritten ist es schwierig, dass die Gesellschafter nicht merken, dass sich die Finanzlage der Gesellschaft verschlechtert. Für die Gesellschafter ist es dann einfach, die sofortige Rückzahlung der Darlehen zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger zu veranlassen. Der Fall eines Darlehens von den Gesellschaftern ist daher ein ganz anderer als der eines Darlehens von Dritten. Durch die Rückzahlung des Darlehens kurz vor der Insolvenzerklärung findet im Wesentlichen eine Selbstbefriedigung der Gesellschafter statt. Im Fall der Zahlung an einen Dritten gibt es hingegen keine Selbstbefriedigung. Die Selbstbefriedigung setzt einen Interessenkonflikt voraus. Die GmbH ist vor die Alternative gestellt: Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger oder der Gesellschafter und dieser Kontrast wird zugunsten der Gesellschafter gelöst. Von Bedeutung sind auch die Merkmale der Gesellschaftsbeteiligung und der Finanzierung. Wenn es bspw. in einer Gesellschaft drei Gesellschafter gibt (jeder mit

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33,33 % des Kapitals) und alle drei Gesellschafter mit dem gleichen Betrag die GmbH finanzieren, ist – im Fall der Rückzahlung der Darlehen – die Absicht zur Selbstbefriedigung eindeutig. Die Lage ist anders zu beurteilen, wenn nur einige der Gesellschafter Darlehen gewährt haben. Man stelle sich den Fall vor, dass nur einer von 10 Gesellschaftern (der kein Geschäftsführer ist) ein Darlehen gewährt hat. Die Rückzahlung des Darlehens wird von den Geschäftsführern veranlasst. In einer solchen Konstellation kann man nicht von einer Selbstbefriedigung reden. Die Geschäftsführer haben sogar mehrere Gründe, die Rückzahlung des Darlehens nicht zu veranlassen. Zum einem schwächen sie noch mehr die Finanzlage der Gesellschaft. Zum anderen können sie für den Fall der unbefugten Rückzahlung des Darlehens zivilrechtlich haften.12 Die Haftung der GmbH-Geschäftsführer besteht nicht nur gegenüber der Gesellschaft (Art. 2476 Abs. 1 c.c.), sondern auch gegenüber Gesellschaftern und Dritten (Art. 2476 Abs. 6 c.c.). Hinzu kommt der bessere Informationsstand der Gesellschafter im Vergleich zu Dritten. Die Gesellschafter können gleichzeitig Geschäftsführer, aber auch nur Gesellschafter der GmbH, sein. Wenn der Gesellschafter auch Geschäftsführer ist, leitet er die Gesellschaft und in der Ausübung dieser Funktion muss er über die reale Lage der GmbH informiert sein. Wenn finanzielle Schwierigkeiten eintreten, ist es für die Gesellschafter/Geschäftsführer besonders einfach, die Rückzahlung der Darlehen zu veranlassen. Eine solche Entscheidung benachteiligt die Gesellschaftsgläubiger. Die Sonderstellung der Gesellschafter im Vergleich zu Dritten rechtfertigt nach dem italienischen Gesetzgeber eine so strenge Bestimmung wie Art. 2467 c.c. Diese Vorschrift ist strenger als die entsprechenden Vorschriften des Insolvenzgesetzes. Im Kontext der Insolvenz will der Gesetzgeber die par condicio creditorum garantieren und zu diesem Zweck wird die Unwirksamkeit gewisser Handlungen des Schuldners ausgesprochen. Im Fall der unbefugten Rückzahlung von Darlehen tritt aber nicht nur die Unwirksamkeit der Handlung, sondern auch der Nachrang der Forderung des Gesellschafters ein.13 Der Gesellschafter wird vom Gesetzgeber „bestraft“, weil er sich selbst durch Ausnutzung seiner informativen Überlegenheit zulasten der anderen Gesellschaftsgläubiger bevorzugt befriedigt hat. Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet die Rückzahlung des Darlehens die Finanzlage der Gesellschaft verschlechtert. Es kann sogar die Rückzahlung des Darlehens selbst sein, die dazu führt, dass der Insolvenzstatus eintritt und folglich die Insolvenz der Gesellschaft erklärt wird. Das Verhalten der Gesellschafter ist aus dem Blickwinkel des Gesetzgebers umso mehr 11 Zum Informationsrecht der GmbH-Gesellschafter vgl. insbesondere die Monographie von Guidotti, I diritti di controllo del socio nella s.r.l., 2007. S. darüber hinaus Cagnasso, Giurisprudenza italiana 2005, 315 ff.; Fico, Società 2006, 169 ff.; Sangiovanni, Società 2007, 1543 ff. 12 Über die Haftung der GmbH-Geschäftsführer s. u.a. Bosticco, Fallimento 2007, 957 ff.; Sangiovanni, Contratto e impresa 2007, 693 ff.; Sangiovanni, Società 2006, 1563 ff. In deutscher Sprache vgl. Sangiovanni, GmbHR 2007, 584 ff. 13 Presti, Anm. zu Art. 2467, in: Benazzo/Patriarca, Codice commentato delle s.r.l., 2006, S. 118.

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verwerflich, als i.d.R. in der GmbH – wenn nicht Übereinstimmung – mindestens Nähe zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern besteht. Im Endeffekt bewegt sich der fragliche Betrag dreimal: 1. von dem Gesellschafter an die Gesellschaft in der Form eines Darlehens; 2. zurück von der Gesellschaft an den Gesellschafter in der Form der Rückzahlung des Darlehens in dem Jahr vor der Insolvenzerklärung; 3. erneut von dem Gesellschafter an die Gesellschaft kraft Gesetzes, nachdem die Insolvenz erklärt worden ist. VI. Darlehen der Gesellschafter und Wirkungen der Insolvenz auf die für die Gläubiger benachteiligenden Handlungen Art. 2467 Abs. 1 c.c. ordnet die Rückzahlung der Rückgewähr der Darlehen an, die in dem Jahr vor der Insolvenzerklärung erfolgt ist. Diese Bestimmung ähnelt den vom Insolvenzgesetz vorgesehenen Mechanismen im Kontext der Wirkungen der Insolvenz auf die für Gläubiger benachteiligenden Handlungen (Art. 64 ff. l.f.).14 Die Bestimmungen des italienischen Insolvenzgesetzes regeln unterschiedliche Tatbestände, die man nur schwerlich unter den allgemeinen Begriff von Anfechtung (revocatoria) zusammenfassend subsumieren kann. Von Anfechtung redet der Gesetzgeber selbst nicht, mit Ausnahme von Art. 66 l.f. („ordentliche Anfechtungsklage“). Die vom Insolvenzgesetz geregelten Tatbestände sind die folgenden: unentgeltliche Handlungen (Art. 64 l.f.), Zahlungen (Art. 65 l.f.), ordentliche Anfechtungsklage (Art. 66 l.f.), entgeltliche Handlungen, Zahlungen und Garantien (Art. 67 l.f.). Der Hauptgrund, weshalb man sich an dieser Stelle mit den Bestimmungen des Insolvenzgesetzes über die für die Gläubiger benachteiligenden Handlungen befassen muss, ist, dass Art. 2467 c.c. eine begrenzte zeitliche Anwendung hat: die Vorschrift betrifft nur die Rückzahlungen der Darlehen der Gesellschafter, die in dem Jahr vor der Insolvenzerklärung erfolgt sind. Wenn aber die Rückzahlung zu einem früheren Zeitpunkt (z.B. 13 Monate vor der Insolvenzerklärung) stattgefunden hat, welchen Schutz genießen dann die Gesellschaftsgläubiger? Art. 2467 Abs. 1 c.c. findet keine Anwendung: Der Wortlaut der Bestimmung ist eindeutig („im Jahr vor der Insolvenzerklärung“). Trotz Art. 2467 c.c. bleiben aber die Vorschriften des Insolvenzgesetzes unberührt und daher wirksam.15 Man muss deshalb prüfen, ob im Insolvenzgesetz Bestimmungen existieren, die den Gesellschaftsgläubigern erlauben, die Gültigkeit der Rückzahlungen der Darlehen der Gesellschafter auch über die Jahresgrenze hinaus in Frage zu stellen. 1. Unentgeltliche Handlungen Im Fall von unentgeltlichen Handlungen durch den Schuldner ist die Unwirksamkeit der Handlung automatisch (Art. 64 l.f.). Hier wird der Schuldner vom Gesetz-

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geber „bestraft“, weil er Handlungen vorgenommen hat, die in Anbetracht seiner finanziellen Lage keine Rechtfertigung finden. Unentgeltliche Handlungen verschlechtern noch mehr die Finanzlage des Schuldners zum Schaden der Gläubiger. Art. 64 l.f. stellt aber keine Anspruchsgrundlage für den Insolvenzverwalter im Zusammenhang mit den Darlehen der Gesellschafter dar. Die Rückzahlung der Darlehen ist nämlich keine unentgeltliche Leistung, sondern die Zahlung einer Schuld. 2. Zahlungen Nach Art. 65 l.f. sind gegenüber den Gläubigern die Zahlungen von Forderungen, die am Tag der Insolvenzerklärung oder später fällig werden, unwirksam, wenn solche Zahlungen von dem Schuldner in den 2 Jahren vor der Insolvenzerklärung ausgeführt worden sind. Diese Bestimmung kann auch auf Fälle Anwendung finden, in denen die Zahlung in der Rückzahlung eines von einem Gesellschafter gewährten Darlehens besteht.16 Die Tatbestandsmerkmale von Art. 2467 c.c. und Art. 65 l.f. stimmen nicht überein. Erstens ist der zeitliche Anwendungsbereich der insolvenzrechtlichen Bestimmung länger (24 Monate) als der der zivilrechtlichen Vorschrift (12 Monate). Zweitens differenziert Art. 65 l.f. – im Unterschied zu Art. 2467 c.c. – zwischen fälligen und nicht fälligen Forderungen. Art. 65 l.f. findet dann Anwendung, wenn die Forderung nicht fällig war, sie aber vor der Fälligkeit bezahlt worden ist. Dieser Fall kann eintreten, wenn die Gesellschafter die Finanzschwierigkeiten der Gesellschaft im Voraus bemerken und sie sich die Darlehen vor Ablauf der Frist zurückzahlen lassen, um die negativen Folgen einer Insolvenzerklärung zu vermeiden. In einer solchen Konstellation ist der Gesetzgeber misstrauisch, weil bei einer vorverlegten Zahlung der Verdacht besteht, dass die Operation zur Benachteiligung der Gesellschaftsgläubiger ausgeführt wird. Wenn die Rückzahlung des Darlehens mehr als 12 Monate vor der Insolvenzerklärung (aber nicht mehr als 24 Monate zuvor) erfolgt ist, soll es möglich sein, die Unwirksamkeit der Rückzahlung nach Art. 65 l.f. geltend zu machen.17 Wenn sich der Insolvenzverwalter auf Art. 65 l.f. stützt, muss er die von jener Bestimmung verlangten Nachweise erbringen: 1) dass die Frist für die Zahlung noch nicht abgelaufen war; 2) dass die Zahlung im Voraus erfolgt ist. Im Vergleich zu Art. 2467 c.c. ist die Beweislast grds. erleichtert, weil die zivilrechtliche Bestimmung den Nachweis verlangt, dass das Darlehen zu einem Zeit14 Unter den Beiträgen, die sich mit den Wirkungen der Insolvenz auf die für die Gläubiger schädigenden Handlungen beschäftigen vgl. etwa Costa, Diritto fallimentare 2004, I, 139 ff.; Fabiani, Fallimento 2007, 180 ff.; Lo Cascio, Fallimento 2002, 533 ff.; Patti, Fallimento 2006, 1136 ff.; Sangiovanni, Fallimento 2007, 933 ff.; Tarzia, Fallimento 2007, 912 ff. 15 Vgl. Cagnasso, La società a responsabilità limitata, 2007, S. 117; Signorelli, Società 2006, 1457, 1460. 16 Fico, Società 2006, 1372, 1376; Signorelli, Società 2006, 1457, 1460; Vittone, Giurisprudenza commerciale 2006, I, 919, 929. 17 Cagnasso (Fn. 15), S. 117.

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punkt gewährt wurde, zu dem ein krasses Missverhältnis zwischen Verschuldung und Nettovermögen vorlag oder zu dem eine Einlage vernünftig gewesen wäre.18 3. Ordentliche Anfechtungsklage Der Insolvenzverwalter kann darüber hinaus beantragen, dass die Handlungen des Schuldners zum Nachteil der Gläubiger nach den Bestimmungen des Zivilgesetzbuches für unwirksam erklärt werden (Art. 66 l.f.). Nach Art. 2901 c.c. kann der Gläubiger beantragen, dass die Verfügungen des Schuldners für unwirksam erklärt werden, wenn der Schuldner dadurch die Rechte des Gläubigers verletzt. Voraussetzungen dafür sind, 1) dass der Schuldner die Schädigung der Rechte des Gläubigers kannte, und 2) dass bei entgeltlichen Leistungen auch der Dritte die Schädigung kannte. Durch diese zivilrechtliche Bestimmung werden die Gesellschaftsgläubiger noch besser als im Fall des Art. 65 l.f. geschützt. Wenn der Insolvenzverwalter das Vorliegen der in Art. 2901 c.c. vorgesehenen Voraussetzungen beweisen kann, kann auch die Rückzahlung eines Darlehens, die mehr als 24 Monate vor der Insolvenzerklärung erfolgt ist, für unwirksam erklärt werden.19 Die zeitliche Grenze für die Ausübung der ordentlichen Anfechtungsklage ist 5 Jahre, denn dies ist die in Art. 2903 c.c. vorgesehene Verjährungsfrist. 4. Zahlung von fälligen Schulden Schließlich werden nach Art. 67 Abs. 2 l.f. die Zahlungen von fälligen Schulden widerrufen, die in den 6 Monaten vor der Insolvenzerklärung erfolgt sind, wenn der Insolvenzverwalter beweist, dass die andere Partei den Insolvenzstatus des Schuldners kannte. Im Kontext der Darlehen der Gesellschafter wäre dies der Fall, in dem die Frist für die Rückzahlung des Darlehens abgelaufen ist und die Gesellschaft das Darlehen an den Gesellschafter zurückzahlt. Art. 67 Abs. 2 l.f. unterscheidet sich aber von Art. 2467 Abs. 1 c.c. Nach Art. 2467 Abs. 1 c.c. besteht eine automatische Pflicht zur Rückzahlung, ohne die Notwendigkeit des Beweises, dass die andere Partei den Insolvenzstatus des Schuldners kannte.20 Diese unterschiedliche Behandlung beruht auf der Tatsache, dass es unwahrscheinlich ist, dass der GmbHGesellschafter nicht weiß, dass sich die Gesellschaft in der Krise befindet. Es ist aber davon auszugehen, dass Art. 67 Abs. 2 l.f. in dem Zusammenhang der Darlehen der Gesellschafter nicht als Anspruchsgrundlage verwendet werden darf. Die Bestimmung findet nur auf die Handlungen Anwendung, die in den 6 Monaten vor der Insolvenzerklärung vorgenommen wurden. Der zeitliche Anwendungsbereich von Art. 2467 Abs. 1 c.c. (12 Monate) ist länger als der von Art. 67 Abs. 2 c.c. (6 Monate). Art. 2467 Abs. 1 c.c. hat als Spezialgesetz Vorrang. VII. Klagen der Insolvenz gegen die Gesellschafter In der Praxis kann es vorkommen, dass der Gesellschafter – nach Eintritt der Insolvenzerklärung – nicht bereit

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ist, das Darlehen an die Gesellschaft freiwillig zurückzuzahlen. In diesem Fall muss der Insolvenzverwalter Klage gegen den Gesellschafter auf der Grundlage von Art. 2467 Abs. 1 c.c. erheben, um die Rückzahlung des Darlehens zu erzwingen und die Insolvenzmasse dementsprechend zu bereichern. Der Insolvenzverwalter wird Erfolg haben, wenn er folgende Umstände beweist: 1) die Eigenschaft als Gesellschafter des Darlehensgebers; 2) das krasse Missverhältnis zwischen Verschuldung und Nettovermögen zu dem Zeitpunkt, zu dem das Darlehen gewährt wurde; 3) die Rückzahlung des Darlehens an den Gesellschafter in dem Jahr vor der Insolvenzerklärung.21 Die Beweise unter 1) und 3) sind ziemlich einfach zu erbringen, auch weil sie normalerweise aus schriftlichen Dokumenten resultieren. Es ist hingegen nicht einfach, den Umstand unter 2) zu beweisen. Um das Vorliegen eines krassen Missverhältnisses zwischen Verschuldung und Nettovermögen zu beweisen, kann ein Sachverständigengutachten erforderlich sein.22 Solche Gutachten kosten aber Geld. Es besteht darüber hinaus das Risiko, dass der Sachverständige der wahre Richter des Streits wird. Zu diesem Beweisproblem kommen noch die Schwierigkeiten der Definition des Begriffes „krasses Missverhältnis zwischen Verschuldung und Nettovermögen“ hinzu. Es sind daher harte Gerichtsstreitigkeiten zu erwarten, in denen die Gesellschafter versuchen, zu verneinen, dass das Darlehen „anormal“ war. Hat die Klage des Insolvenzverwalters Erfolg, so kehren die entsprechenden Beträge in die Insolvenzmasse zurück. Unter den Gesellschaftsgläubigern ist selbst der Darlehensgeber zu erwähnen. Nachdem der Gesellschafter das Darlehen zurückbezahlt hat, bleibt er (mindestens in formeller Hinsicht) nicht ohne Schutz. Er kann seine Forderung, so wie alle anderen Gesellschaftsgläubiger, anmelden. Da Zeit zum Einzug des Darlehens verloren gegangen ist, wird es sich um eine verspätete Anmeldung der Forderung handeln (Art. 101 l.f.).23 In den meisten Fällen ist die Forderungsanmeldung des Gesellschafters ein Schutz lediglich formeller Natur. Nur in dem unwahrscheinlichen Fall, dass Mittel übrig bleiben, wird der Gesellschafter – ganz oder z.T. – befriedigt. VIII. Schlussbemerkungen Die Erwartungen der Gesellschafter müssen einen Ausgleich mit den Schutzbedürfnissen der Gesellschaftsgläubiger finden. Der GmbH-Gesellschafter genießt den wichtigen Vorteil der beschränkten Haftung: In der società a responsabilità limitata haftet für die Verpflichtungen der Gesellschaft nur die Gesellschaft mit ihrem Ver18 Esposito (Fn. 4), S. 182; Rago, Manuale della revocatoria fallimentare, 2. Aufl. 2006, S. 190. 19 Balp, Rivista delle società 2007, 345, 379; Esposito (Fn. 4), S. 183. 20 Mandrioli, Società 2006, 173, 179 f.; Picchione, Rivista del notariato 2007, II, 429, 435; Postiglione, Società 2007, 929, 936; Vittone, Giurisprudenza commerciale 2006, 919, 929. 21 Presti (Fn. 13), S. 117. 22 Cagnasso (Fn. 15), S. 115. 23 Mandrioli, Società 2006, 173, 180.

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mögen (Art. 2462 Abs. 1 c.c.). Der italienische Gesetzgeber erlaubt nicht, dass die Gesellschafter die Einlagen als Darlehen verkleiden, um den Umfang der Haftung zu reduzieren. Dies ist die zentrale Bedeutung des Art. 2467 c.c. Nichts anderes gilt im deutschen Recht. Der Gesetzgeber lässt Freiheit in den Modalitäten der Finanzierung einer GmbH zu. Allerdings darf diese Freiheit nicht zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger gehen. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Finanzierung einer finanziell schwachen GmbH in beiden Rechtsordnungen ein ziemlich riskantes Unterfangen ist. Entscheidet man sich für die Zufuhr von Kapital im engeren Sin-

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ne, so haben die Gesellschafter zu bedenken, dass das Kapital weitgehend indisponibel und der Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger vorbehalten ist. Entscheiden sich die Gesellschafter für die Gewährung von Darlehen, ändert sich die Lage trotzdem nicht entscheidend. Wenn sich die Gesellschaft in einer guten finanziellen Lage befindet, können in der Tat die Darlehen unproblematisch an die Gesellschafter zurückbezahlt werden. Besteht aber eine Krisensituation der GmbH, so dürfen die Darlehen nicht frei zurückbezahlt werden. Tritt die Insolvenz der Gesellschaft ein, so sind die Chancen der Gesellschafter, das geliehene Geld zurückzuerlangen, gering. Eine GmbH zu finanzieren, ohne überhaupt Risiken einzugehen, ist nicht möglich.