Herausgeber: Thomas Sprecher. Sanierung und Insolvenz von Unternehmen VIII. Immobilien und Insolvenz

Herausgeber: Thomas Sprecher Sanierung und Insolvenz von Unternehmen VIII Immobilien und Insolvenz Herausgeber: Thomas Sprecher Sanierung und Inso...
Author: Britta Althaus
27 downloads 1 Views 1MB Size
Herausgeber: Thomas Sprecher

Sanierung und Insolvenz von Unternehmen VIII Immobilien und Insolvenz

Herausgeber: Thomas Sprecher

Sanierung und Insolvenz von Unternehmen VIII Immobilien und Insolvenz

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, vorbehalten. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme. © Schulthess Juristische Medien AG, Zürich · Basel · Genf  2017 ISBN 978-3-7255-7713-2 www.schulthess.com

Inhaltsübersicht Die Rolle des Grundbuchs in der Insolvenz

7

Prof. Dr. iur. Roland Pfäffli, Notar, Thun, Titularprofessor an der Universität Freiburg, Konsulent bei Von Graffenried Recht, Bern

Das Bauhandwerkerpfandrecht im Konkurs

49

Dr. iur. Christoph Thurnherr, Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Bauund Immobilienrecht, Partner bei Eichenberger Blöchlinger & Partner, Baden, Lehrbeauftragter an der Universität Zürich

Eigentümer im Konkurs des Mieters, Mieter im Konkurs des Eigentümers

89

lic. iur. Andreas F. Vögeli, Rechtsanwalt, MScRE (CUREM), FRICS, Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht, Partner bei Niederer Kraft & Frey AG, Zürich

Erste Praxiserfahrungen mit der Nachlassstundung ohne Bekanntmachung

107

Peter Dauwalder, Head of Restructuring and Head of Markets, Partner bei KPMG AG, Zürich, und Alessandro Farsaci, CFA, Senior Manager Restructuring, KPMG AG, Zürich

Die Sanierung von Immobiliengesellschaften

135

lic. iur. Georg J. Wohl, Rechtsanwalt, LL.M., Senior Associate bei Baur Hürlimann AG, Zürich

Immobilienfonds in der Insolvenz

167

Dr. iur. Bertrand G. Schott, Rechtsanwalt, LL.M., Partner bei Niederer Kraft & Frey AG, Zürich, und Nina Bremi, MLaw, LL.M., Junior Associate bei Niederer Kraft & Frey AG, Zürich

Miteigentum, Stockwerkeigentum, Gesamteigentum an Immobilien – Konkursrechtliche Aspekte

201

Dr. iur. Benedict F. Christ, Rechtsanwalt, LL.M., Partner bei Vischer AG, Zürich

5

Inhaltsübersicht

Der Fall einer Ikone – Ein Resort im Konkurs Rolf W. Rüegg, Leiter Commercial Real Estate, Credit Suisse (Schweiz) AG, Zürich, und Peter Mathis, Leiter Special Credit Solutions SME Schweiz, Credit Suisse (Schweiz) AG, Zürich

6

217

Die Sanierung von Immobiliengesellschaften Georg J. Wohl

Inhalt I.

Einleitung ....................................................................................................... 136

II.

Ausgangslage .................................................................................................. 136

III. Symptome und Ursachen der Unternehmenskrise .......................................... 138 1. Angespannte Liquiditätslage ..................................................................... 138 2. Versäumnisse der Unternehmensleitung ................................................... 141 3. Zuspitzung der Unternehmenskrise .......................................................... 143 IV. Sanierungsplan ............................................................................................... 144 1. Allgemeines .............................................................................................. 144 2. Sanierungsmassnahmen ............................................................................ 148 3. Konkursaufschub vs. Nachlassstundung ................................................... 150 a) Gesuchstellung .................................................................................... 150 aa) Beim Konkursaufschub............................................................... 151 bb) Bei der Nachlassstundung ........................................................... 151 b) Geheimhaltung des Verfahrens ........................................................... 154 c) Wirkungen des Verfahrens .................................................................. 155 aa) Moratorium während des Konkursaufschubs ............................. 155 bb) Rechtsstillstand während der Nachlassstundung ........................ 156 cc) Weitere Vorteile der Nachlassstundung ...................................... 158 aaa) Schuldenbereinigung und Auflösung von Dauerschuldverhältnissen ................................................... 159 bbb) Vertragsabschlüsse während der Nachlassstundung .......... 161 ccc) Überbrückungsfinanzierung ............................................... 163 V.

Zusammenfassung und Schlussbemerkung .................................................... 165

135

Georg J. Wohl

I.

Einleitung

Der vorliegende Beitrag basiert auf einem konkreten Fall aus der Praxis. Er zeigt, dass sich die Sanierung einer Immobiliengesellschaft in gewissen Punkten erheblich von der Sanierung z.B. eines produzierenden Betriebs unterscheidet. Anhand eines leicht modifizierten Sachverhalts sollen die wichtigsten Aspekte bei der Sanierung von Immobiliengesellschaften beleuchtet werden. Zunächst wird die Ausgangslage des Sanierungsfalls beschrieben (II). Sodann soll kurz auf die Symptome und Ursachen der Unternehmenskrise eingegangen werden (III). Wurden die Krise und deren Ursachen festgestellt, muss die Unternehmensleitung prüfen, ob und gegebenenfalls welche Sanierungsmassnahmen rechtlich und tatsächlich möglich sind. Darauf basierend ist ein Sanierungsplan zu entwerfen und umzusetzen (IV). Abschliessend werden die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst und gewürdigt (V).

II.

Ausgangslage

Sanierungsobjekt ist eine schweizerische Unternehmensgruppe, bestehend aus verschiedenen Kapitalgesellschaften, die jeweils zum Zweck das Halten und die Vermietung von Immobilien haben1. Die wesentlichen Aktiven der einzelnen Gruppengesellschaften bestehen aus schweizerischen Immobilien, sog. Renditeliegenschaften. Die ordentlichen Erträge stammen ausschliesslich aus Mietzinseinnahmen. Ausserordentliche Einnahmen aus dem Verkauf von Liegenschaften sind möglich, aber strategisch nicht vorgesehen. Weitere Einnahmequellen, z.B. aus der Immobilienentwicklung, existieren nicht. Die Passiven werden von Bank- und Pensionskassenkrediten sowie Aktionärsdarlehen dominiert.

1

136

Es existiert keine Legaldefinition der Immobilienunternehmung oder Immobiliengesellschaft. Im Verwaltungs- und Steuerrecht hat sich jeweils eine Praxis hinsichtlich gewisser Themen im Zusammenhang mit Immobiliengesellschaften entwickelt. Vgl. CALEFF JOSEF, Kaufverträge betreffend Immobiliengesellschaften, in: TSCHÄNI RUDOLF (Hrsg.), Mergers & Acquisitions XVIII, Zürich 2016, 145 ff., Ziff. IV.

Die Sanierung von Immobiliengesellschaften

Strukturell verfügt die Gruppe weder über eine Holding- noch über eine sonstige Obergesellschaft. Die Aktionäre kauften im Laufe der Zeit zahlreiche kleinere Aktiengesellschaften im Rahmen von sog. Sharedeals2 auf. Umschichtungen in eine gestraffte Gesellschaftsstruktur unterblieben aus steuerlichen und finanziellen Gründen. Einerseits sind die Anforderungen an steuerneutrale Umstrukturierungen nicht zu unterschätzen3. Andererseits wurden bei Neuakquisitionen oftmals Festhypotheken übernommen, welche bei vorzeitiger Kündigung bzw. Umschuldung Vorfälligkeitsentschädigungen ausgelöst hätten. Die Aktionäre beherrschen im Ergebnis eine Vielzahl verschiedener Aktiengesellschaften (Schwestergesellschaften) mit einem Portfolio im Gesamtwert von mehreren hundert Millionen Schweizerfranken. Die Portfoliostruktur ist uneinheitlich. Neben kleineren Liegenschaften verwaltet die Gruppe auch grosse Immobilienkomplexe, teils mit integriertem Einkaufszentrum. Die Nutzung als Wohnfläche überwiegt. Gewerbeflächen werden vor allem von Geschäften und Gastronomiebetrieben gemietet. Alles in allem sind die Liegenschaften in einem eher schlechten baulichen und technischen Zustand. Teils besteht erheblicher Sanierungsstau. Die Immobilien wurden hauptsächlich von einem Konsortium aus Banken, Pensionskassen und Versicherungen finanziert. Es handelt sich indes um ein sehr loses Konsortium4. Obwohl die Bedingungen zunächst einheitlich über

2

Steuerlich wird dies unter gewissen Umständen dem unmittelbaren Kauf der einzelnen Grundstücke gleichgestellt. Z.B. betreffend Handänderungssteuern vgl. statt vieler BLUMENSTEIN ERNST/LOCHER PETER, System des Schweizerischen Steuerrechts, 7. Aufl., Zürich 2016, § 12.II.b.; Zur Grundstückgewinnsteuer vgl. statt vieler CALEFF (FN 1), Ziff. III.1.b. mit Hinweisen. Zum Bewilligungsgesetz (sog. „Lex Friedrich“, SR 211.412.41) statt vieler SCHENKER URS, Unternehmenskauf – Rechtliche und Steuerliche Aspekte, Zürich 2016, 544. Zu den steuerlichen Vor- und Nachteilen, Immobilien indirekt über juristische Personen zu halten, vgl. SCHÜPFER URS/MADER SEREINA, Qualifikation juristischer Personen als gewerbsmässige Liegenschaftenhändler, Expert Focus 2015/09, 695 ff.

3

Statt vieler: RIEDWEG PETER, Umstrukturierungen, in: ZWEIFEL/BEUSCH/RIEDWEG/ OESTERHELT (Hrsg.), § 3.

4

Zu den verschiedenen Formen von Konsortialkrediten vgl. WEBER PHILIPPE A./ HÄUSERMANN MARCO, Konsortialkredite, in: REUTTER THOMAS U./WERLEN THOMAS (Hrsg.), Kapitalmarktransaktionen V, Zürich 2010, 16 ff.; MAURENBRECHER BENEDIKT/FRICK JÜRG, Konsortialkredite, 49 ff., in: EMMENEGGER SUSAN (Hrsg.), Schweizerische Bankrechtstagung 2010 – Kreditrecht, Basel 2010.

137

Georg J. Wohl

einen Agenten ausgehandelt wurden, haben die Finanzierungsgläubiger unabhängige Verträge mit den jeweiligen Schuldnergesellschaften abgeschlossen. Auch die Sicherheiten wurden für jeden Finanzierungsgläubiger einzeln im Grundbuch eingetragen. Die Konditionen der Finanzierungen waren jedenfalls nicht mehr marktkonform, was damit zusammenhing, dass langfristige Hypotheken zusammen mit den Immobilien-Aktiengesellschaften erworben wurden. Die Verwaltung wird zentral durch eine Verwaltungsgesellschaft erledigt, bei welcher praktisch alle Angestellten beschäftigt sind. Die Verwaltungsgesellschaft ist Anlaufstelle sowohl für Mieter und Handwerker, als auch für die Finanzierungsgläubiger. Sie koordiniert auch die ganze Liquidität der Gruppe im Rahmen eines (faktischen) Cash Poolings5. Es existiert zwar kein Cash Pooling-Vertrag, aber einige Angestellte der Verwaltungsgesellschaft können auf sämtliche Bankkonten der verschiedenen Gesellschaften zugreifen. So kommt es regelmässig vor, dass die Liquidität einer Gesellschaft für Verbindlichkeiten einer anderen Gesellschaft verwendet wird.

III. Symptome und Ursachen der Unternehmenskrise 1.

Angespannte Liquiditätslage

Vor allem im Gewerbebereich (Retail) waren vermehrt Leerstände und damit Mietzinsausfälle zu beklagen. Einzelne Ladenbesitzer waren mit mehreren Monatsmieten im Rückstand. Der allgemeine Druck auf die Retail- und Gastronomiebranche sowie auf die Hotellerie6 machte sich bei der Vermietungssituation klar bemerkbar. Gewerbemieter gerieten vermehrt in Zahlungsschwierigkeiten, vor allem dann, wenn sie relativ grosse und verhältnismässig teure Ladenflächen mieteten.

5

Zum Begriff des Cash Poolings vgl. den Leitentscheid des Bundesgerichts in BGE 140 III 553 und die Bemerkungen dazu von DRUEY JEAN NICOLAS, Cash Pool – Verdeckte Gewinnausschüttung und verdecktes Konzernrecht, SZW 2015, 64 ff.

6

Vgl. hierzu den Beitrag in diesem Tagungsband von DAUWALDER/FARSACI.

138

Die Sanierung von Immobiliengesellschaften

Gewisse Verkaufsflächen standen schon seit Monaten leer. Daran wollte die Unternehmensleitung nichts ändern, obwohl die Vermietung zu vergünstigten Konditionen wohl möglich gewesen wäre. Werden bei Renditeliegenschaften die effektiven, d.h. die Ist-Mietzinse, dauerhaft gesenkt, wirkt sich dies sofort negativ auf die Bewertung der Liegenschaften aus7. Professionelle Käufer lassen sich nicht auf behauptete Zinserhöhungspotentiale ein, zumal höhere Mieten angesichts der einmal gesenkten Mietpreise offensichtlich nicht mehr erzielbar sind. Auch die Rechtsprechung zur Erhöhung von Mietzinsen (selbst bei einer Neuvermietung) ist erheblich strenger geworden8. Vor diesem Hintergrund erhält die Unternehmensleitung negative Anreize, leerstehende Mietflächen notfalls längerfristig unbenutzt zu lassen, um keine Wertberichtigungen vornehmen zu müssen. Damit soll letztlich verhindert werden, dass die Revisionsstelle Bewertungskorrekturen vornimmt, die wiederum die finanzierende Bank veranlasst, infolge Überbelehnung ausserordentliche Amortisationen bzw. die Aufstockung der Eigenmittel zu verlangen, was die Liquiditätskrise noch verschärft. Angesichts der beginnenden Liquiditätskrise musste die zentrale Verwaltung vermehrt Querfinanzierungen vornehmen, indem sie die Liquidität der einen Gesellschaft für Ausgaben einer anderen Gesellschaft verwendete. Da sich das Aktionariat überdies zu guten Zeiten grosszügig an den Gewinnreserven bediente, fehlte es in der Krise an einem finanziellen Polster. Die genannten Mietzinsausfälle und die so angeheizte Liquiditätskrise waren aber nicht ausschliesslich auf den negativen Trend im Gewerbemarkt zurückzuführen. Wegen des teilweise schlechten Zustands der Liegenschaften begannen sich auch bei den Wohnungen Mieter zu beschweren und Mietzinsherabsetzungsansprüche geltend zu machen. Es kam teilweise zu faktischen Sammelklagen, indem sich Mieter von Mehrfamilienhäusern organisierten und koordiniert gleichlautende Schlichtungsgesuche einleiteten. In den meisten Fällen hinterlegten die klagenden Mieter die geschuldeten Miet-

7

Vgl. zu den Vorschriften bei der Bewertung von Renditeliegenschaften unter SWISS GAP FER: GANTENBEIN PASCAL/HUWILER SYBILLE, Expert Focus 2015/12, 10 ff.

8

Vgl. zur Erhöhung des laufenden Mietzinses infolge Sanierung BGer 4A_625/2014 vom 25. Juni 2015; Zur Anfechtung des anfänglichen Mietzinses neuerdings BGE 142 III 442 ff.

139

Georg J. Wohl

zinse bei der Gerichtskasse9, was sich zusammen mit den erhöhten Rechtskosten ebenfalls negativ auf die Liquidität auswirkte. Finanzierende Banken bemerken sofort, wenn Zinszahlungen der Mieter nicht mehr rechtzeitig oder gar nicht geleistet werden10. Die Bank ist dazu verpflichtet, die finanzielle Lage des Schuldners bzw. ihres Kunden regelmässig zu überprüfen, damit sie ihre Finanzierungsrisiken ausreichend beherrscht11. Nebst der Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers sind insb. auch ausserordentliche Neubewertungen der finanzierten Liegenschaften vorzunehmen, wenn Anlass zur Annahme besteht, der Wert habe sich wegen unerwarteter äusserer Umstände negativ verändert12. Bleiben einzelne Mietflächen längere Zeit leer, bemerken dies die Revisionsstelle und die finanzierende Bank unter Umständen nicht. Bricht indes der Umsatz auf dem Mietzinszahlungskonto geradezu ein, muss und wird die Bank umgehend reagieren. Einige Banken und Pensionskassen im Fallbeispiel liessen deshalb die Liegenschaften von unabhängigen Sachverständigen neu bewerten. Die Gutachten kamen in den meisten Fällen zum Ergebnis, dass die Liegenschaften an Wert einbüssten. Aus der Optik der Banken bzw. Pensionskassen bestand somit die akute Gefahr, dass deren Hypotheken bei einer Zwangsverwertung nicht mehr vollständig gedeckt sind. Einzelne Gruppengesellschaften wurden daraufhin unter Androhung der ausserordentlichen Kündigung der Hypotheken aufgefordert, Nachschüsse zu leisten. Vereinzelt waren wegen der Liquiditätskrise auch Hypothekarzinszahlungen überfällig, weshalb die betroffenen Banken die Zwangsvollstreckung teiweise bereits einleiteten. 9

Vgl. Art. 259g OR.

10

Finanzierende Banken verlangen regelmässig, dass Mietzinse auf ein auf den Vermieter lautendes Konto bei der finanzierenden Bank eingezahlt werden, damit diese die Bankguthaben verpfänden bzw. ihre Sicherungszession an den Mietzinsforderungen geltend machen kann. Unter den gegebenen Voraussetzungen kann die Bank die Kontoguthaben mit Zins- und Amortisationsschulden verrechnen. Vgl. jüngst zum Pfandrecht an Kontoguthaben: BGer 4A_81/2016 v. 3. Oktober 2016.

11

Vgl. zu den Gewährspflichten im Zusammenhang mit der einwandfreien Organisation einer Bank, wozu die Einhaltung der Standesregeln von Swiss Banking gehört statt vieler BSK BankG-WINZELER, Art. 3 N 26.

12

Vgl. hierzu die Richtlinien von Swiss Banking für die Prüfung, Bewertung und Abwicklung grundpfandgesicherter Kredite, Stand Juli 2014, Ziff. 7 f.

140

Die Sanierung von Immobiliengesellschaften

2.

Versäumnisse der Unternehmensleitung

Wie kam es, dass praktisch alle Gruppengesellschaften angesichts der oben genannten Probleme13 und der dadurch verursachten Liquiditätskrise ins Schlingern gerieten? Wieso existierten keine Liquiditätsreserven? Wieso wurden keine Liegenschaften frühzeitig verkauft, um die Liquidität zu verbessern? Wieso haben die Aktionäre keine Kapitalerhöhung vorgenommen, um die Löcher mit neuen Mitteln zu stopfen? Was hatte die Unternehmensleitung versäumt? All diesen Fragen musste nachgegangen werden, um die richtigen Gegenmassnahmen zu definieren. Es war indes unrealistisch, auf alle Fragen von der Unternehmensleitung innert Frist taugliche Antworten zu erhalten14. In solchen Fällen beruht ein Sanierungsplan zwangsläufig auch auf Annahmen, die sich im Laufe der Sanierung bestätigen oder als falsch erweisen. Zunächst rächte sich, dass die Gesellschaftsgruppe sehr schnell gewachsen war15. Mit den Sharedeals hatte man nicht nur Immobilien erworben, sondern auch viele schlechte Finanzierungspakete. Dies hatte die Unternehmensleitung wohl in Kauf nehmen müssen, um überhaupt an die jeweiligen Renditeliegenschaften zu gelangen. Infolge des Niedrigzinsumfelds ist die Situation am Markt für Renditeliegenschaften seit Jahren sehr angespannt und verschärft sich immer weiter. Kleine Immobiliengesellschaften hatten und haben immer mehr Mühe, fair bewertete Renditeliegenschaften zu kau-

13

Siehe oben, III.1.

14

Die Unternehmensleitung befindet sich in einer Sanierungssituation regelmässig in einem Interessenkonflikt, insbesondere wenn sie gleichzeitig Eigentümerin des Unternehmens ist. Aus Furcht, die Stelle oder das Unternehmen zu verlieren, werden Gefahren tendenziell unterschätzt und das Potential von Sanierungsmassnahmen überschätzt. Wird die Unternehmensleitung von externen Beratern auf den Boden der Tatsachen geholt, kann dies sogar zu Friktionen im Mandatsverhältnis führen, welche die Sanierung gefährden. Ein Sanierungsberater ist in dieser Situation besonders gefordert.

15

Ein zu rasches Wachstum ist eine typische Ursache, die zu einer Liquiditätskrise führt. KÄLIN OLIVER, Die Sanierung der Aktiengesellschaft – Ein Rechtshandbuch für Verwaltungsräte, Zürich 2016, Rz 77.

141

Georg J. Wohl

fen.16 Offenbar zögerte die Unternehmensleitung in unserem Fall nicht lange, sondern schlug sofort zu, als ihr jeweils ein Deal offeriert wurde, der zwar nicht offensichtlich schlecht war, aber auch nicht eine überragende Rendite versprach. Auch bei der Finanzierung der neuen Objekte bzw. Gesellschaften17 war die Unternehmensleitung sehr kreativ vorgegangen. Fehlende Eigenmittel wurden in diversen Fällen mittels Aufstockung von Finanzierungen bei nicht vollständig belehnten Bestandesliegenschaften beschafft. Diese Liquidität fehlte indes später für die Gebäudesanierung und den Unterhalt der zusätzlich belasteten Liegenschaften, weshalb auch hier wegen Wertberichtigungen letztlich Überbelehnungen drohten. Wie bereits erwähnt18 versäumte es die Unternehmensleitung bzw. das Aktionariat, in guten Zeiten Liquiditätspuffer anzusparen, weshalb Liquiditätsengpässe durch ein faktisches Cash Pooling überbrückt werden mussten, indem die Liquidität zwischen den Gesellschaften herumgeschoben wurde. Dies führte zu undurchsichtigen Interdependenzen zwischen den Gruppengesellschaften und erhöhte die Gefahr von Dominoeffekten im Falle der Insolvenz einer Gruppengesellschaft19. Schliesslich fehlte es an einer klaren Investitionsstrategie. Das Gesamtportfolio bestand aus einer unübersichtlichen Ansammlung von Liegenschaften mit unterschiedlicher Nutzung, verteilt auf die ganze Schweiz in den einzelnen Sprachregionen. Die zentrale Verwaltung war damit offensichtlich überfordert und nicht in der Lage, eine zweckmässige Bewirtschaftung sicherzustellen. Es wurde z.B. versäumt, bei komplexen und aufwändigen Liegenschaften eine lokale Verwaltung mit der Bewirtschaftung zu beauftragen. Für

16

SCHÄFER MICHAEL, Immobilienpreise und das Prinzip Hoffnung, NZZ Online () vom 23. März 2016; BAUMANN JAN, Heikle Investitionen in den Immobilienmarkt, SRF-Online () vom 4. März 2015; LANDOLT MICHAEL, Wenn Renditeliegenschaften nicht mehr rentieren, Private 1/2014, 29.

17

Meistens wurden Immobilien-Aktiengesellschaften erworben. Siehe oben, II.

18

Siehe oben, III.1.

19

Solche unübersichtlichen Unternehmensstrukturen und Querfinanzierungen sind Krisensymptome, welche vor allem von Aussenstehenden wie z.B. Banken wahrgenommen werden. KÄLIN (FN 15), Rz 257.

142

Die Sanierung von Immobiliengesellschaften

Termine mit Mietern, Handwerkern usw. nahm die Verwaltung lange Anfahrtszeiten in Kauf und war aufgrund der Distanz zu den einzelnen Liegenschaften mit den jeweiligen lokalen Verhältnissen wenig vertraut. 3.

Zuspitzung der Unternehmenskrise

Was waren die Folgen der Liquiditätskrise und der Führungsfehler? Die meisten Finanzierungen wurden wegen Zahlungsverzugs gekündigt (sowohl hinsichtlich überfälliger Aufstockungen von Eigenmitteln als auch wegen überfälliger periodischer Zinszahlungen), oder die Kündigung wurde angedroht. Die Zwangsvollstreckung wurde teilweise eingeleitet. Es drohte damit die sofortige Illiquidität, zumal ein Pfandgläubiger in der Betreibung auf Grundpfandverwertung beantragen kann, dass die Pfandhaft auf die Erträge der verpfändeten Liegenschaft ausgedehnt wird (Art. 152 Abs. 2 SchKG i.V.m. Art 91 f. VZG). Das Betreibungsamt kann diesfalls auf Kosten des Pfandschuldners eine externe Liegenschaftsverwaltung einsetzen (Art. 94 VZG)20 und die Mieter werden angewiesen, Mietzinse direkt an das Betreibungsamt zu leisten. Der Pfandschuldner bzw. Eigentümer kann nicht mehr über die Immobilie bzw. die Erträge verfügen. Er wird höchstens vom Betreibungsamt angehört, wenn Massnahmen wie Neuvermietungen, dringende Reparaturen usw. erforderlich sind21. Vor diesem Hintergrund konnte nicht mehr ausgeschlossen werden, dass mittlerweile auch eine Überschuldung einer oder mehrerer der Gruppengesellschaften eingetreten war. Immerhin behaupteten die Banken, die Liegenschaften seien teilweise erheblich weniger wert als bisher angenommen. Zudem gab es Zinsausstände und sonstige Verbindlichkeiten, deren Umfang die Unternehmensleitung nicht verlässlich schätzen konnte. Problematisch war sodann, dass die zu befürchtende Illiquidität der einzelnen Gesellschaften eine Bewertung zu Fortführungswerten grundsätzlich nicht mehr gestat-

20

Ausführlich zur Verwaltung durch das Betreibungsamt: JEANDIN NICOLAS, La gérance legale d’immeubles, BlSchK 2015, 81 ff.

21

Zur Frage, ob gegen entsprechende Handlungen des Betreibungsamts die betreibungsrechtliche Beschwerde zulässig ist: KUKO SchKG-DIETH/WOHL, Art. 17 N 3.

143

Georg J. Wohl

tete, ausser realistische Sanierungsmassnahmen wären sofort ergriffen worden, welche die Liquidität während der folgenden zwölf Monate voraussichtlich sicherstellten22. Eine Umstellung von Fortführungs- auf Liquidationswerte führt regelmässig zur Überschuldung23. Ist eine Gesellschaft sowohl zu Fortführungs-, als auch zu Liquidationswerten überschuldet, muss grundsätzlich der Konkursrichter benachrichtigt werden (Art. 725 OR). Will die Unternehmensleitung verhindern, für allfällige Schäden der Gesellschaft und ihrer Gläubiger wegen Verschleppung der Konkurseröffnung haftbar gemacht zu werden, sind sofort realistische Sanierungsmassnahmen zu prüfen und umzusetzen24. Umgekehrt darf der Konkursrichter auch nicht zu früh benachrichtigt werden25. Erst wenn eine pflichtgemässe Prüfung ergibt, dass eine Sanierung aussichtslos erscheint oder gescheitert ist, muss die Unternehmensleitung bzw. der Verwaltungsrat einer AG die Konkurseröffnung beantragen.

IV. Sanierungsplan 1.

Allgemeines

Wird ein Sanierungsberater in einer Unternehmenskrise zu Hilfe gerufen, besteht für diesen die erste grosse Herausforderung darin, sich eine mög22

Vgl. hierzu im Einzelnen unten, IV.1.

23

Siehe unten, IV.1.

24

Die Sanierungsmassnahmen müssen zu einer dauerhaften Gesundung des Unternehmens führen, mithin zur vollständigen Befriedigung aller Gläubiger. Statt vieler BSK-WÜSTINER, Art. 725 N 40a. A.A. SCHÖNENBERGER BEAT, Der Konkursaufschub nach Art. 725a OR, BlSchK 2002, 161 ff., 171. Vorbehalten bleiben freiwillige Forderungsverzichte oder Rangrücktrittserklärungen von Gläubigern. Es ist in Lehre und Praxis umstritten, wieviel Zeit die Unternehmensleitung für die Sanierung in Anspruch nehmen darf. Für eine aktuelle Übersicht zur Praxis und den verschiedenen Lehrmeinungen vgl. FISCHER ROLAND/DELLI COLLI FLAVIO, Sanierungsbemühungen bei Überschuldung, GesKR 2014, 255 ff.

25

Eine überhastete Überschuldungsanzeige ohne vorgängige Prüfung und Ergreifung von Sanierungsmassnahmen kann ebenfalls eine Pflichtverletzung des Verwaltungsrats darstellen. Vgl. WIRZ STEFAN, Die Überschuldungsanzeige als Pflicht und Pflichtverletzung, Diss. Basel 2015, N 482.

144

Die Sanierung von Immobiliengesellschaften

lichst gute Übersicht über die Lage zu verschaffen, und zwar innert kürzester Zeit. Dieser Prozess ist je nach Komplexität des Falls aufwändig und bindet sowohl auf Seiten des Beraterteams als auch beim zu sanierenden Unternehmen grosse Mitarbeiterressourcen und damit insbesondere finanzielle Liquidität. Sanierungsberater müssen regelmässig vorschüssig bezahlt werden, weil nachträglich ausbezahlte Honorare im Falle des Konkurses unter den gegebenen Voraussetzungen anfechtbar sein können26. Abgesehen von Fällen, in welchen die Unternehmensleitung frühzeitig Sanierungsmassnahmen einleitet, droht in einer klassischen Sanierungssituation regelmässig die Überschuldung, und dies selbst dann, wenn insbesondere Liegenschaften auf den wirklichen Wert27 aufgewertet werden können. Erstens lässt sich nie mit absoluter Gewissheit voraussehen, zu welchem Preis sich Liegenschaften (vor allem unter Zeitdruck) veräussern lassen. Zweitens sind für die Sanierungsphase Rückstellungen zu bilden (für Sanierungsberater, Rechtsanwälte, Revisoren, Immobilienspezialisten, allfällige Stilllegungskosten usw.)28. Gibt es keine realistischen Sanierungschancen oder ist die Sanierung gescheitert, muss schliesslich gemäss Art. 958a OR von Fortführungswerten auf Liquidationswerte umgestellt werden und sind ausreichend Rückstellungen für die Liquidationskosten zu bilden, was in den meisten Fällen sofort zur Überschuldung führt29. Immobiliengesellschaften werden diesbezüglich oft als Ausnahme genannt30, weil meist stille Reserven hinsichtlich des effektiven Verkehrswerts der Liegenschaften bestehen (sofern eine Aufwertung nach Art. 670 OR noch nicht erfolgt ist) und angesichts der geringen Stilllegungskosten wenig Reserven gebildet werden müssen. In einem solchen Fall empfiehlt es sich deshalb, nebst einem Sanierungsplan auch eine Liquidationsanalyse zu erstellen, an-

26

KUKO SchKG-UMBACH-SPAHN/BOSSART, Art. 288 N 7.

27

Vgl. Art. 670 OR. BSK OR II-NEUHAUS/BALKANYI, Art. 670 N 10 ff.

28

SCHENKER URS, OC Oerlikon – Eine komplexe, aber erfolgreiche Restrukturierung, GesKR 2010, 542 ff., Ziff. II.1., mit weiteren Hinweisen.

29

HANDSCHIN LUKAS, Rechnungslegung im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., Basel 2016, N 307.

30

Vgl. FN 29.

145

Georg J. Wohl

hand welcher der potentielle Insolvenzschaden, d.h. der Umfang der mutmasslich ungedeckten Gläubigerforderungen, ermittelt wird31. Bei Immobiliengesellschaften variiert dieser Insolvenzschaden sehr stark, je nachdem, wie rasch die Liegenschaften versilbert werden können bzw. müssen. Je weniger Zeit verbleibt, d.h. wenn unter Druck verkauft werden muss, desto vorsichtiger hat die Bewertung zu erfolgen und desto grösser kann der Insolvenzschaden werden. Ein Zuwarten mit der sofortigen Liquidation von Liegenschaften kann vorteilhafter sein, auch wenn dadurch die Liquidationskosten leicht steigen. Vor allem bei Immobiliengesellschaften können im Rahmen eines geordneten Liquidationsprozesses die laufenden Kosten auf einem Minimum gehalten werden, weshalb die wahrscheinlich höheren Verwertungserlöse die leicht höheren Liquidationskosten i.d.R. bei weitem übertreffen dürften. Würde nach dem Gesagten eine sofortige Konkurseröffnung zu einem grösseren Insolvenzschaden führen als die geordnete Liquidation, wäre das ein zusätzliches Argument für die genaue Prüfung und Ergreifung von Sanierungsmassnahmen32. Eine Sanierung muss nicht zwangsweise das Überleben oder die vollständige Gesundung aller Gesellschaften einer Gruppe bzw. aller Unternehmensteile einer Gesellschaft zur Folge haben.33 Es besteht auch die Möglichkeit, die überlebensfähigen Unternehmensteile in einer Auffanggesellschaft neu zu strukturieren34 und das ehemalige Unternehmen bzw. die einzelnen Gesellschaften im Konkurs oder in einer Nachlassliquidation35 zu liquidieren, wenn dadurch für die Gläubiger der einzelnen Gesellschaften ein besseres Ergebnis erzielt werden kann36. In der Regel müssen parallel zu den genannten Sanierungs- und Liquidationsanalysen erste Sofortmassnahmen ergriffen bzw. Rettungshandlungen 31

FISCHER/COLLI (FN 24), Ziff. I.

32

FISCHER/COLLI (FN 24) Ziff. II.1.1a.

33

KÄLIN (FN 15), Rz 53, 58 ff. sowie 67.

34

KOCH MARKUS, Gestaltung einer Auffanggesellschaft als „Plan B“, in: SPRECHER THOMAS (Hrsg.), Sanierung und Insolvenz von Unternehmen IV, Zürich 2014, 11 ff.; KUKO SchKG-HUNKELER, Art. 314 N 20.

35

Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung. Vgl. Art. 317 ff. SchKG.

36

Im Einzelnen hierzu unten, IV.2.

146

Die Sanierung von Immobiliengesellschaften

unternommen werden, um z.B. den Stillstand des Unternehmens zu verhindern37. Bei drohender Illiquidität infolge (drohender) Zwangsvollstreckungsmassnahmen38 müssen die vollstreckenden Gläubiger dazu bewogen werden, dem Unternehmen letzte Schonfristen zu gewähren. Bestenfalls können sogar Stillhaltevereinbarungen39 unterzeichnet werden, sofern den Gläubigern glaubhaft aufgezeigt werden kann, dass bei einer Unternehmenseinstellung oder bei sofortiger Konkurseröffnung massiver Schaden40 droht und Sanierungsmassnahmen prima facie möglich sind bzw. das Unternehmen überhaupt sanierungswürdig ist. Entsprechende Verhandlungen gestalten sich indessen schwierig, wenn die einflussreichsten Gläubiger pfandgesichert sind, d.h. selbst in einem Konkurs durch den mutmasslichen Verwertungserlös ihrer Sicherheiten gedeckt sind. Solche Gläubiger haben grundsätzlich nichts zu verlieren und müssen abgesehen von Reputationsrisiken auf andere Gläubiger keine Rücksicht nehmen. Wie sollte also im genannten Fallbeispiel vorgegangen werden? Die Banken und Pensionskassen waren alle grundpfandgesichert. Erste Verhandlungen zwischen der Unternehmensleitung und dem Agenten der Banken und Pensionskassen waren bereits gescheitert, weshalb nur völlig neue Erkenntnisse die Gläubiger hätten beeindrucken können. Solche Erkenntnisse fehlten indes zu Beginn des Sanierungsmandats, sodass einstweilen nur die Aufzeichnung eines absoluten Worst-Case-Szenarios blieb. So wurde aus der Not eine Tugend. Die Gläubiger bzw. Banken mussten basierend auf einer ersten Liquidationsanalyse und pessimistischen Liegenschaftsbewertungen davon

37

KÄLIN (FN 15), Rz 137 ff.

38

Siehe oben, III.3.

39

Für eine umfassende rechtliche Einordnung der Stillhaltevereinbarung: WOLF MARKUS, Stillhalteabkommen kreditgebender Banken – Ein Beitrag zum Unternehmenssanierungsrecht, Diss. Zürich 2012.

40

Dabei handelt es sich nicht nur um den effektiven Insolvenzschaden, d.h. Verlust der Werthaltigkeit von Forderungen, sondern je nachdem auch um nicht zu unterschätzende Reputationsschäden einer Bank. FISCHER ROLAND, Die kreditgebende Bank im Debt-Work-Out Prozess ihres Schuldners – Handlungsalternativen und Risiken, in: SPRECHER THOMAS (Hrsg.), Sanierung und Insolvenz von Unternehmen III – Schwerpunkt Bankeninsolvenzrecht, Zürich 2013, 27 ff., Ziff. II.

147

Georg J. Wohl

überzeugt werden, dass Notverkäufe bzw. Zwangsverwertungen den Wert der Pfandgegenstände drastisch minderten, weshalb gleichwohl Pfandausfälle zu befürchten waren und deshalb mit der sofortigen Zwangsverwertung zugewartet werden sollte. So konnte mindestens ein wenig Zeit gewonnen werden, was in einer Sanierungssituation essentiell ist, um mit potentiellen Käufern und Investoren Gespräche zu führen. Selbst ein Notverkauf von Liegenschaften ist nicht immer möglich. Insbesondere muss auch bei einem kurzfristigen Verkauf die Buchhaltung hinsichtlich der Unterhalts- und Instandstellungskosten usw. einigermassen verlässlich sein, damit ein Käufer nachvollziehen kann, in welchem Zustand sich die Liegenschaft befindet. Andernfalls wird ein Verkäufer keine fairen Angebote erhalten. Im Beispielfall stellte sich heraus, dass die entsprechenden Dokumentationen mangelhaft bzw. noch nicht auf dem aktuellsten Stand waren, weshalb ernsthafte Verhandlungen mit Kaufinteressenten gar nicht möglich waren, ohne empfindliche Preisabschläge zu riskieren. Genauso wenig war es möglich, kurzfristig mit Investoren bzw. anderen Banken Refinanzierungen der bestehenden Hypotheken zu verhandeln. Zunächst fehlte die Zeit, die relativ komplexe Due Diligence der Bank abzuwarten. Sodann hätten nicht nur Hypotheken refinanziert werden sollen, sondern die Gesellschaften benötigten teils zusätzliche Mittel, um Zinsausstände gegenüber den Banken zu bedienen. 2.

Sanierungsmassnahmen

Es kristallisierte sich rasch heraus, dass die (notfallmässige) Veräusserung von Liegenschaften zwecks Verbesserung der Liquiditätslage nicht verhindert werden konnte und die Struktur der Gruppe radikal vereinfacht werden musste41. Geplant war die drastische Reduktion des Portfolios auf unter die Hälfte des ehemaligen Bestands, die Refinanzierung der verbleibenden Immobilien sowie deren Zusammenfassung in einigen wenigen Gesellschaften. 41

148

Der Verkauf von Aktiven sowie eine Reorganisation (Verkleinerung des Unternehmens) sind geeignete Sanierungsmassnahmen, um sowohl kurzfristige (Beschaffung von Liquidität), als auch langfristige Sanierungsziele (Erhöhung der Profitabilität) zu erreichen. SCHÖNENBERGER (FN 24), 176.

Die Sanierung von Immobiliengesellschaften

Die nicht mehr gebrauchten Gesellschaften sollten geordnet liquidiert werden oder, wo nicht abzuwenden, in Konkurs oder Nachlassliquidation gehen. Wird eine neue Gesellschaft gegründet oder bei einer bestehenden Gesellschaft das Kapital erhöht, um Liegenschaften von Schwestergesellschaften zu übernehmen, ist stets darauf zu achten, dass die Vorschriften zur beabsichtigten Sachübernahme eingehalten werden, namentlich die Prüfung des Gründungsberichts bzw. Kapitalerhöhungsberichts durch eine Revisionsstelle im Hinblick auf die angemessene Bewertung des Erwerbspreises der Liegenschaften42. Für die Umstrukturierung von Immobilienportfolios sieht Art. 70 Abs. 2 FusG im Rahmen der Vermögensübertragung vor, dass es für die Übertragung von Grundstücken genügt, wenn am Sitz der übertragenden Gesellschaft eine einzige öffentliche Urkunde erstellt wird. Diese ist auch für ausserkantonale Grundbuchämter verbindlich, was Zeit und vor allem Kosten spart. Indes ist nach wie vor ungeklärt, ob auch bei der Vermögensübertragung nach FusG die Vorschriften der Sacheinlage bzw. Sachübernahme, namentlich die Angemessenheitsprüfung, eingehalten werden müssen43. Angesichts der Nichtigkeitsfolgen bei Missachtung der Vorschriften zur Sachübernahme44 empfiehlt es sich, die erforderlichen Gründungs- bzw. Kapitalerhöhungsberichte spätestens nach abgeschlossener Umstrukturierung zu erstellen und von einer Revisionsstelle testieren zu lassen45. Für eine sog. OR-Sanierung46 war es nach dem Gesagten jedenfalls längst zu spät. Die Aktionäre waren ohnehin nicht in der Lage, ausreichend Kapital einzuschiessen, und die Gläubiger konnten nicht weiter davon abgehalten werden, die Zwangsvollstreckung einzuleiten bzw. fortzuführen. Eine Über-

42

Vgl. Art. 628 Abs. 2 OR, Art. 635 OR, Art. 635a OR.

43

Pro: DIETSCHI NIKLAUS, Beabsichtigte Sachübernahme, Diss. St. Gallen 2012, N 133 mit Hinweisen. Contra: BSK FusG-MALACRIDA, Art. 70 N 6 mit Hinweisen.

44

Statt vieler: BSK OR-SCHENKER, Art. 628 N 13.

45

Während der Umstrukturierung bleibt hierzu je nachdem keine Zeit, da unabhängige Bewertungen abgewartet werden müssten, die zudem noch kostspielig sind. Nach einhelliger Meinung ist es möglich, die Verletzung der Sachübernahmevorschriften nachträglich zu „heilen“. Vgl. BSK OR-SCHENKER, Art. 628 N 13 mit Hinweisen.

46

SPRECHER THOMAS/SOMMER CHRISTA, Sanierung nach Aktienrecht, Schweizer Treuhänder 2014/6-7, 551 ff.

149

Georg J. Wohl

schuldung konnte nicht a priori ausgeschlossen werden, weshalb nur noch ein Konkursaufschub oder eine Nachlassstundung als unmittelbarer Rettungsanker in Frage kamen, um Zeit für die Restrukturierung zu gewinnen und die Unternehmensleitung vor Haftungsrisiken zu schützen47. 3.

Konkursaufschub vs. Nachlassstundung

Welches war das geeignete Verfahren, um den Sanierungsplan48 umzusetzen? Nachfolgend werden jeweils für den Konkursaufschub nach Art. 725a OR und die Nachlassstundung nach Art. 293 ff. SchKG diejenigen Aspekte kurz beleuchtet und miteinander verglichen, die im Fallbeispiel für die Umsetzung des Sanierungsplans von Bedeutung waren49. a)

Gesuchstellung

In einer Krisensituation, in welcher sowohl Zeit, als auch vollständige Informationen fehlen, ist es von Vorteil, wenn gerichtliche Schutzmassnahmen relativ unkompliziert und rasch vom Gesuchsteller beantragt und hernach vom Gericht angeordnet werden können. Das Gesuch um Konkursaufschub sowie um provisorische Nachlassstundung ist jeweils beim zuständigen Konkurs- bzw. Nachlassrichter am Sitz des Schuldners zu beantragen (Art. 46 ZPO i.V.m. Art. 46 Abs. 2 SchKG). Wenn – wie im vorliegenden

47

Begibt sich die Unternehmensleitung in ein gerichtliches Sanierungsverfahren, besteht zumindest kein Risiko mehr, dass sie für die Vergrösserung des Insolvenzschadens während des gerichtlichen Sanierungsversuchs verantwortlich gemacht wird. Sowohl das Gericht, als auch ein Sachwalter überwachen die Unternehmensleitung, weshalb es in einem Verantwortlichkeitsprozess schwierig sein dürfte, Pflichtverletzungen während des gerichtlichen Sanierungsverfahrens darzustellen und zu beweisen. Gl.M. KÄLIN (FN 15), Rz 681 (Konkursaufschub), Rz 715 (Nachlassstundung).

48

Siehe oben, IV.2.

49

Für einen umfassenden Vergleich zwischen Konkursaufschub und Nachlassstundung vgl. LORANDI FRANCO, Sanierung mittels Konkursaufschub oder Nachlassstundung – Alte und neue Handlungsoptionen, in: SPRECHER THOMAS/UMBACHSPAHN BRIGITTE/VOCK DOMINIK, Sanierung und Insolvenz von Unternehmen V, Zürich 2014, 29 ff. (zit. LORANDI, Nachlassstundung); SCHÖNENBERGER (FN 24), 161 ff.

150

Die Sanierung von Immobiliengesellschaften

Fall – gleichzeitig für mehrere Gesellschaften Konkursaufschub oder provisorische Nachlassstundung beantragt werden soll, ist somit für jede einzelne Gesellschaft beim jeweils zuständigen Gericht ein entsprechendes Gesuch zu stellen, was natürlich aufwändig und kostspielig sein kann. Seit der Sanierungsrechtsrevision50 ist es nun theoretisch möglich, diese Verfahren zu koordinieren (Art. 4a Abs. 2 SchKG). Erfahrungen in der Praxis gibt es indes noch keine. aa)

Beim Konkursaufschub

Beim Konkursaufschub ist die Gesuchstellung im Vergleich zur Nachlassstundung merklich komplizierter. Erstens ist ein geprüfter Zwischenabschluss vorzulegen, aus dem ersichtlich ist, dass die Gesellschaft zu Fortführungs- und zu Liquidationswerten überschuldet ist51. Im Fallbeispiel lagen solche Zwischenabschlüsse der einzelnen Gesellschaften nicht vor und waren wohl auch nicht innert nützlicher Frist erhältlich. Ausserdem hätten solche geprüfte Zwischenabschlüsse für alle Gesellschaften erstellt werden müssen, was mit erheblichen Kosten verbunden gewesen wäre. Zweitens müssen dem Konkursrichter konkrete und realistische Sanierungsmassnahmen präsentiert werden, die zu einer vollständigen Genesung des Unternehmens führen, d.h. gemäss welchen alle Gläubiger, die nicht freiwillig auf einen Teil ihrer Forderung verzichten, vollständig befriedigt werden52. Es genügt insbesondere nicht, dass die Gläubiger bei Bewilligung des Konkursaufschubs und bei anschliessender Umsetzung des Sanierungsplans eine mutmasslich höhere Quote ihrer Forderung erhalten als in einem Konkurs. bb)

Bei der Nachlassstundung

Bei der (provisorischen) Nachlassstundung sind die diesbezüglichen Anforderungen seit Inkrafttreten der Sanierungsrechtsrevision am 1. Januar 2014

50

Botschaft Sanierungsrecht, abgedruckt in: BBl 2010, 6455 ff.

51

Statt vieler: BSK OR-WÜSTINER, Art. 725a N 2 ff.

52

Statt vieler: LORANDI, Nachlassstundung (FN 49), Ziff. II.2. KUKO SchKGHUNKELER, Art. 293 N 31 ff. A.A. SCHÖNENBERGER (FN 24), S. 171.

151

Georg J. Wohl

erheblich gelockert worden.53 Bilanzen und Erfolgsrechnungen sowie Angaben zur Liquiditätsplanung müssen nicht geprüft werden. Auch der eigentliche Sanierungsplan ist weniger ausführlich als bei einem Konkursaufschub und lediglich provisorischer Art. Insbesondere hat der Gesuchsteller neuerdings keinen Entwurf eines Nachlassvertrags mehr einzureichen und braucht sich auch nicht festzulegen, ob er einen ordentlichen Nachlassvertrag oder einen Liquidationsvergleich anstrebt, u.a. deshalb, weil die Sanierung auch ohne Abschluss eines Nachlassvertrags noch während der (provisorischen) Stundung gelingen kann54. Es genügen „rudimentäre Ausführungen“55 dazu, wie sich die aktuelle finanzielle Lage des Schuldners präsentiert, was die Ursachen der Unternehmenskrise sind56 und wie die Sanierung in etwa gelingen soll. Entspricht das Gesuch den Anforderungen von Art. 293 SchKG, wird diesem gemäss 293a SchKG sofort stattgegeben und immer zuerst eine provisorische Nachlassstundung bewilligt57. Dem Gesuch ist nur dann nicht zu entsprechen, wenn eine Sanierung offensichtlich aussichtlos ist (Art. 293a Abs. 3 SchKG). Gelingt es aber einem Gesuchsteller, glaubwürdig darzustellen, dass während der provisorischen Nachlassstundung die Situation für die bestehenden Gläubiger nicht verschlechtert wird, besteht nach der hier vertretenen Ansicht ein Rechtsanspruch auf Bewilligung der provisorischen Nachlassstundung. Die Gläubigerinteressen sind nämlich ausreichend geschützt, wenn die Kosten für das Gericht und einen allfälligen Sachwalter sichergestellt sind und die erforderlichen Betriebskosten während der Stundung durch den Schuldner selbst58 oder durch Dritte voraussichtlich gedeckt werden können.

53

Zu den Hintergründen und den Zielen der Sanierungsrechtsrevision vgl. KUKO SchKG-HUNKELER, vor Art. 293.

54

KUKO SchKG-HUNKELER, Art. 293 N 15.

55

KUKO SchKG-HUNKELER, Art. 293 N 14.

56

Auch deshalb ist es wichtig, sich zu Beginn des Sanierungsmandats eine möglichst umfassende Informationsbasis zu schaffen. Vgl. oben, III.

57

KUKO SchKG-HUNKELER, Art. 293a N 1 sowie vor Art. 293 N 25.

58

D.h. durch Einnahmen des laufenden Betriebs.

152

Die Sanierung von Immobiliengesellschaften

Überwiegt demgegenüber das Risiko, dass während der provisorischen Stundung weitere Substanz des Schuldners zu Lasten der Gläubiger vernichtet wird, steht dies einer Bewilligung der provisorischen Nachlassstundung zwar nicht im Wege, doch liegt es im Ermessen des Nachlassgerichts, allenfalls zusätzliche Sicherheiten zu verlangen. Z.B. die Anordnung einer Sicherheitsleistung für die während der provisorischen Stundung anfallenden Betriebskosten oder durch erhöhte Vorschüsse für die Gerichts- und Sachwalterkosten59. Es war das Ziel des Gesetzgebers, mit den neuen Bestimmungen zum Nachlassstundungsverfahren Sanierungen zu fördern, indem ein Schuldner rasch und unkompliziert vor Zwangsvollstreckungsmassnahmen geschützt wird60. Der Schuldner soll eine Verschnaufpause erhalten und in Ruhe eine nachhaltige Sanierung oder einen Nachlassvertrag prüfen können61. Nur so besteht überhaupt die Chance, dass die Gläubiger einen geringeren Insolvenzschaden erleiden als bei einer Konkurseröffnung und keine Arbeitsplätze verloren gehen. Der Gesetzgeber hat deshalb nach der hier vertretenen Meinung bewusst in Kauf genommen, dass während der provisorischen Nachlassstundung von maximal 4 Monaten schlimmstenfalls weitere Substanz des Schuldners verloren geht bzw. neue Gläubiger zu Schaden kommen. Sanierungsversuche sollen nicht allein deswegen unterbleiben, weil das Risiko besteht, dass der Sanierungsversuch scheitert und dadurch Gläubiger geschädigt werden. Erst nach Ablauf der provisorischen Stundung hat das Nachlassgericht beim Entscheid über die definitive Stundung zu prüfen, ob der Abschluss eines Nachlassvertrags überhaupt realistisch bzw. möglich erscheint (Art. 294 SchKG). Dies ist regelmässig nur dann der Fall, wenn die Gläubiger mit einem höheren Betreffnis rechnen können als im Konkurs62.

59

Vgl. Wortlaut von Art. 293a SchKG Abs. 1: „trifft von Amtes wegen weitere Massnahmen, die zur Erhaltung des schuldnerischen Vermögens notwendig sind“.

60

Vgl. Art. 297 SchKG.

61

KÄLIN (FN 15), Rz 682.

62

KUKO SchKG-HUNKELER, Art. 306 N 11 ff.

153

Georg J. Wohl

b)

Geheimhaltung des Verfahrens

Sowohl beim Konkursaufschub als auch neuerdings bei der provisorischen Nachlassstundung ist es möglich, auf eine Veröffentlichung des Verfahrens zu verzichten. Bei der provisorischen Nachlassstundung ist die mögliche Geheimhaltung allerdings beschränkt auf vier Monate (Art. 293c Abs. 2 SchKG)63, was viele Praktiker bedauern und als den grössten Nachteil gegenüber dem Konkursaufschub betrachten64. Die Vorteile der Geheimhaltung dürfen indes nicht überschätzt werden65. Will man mit Gläubigern verhandeln, muss die finanzielle Situation des Schuldners ohnehin offengelegt werden. Je nachdem, wie weit fortgeschritten die Unternehmenskrise ist, lässt sich diese gar nicht mehr geheim halten. In gewissen Konstellationen kann es sogar ein Vorteil sein, wenn der Konkursaufschub bzw. die Nachlassstundung öffentlich bekannt gemacht werden. Ein Gläubiger wird eher zu Zugeständnissen bereit sein, wenn der Unternehmenszusammenbruch unmittelbar droht und ein Insolvenzschaden zu befürchten ist66. Dennoch bleibt die Möglichkeit der Geheimhaltung ein wichtiger Aspekt für viele Sanierungen, weshalb de lege ferenda eine Verlängerungsmöglichkeit der geheimen bzw. der sog. stillen Stundung geprüft werden sollte. Eine Lösung wäre z.B., die Verlängerung der stillen Stundung an zusätzliche Voraussetzungen zu knüpfen, z.B. Sicherstellung der Liquidität während der Stundung, damit keine arglosen Neugläubiger zu Schaden kommen67. Im vorliegenden Fallbeispiel hätten vier Monate wahrscheinlich ausgereicht, um die effektive finanzielle Situation der einzelnen Gesellschaften zu prüfen, diejenigen Immobilien zu identifizieren, die veräussert werden sollen bzw. können, und für die verbleibenden Liegenschaften die Refinanzierung zu

63

Sog. „stille Stundung“.

64

LORANDI, Nachlassstundung (FN 49), Ziff. 3; KÄLIN (FN 15), Rz 96.

65

Gl. M. KÄLIN (FN 15), Rz 97.

66

Anders bei pfandgesicherten Gläubigern. Vgl. oben, IV.1.

67

Als Hauptargument gegen eine zu lange stille Stundung werden die Interessen derjenigen Gläubiger genannt, die sich während der stillen Stundung arglos auf einen vermeintlich kreditwürdigen Geschäftspartner einlassen.

154

Die Sanierung von Immobiliengesellschaften

verhandeln sowie die Umstrukturierung zu planen. Darauf basierend hätte geprüft werden können, ob ein Nachlassvertrag bzw. Nachlassverträge realistisch sind. Der Aspekt der Geheimhaltung war im Fallbeispiel zentral, u.a. um Spekulanten und Immobilienhaie fern zu halten und mit potentiellen Käufern „auf Augenhöhe“ zu verhandeln. c)

Wirkungen des Verfahrens

aa)

Moratorium während des Konkursaufschubs

Wird der Konkursaufschub bewilligt, tritt ein sog. Moratorium ein. Die Konkurseröffnung wird einstweilen nicht angeordnet und dem Schuldner wird nochmals Gelegenheit gegeben, die festgestellte Überschuldung zu beseitigen und/oder die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden68. Wie dies zu geschehen hat, wird im Gesetz gar nicht oder nur rudimentär geregelt, was der Rechtssicherheit abträglich ist69. Lehre und Praxis haben zwar gewisse Spielregeln entwickelt, doch bleiben Unsicherheiten, z.B. bei der Veräusserung von Anlagevermögen während des Moratoriums70. Der Schuldner ist grundsätzlich auch nicht vor neuen Betreibungen oder sonstigen Zwangsvollstreckungsmassnahmen wie z.B. Arrest geschützt. Bereits eingeleitete Betreibungen

68

KUKO SchKG-HUNKELER, Art. 293 N 34; LORANDI, Nachlassstundung (FN 49), Ziff. II.5.; BSK OR II-WÜSTINER, Art. 725a N 9.

69

Gl. M. LORANDI, Nachlassstundung (FN 49), Ziff. II.1.

70

Zwar kann der Konkursrichter die Veräusserung des Anlagevermögens von der Zustimmung des Sachwalters abhängig machen, doch kann damit nicht ausgeschlossen werden, dass entsprechende Transaktionen in einem nachfolgenden Konkurs dennoch paulianisch angefochten werden. LORANDI FRANCO, Die Wirkungen des Konkursaufschubs (Art. 725a OR) – Ausgewählte Fragen aus vollstreckungsrechtlicher Sicht – Ein Vergleich zum Konkurs- und Nachlassverfahren – mit Vorschlägen de lege ferenda, in: Festschrift für Karl Spühler zum 70. Geburtstag, RIEMER MICHAEL/KUHN MORITZ/VOCK DOMINIK/GEHRI MYRIAM A., Zürich 2005, Ziff. III.1.a)dd) (zit. LORANDI, Konkursaufschub). Vgl. demgegenüber bei der Nachlassstundung Art. 285 Abs. 3 SchKG, gemäss welcher Bestimmung die Veräusserung des Anlagevermögens unter gewissen Voraussetzungen nicht mehr angefochten werden kann.

155

Georg J. Wohl

(insb. auf Pfandverwertung) können ohne weiteres fortgesetzt werden und Prozesse stehen grundsätzlich nicht still71. bb)

Rechtsstillstand während der Nachlassstundung

Bei der (provisorischen) Nachlassstundung ist der Schuldner besser vor seinen Gläubigern geschützt. Es kommt zu einem Rechtsstillstand (vgl. die Aufzählung in Art. 297 SchKG): Betreibungen können bei der provisorischen Stundung weder eingeleitet, noch fortgesetzt werden (bei der stillen Stundung ist die Einleitung der Betreibung zwar möglich, doch entfaltet sie rechtlich zunächst keinerlei Wirkungen)72. Vermögen des Schuldners darf für Nachlassforderungen, d.h. für Forderungen, die vor der Bewilligung der Nachlassstundung entstanden sind, nicht verarrestiert werden. Ausser bei Dringlichkeit werden Prozesse und Verwaltungsverfahren sistiert. Verjährungs- und Verwirkungsfristen stehen still, der Zinsenlauf hört auf. Hinsichtlich der Betreibung auf Pfandverwertung von Grundpfändern sieht das Gesetz indes eine gewichtige Einschränkung vor. Gestützt auf Art. 297 Abs. 1 Satz 2 SchKG bleibt hier die Einleitung und Fortsetzung der Betreibung möglich. Lediglich die Verwertung des Grundpfands ist untersagt. Wie bereits erwähnt73, kann ein Grundpfandgläubiger nach Art. 152 Abs. 2 SchKG i.V.m. Art 91 f. VZG verlangen, dass auch sämtliche Erträgnisse der Liegenschaft, insbesondere Mietzinse, vom Betreibungsamt beschlagnahmt werden. Für Immobiliengesellschaften bedeutet dies mit anderen Worten, dass trotz bewilligter (provisorischer) Nachlassstundung umgehend die Illiquidität droht, was einer Sanierung (und wohl auch der Bewilligung der provisorischen Nachlassstundung)74 in Fällen entgegenstehen kann, in welchen der Schuldner die erforderliche Liquidität für die Deckung der laufenden Kosten und der zusätzlichen Sanierungskosten nicht anderweitig sicherstel71

LORANDI, Konkursaufschub (FN 70), Ziff. III.1.d)dd); BSK OR II-WÜSTINER, Art. 725a N 9.

72

KUKO SchKG-HUNKELER, Art. 293c N 20 ff.

73

Siehe oben, III.3.

74

Siehe oben, IV.3.a)bb). In einem solchen Fall dürfte infolge Illiquidität wohl der Ausnahmefall der offensichtlichen Aussichtslosigkeit einer Sanierung gegeben sein.

156

Die Sanierung von Immobiliengesellschaften

len kann. Diese Situation bedeutet eine klare Benachteiligung von Immobiliengesellschaften, welche in der Regel nur über Einkünfte aus der Bewirtschaftung ihrer eigenen, mit Grundpfandrechten belasteten Liegenschaften verfügen. Der Wortlaut von Art. 297 Abs. 1 Satz 2 SchKG wurde anlässlich der Sanierungsrechtsrevision unverändert aus dem früheren Wortlaut von Art. 297 Abs. 2 Ziff. 2 aSchKG übernommen75. Aus der Botschaft zum neuen Sanierungsrecht vom 8. September 2010 geht hervor, dass dies bewusst geschehen ist, sozusagen als Kompromiss für den neu eingeführten Betreibungsstopp (auch) zu Lasten der sog. privilegierten Gläubiger76. Die Eidg. Räte haben sich aber nicht mit der Konsequenz befasst, dass damit die Sanierung von Immobiliengesellschaften sehr erschwert wird. Demgegenüber war im Zusammenhang mit Art. 297a SchKG (Auflösung von Dauerschuldverhältnissen) eine heftige Diskussion entfacht, ob es diese Bestimmung tatsächlich braucht und gegebenenfalls wie sie ausgestaltet werden soll. Einem Votum von Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Zusammenhang mit dem Minderheitsantrag Schwaab in der Sitzung des Nationalrats vom 16. April 2013 ist zu entnehmen, dass der Bundesrat die vom Minderheitsantrag Schwaab vorgeschlagene Einschränkung des ausserordentlichen Kündigungsrechts des Vermieters (als Schuldner in einer Sanierung) gemäss Art. 297a SchKG ablehne, da man sich keine Anwendungsbeispiele vorstellen könnte. Die Kündigung von Mietverträgen sei für einen Vermieter keine wirkungsvolle Sanierungsmassnahme, da dieser in einer Sanierung auf Mietzinseinnahmen (d.h. finanzielle Liquidität) gerade angewiesen sei.77 Immobiliengesellschaften sind regelmässig auf der Vermieterseite. Bei dieser Ausgangslage stellt sich deshalb die Frage, ob der Bundesrat bei der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs und der Botschaft in Kauf genommen hat, dass Art. 297 Abs. 1 Satz 2 SchKG Immobiliengesellschaften bei einer Sanierung

75

KUKO SchKG-HUNKELER, Art. 297 N 12.

76

Botschaft Sanierungsrecht (FN 50), 6487, erster Spiegelstrich.

77

Vgl. Protokoll der nationalrätlichen Sondersession im April 2013, dritte Sitzung vom 16. April 2013, Geschäfts-Nr. 10.077, abrufbar unter .

157

Georg J. Wohl

erheblich benachteiligt bzw. eine Sanierung in den meisten Fällen sogar verunmöglicht. Liest man das erwähnte Votum von Bundesrätin Sommaruga, drängt sich dieser Schluss zumindest nicht auf, da der Bundesrat offenbar davon ausging, dass in einer Sanierungssituation eines Vermieters dessen Mieterträgnisse nützlich bzw. essentiell sind. Nichts anderes gilt für Immobiliengesellschaften. Man könnte also argumentieren, der Gesetzgeber hätte nicht bedacht, dass Art. 297 Abs. 1 Satz 2 SchKG bei Immobiliengesellschaften eine Sanierung praktisch verunmöglicht, weshalb im Rahmen einer teleologischen Reduktion78 Art. 297 Abs. 1 Satz 2 SchKG bei Immobiliengesellschaften nicht gilt. Nach der hier vertretenen Meinung kann diese Problematik vermutlich nur durch eine Anpassung des Gesetzes gelöst werden, da die Regelung der Ausdehnung der Pfandhaft nicht primär im SchKG, sondern in Art. 806 ZGB vorgesehen ist, welchem Umstand Art. 152 Abs. 2 SchKG vollstreckungsrechtlich Rechnung trägt, indem das Betreibungsamt die Mietzinseinnahmen tatsächlich eintreibt. Eine teleologische Reduktion von Art. 297 Abs. 2 Satz 2 SchKG im oben genannten Sinne würde gleichzeitig auch das ZGB selbst betreffen, was doch eher zu weit gehen dürfte. Ausserdem müsste entschieden werden, welche Schuldner als Immobiliengesellschaften gelten und welche nicht. Eine Lückenfüllung erscheint nicht möglich, auch wenn sie vorliegend für die Zwecke der Sanierung von Immobiliengesellschaften zweifelsohne sehr nützlich wäre. U.a. ist es aber die Aufgabe des Gesetzgebers, die Schutzwirkung von Pfandrechten für bestimmte Zwecke zu reduzieren, sofern dabei die Rechte des Pfandgläubigers angemessen geschützt bleiben. cc)

Weitere Vorteile der Nachlassstundung

Abgesehen von den soeben entdeckten Nachteilen hinsichtlich Grundpfandrechten bietet die (provisorische) Nachlassstundung auch bzw. gerade bei der Sanierung und Restrukturierung von Immobiliengesellschaften zusätzliche Vorteile gegenüber dem Konkursaufschub:

78

158

Vgl. zu diesem Instrument in der juristischen Methodenlehre KRAMER ERNST A., Juristische Methodenlehre, 4. Aufl., Bern 2013, 224 ff.

Die Sanierung von Immobiliengesellschaften

aaa) Schuldenbereinigung und Auflösung von Dauerschuldverhältnissen Ein grosser Vorteil der Nachlassstundung besteht etwa in der Möglichkeit, die nicht privilegierten und nicht pfandgesicherten Gläubiger im Rahmen einer Abstimmung zum Nachlassvertrag zu einem Schuldenerlass zu zwingen79. Im Zusammenspiel mit Art. 297a SchKG ergeben sich hier interessante Möglichkeiten80. Gemäss dieser Bestimmung können während der (provisorischen81) Nachlassstundung mit Zustimmung des Sachwalters Dauerschuldverhältnisse ungeachtet der vereinbarten Laufzeiten ausserordentlich auf jeden Zeitpunkt hin gekündigt werden, sofern dies für die Sanierung förderlich ist82. Der Gegenpartei steht zwar eine Entschädigung zu, doch wird diese als gewöhnliche Nachlassforderung behandelt, d.h. kann in einem allfälligen ordentlichen Nachlassvertrag sogar einer (erzwungenen) Quote unterliegen bzw. gilt in einem Konkurs als Drittklassforderung. Hinsichtlich des Fallbeispiels stellt sich nach dem Gesagten die Frage, ob gestützt auf Art. 297a SchKG die zahlreichen nachteiligen Hypothekarverträge hätten umstrukturiert bzw. gekündigt werden können. Finanzierungsverträge sind Darlehensverträge und damit Dauerschuldverhältnisse, weshalb sie klarerweise unter die Bestimmung von Art. 297a SchKG fallen83. Mit Zustimmung des Sachwalters könnten sie sofort gekündigt werden, mit der Folge, dass die Darlehensvaluta inkl. aufgelaufener Zinsen sofort zur Zahlung fällig wird und allenfalls auch eine sog. Entschädigung bezahlt werden muss. Dieses Ergebnis dürfte regelmässig auch ohne Anrufung von Art. 297a SchKG möglich sein, sehen doch die meisten Finanzierungsverträge Berechnungsformeln für die sog. Vorfälligkeitsentschädigung (auch „Penalty“ ge-

79

Sog. „haircut“. Vgl. Art. 314 Abs. 1 SchKG i.V.m. Art. 305 SchKG.

80

Gl. M. STAEHELIN DANIEL, Dauerschuldverhältnisse in der Insolvenz, in: SPRECHER THOMAS (Hrsg.), Sanierung und Insolvenz von Unternehmen V – Das neue Schweizer Sanierungsrecht, Zürich 2014, Ziff. VI.

81

Jedenfalls dann, wenn ein Sachwalter bestellt wurde: KUKO SchKG-HUNKELER, Art. 297a N 3.

82

LORANDI FRANCO, Dauerschuldverhältnisse im neuen Sanierungsrecht, AJP 3/2014, 292 ff., Ziff. II.B.1.c) (zit. LORANDI, Dauerschuldverhältnisse); Restriktiver: KUKO SchKG-HUNKELER, Art. 297a N 17.

83

LORANDI, Dauerschuldverhältnisse (FN 82), Ziff. I.

159

Georg J. Wohl

nannt, die unnütze Aufwendungen und entgangenen Gewinn der Bank abdeckt) bei vorzeitiger Kündigung vor. Gemäss Art. 297a SchKG ist indes die Entschädigung infolge einer vorzeitigen Kündigung eine Nachlassforderung, die dem Nachlassvertrag unterliegt84. Nachlassforderungen sind aber keine pfandgesicherten Forderungen85. Normalerweise, d.h. wenn z.B. eine Bank vorzeitig und ausserhalb einer Nachlassstundung einen Kredit kündigt, wäre bei entsprechender vertraglicher Abmachung auch die Vorfälligkeitsentschädigung von einem allfälligen Grundpfand gedeckt. Ist dies nun aber im Rahmen von Art. 297a SchKG nicht der Fall, d.h. kann die Bank unter Anrufung von Art. 297a SchKG teilweise um ihre Pfandsicherheit für die Vorfälligkeitsentschädigung gebracht werden? Und falls dem so wäre, könnte eine Bank diesen Pfandverlust verhindern, indem sie in ihren Verträgen für den Fall der Bewilligung einer Nachlassstundung automatisch den Kredit inkl. Vorfälligkeitsentschädigung usw. fällig stellt und damit sozusagen dem Sachwalter zuvorkommt86? Diese Fragen wurden in der Literatur bisher nicht diskutiert, sollten aber geklärt werden. An dieser Stelle nur so viel: Zweck der Sanierungsrechtsrevision war u.a., dass die Sanierung von Unternehmen erleichtert wird. Dabei kommt dem neuen Art. 297a SchKG eine bedeutende Rolle zu87. Eine Privilegierung von Entschädigungsforderungen bei pfandgesicherten Dauerschuldverhältnissen ist zumindest dem Wortlaut nach nicht vorgesehen88. Nach der hier vertretenen Auffassung ist deshalb nicht a priori ausgeschlossen, dass allfällige Pfandsicherheiten im Zusammenhang mit der Erfüllung des Vertrags (hier: Rückzahlung des Darlehens zzgl. Zinsen) bei der Entschädigungsforderung nicht zum Tragen kommen, selbst wenn dies vertrag-

84

LORANDI, Dauerschuldverhältnisse (FN 82), Ziff. II.B.2.c); KUKO SchKG-HUNKELER, Art. 297a N 21.

85

Statt vieler: KUKO SchKG-HUNKELER, Art. 310 N 3.

86

Hier stellt sich insb. die Frage, inwiefern privatrechtliche Vertragsklauseln Wirkungen des zwingenden öffentlichen Vollstreckungsrechts vereiteln dürfen. Vgl. zum Ganzen: STAEHELIN DANIEL, Vertragsklauseln für den Insolvenzfall, AJP 2004, 363 ff.

87

KUKO SchKG-HUNKELER, Art. 297a N 5.

88

Die Botschaft hält sogar ausdrücklich fest, dass die Entschädigungsforderung lediglich zu einer Dividende berechtigt. Botschaft Sanierungsrecht (FN 50), 6488.

160

Die Sanierung von Immobiliengesellschaften

lich so zwischen Gläubiger und Schuldner vereinbart worden sein sollte. Andernfalls könnten Gläubiger versucht sein, die sanierungsfreundlichen Wirkungen von Art. 297a SchKG mittels extensiver Besicherung zu umgehen, z.B. auch bei Miet- oder Lieferverträgen. Folgt man dieser Argumentation, können vertragliche Abmachungen, wonach mit Bewilligung einer Nachlassstundung Verträge automatisch gekündigt werden und eine Vorfälligkeitsentschädigung Platz greift, daran nichts ändern. Art. 297a SchKG wäre in diesem Kontext zwingendes Recht89. Freilich gibt es auch ernst zu nehmende Argumente, die dafür sprechen, dass allfällige Pfandsicherheiten zur Absicherung sämtlicher vertraglicher Pflichten des Schuldners auf die Entschädigungsforderung gemäss Art. 297a SchKG auszuweiten sind. Bis zur Klärung der Rechtslage durch Gerichte besteht hier aber eine gewisse Unsicherheit, die sich ein Schuldner bei Verhandlungen mit Gläubigern zu Nutze machen kann. Solche Fragen stellen sich beim Konkursaufschub jedenfalls nicht. Dauerschuldverhältnisse können hier nicht ausserordentlich gekündigt werden. Ein Schuldenerlass ist lediglich mit Zustimmung der betroffenen Gläubiger möglich. bbb) Vertragsabschlüsse während der Nachlassstundung Beim Konkursaufschub werden Gläubiger, deren Forderungen erst nach Bewilligung des Konkursaufschubs entstanden sind, in einem nachfolgenden Konkurs gegenüber den früheren Gläubigern in keiner Weise privilegiert90. Ein Investor, der dem zu sanierenden Unternehmen während des Konkursaufschubs eine Überbrückungsfinanzierung gewähren möchte, wird dies deshalb nur tun, wenn er dafür Sicherheiten erhält, die aber meist mangels (freien) pfändbaren Vermögens nicht beigebracht werden können. Ohne Sicherheiten können allfällige Rückzahlungen schlimmstenfalls paulianisch angefochten werden91. Auf die bislang schwammige Rechtsprechung des

89

LORANDI, Dauerschuldverhältnisse (FN 82), Ziff. II.B.1.a); KUKO SchKG-HUNKELER, Art. 297a N 4.

90

LORANDI, Konkursaufschub (FN 70).

91

Vgl. Art. 285 ff. SchKG. LORANDI, Nachlassstundung (FN 49), 40.

161

Georg J. Wohl

Bundesgerichts zu den sog. Sanierungsdarlehen92 wird sich ein Investor nicht verlassen wollen, obwohl erstinstanzliche Urteile kantonaler Zivilgerichte bekannt sind, welche diese Rechtsprechung positiv aufgegriffen und darauf basierend die Rückzahlung von Überbrückungsdarlehen vor Konkurseröffnung von der Pauliana ausgenommen haben. Demgegenüber ist die Rechtslage bei der Nachlassstundung klar: Forderungen aus Rechtsgeschäften, die während der (provisorischen) Stundung mit Zustimmung des Sachwalters abgeschlossen worden sind, sind in einem nachfolgenden Konkurs oder in einer Nachlassliquidation Masseschulden93, d.h. werden noch vor den privilegierten Gläubigern befriedigt. Dieser Umstand wird von Praktikern gelegentlich auch als „Superprivileg“ bezeichnet. Auch bestellte Sicherheiten sind konkursfest und können nachträglich nicht mehr angefochten werden, sofern das Nachlassgericht oder ein allfälliger Gläubigerausschuss solchen zugestimmt hat94. Gleiches gilt für die Übertragung von Anlagevermögen95, was im vorliegenden Fallbeispiel hinsichtlich der geplanten Umstrukturierung einen grossen Vorteil gegenüber einem Konkursaufschub bedeutet hätte. Gemäss Art. 296a SchKG schliesslich sieht das Gesetz seit der Sanierungsrechtsrevision vor, dass die (provisorische) Stundung wieder verlassen wer-

92

Vgl. BGE 134 II 452 ff.; EMMENEGGER SUSAN, Das Sanierungsdarlehen, in: EMMENEGGER SUSAN (Hrsg.), Schweizerische Bankrechtstagung 2010, Basel 2010, 158 ff., 167.

93

Anders als beim Konkurs (vgl. Art. 197 ff. SchKG) gibt es bei der Nachlassstundung keine eigentliche Masse im Rechtssinne. Der Gesetzgeber stellt indes in Art. 310 Abs. 2 SchKG klar, dass Verbindlichkeiten, die während der Stundung mit Zustimmung des Sachwalters eingegangen worden sind, in einem anschliessenden Konkurs die Masse belasten. Vgl. statt vieler KUKO SchKG-Hunkeler. Art. 310 N 18.

94

Vgl. Art. 285 Abs. 3 SchKG.

95

Vgl. Art. 298 Abs. 2 i.V.m. Art. 285 Abs. 3 SchKG.

162

Die Sanierung von Immobiliengesellschaften

den kann, wenn die Sanierung gelungen ist96. Damit sind sog. „Pre-Packs“97 noch interessanter geworden, da der Verkauf oder die Umschichtung von werthaltigen Assets rechtssicher, d.h. unter Ausschluss der Pauliana98 vollzogen werden können. Früher stand hierzu lediglich der Konkursaufschub zur Verfügung. Indes hatten die beteiligten Parteien anders als heute bei der (provisorischen) Nachlassstundung keine Garantie dafür, dass die Restrukturierung in einem anschliessenden Konkurs nicht angefochten wird. ccc) Überbrückungsfinanzierung Zurück zum Fallbeispiel. Wegen der genannten Problematik in Art. 297 Abs. 1 Satz 2 SchKG99 war damit zu rechnen, dass trotz Bewilligung der provisorischen Nachlassstundung die jeweils zuständigen Betreibungsämter die Verwaltung der Liegenschaften übernehmen. Damit wäre praktisch die gesamte Liquidität innerhalb der Gruppe versiegt, weshalb eine Überbrückungsfinanzierung während der Restrukturierungsphase zu organisieren war. Banken kommen hierzu offensichtlich nicht in Frage. Es existieren aber einige sog. Family Offices in der Schweiz, welche grosse Vermögen von wohlhabenden Privatpersonen und ihren Familien verwalten. Angesichts des aktuellen Niedrigzinsumfelds haben auch sehr wohlhabende Privatinvestoren Mühe, ordentliche Renditen bei angemessenem Risiko zu erzielen, weshalb (auch) sie sich derzeit v.a. für gute Immobilieninvestitionen interessieren. Je nach Volumen der verfügbaren Mittel setzen sich solche Privatinvestoren in direkte Konkurrenz mit grösseren institutionellen Investoren wie z.B. Pensionskassen oder an der Börse kotierte Immobilienfonds.

96

Vgl. Art. 296a SchKG. KUKO SchKG-HUNKELER, Art. 296a N 1 ff. In der Praxis gibt es bereits positive Erfahrungen mit dieser Möglichkeit: Sanierung abgeschlossen – Valartis aus der Nachlassstundung, NZZ Online () vom 11. November 2016.

97

Praktiker verstehen darunter einen vorgefertigten (vorverpackten) und im Einzelnen dokumentierten Sanierungs- bzw. Restrukturierungplan, der nach Bewilligung der Stundung sofort vom Sachwalter (allenfalls unter Mitwirkung des Nachlassgerichts, vgl. Art. 298 Abs. 2 SchKG) umgesetzt werden kann. KOCH (FN 34), 16.

98

Vgl. Art. 285 Abs. 3 SchKG.

99

Siehe oben, IV.3.c)bb).

163

Georg J. Wohl

Bei dieser Ausgangslage kann es für solche wohlhabenden Privatpersonen interessant sein, kleineren Immobiliengesellschaften, welche in Not sind, unter die Arme zu greifen. In Anlehnung an den Begriff „business angel“100 könnte hier der Begriff „real estate angel“101 verwendet werden. Gewisse Family Offices haben bezüglich der Restrukturierung von kleineren Immobilienportfolios schon Erfahrungen gemacht und können diese in die Restrukturierung einer Immobiliengruppe einbringen. Auch ihre Kontakte zu Banken können hilfreich sein. Die von den Investoren erwartete Gegenleistung bzw. die Rendite ist weniger ein möglichst hoher Zins auf den zur Verfügung gestellten liquiden Mitteln, sondern vielmehr die Zusicherung, gewisse „Filetstücke“ aus dem Portfolio vor oder während der Restrukturierung exklusiv zu einem möglichst günstigen Preis herauslösen zu können. Wie solche Zusicherungen vor Bewilligung einer Stundung rechtlich verbindlich abgegeben werden können, ist fraglich. Immerhin besteht wie gesehen102 während der Stundung die Möglichkeit, rechtssicher und anfechtungsresistent Immobilien auf Dritte zu übertragen, wenn das Nachlassgericht oder ein allfälliger Gläubigerausschuss dem zustimmen. Die Zustimmung dürfte immer dann erteilt werden, wenn die Veräusserung der Immobilie der Sanierung förderlich ist und der Veräusserungspreis den Gesamtumständen entsprechend angemessen ist. Bei dieser Angemessenheitsprüfung kann durchaus in Betracht fallen, dass ein Käufer gleichzeitig die zusätzliche Liquidität103 für die Durchführung einer

100

Zu Deutsch: Unternehmensengel. Darunter wird meist ein Investor verstanden, der Gründer von Unternehmen zu einem sehr frühen Zeitpunkt mit Kapital und/oder Kontakten, Know How usw. unterstützt, obwohl noch in keiner Weise verlässlich vorausgesehen werden kann, ob die Geschäftsidee erfolgreich sein wird. Das Risiko der Investition ist entsprechend sehr hoch. So auch die Gewinnerwartung bei einer erfolgreichen Transaktion.

101

Zu Deutsch: Immobilienengel.

102

Siehe oben, IV.3.c)cc)ccc).

103

Der Verkauf allein bringt zwar auch Liquidität, aber angesichts der unklaren finanziellen Verhältnisse hinsichtlich der Belehnung und insb. auch hinsichtlich allfälliger Steuerfolgen, die durch die Transaktion ausgelöst werden (vgl. hierzu statt vieler CALEFF [FN 1], Ziff. III.) ist eine Liquiditätsplanung, die ausschliesslich auf Devestitionen basiert, nicht verlässlich. Zusätzliche „cash in“ Liquidität erhöht demgegenüber die Planungssicherheit erheblich.

164

Die Sanierung von Immobiliengesellschaften

gesamthaften Sanierung zur Verfügung stellt. Je nachdem könnte bei der Bewilligung eines eher günstigen Verkaufspreises berücksichtigt werden, dass die Überbrückungsfinanzierung durch den Käufer (teilweise) mit einem Rangrücktritt versehen wird, er mit anderen Worten also zu Gunsten der ungesicherten Gläubiger auf sein Superprivileg104 verzichtet.

V.

Zusammenfassung und Schlussbemerkung

Die Nachlassstundung bietet auch bei der Sanierung von Immobiliengesellschaften gegenüber dem Konkursaufschub viele Vorteile. Namentlich die Möglichkeit, Liegenschaften während des Stundungsverfahrens rechtssicher und anfechtungsresistent zu verkaufen bzw. in eine neue Auffanggesellschaft umzuschichten, macht eine Restrukturierung überhaupt erst möglich. Die formellen und materiellen Anforderungen an das Gesuch um Bewilligung der provisorischen Stundung sind sehr tief, was in einer Sanierungssituation entscheidend ist, da regelmässig die Zeit knapp und die Informationsbasis lückenhaft ist. Zwischenabschlüsse, Liquiditätsanalysen und Sanierungspläne sind lediglich vorläufiger Natur und für ein Gesuch um Konkursaufschub gar nicht geeignet. Sofern also eine Veröffentlichung des Verfahrens nicht zwingend länger als vier Monate unterbleiben muss, gibt es wenig Gründe, den Konkursaufschub einer Nachlassstundung vorzuziehen105. Indessen bewirkt die Schuldenstruktur einer Immobiliengesellschaft auch erhebliche Nachteile bei der Nachlassstundung. Die Hauptgläubiger, namentlich die Banken und Pensionskassen, sind in der Regel grundpfandgesichert und haben normalerweise wenig Veranlassung, einen Restrukturierungsplan zu unterstützen. Solchen Gläubigern könnte lediglich in Aussicht gestellt werden, dass während der Nachlassstundung ihre Finanzierungsverträge gekündigt werden, und die dadurch ausgelöste Entschädigung u.U. nicht pfandgesichert ist, selbst wenn in den Verträgen etwas Anderes geregelt ist. Nach geltendem Recht kann aber ein Grundpfandgläubiger selbst im Falle einer bewilligten (provisorischen) Nachlassstundung die Betreibung auf

104

Siehe oben, IV.3.c)cc)bbb).

105

Grundsätzlich gl.M. LORANDI, Nachlassstundung (FN 49), 50.

165

Georg J. Wohl

Pfandverwertung einleiten bzw. fortsetzen, was er spätestens bei Veröffentlichung der Nachlassstundung regelmässig auch tun wird. Bei Immobiliengesellschaften kann dies umgehend zur Illiquidität führen, da das Betreibungsamt auf Gesuch des Gläubigers hin auch die Mieterträgnisse sichert und die Verwaltung der Liegenschaft übernimmt bzw. auf Kosten des Schuldners an einen Dritten delegiert. Die Liquidität während des Sanierungs- bzw. Stundungsverfahrens muss deshalb von dritter Seite stammen, d.h. entweder von den Aktionären selbst oder von Investoren. Solche Investoren existieren tatsächlich und lassen sich angesichts der Möglichkeit, während einer Nachlassstundung rechtssicher und anfechtungsresistent Liegenschaften zu erwerben, auch auf einen Überberückungskredit ein. Nach dem Gesagten stellt sich jedenfalls die Frage, ob die Benachteiligung von Immobiliengesellschaften hinsichtlich der Stundungswirkungen, namentlich wegen des fehlenden Betreibungsstopps bei pfandgesicherten Forderungen und der Erweiterung der Pfandhaft, gerechtfertigt ist. Im vorliegend diskutierten Fallbeispiel stellte dies jedenfalls die grösste Hürde dar und verunmöglichte schliesslich eine nachhaltige Sanierung. Vielleicht lassen sich im Zuge einer späteren Gesetzesrevision Vorkehrungen ins Gesetz aufnehmen, die hinsichtlich pfandgesicherter Schulden flexiblere Sanierungsmöglichkeiten erlauben, ohne dass die Rechte der Pfandgläubiger materiell aufgeweicht werden.

166