Theater um das Theater. Ein Rückblick heute

Theater um das Theater. Ein Rückblick 2005 - heute Am 6. April 2005 trat Roland Methling das Amt als Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock an. In s...
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Theater um das Theater. Ein Rückblick 2005 - heute Am 6. April 2005 trat Roland Methling das Amt als Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock an. In seinem Wahlprogramm „Klar Schiff für Rostocks Zukunft“ hieß es zum Thema Theater: „Ein Theaterneubau erfordert die bisher umgangene Diskussion zu Prioritäten der Stadtentwicklung und eine verstärkte Suche nach EU-, Bundes- und Landesfördermitteln, sowie eine klare Theaterkonzeption des Landes. Anzustreben ist eine Verbindung von 4-Sparten-Theater, freier Kulturszene und kulturnahem Gewerbe auf einem räumlich ausreichenden Gelände um Synergien zu ermöglichen.“ Im Sommer 2005 wollte Roland Methling den Vertrag von Intendant Steffen Piontek nicht verlängern, nachdem dieser mit der zuständigen Senatorin bereits ausgehandelt war. Piontek hatte sich im Wahlkampf für Kultursenatorin Ida Schillen als neue OB ausgesprochen und mehrfach darauf verwiesen, dass eine Kürzung des Theateretats um vier Millionen, wie es dem OB nach seiner Wahl vorschwebte, nicht möglich sei, wenn die Stadt ein Vier-Sparten-Haus erhalten wolle. Vier Fraktionen (SPD, CDU, FDP, Bündnis 90) begannen unter dem Mantel der Vertragsdebatte das Spiel mit zu spielen, obwohl es ihnen um eine Strukturdebatte ging. Schlussendlich stimmten OB und Hauptausschuss doch noch den Intendantenverlängerung zu. Mit der monatelangen Debatte um das Haus wurde erstmals ein Negativimage publik. 2006 versuchte Roland Methling erneut Einsparungen durchzusetzen. Grundlage war diesmal eine überörtliche Prüfung des Landesrechnungshofes zu den Theatern in M-V, unter Einbindung der Firma VEBERAS. Eine Fusion der Theater von Rostock und Schwerin hieß das neue Zauberwort, das die Gemüter erhitzte, sowohl im künstlerischen als auch politischen Raum. Die Fusion fand keine politische Mehrheit und war auch betriebswirtschaftlich umstritten. Im März 2007 legte Roland Methling der Bürgerschaft die Kündigung von Intendant Piontek zur Entscheidung auf den Tisch. Die gegen den Theaterchef erhobenen Vorwürfe erwiesen sich als haltlos, so dass die Kündigung scheiterte. Bereits zu diesem Zeitpunkt war Generalmusikdirektor Peter Leonard als Nachfolger vorgesehen, gegen dessen Vertragsverlängerung sich wenig später das Orchester aussprach. Leonard hatte vor allem im Kinder- und Jugendbereich Erfolge erzielt und war offensiver auf das Publikum zugegangen. Umstritten war seine künstlerische Leistung. Ein Jahr später, im Mai 2008, legte die Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bühnenverein eine Studie über acht Sparten- und Sparvarianten vor. Das fundierte Papier kam aber nicht zu dem erhofften Ergebnis, denn es zeigte auf, dass eine Einsparung von Ballett und Schauspiel finanziell wenig Effekt bringen würde, da die Kostentreiber Chor und Orchester seien. Gerade Letzteres sollte aber nicht aufgegeben werden. Der OB plädierte ab nun für die Rückstufung des A-Orchesters auf B-Niveau und damit langfristig für eine Absenkung der künstlerischen Qualität der Norddeutschen Philharmonie. Entgegen der Ergebnisse der Studie veranlasste Roland Methling im Juli 2008 die Planung der Schließung zweier Sparten. Dran glauben sollten das Musiktheater mit dem Chor sowie das Ballett. Insgesamt träumte der OB von einer Einsparung in Höhe

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von 4 Millionen Euro. Dabei spielte es keine Rolle, dass bei Wegfall des Musiktheaters (Oper, Operette) das Orchester zu ca. 50-60 % unterbeschäftigt wäre, bei voller Bezahlung. Methlings Konzeptanweisung hieß unbeirrt: Theater mit Schauspiel und Orchester bei Abstufung auf ein B-Orchester. Bei derartigen Plänen störte natürlich Intendant und Operndirektor Piontek, der auf entsprechende Folgen hinwies. Ihm wurde im Juli 2008 ein Auflösungsvertrag mit einer Abfindung in Höhe von 300 TEUR angeboten. Die Trennung sollte, so eine vorbereitete Pressemitteilung, aufgrund „unüberbrückbarer Differenzen im Hinblick auf die Zukunft des Volkstheaters“ erfolgen. Streitpunkt war die Umwandlung des VTR in eine GmbH mit gleichzeitiger Reduzierung von städtischen Zuschüssen, die zu einem Ergebnis wie den Methling-Plänen geführt hätten. Nachdem sich Intendant Piontek „in einem Moment der Schwäche“, wie er später meinte, für das Angebot entschieden hatte, sandte Roland Methling Anfang August 2008 dennoch ein abendliches Fax mit einer sofortigen außerordentlichen Kündigung ab, selbstverständlich ohne vorherige Anhörung des Betroffenen oder Vorabinformation der Bürgerschaft. Der Hauptausschuss sollte die bereits ausgesprochene Kündigung nachträglich genehmigen und zugleich den Verwaltungsbereich mit Kay-Uwe Nissen (CDU) politisch besetzen und die künstlerische Leitung des Theaters an Peter Leonard übertragen - alles auf Dringlichkeitsantrag von Roland Methling und ohne Ausschreibung. Angesichts der zerrütteten Beziehung zwischen OB und Intendant folgten vier von sechs Fraktionen der Kündigung. Die Stellenbesetzungen künstlerischer und kaufmännischer Leiter (Leonard/Nissen) erfolgten trotz Umstrittenheit mit den Stimmen von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, wenn auch im Falle des kaufmännischen Geschäftsführers mit dem Zwischenspiel einer sehr kurzfristigen (Schein-) Ausschreibung in begrenzten Medien. Das Rostocker Sommertheater führte zu Negativschlagzeilen in der gesamten Bundesrepublik und zu erheblichen Abfindungszahlungen für Intendant Piontek und weitere Gekündigte. Von derselben politischen Mehrheit getragen ging Ende August 2008 die Verabschiedung eines Gesellschaftsvertrages für eine Theater GmbH über die Bühne. Allerdings fehlte eine mittelfristige Finanzabsicherung. Der neue künstlerische Leiter Peter Leonard musste somit genau da weitermachen, wo sein Vorgänger aufhörte: Beim Kampf um den Erhalt eines Vier-SpartenTheaters. Dies war seine Voraussetzung für die Postenübernahme. Und er erhielt zunächst all‘ das, was Piontek verwehrt wurde: Den Erhalt des Vier-Sparten-Theaters und eine mittelfristige finanzielle Absicherung durch Verträge im Rahmen der endgültigen GmbH-Bildung, die im Oktober 2008 beschlossen wurde. Doch seit der Aufführung von „Orpheus in der Unterwelt“ im Januar 2009 und der ganz und gar nicht positiven Rolle des Jupiter in Verkleidung als Oberbürgermeister sowie der zahlreichen kritischen Sätze über Rostocker Stadtverhältnisse konnte sich jeder, der Roland Methling näher kannte, ausrechnen, dass das vermeintlich gute Verhältnis zum neuen Intendanten einen Knacks erhalten würde. Roland Methling vergisst keine Kritik an seiner Person, auch nicht, wenn sie künstlerisch daher kommt. Im September 2009 lag das Eckpunktepapier des Landes für eine neue Theaterund Orchesterstruktur M-V auf dem Tisch. Es sah unter anderem vor, dass ein

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sogenannter Kulturkooperationsraum mit der Mecklenburgischen Staatstheater GmbH und dem Volkstheater Rostock sowie mit den Theatern Parchim und Wismar sowie Güstrow unter einer einheitlichen Intendanz gebildet werden soll. Die Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin sollte mit der Norddeutschen Philharmonie Rostock zu einem A-Orchester fusionieren. Noch in 2009 sollte ein abgestimmtes Konzept über die Weiterentwicklung der Theater- und Orchesterstrukturen in M-V von 2010 bis 2020 vorgelegt werden. Im Dezember 2009 beschlossen die Theater von Rostock und Wismar eine theaterpolitische und wirtschaftliche Kooperation ohne Aufgabe der Eigenständigkeit der beiden Häuser. Bis zum 1. Januar 2010 zog sich die Umsetzung der 2008 beschlossenen GmbHUmbildung des VTR hin. Erst Ende Januar 2010 beschloss die Bürgerschaft den Personalüberleitungsvertrag sowie eine Vorlage zur Zukunftssicherung, die von einem Vier-Sparten-Theater ausging. Die GmbH wurde jedoch auf Basis der Verwaltungsbeschlüsse mit Altlasten ins Leben gerufen und unterfinanziert ausgestattet: Die Stadt übertrug der neuen GmbH die Zahlung der seit 2008 ausstehenden Tariferhöhungen, ohne die entsprechenden Finanzmittel bereit zu stellen. Die Tariferhöhungen galten zudem auch für die Zukunft. Im September 2010 beschlossen die Theater von Rostock und Parchim eine Kooperation einzugehen, was beide Kommunalparlamente bestätigen. Ende 2010 kam es zu einer öffentlichen Debatte um den Finanzbedarf für das VTR. Die Debatte war insofern scheinheilig als der Tarifabschluss vor der GmbH-Bildung bekannt gewesen ist und die Zahlungen rechtlich nicht abweisbar waren. Die Stadt selbst hatte es versäumt, mit der GmbH-Bildung einen Haustarif abzuschließen. Hinzu kam eine mangelhafte Ausstattung der GmbH mit betriebswirtschaftlichem und Marketing Know-how. Das vorprogrammierte Finanzdesaster benötigte einen Schwarzen Peter. Den gab der kaufmännische Geschäftsführer Kay-Uwe Nissen gut ab, hatte er sich doch teilweise selbst überschätzt und gemeint, er können die Probleme ohne Hilfe von außen lösen. Als es zu spät war, durfte er im November 2010 gehen. Erneut zahlte die Stadt eine Abfindung. Und sie beauftragte die RVV die Finanzen aufzuarbeiten und einen neuen Wirtschaftsplan zu erstellen, selbstverständlich gegen Honorar. Jetzt war auf einmal auch benötigte Software vorhanden. Ebenfalls im November 2010 beschloss die Bürgerschaft die sofortige Offenlegung der „Ergebnisse des sich beim Amt für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Wirtschaft bereits in Arbeit befindlichen Standortsvergleiches für einen Theaterneubau in Rostock“ durch den OB sowie die Vorlage unterschiedlicher Finanzierungsmodelle und Fördermöglichkeiten für einen Theaterneubau bis April 2011. In das bereits bestehende Chaos hinein schloss OB Methling am 22. Februar 2011 das Große Haus, dargestellt als angeblich alternativlose Entscheidung. Mit dieser Spontanaktion (???) wurde weiterer Druck auf Bürgerschaft und Land ausgeübt, neue Finanzmittel zur Verfügung zu stellen und zugleich Kostensenkungen anzumahnen. Dabei hatte die Stadt selbst versäumt, fristgerecht Widerspruch gegen die Kürzung von FAG- Landesmitteln einzulegen. Während andere Theater

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versuchten sich gerichtlich Zahlungen zu erkämpfen, betrachtete das Land das Rostocker Dilemma als selbst verschuldet. Die Bürgerschaft musste immer wieder Geld nachschießen, denn eine Insolvenz hätte nichts gebracht, da die Mitarbeiter der GmbH ein Rückkehrrecht an die Stadt haben, aufgrund des Überleitungsvertrages. Als Schwarze Peter suchte sich Roland Methling die Kultursenatorin und Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Liane Melzer, den Aufsichtsrat und den Intendanten Peter Leonard aus. Das ihm unterstehende und für die GmbH zuständige Beteiligungscontrolling und seine eigene Verantwortung erwähnte der OB mit keiner Silbe. Und von einer moderierenden, auf Teamarbeit orientierten Lösungssuche ist seitens Roland Methling auch nichts zu erkennen gewesen. Vielmehr ging es in jenen Tagen wie immer um Schuldzuweisungen und Kulturabbau. Im Hintergrund geisterte immer noch eine alte OB-Vorstellung von einem Theater, das durch vier Sparten bespielt wird, also der Abschied vom Stadttheater. Bereits im März 2011 stellte Roland Methling öffentlich die Frage, ob sich Rostock ein VierSparten-Theater leisten könne. An dieser Frage mache er den Theaterneubau fest. Die Bürgerschaft wiederum forderte im März 2011 den OB auf, den Fraktionen unverzüglich die Ergebnisse des geforderten Standortvergleiches für einen Theaterneubau und entsprechende Finanzierungsmodelle zur Verfügung zu stellen, ebenso wie die Vorstellung der Ergebnisse in der Öffentlichkeit. Des Weiteren wurde der OB beauftragt, eine Kostengegenüberstellung zwischen der Ertüchtigung des Großen Hauses einerseits und der Nutzung alternativer Spielorte für den Zeitraum bis zur Realisierung eines Theaterneubaus andererseits vorzulegen. Das Stadtparlament wurde das ganze Frühjahr 2011 unter Druck gesetzt, die Halle 207 langfristig anzumieten (bis zum Neubau eines Theaters) oder gar zu kaufen. Darauf liefen erwartungsgemäß auch eine vom OB beauftragte Studie der RVV im April und deren Bewertung durch die Stadtverwaltung im Mai hinaus, die auf einem öffentlichen Forum vorgestellt wurden. Die Halle befand sich seit Herbst 2010 in Trägerschaft des Vereins Tradition Ostseeschifffahrt, dessen Vorsitzender laut Presse OB Roland Methling war. Die Nichtzustimmung zu einem Langfristvertrag durch den kaufmännischen Geschäftsführer Kay-Uwe Nissen war vermutlich ebenfalls ein Baustein im Szenario seines Rauswurfs. Die Sommerbespielung an diesem Ort hatte sich weder beim Zuschauerzuwachs noch betriebswirtschaftlich gerechnet. Aber das Haus war ja nun geschlossen. Insbesondere die Recherchen vom Rostocker Bund zu Verflechtungen um die Halle 207 führten dazu, dass die Bürgerschaft keine Langfristanmietung und keinen Kauf vornahm. Im Mai 2011 stimmt die Bürgerschaft der Brandschutz-Ertüchtigung des Großen Hauses zu. Die Übertragung der Immobilie an den KOE soll geprüft werden. Zum Theaterneubau wird ein weitreichender Beschluss gefasst: Bis September soll ein Konzept für die zukünftige inhaltliche und finanzielle Ausrichtung des Volkstheaters Rostock für den Zeitraum 2011-2016 auf den Tisch. Auf der Grundlage des inhaltlichen Konzeptes sollen die Bauvarianten an der Fischerbastion, am Christinenhafen sowie am Rosengarten finanziell untersetzt werden. Für den Raum Christinenhafen/Am Bussebart soll zusätzlich ein Wettbewerb zur Einordnung eines Theaterneubaus mit Darstellung der städtebaulichen Auswirkungen erfolgen. Spätestens im Juli 2011 wurden erhöhte Kosten der Brandschutzsanierung bekannt, verursacht zu einen durch die Bausubstanz, zum anderen durch hohe

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Brandschutzauflagen. Die Bürgerschaft stellte nach einigem Hin und Her und öffentlichen Schuldzuweisungen des Oberbürgermeisters an die Senatorin und Aufsichtsratsvorsitzende die Mittel zur Verfügung. Das monatelange öffentliche Schlechtreden des Theaters führte Ende Juli zu Protestaktionen der Mitarbeiter. Im Sommer 2011 gab es eine regelrechte Kampagne gegen die Kultursenatorin, verbunden mit der Forderung nach ihrem Rücktritt als Vorsitzende des Aufsichtsrates des VTR. Im August 2011 nahm der kaufmännische Geschäftsführer Stefan Rosinski seine Arbeit auf. Bereits im September griff ihn der OB mit haltlosen Vorwürfen per Pressemitteilung an. Entgegen den Erwartungen zog der Aufsichtsrat im September 2011 keine Konsequenzen aus Vergaberechtsproblemen bei der Anmietung der Halle 207 (Vergabe der Schallschutzsanierung ohne Vergleichsangebote) sowie bei der Anmietung eines Ersatzzeltes. Waren im Vorfeld viele von einer evtl. außerordentlichen Kündigung des Intendanten ausgegangen, passierte am Ende gar nichts. Offensichtlich hatte der Intendant seine Entscheidungen doch mit der RVV abgesprochen bzw. Rückendeckung erhalten. Noch zu diesem Zeitpunkt sprach sich der Intendant für eine weitere Anmietung der Halle 207 aus, obwohl dies betriebswirtschaftlich keinen Sinn machte. Nach der Landtagswahl vereinbarten die Schweriner Koalitionäre im Oktober 2011 das Ende des Kulturraumkonzeptes und eine Millionen-Soforthilfe für das Schweriner Theater, das Vier Sparten behalten solle. Eine generelle finanzielle Unterstützung für den Theaterneubau in Rostock wurde an Strukturveränderungen gebunden. Die Norddeutsche Philharmonie solle mit Schwerin eine Holding eingehen. Dies kam den Bestrebungen von OB Methling entgegen, so dass es seinerseits keinen öffentlichen Protest gab. Im November 2011 legten beide Geschäftsführer der VTR GmbH ein Unternehmenskonzept vor, konkret betriebswirtschaftliche Modellrechnungen. Sie kamen zu dem Schluss, dass ein Haustarif die beste Lösung für aktuelle Finanzprobleme sei. Während des OB-Wahlkampfes im Januar und Februar 2012 tendierte der spätere OB Roland Methling zu einem von vier Sparten bespielten Theater. Alle weiteren Bewerber standen zu einem Vier-Sparten-Ensembletheater. Roland Methling sprach sich für ein neues Theater im Stadthafen aus, gebaut für ca. 45 Mio. Euro, in Verbindung mit einem Museumsneubau. Nach der Wahl erklärte Roland Methling gegenüber der SUPERillu (Ausgabe vom 16.02.12), dass er den Theaterneubau erst dann realisieren wolle, wenn die derzeit noch 150 Millionen Euro Kontokorrent-Kredite der Stadt getilgt sind (http://www.mvpo.com/index.php?id=56&tx_ttnews[tt_news]=11880&cHash=8aed 92ed1ea8c10e126e4fe21a911bf0). Eine solche Vorbedingung zum Neubau des Theaters hat der Amtsinhaber im Wahlkampf nicht erwähnt. Die Vorbedingung lässt die Umsetzung des Ziels bis zum geplanten Baubeginn in 2015 als absolut unrealistisch erscheinen.

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Im April 2012 legte Intendant Peter Leonard ein Künstlerisches und Inhaltliches Konzept für das Volkstheater vor, das Ende des Monats seitens der Kultursenatorin ergänzt wurde um Gedanken zu einer Theaterkonzeption 2018 - „Rostocker Theater Spiel des Lebens für alle und Ort öffentlich geübter Zeitgenossenschaft“ – Das Volkstheater Rostock im 21. Jahrhundert“. Beide Konzepte nimmt die Bürgerschaft im Juni in Form von Informationsvorlagen zur Kenntnis. Anfang Mai 2012 schloss der Aufsichtsrat de facto eine Vertragsverlängerung für Intendant Peter Leonard aus und empfahl die Neuausschreibung der Stelle. Am Folgetag erklärte der Intendant öffentlich, dass er nicht in Rostock bleiben werde. Im Mai 2012 erfolgte seitens des kaufmännischen Geschäftsführers Stefan Rosinski die Vorlage einer „Konzeption Theaterneubau in der Hansestadt Rostock“, die im Juni seitens der Bürgerschaft als Grundlage für die weitere Arbeit beschlossen wurde. Der geplante Neubau ist auf ein Vier-Sparten-Theater mit eigenem Ensemble ausgelegt. Ende Juni 2012 gibt Peter Leonard bekannt, dass Cornelia Crombholz ab Juni 2013 neue Schauspieldirektorin sein wird. Der Intendant hatte auf eine Ausschreibung der Stelle verzichtet. Die neue Direktorin erklärte in der Presse: „Ich werde in den nächsten Monaten häufig im Stadttheater sein, um die Schauspieler kennenzulernen und ihre Leistungen bewerten zu können, Premieren beizuwohnen, Spielpläne des Theaterbetriebs zu studieren.“ Die ungeregelten Verhältnisse störten sie nicht. Leonard sah die Berufung als Mittel zur Verbesserung des Klimas am Hause. Im Juli 2012 legte der Hauptausschuss das Procedere für die Suche nach einem neuen Intendanten fest, die unter Leitung des Oberbürgermeisters mittels einer Findungskommission erfolgen soll. Ende des Monats übergab die Verwaltung den Entwurf einer Stellenausschreibung an die Fraktionen mit der Bitte um Rückmeldung binnen dreier Tage. Auf Nachfrage erhielten die Fraktionen Aufschub. Am 9. August 2012 ging an die Personalverwaltung des Rathauses die von Fraktionen gemeinsam überarbeitete Stellenausschreibung, die bereits mit den Geschäftsführern des Theaters abgestimmt war und kurze Zeit später auch die Zustimmung der Aufsichtsratsvorsitzenden und Kultursenatorin fand. Als Bewerbungsfrist war der 15.11. vorgesehen. Am 25. September 2012 stellte Bildungsminister Mathias Brodkorb eine Studie zur künftigen Theaterlandschaft M-V vor. Sieben von neun Modellen bedeuten Fusionen von Theatern, nur zwei Modelle gewähren Eigenständigkeit. Da die Zuschüsse des Landes, die seit 1994 eingefroren sind, nicht erhöht werden, stellt das Konzept insgesamt einen weiteren Kulturabbau in M-V dar, der lediglich besser verwaltet werden soll. Am 26. September 2012 beantragte die Fraktion des Oberbürgermeisters UFR die Liquidation der Volkstheater Rostock GmbH und Zurückführung des Hauses in ein Amt. Die Bürgerschaft lehnte dies im Oktober einhellig ab. Anfang Oktober 2012 erklärte der OB, die Stellenausschreibung für den Intendanten gehe in ca. zwei Wochen raus, da es noch offene Fragen gäbe.

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Mitte Oktober 2012 erklärte Intendant Peter Leonard, zunächst hausintern und dann auch öffentlich, dass er sich vorstellen könne in Rostock als Intendant zu bleiben. Zugleich sprach er zahlreiche Nichtverlängerungen von Verträgen im Schauspiel aus, darunter auch von Erstverträgen. Es ist zwar normal, dass sich neue Schauspieldirektoren ihr eigenes Ensemble zusammenstellen, aber offensichtlich hat es gar keine „Begutachtung“ der Künstler gegeben. Und angesichts der finanziellen Situation ist eine Wiederbesetzung kein Automatismus. Das Klima im Hause ist durch diese Entscheidung weiter verschlechtert worden. Ende Oktober 2012 behauptete der OB, der Ausschreibungstext würde auf dem Tisch der Präsidentin liegen, was völlig unverständlich war. Bis dato ist die Stelle nicht ausgeschrieben. Am 23. Oktober 2012 erklärte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass sie sich (lediglich) ein starkes Schauspiel wünsche sowie eine Mecklenburgische Staatsoper in Landesträgerschaft. Ausführungen zum Erhalt von Norddeutscher Philharmonie und Ballett gibt es nicht. Damit trennt sich die erste Fraktion von der Eigenständigkeit des Rostocker Theaters. Auch der Theaterneubau fällt entsprechend kleiner aus. Die Fraktion hatte allerdings dem Neubaukonzept im Juni auch nicht zugestimmt. Die Landtagsfraktion hingegen lehnte das Vorgehen des Ministers komplett ab: http:// gruene-fraktion-mv.de/startseite/volltext-startseite/article/2582012_ theatermodelle_verschleiern_die_entscheidung_fuer_kulturabbau. Am selben Tage erklärte der Oberbürgermeister gegenüber den NNN, dass er für ein eigenständiges Zwei-Sparten-Theater mit einem Neubau am Christinenhafen stehe. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass in dieser Situation der Ballettmeister ebenfalls an diesem Tage bekannt gab, er werde nur noch diese Spielzeit in Rostock bleiben. ----------------------------------------------------------------------------------------------Als Fazit kann Folgendes festgehalten werden: Die Bürgerschaft hat bis dato alle erforderlichen Beschlüsse gefasst, die seitens des Oberbürgermeisters zügig umzusetzen wären. Dieser verfolgt jedoch eine ganz andere „Theaterpolitik“, so dass mit weiteren Verzögerungen und politischen Auseinandersetzungen zu rechnen ist. Sowohl für den Bildungsminister als auch das Rostocker Stadtoberhaupt gelten meines Erachtens noch immer zwei Fragen, die der Kulturredakteur der OstseeZeitung Dietrich Pätzold bereits am 29. Juli 2008 stellte: Wie stoppt man einen Regierenden ohne Übersicht? Und wie verbessert man das Klima in einer Stadt, in der Kultur permanent nur als Kosten-Problem diskutiert wird? Dr. Sybille Bachmann 24.10.2012

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