Projektarbeit „Vianden im Mittelalter“

Hiermit erkläre ich, Jessica Wilmes, dass ich die vorliegende Arbeit mit eigenen Mitteln geschrieben habe.

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WILMES JESSICA CANDIDATE AU LYCÉE JOSY BARTHEL - MAMER

Projektarbeit „Vianden im Mittelalter“ Lernen vor Ort anhand eines Fallbeispiels Ausarbeitung einer pädagogischen Rallye sowie einer Arbeitsmappe für Burg und Stadt Vianden

LJBM 2014 3

Zusammenfassung In dieser Arbeit werde ich ein von mir entwickeltes Konzept für eine Projektarbeit um und in Vianden vorstellen. Besagte Projektarbeit umfasst eine pädagogische Rallye für Burg und Ortschaft Vianden sowie eine Arbeitsmappe („Dossier pédagogique“) zur Vor- bzw. Nachbearbeitung dieser Rallye. Diese Projektarbeit wurde speziell auf 6e- und 8e-Schüler abgestimmt und orientiert sich an dem vom Bildungsministerium für diese Jahrgänge festgelegten Programm im Fach Geschichte. Das Projekt soll den Schülern eine authentische Begegnung mit dem Lerngegenstand an einem außerschulischen Lernort ermöglichen. Den Jugendlichen soll die Möglichkeit geboten werden, selbst zum Forscher zu werden und mithilfe von gesammelten Informationen einen realitätsnahen Einblick in eine bisher unbekannte Welt zu erlangen. Ich verspreche mir von dieser etwas anderen Herangehensweise ein motivationssteigerndes und nachhaltigeres Lernen gegenüber dem rein traditionellen Unterricht, wobei das Erwerben der vom Bildungsministerium vorgeschriebenen Sachkenntnisse und Kompetenzen immer noch erste Priorität hat. Ich selbst habe das Projekt auf einer 8e und zum Teil auch auf einer 6e ausprobiert, während andere Lehrer aus verschiedenen Schulen des Landes so hilfsbereit waren, die Arbeitsmappe in unterschiedlichen Formen ebenfalls auf ihren Klassen zu testen. Folgende Arbeit werde ich mit ein paar Grundüberlegungen zu außerschulischen Lernorten sowie den hier angewandten Lernmethoden einleiten. In einem zweiten Teil werde ich mich dann den Zielsetzungen, Inhalt und Struktur der Arbeitsmappe widmen, um im dritten und letzten Teil meiner Arbeit Zielsetzungen und Organisation der pädagogischen Rallye genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich werde in den beiden letzten Teilen nach Klärung der Rahmenbedingungen ebenfalls den tatsächlichen Ablauf der Projektarbeit sowie deren Ergebnisse dokumentieren. Ziel sei es anhand des Fallbeispiels Vianden zu zeigen, inwieweit Lernen an außerschulischen Lernorten für den traditionellen Unterricht förderlich sein kann, welche Formen es annehmen kann und welche Herausforderungen es stellt bzw. welche Perspektiven es eröffnet.

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Inhalt 1.

Grundsätzliche Überlegungen zum Konzept einer Projektarbeit über Vianden

1.1 Lernort Vianden

9

9

1.1.1 Charakteristiken eines außerschulischen Lernorts

9

1.1.2 Herausforderungen und Vorzüge des Lernens an außerschulischen Lernorten 10 1.1.3 Was Vianden zu einem exemplarischen „außerschulischen Lernort“ macht

1.2 Schulpädagogik an außerschulischen Lernorten

11

13

1.2.1 Bildungsauftrag und Vermittlungsfunktion von außerschulischen Lernorten 13 1.2.2 „Schulpädagogik im Museum“ versus „Museumspädagogik“

1.3 An außerschulischen Lernorten angewandte Lernmethoden und Lernziele

2.

15

18

1.3.1 Eine realitätsnahe und authentische Begegnung mit dem „Original“

18

1.3.2 Ein ganzheitliches Lernen mit allen Sinnen

20

1.3.3 Ein forschendes und entdeckendes Lernen

21

1.3.4 Ein handlungsorientierter Unterricht

22

1.3.5 Ein autonomes projektorientiertes Lernen

23

1.3.6 Eine motivationssteigernde Lernumgebung

24

1.3.7 Die sozialen Kompetenzen der Schüler fördern

25

1.3.8 Ein nachhaltigeres Lernen

26

Zur Arbeitsmappe „Vianden im Mittelalter“

29

2.1 Rahmenbedingungen

29

2.1.1 Ort und Zeitrahmen

29

2.1.2 Präsentation der beiden Klassen

29

2.2 Zielsetzungen

31

2.2.1 Die notwendige Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Rallye in

5

Vianden

31

2.2.2 Ein themenorientierter Kompetenz-Unterricht im Rahmen des vorgeschriebenen Bildungsprogramms

32

2.2.3 Die Arbeitsmappe als Lernweg-Portfolio im differenzierten Unterricht

34

2.2.4 Eine Gelegenheit zur formativen Bewertung

36

2.2.5 Ein Instrument zur Förderung autonomen Lernens

40

2.3 Zur Erstellung der Arbeitsmappe

42

2.3.1 Inhalt

42

2.3.2 Struktur

45

2.3.3 Bewertung

46

2.4 Ablauf und Ergebnisse des Projekts

49

2.4.1 Überlegungen zur Aussagekraft der Quellen

49

2.4.2 Motivation und Arbeitseifer der Schüler

50

2.4.3 Ein verantwortungsvolles und selbständiges Lernen

56

2.4.4 Lernweg-Portfolio und formative Bewertung als Instrumente differenzierten Unterrichtens

63

2.4.5 Der Erwerb von Sachkenntnissen und Kompetenzen im Sinne des vorgeschriebenen Bildungsprogramms

3.

69

2.4.6 Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Rallye in Vianden

70

Zur pädagogischen Rallye in Vianden

73

3.1 Rahmenbedingungen

73

3.1.1 Die Notwendigkeit der Entwicklung eines schulpädagogischen Angebots vor Ort

73

3.1.2 Natur und Aufbau der Rallye

74

3.1.3 Geplante und realisierte Rallyes

76

3.2 Zielsetzungen

77

3.2.1 Wissenserwerb und Kompetenzen-Training im Sinne des offiziellen Lehrplans

77

3.2.2 Ein an den Schüler angepasster Schwierigkeitsgrad der Arbeitsaufträge 6

78

3.2.3 Das mittelalterliche Vianden in seiner Ganzheit entdecken

79

3.2.4 Die Sicherheit der Schüler gewährleisten

79

3.3 Ablauf und Ergebnisse der Rallye

80

3.3.1 Beurteilung der Kohärenz zwischen Zielsetzungen und Ergebnissen der Rallye aus persönlicher Sicht

80

3.3.2 Mögliche Gründe für die Motivation der Schüler

82

3.3.3 Die Umsetzbarkeit der einzelnen Arbeitsaufträge

82

3.3.4 Die Rolle des Lehrers

83

Schlussfolgerung

85

Danksagungen

87

Quellenverzeichnis

88

Anhang

92

7

8

1. Grundsätzliche Überlegungen zum Konzept einer Projektarbeit über Vianden

1.1 Lernort Vianden 1.1.1 Charakteristiken eines außerschulischen Lernorts Zentraler Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist der „außerschulische Lernort“ Vianden. Doch was versteht man überhaupt unter diesem Konzept?

Tatsächlich wird der Begriff „außerschulischer Lernort“ in der gängigen Fachliteratur bis heute verschieden definiert. 1977 hielt die Deutsche Bildungskommission beispielsweise noch fest, unter dem Begriff Lernort sei „eine im Rahmen des öffentlichen Bildungswesens anerkannte Einrichtung […], die Lernangebote organisiert“1 zu verstehen. Mit der Institutionalisierung immer weiterer Einrichtungen, in denen Lernprozesse stattfinden können, hat sich die Spannbreite des Begriffs in den letzten Jahrzehnten jedoch zusehends vergrößert. So sprechen Messmer, von Niederhäusern, Rempfler und Wilhelm 2011 weitaus weniger restriktiv von „Orte[n] außerhalb des Schulhauses, an denen Personen […] lernen können“. Sie präzisieren gleichzeitig: „Außerschulische Lernorte lassen sich weiter nach dem Grad der methodisch-didaktischen Aufbereitung unterscheiden. Die Spannbreite reicht von fehlender

1

Zit. nach: GAEDTKE-ECKARDT, Dagmar-Beatrice, Außerschulische Lernorte, Studenten schreiben für Studenten und Referendare, Verlag Franzbecker, Hildesheim, 2007, S.21

9

Didaktisierung (bspw. Altstadt, Wirtschaftsbetrieb) bis zu Lernorten, die eigens für das Lernen geschaffen werden (Science Center, Lehrpfad, Lernlabor etc.).“2. Dabei hat Gaedtke-Eckart schon 2007 geschrieben: „Der Begriff außerschulischer Lernort lässt eine Begrenzung nicht zu. […] Es handelt sich um einen Ort außerhalb der Schule, näher eingegrenzt nur dadurch, dass an dem Ort gelernt werden soll. Gleichzeitig ist aber der Bezug zur Schule untrennbar gegeben. […] Das Lernen soll an Orten stattfinden, die außerhalb der Schule, aber innerhalb des Schulunterrichts liegen.“3. Laut Mayer (Wörterbuch Geschichtsdidaktik, 2009, S.28) gehören zu den historischen Lernorten sowohl Orte eines geschichtlichen Ereignisses (z.B. Ground Zero in New York) oder Orte geschichtlich bedeutsamer Strukturen (z.B. Überreste einer Burg, einer Stadtmauer) als auch Orte präsentierter/gedeuteter Geschichte (jegliche Art von historischen Museen)4.

1.1.2 Herausforderungen und Vorzüge des Lernens an außerschulischen Lernorten Welches Interesse kann ein Lehrer überhaupt daran haben mit einer Klasse einen außerschulischen Lernort aufzusuchen?

Der große Arbeitsaufwand, die Sorge darum das vorgesehene Programm nicht rechtzeitig abschließen zu können, Probleme des Stundenplans aber auch Finanzierungsprobleme halten viele Lehrer bisweilen vom Lernen vor Ort ab.

Dennoch scheinen sich die von mir im Laufe dieser Arbeit zitierten Fachpädagogen aufgrund zahlreicher erprobter Fallbeispiele einig zu sein, dass das Aufsuchen von außerschulischen Lernorten eine Reihe von Vorteilen gegenüber dem traditionellen Unterricht im Klassenzimmer aufweist. Sie heben folgende Faktoren als Grundsätze erfolgreichen Lernens an außerschulischen Lernorten ganz besonders hervor: 2

MESSMER, Kurt, VON NIEDERHÄUSERN, Raffael, REMPFLER, Armin, WILHELM, Markus (Hrsg.), Außerschulische Lernorte – Positionen aus Geographie, Geschichte und Naturwissenschaften, LIT Verlag, Münster, 2011, S.7 3 GAEDTKE-ECKARDT, Außerschulische Lernorte, S.24 4 MESSMER, VON NIEDERHÄUSERN, REMPFLER, WILHELM (Hrsg.), Außerschulische Lernorte, S.53

10

- eine abwechslungsreiche motivationssteigernde Atmosphäre an einem außerschulischen Lernort - ein realitätsnäheres authentischeres Lernen und Begreifen - ein ganzheitliches Lernen mit allen Sinnen - ein nachhaltigeres Lernen - ein erforschendes und entdeckendes Lernen - ein autonomes Lernen - die Förderung von sozialen Kompetenzen Ich werde mich im Kapitel 1.3 genauer mit den Bedingungen und Herausforderungen der eben genannten Faktoren befassen. Im zweiten und dritten Teil meiner Arbeit werde ich dann dokumentieren, ob, inwieweit und wieso ich diese Vorzüge außerschulischen Lernens im Rahmen meiner Projektarbeit nachweisen konnte oder eben nicht.

Ich möchte hier jedoch noch einmal klar hervorheben, dass eine Exkursion an einen außerschulischen Lernort (wie z.B. Vianden), so instruktiv sie auch sein mag, den traditionellen Unterricht keinesfalls ersetzen, sondern nur ergänzen und bereichern kann. Im Sinne Gaedtke-Eckardts „bieten [außerschulische Lernorte] die Gelegenheit, immer mal wieder die Anwendung des in der Schule Gelernten zu üben“5.

Ein Lernerfolg an außerschulischen Lernorten ist demnach nur möglich, wenn in einer effektiven Vorbereitung schon im Klassensaal die nötige Basis an Wissen und Kompetenzen geschaffen wurde (siehe ebenfalls Kapitel 1.3). Er ist jedoch auch von der Exemplarität des aufgesuchten Lernorts abhängig.

1.1.3 Was Vianden zu einem exemplarischen „außerschulischen Lernort“ macht Meiner Meinung nach birgt das kleine Örtchen Vianden an sich enorme Möglichkeiten einen beträchtlichen Teil des 6e- bzw. 8e-Programms im Fach Geschichte aufzugreifen.

5

GAEDTKE-ECKARDT, Außerschulische Lernorte, S.34

11

Man denke nur an die Burg (Aufbau, Funktion, Lage, Entwicklung im Laufe der Jahrhunderte, Alltagsleben auf der Burg, Ritterrüstungen und Waffen), die Trinitarierkirche (Rolle der Kirche und des Glaubens im Mittelalter, Ordensgeschichte, Reliquien- und Heiligenkult, sakrale Architektur), aber auch die Ortschaft ganz allgemein (Lage und Plan einer mittelalterlichen Stadt, Freiheitsbriefe, Entwicklung im Laufe der Zeit) sowie die Figur der Yolanda (Stellung der Frau in der mittelalterlichen Gesellschaft, Literatur und Sprache im Mittelalter am Beispiel des „Codex Mariendalensis“, Manuskripte und Skriptorien). Wir können demnach nicht leugnen, dass an diesem „Ort außerhalb des Schulhauses“ nicht nur gelernt werden kann (Kriterium von Messmer, von Niederhäusern, Rempfler und Wilhelm sowie von Gaedtke-Eckart), sondern dass Vianden zusätzliche Merkmale aufweist wie etwa „Realität“ und „Dauerhaftigkeit“, „Originalität“ und „Anschaulichkeit6“, die sowohl der Burg als auch der Ortschaft Vianden ein besonders großes geschichtsdidaktisches Potenzial verleihen.

Meinen persönlichen Erfahrungen nach, gibt es für Burg Vianden einige Touristenführer, die sich im Umgang mit Jugendlichen besonders verstehen und ihre geführten Rundgänge auch sehr gelungen an dieses Publikum anpassen. Davon abgesehen existiert jedoch für Vianden bisher kein offizielles pädagogisches Angebot, das spezifisch auf Schüler abgestimmt wäre. Es ist äußerst bedauernswert, dass das Potenzial eines solch exemplarischen Lernorts bis zum heutigen Tage noch nicht annähernd ausgeschöpft ist, dass dort also noch nicht ausreichend „Lernangebote organisiert“ sind (siehe Forderungen der Deutschen Bildungskommission von 1977).

Um dem entgegenzuwirken, bedarf dieser Lernort einer umfassenden theoretisch-didaktischen und empirischen Aufarbeitung in „Bezug zur Schule“ (siehe Gaedtke-Eckart). Da die bislang in der Burg angebrachten Schautafeln und ausgestellten Objekte heute alleine nicht mehr den neuesten Forschungsergebnissen standhalten und auch nicht mehr den Anforderungen eines sich im Laufe der Jahre wandelnden Publikums entsprechen, wurde schon in den letzten Jahren, in einer Zusammenarbeit zwischen der Universität Luxemburg und dem „Service des sites et monuments nationaux“, am Konzept eines neuen „Visitor's 6

HEUER, Christian, Historisches Lernen vor Ort – Skizzen für ein zeitgenössisches Bild vom außerschulischen historischen Lernen, in: MESSMER, VON NIEDERHÄUSERN, REMPFLER, WILHELM (Hrsg.), Außerschulische Lernorte, S.50

12

center“ für Burg Vianden gearbeitet. Somit ergeben sich ganz neue Möglichkeiten für die Ausarbeitung eines speziell auf Schulklassen abgestimmten Angebotes. Davon ausgehend, dass also für Lernort Vianden sowohl Bedarf wie auch Möglichkeiten ganz offensichtlich gegeben sind, werde ich in den kommenden Seiten versuchen einen Vorschlag für eine pädagogische Rallye in Vianden (mit dazu passender Arbeitsmappe) auszuarbeiten. Diese stützt sich zum Teil auf das gegenwärtige Ausstellungskonzept des „Visitor's center“ und ist als eine mögliche Ergänzung dessen zu betrachten.

Widmen wir uns also zuerst einmal der Frage nach der adäquaten Schulpädagogik an außerschulischen Lernorten.

1.2 Schulpädagogik an außerschulischen Lernorten 1.2.1 Bildungsauftrag und Vermittlungsfunktion von außerschulischen Lernorten Schon 1969 hielt die deutsche Kultusministerkonferenz in einem Beschluss fest: „ergänzen und begleiten [die Museen] die pädagogischen Bemühungen fast aller Bildungseinrichtungen durch unmittelbare Anschauung und schaffen durch die Begegnung mit den Zeugnissen der Kultur-

und

Kunstgeschichte,

der

Technik,

der

Natur

und

der

Heimatkunde

Orientierungsgrundlagen und Maßstäbe. In der Bewahrung von Erbe und Tradition, nicht zuletzt aber auch in der Vermittlung gegenwarts- und zukunftsbezogener Aspekte, schärfen die Museen unser Verständnis für die Welt und Umwelt; sie bereichern und vertiefen so das Wissen um unsere eigene Existenz“7. Aus dieser „Empfehlung zum Bildungsauftrag der Museen“ geht klar hervor, dass die wesentlichen Aufgaben eines Museums darin bestehen zu sammeln, aufzubewahren, zu erhalten, auszustellen aber auch zu forschen. Zweck und Ursache eines jeden Museums,

7

Zit. nach: VON FREYMANN, Thelma, Was ist und wozu dient Museumspädagogik?, in: VON FREYMANN, Thelma, GRÜNEWALD-STEIGER, Andreas (Hrsg.), Am Beispiel erklärt, Aufgaben und Wege der Museumspädagogik, Georg Olms Verlag, Hildesheim, 2004, S.34-35

13

eigentlich einer jeden Ausstellung, lägen demnach in dessen „Vermittlungsfunktion“ und „Bildungsauftrag“8.

Der Einfachheit zuliebe werde ich in diesem Kapitel immer wieder den Begriff „Museum“ benutzen, obwohl die entsprechenden Überlegungen auf jede Ausstellung und jeden pädagogischen Rundgang, also auch auf unsere Rallye in Vianden, zutreffen. Diese Rallye soll den Schülern nämlich - wie im Museum - eine direkte Begegnung mit authentischen Gegenständen in Burg und Ortschaft Vianden ermöglichen. Dies kann und soll zu einer besseren Veranschaulichung letzterer und durch ihr Erforschen und Analysieren schließlich auch zu einem tiefgründigen Begreifen durch die Schüler führen. Der Lernort Museum ist insofern unersetzlich, als dass er ein „Lernen mit den Sinnen“9 garantiert. Tatsächlich erwartet der Museumsbesucher vor allem etwas zu sehen (hören, tasten, riechen, …) bzw. etwas zu erleben.

Doch wie soll sich der Besucher an einem solchen Ort überhaupt fundiertes Wissen aneignen? Dabei ist das „wichtigste Medium der Vermittlung [...] zweifellos das Objekt selbst, jedoch ist kein Objekt von sich aus für den uneingeweihten Betrachter in seiner Aussagefähigkeit so 'sprechend', dass es für sich allein stehen könnte. Jedes Objekt bedarf der Erklärung durch das geschriebene [...] und/oder gesprochene [...] Wort. Daraus ergibt sich die grundsätzliche Forderung nach einerseits wissenschaftlich fundierter, korrekt und sachgerecht vorgebrachter Information, die andererseits aber auch interessant und allgemein verständlich aufbereitet sein sollte. Diese Information darf aber nicht so in den Vordergrund treten, dass das Objekt zur Nebensache oder reinen Illustration von Texten wird“10. Das Exponat ist also eine historische Quelle, deren Aussage sachkundiger Interpretation und für den Laien also auch der Vermittlung bedarf11 (durch Schildchen neben jedem Exponat, Tafeln neben ganzen Objektgruppen, Informationsblätter zum Mitnehmen, Arbeitsbögen, die zu selbsttätigem Entdecken des Museums anregen, Videobänder, Tonkassetten, Führungen, Ateliers, Vorführungen, usw.). 8

VON FREYMANN, Thelma, Was ist und wozu dient Museumspädagogik?, in: VON FREYMANN, GRÜNEWALD-STEIGER (Hrsg.), Am Beispiel erklärt, S.8/9 9 ebd., S.35 10 SCHMITZ, Bettina, Anspruch, Wunsch und Realität – unvereinbar?, in VON FREYMANN, GRÜNEWALDSTEIGER (Hrsg.), Am Beispiel erklärt, S.84 11 VON FREYMANN, Thelma, Was ist und wozu dient Museumspädagogik?, in: VON FREYMANN, GRÜNEWALD-STEIGER (Hrsg.), Am Beispiel erklärt, S.20

14

Dies wird am Beispiel des „Didaktischen Dreiecks“ verdeutlicht. Dieses Schema kann sowohl auf die Beziehung zwischen Lehrer, Schüler und Lerninhalt als auch im übertragenen Sinne auf die Relation zwischen Museumspädagoge, Museumsbesucher und Exponat angewandt werden12. Sache Museumspädagoge

Besucher

Für das Aufbereiten und Anbieten von Informationen sind zum großen Teil die Museumspädagogen verantwortlich. Ihre Vermittlungsarbeit kann jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn sie unterschiedliche Kriterien wie etwa angemessene Größe, Platzierung und Beleuchtung des Objekts sowie Schriftgrad und Inhalt an Information und dessen zielgruppengerechte Formulierung respektieren. Die Konzeption einer Ausstellung impliziert somit die Einhaltung wissenschaftlicher wie auch konservatorischer und ästhetischer Kriterien und wird damit zu einer pädagogischen Herausforderung. Aber auch der Lehrer, der diesen Lernort mit einer Klasse aufsucht, trägt eine gewisse Verantwortung für den Lernerfolg. Der Lernprozess sollte in den Schulstunden vorbereitet und weitergeführt und auch durch Erfolgskontrollen und Leistungsbeurteilungen evaluiert werden. Aber auch vor Ort sollte der Lehrer die Schüler in ihrem Lernprozess unterstützen, aber nicht indem er Antworten verrät, sondern indem er ihnen zusätzliche Hinweise gibt.

1.2.2 „Schulpädagogik im Museum“ versus „Museumspädagogik“ Wenngleich Museumspädagoge und Lehrer auch eine gewisse Vermittlungs- und Bildungsfunktion teilen, so verfolgen sie dabei nicht immer die gleichen Ziele und Methoden. Die

beiden

Konzepte

„Museumspädagogik“

und

„Schulpädagogik

im

Museum“

unterscheiden sich vor allem in folgenden Punkten:

12

VON FREYMANN, Thelma, Was ist und wozu dient Museumspädagogik?, in: VON FREYMANN, GRÜNEWALD-STEIGER (Hrsg.), Am Beispiel erklärt, S.14

15

- die Zielgruppe Museumsbesucher sind Menschen aller Altersstufen, die für gewöhnlich auf eigene Initiative hin den Lernort aufsuchen. Für Führungen bilden sie oft ad hoc Gruppen, die sich am Ende wieder auflösen. Da sie im Grunde ein relativ heterogenes Publikum darstellen, der Museumspädagoge seine Ausstellung also so gestaltet, dass er damit gleichzeitig so viele Menschen wie nur möglich ansprechen kann, gibt es bis heute in vielen Museen kein spezielles pädagogisches Angebot für Schulklassen. Eine Schulklasse setzt sich dagegen aus Jugendlichen einer bestimmten Altersklasse zusammen und zeichnet sich durch eine spezifische Gruppendynamik aus (da eine gewisse soziale Kohäsion schon gegeben ist), die die Lernprozesse erheblich beeinflusst. Die Schüler besuchen das Museum im Rahmen des Schulunterrichts, also nicht unbedingt „freiwillig“.

- die Lernziele und Lerninhalte Diese werden dem Lehrer durch die von der Programmkommission aufgesetzten Lehrpläne, an denen er sich orientieren soll, vorgegeben. Dagegen hat der Museumspädagoge oft eine größere Gestaltungsfreiheit, wenngleich er natürlich in seinen Konzepten der Philosophie seines Hauses gerecht werden soll und sein Vorhaben mit Fachwissenschaftlern abgestimmt werden muss. Während die Lehrkräfte oft damit zu kämpfen haben, ein umfangreiches Programm bis zu den Sommerferien durchzunehmen, befasst sich die Ausstellung oft detaillierter mit einem spezifischen Thema. Dem

Lehrer ergibt

sich die Möglichkeit

einer Vor- und Nachbereitung, dem

Museumspädagogen nicht.

- die Kenntnisse des Museumspädagogen bzw. des Lehrers Die Kenntnisse des Museumspädagogen/Museumsführers zu diesem spezifischen Thema gehen oft über die des Lehrers hinaus, der sich vor dem Besuch einer Ausstellung zuerst einmal die nötigen Informationen beschaffen muss. Eine gut ausgearbeitete Arbeitsmappe zur Ausstellung kann dem Lehrer dabei die Arbeit bedeutend vereinfachen.

- die Beziehung zwischen Museumsführer und Besuchergruppe bzw. Lehrer und Klasse Der Museumsführer sieht seine Gruppe wahrscheinlich zum ersten Mal und danach auch nie wieder. 16

Lehrer und Schüler kennen einander. Diese intensivere Beziehung, die über eine längere Zeit hinweg gewachsen ist, trägt alle Lehr- und Lernprozesse. Es beginnt schon damit, dass der Lehrer die Schüler beim Namen nennen kann. Er kennt womöglich Interessen, Stärken und Schwächen des Einzelnen und kann seinen Unterricht/die Exkursion darauf ausrichten. Der Museumsführer plant bestenfalls im Blick auf bestimmte Alters- bzw. Interessengruppen. Der Lehrer verfügt außerdem, im Gegensatz zum Museumsführer, über gewisse Druckmittel wie die Vergabe von Noten oder Strafen.

Die beträchtlichen Differenzen zwischen Zielsetzung und Methodik des Lehrers bzw. des Museumspädagogen wurden hier verdeutlicht. Daraus ergibt sich für den gewissenhaften Lehrer die Notwendigkeit Exkursion und Unterricht aneinander anzupassen, sofern er einen gezielten Lernerfolg garantieren will. Es reicht also nicht aus, dass er mit seinen Schülern einen bestimmten Lernort aufsucht und sich dann zurücklehnt, um sie ganz und gar sich selbst bzw. dem Museumsführer zu überlassen. Im Gegenteil scheint eine konstruktive und aufeinander abgestimmte Zusammenarbeit zwischen Schule und Museum also unbedingt notwendig, wenn man im Museum eine erfolgreiche Schulpädagogik durchsetzen will. Aus solch einer Kollaboration könnten beide Seiten ihren Nutzen ziehen. Den Schülern soll der Eindruck vermittelt werden, dass das Museum ein Ort ist, wo man etwas lernen kann, was außerdem noch Spaß macht. Kinder, die von Haus aus Museumsbesuche nicht kennen, können zu einem Interesse an solchen herangeführt und zu potenziellen zukünftigen freiwilligen Museumsbesuchern „ausgebildet“ werden. Ein Klassenausflug bietet für viele sozial benachteiligte Kinder also eine Chance, die ihnen ihr Elternhaus allein, sei es aus finanziellen Gründen oder aber auch aus mangelndem Interesse, kaum hätte bieten können. Den Kindern bietet sich die Möglichkeit ihren Horizont zu erweitern und in Zukunft mitzureden, da auch sie schon „da“ waren. Andererseits kann ein Museumsbesuch den traditionellen Unterricht bereichern, indem er als abwechslungsreiche motivationsfördernde Initiative ein tieferes Verständnis des Lerngegenstands ermöglicht. Nachdem wir also festgestellt haben, dass eine adäquate Vermittlungsarbeit von Seiten des Lehrers auch an außerschulischen Lernorten unbedingt notwendig ist, stellt sich nun die Frage auf welche Lernziele und -methoden eine erfolgreiche Schulpädagogik dort überhaupt zurückgreifen kann.

17

1.3

An

außerschulischen

Lernorten

angewandte

Lernmethoden und Lernziele 1.3.1 Eine realitätsnahe und authentische Begegnung mit dem „Original“ Die Herausgeber von Außerschulische Lernorte – Positionen aus Geographie, Geschichte und Naturwissenschaften schreiben schon in ihrer Einleitung, dass „konstitutiv für diese Lernorte […] die Möglichkeit der unmittelbaren Begegnung mit einem Lerngegenstand und/oder Sachverhalt [sei].“13 Tatsächlich bleiben Fotos und Zeichnungen von Burgen und Monumenten immer nur reduzierende Kopien einer dreidimensionalen Realität. Nur durch eine reelle Begegnung mit dem Objekt kann man sich dessen Dimensionen, Farbnuancen, Umgebung und Atmosphäre auch wirklich bewusst werden. Diese Aspekte sind auf Fotos selten wirklich greifbar. Die direkte Auseinandersetzung mit den im Unterricht studierten Objekten kann ein besseres und umfassenderes Verständnis des Gelernten ermöglichen. Sogar wenn uns nur noch Überreste geblieben sind, so regen diese doch oft eher die Fantasie an als eine winzige Abbildung davon im Geschichtsbuch. Wer mit eigenen Augen sieht, kann sich besser vorstellen wie es damals war. Diese Eindrücke, dieses Erlebnis, bringen den Betrachter möglicherweise sogar zum Reflektieren.

Doch, damit die Anschauung tatsächlich zu einem wahren Erkenntnisprozess führen kann, müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein:

- die Notwendigkeit von Präkonzepten In der Kognitionspsychologie wird oft von „Präkonzepten“ gesprochen. Gemeint ist damit das „Vorwissen“, d.h. eine Reihe von Vorstellungen, die in der Auseinandersetzung mit der Umwelt gewonnen werden, und ohne die der nachhaltige Erwerb fachlich gesicherten Wissens nicht möglich ist14. Man muss sich demnach als Lehrer bewusst sein, dass „Lernende, ausgehend von ihren Präkonzepten, durch originale Begegnungen und 13

MESSMER, VON NIEDERHÄUSERN, REMPFLER, WILHELM (Hrsg.), Außerschulische Lernorte, S.7 Handbuch Unterricht, hrsg. v. ARNOLD, Karl-Heinz, SANDFUCHS, Uwe, WIECHMANN, Jürgen (2., aktualisierte Auflage), Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 2009, S.407-408 14

18

Auseinandersetzungen wissenschaftsnahe Konzepte rekonstruieren“15. Um es sehr vereinfacht auszudrücken, die Schüler können sich schwer vorstellen, was ein Wehrgang ist, wenn sie nie ein Bauwerk dieser Art vor Augen hatten. Und sie können nicht verstehen, wozu der Wehrgang, der sich vor ihnen auftut, diente, wenn ihnen die Funktion einer Burg nicht bewusst ist. Der Lehrer ist also für den Erwerb der nötigen Präkonzepte verantwortlich, ehe er mit einer Klasse einen außerschulischen Lernort aufsucht. Unter anderem um den Schülern (und dem Lehrer) ein gewisses Vorwissen über Burg und Ortschaft Vianden zu liefern, habe ich also besagte Arbeitsmappe ausgearbeitet.

- die Notwendigkeit von Vermittlungsarbeit „Damit der „Adressat“ zur „Sache“ kommt, die „Sache“ den „Adressaten“ erreicht, bedarf es der Vermittlung zwischen ihnen“16. Die meisten Exponate sprechen nicht oder nicht deutlich genug für sich selbst. Der Laie kann wenig mit ihnen anfangen oder versteht sie gar völlig falsch, wenn er weiter nichts über sie erfährt. Es liegt im Aufgabenbereich der wissenschaftlichen Mitarbeiter, nicht nur des Museumspädagogen, die ausgestellten Objekte so zu kommentieren (durch Schautafeln, Schildchen oder mündliche Erklärungen), dass auch umfangreichere Sachverhalte oder Zusammenhänge vermittelt werden können. Zum eigentlichen Lernort werden Burg und Ortschaft Vianden also erst durch den Prozess des Befragens, was anhand des für die pädagogische Rallye ausgearbeiteten Fragebogens verdeutlicht werden soll. Ein Punkt, den man jedoch nicht außer Acht lassen sollte, ist, dass weder die Burg und schon gar

nicht

die

Ortschaft

Vianden

„unbearbeitetes

Quellenmaterial“

(Wörterbuch

Geschichtsdidaktik, 2009, S.28) sind17. Wir müssen also immer noch nuancieren, wenn wir von einer Begegnung mit dem „Original“, statt der Analyse des Fotos aus dem Geschichtsbuch, sprechen. Die Ortschaft Vianden hat sich nämlich im Laufe der Jahrhunderte durch Neubau und Umbauten, Teilabrisse bzw. Umnutzungen so sehr verändert, dass das mittelalterliche Vianden eigentlich gar nicht mehr sichtbar ist. Die Schüler werden in einer Stadt, die zum

15

MESSMER, VON NIEDERHÄUSERN, REMPFLER, WILHELM (Hrsg.), Außerschulische Lernorte, S.13 VON FREYMANN, Thelma, GRÜNEWALD-STEIGER, Andreas (Hrsg.), Am Beispiel erklärt, Aufgaben und Wege der Museumspädagogik, S.22 17 Zit. nach: MESSMER, VON NIEDERHÄUSERN, REMPFLER, WILHELM (Hrsg.), Außerschulische Lernorte, S.54 16

19

„Raum ungleichzeitiger Orte“18 geworden ist, auf Spurensuche nach dem Original geschickt, wovon heute nur noch unzusammenhängende Überreste existieren. In diesem Sinne schrieb Schlögel: „in dieser Art des Herumgehens wird die Verbindung von Gegenwart und Vergangenheit hergestellt, d.h. von der heutigen Zeitebene und den Zeitschichten, die vergegenwärtigt werden sollen“ (Über Räume und Register der Geschichtsschreibung, Zeithistorische Forschungen, 2004)19. Die Burg, die wir heute vorfinden, ist ebenso ein Produkt von Instandhaltung, Denkmalschutz und Tourismus und hat nur noch wenig mit der mittelalterlichen Burg gemein. Mit Recht schrieb Groebner: „wenn wir einen Ort als historischen Ort anschauen, sehen wir etwas, das es so nie gegeben hat“ (Valentin Groebner im Interview mit dem Luzerner StadtLabor, 2008)20. Diese allgemein gültige Aussage zeigt uns die Notwendigkeit, den Schülern die Entwicklung des Orts im Laufe der Zeit bewusst zu machen (siehe Arbeitsmappe: Vergleich der verschiedenen Bauphasen der Burg sowie von Stadtplänen über die Jahrhunderte hinweg). Sie verhindert jedoch nicht, dass Vianden zu einem wertvollen außerschulischen Lernort werden kann. Die Schüler können nämlich am Studium der Überreste sowie des damit in Verbindung stehenden Quellenmaterials erkennen, dass unser Wissen immer von den vorhandenen Quellen abhängig ist, wobei diese uns immer nur einen Auszug aus der Vergangenheit zeigen.

1.3.2 Ein ganzheitliches Lernen mit allen Sinnen Außerschulische Lernorte ermöglichen es über den kognitiven Lernzuwachs hinauszugehen, denn sie bieten oft die Möglichkeit einer tiefer gehenden Auseinandersetzung mit dem Lernstoff. Die Schüler sehen nicht nur mit eigenen Augen, sie können auch anfassen, möglicherweise sogar hören (Echo in der Burgkapelle, mittelalterliche Klänge der Minnesänger, usw.),

18

HEUER, Christian, Historisches Lernen vor Ort – Skizzen für ein zeitgenössisches Bild vom außerschulischen historischen Lernen, in: MESSMER, VON NIEDERHÄUSERN, REMPFLER, WILHELM (Hrsg.), Außerschulische Lernorte, S.65 19 Zit. nach: MESSMER, VON NIEDERHÄUSERN, REMPFLER, WILHELM (Hrsg.), Außerschulische Lernorte, S.72 20 ebd., S.15

20

schmecken (traditionell mittelalterliches Festmahl bzw. Kochatelier, usw.) oder riechen (moderiger Geruch des Kellergewölbes, Rauch der Feuerstelle, usw.). Die Jugendlichen können sich dadurch leichter in die Bedingungen jener Zeit zurückversetzen,

dass

sie

selbst

ausprobieren

(z.B.

im

Schreibatelier,

in

der

Schmiedewerkstatt, in der mittelalterlichen Küche, im Kräutergarten, usw.) oder aber dadurch, dass sie im Rahmen von Rollenspielen vor Ort, durch eine zeitweilige Identifikation (z.B. in der Person der Yolanda), Situationen und Problematiken eher verinnerlichen. Das Lernen ist somit in der Praxis verankert und reduziert sich nicht ausschließlich auf vage und schwer greifbare Theorien. So kann man z.B., zusätzlich zu der gemeinsam angefertigten Lehnspyramide, verschiedene Szenen zwischen Lehnsherr und Vasall nachspielen, statt nur einen schwer verständlichen in den Augen des Schülers abstrakten Text zu lesen (siehe Arbeitsmappe). Wenn man dies dann auch noch in der Burg selbst tut, ist die Atmosphäre gesichert. Auf diese Weise kann Geschichte tatsächlich zu einem Erlebnis werden.

1.3.3 Ein forschendes und entdeckendes Lernen Im Gegensatz zu klassischen Führungen suchen die Schüler im Rahmen der pädagogischen Rallye, ähnlich Detektiven, nach etlichen Indizien, die ihnen ermöglichen einen Schatz zu finden. Dabei soll jedes gefundene Indiz ein Erfolgserlebnis und somit auch eine gewisse Selbstbestätigung hervorrufen und die Schüler weiter antreiben des Rätsels Lösung zu finden.

Es geht beim historischen Lernen vor Ort, laut Boeri, schlussendlich darum „das 'Kleine' aufzuspüren, um mehr zu sehen“ (Eklektische Atlanten, Distanz und Chaos, 1999)21. Ein Beispiel dafür wäre zum Beispiel das Aufspüren eines Details in einem Kirchenfenster oder an der Fassade eines historischen Gebäudes (siehe Fragebogen). Der Mensch nimmt seine Umwelt oft nur oberflächlich wahr, ihm entgehen die feinen Nuancen und er übersieht somit oft ausschlaggebende Punkte eines Ganzen. Dies trifft nicht nur auf den Schüler zu, sondern es scheint sich hier um eine allgemeine menschliche Haltung zu handeln. „Sehen kann man

21

Zit. nach: HEUER, Christian, Historisches Lernen vor Ort – Skizzen für ein zeitgenössisches Bild vom außerschulischen historischen Lernen, in: MESSMER, VON NIEDERHÄUSERN, REMPFLER, WILHELM (Hrsg.), Außerschulische Lernorte, S.73

21

lernen“ schreibt in diesem Zusammenhang Schlögel (Im Raume lesen wir die Zeit, Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik, 2007, S.273)22. Und tatsächlich scheint es nötig, das Auge durch wiederholtes Training auf das Detail zu lenken, denn nur so kann eine unvollständige

gar

missverstandene

Interpretation

vermieden

werden

(siehe

z.B.

Schwierigkeiten einzelner Schüler bei Bildanalysen).

Bei der Erkundung handelt es sich jedoch nur um die erste Phase des „geschichtsdidaktischen Dreischnitts“, Aufarbeitung und Deutung des Lerngegenstands sind noch nötig23. Um bei dem oben genannten Beispiel zu bleiben, so könnte der Schüler die Verzierung an der Fassade nach deren Erkundung in einer zweiten Phase skizzieren, um sie dann zu guter Letzt zu deuten (beispielsweise das Wappen einer Familie wiedererkennen und dessen Symbolik erklären). Diese zusätzlichen Lernaufträge hätten den zeitlichen Rahmen dieser Rallye gesprengt, sind jedoch durchaus in der Nachbereitung der Rallye im Klassensaal denkbar.

1.3.4 Ein handlungsorientierter Unterricht Die pädagogische Rallye ist von ihrer methodischen Gestaltung her voll und ganz in der Tätigkeitstheorie laut Wygotski, wie auch im kognitiven, affektiven und psychologischen Lernen nach Pestalozzi, fundiert. Sie weist die Hauptmerkmale eines handlungsorientierten Unterrichts auf, so wie Gudjons (2008) aber auch Wöll (1998) sie festgehalten haben: - eine gewisse Selbstständigkeit im Lernen (hier: ein eigenständiges Lösen von Problemstellungen im Rahmen der pädagogischen Rallye sowie bei der Erstellung der Arbeitsmappe) - ein zielgerichtetes und planvolles Lernen, das auf das Erstellen eines Handlungsproduktes ausgerichtet ist (hier: der Fund eines geheimnisvollen Schatzes in Vianden, die Arbeitsmappe im Schulalltag) - eine Orientierung an den Erfahrungen sowie den Interessen der Teilnehmenden (hier: durch das Integrieren von fakultativen Aufgaben in die Arbeitsmappe, die entsprechend ihrem Interesse und Bedarf von den Schülern ausgewählt werden, und durch individuelle Kreationen wie z.B. ein Modell einer Burg, eine Miniaturmalerei, usw.) 22 23

ebd., S.73 ebd., S.53

22

- ein Lernen in realen Problemsituationen (hier: z.B. sich in der Burg bzw. der Ortschaft Vianden mithilfe eines Plans orientieren) - die Präsentation des Handlungsproduktes (hier: Abgabe der Arbeitsmappe in Form eines Portfolios) - die Reflexion von Handlungszielen, eines Handlungsablaufs sowie deren Bewertung (hier: Erstellung von Feedback- sowie Reflexions- und Autoevaluationsbögen seitens der Schüler) - ein Transfer der gewonnenen Erkenntnisse auf Situationen im Unterricht (hier: im Laufe der Exkursion gewonnene Erfahrungen, zurück im Schulalltag, beim Lösen verschiedenster Problemstellungen in der Arbeitsmappe umsetzen)24. - ein ganzheitliches Lernen (siehe Kapitel 1.3.2)

1.3.5 Ein autonomes projektorientiertes Lernen Laut Sauer ist ein Projekt „ein längeres, aus dem üblichen Unterrichtsrahmen herausfallendes Arbeitsvorhaben, das sich vertiefend einem Thema oder einer Fragestellung widmet“25. Das Projekt ist zeitlich und räumlich begrenzt. Am Ende des Projekts steht ein Produkt (im vorliegenden Falle eine Arbeitsmappe), das in einer Reihe

aufeinanderfolgender

Arbeitsschritte entsteht und sich durch die konkrete Anwendung von zuvor gewonnenem Wissen und Fähigkeiten auszeichnet.

Im Laufe dieses Projekts sollen die Schüler durch die pädagogische Rallye und die damit verbundene

Fertigstellung

einer

Arbeitsmappe

an

ein

selbständiges

Explorieren,

Experimentieren und Problemlösen herangeführt werden. Ziel ist es nicht, die Schüler mit „Fertigwissen“

abzuspeisen,

das

in

veränderten

Situationen

oder

unter

anderen

Fragestellungen kaum nützlich ist. Ganz im Gegenteil sollen sie dadurch, dass sie selbst Fragen stellen, Antworten suchen und eigenständig denken, transferierbares Wissen erwerben. Es

geht

schlussendlich

darum,

dass

Schüler

24

sich

Methoden

aneignen

und

SCHOCKEMÖHLE, Johanna, Regionales Lernen 21+ - Konzeption und Evaluation, in: MESSMER, VON NIEDERHÄUSERN, REMPFLER, WILHELM (Hrsg.), Außerschulische Lernorte, S.88 25 SAUER, Michael, Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik, Seelze-Velber, Kallmeyer, 2001, S.113

23

Problemlösestrategien entwickeln, die sie in die Lage versetzen, sich in der Lebenswelt besser zurechtzufinden.

Wenngleich den Schülern ein gewisses Maß an Informationen zur Verfügung gestellt werden muss, ohne die sie die Exponate nicht richtig in ihrem Kontext begreifen können, so heißt dies nicht, dass wir darauf verzichten müssen, sie zu einer selbständigen Infragestellung und Erforschung des Objekts anzuregen. Tatsächlich erweist sich eine historische Quelle oft als äußerst vielschichtig und wirft zahlreiche Fragen auf: Wann und wo ist das Objekt entstanden? Aus welchem Material besteht es? Wer hat es hergestellt? Welches handwerkliche Verfahren wurde bei der Herstellung angewendet? Welchem Zweck diente das Objekt? Wer benutzte es? In welchem historischen Kontext ist es entstanden? Die Schüler sollen zu historischem Denken angeregt werden, indem sie sich im Laufe der Zeit diese Fragen automatisch stellen und natürlich die Antworten darauf auch immer schneller und gleichzeitig korrekter und vollständiger selbst finden.

1.3.6 Eine motivationssteigernde Lernumgebung Gewöhnlich erweisen sich Exkursionen gegenüber dem traditionellen Schulunterricht als motivationssteigernd bei den Schülern. Außerschulische Lernorte stellen für viele Schüler tatsächlich eine anregendere Lernumgebung dar, als der altbekannte, oft farblose Klassensaal, in dem die Jugendlichen sechs Stunden am Tag in einer unbequemen Bank sitzen müssen, und wo der Unterricht schnell monoton wird.

Dies kann nicht nur positive Auswirkungen auf den Lernerfolg, sondern ebenfalls auf das soziale Klima in der Klasse und die Beziehung zwischen Lehrer und Schülern haben. Neugier und Wissbegierde der Schüler werden geweckt. Und die Konfrontation mit dem etwas Anderen oder Fremden kann in einem stufenartigen Prozess des Begreifens nacheinander zu Staunen, Gewahrwerden und Nachdenken führen26.

26

HEUER, Christian, Historisches Lernen vor Ort – Skizzen für ein zeitgenössisches Bild vom außerschulischen historischen Lernen, in: MESSMER, VON NIEDERHÄUSERN, REMPFLER, WILHELM (Hrsg.), Außerschulische Lernorte, S.56

24

So bieten außerschulische Lernorte oft gerade solchen Schülern besondere Chancen, die mit dem Lernort Schule Probleme haben.

1.3.7 Die sozialen Kompetenzen der Schüler fördern In Partner- und Gruppenarbeiten (siehe Rallye, aber auch vereinzelte Aufgaben in der Arbeitsmappe) werden durch das gemeinsame Lösen von Problemstellungen Aspekte wie die der Hilfsbereitschaft sowie der Rücksichtnahme und der Toleranz gegenüber anderen Meinungen und Herangehensweisen gefördert. Diskussions- und Kommunikationsfertigkeiten werden hier ebenfalls abverlangt. Arbeiten in der Gruppe bieten auch die Möglichkeit die Integration einzelner, eher zurückhaltender Schüler im Klassenverband zu stärken. Soziales Lernen an außerschulischen Lernorten findet aber auch in dem Sinne statt, dass die Jugendlichen erkennen, wie sie sich in bestimmten öffentlichen Einrichtungen (Museum, Bibliothek, usw.) zu verhalten haben. Besonders jüngere Schüler, denen diese Arbeitstechniken oft noch fremd sind, haben zum Teil jedoch noch große Probleme, sich zu organisieren und die Arbeit entsprechend unter sich aufzuteilen. Damit solche Arbeiten in der Gruppe gelingen können, erweist sich nicht nur bei den jüngeren Schülern ein regelmäßiges Training als absolut notwendig. Die Rolle, die der Lehrer dabei einnimmt, ist ebenfalls ausschlaggebend. Er soll seiner Rolle als Berater und Anreger konsequent nachgehen, weder zurück in die Rolle des für den Frontalunterricht typischen „Magisters“ verfallen, noch versäumen, einem chaotischen und ziellosen Umherirren

der

Schüler

durch

das

Schaffen

der

nötigen

Rahmenbedingungen

entgegenzuwirken. Letzteres kann nämlich nur zu einem Verlust an Motivation, schlechten Resultaten und möglicherweise sogar Disziplinproblemen bei den Schülern führen, während im ersten Falle der Sinn einer Gruppenarbeit derart verfehlt wäre, dass man eigentlich nicht einmal mehr davon sprechen kann. Wenngleich die Selbsttätigkeit der Schüler also bei solchen Gruppenarbeiten visiert ist, so obliegt dennoch dem Lehrer die Verantwortung, die Lernumgebung so zu gestalten, dass sie an die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Lernenden angepasst ist. Demnach muss auch entdeckendes Lernen wie im Falle der pädagogischen Rallye zu einem gewissen Grade strukturiert sein.

25

1.3.8 Ein nachhaltigeres Lernen „Studieren ist nicht belehrt werden, Studieren ist das Gegenteil: Studieren heißt selber die Sache aufsuchen“27. Diese heute allgemein anerkannten Worte von Carl-Hellmut Wagemann bedeuten nichts anderes, als dass die Aneignung von Wissen und Können vor Ort oft nachhaltiger ausfällt, als wenn ausschließlich abstrakte Theorien im Rahmen eines Frontalunterrichts einseitig vermittelt werden.

Eine wichtige Voraussetzung für nachhaltiges Lernen vor Ort liegt dennoch in der Qualität der Vor- sowie der Nachbereitung. Auf die Notwendigkeit des Erwerbs von Präkonzepten bin ich schon im Kapitel 1.3.1 eingegangen. Doch auch nach der Exkursion sollen die von den Schülern gewonnenen Eindrücke strukturiert, reflektiert und gedeutet werden. Ein höherer Arbeitsaufwand für den Lehrer ist in diesem Fall nicht zu leugnen.

Es geht hier jedoch nicht nur um Wissenserwerb und die Entwicklung bestimmter Fähigkeiten. Die Orientierung in Raum und Zeit (Rallye durch Burg und Stadt Vianden, Vergleich von Karten, Bildern, Texten und Überresten aus verschiedenen Epochen) ist eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung historischen Denkens. Nicht umsonst wurde eine Orientierungskompetenz im Rahmen der nationalen Bildungsstandards in den Fächern Geschichte und Geographie gefordert28. Interessanter Weise schrieb Christian Heuer nämlich, dass historisches Denken auf Zeiterfahrung beruht und seinen Anfang immer in konkreten Gegenwartserfahrungen, unserem Selbstbildnis und unserem Habitus nimmt29. Die Begegnung mit dem Original soll die Schüler zu einem eigenständigen, reflektierten historischen Denken anregen. Denn nicht zuletzt geht es im Geschichtsunterricht doch darum, ein Verständnis für Geschichte zu entwickeln. Die Schüler sollen begreifen, „dass die Lebensbedingungen, in denen wir heute leben, von Menschen geschaffen [wurden], die vor uns gelebt haben“ und, dass im Gegenzug „unsere Entscheidungen Auswirkungen auf die Bedingungen zukünftiger Generationen [haben]“30. Ihnen soll außerdem bewusst werden, dass 27

Zit. nach: GAEDTKE-ECKARDT, Außerschulische Lernorte, S.13 http://portal.education.lu/programmes/ProgrammeSecondaire.aspx#la-210756-20132014#la-210756-20132014 (24.12.13) 29 HEUER, Christian, Historisches Lernen vor Ort – Skizzen für ein zeitgenössisches Bild vom außerschulischen historischen Lernen, in: MESSMER, VON NIEDERHÄUSERN, REMPFLER, WILHELM (Hrsg.), Außerschulische Lernorte, S.58 30 BUCK, Meike, MOHR, Ulrich, Die Stadt – gestern und heute, in: GAEDTKE-ECKARDT, Außerschulische Lernorte, S.203 28

26

das Handeln der Menschen aus der Vergangenheit immer nur unter Berücksichtigung der damaligen Bedingungen zu beurteilen ist. Wenn die Auseinandersetzung mit einem Objekt aus einer anderen Zeit zu derartigen tiefgründigen Erkenntnissen führt, dann kann man wahrlich von nachhaltigem Lernen sprechen.

Laut Fachpädagogen kann das Lernen an außerschulischen Lernorten, den traditionellen Unterricht ergänzend, also etliche nicht zu verwerfende Vorzüge aufweisen. Doch inwieweit sind diese in der Praxis, im Falle einer einfachen Projektarbeit wie der meinen, tatsächlich greifbar? Dieser Frage werde ich in den folgenden Kapiteln nachgehen. Im ersten eher theoretisch ausgerichteten Teil dieser Arbeit habe ich mich einigen grundsätzlichen Überlegungen zum Konzept des außerschulischen Lernortes, dessen Herausforderungen und Vorzügen sowie den im Rahmen einer adäquaten Schulpädagogik dort angewandten Lernzielen und Lernmethoden gewidmet. Ich habe versucht deutlich zu machen, dass Vianden sich von seiner Beschaffenheit her ausgezeichnet für ein Lernen vor Ort eignet. Da es bisher jedoch in Vianden noch kein offizielles pädagogisches Angebot gibt, das spezifisch auf Schüler abgestimmt wäre, bedarf es von Seiten des Lehrers unbedingt einer gewissen Vermittlungsarbeit im Sinne seines Bildungsauftrags. Eine konstruktive Schulpädagogik vor Ort ist jedoch nur dann möglich, wenn besagte Vermittlungsarbeit den Herausforderungen außerschulischen Lernens sowie der Originalität und Exemplarität des erforschten Objekts gerecht wird. Die Exkursion sollte zudem von einer gewissen Vor- und Nachbereitung getragen werden. Widmen wir uns nun also dem eigentlichen Ablauf dieser Projektarbeit, dessen Zielsetzungen, Rahmenbedingungen und Ergebnissen. Dazu werde ich im zweiten Teil meiner Arbeit die von mir ausgearbeitete Arbeitsmappe genauer unter die Lupe nehmen, um dann im dritten Teil die pädagogische Rallye zu analysieren.

27

28

2. Zur

Arbeitsmappe

„Vianden

im

Mittelalter“ 2.1 Rahmenbedingungen 2.1.1 Ort und Zeitrahmen Ich habe mit der von mir ausgearbeiteten Arbeitsmappe auf zwei unterschiedlichen Klassen, einer 8e und einer 6e des Lycée Josy Barthel, gearbeitet.

Dieses Projekt zog sich über nahezu das ganze erste Trimester und den Beginn des zweiten Trimesters 2013/2014 hinweg. Genauer gesagt, spreche ich hier von einem Zeitrahmen von weniger als zwölf Wochen, da ich auf keiner der beiden Klassen sofort mit dem Projekt beginnen konnte. Es erwies sich nämlich als notwendig zuerst noch verschiedene Kapitel zum Übergang der Antike ins Mittelalter (wie z.B. die Ausbreitung des Christentums und die Christenverfolgungen im Römischen Reich, die Hauptgründe für den Untergang des Römischen Reiches, die Völkerwanderung, usw.) zu vertiefen, um auf eine nachvollziehbare Art und Weise an das Geschichtsprogramm von 7e anknüpfen zu können. Natürlich war es nicht möglich, die ganze Arbeitsmappe in weniger als 12 Wochen durchzunehmen. Dennoch reichte dieser Zeitraum aus, um das Projekt im Sinne dieser Arbeit ausführlich dokumentieren und analysieren zu können.

2.1.2 Präsentation der beiden Klassen Auf beiden Klassen habe ich schon im vorigen Schuljahr unterrichtet. Ich kenne die einzelnen Schüler mit ihren individuellen Stärken und Schwächen, Interessen und Bedürfnissen, also schon ziemlich gut, bis auf zwei bzw. drei Schüler, die erst dieses Jahr auf jene Klassen gewechselt sind.

29

Die besagte 8e technique setzt sich aus 21 Schülern zusammen, wovon 6 Mädchen und 15 Jungs sind. Auf dieser Klasse unterrichte ich schon im zweiten Jahr Sciences sociales, also Geschichte und Geographie. Ich bin außerdem zum zweiten Mal ihre Klassenlehrerin. Die Schüler zeigen sich größtenteils interessiert und motiviert und haben auch ein eher hohes Niveau verglichen mit anderen 8e-Klassen, die ich im Laufe meiner bisher doch eher kurzen Laufbahn kennengelernt habe. Im Vergleich zum letzten Jahr scheinen die Schüler jedoch, soweit ich es jedenfalls für das erste Trimester beurteilen kann, etwas an Fleiß verloren zu haben. Sie scheinen in letzter Zeit des Öfteren mit ihren Gedanken woanders zu sein als bei der anfallenden Schularbeit, zeitweise neu auftauchende Prioritäten zu setzen, sei es wegen der nun in vollen Zügen ausbrechenden Pubertät oder aus sonstigen Gründen. Ich erhoffe mir in dieser Arbeitsmappe, im Rahmen der zuvor präsentierten Projektarbeit, vor allem ein zweckvolles Lerninstrument zur Förderung des autonomen Lernens sowie der selbständigen Organisation meiner 8e-Schüler gefunden zu haben. Zwar haben wir Lehrer auf diesen Gebieten seit ihren ersten Wochen als Septimaner schon beträchtliche Fortschritte vermerkt (u.a. auch dank einer gezielten Betreuung im Rahmen des Tutorats), dennoch bleiben genannte Fähigkeiten, wie bei so vielen Technique-Schülern, auch auf dieser Klasse noch verbesserungsfähig. Dieses Lernweg-Portfolio sehe ich demnach als ein Instrument zur zusätzlichen Förderung meiner Schüler, in dem Sinne, dass ich mir einerseits vollauf bewusst bin, dass die Projektarbeit für diese Schüler eine gewisse Herausforderung darstellt und, dass ich andererseits dennoch fest davon überzeugt bin, dass sie diese Arbeit mit dem nötigen Einsatz erfolgreich abschließen können und werden. Zweifellos hätte ich diese Arbeitsmappe mit einer schwächeren oder weniger motivierten 8e nicht in dieser Form bearbeiten können, denn ich hätte von ihnen nicht erwarten können, dass sie ohne intensive Betreuung und Kontrolle, auf sich alleine gestellt, so autonom zuhause arbeiten würden. Wie schon mehrfach angedeutet, erscheint es mir unbedingt notwendig, die Unterrichtsmethoden an die Bedürfnisse der Klasse anzupassen. Wo ich mich jetzt schon aus Zeitgründen, aber auch wegen des Schwierigkeitsgrads, dazu entschlossen habe, auf dieser Klasse gewisse Kapitel nicht im Unterricht durchzunehmen (z.B. Kapitel 2.1 oder Kapitel 2.13 der Arbeitsmappe), hätte ich auf einer anderen 8e sicherlich noch mehr weglassen müssen. Auf meiner 6e dagegen habe ich nicht davor zurückgeschreckt, die eben genannten

30

Darstellungstexte zu den Ursprüngen der Grafen von Vianden und zu deren Lehnsverbindung mit den Luxemburgern zu bearbeiten.

Meine 6e, die sich größtenteils aus Moderne- aber auch aus ein paar Classique-Schülern zusammensetzt, zählt 18 Schüler, davon 8 Mädchen und 10 Jungs. Auf dieser Klasse unterrichte ich, wie gesagt, ebenfalls schon im zweiten Jahr Geschichte. Auch diese Schüler haben sich größtenteils immer sehr interessiert und motiviert gezeigt. Im Vergleich zu anderen 6e-Schülern erscheinen sie mir jedoch eher weniger stark zu sein. Dies führte dazu, dass ich letztes Jahr im Geschichtsprogramm fast parallel auf meiner 8e und meiner 6e gefahren bin. Ich sehe den großen Unterschied zwischen beiden Klassen weniger in ihrem tatsächlichen Wissen und Können, als in der Fähigkeit selbständig zu arbeiten sowie in ihren Sprachkenntnissen, die meinen 6e-Schülern nicht nur ermöglichen, sich besser auszudrücken, sondern ebenfalls schwierige Texte (wie die oben genannten Darstellungstexte) schneller zu verstehen. Diese Klasse erscheint mir, sowie auch anderen Lehrern mit denen ich im Gespräch war, dieses Jahr allgemein etwas unruhiger bzw. geschwätziger geworden zu sein (ohne, dass man von Disziplinproblemen reden könnte). Auch scheinen viele Schüler nicht mehr gerade so fleißig zu sein wie im vorigen Jahr, was ich zum großen Teil auch hier auf ihr Alter zurückführe, sowie auf eine gewisse Hemmschwelle, die seit 7e möglicherweise gefallen ist.

Nachdem ich die Rahmenbedingungen dieses Projekts nun also kurz präsentiert habe, werde ich im nächsten Kapitel auf meine Lernziele bezüglich der Arbeitsmappe eingehen.

2.2 Zielsetzungen 2.2.1 Die notwendige Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Rallye in Vianden Die Notwendigkeit einer Vor- wie einer Nachbereitung der pädagogischen Rallye wurde schon in Kapitel 1.3.1 weitgehend erläutert. Hier soll nur noch einmal festgehalten werden, dass ich besagtes Dossier mit dem spezifischen Hintergedanken ausgearbeitet habe, den 31

Lehrern ein adäquates Instrument zu liefern, womit sie die Schüler im Voraus auf die Exkursion vorbereiten und gleichzeitig die einzelnen Problematiken, einmal in den Schulalltag zurückgekehrt, weiter vertiefen können. Im Unterschied zu den im Rahmen der Rallye aufgegebenen Aufgaben, bietet diese Arbeitsmappe Schülern und Lehrern also die Möglichkeit gewisse Themenbereiche, jenseits von Zeitdruck und unvorteilhaften Rahmenbedingungen, genauer unter die Lupe zu nehmen und mit größerer Sorgfalt und einem gewissen Tiefgang auszuarbeiten.

2.2.2 Ein themenorientierter Kompetenz-Unterricht im Rahmen des vorgeschriebenen Bildungsprogramms Vom Fallbeispiel Vianden ausgehend bietet diese Arbeitsmappe die Möglichkeit, ganz allgemeine Themen, wie die der Burg oder der Stadt im Mittelalter, auszuarbeiten und greift somit einen beträchtlichen Teil des vom Ministerium vorgesehenen Programms für die Klassen 8e und 6e im Fach Geschichte auf. Laut Programm für die 6e seien nämlich im Unterricht folgende Problematiken zu behandeln: „ - Das Römische Kaiserreich - Das Christentum und der Islam - Die Völkerwanderung - Königsherrschaft und Lehnswesen im Mittelalter - Bauern und Grundherrschaft im Mittelalter - Ritter und Burgen im Mittelalter - Die Stadt im Mittelalter“31. In dieser Arbeitsmappe werden tatsächlich die vier letzten Themenbereiche aufgegriffen. Mithilfe der Arbeitsmappe können ebenfalls die beiden ersten auf dem 8e-Programm stehenden Themenbereiche abgedeckt werden: „ - Von Bauern, Rittern und Geistlichen. Leben im Mittelalter - Wohnen und Arbeiten in der Stadt. Die Stadt im Mittelalter - Aufbruch in eine neue Zeit. Neue Zeiten – neue Welten - Ein Kontinent wird besiedelt. 'Neue freie Welt Amerika' - Alle Macht dem König. Das Zeitalter des Absolutismus 31

http://portal.education.lu/programmes/ProgrammeSecondaire.aspx#la-210756-20132014#la-210756-20132014 (24.12.13)

32

- Alle Macht dem Volk. Die Französische Revolution und ihre Folgen“32.

Ich möchte hier jedoch hervorheben, dass wenngleich diese Arbeitsmappe also die Aufarbeitung eines gewissen Teils des vorgeschriebenen Programms ermöglichen soll, es natürlich jedem Lehrer freisteht, die darin vorgestellten Darstellungstexte und Aufgaben beliebig zu ergänzen und zu vertiefen. Die Arbeitsmappe kann neben dem Geschichtsbuch nämlich nur als ein zusätzliches Arbeitsinstrument fungieren, das um effizient und konstruktiv eingesetzt werden zu können, vom jeweiligen Lehrer unbedingt an seine persönlichen Unterrichtsmethoden,

die

Bedürfnisse

und

Interessen

seiner

Schüler

sowie

die

Rahmenbedingungen auf der Klasse angepasst werden muss. Interessant zu vermerken ist ebenfalls, dass im 6e-Programm steht „Die Geschichte Luxemburgs soll, soweit es möglich ist, in die einzelnen Themenbereiche integriert werden“33, was ich in der ganzen Arbeitsmappe immer wieder durchzusetzen versucht habe. Dies sieht man am Fallbeispiel Vianden, das sich wie ein Leitfaden durch das ganze Dossier zieht, aber auch an den Kapiteln zur Geschichte der „Lucilinburhuc“ (Kapitel 1.7), zur Gründungsurkunde der „Schobermesse“ (Kap. 4.8) sowie zum Steckbrief der Luxemburger Kathedrale (Kap. 4.12).

In den im 6e-Programm vorgegebenen Anregungen zur Unterrichtsgestaltung werden zudem „Besuche von Museen und Ausstellungen, sowie von luxemburgischen Burgen und Klöstern“34 besonders hervorgehoben. Auch im 8e-Programm werden „Außerschulische Lernorte: Bauwerke erkunden (Burg, Stadt, Kloster, Kirche)“ und „Außerschulische Lernorte: Museumsbesuch, Exkursion“35, wenngleich auch hier nicht als obligatorisch empfunden, so dennoch wärmstens empfohlen. Die pädagogische Rallye in Vianden könnte solch einer Unterrichtsgestaltung also durchaus entsprechen.

Im Rahmen einer Projektarbeit bietet die Arbeitsmappe den Schülern ebenfalls die Gelegenheit, sich in den vorgegebenen kompetenzorientierten Bildungsstandards zu üben. Das Dossier dient dem Lehrer als Grundlage Sach-, Methoden- und Analyse32

ebd. ebd. 34 ebd. 35 ebd. 33

33

Kommunikationskompetenzen

(6e)

bzw.

Fach-,

Methoden-,

Orientierungs-

und

Kommunikationskompetenzen (8e) der Schüler zu prüfen. Ich selbst habe die Arbeitsmappe auf meinen beiden Klassen, neben der traditionellen Klassenarbeit, auf ebenfalls 60 Punkte benotet. Im Gegensatz zu einer gewöhnlichen Klassenarbeit wird in dieser Arbeitsmappe jedoch weniger die Fähigkeit des Schülers Wissen exakt wiederzugeben bewertet, als dass der Schwerpunkt auf dem Beherrschen gewisser Methodenkompetenzen liegt. Zum Erstellen dieser Arbeitsmappe musste der Schüler also keinen bestimmten Lernstoff „büffeln“ (wenngleich er, ohne sich gewisse Informationen zu beschaffen, viele Aufgaben nicht lösen konnte), er musste jedoch bestimmte Methoden beherrschen

wie

die

der

Quellenanalyse,

des

Nachforschens,

usw.

Diese

Methodenkompetenzen habe ich unter der Rubrik „Inhalt“ für 30 von 60 Punkten abgeprüft (siehe Bewertungsbogen im Anhang S.93).

Wenngleich diese Projektarbeit in Bezug auf die angewandte Methodik in zahlreichen Punkten vom traditionellen Unterricht abweicht, so beruht sie jedoch immer noch auf den vom Bildungsprogramm vorgeschriebenen Themen und Bildungsstandards und visiert die gleichen Sachkenntnisse sowie Kompetenzen.

2.2.3 Die Arbeitsmappe als Lernweg-Portfolio im differenzierten Unterricht Das Dossier bietet sich im Rahmen einer formativen Bewertung durchaus als „LernwegPortfolio“ an, das den Erwerb von bestimmten Fähigkeiten wie der Bild-, Text- und Kartenanalyse sowie der Forschungsarbeit überprüfen und dokumentieren kann. Als „Lernweg-Portfolio“ oder auch „Entwicklungs-Portfolio“ bezeichne ich hier jegliche Art von „porte-documents contenant des traces des apprentissages des élèves, notamment leurs brouillons et leurs premières productions, des réflexions sur les stratégies utilisées et sur l'évolution constatée, des productions finales, le tout au regard de compétences identifiées préalablement“36. Das Lernweg-Portfolio setzt sich demnach aus einer Auswahl an Arbeiten eines Schülers zu einem bestimmten Themenfeld oder Lerngegenstand zusammen. Ziel dieses Portfolio-Typs ist 36

DORE L., MICHAUD N., MUKARUGAGI L., Le portfolio. Évaluer pour apprendre., Montréal, Les Éditions de la Chenelière, 2002, S.22 (Querverweis auf BÉLAIR L., L'évaluation dans l'école, Paris, ESF, 1999)

34

es anhand einer „dynamischen, zielgerichteten und systematischen Sammlung von Arbeiten, die Bemühungen, Fortschritte und Leistungen des Lernenden“37 seinen individuellen Lernprozess darzustellen und zu reflektieren. Voraussetzungen für das Gelingen solch eines Portfolio-Projekts sind das regelmäßige und konstante Üben über einen längeren Zeitraum hinweg sowie die Bereitschaft des Lehrers in einem großen Arbeitsaufwand seinen Schülern immer wieder Feedbacks zu den Stärken und Schwächen ihrer Arbeiten zu geben.

Im Sinne eines Lernweg-Portfolios habe ich die Arbeitsmappe auf meinen Klassen in Pflichtund Zusatzaufgaben unterteilt, wovon letztere größtenteils zuhause (manchmal auch in der Klasse) zu lösen waren. Zu Pflichtaufgaben machte ich jene Übungen, ohne die mir ein Grundverständnis der Problematik unmöglich erschien (im 1. Teil der Arbeitsmappe über die Burg Vianden die Kapitel 1.1- 1.6, 1.7 b), 1.8 und 1.10 a), im 2. Teil über die Grafen von Vianden die Kapitel 2.3 a) und b), 2.4-2.6, 2.8 a) und b), 2.9 b), 2.10, 2.12 und 2.14, usw.). Die Zusatzaufgaben dienten der Ergänzung bzw. Vertiefung der im Regelunterricht gemeinsam ausgearbeiteten Themen (siehe Aufgaben 1.7 c) und d), 1.9, 1.10 b), 2.3 c), 2.7, 2.8 c) und d), 2.9 a), 2.9 c), usw.) . Da die Schüler, bis auf wenige Pflichtaufgaben, also frei waren ihre Aufgaben selbst auszuwählen, erhielten sie die Möglichkeit, sich noch einmal einem bestimmten Thema zuzuwenden, falls während dessen Bearbeitung noch Fragen offen geblieben waren. Vor allem aber dienten diese Zusatzaufgaben dazu, die Schüler mehr Aufgaben gemäß ihren persönlichen Interessen und Bedürfnissen (siehe Stärken und Schwächen eines jeden Einzelnen) auswählen zu lassen. Was ich damit sagen will, ist, dass es wenig Sinn macht, dass ich der ganzen Klasse immer wieder Bildanalysen zum Üben gebe, wenn ein Teil der Schüler diese schon sehr gut beherrscht und besser daran täte sich in Textanalysen zu üben. Der Einsatz von Zusatzaufgaben sollte also einen differenzierteren Unterricht ermöglichen, in dem man individueller auf jeden Schüler einzeln eingehen kann. Man muss natürlich damit rechnen, dass nicht jeder Schüler darum besorgt ist tatsächlich an seinen Schwächen zu arbeiten, sondern von sich aus oft eher die einfacheren weniger

37

WIEDENHORN TH., Das Portfolio-Konzept in der Sekundar-Stufe. Individualisiertes Lernen organisieren., Mülheim an der Ruhr, Verlag an der Ruhr, 2006, S. 10 (frei übersetzt aus MELOGRANO V., Portfolio Assessment. Documenting Authentic Student Learning in „Journal of Physical Education“, Jg. 65, Heft 8, Hofmann, 1994)

35

arbeitsaufwändigeren Aufgaben auswählt (v.a. wenn er weiß, dass er darauf benotet werden wird). Dieses Problem kann jedoch wenigstens zum Teil dadurch behoben werden, dass man: a) den Schülern für einen gewissen Zeitrahmen keine zu große Anzahl an unterschiedlichen Zusatzaufgaben zur Verfügung stellt, sodass sie weniger Möglichkeiten haben, sich vor einer gewissen Art von Aufgaben zu drücken, b) in Pflichtaufgaben zu kurz kommende Arten von Aufgaben zu jedem Zeitpunkt wieder aufgreifen kann, c) den einzelnen Schüler im schriftlichen Feedback, wenn nötig, darauf aufmerksam macht, dass er seines Lernfortschritts willen doch gut daran täte, sich nun endlich einer spezifischen Art von Aufgabe zu widmen und d) als zusätzliches Druckmittel auch noch eine Bewertung des Lernfortschritts in Erwägung ziehen könnte. Wenngleich sich also für den Lehrer verschiedene Möglichkeiten anbieten, die Arbeit mit einem Lernweg-Portfolio konstruktiv zu regulieren, so sollte man dennoch nie vergessen, dass es sich dabei immer noch in erster Stelle um ein persönliches Lerninstrument zum Dokumentieren des individuellen Lernprozesses handelt. Meiner Meinung nach stellt das Lernweg-Portfolio also gleichzeitig ein „Lerninstrument“ für den Schüler und ein ganz besonderes „Lehrinstrument“ für mich als Lehrerin dar, da es mir im Rahmen einer formativen Bewertung helfen kann, den Schüler, mithilfe von regelmäßigen Feedbacks zu seinen Stärken und Schwächen, auf seinem Lernweg besser zu begleiten.

2.2.4 Eine Gelegenheit zur formativen Bewertung Mir ist die Notwendigkeit der systematischen Einführung einer formativen Bewertung neben der sommativen und zertifikativen Evaluation im Laufe meiner bisherigen Laufbahn immer bewusster geworden. Ich muss zugeben, dass ich mich sehr störe an der Idee von Prüfungszeiten gegen Ende des Trimesters im Laufe derer plötzlich in jedem Fach das ganze Wissen und alle Fertigkeiten des Schülers in oft einer einzigen Klassenarbeit abgeprüft werden sollen. Diese eine scharf umrissene Arbeit soll das gesamte Können und Wissen des einzelnen Schülers reell wiederspiegeln. Neben der oft willkürlich erscheinenden Auswahl an Bereichen, die in einem

36

einzigen Test überprüft werden können, kommt noch hinzu, dass ein präziser Moment des Abprüfens niemals dem Lernprozess eines Schülers über einen längeren Zeitraum hinweg gerecht werden kann. Was ist wenn der Schüler möglicherweise gerade einen schlechten Tag hat oder wenn er gerade diese Frage von 15 Punkten wirklich nicht beantworten kann, ansonsten aber optimal vorbereitet ist? Ist die erhaltene Note dann wirklich noch repräsentativ für sein tatsächliches Können? Ich möchte hier von Anfang an klarstellen, dass ich weder den Prüfungsdruck gänzlich abschaffen noch die Bewertung anhand von Noten aufgeben will. An der Universität und in ihrem späteren Berufsleben werden die Schüler immer wieder mit solchen Stress-Situationen und einem harten Konkurrenzkampf konfrontiert. Und darauf soll das „Lycée“ sie so gut wie möglich vorbereiten. Auch bin ich mir durchaus bewusst, dass eine Bewertung per Definition immer nur einen beschränkten Einblick gewähren kann, da sie immer nur den Wert angibt von dem, was in einem ganz bestimmten Moment, unter gewissen Umständen, zu ausgewählten Themen und unter Berücksichtigung ausgesuchter Bewertungskriterien gefragt ist. Ich muss zugeben, und dies nicht ohne ein gewisses Gefühl des Unwohlseins gegenüber der deshalb so schwer tragbaren Verantwortung, dass eine Bewertung nie hundertprozentig objektiv sein kann, wenn man auch noch so sehr darum bemüht ist. Einige Fachpädagogen gehen sogar so weit, den „mythe de la note vraie'“38 anzuprangern. Möglicherweise wird in den aktuellen Debatten zum Thema zu oft der eigentliche Zweck des Bewertens vergessen. Vielleicht sollte man „redonner à l'évaluation sa mission première, qui est de stimuler l'apprentissage et de guider l'évolution de l'élève“39. Die Bewertung informiert uns darüber, ob das angestrebte Bildungsniveau erreicht ist oder nicht. Wenn wir regelmäßig die Zeichen dafür überprüfen, sind wir eher in der Lage den Schüler gezielt zu fördern d.h. rechtzeitig herauszufinden, ob er auf dem richtigen Weg ist oder ob er möglicherweise Hilfe von außen benötigt. Ich spreche hier nicht nur von möglichen Schwierigkeiten beim Verständnis einer konkreten Aufgabe oder auch noch im Gebrauch einer bestimmten Sprache. Ich gehe soweit zu sagen, dass Schwierigkeiten mit dem Lernen an sich schon viel früher erkannt und ihnen dementsprechend entgegengewirkt werden könnte. Heutzutage wird allgemein anerkannt, dass Lernen gelernt sein will. Die Frage ist jedoch wie man richtig lernen soll. Die Schüler müssen nicht nur lernen sich zu organisieren und ihre Arbeit

38 39

DORE L., MICHAUD N., MUKARUGAGI L., Le portfolio. Évaluer pour apprendre., S.V ebd., S.VI

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aufzuteilen. Vor allem müssen sie wissen, wie sie sich effektiv den gegebenen Lernstoff und bestimmte Fertigkeiten aneignen können. An diesem Beispiel sieht man auch sehr gut, dass die Bewertung seiner Leistungen schon beim Schüler beginnen sollte, in einer kontinuierlichen Selbsteinschätzung und einer punktuell angeregten Selbstbeurteilung (siehe Reflexions- und Autoevaluationsbögen im Anhang S.94-96). Nur so können die vom Lehrer erhaltenen Noten für den Schüler auch Sinn ergeben. Und nur so weiß er, was genau er noch besser lernen soll, wo also seine Stärken und seine Schwächen liegen. „L'évaluation devient un moyen et non pas une fin“40. Dieses Zitat ermahnt uns, nicht zu unterrichten, um zu bewerten und es ermahnt die Schüler, nicht nur zu lernen, um Klassenbester zu werden. „L'évaluation formative désigne alors des évaluations interactives fréquentes des progrès et des acquis des élèves, qui permettent aux enseignants d'ajuster leurs méthodes pédagogiques pour mieux répondre aux besoins d'apprentissage diagnostiqués“ 41. Das Ziel müsste eigentlich das Lernen an sich sein. Die wirkliche Genugtuung müsste darin liegen, etwas dazu gelernt zu haben.

Indem ich auf beiden Klassen, der 8e und der 6e, eine traditionelle Klassenarbeit sowie die Arbeit mit dem Dossier als gleichwertige Noten von jeweils 60 Punkten angesetzt habe, habe ich versucht, eine gewisse formative Bewertung in den Unterricht einzubringen. Tatsächlich ergaben sich schlussendlich zwei sommative Benotungen, die miteinander verrechnet wurden. Nichtsdestotrotz sollten meine regelmäßigen Feedbacks es den Schülern ermöglichen, sich ihren Stärken und Schwächen (z.B. in Bezug auf Textanalysen, Bildanalysen, usw.) eher bewusst zu werden. Außerdem habe ich mir erhofft dadurch, dass ich 10 Punkte auf die Verbesserungen der einzelnen Aufgaben, die persönlichen Fortschritte und die Auto-Evaluation setze (siehe Bewertungsbogen im Anhang S.94-96), die Schüler zusätzlich dazu zu motivieren, ihre Aufgaben immer sorgfältig zu verbessern, mit dem Ziel aus ihren Fehlern zu lernen, die gleichen Fehler nicht noch einmal zu begehen, sondern verschiedene Kompetenzen in einem bewusst wahrgenommenen Lernprozess progressiv zu verbessern. Unentwegt sage ich meinen Schülern, dass es nur menschlich ist, dass wir Fehler begehen, es jedoch darum geht, dass wir daraus lernen. Ich habe in der Vergangenheit leider immer wieder feststellen müssen, dass die 40

ebd., S.2 L'évaluation formative. Pour un meilleur apprentissage dans les classes secondaires., Centre pour la recherche et l'innovation dans l'enseignement, Paris, OCDE, 2005, S.13 41

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meisten Schüler, sobald eine Klassenarbeit abgeschlossen ist, sich wohl für die erhaltene Note, aber kaum für die dafür verantwortlichen Fehler, interessieren.

Da detaillierte gemeinsame Verbesserungen der Klassenarbeiten mir immer weniger sinnvoll erscheinen, habe ich es mir angewöhnt, den Schülern ein umfangreiches „Corrigé-modèle“, in Stichwörtern auszuteilen, mit dem Ziel, die einzelnen Ideen deutlicher hervorzuheben. Der Schüler soll nur das verbessern, was er falsch gemacht hat beziehungsweise das ergänzen, was in seiner Arbeit fehlt. Er soll dabei jedoch ganze Sätze bilden. Auf seine Verbesserung bekommt er dann möglicherweise eine mündliche Note. Mit dieser Methode erhoffe ich mir, den Schüler eher dazu zu bringen, sich mit seinen Fehlern auseinanderzusetzen und noch einmal überprüfen zu können, ob er diese nach der Verbesserung auch wirklich verstanden hat. Natürlich wäre es einfacher das „Corrigé-modèle“ des Lehrers abzuschreiben, auf diese Weise hätte der Schüler sich jedoch immer noch nicht mit seinen Schwächen auseinander gesetzt. Im Rahmen dieser Portfolio-Arbeit habe ich die eben präsentierte Methode für das Verbessern der Pflichtaufgaben aufgegriffen. So zum Beispiel bei der Bildanalyse zur Belagerung einer Burg (siehe Kap. 1.10 a) und Anhang S.106). Wir sind in der Klasse noch einmal gemeinsam auf die wichtigsten Punkte bzw. die größten Missverständnisse eingegangen. Zuhause sollten die Schüler dann ihre Antworten mithilfe der ausgeteilten Verbesserung korrigieren und ergänzen. Für die Zusatzaufgaben konnte ich jedoch keine „Corrigé-modèles“ austeilen, da ja jeder Schüler andere Zusatzaufgaben zu unterschiedlichen Zeitpunkten löste und ich vermeiden musste, dass die Schüler von mir ausgeteilte Verbesserungen untereinander austauschten, noch bevor der Allerletzte diese Aufgabe in Angriff genommen hatte. Im Fall der Zusatzaufgaben habe ich den Schülern beim Korrigieren ihrer Aufgaben die korrekte Antwort jedoch erst dann hingeschrieben, wenn ich dachte sie würden sie alleine nicht finden. Meistens war es jedoch möglich, ihnen mit zusätzlichen Fragen, Hinweisen, Aufträgen oder konkreten Verweisen auf die Quelle dabei zu helfen, die Antworten von sich aus zu finden. Dafür waren sie natürlich gezwungen, sich erneut, und dieses Mal gründlicher, mit ihrer Aufgabe auseinanderzusetzen, um die fehlende Antwort zu finden, was vielen natürlich nicht sonderlich gefiel, da es arbeitsaufwendiger für sie war. Um einfacher zwischen Antwort und Korrektur unterscheiden zu können, habe ich meine Schüler immer darum gebeten, jeweils zwei verschiedene Farben zu benutzen. Ich denke, dass die in die Disputation mitgebrachten

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Arbeitsmappen mit meinen Korrekturen und Kommentaren sowie ihren Verbesserungen in diesem Fall mehr aussagen, als tausend Erklärungen.

Sinn und Zweck dieses Portfolio-Projekts bestanden also darin, den Schüler zu einem selbständigeren reflektierenden Lernen zu führen und ihm bewusst zu machen, in wieweit er für seinen Lernfortschritt selbst verantwortlich ist.

2.2.5 Ein Instrument zur Förderung autonomen Lernens Mir ist im Laufe der letzten Jahre auch immer wieder aufgefallen, dass erstaunlich viele Schüler mehr oder weniger große Schwierigkeiten damit haben, Ordnung in ihren Heften zu wahren bzw. den Überblick über ihre Noten zu behalten. Das Portfolio-Projekt kann diesen Schülern nicht nur die Gelegenheit bieten, zu lernen sich besser zu organisieren, sondern auch sich selbst richtig einzuschätzen und ihren Lernprozess zu reflektieren. Dies ist natürlich nur möglich, wenn sie die sich bietende Gelegenheit auch als solche erkennen und vor allem auch gewillt sind, an sich zu arbeiten.

Autonomes handlungsorientiertes Arbeiten steht dabei, wie schon mehrfach angedeutet, im Vordergrund. Ziel ist es den Schülern bewusst zu machen, inwiefern sie für ihren Lernprozess selbst verantwortlich sind und wie wichtig es ist, individuelle Strategien zu entwickeln, um effektiv lernen zu können.

Natürlich war mir bewusst, dass bei dieser Portfolio-Arbeit die Gefahr mehr denn je bestand, dass die Schüler beim Lösen der einzelnen Aufgaben von einander abschrieben oder sich zuhause Hilfe holten. Das Problem besteht nicht nur darin, dass im Falle einer ungewollten äußeren Einwirkung die Note verfälscht wird. Es kommt noch hinzu, dass, obwohl jedem Schüler in der Bibliothek ein gewisser Zugang zu Wörterbüchern, Lexika, Fachliteratur und Internet gewährt ist, einige Kinder zuhause dennoch nicht die gleiche Unterstützung und Mittel zur Verfügung haben als andere. Ich habe meine Schüler mehrmals auf die Notwendigkeit, autonom zu arbeiten, aufmerksam gemacht, um einen reellen Einblick in ihre Stärken und Schwächen zu erlangen und einen gewissen Lernfortschritt zu garantieren. Außerdem habe ich versucht, gerechtere Arbeitsbedingungen für alle zu schaffen, indem ich

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die Schüler so oft wie nur möglich im Unterricht (wenn auch nur für die letzten 15 Minuten) an ihren Arbeitsmappen arbeiten ließ. So war auch eine regelmäßigere Arbeit an dem Dossier gewährleistet, und die Schüler konnten mir an Ort und Stelle Fragen stellen und mussten nicht bis zur nächsten Stunde warten. Gänzlich verhindern kann man jedoch kaum, dass Schüler voneinander abschreiben bzw. zuhause eine wenig konstruktive Hilfestellung bekommen v.a., wenn man aus Zeitgründen immer wieder dazu gezwungen ist, den Schülern einen beträchtlichen Teil der Aufgaben als Hausaufgabe aufzugeben, wobei man sie natürlich nicht mehr kontrollieren kann. Man bedenke ebenfalls, dass selbständig und verantwortungsvoll arbeiten noch lange nicht heißt, dass man sich bei Bedarf keine Hilfe holen soll, ganz im Gegenteil. Meiner Meinung nach besteht die Aufgabe eines Lehrers viel eher darin, den Schülern die Mittel zu liefern, sich das notwendige Wissen selbst anzueignen, als ihnen dieses Wissen immer wieder wie auf einem Präsentierteller vorzulegen. Wir können ihnen die spezifische Methodik für das Erwerben von fundiertem Wissen im Umgang mit Nachschlagewerken und dem Internet beibringen, mit dem Ziel, dass sie zu autonomen und unabhängigen Persönlichkeiten werden. Dies scheint mir von fundamentaler Wichtigkeit in einer globalisierten Welt, in der Medien wie das Internet eine unvorstellbar reiche Informationsquelle darstellen, die immer mehr Menschen zugänglich wird, die, wir jedoch wissen, nicht nur wissenschaftlich exakte Angaben preisgibt. Das heißt natürlich nicht, dass man die Schüler einfach die Arbeit eines anderen kopieren lassen sollte, sie können und sollen sich die nötigen Erklärungen holen, das Endprodukt muss jedoch ihr eigenes bleiben.

Selbständiges Lernen ist hier jedoch auch in dem Sinne zu verstehen, dass der Schüler, aus eigener Motivation und persönlichem Ehrgeiz heraus, die Initiative ergreift, so viele Zusatzaufgaben wie nur möglich zu lösen. Tatsächlich habe ich 10 von 60 Punkten auf Anzahl und Qualität der Zusatzaufgaben, und somit, kann man sagen, auf den Fleiß und das autonome Arbeiten des einzelnen Schülers, gesetzt (siehe Bewertungsbogen im Anhang S.X). Wie bereits erwähnt, dienten diese Zusatzaufgaben dazu, die Schüler im Rahmen einer formativen Bewertung differenzierter an ihren persönlichen Schwächen arbeiten zu lassen. Außerdem boten diese Wahlaufgaben mir die Möglichkeit individueller auf die Interessen meiner Schüler einzugehen sowie ihnen dennoch kurze Einblicke in Themen zu gewähren, die wir in der Klasse aus Zeitgründen nicht gemeinsam durchnehmen konnten. Ich sah in diesen Zusatzaufgaben auch eine Möglichkeit, die Schüler dazu zu motivieren, sich für ein bestimmtes Ziel einzusetzen, und ihnen zu zeigen, dass zusätzlicher Arbeitsaufwand auch mit Erfolg gekrönt wird (oder jedenfalls auch in der realen Welt werden sollte). Wenngleich das 41

Lösen dieser Zusatzaufgaben natürlich, wie der Name es schon verlauten lässt, mit zusätzlicher Arbeit verbunden ist, stellte dieser zusätzliche Einsatz für den Schüler eine Gelegenheit dar, seine Note zu verbessern.

Nachdem ich in diesem Kapitel meine Zielsetzungen hinsichtlich dieser Arbeitsmappe darzustellen versucht habe, werde ich nun etwas genauer auf Inhalt, Struktur und Evaluation des Dossiers eingehen.

2.3 Zur Erstellung der Arbeitsmappe 2.3.1 Inhalt Wie schon mehrmals erwähnt, gehe ich in dieser Arbeitsmappe mit dem Titel „Vianden im Mittelalter“ vom Fallbeispiel Vianden aus, um schlussendlich ganz allgemeine Problematiken aufzugreifen wie die der Entwicklung der Burgen im Mittelalter, der Heraldik, der Zünfte, usw. Ich habe versucht, die mir als am Wichtigsten erscheinenden Problematiken zum Themenbereich Mittelalter in dieser Arbeitsmappe zu präsentieren. Damit erhebe ich jedoch keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit oder gar Perfektion. Erstens bin ich mir absolut bewusst, dass andere Lehrer die Schwerpunkte auf andere Themen gelegt hätten. Demnach erscheint es mir auch als dringend notwendig, dass der Lehrer, der sich entschieden hat, mit dieser Arbeitsmappe zu arbeiten, seinen Unterricht, soweit er es für nötig hält, vervollständigt bzw., dass er gewisse Aufgaben oder Kapitel in der Arbeitsmappe, denen er wenig Sinn zumisst, einfach weglässt. Deshalb habe ich die Lehrer, die freundlicherweise angeboten haben, die von mir konzipierte Arbeitsmappe zu testen, auch gebeten, sich das aus dem Dossier herauszunehmen, womit sie bzw. ihre Schüler auch wirklich etwas anfangen können und die Arbeit mit diesem Material in das Konzept zu setzen, das ihnen am meisten zusagt. Es ist überhaupt nicht nötig, die Arbeitsmappe als Ganzes in Form eines Lernweg-Portfolios zu bewerten, es mag vielen Lehrern durchaus sinnvoller erscheinen, sich an bestimmten darin vorkommenden Aufgaben zu inspirieren und sie in eigene Arbeitsblätter umzuschreiben bzw. ihre Unterrichtssequenz auch in einer anderen, 42

ihnen logischer erscheinenden Reihenfolge durchzuführen (z.B. mit dem Leben der Bauern im Mittelalter zu beginnen und dann erst zum Leben der Adligen und der Geistlichen überzugehen). Zweitens sah ich mich selbst, manchmal auch schweren Herzens, dazu gezwungen, Themen und Aufgaben einzuschränken, damit die Arbeitsmappe nicht den für ein Lerninstrument dieser Art angemessenen Umfang sprengen würde. Drittens hoffe ich immer noch, dass der eigentliche Leitfaden dieser Arbeitsmappe, das Fallbeispiel Vianden, neben den zahlreichen Kapiteln eher allgemeiner Natur nicht in Vergessenheit geraten ist. Um mich nicht zu sehr von meinem Fallbeispiel zu entfernen, habe ich nämlich schon entschieden gewisse Themen, wie die der Völkerwanderung, der Christianisierung oder der Kreuzzüge, nicht in diese Arbeitsmappe zu integrieren, wohlwissend, dass diese trotzdem vor oder nach besagter Projektarbeit in der Klasse behandelt werden müssen. Man könnte mir ebenfalls vorwerfen, dass ich beispielsweise im Zusammenhang mit der in der Arbeitsmappe aufgegriffenen Problematik des Lebens der Bauern im Mittelalter nicht auf die Fortschritte in der Landwirtschaft eingehe oder, dass ich, wenn ich vom Alltag im Kloster spreche, keinen Rückblick auf die Entstehung des Mönchtums liefere. Auch in diesem Fall habe ich besagte Auswahl getroffen mit dem Ziel mich nicht zu sehr von meinem Leitfaden, dem Fallbeispiel Vianden, zu entfernen und den Rahmen einer adäquat verfassten Arbeitsmappe nicht zu sprengen. Ich erinnere also noch einmal daran, dass diese Arbeitsmappe nur als mögliches Lerninstrument neben dem auf dem Programm stehenden Geschichtsbuch anzusehen ist und von Seiten des Lehrers problemlos durch zusätzliche Arbeitsblätter ergänzt werden kann. Ich selbst habe beispielsweise auf meiner 8e auf das Geschichtsbuch zurückgegriffen und die Schüler den Darstellungstext zu den Ritterturnieren S.29 lesen lassen (siehe Anhang S.110), um ihnen die nötigen Informationen zu liefern, ohne die sie die Buchmalerei in der Arbeitsmappe S.63-64 nie hätten verstehen und konstruktiv analysieren können. Ebenso hätten die Schüler Schwierigkeiten gehabt, die Buchmalerei zur Belagerung einer Burg (Kap. 1.10 a)) zu analysieren bzw. einen Tagebucheintrag zum Alltag auf der Burg zu schreiben (Kap. 1.9), hätten sie sich nicht zuvor in ihrem Geschichtsbuch, im Internet oder der Bibliothek die nötigen Informationen dazu geholt. Man sieht an diesen Beispielen also ganz klar, dass sich die Schüler zum erfolgreichen Lösen einiger Aufgaben kaum einem gewissen selbständigen Sammeln von Informationen entziehen können. Natürlich obliegt es dem Lehrer, seinen Schülern mit den nötigen Buchtipps bzw. der erforderlichen Vermittlungsarbeit jeder Zeit unterstützend zur Verfügung zu stehen. 43

Wir haben ebenfalls in der Klasse den Autorentext M1 S.20 zum Alltag einer Bauernfamilie durchgelesen und die Darstellung zum Fegefeuer M2 S.16 analysiert, wodurch ich den Schülern ein besseres Verständnis der Lebensbedingungen und Glaubensvorstellungen im Mittelalter zu liefern gedachte (siehe Anhang S.111).

Zum Inhalt der Arbeitsmappe, möge sich so manch ein Leser fragen, wieso ich denn z.B. den Holzschnitt, auf dem Jesus zu den drei Ständen spricht, noch einmal zur Bildanalyse der Dreiständegesellschaft in die Arbeitsmappe S.42 kopiert habe, wo sich doch genau das gleiche Bild schon im Geschichtsbuch der 8e S.17 befindet. Ich erinnere hier jedoch daran, dass ich diese Arbeitsmappe sowohl für 8e- als auch für 6e-Schüler konzipiert habe, die Materialien mit denen ich arbeite sich jedoch manchmal in einem, aber nicht in dem anderen, Geschichtsbuch befinden, was auf den ersten Blick sinnlos vergeudeten Platz und Papier erklärt. Auch haben mir meine 8e-Schüler zum Beispiel die Frage gestellt, wieso ich denn zu den Bildanalysen S.103-105 in der Arbeitsmappe keinen genauen Verweis auf die passende Seite im Buch angegeben hätte. Ich schreibe hier lediglich „Wähle eines der Bilder M1-M3 (Patrizier – Handwerker – Tagelöhner) in deinem Geschichtsbuch aus und analysiere die Lebensbedingungen der jeweiligen Familie genauestens“. Dies liegt daran, dass die zur Auswahl stehenden Bilder in diesem Falle sowohl im 8e- als auch im 6e-Geschichtsbuch zu finden sind, jedoch auf unterschiedlichen Seiten. In diesem Falle obliegt es also dem Lehrer, im Voraus in dem für seine Klasse auf dem Programm stehenden Lehrbuch nachzuschlagen, um den Schülern die nötigen Informationen zu liefern.

Zu jeder Problematik in der Arbeitsmappe habe ich eine gewisse Anzahl an Aufgaben ausgewählt. Dafür habe ich mich größtenteils an dem von mir im Laufe der vergangenen Jahre zusammen getragenen Material bedient und außerdem zusätzliche Lehrbücher aus dem Fach Geschichte zu Rate gezogen. Hauptauswahlkriterien für die einzelnen Arbeitsaufträge waren dabei der reelle Gewinn an Sachkenntnissen, die Orientierung an

den vom

Bildungsministerium festgelegten Kompetenzen, der Schwierigkeitsgrad sowie eine garantierte Abwechslung in der Diversität der Aufgaben in der Arbeitsmappe.

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2.3.2 Struktur Um die Arbeitsmappe leicht überschaubar zu halten, habe ich sie in vier große Themenbereiche gegliedert: 1. Die Burg Vianden, 2. Die Grafen von Vianden, 3. Das Leben der Yolanda von Vianden und 4. Die Stadt Vianden. Diese vier Themenbereiche sind wiederum in mehrere Kapitel unterteilt, wovon einige sich direkt auf Vianden beziehen, andere Kapitel, wie gesagt, weit darüber hinausgehen. Diese Kapitel, die Schüler und Lehrer ganz allgemeine Informationen zum Leben im Mittelalter liefern, sind immer mit einem besonderen Symbol, einem nachdenkenden Smiley

,

gekennzeichnet. Erklärungen dazu, wie man am besten mit der Arbeitsmappe arbeiten kann, findet man übrigens im Dossier S.5, direkt hinter dem Inhaltsverzeichnis.

Die einzelnen Kapitel umfassen Darstellungstexte, die die nötigen Informationen zu allgemeinen Themen (siehe z.B. die Entwicklung der Burg im Laufe der Zeit S.22) oder aber zum Fallbeispiel Vianden liefern sollen (siehe z.B. der Freiheitsbrief der Stadt Vianden S.106). Außerdem trifft man immer wieder auf Definitionen von Begriffen, die die Schüler, meiner Meinung nach, unbedingt kennen sollten und, die durch Ausrufezeichen

gekennzeichnet

sind. Zuletzt enthält die Arbeitsmappe natürlich vor allem Aufgaben, welche von Text-, Bild- und Kartenanalysen über das Beschriften von Bildern und das Erstellen von Schemata bis zum Lösen von Lückentexten, zu kleinen Forschungsaufgaben sowie Rollenspielen und persönlichen Aufsätzen reichen.

Wie man hoffentlich sieht, habe ich versucht, eine größtmögliche Vielfalt an Aufgaben in die Arbeitsmappe zu integrieren, mit dem Ziel, dass jeder etwas für sich finden kann und, dass die Schüler auf unterschiedliche Herangehensweisen lernen können. Es ist ja allgemein bekannt, dass es unterschiedliche Lerntypen gibt (visuell, taktil, auditiv, usw.), die alle die Chance haben sollten, gefördert zu werden und, dass, je mehr Lernwege genutzt werden, sich der Lernstoff umso besser im Gedächtnis einprägt.

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Ich habe versucht die Darstellungstexte so kurz, einfach und präzise wie nur möglich zu halten, um den Schüler nicht durch zu viele Informationen, eine zu schwer verständliche Sprache oder zu weite Abschweifungen von den Schwerpunkten abzulenken. Zudem habe ich versucht eine leicht verständliche und präzise Fragestellung einzusetzen.

In diesem Sinne sei hier auch noch einmal betont, dass diese Arbeitsmappe zwar das selbständige Lösen von Aufgaben von Seiten des Schülers anvisiert, dies jedoch noch lange nicht bedeutet, dass man den Schüler sich mit dem Dossier alleine überlassen sollte. Die meisten Aufgaben in der Arbeitsmappe werden die Schüler selbständig in der Klasse oder zuhause, alleine oder in Partnerarbeit, lösen können. Manchmal wird es jedoch nötig sein, zum Lösen einer Aufgabe auf die Hilfe des Lehrers zurückzugreifen. Wie andere Geschichtsbücher und Arbeitsmappen, liefert auch dieses Dossier nur das nötige Material zur Aneignung

gewisser

Sachkenntnisse

und

Kompetenzen.

Ohne

eine

gewisse

Vermittlungsarbeit von Seiten des Lehrers, bleibt die Arbeitsmappe als Lerninstrument jedoch unbrauchbar.

Lehrer und Schüler werden schnell feststellen, dass die Aufgaben unterschiedliche Schwierigkeitsgrade aufweisen. Die Arbeitsmappe wurde mit dem Ziel konzipiert, sowohl 8eals auch 6e-Schülern das nötige Material zu liefern, um sich bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen. Der Lehrer muss jedoch entscheiden, welche Aufgaben tatsächlich auf seiner Klasse Sinn machen, welche zu schwer oder aber zu wenig anspruchsvoll für seine Schüler erscheinen.

2.3.3 Bewertung Zur Bewertung der Arbeitsmappe als Lernweg-Portfolio habe ich den Schülern Bewertungsbögen ausgeteilt, die sie ganz hinten in ihre Arbeitsmappe einkleben sollten (siehe Anhang S.93). Die provisorischen Noten und Kommentare, die ich hier jedes Mal eintrug, wenn ein Schüler mir seine Arbeitsmappe zur Korrektur abgab, sollten ihm als Feedback in seinem fortlaufenden Lernprozess dienen. Sie sollten ihn auf seine Stärken aufmerksam machen und ihm zeigen, woran er noch arbeiten musste.

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Ich habe die Arbeitsmappen meiner Schüler nach vier Hauptkriterien bewertet: „Inhalt“ (30 P.), „Präsentation“ (10 P.), „Verbesserungen der einzelnen Aufgaben, persönliche Fortschritte“ (10 P.) und „Zusatzaufgaben (Anzahl und Qualität)“ (10 P.). Die Note zum „Inhalt“ ergab sich aus dem Notendurchschnitt der einzelnen Pflichtaufgaben. Ich habe ganze 30 Punkte, also die Hälfte der zu verteilenden Punkte, auf dieses Bewertungskriterium gesetzt, da ich die Fähigkeit der Schüler, die obligatorischen Aufgaben zu lösen, tatsächlich als oberstes anzustrebendes Ziel sehe. Ich muss zugeben, dass sich das Errechnen des Notendurchschnitts, aufgrund meiner Punkteverteilung bei den einzelnen Aufgaben, als recht schwerfällig gar kompliziert herausgestellt hat. Ich habe die einzelnen Aufgaben nämlich unterschiedlich auf z.B. 6, 8 oder 15 Punkte bewertet, je nachdem wieviel ich laut dem von mir im Voraus ausgearbeiteten „Corrigé-modèle“ vom Schüler erwartete (siehe Beispiel im Anhang S.100). Um einen Notendurchschnitt von 30 Punkten zu erhalten, musste man also umrechnen (und nicht nur zusammenzählen, weil es zu viele Aufgaben waren, um auf 30 zu kommen). Was für mich zwar zeitaufwendig, aber dennoch logisch war, blieb sicherlich für mehr als einen meiner Schüler, trotz meiner Erklärungen, unverständlich. Demnach haben gegen Ende des Projekts in ihrem Feedback auch tatsächlich auf meiner 8e 6 von 20 Schülern der Aussage „Ich habe immer noch nicht richtig verstanden, wie die Punkte der einzelnen Rubriken zusammen gerechnet wurden.“ zugestimmt und 14 sie verneint. Auf der 6e bejahten 3 von 18 Schülern die Aussage, 11 waren nicht dieser Meinung und 4 gaben an, geteilter Meinung zu sein. Wenn ich in Zukunft also noch einmal ein derartiges Projekt in Angriff nehme, muss ich unbedingt dafür sorgen, dass die Punkteverteilung einheitlicher ist. Neben den 30 Punkten auf den Pflichtaufgaben, habe ich 10 Punkte auf die Zusatzaufgaben gesetzt. Für jede erfolgreich gelöste Zusatzaufgabe, erhielt der Schüler einen Punkt, für mittelmäßige Resultate beim Lösen einer solchen Aufgabe nur einen halben Punkt. In diesem Sinne habe ich Anzahl und Qualität der Zusatzaufgaben bewertet. Ich muss auch hier zugeben, dass die Bezeichnungen für die von mir ausgewählten Bewertungskriterien nicht immer eindeutig sind. Tatsächlich bewerte ich ja nicht nur bei den Pflichtaufgaben, sondern auch bei den Zusatzaufgaben, den Inhalt. Doch dies erkennt man nicht auf den ersten Blick. Diese Undurchsichtigkeit ist darauf zurückzuführen, dass ich ursprünglich vorhatte in der Rubrik „Inhalt“ die Noten von beiden Arten von Aufgaben zusammenzurechnen, während ich in der Rubrik „Zusatzaufgaben“ nur Pluspunkte für jede zusätzlich verrichtete Aufgabe gegeben hätte. Eine Idee, die ich dann wegen der doppelten Bewertung aufgab. Wieso ich überhaupt auf das Konzept von fakultativen Aufgaben zurückgegriffen habe, wurde ja schon ausführlich im Kapitel 2.2.3 erklärt. 47

Ich habe 10 weitere Punkte dieser Arbeit auf die „Präsentation“ gesetzt, wozu ich Lesbarkeit, Ordentlichkeit, Aufbau, Präzision bei den Schemata aber auch Vollständigkeit zähle (den letzten Punkt hätte man selbstverständlich genauso gut unter der Rubrik „Inhalt“ bewerten können). Es schien mir wichtig, die Präsentation der Mappe ebenfalls in die Bewertung miteinzubeziehen. Auf meiner 8e haben zu viele Schüler nämlich immer noch Probleme damit, sich ordentliche, saubere und gut strukturierte Ordner bzw. Hefte anzulegen. Ein Projekt wie dieses eignet sich nicht schlecht zum Trainieren eben dieser Kompetenzen. Ich selbst bin der Meinung, dass 10 von 60 Punkten auf der Präsentation einer Arbeit nicht wenig sind, doch erschien mir diese Zahl der Übersichtlichkeit halber als geeigneter als z.B. eine 8 oder eine 5. Zuletzt setzte ich noch 10 Punkte auf „Verbesserungen der einzelnen Aufgaben, persönliche Fortschritte“. Wie schon angedeutet, erscheinen mir gewissenhafte Verbesserungen, mit dem Ziel aus den eigenen Fehlern zu lernen und Fortschritte zu machen, im Rahmen einer formativen Bewertung, als ein fundamentaler Bestandteil eines jeden Lernweg-Portfolios. Hier habe ich also überprüft, ob die Schüler ihre Aufgaben auch immer sorgfältig verbessert und die gleichen Fehler nicht noch einmal gemacht haben und, ob sie an ihren Schwächen, auf die ich sie in meinen Feedbacks aufmerksam gemacht habe, arbeiteten. Ursprünglich hatte ich vor die Reflexions- und Autoevaluationsbögen ebenfalls in die Bewertung dieser Rubrik miteinzubeziehen, d.h. zu überprüfen, inwieweit die Selbsteinschätzungen der Schüler tatsächlich mit ihren Resultaten übereinstimmen. Dies war gegen Ende des Trimesters, mitten in der Prüfungszeit, jedoch zeitlich nicht mehr machbar. Tatsächlich erweist es sich auch als äußerst schwierig, subjektive Meinungen mit der nötigen Objektivität auszuwerten. Im Nachhinein erkenne ich viel klarer, dass meine Bewertungskriterien nicht immer transparent und die Punkteverteilung zeitweise schwerfällig war. Erstaunlicherweise schreiben dennoch von sich aus in der Rubrik „Bewertungskriterien und Punkteverteilung“ des Feedback-Bogens (siehe Anhang S.97-100) drei Schüler die Punkteverteilung sei „in Ordnung“, neun Schüler finden die Punkte seien „gut aufgeteilt“ und weitere acht stellen die Punkteverteilung als absolut „gerecht“ dar. Ein Schüler schreibt sogar: „Das System von den Bewertungskriterien und der Punkteverteilung ist gut durchdacht und logisch.“, ein anderer hält fest: „Auch wenn ich mal weniger Punkte hatte, weiß ich warum und habe nirgends etwas zu meckern.“. Interessanter Weise schreibt ein Schüler über die Arbeitsmappe: „Das Einzige was mich daran stört, ist, dass sie bewertet wird. Ich finde sie gut zum Arbeiten, aber nicht als Prüfung.“.

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Nachdem ich in diesem Kapitel also genauer auf Inhalt, Struktur und Bewertung der Arbeitsmappe eingegangen bin, werde ich nun dokumentieren, inwieweit die anvisierten Lernziele und Lernmethoden (so, wie sie schon im Kapitel 2.2 präsentiert wurden) im Schulalltag tatsächlich umsetzbar waren, welchen Problemen ich begegnet bin und wie ich versucht habe, die passenden Lösungen dazu zu finden.

2.4 Ablauf und Ergebnisse des Projekts 2.4.1 Überlegungen zur Aussagekraft der Quellen In den folgenden Kapiteln werde ich zuerst den Ablauf des Projekts aus eigener Sicht beschreiben, um dann mithilfe des Notendurchschnitts meiner Schüler sowie der von ihnen ausgefüllten Autoevaluations- und Feedbackbögen, die Ergebnisse des Projekts auszuwerten. Wenngleich man auch in diesem Falle wieder an den „mythe de la note vraie“ (siehe Kapitel 2.2.4) erinnern kann, so scheinen die Noten der Schüler doch eine relativ objektive und stichhaltige Bewertung ihrer reellen Sachkenntnisse und Kompetenzen im Fach Geschichte wiederzuspiegeln.

Autoevaluationsvorgänge und Feedbacks geben dagegen immer nur subjektive Meinungen wieder. Man kommt nicht umhin sich zu fragen, ob die Schüler die Fragen auch ehrlich und gewissenhaft beantwortet haben, wenngleich die Aussagen der Schüler anonym blieben. Hinzu kommt, dass die vom Lehrer ausgearbeiteten Fragebögen von ihm und seinen Vorstellungen, ob bewusst oder unbewusst, entscheidend geprägt sind. Dies ist in dem Sinne zu verstehen, dass die Schüler immer nur auf die vom Lehrer gestellten Fragen antworten, welche weitere mögliche Anmerkungen von Seiten des Schülers gar nicht erst zulassen. Demnach spiegeln die von mir zuerst aufgesetzten Aussagen zur Arbeitsmappe, welche die Schüler mit einem „stimmt“ oder „stimmt nicht“ beantworten sollen, Kritikpunkte wieder, die mir persönlich besonders am Herzen lagen und um deren Aufklärung ich bemüht war. Dem Schüler war jedoch vielleicht daran gelegen, seine Meinung zu ganz anderen Punkten in 49

Bezug auf die Arbeitsmappe zu äußern. Um meine Fragebögen so offen wie möglich zu halten, habe ich also nicht nur Aussagen präsentiert, die zu bejahen bzw. zu verneinen waren, sondern ich habe auch offenere Fragen gestellt, deren Beantwortung umfassendere Erklärungen von Seiten des Schülers erforderte (z.B. „Was hast du als positiv/negativ an Inhalt und Struktur der Arbeitsmappe empfunden?“, „Sonstiges“, usw., siehe Anhang S.97100). Selbstverständlich war es für die Schüler einfacher nur „stimmt“ oder „stimmt nicht“ anzukreuzen und für mich genauso eindeutige Kreuzchen zu evaluieren.

Wenngleich man sich mit den von mir zu Rate gezogenen Quellen - ob subjektive Beschreibung, Notendurchschnitte, Feedbacks oder Reflexions- und Autoevaluationsbögen also nicht ohne den nötigen kritischen Verstand auseinandersetzen sollte, so erscheinen diese in meinen Augen doch als die aussagekräftigsten Materialien zur Bewertung meines Projekts. In den kommenden Kapiteln werde ich mich immer wieder auf diese Quellen berufen, um das Gelingen des Projekts in bestimmten Bereichen (wie z.B. Motivation der Schüler, Aneignung von bestimmten Sachkenntnissen und Kompetenzen, Vor- und Nachbereitung der Rallye, usw.) zu hinterfragen.

2.4.2 Motivation und Arbeitseifer der Schüler Motivation wird oft allgemein als die „Bereitschaft zu lernen“42 definiert. Meiner Meinung nach, stellt die Motivation, die mit einem positiven, offenen und verlangenden Gemütszustand gleichzusetzen ist, einen absolut notwendigen Bestandteil für das Gelingen eines jeden Projekts dar. Die Motivation steht am Anfang eines jeden Projekts und muss sich wie ein Leitfaden durch den gesamten Unterricht ziehen, damit er Früchte tragen kann. Selbstverständlich sind wir alle bloß Menschen, die irgendwann ihre von der Natur gegebenen, innewohnenden Grenzen erreichen, deshalb können weder Schüler noch Lehrer allzeit höchst motiviert sein. Dennoch habe ich mir erhofft, meine Schüler von Anfang an für dieses Projekt gewinnen zu können.

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Handbuch Unterricht, ARNOLD K.-H., SANDFUCHS U., WIECHMANN J., Bad Heilbrunn, Verlag Julius Klinkhardt, 2e édition, 2009, S.429

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Und tatsächlich, als ich den Schülern das Projekt zu Beginn des Schuljahres vorstellte, zeigten sie sich auf beiden Klassen äußerst angetan. Mehrfach fielen Bemerkungen wie „Mit diesem Projekt ist es ja einfach, sich Punkte zu sichern“, „Ich werde eine besonders gute Note erhalten“ oder „Ich werde auch wirklich alle Zusatzaufgaben erledigen“. Als ich den Schülern in der folgenden Schulstunde die Arbeitsmappen austeilte, schienen sie ebenfalls begeistert und bezeichneten das Dossier mit seinen Aufgaben und Darstellungstexten als „interessant“, „schön gestaltet“ und „abwechslungsreich“. Ich bin der Meinung, dass die Motivation der Schüler tatsächlich ernst gemeint und nicht etwa vorgespielt war. Besonders meine 8e-Schüler haben auch schon in anderen Fächern durch einen außergewöhnlich großen anfänglichen Elan auf sich aufmerksam gemacht. Mit großer Begeisterung haben beide Klassen eine Woche lang in der Schule während der Mittagspause selbstgemachte Waffeln bzw. Pfannkuchen verkauft, um den Ausflug und ihre Arbeitsmappe finanzieren zu können. Besonders auffällig war der Wettstreit zwischen zwei Banknachbarn der 8e, so schnell wie möglich alle Zusatzaufgaben zu lösen. Die beiden Jungen, die allgemein sehr fleißig und gewissenhaft sind, suchten mich immer wieder zu Beginn oder gegen Ende einer Schulstunde auf, um zu fragen welche Zusatzaufgaben sie noch erledigen konnten, da sie alle vorigen Arbeiten schon verrichtet hatten. Dieser Arbeitseifer begeisterte mich natürlich sehr und ich lobte die Schüler dementsprechend. Ich muss jedoch zugeben, dass es vorkam, dass ich den Schülern keine zusätzlichen Aufgaben mehr in der Arbeitsmappe geben konnte, ehe wir nicht die nötigen Erklärungen zum Thema im Unterricht gegeben hatten. Diese beiden Schüler arbeiteten demnach schneller als der Rest der Klassengemeinschaft.

Allgemein schien der gewünschte Arbeitseifer zu Beginn des Trimesters jedoch auszubleiben. Jedenfalls entsprach er nicht meinen Erwartungen. Die meisten Schüler erledigten zwar gewissenhaft ihre Pflichtaufgaben, doch dauerte es sehr lange bis mir die ersten Zusatzaufgaben zukamen bzw. hatte ich das Gefühl, dass einige Schüler sich nicht die Mühe gaben, die man hätte von ihnen erwarten können. Besonders auffällig war, dass auch wenn viele Schüler sich zu Beginn nicht mit dem erhofften Eifer den Zusatzaufgaben widmeten, sie sich im Unterricht dagegen immer noch sehr motiviert zeigten und sich aktiv beteiligten. Tatsächlich bestätigen auf meiner 8e 11 von 20 Schülern im Feedback die Anmerkung „Ich habe mir beim Lösen der Zusatzaufgaben nicht besonders viel Mühe gegeben.“, nur 5 Schüler weisen sie zurück und 4 sind geteilter Meinung. Auf meiner 6e stimmen jedoch nur 2 von 18 Schülern dieser Aussage zu, 12 verneinen sie und 4 sind geteilter Meinung. Dabei geben zwei 51

Schüler in der Rubrik „Bewertungskriterien und Punkteverteilung“ (siehe Anhang S.97-100) an, dass sie die Zusatzaufgaben als motivierend empfanden, da diese ihnen die Möglichkeit boten, ihren Notendurchschnitt zu verbessern. Ein Schüler schreibt: „Die Zusatzaufgaben sollten ein wenig mehr Punkte geben, denn man schreibt eine Seite voll und bekommt vielleicht einen Punkt“. Diese Aussage ist, meiner Meinung nach, absolut nachvollziehbar. Zwei weitere Schüler stimmen dem auch zu, während fünf Schüler klar hervorheben, ihrer Meinung nach seien zu viele Punkte auf die Zusatzaufgaben gesetzt worden. Es wäre interessant herauszufinden, inwieweit die Forderungen der Schüler nach mehr bzw. weniger Punkten auf diesen fakultativen Aufgaben durch ihren Arbeitseifer und den tatsächlich erzielten Notendurchschnitt auf diesem Bewertungskriterium zu erklären sind (was jedoch nicht möglich ist und sein soll, weil die Feedback-Bögen ja anonym ausgefüllt wurden).

Wie sollte ich mir diesen mangelnden Arbeitseifer (trotz Motivation) also erklären? Zuerst einmal hatte ich den Eindruck, dass eine gewisse Anzahl an Schülern zu Beginn nicht mit dem nötigen Ernst an das Erstellen der Arbeitsmappe heran ging, obwohl ich mehrmals darauf hingewiesen hatte, dass ich das Dossier als zweite Note neben der traditionellen Klassenarbeit bewerten würde. Tatsächlich geben auf meiner 8e 9 von 20 Schülern zu: „Ich habe die Arbeit mit der Arbeitsmappe zuerst nicht sehr ernst genommen“, 8 Schüler stimmen dieser Aussage nicht zu, 3 sind geteilter Meinung. Auf der 6e bejahen 5 von 18 Schülern diese Aussage, 6 verneinen sie und 7 sind geteilter Meinung. Außerdem wurde mir immer klarer, dass viele Schüler nicht richtig wussten, wie sie sich organisieren sollten, da dieses selbständige differenzierte Arbeiten ja noch ganz neu für sie war. Sie waren es gewohnt für einen bestimmten Tag eine bestimmte Hausaufgabe aufgetragen zu bekommen. Dies war in Bezug auf die Pflichtaufgaben ja immer noch der Fall. Was nun aber die Zusatzaufgaben anging, hatte ich den Schülern zu Beginn des Schuljahres eigentlich nur erklärt, sie müssten bis Ende des Trimesters so viele Zusatzaufgaben wie nur möglich erfolgreich lösen, um die volle Punktzahl auf diesem Bewertungskriterium erhalten zu können. Auch diese Annahme meinerseits hat sich wenigstens zum Teil bestätigt. Auf der 8e geben nämlich 14 Schüler an: „Am Anfang wusste ich nicht so richtig wie ich mich organisieren soll.“, 5 Schüler scheinen keine Probleme damit gehabt zu haben und 1 Schüler ist geteilter Meinung. Auf der 6e stimmen 7 Schüler der Äußerung zu, während 11 Schüler sie zurückweisen. Die Aussage „Ich ziehe es vor, wenn man mir ganz klar sagt für wann ich welche Hausaufgabe zu lösen habe. Das Konzept der Zusatzaufgaben gefällt mir nicht.“ wird

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auf 8e und 6e von jeweils 7 Schülern bejaht, von 10 bzw. 6 zurückgewiesen und 2 bzw. 5 Schüler sind geteilter Meinung. Ich bin mir heute bewusst, dass ich das selbständige Arbeiten meiner Schüler durch präzisere Informationen von Anfang an hätte besser unterstützen können. Diese fehlten mir jedoch zu Beginn selbst noch, da dieses Projekt ja auch von mir zum ersten Mal in der Praxis umgesetzt wurde. So hatte ich zwar, dank meiner Trimester-Planung, eine vage Idee, jedoch konnte ich nicht genau sagen, wann wir welches Kapitel in der Arbeitsmappe in Angriff bzw. abschließen würden. Auch entschied ich im Laufe des Trimesters erst definitiv mit welchen Darstellungstexten ich mich auf welcher Klasse beschäftigen würde und welche Aufgaben ich zu Pflichtaufgaben bzw. fakultativen Aufgaben machen würde. Davon abhängig wie gut ich auf einer Klasse mit dem Programm in der Zeit lag und wie ich ihr Niveau einschätzte, habe ich diese Entscheidungen erst im Laufe des Trimesters definitiv getroffen. Ich wollte mich den Bedürfnissen und Interessen der Schüler sowie dem Zeitrahmen so gut wie möglich anpassen und nicht nur stur einen im Voraus aufgesetzten Lernplan durchzwängen. Dies führte jedoch dazu, dass ich den Schülern nicht von Anfang an für das ganze Trimester klar angeben konnte, welche Aufgaben Pflicht und welche fakultativ waren, sondern, dass sie immer in Abständen von zwei bis drei Wochen für das kommende Kapitel zusätzliche Angaben erhielten. Man könnte hier entgegnen, dass dies ja eigentlich nicht weiter schlimm sei, da es bei vielen Aufgaben wenig Sinn macht, wenn sie schon in Angriff genommen werden, noch ehe das Kapitel tatsächlich in der Klasse durchgenommen wurde. Jedoch präzisierte ich auch erst nachdem das Projekt in seine zweite Hälfte ging, dass die Schüler zehn gute Zusatzaufgaben lösen mussten, um die zehn Punkte, die darauf angesetzt waren, zu erhalten. Das im Laufe der vorigen Wochen erledigte Arbeitspensum hatte mir nämlich gezeigt, dass diese Anzahl an Aufgaben mit dem nötigen Fleiß bis zu Trimesterende realistisch zu erledigen war. Die Schüler hätten sich also möglicherweise durch präzisere Angaben meinerseits von Anfang an besser organisieren können. Meine Schüler scheinen diese späten Präzisierungen jedoch nicht als ganz so schlimm empfunden zu haben. Tatsächlich geben auf der 8e immerhin noch 7 Schüler an: „Am Anfang verstand ich nicht so richtig, was der Lehrer/die Lehrerin in Bezug auf die Zusatzaufgaben von mir erwartete.“, 11 Schüler stimmen dem nicht zu, 2 sind geteilter Meinung. Auf der 6e bejahen 7 von 18 Schülern diese Aussage, 8 stimmen ihr nicht zu und 3 sind geteilter Meinung. Die Erfahrungen, die ich im Laufe dieses ersten Versuchs gesammelt habe, werden es mir auf jeden Fall ermöglichen, ähnliche Projekte in Zukunft vorausschauender zu planen.

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Nachdem ich nun aber einmal auf diese Schwierigkeiten getroffen war, welche Maßnahmen konnte ich noch nehmen, um den Arbeitseifer meiner Schüler anzufachen? Zuerst einmal habe ich die Schüler mehrfach an die Zusatzaufgaben erinnert, die sie noch bis Trimesterende zu erledigen hatten und ich habe sie darauf hingewiesen, dass sie besser täten, sich die Arbeit über die bevorstehenden Wochen aufzuteilen, um zu vermeiden gegen Ende, mitten in der Prüfungszeit, in unnötigen Stress zu geraten. Ich habe die Schüler auch direkt auf ihren mangelnden Fleiß angesprochen und sie nach dem Grund gefragt. Sie versicherten mir, immer noch motiviert zu sein und Gefallen an diesem Projekt zu finden. Doch hätten sie so viele Hausaufgaben, dass sie nie dazu kämen, Zusatzaufgaben zuhause zu lösen. Die Eintragungen im Klassenbuch und meine Gespräche mit anderen Lehrern bestätigten mir, dass dies doch sehr übertrieben war. Dabei will ich überhaupt nicht anzweifeln, dass verschiedene Schüler diese Aussage ernst nahmen, wenngleich es sich bei den meisten doch wohl eher um eine Ausrede handelte. Wir haben vor allem auf meiner 8e im Rahmen einer Tutoratsstunde lange darüber diskutiert, wie man sich als Schüler besser organisieren könnte, um ganze Berge an Arbeit dennoch erfolgreich zu meistern. Und auch auf 6e wurde dieses Problem ausdiskutiert, wenn auch weniger lang und intensiv. Da meine gut gemeinten Ratschläge zum Teil jedoch immer noch auf taube Ohren stießen, habe ich zusätzlich drei obligatorische Abgabetermine im Laufe des Trimesters eingeführt. Natürlich hatten die Schüler immer noch die Möglichkeit, mir ihre Arbeitsmappen zu jedem beliebigen Zeitpunkt freiwillig abzugeben und ein schriftliches Feedback dazu zu erhalten. Doch nun gab es zusätzlich drei Termine vor dem endgültigen Abgabetermin, an denen ich jede Arbeitsmappe provisorisch zu ihrem aktuellen Stand bewerten würde. Ich musste meine Schüler demnach etwas unter Druck setzen, doch trug diese Initiative langsam aber sicher in den meisten Fällen ihre Früchte. Vielen Schülern wurde, dank der von mir auf dem Bewertungsbogen eingetragenen Noten und Kommentare, im Laufe der Wochen immer klarer, dass sie nun wirklich Gas geben mussten, wenn sie bei diesem Projekt gut abschneiden wollten. Die Tatsache, dass jeder Zwischenstand auf dem Bewertungsbogen von den Eltern in Kenntnis zu nehmen und zu unterzeichnen war, hat dem einen oder anderen Schüler möglicherweise zusätzlich ins Gewissen geredet. Bei einigen Schülern ließ die Einsicht leider zu lange auf sich warten und sie gerieten in den letzten Wochen des Trimesters so sehr unter Prüfungsstress, dass es für sie nicht mehr möglich war, den Rückstand aufzuholen und eine Arbeit abzugeben, die ihr eigentliches Potential auch reell wiedergespiegelt hätte. Demnach bestätigen in ihrem Feedback auch 16 8e-Schüler den Satz „Ich wäre weniger unter Zeitdruck 54

geraten, hätte ich eher mit dem Lösen der Zusatzaufgaben angefangen.“, 3 Schüler dementieren ihn, einer ist geteilter Meinung. Auf der 6e stimmen 9 Schüler dieser Aussage zu, 3 verneinen sie kategorisch und 6 sind sich unschlüssig. Für mich waren diese provisorischen Abgabetermine ganz klar immer mit zusätzlichem Stress verbunden, da ich zusätzlich zu meinen anderen Pflichten innerhalb von einer Woche noch zwanzig Arbeitsmappen verbessern musste. Ich konnte es mir nicht leisten die Arbeitsmappen länger zu behalten, denn im Gegensatz zu einem Prüfungsbogen oder einem einzelnen Arbeitsblatt, waren die Schüler ja zu jeder Geschichtsstunde auf ihre Arbeitsmappe angewiesen, um den Unterricht fortsetzen zu können. In zukünftigen Projekten werde ich mich, dank der gewonnenen Erfahrungen, besser organisieren können und von Anfang an solche obligatorischen Abgabetermine einführen mit dem Ziel, die Schüler in ihrem selbständigen Arbeiten mit größerer Konsequenz und Regelmäßigkeit begleiten zu können. Auf meiner 8e ließ die Einsicht vieler Schüler so lange auf sich warten, dass mir immer banger wurde um ihren Notendurchschnitt. Ich fragte mich, ob ich sie mit meinem Projekt, einer Art von Lernen, die sie bisher noch nicht kannten, vielleicht doch zu sehr überforderte. Da ich zum Schulanfang nur eine traditionelle Klassenarbeit neben der Arbeitsmappe festgelegt hatte, dies laut nationalem Bildungsprogramm jedoch nur die minimale Anzahl an Klassenarbeiten im „cycle inférieur“ des „enseignement secondaire technique“ ist 43, habe ich den Schülern im Laufe des Trimesters also vorgeschlagen, eine zweite traditionelle Klassenarbeit festzulegen, was sie erstaunlicherweise nach etwas Überlegen und Auswägen des dafür und dagegen auch sehr dankbar annahmen. Tatsächlich ist es den allermeisten Schülern dieser Klasse jedoch in den letzten Wochen dennoch gelungen eine gute, in mehreren Fällen sogar sehr gute, Arbeitsmappe abzuliefern, sodass diese zusätzliche Klassenarbeit im Nachhinein gar nicht nötig gewesen wäre (siehe Anhang S.107).

Gegen Ende des Projekts sprechen sich 2 von 38 Schülern gegen das Konzept der Arbeitsmappe als Lernweg-Portfolio aus: „Ich finde es nicht so gut, dass wir eine Mappe ausfüllen mussten.“ und „Die Idee der Mappe war nicht so gut.“. Ansonsten liest man auf dem Feedback-Bogen, gewöhnlich in der Rubrik „Sonstiges“, jedoch eher Bemerkungen wie „(sehr) interessant“ (4 Schüler), „Der Geschichtsunterricht ist interessanter geworden.“, „Insgesamt macht es mehr Spaß mit einer Arbeitsmappe zu arbeiten.“, „Sehr toll, es war mal 43

http://portal.education.lu/programmes/ProgrammeSecondaire.aspx#la-210756-20132014#la-210756-20132014 (07.04.14)

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was anderes“, „Alles in allem war es aber sehr gut gelungen.“, „Man hatte dann mehr Motivation, weil man gesehen hat, dass man viele Punkte bekommt.“, „Ich fand die Arbeitsmappe gut, weil es eine neue Art und Weise war Punkte zu sammeln.“, „Es hat mir gefallen dieses Projekt zu machen“, „Ich habe die Idee mit der Arbeitsmappe gut gefunden, es war sehr gut und schön gemacht. Bin froh an diesem Projekt mitgemacht zu haben“, „Es ist ein sehr tolles Projekt“, „Im Großen und Ganzen fand ich die Arbeitsmappe ein sehr gutes Projekt“ und sogar „Die Arbeitsmappe war für mich eigentlich ganz gut. Ich habe gar nichts zu meckern […] Ich gebe 9,5 Punkte von 10, denn es wäre toll farbig, aber ist nicht so eins was muss sein.“

Im Laufe dieses Projekts ist mir klar geworden, dass die wahre Herausforderung nicht etwa darin liegt, die Schüler für etwas zu motivieren, sondern ihre Motivation über einen längeren Zeitraum hinweg, in Bezug auf ein bestimmtes Projekt zu halten, vor allem wenn ein gewisser Arbeitsaufwand damit verbunden ist. Ein möglicherweise nachlassender Arbeitseifer ist in diesem Falle nur menschlich. In diesem Sinne schreibt auch eine Lehrerin aus dem LCE über ihre Erfahrungen mit einer 6e moderne: „Am Anfang waren die Schüler sehr motiviert. Sie haben die meisten Aufgaben eher gut gelöst. Im Laufe des Trimesters waren die Schüler aber eher unmotiviert. Der letzte Teil der Mappe wurde also gemeinsam in der Klasse gelöst. Einige Aufgaben dienten als Hausaufgabe. Ich denke, dass das Projekt etwas langwierig bei der Klasse war.“ (siehe Feedback-Bogen für den Lehrer im Anhang S.101-105). Meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass eine gewisse Strukturierung und Unterstützung von Seiten des Lehrers hilfreich und auch notwendig sind, damit der Schüler das Gefühl nicht bekommt, mit einem riesigen Arbeitspensum allein gelassen zu werden, ohne zu wissen was genau von ihm erwartet wird und, wie er sich organisieren soll.

2.4.3 Ein verantwortungsvolles und selbständiges Lernen Wie aus dem vorigen Kapitel schon klar hervorgegangen ist, setzt ein verantwortungsvolles und selbständiges Arbeiten der Schüler eine gewisse Strukturierung von Seiten des Lehrers voraus. Vor allem jüngere Schüler müssen zuerst einmal lernen, sich zu organisieren. Dafür brauchen sie innerhalb eines Projekts klare Richtlinien, regelmäßige Feedbacks und kontinuierlichen Beistand. Wenngleich der nötige Arbeitseifer oft nicht ohne die Ausübung

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eines gewissen Drucks von Seiten des Lehrers (siehe Abgabetermine, Bewertungen und Kommentare) aufrecht erhalten bleiben kann, heißt dies jedoch nicht, dass der Schüler dadurch um die Selbständigkeit seiner Arbeit betrogen wird. Im Rahmen dieses Projekts haben die Schüler immer noch selbst ausgewählt, wann sie, wie viele und welche Zusatzaufgaben machen würden. Ich muss im Nachhinein jedoch zugeben, dass eine größere Auswahl an Zusatzaufgaben das Herstellen von individuellen Arbeitsmappen, die Interessen, Stärken und Schwächen des einzelnen Schülers wiedergeben, zusätzlich gefördert hätte.

Zweifellos war das Erstellen dieser Arbeitsmappe mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden. Tatsächlich geben im Feedback 9 von 20 8e-Schülern an: „Dieses Projekt zur Arbeitsmappe war viel zeit- und arbeitsaufwendiger, als ich es aus dem traditionellen Unterricht gewohnt bin.“, 5 stimmen dem nicht zu, 6 sind geteilter Meinung, wovon einer präzisiert, dass dies abhängig davon sei, wie gut man sich organisiere. Auf 6e stimmen dagegen nur 3 von 18 Schülern dieser Aussage zu, 8 sind entgegengesetzter Meinung und 7 wissen nicht so recht. In ihrem persönlichen Feedback geben 2 Schüler sogar an, die zur Verfügung gestellte Zeit hätte nicht ausgereicht, um am Portfolio arbeiten zu können, 7 Schüler sagen genau das Gegenteil, einer schreibt, er hätte es vorgezogen mehr während der Unterrichtsstunden an der Mappe arbeiten zu können.

Ohne eine gewisse Menge an Fleiß war es demnach kaum möglich, eine gute Note auf die Arbeitsmappe zu bekommen. Wie schon angedeutet, konnte der Schüler nur 10 von 10 Punkten auf den Zusatzaufgaben erhalten, wenn er, zusätzlich zu den Pflichtaufgaben, von sich aus zuhause noch mindestens 10 Aufgaben aus der Arbeitsmappe erfolgreich löste. Aber auch das Verbessern der einzelnen Aufgaben setzt eine gewisse Portion an Fleiß bzw. Gewissenhaftigkeit voraus. In diesem Sinne ist die Arbeitsmappe, eingesetzt als Lernweg-Portfolio, meiner Meinung nach, eine viel sichere Möglichkeit, eine gute Note zu bekommen, als eine gewöhnliche Klassenarbeit (siehe Resultate im Angang S.107). Vorausgesetzt natürlich, dass man sich entsprechend Mühe gibt und zuhause verantwortungsvoll und autonom am Projekt arbeitet. Tatsächlich halten im Feedback 13 von 20 8e-Schüler fest: „Die Arbeit mit der Arbeitsmappe stellte eine Möglichkeit dar, einfach und sicher eine gute Note zu erhalten.“, 4 Schüler stimmen dem nicht zu und 3 sind sich nicht sicher. Auf der 6e bejahen 12 von 18 Schülern diese Anmerkung, 3 verneinen sie und 3 sind geteilter Meinung. Trotz dieser doch recht deutlichen Aussage, geben auf der 8e nur 10 Schüler an: „Ich bin sehr zufrieden mit meinem 57

Resultat.“, 4 sind nicht dieser Meinung und 6 sind unschlüssig. Auf der 6e zeigen sich 7 Schüler zufrieden mit ihrem Resultat, 3 unzufrieden und 8 haben gemischte Gefühle. Woran kann es also liegen, dass auf beiden Klassen mehr als die Hälfte der Schüler der Meinung ist, die Arbeitsmappe böte eine gewisse Erfolgsaussicht, schlussendlich jedoch bedeutend weniger mit dem erzielten Resultat zufrieden sind? Eine mögliche Erklärung finden wir darin, dass 2 Schüler der Meinung sind, ich hätte sehr streng abgezogen. Interessant ist jedoch auch zu vermerken, dass auf 8e 12 Schüler zugeben: „Allgemein hätte ich besser abgeschnitten, hätte ich mir mehr Mühe gegeben.“, nur 6 stimmen dem nicht zu und 2 sind geteilter Meinung. Auf 6e pflichten immerhin noch 5 Schüler dieser Aussage bei, 7 verneinen sie und 6 sind geteilter Meinung. Natürlich kann man diese Statistik in Frage stellen, indem man anmerkt, dass diese Frage nur mit ja beantwortet werden kann, da es fast immer möglich ist sich mehr Mühe zu geben. Gleichzeitig ist es aber auch enttäuschend zu erfahren, wie viele Schüler möglicherweise unter ihrem Niveau arbeiten, bzw. es in diesem Fall zu Beginn getan haben, als sie das Projekt noch nicht sehr ernst nahmen.

Das Konzept des Lernweg-Portfolios missfiel sicherlich dem Schüler, der von Natur aus eher faul ist, kaum für Klassenarbeiten lernt, dank seines breiten Allgemeinwissens und seiner Intelligenz dennoch immer relativ gute Noten erhält. Anderen, auch schwächeren Schülern konnte die Arbeitsmappe jedoch eine Möglichkeit bieten, ihren Notendurchschnitt mit dem nötigen Arbeitseinsatz bedeutend zu verbessern. In diesem Sinne habe ich einen meiner 6e-Schüler mehrfach darauf aufmerksam gemacht, die ihm dargebotene Chance zu ergreifen. Dieser Schüler hatte schon auf 7e einen „travail de révision“ in Geschichte erhalten und hatte sich in diesem Examen erneut eine Ungenügende, eine 23, für das erste Trimester aufgehalst. Seine schlechten Noten gehen zum großen Teil darauf zurück, dass er französischsprachig ist, erst vor kurzem in Luxemburg eingeschult wurde und deshalb enorme Schwierigkeiten hat, deutsche Texte zu verstehen sowie sich in dieser Sprache exakt auszudrücken. Ihm bzw. seinen Eltern ist aus diesem Grund schon mehrfach von der Lehrergemeinschaft angeraten worden, auf eine französischsprachige Klasse in eine andere Schule zu wechseln. Verständlicherweise kann es sehr demotivierend für diesen Jungen sein, trotz seiner regelmäßigen Nachhilfestunden, nur sehr langsam Fortschritte im Deutschen zu machen und so viel länger an deutschen Texten zu sitzen als seine Klassenkameraden. Dennoch sind sowohl seine Deutschlehrerin als auch ich der Meinung, dass seine schlechten Noten in unseren Fächern nicht nur auf seine Sprachprobleme, sondern auch auf einen gewissen Mangel an Fleiß, zurückzuführen sind. Das 58

Dossier, an dem der Junge im Rahmen seines „travail de révision“ über den ganzen Sommer hätte arbeiten können, hat diese Annahme erneut bestätigt. In den Klassenarbeiten hat er oft das Problem, dass er Fragen nicht richtig versteht oder nicht die richtigen Worte findet, um sie zu beantworten. Leider hat er sich auch ganz oft nicht gut genug auf die Klassenarbeit vorbereitet. Ich habe dem Jungen klarzumachen versucht, dass die zuhause zu verrichtenden Pflicht- und Zusatzaufgaben es ihm erlauben würden, sich die nötige Zeit zu nehmen, mithilfe eines Wörterbuchs die gestellten Fragen detailliert zu beantworten. Ich habe ihm, wie auch den anderen Schülern, erklärt, dass ich bei Fragen jederzeit zur Verfügung stehen würde. Und ich habe diesen Jungen ermahnt, sich Mühe zu geben, ansonsten könnte es schwierig werden im Endresultat eine Genügende zu erhalten. Schlussendlich hat er 36 Punkte auf seiner Arbeitsmappe erhalten. Diese Note war besser als jede Note, die er bisher in einer Klassenarbeit im Fach Geschichte erzielt hatte. Dennoch war dies bei einem Notendurchschnitt von 42,9 P. die viertschlechteste Note auf dieser Klasse. Man kann nicht behaupten, dass der Junge sich überhaupt keine Mühe gegeben hätte, dennoch war ich enttäuscht, da er die Chance nicht wirklich genutzt hatte, sich ein gewisses Polster für die nächsten beiden Trimester anzulegen. Allein die Tatsache, dass er keine 10 Zusatzaufgaben gemacht hat, zeigt, dass er sich nicht genug angestrengt hat. Nachdem er im „travail de révision“ 23, in der Arbeitsmappe 36 und in der Klassenarbeit 29 P. erhalten hatte, sollte er mit einem Trimesterdurchschnitt von gerade mal 30 Punkten abschneiden. Endlich einmal hatte er eine Genügende in Geschichte erzielt, fraglich bleibt jedoch, ob es ihm gelingen wird diese bis Jahresende zu halten. Der Junge selbst erklärt sich in seinem Autoevaluationsbogen die bessere Note auf der Arbeitsmappe dadurch, dass „In der Arbeitsmappe hat man weniger zu lernen als in einer Prüfung und in einer Prüfung verstehe ich einmal Fragen nicht.“ Er gibt zu: „Ich konnte viel mehr Punkte haben in den Zusatzaufgaben, wenn ich mich mehr Mühe geben sollte.“ Besondere Schwierigkeiten hätten ihm laut eigenen Angaben die „Analysen von Text und bildliche Quellen“ bereitet, weil „ich wusste nicht genau was schreiben“ und „ich es nicht verstehen“. Zur Frage, was nächstes Mal besser gemacht werden könnte, gibt er an: „Ich könnte das Bild besser beschreiben, und der Text, wenn ich jemanden fragt“. Auf meiner 8e fiel ein Junge dadurch auf, dass er mit dem Konzept der Arbeitsmappe nicht zurechtzukommen schien. So schreibt er auch in seinem Autoevaluationsbogen besondere Schwierigkeiten bei der Arbeit mit der Arbeitsmappe hätte ihm „das daran Gewöhnen am Anfang“ bereitet. Ich hatte ihn in einer Geschichtsstunde einmal zur Seite genommen, um ihm Ratschläge zu geben, wie er sich besser organisieren könnte und ihn zu ermahnen, sich mit den Zusatzaufgaben zu beeilen. Daraufhin zeigten sich tatsächlich langsam aber sicher 59

bedeutende Verbesserungen, sodass der Schüler schlussendlich noch 40 P. erzielte. In der Autoevaluation erklärt er seine anfänglichen Schwierigkeiten jedoch dadurch, dass „ich faul bin“. Er schreibt, um es nächstes Mal besser zu machen, müsste er „die Sache sofort ernst nehmen.“ Mein größtes Sorgenkind war jedoch ein anderer Junge, ebenfalls auf 6e. Dieser Schüler, den ich noch nicht von 7e her kannte, hatte die ersten Wochen gefehlt, da er an einem Film als Hauptdarsteller mitgedreht hatte. Als er in unsere Klasse kam, forderte ich ihn auf schnellstmöglich alles Versäumte in die Arbeitsmappe einzutragen. Ich akzeptierte keine Kopien, da diese Arbeitsmappe ja als Ganzes evaluiert werden sollte und ihm das Abschreiben außerdem die Möglichkeit geben würde, sich mit der Problematik auseinanderzusetzen. Als besagter Schüler für die kommende Unterrichtsstunde noch nicht alles aufgearbeitet hatte, zeigte ich noch Verständnis, da er ja tatsächlich jetzt in mehreren Fächern so Einiges nachzuholen hatte. Doch auch in den kommenden Wochen sah seine Arbeitsmappe immer noch nicht aus wie sie sollte. Schnell durchschaute ich den Jungen als einen sehr intelligenten, im Unterricht sehr aktiv partizipierenden, sogar wirklich interessierten, jedoch recht faulen Schüler, der diese Arbeitsmappe nicht sehr ernst zu nehmen schien und es gewohnt war, ohne sich großartig anzustrengen, zufriedenstellende Noten zu erhalten. Nachdem weder Zureden, noch Ermahnen, weder eine Strafe noch die schlechte Note beim ersten provisorischen Abgabetermin dem Junge Beine machten, sah ich mich schlussendlich gezwungen, die Eltern über seine Einstellung zur Arbeit ins Bild zu setzen und den Jungen einmal nachmittags nachsitzen zu lassen, um alles Versäumte aufzuarbeiten. Schließlich hatte der Junge alles nachgeschrieben. Doch in den kommenden Wochen sollte er mehrmals fehlen, das gleiche Problem stellte sich erneut. Schlussendlich überreichte er mir zum letzten endgültigen Abgabetermin eine Arbeitsmappe, die nicht vollständig war, überhaupt keine Zusatzaufgaben enthielt, von der Präsentation her zu wünschen übrig ließ, kaum Verbesserungen vorzeigte und auch von den Pflichtaufgaben her nicht glänzte, sodass ich dem Jungen nicht mehr als 10 Punkte auf sein Dossier geben konnte. Zusammen mit einer 42 in der Klassenarbeit, ergab dies dann eine Trimester-Note von 25. Dieser Junge hatte sich nicht mit dem Konzept einer Arbeitsmappe anfreunden können und wollen. Dies stellte für mich eine große Niederlage dar und ich fragte mich, wie ich das Eskalieren dieses Problems hätte verhindern können. Dieser spezifische Fall zeigt uns ganz deutlich, dass ein LernwegPortfolio wie dieses, wenngleich es auch von vielen Schülern laut Feedback als Chance angesehen wird, nicht jedermanns Sache ist.

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Auf jeden Fall, stellt dieses Lernweg-Portfolio eine etwas andere Methode dar, die Kompetenzen der Schüler zu überprüfen und zu bewerten. Ich würde es jedoch nicht allein, sondern immer nur im Zusammenhang mit einer klassischen Prüfung einsetzen, um allen Schülern die gleichen Erfolgsmöglichkeiten zu bieten.

Wenngleich eine gewisse Portion an Fleiß bei diesem Projekt, vielmehr als bei jeder traditionellen Klassenarbeit, also unbedingt nötig war um gut abzuschneiden, so war dies natürlich nicht die einzige Voraussetzung. In den Rubriken „Inhalt“ und „Zusatzaufgaben“ (Qualität), also für 40 Punkte, wurden schließlich die tatsächlichen Kompetenzen der Schüler evaluiert. Auch konnte das Erkennen der eigenen Stärken und Schwächen bedeutend auf die Note einwirken. Wie schon mehrfach angedeutet, sollten die Verbesserungen der Aufgaben durch die Schüler sowie meine Feedbacks ihnen bewusst machen, an welchen Punkten sie noch arbeiten sollten bzw. was sie schon sehr gut beherrschten und verhindern, dass sie die gleichen Fehler noch einmal machten.

Zu diesem Zweck mussten die Schüler Verantwortung übernehmen und lernen, sich selbst zu organisieren, entsprechend ihren Möglichkeiten und Bedürfnissen. Ob nun Zusatz- oder Pflichtaufgabe, einen nicht geringen Anteil der Arbeit an der Arbeitsmappe verrichteten die Schüler selbständig zuhause. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie überhaupt nicht auf Hilfe zurückgreifen durften. Wie schon im Kapitel 2.2.5 erwähnt, sollte dieses Projekt den Schülern dabei helfen, sich eine spezifische Methodik für das Erwerben von fundiertem Wissen im Umgang mit Nachschlagewerken und dem Internet anzueignen. Das Lösen verschiedener Aufgaben setzte tatsächlich eine Recherche voraus (siehe z.B. Aufg. b) S.36, in welcher der Schüler Blide und Rammbock auf Bildern wiedererkennen und deren Funktionsweise erklären soll ohne, dass im Unterricht je davon gesprochen wurde). Weitere Aufgaben verlangten, dass die Schüler auf ihr Geschichtsbuch, eine gewisse Internetseite oder ihren Atlas zurückgreifen mussten, um bestimmte Fragen beantworten zu können. Und zuletzt ist es für Schüler dieses Alters auch kaum möglich, die lateinischen Texte in der Arbeitsmappe exakt ins Deutsche zu übersetzen, ohne gewisse Begriffe zuvor in einem Wörterbuch nachgeschlagen zu haben. In jedem dieser Fälle verlangte ich von meinen Schülern, dass sie ihre Quellen präzise angaben. Damit bezweckte ich sie weiter in die Methodik der Recherche einzuführen, gleichzeitig erhoffte ich mir aber auch so besser kontrollieren zu können, ob sie nicht einfach irgendwo abschrieben.

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Laut Autoevaluationsbögen haben meine 8e-Schüler im Durchschnitt zu 46,1 % auf Hilfe zurückgegriffen, um die einzelnen Aufgaben in der Arbeitsmappe zu lösen. Meine 6e-Schüler seien dagegen im Durchschnitt nur zu 37,8 % auf Hilfe angewiesen gewesen. Den niedrigsten Prozentsatz gaben zwei 6e-Schüler mit 0 % Hilfestellung an, den höchsten Prozentsatz findet wir ebenfalls auf dieser Klasse mit 90 % Hilfestellung. Im Autoevaluationsbogen wollte ich ebenfalls von meinen Schülern wissen auf welche Art von Unterstützung sie zurückgegriffen hatten. Von 15 8e-Schülern bzw. 13 6e-Schülern, die hierzu genaue Angaben gemacht haben, wurde an erster Stelle und ohne Ausnahme auf Geschichtsbuch, Lexikon, Internet, usw. zurückgegriffen, um die Aufgaben lösen zu können. Als zweite Anlaufstelle werden auf beiden Klassen dicht aufeinander gefolgt die Lehrerin (deren Hilfe von nur 3 Schülern nicht beansprucht wurde) und die Klassenkameraden (die 5 Schüler nicht gebraucht hätten, um ihre Aufgaben zu lösen) genannt. Die Hälfte der Schüler haben eigenen Aussagen nach Eltern, Geschwister oder andere Außenstehende um Hilfe gefragt, diese stellen auch die letzte Anlaufstelle dar. Wie aussagekräftig diese Statistik ist, ist nicht eindeutig zu klären. Zu viele Schüler haben zu dieser Frage keine genauen Angaben gemacht. Wir können auch nicht sicher wissen, ob sie auch immer ganz ehrlich angegeben haben, wieviel Hilfe sie wirklich benötigten. Dennoch geht klar aus diesen Autoevaluationsbögen hervor, dass es nicht möglich war, alle Aufgaben ohne zusätzliche Recherchen im Internet oder der Bibliothek zu lösen. Die Tendenz der Schüler ihre Klassenkameraden um Hilfe zu fragen, wird hier auch sehr deutlich. Und wir erkennen große Unterschiede in der Unterstützung, die die Schüler zuhause erhalten. Sehr erfreut hat mich jedoch zu sehen, dass 18 Schüler in ihrem persönlichen Feedback präzisieren, dass sie sehr zufrieden waren mit meinen Erklärungen. Einer schreibt: „Die Lehrerin hat uns immer alles erklärt, mit uns verbessert und uns geholfen.“, ein anderer: „Die Lehrerin stand immer zur Verfügung da für uns.“ und ein Schüler empfindet die „Zusammenarbeit in der Klasse mit der Lehrerin“ als besonders positiv.

Im Vergleich zu einer traditionellen Klassenarbeit, stellt die Arbeitsmappe als LernwegPortfolio, meiner Meinung nach, richtig eingesetzt ein weitaus effektiveres Instrument zur Förderung des Verantwortungsbewusstseins und der Selbständigkeit des einzelnen Schülers dar. Er muss nicht nur lernen, sich zu organisieren, sondern soll sich ebenfalls, dank der regelmäßigen Feedbacks und Verbesserungen, seiner Stärken und Schwächen bewusst werden und aus seinen Fehlern lernen. Die regelmäßigen Feedbacks von Seiten des Lehrers weisen ihn darauf hin, wo er gerade steht. Es liegt schlussendlich am Schüler, Verantwortung für seine Noten zu übernehmen und selbstständig an seinem Lernfortschritt zu arbeiten. 62

Tatsächlich geben gegen Ende des Projekts 12 8e-Schüler und 10 6e-Schüler an: „Durch diese Arbeit mit der Arbeitsmappe habe ich gelernt, mich besser zu organisieren.“, 5 bzw. 3 stimmen dem nicht zu und 4 bzw. 5 sind geteilter Meinung.

2.4.4

Lernweg-Portfolio und formative Bewertung als Instrumente differenzierten Unterrichtens

Angesichts der zunehmend als unterschiedlich wahrgenommenen Lernvoraussetzungen der Schüler (individuelle Erfahrungs- und Erlebniswelt, kognitive Fähigkeiten, soziale Herkunft, situative Faktoren, usw.), erscheint die Differenzierung des Unterrichts in den letzten Jahren als immer wichtiger, um ihnen eine grundsätzliche Chancengleichheit garantieren zu können. In

diesem

Sinne

gliedern

Unterrichtsdifferenzierung,

Liane

auch

Paradies

innere

und

Hans

Differenzierung

Jürgen

Linser

die

genannt,

in

eine

schulorganisatorische und eine didaktische Differenzierung.

44

Unser Lernweg-Portfolio stellt, entsprechend diesem Schema, ein passendes Instrument zur didaktischen Differenzierung dar, da es den Schülern die Möglichkeit bietet, aufgrund ihrer 44

Handbuch Unterricht, hrsg. v. ARNOLD, Karl-Heinz, SANDFUCHS, Uwe, WIECHMANN, Jürgen, S.263

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spezifischen Interessen und Kompetenzen - ihrer Lernbereitschaft, ihrem Lerntempo und ihrem Lernstil entsprechend -, aus den vorgegebenen Inhalten bestimmte Aufgaben herauszusuchen. Wenngleich das Vorgehen in der Bearbeitung der Lerninhalte also von Schüler zu Schüler variiert, bleibt das Lernziel doch das Gleiche, nämlich der Erwerb von Sach- und Methodenkompetenzen. „Die Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler und die regelmäßige Beobachtung des Lernprozesses bilden die Grundlage für differenzierende Maßnahmen im Unterricht […]. Kontinuierliche Lernstandsdiagnosen, Rückmeldungen über Lernstrategien und Bestätigung der Lernerfolge durch den Lehrer sind notwendige Bedingungen, um Über- oder Unterforderung zu vermeiden. Lerndefizite können so situationsbedingt erkannt und durch entsprechende Fördermaßnahmen behoben werden.“45

Im Laufe dieses Projekts wurde mir noch einmal bewusst, wie wichtig es ist dem Lerntempo des Schülers gerecht zu werden, um gute Resultate erzielen zu können. Diese Bedingung produktiven Lernens erfüllt ein Lernweg-Portfolio, meiner Meinung nach, eher, als eine klassische Klassenarbeit. Ich denke wir wissen alle wie mitleiderregend es sein kann, wenn man nach dem Klingelton einem Schüler die Prüfung fast aus den Händen reißen muss, da die Zeit längst abgelaufen ist, er jedoch noch so viel Richtiges zu schreiben wüsste, es zeitlich jedoch nicht hinbekommen hat. Natürlich müssen wir alle lernen, Abgabefristen einzuhalten und uns kurz und deutlich auszudrücken. Dennoch können wir nicht bestreiten, dass wir alle unterschiedliche Lerntempos und auch verschiedene Lernstile haben. Wir Lehrer können in verschiedenen Situationen für eine größere Chancengleichheit sorgen, indem wir, dort wo es Sinn macht, im Rahmen eines differenzierten Unterrichts, auf diese unterschiedlichen Bedürfnisse unserer Schüler einzugehen versuchen. Dies ist z.B. dann möglich, wenn wir sie zuhause autonom über einen längeren Zeitraum hinweg an einem bestimmten Projekt arbeiten lassen. Immer wieder ist es notwendig gewisse Schüler anzutreiben, da sie von sich aus nicht in die Gänge kommen würden. Manchmal erscheint es jedoch auch nötig, einen Schüler in seinem Übereifer zu stoppen, wenn die Genauigkeit zu sehr unter der Schnelligkeit leidet. Dies war der Fall auf meiner 8e im Rahmen eines Wettstreits zwischen zwei Banknachbarn, die dabei konkurrierten, so schnell wie möglich alle Zusatzaufgaben zu lösen. So lobenswert ihre Motivation auch war, Tatsache blieb, dass einer der beiden Jungs, so sehr er sich auch bemühte, dem anderen eigentlich nicht das Wasser reichen konnte. Nachdem ich dem Ganzen eine Weile zugesehen hatte, sah ich mich schließlich dazu gezwungen, diesem Jungen im 45

ebd., S.265

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Feedback anzuraten, vielleicht etwas langsamer an die einzelnen Aufgaben heranzugehen, da es ihm an Präzision fehle und er deshalb immer wieder unnötig Punkte verlieren würde, obwohl ich doch wüsste, dass er es eigentlich besser könnte. Im ersten Moment war der Junge verständlicherweise sehr enttäuscht über meinen Rat. Ich versuchte ihm klar zu machen, dass er dies nicht als reine Kritik, sondern als zusätzlichen Verbesserungsvorschlag sehen sollte. In der Autoevaluation schreibt er schlussendlich: „Ich habe es schwer gefunden genau zu schreiben. Sonst habe ich alles einfach gefunden.“ Auf die Frage, was er nächstes Mal besser machen könnte, antwortet er: „Mir mehr Zeit nehmen bei den Aufgaben, sonst bin ich zufrieden mit mir.“ Tatsächlich hat der Junge gegen Ende des Trimesters im Tempo einen Gang zurück geschraubt und seine Antworten wurden etwas genauer und somit auch besser. Inwieweit die Aussagen der Schüler in der Autoevaluation jedoch tatsächlich ihren tatsächlichen Überzeugungen entsprechen und nicht nur blinde Wiedergaben meiner Feedbacks sind, ist schwer herauszufinden.

Im Rahmen einer formativen Bewertung spielt eine gewissenhafte Verbesserung der Aufgaben eine der wohl wichtigsten Voraussetzungen, um dem Schüler einen gewissen Lernprozess zu garantieren. Tatsächlich geben auf 8e „nur“ 4 Schüler an: „Ich sehe wenig Sinn im Verbessern der Aufgaben. Ich bin dabei nur genervt.“, 13 stimmen dem nicht zu, 3 sind geteilter Meinung. Auf 6e stimmt sogar nur 1 Schüler dieser Aussage zu, 12 verneinen sie und 5 wissen nicht so recht. Dennoch müssen auf 8e 5 Schüler die Behauptung „Ich habe meine Aufgaben immer sorgfältig verbessert.“ zurückweisen, 11 bejahen sie und 4 sind sich unschlüssig. Auf 6e stimmen dagegen nur 4 Schüler dieser Aussage zu, 5 verneinen sie und 9 sind geteilter Meinung. Was den daraus hervorgehenden Lernprozess angeht, geben 6 8eSchüler an: „Ich habe die gleichen Fehler nicht noch einmal gemacht.“, 8 stimmen dem nicht zu, 6 bleiben unstimmig. Dagegen hätten 11 6e-Schüler die gleichen Fehler nicht noch einmal gemacht und 7 sind geteilter Meinung. Die Aussage „Ich habe vor dem Lösen jeder neuen Text- bzw. Bildanalyse nachgeschaut, welche Fehler ich in der letzten begangen habe, mit dem Ziel mich zu verbessern.“ wird von 11 8e-Schülern und 6 6e-Schülern angenommen, von 6 bzw. 9 zurückgewiesen und auf beiden Klassen sind jeweils 3 Schüler geteilter Meinung. Aus diesen Statistiken ziehe ich den Schluss, dass das Verbessern der eigenen Fehler immer noch einen gewissen Schwachpunkt in unserem Unterricht darstellt. Doch was kann man dagegen unternehmen? Es scheint ja nicht so, als ob den Schülern der Sinn des Verbesserns verborgen bliebe. Es ist auch absolut nachvollziehbar, dass der Mensch nicht gerne auf seine Schwächen gestoßen wird und, dass es Interessanteres gibt als sich damit herumzuplagen. Das 65

Verbessern der Aufgaben scheint allgemein als lästig empfunden zu werden und wird oft so nebenbei, ohne die nötige Konzentration, erledigt und dies nur, weil es so von einem erwartet wird. Einige Schüler kann man zusätzlich motivieren, indem man z.B. bei Klassenarbeiten Pluspunkte auf gewissenhafte Verbesserungen setzt. Doch verbreitet man damit nicht den Eindruck, dass das Verbessern nicht selbstverständlich wäre? Außerdem erscheint es mir kaum möglich für den Lehrer in einer Prüfungszeit, neben den unzähligen anfallenden Klassenarbeiten, auch noch Verbesserungen zu bewerten. Ich hatte mir erhofft den Schülern mittels dieses Lernweg-Portfolios bewusst zu machen, dass Fehler, die es ja eigentlich zu vermeiden gilt, nicht als definitive Schwächen empfunden werden sollten, sondern als Hinweis und gleichzeitig Instrumente zur Weiterentwicklung inmitten eines kontinuierlichen Lernprozesses. Vor allem meinen 8e-Schülern erhoffte ich auch noch deutlicher machen zu können, wie wichtig ein korrektes Abschreiben und gemeinsame Verbesserungen waren. Wie konnte man erwarten in einer Klassenarbeit gut abzuschneiden, wenn das Heft voller Fehler stand? Tatsächlich geben 12 8e-Schüler im Feedback an: „Durch diese Arbeitsmappe ist mir bewusst geworden, dass ich beim Abschreiben von der Tafel oder aus dem Text sehr viele Fehler begehe.“, 7 stimmen dem nicht zu, einer ist geteilter Meinung. Die Aussage „Durch dieses Projekt habe ich erst erkannt, dass ich nicht immer sehr gut aufpasse, wenn wir Aufgaben gemeinsam in der Klasse verbessern.“ wird immerhin noch von 10 Schülern bestätigt, 8 verneinen sie und 2 sind sich unschlüssig. Auf 6e wurden die beiden Behauptungen größtenteils verneint, auf dieser Klasse waren mir auch keine größeren Probleme diesbezüglich aufgefallen. Mir ist, mit der schon in Kapitel 2.2.4 präsentierten Methode des Korrigierens, wie nie zuvor bewusst geworden, in welchem Maße die Art der Fragestellung ausschlaggebend ist, um eine bestimmte Antwort von Seiten der Schüler zu erhalten. Ich erinnere daran, dass ich für die Zusatzaufgaben kein „Corrigé-modèle“ austeilen konnte, da die Schüler zu unterschiedlichen Zeitpunkten, in unterschiedlicher Reihenfolge an unterschiedlichen Aufgaben arbeiteten. Ich habe also in meinen Korrekturen, wenn immer es möglich war, versucht, sie durch Zusatzfragen oder mögliche Hinweise selbst auf die Antwort zu stoßen. Es kam jedoch vor, dass ich mich im Laufe meiner unzähligen Korrekturen nicht mehr genau daran erinnerte, wie ich eine bestimmte Zusatzfrage in einer anderen Kopie wortwörtlich formuliert hatte und im Nachhinein feststellen musste, dass eine bestimmte Formulierung den Schüler oft eher auf die richtige Fährte brachte als eine andere. Dies bezog ich dann natürlich in die Bewertung mit ein.

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Im Nachhinein wurde mir auch beim Korrigieren der Aufgaben bewusst, dass meine Fragestellung allgemein nicht immer gelungen war. So z.B. bezüglich der Fragen 3 bis 5 in der Textanalyse S.46-47. Wenngleich es sich hier um einen eher schwierigen Text handelt, bei dem ich mir sicherlich zweimal überlegt hätte, ob es wirklich sinnvoll wäre, ihn auf einer 8e durchzunehmen, haben mehrere meiner 8e-Schüler entschieden, diese Textanalyse als Zusatzaufgabe zu lösen. Viele hatten jedoch Probleme damit, den Unterschied zu erkennen zwischen den Fragen, wie der Autor sich eine bessere Gesellschaft vorstellt (Frage 3), wie es den Bauern in der mittelalterlichen Gesellschaft tatsächlich erging (Frage 4) und welche Argumente der Autor nennt, die eine legitime Vormachtstellung der Adligen in Frage stellen (Frage 5). Im Nachhinein ist mir bewusst geworden, dass ich die Fragen auch einfacher hätte stellen können (siehe in die Disputation mitgebrachte Arbeitsmappen).

Wichtigstes Instrument zur individuellen Gestaltung der Arbeitsmappe waren natürlich die Zusatzaufgaben. Ein Lehrer aus dem LJBM, der die Arbeitsmappe mit seiner 8e getestet hat, empfindet es als sinnvoll fakultative Aufgaben einzubauen, „um die Schnellen zu fördern, während die Schwachen an den obligatorischen Aufgaben arbeiten“. Im Feedback geben auf meiner 8e 12 Schüler an: „Die Zusatzaufgaben haben mich zusätzlich motiviert, weil ich mir selbst meine Aufgaben heraussuchen konnte.“, 4 sind nicht dieser Meinung und weitere 4 sind unschlüssig. Auf 6e bejahen 7 Schüler diese Behauptung, 5 verneinen sie und 6 sind geteilter Meinung. Ihre persönlichen Feedbacks liefern uns präzisere Angaben. Hier geben 6 Schüler an, das Konzept der Zusatzaufgaben würde ihnen gefallen, da es Bonuspunkte/Pluspunkte zur Verbesserung des persönlichen Notendurchschnitts einbringe. Drei 6e-Schüler empfinden diese Zusatzaufgaben dagegen als zusätzliche Last, da man sich dazu verpflichtet fühle, sie zu machen, um keine Punkte zu verlieren. Einer dieser Schüler hat sich Gedanken über das Konzept der Zusatzaufgaben selbst gemacht und argumentiert scharfsinnig: „Ich fand es nicht gut, dass wir Zusatzaufgaben machen mussten um Punkte zu bekommen. Da es ja Zusatzaufgaben waren, die man eigentlich machen konnte wenn man wollte.“ Ein weiterer Schüler empfindet diese Wahlaufgaben als „überflüssig“. 7 Schüler hätten dagegen gerne mehr fakultative Aufgaben zur Auswahl gehabt. Hier sieht man erneut, inwieweit die Meinungen zum gleichen Thema auf einer Klasse auseinander gehen können. Ich war erstaunt darüber zu sehen, wieviel Spaß viele Schüler daran hatten, sich ins Mittelalter zurückzuversetzen und sich selbst Geschichten auszudenken (siehe z.B. Kapitel 1.9 über den Alltag auf der Burg und Kapitel 2.8 d) zum Mythos Excalibur). In der Vergangenheit hatte ich nur einmal solch einen historischen Aufsatz als fakultative Aufgabe 67

auf einer Klasse eingesetzt. Ich hatte lange daran gezweifelt, ob diese Art von Aufgaben im Geschichtsunterricht überhaupt Sinn machten, doch stellte ich im Rahmen dieses Projekts fest, dass wenn sich der Schüler ja zuerst einmal gründlich über das angegebene Thema informieren muss, diese kleinen Aufsätze dennoch sehr lehrreich sein können und es vor allem ermöglichen, Missverständnisse oder Anachronismen von Seiten der Schüler aufzudecken (siehe in die Disputation mitgebrachte Arbeitsmappen). Mit einer konkreten Note würde ich die Aufsätze im Rahmen des Geschichtsunterrichts dennoch nicht bewerten. Jedoch erhielten die Schüler 1 bzw. 0,5 Pluspunkte in der Rubrik Zusatzaufgaben, wenn sie sich die Mühe gegeben hatten, eine Geschichte zu erfinden, ohne historische Irrtümer und länger als zehn Zeilen. Aber auch Rollenspiele können zum Ausdruck eines individualisierten Lernweg-Portfolios werden. Im Rahmen der Aufgabe 2.9 c) der Arbeitsmappe habe ich nach Freiweilligen gesucht, um Ritterschlag und Schwertleite in einer kurzen Zeremonie (einschließlich des abgelegten Versprechens) vor der Klasse vorzuspielen. Die Schauspieler waren schnell gefunden. Sie brachten die passende Kleidung von zuhause mit (ich selbst hatte auch Schild und Schwert aus Holz auf Reserve). Das kleine Szenario kam sehr gut bei den Schülern an. Es war eine Abwechslung, lockerte den Unterricht auf und wurde nach erstem Gelächter auch mit dem nötigen Ernst durchgeführt. Diese Art von Rollenspiel ermöglicht dem Schüler Anschauung, Identifizierung und Selbstausdruck. Als ich dieses Szenario schon vor ein paar Jahren auf einer Klasse durchgeführt hatte, hatten die Schüler zuhause sogar eigene Schilde (mit passenden Wappen) gebastelt. Allgemein habe ich die Erfahrung gemacht, dass pädagogische Rollenspiele wie diese nicht auf jeder Klasse erfolgreich durchgeführt werden können, da sie voraussetzen, dass die Schüler sich trauen vor der Klasse aufzutreten und, dass sowohl Schauspieler wie auch Zuschauer mit dem nötigen Ernst an diese Sache herangehen (was natürlich nicht heißt, dass Lachen und Spaß haben verboten ist). Themengebundene Ateliers ermöglichen es ebenfalls, im Rahmen eines handlungsorientierten Unterrichts, sich durch eigenes Schaffen individuell auszudrücken. So habe ich z.B. auf meiner 8e in einer Unterrichtsstunde ein Atelier „Schreibwerkstatt“ veranstaltet (siehe Kapitel 3.2 der Arbeitsmappe). In der Vergangenheit habe ich meinen Schülern auch mehrmals Beispiele von Bildmalereien und mittelalterlichen Manuskripten präsentiert, mit ihnen über den langwierigen Vorgang der Herstellung solch eines handgeschriebenen Unikats in den mittelalterlichen Skriptorien diskutiert, um sie dann mithilfe von Feder, Tinte und einem kleinen Stück Pergament in mittelalterlicher Schrift selbst ihren Namen schreiben zu lassen. Gewöhnlich stellen die Schüler dann erstaunt fest, dass dies überhaupt nicht so einfach ist wie 68

angenommen. Ich hatte auch schon die ersten Schritte in die Wege geleitet, um für meine 8e und 6e ein mittelalterliches Kochatelier zu organisieren, dies konnte jedoch aus Zeitgründen nicht mehr abgehalten werden. Solche themengebundene Ateliers (wie z.B. noch Kräuterkunde, Schmiede, Schnitzerei, Wappenkunde, Herstellung von Seife, usw.) könnten in den Institutionen selbst (in diesem Falle z.B. auf Burg Vianden) von geschulten Fachkräften weitaus effektiver für Schulklassen angeboten werden, als im Unterricht von Lehrern, die auf diesen Gebieten doch meist nur Laien bleiben. Solche Ateliers können in dem Sinne äußerst lehrreich sein, dass sie den Schülern viel besser als jedes Foto und jeder Text einen praktischen Einblick in Arbeits- und Lebensbedingungen des Mittelalters ermöglichen.

Verschiedene Faktoren haben es mir erlaubt im Rahmen dieses Projekts einen differenzierteren Unterricht durchzusetzen: a) das Lernweg-Portfolio als Instrument selbständigen und verantwortungsvollen Lernens, das dem individuellen Lerneifer, Lerntempo und Lernstil des Schülers gerecht wird (siehe auch voriges Kapitel), b) eine formative Bewertung im Rahmen derer ich besser auf die Stärken und Schwächen meiner Schüler eingehen konnte und c) die Tatsache, dass die Schüler ihre Arbeitsmappe (z.B. mithilfe der Zusatzaufgaben) ihren persönlichen Interessen und Fähigkeiten entsprechend gestalten konnten.

2.4.5 Der Erwerb von Sachkenntnissen und Kompetenzen im Sinne des vorgeschriebenen Bildungsprogramms Ich denke nicht, dass eine Arbeitsmappe den Schülern Sachkenntnisse besser näher bringen kann als ein Geschichtsbuch. Wie der Name es schon andeutet, liegt ihr eigentlicher Nutzen darin, dem Schüler eine Reihe Arbeitsmaterial zum Üben zu bieten. Ich finde solch ein Dossier, eingesetzt als Lernweg-Portfolio im Rahmen einer formativen Bewertung, sehr hilfreich, um den Schülern Kompetenzen wie die der Bild- und Textanalyse oder des Recherchierens näher zu bringen und, um sie an ein selbständigeres verantwortungsvolleres Lernen heranzuführen.

Ich war sehr erstaunt und erfreut im Feedback der Schüler zu lesen, dass auf 6e nicht weniger als 13 Schüler angaben: „Ich habe durch die Arbeit mit der Arbeitsmappe mehr hinzugelernt 69

als durch traditionellen Unterricht.“, nur 3 stimmten dem nicht zu und 4 waren geteilter Meinung. Auf 6e bejahten immerhin noch 7 Schüler diese Behauptung, 3 verneinten sie und 8 waren sich unschlüssig. Ich erkläre mir die Diskrepanz zwischen beiden Klassen vor allem dadurch, dass meine 6e-Schüler, wie die Statistiken ja auch gezeigt haben, sich von vornherein besser organisieren und autonom arbeiten konnten und, dass sie nicht diese Probleme beim korrekten Abschreiben und gemeinsamen Verbessern der Aufgaben hatten, auf die man sie noch aufmerksam machen musste. Allein die vorgeschriebenen Sachkenntnisse und Kompetenzen hätten sie sich genauso gut über den klassischen Unterricht aneignen können. Dennoch geben zwei 6e-Schüler im persönlichen Feedback an, das Konzept der Arbeitsmappe einer gewöhnlichen Klassenarbeit vorzuziehen. Ein Schüler schreibt: „Die Aufgaben und Recherchen waren sehr interessant und hat mir vieles beigelernt.“ Auch auf 8e schreibt ein Schüler: „Habe sehr viel dazu gelernt.“ Ein anderer hält fest: „Mit der Arbeitsmappe kann man besser lernen.“

Inwieweit es jedoch notwendig ist die Arbeitsmappe an das Niveau der Klasse angepasst einzusetzen

(Auswahl

bestimmter

Aufgaben

und

Darstellungstexte,

Tempo,

Bewertungskriterien, usw.), um sie optimal nutzen zu können, verdeutlichen hier noch einmal die Kommentare einer Lehrerin aus dem LCE bezüglich ihrer 6e: „Einige Aufgaben wurden von den Schülern als sehr einfach empfunden. Ich denke daher, dass die Arbeitsmappe nur teilweise für eine 6e gedacht ist. Das Niveau der Aufgaben sagt aber eher einer 6e als einer 8e zu.“ Für ihre 8e empfand sie viele Aufgaben als zu schwierig.

2.4.6 Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Rallye in Vianden Im Rahmen eines Ausflugs mit Comenius-Schülern zeigte sich ganz klar wie wichtig eine gewisse Vorbereitung auf die Rallye ist. Diesen Schülern fehlten gewisse Fachbegriffe (wie z.B. Wehrgang, Bottisch, usw.) sowie tiefere zusammenhängende Kenntnisse über Lage, Entwicklung und Aufbau einer Burg. Dies bedeutet nicht, dass diese Schüler im Rahmen der Rallye nichts hinzugelernt hätten oder sich nicht amüsieren konnten. Jedoch, mangels der nötigen Präkonzepte, konnten sie nicht die gleichen tiefgründigen Erkenntnisse gewinnen wie Schüler, die auf diesen Rundgang vorbereitet worden sind.

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Eine auf die pädagogische Rallye abgestimmte Vorbereitung bietet vor Ort eine Gelegenheit zur Anschauung. Was in den Köpfen der Schüler bis dato möglicherweise noch relativ abstrakt gewesen ist, können sie nun mit eigenen Augen betrachten und selbst erforschen. Auch werden vor Ort Faktoren wie Ausdehnung im Raum und Atmosphäre leichter nachvollziehbar. Schlussendlich bietet diese Rallye eine Gelegenheit, das bisher erworbene Wissen zu überprüfen und zu schauen, ob die Schüler ihre Sachkenntnisse und Kompetenzen auch in konkreten Fallbeispielen erfolgreich einsetzen können. Demnach erweist sich die Vorbereitung tatsächlich, noch vielmehr als die Nachbereitung, als eine notwendige Bedingung, um aus der pädagogischen Rallye so viel wie nur möglich lernen zu können. Dafür bedarf es natürlich nicht unbedingt der von mir ausgearbeiteten Arbeitsmappe, sie stellt nur ein mögliches Instrument zur Vorbereitung dar. Aber auch die Nachbereitung ist wichtig. Man könnte in einer Zusammenfassung welcher Art auch immer, zurück in der Klasse, noch einmal auf das Gesehene eingehen, um mögliche Unklarheiten aus dem Weg zu schaffen und das Angeeignete zu festigen. Wenngleich das Lernen vor Ort also vor allem der Anschauung a posteriori dient, so kann es dennoch auch dazu eingesetzt werden, bestimmte Problematiken weiter zu vertiefen oder damit zusammenhängende Themen aufzugreifen (in diesem Falle z.B. die Problematik der Stadt im Mittelalter). Durch Verweise auf das bereits Gesehene mittels Fotos (z.B. „Erinnert ihr euch noch an diesen Turm der Stadtmauer? …“) können auch ein ganz neues Thema aufgegriffen oder Parallelen hergestellt werden.

Zusammenfassend können wir festhalten, dass die Arbeitsmappe „Vianden im Mittelalter“ zwar an erster Stelle zur Vor- und Nachbereitung des Lernens vor Ort konzipiert wurde, gleichzeitig aber Teil eines weit größeren Projekts ist. Dieses Projekt soll den Schülern nicht nur die vom Bildungsministerium vorgeschriebenen Sachkenntnisse und Kompetenzen vermitteln, sondern sie zusätzlich im Rahmen eines differenzierten Unterrichts und einer formativen Bewertung an ein verantwortungsvolleres und selbständigeres Lernen heranführen. In diesem Sinne bietet die Arbeitsmappe, eingesetzt als Lernweg-Portfolio, mehrere Vorzüge gegenüber dem traditionellen Unterricht. Jedoch kann ein Portfolio dieser Art nur dann erfolgreich eingesetzt werden, wenn a) der Lehrer seinen Unterricht entsprechend strukturiert, b) es ihm gelingt die Motivation seiner Schüler über einen längeren Zeitraum hinweg zu halten, c) er ihnen mithilfe von regelmäßigen Feedbacks die nötigen Instrumente liefert, um autonom an ihrem Lernprozess 71

zu arbeiten und d) er ihnen jederzeit als Berater zur Verfügung steht und ihnen gleichzeitig den Freiraum einräumt, den sie benötigen, um ihre Aufgaben ihren Bedürfnissen und Interessen entsprechend auszuführen. Doch widmen wir uns nun dem eigentlichen Höhepunkt dieses Projekts, der pädagogischen Rallye in Vianden, die ich ausgearbeitet habe, um ein effizientes Lernen vor Ort erst zu ermöglichen. Wie schon im Kapitel zur Arbeitsmappe werde ich auch in diesem Teil zuerst die Rahmenbedingungen und die Zielsetzungen und dann den Ablauf und die Ergebnisse der Rallye dokumentieren und analysieren.

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3. Zur pädagogischen Rallye in Vianden 3.1 Rahmenbedingungen 3.1.1 Die Notwendigkeit der Entwicklung eines schulpädagogischen Angebots vor Ort Im Laufe meiner Besuche in Vianden wurde mir immer bewusster, welches Potenzial dieser außerschulische Lernort doch aufwies und gleichzeitig, wie sehr es dort noch an speziell auf Schulklassen abgestimmten Lehrangeboten fehlt. Wie schwierig muss es doch für Schüler sein, die kaum Ahnung haben von Aufbau und Funktion einer Burg, die einzelnen Elemente sowie ihre Bedeutung zu erkennen, sich auch nur im Entferntesten ein Bild vom Leben auf der mittelalterlichen Burg zu machen, geschweige denn deren verschiedene Bauphasen bewusst wahrzunehmen. Mein Ziel den außerschulischen Lernort Vianden effektiv zu nutzen, um Schülern von 8e bzw. 6e die nötigen Kenntnisse zu den vom Schulministerium vorgeschriebenen Themen im Fach Geschichte zu vermitteln, scheint zurzeit alleine mit den authentischen Objekten Burg und Stadt sowie deren noch sehr karger Ausschilderung kaum möglich. Hinzu kommt, dass die wenigen in der Burg angebrachten Erklärungstexte für einen großen Teil der 8e-Schüler doch sehr schwer verständlich sind. Ich stellte also bei meinen Besuchen vor Ort fest, dass a) ein auf Schüler abgestimmtes Lehrangebot in Vianden ausgearbeitet werden musste und b) es wenig sinnvoll wäre, Burg und Ortschaft mit einer Klasse zu besichtigen, ehe ihnen die Möglichkeit gegeben wurde, sich im Rahmen des Geschichtsunterrichts das nötige Vorwissen anzueignen. Mir persönlich erscheint es demnach als weitaus produktiver, erst nach Ausarbeitung der Thematiken (z.B. mithilfe der Arbeitsmappe) die Ortschaft Vianden aufzusuchen. Die pädagogische Rallye könnte in dem Fall als krönender Abschluss des Projekts gelten. Die Schüler hätten die ganzen letzten Wochen auf dieses Ziel hingearbeitet. Der Ausflug könnte also als eine Art Belohnung für die geleistete Arbeit verstanden werden. Den Schülern würde sich die Gelegenheit bieten, das erlernte Wissen vor Ort umzusetzen, was sie wiederum mit

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einer gewissen Genugtuung gar Stolz erfüllen könnte, wenn es ihnen gelingt das Schlussrätsel erfolgreich zu lösen.

3.1.2 Natur und Aufbau der Rallye Die von mir für Vianden entworfene Rallye soll den Jugendlichen die Möglichkeit bieten, selbst zum Forscher zu werden und, mithilfe von gesammelten Indizien, einen geheimnisvollen Schatz zu finden.

Innerhalb von etwa zwei Stunden durchlaufen die Schüler einen Rundgang durch Burg und Stadt Vianden (siehe Plan im Anhang S.111), auf dem es mehrere Fragen zu beantworten gilt. Jede erfolgreich gelöste Aufgabe erbringt den im Rahmen dieser Rallye gegeneinander antretenden Gruppen ein Indiz, in diesem Falle einen Buchstaben (siehe rote Kästchen auf dem Fragebogen). Erst durch das Zusammensetzen aller Buchstaben ergibt sich ein Lösungssatz, der einen Hinweis auf den Standort des Schatzes liefert (hier: „Der Schatz liegt beim Hockelsturm“, siehe Antworten zum Fragebogen im Anhang S.108-109).

Um die einzelnen Fragen erfolgreich beantworten zu können, müssen die Schüler abwechselnd auf Schautafeln, Ausstellungsobjekte, Elemente der Burg und ihrer Umgebung, Details an Fassaden oder Fenstern der Kirche sowie einzelner Gebäude in der Ortschaft zurückgreifen. Für Burg Vianden wird allen Teilnehmergruppen ein Plan des offiziellen Rundgangs, wie sie an der Kasse zur Verfügung gestellt werden, ausgehändigt. Um sich in der Ortschaft selbst orientieren zu können, brauchen die Schüler sich nur an die dort ausgeschilderten Stadtpläne zu halten. Es ist ihnen ebenfalls erlaubt, Passanten oder Verkäufer um Rat zu fragen (z.B. um herauszufinden, wo sich der Hockelsturm befindet). Nachdem ich mich zum Entwurf dieser Rallye mehrmals nach Vianden begeben hatte, um die Örtlichkeiten auszukundschaften und vor Ort Fotos zu machen, habe ich eine Liste von Arbeitsaufträgen für meine Fragebögen erstellt. Dann habe ich die Rallye mit Freunden getestet, um mir ein genaueres Bild über Schwierigkeitsgrad und Dauer zu machen. Daraufhin habe ich mich entschieden aus Zeitgründen nur 27 der von mir ausgearbeiteten Fragen zurückzubehalten, wobei ich Wert darauf legte jene auszuwählen, deren Fragestellung am Wenigsten Unklarheiten oder Missverständnisse hervorrufen konnte. Ich erinnere daran, dass 74

die geplante Rallye nicht länger als zwei Stunden dauern sollte, wenn man die Schüler am Ball behalten will. Wie lange die einzelnen Gruppen tatsächlich unterwegs sind, hängt schlussendlich natürlich davon ab, mit welchem Geschick sie die zu analysierenden Elemente vor Ort finden, die Fragen beantworten und nicht zu guter Letzt davon, wie lange sie brauchen, den Schatz selbst ausfindig zu machen. Den Schatz, eine kleine Ritterfigur, die ich im Souvenir-Shop der Burg erworben hatte, versteckte ich erst kurz vor Start der Rallye im Gebüsch unterhalb des Hockelsturms. So hoffte ich verhindern zu können, dass das Wetter oder ein neugieriger Passant mir einen Strich durch die Rechnung machen. Ich habe die Schüler in Gruppen (von 4 bis 5 Personen) gegeneinander antreten lassen, um ihren Teamgeist zu fördern, jedoch auch, um zu verhindern, dass ein weniger begabter Schüler schnell die Motivation verliert, da er die Fragen alleine nicht beantworten kann.

Auf Burg Vianden bestand ich in den ersten Räumen noch darauf, dass wir alle zusammen blieben und gemeinsam den nächsten Saal betraten, da ich a) vorerst jeden einzelnen Schüler im Auge behalten wollte, um besser kontrollieren zu können, dass niemand Probleme stellen würde, b) hoffte den einzelnen Gruppen in dieser Anlaufphase besser mit Rat zur Seite stehen zu können und c) verhindern wollte, dass die Jugendlichen wie mit Scheuklappen durch die Burg liefen, einzig und allein vom Wunsch getrieben als Erster alle Indizien zu finden, und dabei von der Burg und ihren Schätzen tatsächlich bewusst nur sehr wenig wahrnahmen. Das heißt in diesem ersten Teil der Rallye auf Burg Vianden ging es an sich nur darum, alle Fragen korrekt zu beantworten. Erst im Dorf selbst durften die einzelnen Gruppen auf eigene Faust weiter auf Spurensuche gehen und nun erst lief die Zeit im Wettlauf um den geheimnisvollen Schatz. Ich befürchtete, dass sich bei der Spurensuche immer wieder mehrere Gruppen am gleichen Ort ansammeln, sich gegenseitig behindern und ungeduldig würden. Ich hatte lange überlegt, wie ich dieses Problem beheben konnte, hatte weitere Szenarien zum Ablauf der Rallye erdacht, sie schlussendlich jedoch alle aus etwaigen Gründen ausschließen müssen. So zum Beispiel die Idee, die Gruppen in der Burg nacheinander loszuschicken. Diese Alternative lieferte mir immer noch keine Garantie, dass eine Gruppe nicht eine andere einholen würde. Ich konnte nicht jedermann am gleichen Ort die gleichen allgemeinen Erklärungen liefern. Und vor allem schien der Zeitaufwand zu groß und die Wahrscheinlichkeit, dass die am Anfang oder Schluss der Rallye wartenden Gruppen ungeduldig wurden, stieg an. Der

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Gedanke eines gerechten Wettkampfs schloss ebenso die Möglichkeit von unterschiedlichen Fragebögen an die Gruppen aus.

3.1.3 Geplante und realisierte Rallyes Ich hatte die pädagogische Rallye schon für Ende Januar bzw. Anfang Februar auf meinen beiden Klassen geplant. Schlussendlich konnte ich die Rallye jedoch aus persönlichen Gründen nur auf meiner 8e durchführen.

Meine 6e-Schüler waren, genauso wie ich selbst, total enttäuscht, dass dieser Ausflug auf den wir das ganze Trimester hingearbeitet hatten, nicht mehr stattfinden konnte, doch die Umstände ließen es nicht zu.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich auf meiner 8e die beiden ersten Kapitel der Arbeitsmappe abgeschlossen. Demnach waren die Schüler in die Problematik der mittelalterlichen Burgen sowie von Status, Alltagsleben und Beziehungen des Adels eingeführt worden. Auf der Hinfahrt im Bus erzählte ich ihnen vom Leben und der Persönlichkeit der Yolanda von Vianden (Zusammenfassung der Kap. 3.1, 3.4, 3.6, 3.8 und 3.9). Sie waren für die Rallye noch nicht in die Problematik der mittelalterlichen Stadt sowie des Lebens im Kloster eingeweiht, was sicherlich von Vorteil gewesen wäre. Eine Woche bevor ich mich mit meiner 8e nach Vianden begab, hatte ich die pädagogische Rallye schon mit etwa 30 Comenius-Schülern durchgeführt, die zu diesem Zeitpunkt zum Schüleraustausch in Luxemburg verweilten. Für sie hatte ich die Fragebögen ins Englische übersetzt und auch zum Teil angepasst. Da diese Schüler im Durchschnitt 15 bis 16 Jahre alt waren, die Rallye jedoch spezifisch auf 6e- und 8e-Schüler zugeschnitten war, hatte ich anfangs befürchtet, die Fragen könnten zu einfach für sie sein, die Rallye selbst zu kindisch. Tatsächlich war dies jedoch überhaupt nicht der Fall. Vor allem weil die Fragen in Englisch gestellt waren und auch in dieser Sprache beantwortet werden sollten, die Schautafeln in Burg und Ortschaft jedoch auf Deutsch und Französisch verfasst waren, stellte sich das Lösen des Rätsels als eine doch relativ verzwickte Angelegenheit heraus (wenngleich wir Lehrer den Schülern jederzeit als Übersetzer zur Verfügung standen). Nicht zuletzt stellte das Beantworten dieser Fragen jedoch auch eine gewisse Herausforderung für diese Schüler dar, 76

da sie nicht mehr so sehr in die Problematik der mittelalterlichen Burg eingeweiht waren wie ein 8e- oder 6e-Schüler, der das Thema gerade im Geschichtsunterricht behandelt. Ich werde mich in den nächsten Kapiteln weniger auf meine Erfahrungen mit den ComeniusSchülern als vielmehr auf jene mit meiner 8e berufen, da die Rallye ja eigentlich für sie ausgearbeitet

worden

ist

und

sie

den

Comenius-Schülern

nur

eine

zusätzliche

Ausflugsmöglichkeit bot.

3.2 Zielsetzungen Die Rallye soll es den Teilnehmern ermöglichen, sich auf die Spuren des mittelalterlichen Viandens zu begeben, es inmitten von Überresten aus unterschiedlichen Zeiten in seiner Eigenart und Vielfalt auszumachen. Im weitesten Sinne verfolgt die pädagogische Rallye die schon im ersten Teil präsentierten, für einen außerschulischen Lernort typischen Lernziele wie z.B. den direkten und ganzheitlichen Kontakt mit dem Original, ein selbständiges und forschendes Lernen, das Schaffen einer mal ganz anderen motivationssteigernden Lernsituation, usw. Tatsächlich basiert sich die Rallye jedoch auf Natur und Struktur der Fragebögen, die es dabei zu lösen gilt. Deshalb werde ich auf den nächsten Seiten etwas genauer auf die Ziele eingehen, die ich bei der Auswahl der einzelnen Arbeitsaufträge in Betracht gezogen habe.

3.2.1

Wissenserwerb und Kompetenzen-Training im Sinne des offiziellen Lehrplans

Die Rallye soll es ermöglichen, Wissen zu erlangen bzw. Fähigkeiten zu trainieren, die für einen Schüler von Nutzen und im Rahmen dieses Projekts von Bedeutung sind.

Natürlich scheint es wenig sinnvoll, dass ein 13-Jähriger sich merkt oder gar von sich aus erkennt aus welchem Jahrhundert der dargestellte Harnisch stammt. Doch soll Frage 5 die Schüler dazu bringen, die einzelnen ausgestellten Ritterrüstungen etwas genauer unter die 77

Lupe zu nehmen, sie miteinander zu vergleichen, um diesen einen Harnisch wiederzufinden, und sich bestenfalls einer gewissen Verbesserung der Ausrüstung im Laufe der Zeit bewusst zu werden (wie sie im Unterricht schon angesprochen wurde). Fragen 10 und 25 testen die Orientierungskompetenz des Schülers, indem er sich vor Ort mithilfe eines Plans zurechtfinden muss. Bei den Fragen 8 und 17 soll der Schüler von einer abstrakten Skizze auf das reelle Objekt schließen. Frage 3 verlangt vom Schüler, dass er Fahnen bzw. Wappen, die er kennen gelernt hat, in einem anderen Kontext wieder erkennt. Bei den übrigen Fragen liegt die Schwierigkeit vor allem darin, genau hinzuschauen bzw. zu lesen, was, wie jeder Lehrer aus seinem Schulalltag berichten kann, nicht immer gegeben ist. Die Fragestellungen der Rallye orientieren sich an den Themen, die schon in der Arbeitsmappe aufgegriffen wurden. So behandeln die Fragen 1, 3 und 7 beispielsweise die Entwicklung der Burg, die Fragen 2, 4, 8, 9 und 10 den Aufbau einer Burg, die Fragen 5 und 6 die typische Ausrüstung dieser Zeit, die Fragen 16, 22, 23 und 25 den Aufbau einer mittelalterlichen Stadt, die Fragen 19 und 24 bekannte Persönlichkeiten, usw.

Die im Rahmen dieser Rallye gestellten Fragen sollen also an eine gewisse Vorbereitung anknüpfen und Präkonzepte vergegenwärtigen. Der Schüler soll sich an das erinnern, was er im Unterricht gelernt hat. Was bisher eher abstrakt behandelt wurde, kann jetzt vor Ort veranschaulicht werden. Oder noch anders ausgedrückt, die Umsetzung des Gelernten in der Praxis ermöglicht es den Schülern, ihr Wissen zu festigen und ihre Kompetenzen zu testen.

3.2.2

Ein

an

den

Schüler

angepasster

Schwierigkeitsgrad

der

Arbeitsaufträge Wohlwissend, dass ein nicht angepasster Schwierigkeitsgrad die Motivation bedeutend hemmen kann, bestand die Herausforderung für mich vor allem darin, Arbeitsaufträge zu finden, deren Ausführung nicht zu schwierig aber auch nicht zu einfach ist, weder für einen 6e- noch für einen 8e-Schüler. Ich ging bei der Erstellung meiner Fragebögen größtenteils von meinen beiden Test-Klassen aus und bin mir durchaus bewusst, dass Modulaire-Schüler wahrscheinlich größere Probleme hätten, die Rallye erfolgreich zu durchlaufen und deshalb mehr Hilfestellungen brauchen.

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Es gibt jedoch nicht nur gravierende Unterschiede von einer Klasse zur anderen, sondern auch von einem Schüler zum anderen. Deshalb empfand ich es als besonders schwierig im Vorfeld korrekt einzuschätzen, wie lange meine Schüler brauchen würden, um den Schatz zu finden. Ein Testlauf mit Freunden konnte in diesem Sinne hilfreich, jedoch keinesfalls eine Garantie, für das Gelingen der Rallye bei anderen Teilnehmern sein.

3.2.3 Das mittelalterliche Vianden in seiner Ganzheit entdecken Ziel dieser Rallye war es den außerschulischen Lernort Vianden zu erforschen. Dabei war ich bemüht, die Indiziensuche möglichst gleichmäßig über die Burg und die Ortschaft zu verteilen und den Teilnehmern einen Gesamtüberblick über das mittelalterliche Vianden zu bieten. Jedoch sind nicht alle Räume der Burg von Interesse für unser Projekt, da die letzten Räume des offiziellen Rundgangs vor allem Gegenstände und Transformationen der Neuzeit darstellen (siehe Plan im Anhang S.111). Auch wollte ich in der Ortschaft nicht von der Hauptstraße abweichen, um die Schüler, um deren Sicherheit willen, besser im Auge behalten zu können.

3.2.4 Die Sicherheit der Schüler gewährleisten Ich habe den Schülern von Anfang an klar gemacht, dass die Reihenfolge der Fragen auf den ausgeteilten Bögen dem Verlauf der Rallye entspricht. Hatten sie die Antwort zur übernächsten Frage also bereits gefunden, die nächste Frage jedoch noch nicht gelöst, bedeutete dies, dass sie etwas übersehen hatten und wieder zurückgehen mussten. Ich hatte mich um einen strikten Verlauf der Rallye bemüht, damit die Schüler sich vor Ort besser zurechtfanden, nicht unnötig Zeit dadurch verloren, dass sie ziellos im Kreis umherirrten und zu guter Letzt, damit ich sie im Dorf besser im Auge behalten konnte. Aus Sicherheitsgründen ermahnte ich meine Schüler mehrmals und mit Nachdruck, nicht von der „Grand-Rue“ abzuweichen (bis zur Suche des eigentlichen Schatzes), sich unter keinen Umständen vom Rest ihrer Gruppe zu trennen und immer gut auf den Verkehr achtzugeben. Da ich mir meiner großen Verantwortung bewusst war, hatte ich ebenfalls versucht meine Indiziensuche von allen Orten, die irgendwelche Gefahren bergen konnten, fern zu halten 79

(tiefgründige Hänge, stark befahrene Straßen, gitterlose Passagen, usw.). Ich muss jedoch ehrlich sein und zugeben, dass ich keine Garantie dafür hatte, dass keiner meiner Schüler in Viandens „Grand-Rue“, sei sie auch noch so wenig befahren, von einem mit 30 fahrenden Auto angestoßen würde. Ich kann allen an dieser Rallye teilnehmenden Lehrern demnach nur davon abraten, dieses Projekt mit undisziplinierten Klassen durchzuführen und ihnen ans Herz legen, sich von ausreichend weiteren Lehrern begleiten zu lassen. Außerdem sollten sie auf der „autorisation parentale“ den üblichen Vermerk, dass die Schule keine Verantwortung übernimmt, wenn die Schüler sich nicht an die Regeln halten, nicht vergessen. Ich selbst habe meinen Schülern zur Abschreckung mit Nachsitzen gedroht, wenn sie die „Grand-Rue“ unerlaubt verlassen würden, noch ehe sie alle Indizien gefunden hätten. Zu groß kann die Verlockung für manche Jugendliche sein, sich mal kurz in eine Nebenstraße abzusetzen, scheinbar einem Indiz auf der Spur, tatsächlich jedoch, um eine Zigarette zu rauchen oder schlimmer noch Drogen zu konsumieren. Sie könnten auch in einem Café hängen bleiben unter dem Vorwand, dort nach einem Straßennamen gefragt zu haben. Verständlicherweise würde hier so manch einer argumentieren: wieso diese Verantwortung auf sich nehmen, all diese Risiken eingehen, und nicht einfach im Klassensaal bleiben und einen altbewährten traditionellen Unterricht abhalten? Diese Entscheidung muss, meiner Meinung nach, jeder für sich treffen. Sie sollte keinesfalls unüberlegt sein. Doch kann ich hier nur an all die Vorzüge erinnern, die außerschulisches Lernen aufweist und noch einmal darauf bestehen, dass man solch einen Ausflug nur mit Schülern machen sollte, denen man „vertrauen“ kann.

3.3 Ablauf und Ergebnisse der Rallye 3.3.1 Beurteilung der Kohärenz zwischen Zielsetzungen und Ergebnissen der Rallye aus persönlicher Sicht Zur Auswertung der von mir ausgearbeiteten Rallye hatte ich, wie schon für die Arbeitsmappe, geplant, Belege anhand von Feedbackbögen zu sichern. Doch wegen meines plötzlichen Krankenscheins konnte ich diese Bögen nicht mehr aufsetzen und an meine Schüler austeilen. Ich hoffte daraufhin, die Gelegenheit zu bekommen, solche Feedbackbögen

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für fremde Klassen zu erstellen, die im Laufe des Schuljahres mit ihren Lehrern die Rallye durchlaufen würden, doch auch aus diesen Ausflügen sollte nichts mehr werden. Aus diesen Gründen kann ich mich zur Bewertung meiner Rallye hier leider nur auf meine persönlichen Eindrücke berufen, wohlwissend, dass diese Herangehensweise meine Arbeit nicht besonders wissenschaftlich erscheinen lässt. Hinzu kommt, dass ich die Rallye nur an einer Klasse testen konnte und die Erfahrungen dieser Schüler nicht repräsentativ sind. Dennoch habe ich hier versucht das Beste aus der Situation zu machen und mit kritischem Auge den Ablauf der Rallye zu analysieren und herauszufinden, inwieweit die Ergebnisse meinen ursprünglichen Zielsetzungen (siehe Kapitel 1.3 und 3.2) tatsächlich entsprechen.

Diese Rallye ermöglichte zweifelsohne eine realitätsnahe und authentische Begegnung mit dem „Original“, der Burg und der Ortschaft Vianden. Das Konzept der Rallye an sich garantierte ebenso ein forschendes und entdeckendes Lernen vor Ort. Die Schüler arbeiteten größtenteils autonom innerhalb ihrer Gruppe zusammen, meine Hilfestellung blieb gering und ihre sozialen Kompetenzen waren gefordert. Das Lernen vor Ort erwies sich in diesem Fall zweifellos als motivationssteigernd. Von einem „ganzheitlichen Lernen mit allen Sinnen“ kann man hier jedoch kaum sprechen, da diese Rallye nur das Sehen (lesen, genau beobachten) und in geringerem Maße vielleicht noch das Hören (Passanten um Rat fragen, der Lehrerin aufmerksam zuhören) des Einzelnen forderte. Um die anderen Sinne der Schüler anzusprechen, könnte man im Rahmen dieses Projekts zusätzliche Ateliers anbieten (Kochen wie im Mittelalter, Heilkräuter herstellen, Töpfern, Schmieden, eine Schreibwerkstatt, usw.). Ob das Lernen vor Ort tatsächlich auch nachhaltiger ausgefallen ist als im traditionellen Unterricht, kann ich hier leider nicht beurteilen, da mir aus Zeitgründen die Möglichkeit ausblieb, dies in den Schulalltag zurückgekehrt, anhand von einer Klassenarbeit, einem Feedbackbogen, usw. zu testen. Ich denke behaupten zu können, dass diese Rallye auch im Sinne des offiziellen Lehrplans ist und den Schülern sowohl Wissensfestigung als auch Kompetenzentraining vor Ort ermöglichte. Die Rallye bot den Schülern einen gewissen Einblick ins mittelalterliche Vianden. Es wäre jedoch lehrreicher für sie gewesen, wenn sie schon über die nötigen Präkonzepte zur Stadt im Mittelalter verfügt hätten und ihre Erfahrungen während dieser Rallye in einer sinnvollen Nachbereitung reflektiert worden wären.

81

3.3.2 Mögliche Gründe für die Motivation der Schüler Meine 8e-Schüler hatten sich nicht nur im Voraus schon auf den Ausflug gefreut, sie zeigten sich auch vor Ort äußerst motiviert. Interessant herauszufinden wäre es jedoch, was genau sie an dieser Rallye mehr motiviert hat als an einer herkömmlichen Unterrichtsstunde. Ich denke, dass ihr außergewöhnlicher Eifer zuerst einmal darauf zurückzuführen ist, dass diese Rallye etwas ganz Anderes und Neues für die Schüler darstellte, das sie aus dem alten Trott herausbrachte und ihre Neugier weckte. Dann kommt hinzu, dass die Schatzsuche sie zusätzlich anspornte als erste Gruppe alle Fragen richtig beantwortet zu haben. Natürlich existiert auch in der Schule ein gewisser Konkurrenzkampf in dem Sinne, dass der Schüler ja immer bessere Noten haben will (als Andere). Doch in diesem Falle blieb ein möglicherweise für so manchen Schüler schwer zu tragenden Druck aus. Die Rallye war spielerischer Natur, außer der persönlichen Satisfaktion (und dem materiellen Gewinn) stand eigentlich nichts auf dem Spiel. Und vor allem stellte diese so unbekannte Herausforderung eine neue Chance für den Schüler dar, sich auf einem Terrain zu beweisen, das er bisher noch nicht erforscht hatte und auf dem er nicht von vornherein negativ (oder positiv) abgestempelt worden war. Außerdem ermöglichte die Bildung von gegnerischen Teams innerhalb derselben Gruppe, die Stärken des einen durch die Schwächen des anderen zu kompensieren. An diesem Punkt könnte man an die im Schulwesen aktuell wieder vehement diskutierte Frage nach dem Nutzen eines durch Noten stark angefochtenen Konkurrenzkampfes zwischen den einzelnen Schülern anknüpfen, doch dies ginge zu weit über unsere Projektanalyse hinaus. Das Interesse meiner Schüler für das mittelalterliche Vianden war jedenfalls im Rahmen dieser Rallye geweckt, dies sah man nicht zu guter Letzt auch daran, dass sie mir viele zusätzliche Fragen stellten.

3.3.3 Die Umsetzbarkeit der einzelnen Arbeitsaufträge Am meisten habe ich mir im Vorfeld Gedanken darüber gemacht, dass einzelne Gruppen viel schneller als andere sein und ungeduldig werden würden, wenn sie am Ausgang der Burg auf die Nachzügler warten müssten, ehe wir gemeinsam ins Dorf gingen. Dies war jedoch kaum der Fall. Die meisten Schüler waren nach der Rallye durch die Burg dankbar für eine kurze 82

Verschnaufpause, nutzten die Zeit, um mich bei möglichen Unklarheiten um Rat zu fragen oder, um sich mithilfe des mitgebrachten Proviants zu stärken. Die Tatsache, dass es keine nervige Wartezeit gab, war selbstverständlich an erster Stelle dem Glück zu verdanken. Ich denke, dass ein längeres Warten nicht mit hundertprozentiger Sicherheit zu vermeiden ist, dass der Lehrer, wenn nötig, jedoch nachhelfen kann, indem er beim Bilden von gleich starken Gruppen miteingreift. Einer schwächeren Gruppe mehr helfen als den schnelleren darf er jedoch im Sinne eines gerechten Wettkampfs nicht. Außerdem könnte der Lehrer eine kleine Aktivität für die Wartezeit vorsehen wie z.B. ein Rätselraten.

Auch hatte ich befürchtet, dass meine 8e-Schüler Schwierigkeiten haben könnten, die Antworten auf die von mir gestellten Fragen zu finden. Doch der Schwierigkeitsgrad schien angepasst. Die Aufgabenstellungen erwiesen sich manchmal als knifflig, jedoch nie als überfordernd und demotivierend, und konnten mit der nötigen Unterstützung meinerseits schlussendlich immer gelöst werden. Ich wiederhole jedoch, dass eine weniger starke Klasse sicherlich viel mehr Unterstützung bedurft hätte.

Ich war beeindruckt mit welchem Eifer die Schüler durch die Burg bzw. die Ortschaft zogen und jede Ecke durchstöberten, auf der Suche nach einem weiteren Indiz. Interessant war auch festzustellen, dass sie oft vom Konkurrenzgeist getrieben zu schnell weiterliefen und verschiedene Indizien übersahen, sodass ich sie manchmal bremsen und zurückschicken musste. Im Rahmen dieser Rallye war wahrlich ein genaues Beobachten gefordert und kein oberflächliches Überfliegen, wie die Schüler es oft bei Bild- oder Textanalysen an den Tag legen.

3.3.4 Die Rolle des Lehrers Ich denke, dass die Rolle des Lehrers bei solch einer pädagogischen Rallye sich an erster Stelle auf eine Begleit- und Beratungsfunktion beschränkt, in dem Sinne, dass er die Rallye erfolgreich koordinieren und seinen Schülern mit Rat zur Seite stehen muss, während sie selbständig auf Entdeckungsreise gehen.

83

Dabei ist die Verantwortung, die er außerhalb des Klassenraums trägt, insoweit sehr groß, wie sich ihm unentwegt neue unbekannte Konfliktsituationen stellen. Er muss seinen Schülern den nötigen Freiraum auf ihrer Spurensuche gewähren und sie gleichzeitig zu jedem Zeitpunkt streng überwachen. In diesem Sinne ist ein solcher Ausflug, außerhalb der gewohnten vier Wände, eine enorme Herausforderung für den Lehrer, der sicherlich in so manchen Situationen über seinen eigenen Schatten springen muss. Mir persönlich wurde im Laufe der Rallye deutlich bewusst, wie wichtig es ist, dass sich der Lehrer für solch eine Rallye bei über zwanzig Schülern von mindestens zwei Personen begleiten lässt. Außerdem sollte im Voraus eine genaue Uhrzeit ausgemacht werden, wann sich alle Gruppen wieder beim Bus antreffen müssen, ob sie nun den Schatz gefunden haben oder nicht, um zu verhindern, dass man kurz vor Abfahrt noch einzelne Nachzügler einsammeln muss.

84

Schlussfolgerung Ich hoffe mit dieser Arbeit veranschaulicht zu haben, welches besondere Potenzial die Ortschaft und Burg Vianden als außerschulischer Lernort für den Geschichtsunterricht haben. Es gibt jedoch noch weitere außerschulische Lernorte, die bis heute kaum benutzt werden, dem neugierigen Schüler jedoch viel zu bieten hätten. So sind zum Beispiel Ortschaften wie Echternach, Diekirch oder Luxemburg ebenso Spiegel unterschiedlicher Epochen, die dem aufmerksamen Beobachter viele interessante Geschichten zu erzählen vermögen. Das Fallbeispiel Vianden zeigt, meiner Meinung nach, deutlich, welche Richtlinien es beim Aufsuchen eines außerschulischen Lernortes zu beachten gilt. Die Herausforderungen sind zweifellos enorm. Der Lehrer muss nicht nur darauf Acht geben, sich stets im Rahmen der offiziellen Bildungsstandards zu bewegen und seinen Schülern die vorgegebenen Sachkenntnisse und Kompetenzen zu vermitteln. Er hat möglicherweise auch bei größeren Projekten mit Finanzierungsproblemen zu kämpfen. Er muss sich die Frage stellen, ob sich der zusätzliche Zeitaufwand gegenüber dem traditionellen Unterricht überhaupt lohnt. Und nicht zuletzt muss er bereit sein, außerhalb der bekannten vier Wände des heimischen Klassensaals zusätzliche Verantwortung zu übernehmen und sich möglicherweise sogar selbst neu zu definieren, indem er eine Begleiter- und Beraterrolle übernimmt. Vor allem aber sollte er beim Aufsuchen eines außerschulischen Lernortes überprüfen, ob es überhaupt schon ein schulpädagogisches Angebot vor Ort gibt und wenn ja, ob es auf seine Schüler abgestimmt ist. Ist dies nicht der Fall, ist sein Einsatz erneut gefragt, wenn er selbst in seiner VermittlerFunktion adäquate Bedingungen für ein Lernen vor Ort schaffen muss. Das Lernen vor Ort kann unterschiedliche Formen annehmen. Ich habe mich für eine pädagogische Rallye entschieden. Des Weiteren wären jedoch auch geführte Rundgänge, Ateliers, Rollenspiele, usw. denkbar. Wichtig ist nur, dass Zielsetzungen und Organisation in der Praxis umsetzbar und Schwierigkeitsgrad, Zeitanspruch sowie Sicherheitsvorkehrungen den Rahmenbedingungen angepasst sind. Ich hoffe mit dieser Arbeit ebenfalls deutlich gemacht zu haben, wie wichtig eine passende Vorbereitung und Nachbereitung für den Lernerfolg vor Ort sind. Die von mir entworfene Arbeitsmappe, eingesetzt als Lernweg-Portfolio, sollte den Schülern in diesem Falle die nötigen Präkonzepte liefern. Doch auch hier hätte man anders vorgehen können.

85

Die hier präsentierte Projektarbeit konnte leider aus Zeitgründen nicht mehr in allen Punkten so ausgeführt werden, wie ich es mir ursprünglich vorgenommen hatte. So konnte ich die Rallye beispielsweise nur auf meiner 8e testen, für handlungsorientierte Ateliers war kaum Zeit und die notwendige Nachbereitung blieb fast ganz aus. In diesem Falle hätte man sich kleine Tests, von den Schülern entworfene Plakate oder Modelle, themengebundene Ateliers, die Lektüre des historischen Romans „Yolanda“, usw. vorstellen können. Zusätzliche an die Schüler gerichtete Feedback-Bögen hätten es mir außerdem erleichtert, Ablauf und Ergebnisse der pädagogischen Rallye richtig zu beurteilen. Einzelne Schwierigkeiten, die im Laufe dieses Projekts aufgetreten sind, haben mir verdeutlicht, dass ich in Zukunft das autonome Arbeiten meiner Schüler besser strukturieren sollte und, dass ich für eine transparentere Bewertung und eine eindeutigere Fragestellung sorgen muss. Außerdem haben die von mir im Rahmen dieses Projekts gewonnenen Erfahrungen es mir ermöglicht, meinen Schülern in Zukunft von Anfang an genauere Informationen zu liefern. Ich habe die Arbeitsmappe und die Fragebögen zur Rallye als Lerninstrument entworfen, das jederzeit an andere Schüler, Lehrer und Lernsituationen angepasst werden kann. In diesem Sinne hat es mich auch sehr gefreut im Kommentar einer anderen Lehrerin zu lesen: „Ich werde einige Teile der Mappe sicher noch weiter in meiner Karriere benutzen.“ Vor allem aber hoffe ich, mit dieser Arbeit die Vorzüge des Lernens an außerschulischen Orten vor Augen geführt und möglicherweise sogar so manch einen Lehrer dazu motiviert zu haben. Das Lernen vor Ort ermöglicht nicht nur eine realitätsnahe und authentische Begegnung mit dem „Original“ in einer motivationssteigernden Lernumgebung. Ein forschendes und entdeckendes Lernen steht auch für einen handlungsorientierten Unterricht und fördert Selbständigkeit und Verantwortungsbewusstsein im Lernen des einzelnen Schülers. Der US-amerikanische Philosoph John Dewey hat bereits vor über 50 Jahren erkannt: „True learning is based on discovery guided by mentoring rather than transmission of knowledge“. Und in diesem Sinne schrieb Konfuzius sogar schon um 500 v. Chr.: „Erkläre mir – und ich vergesse. Zeige mir – und ich erinnere mich. Lass es mich tun – und ich verstehe.“46

46

Zit. nach : HENGESCH, Georges, Ausserschulische Lernorte – Einführung in die Exkursionsdidaktik, FLSHASE, 2012, S.1

86

Danksagungen Zum Abschluss möchte ich noch den Personen danken, ohne die ich diese Arbeit nie in der Form hätte durchführen können, allen voran M. Georges Hengesch, mein „patron de recherche“; M. Bernard Kreutz und M. Michel Margue von der Universität Luxemburg und M. Jean-Jacques List vom „Service des Sites et Monuments“ für die Bereitstellung des Materials zum zukünftigen „Visitor’s Center“ in Vianden; den Lehrern, die meine Arbeitsmappe auf ihren Klassen eingesetzt haben; meiner Familie und meinen Freunden, die die Rallye getestet, meine Arbeit überlesen oder einfach nur mich durch ihre Präsenz oder mit ihren Worten unterstützt haben und nicht zuletzt meinen Schülern, ohne nie dieses Projekt ja gar nicht möglich gewesen wäre.

87

88

Quellenverzeichnis 1.

Didaktische (Fach)literatur

DICKEL, Mirka, KANWISCHER, Detlef (Hrsg.), TatOrte: Neue Raumkonzepte didaktisch inszeniert, LIT, Münster, 2006

DORE, Louise, MICHAUD, Nathalie, MUKARUGAGI, Libérata, Le portfolio. Évaluer pour apprendre, Les Éditions de la Chenelière, Montréal, 2002

GAEDTKE-ECKARDT, Dagmar-Beatrice, Außerschulische Lernorte, Studenten schreiben für Studenten und Referendare, Verlag Franzbecker, Hildesheim, 2007

GUDJONS, Herbert, Handlungsorientiert lehren und lernen, Klinkhardt, Bad Heilbronn, 2008

HÄCKER, Thomas, Portfolio: ein Entwicklungsinstrument für selbstbestimmtes Lernen, Schneider Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler, 2007

Handbuch Unterricht, hrsg. v. ARNOLD, Karl-Heinz, SANDFUCHS, Uwe, WIECHMANN, Jürgen (2., aktualisierte Auflage), Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 2009 HENGESCH, Georges, Ausserschulische Lernorte – Einführung in die Exkursionsdidaktik, FLSHASE, 2012

L'évaluation formative. Pour un meilleur apprentissage dans les classes secondaires, Centre pour la recherche et l'innovation dans l'enseignement, OCDE, Paris, 2005

MESSMER, Kurt, VON NIEDERHÄUSERN, Raffael, REMPFLER, Armin, WILHELM, Markus (Hrsg.), Außerschulische Lernorte – Positionen aus Geographie, Geschichte und Naturwissenschaften, LIT Verlag, Münster, 2011

89

SAUER, Michael, Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik, Seelze-Velber, Kallmeyer, 2001

VON FREYMANN, Thelma, GRÜNEWALD-STEIGER, Andreas (Hrsg.), Am Beispiel erklärt, Aufgaben und Wege der Museumspädagogik, Georg Olms Verlag, Hildesheim, 2004 WIEDENHORN, Thomas, Das Portfolio-Konzept in der Sekundar-Stufe. Individualisiertes Lernen organisieren, Verlag an der Ruhr, Mülheim an der Ruhr, 2006

2.

Themenbezogene Literatur

BRUDER HERMANN, Yolanda von Vianden, moselfränkischer Text aus dem späten 13. Jahrhundert, übersetzt und kommentiert von Gerald NEWTON und Franz LÖSEL, Institut Grand-Ducal, Luxemburg, 1999 Die Hofburg Vianden, hrsg. v. „Les amis du château de Vianden” asbl., Saint-Paul, Luxemburg, 1996 HAAG, Emile, Une réussite originale – le Luxembourg au fil des siècles, Ed. Guy Binsfeld, Luxemburg, 2011 Man mohte schrîwen wal ein buch. Ergebnisse des Yolanda-Kolloquiums 26. – 27. November 1999 Luxemburg, Vianden und Ansemburg, dir. BERG, Guy, Institut Grand-Ducal, Luxemburg, 2001

MILMEISTER,

Jean,

Geschichte

der

Grafen

von

Vianden

1090-1795,

Veiner

Geschichtsfrënn, Saint-Paul, Luxemburg, 2003

PÉPORTÉ, Pit, Yolanda von Vianden, in: Lieux de mémoire au Luxembourg II: jeux d'échelles, Ed. Saint-Paul, Luxemburg, 2012

RIEHM, Waltraud, Yolanda. Historischer Roman, Paulinus Verlag GmbH, Bonn, 2007 90

700 Joor Veianen, hrsg. v. Administration Communale de la Ville de Vianden, Imprimerie Centrale Luxembourg, Luxemburg, 2009

WILTHEIM, Alexandre, Vita Venerabilis Yolandae. The Life of Yolanda of Vianden. Das Leben der Yolanda von Vianden, aus dem Lateinischen originalgetreu übersetzt von Guy BERG und Gerald NEWTON, Imprimerie Centrale, Luxemburg, 2007

ZIMMER, John, Burg Vianden, in Carnets du patrimoine, hrsg. v. Musée National d'Histoire et d'Art / Service des Sites et Monuments nationaux, Saint-Paul, Luxemburg, 1996

3.

Lehr- und Schulbücher

Entdecken und Verstehen 2, bearbeitet von EYSCHEN, Marie-Paule, KAYSER, Simone, LESSING, Guido, SCHOENTGEN, Marc, THILL, Simone, WATGEN, Rita, Cornelsen, Berlin, 2008

Forum Geschichte 1 Luxemburg, hrsg. v. REGENHARDT, Hans-Otto, Cornelsen, Berlin, 2010

Forum Geschichte 2, hrsg. v. Dr. KUNZ, Christoph, REGENHARDT, Hans-Otto, TATSCH, Claudia, Cornelsen, Berlin, 2001

Forum Geschichte. Arbeitsheft 2, erarbeitet von DREPPENSTEDT, Hinnerk, HEIMTAUBERT, Susanna, TATSCH, Claudia, Cornelsen, Berlin, 2007

PAPENBERG, Helmut, Das Leben in der mittelalterlichen Stadt- Materialien zur selbständigen Themenerarbeitung in der Sekundarstufe I, Auer, Donauwörth, 2005

Unser Weg in die Gegenwart 2, hrsg. v. Dr. BRACK, Harro, Dr. GRÜNKE, Günter, Dr. HOCHHOLZER, Adolf, KARL, Franz, KLEMENT, Otto, LACHNER, Hannelore, Dr. SELTMANN, Ingeborg, C.C.Buchners Verlag, Bamber, 1997 91

4.

Lehrpläne

http://portal.education.lu/programmes/ProgrammeSecondaire.aspx#la-210756-20132014#la210756-20132014

5.

Weitere Quellen

KREUTZ, Bernhard, Ausstellungskonzept „Visitor’s center du château de Vianden“ Stadtplan des Syndicat d'initiative de Vianden A.s.b.l.

Internetquellen zu den Abbildungen in der Arbeitsmappe siehe Links in den Fussnoten der Mappe

92

Anhang Der Übersichtlichkeit halber und zur besseren Illustrierung werde ich die komplette Arbeitsmappe sowie den Fragebogen zur Rallye neben dieser Arbeit separat einreichen. Im Anhang werde ich nur zusätzliche Dokumente präsentieren, die es mir ermöglichen, bestimmte Aussagen aus meiner Arbeit zu dokumentieren. Für die Disputation werde ich Entwürfe der Arbeiten meiner Schüler mitbringen.

Bewertung deiner Arbeitsmappe:

Inhalt

/ 30 P.

Präsentation

/ 10 P.

Verbesserungen der einzelnen Aufgaben, persönliche Fortschritte

/ 10 P.

Zusatzaufgaben (Anzahl und Qualität)

/ 10 P.

GESAMTBEWERTUNG FÜR DIE ARBEITSMAPPE:

93

/ 60 P.

Name: ____________________________ Klasse: ____________________________

Reflexions- und Autoevaluationsbogen Liebe(r) Schüler(in), wir haben nun ein ganzes Trimester lang an der Arbeitsmappe „Vianden im Mittelalter“ gearbeitet. Mithilfe dieses Autoevaluationsbogens möchte ich herausfinden, inwieweit du deine Arbeit selbst korrekt einschätzt. 1. Wie sind deine Punkte auf der Arbeitsmappe im Vergleich zur traditionellen Klassenarbeit ausgefallen? a) Gesamtnote für die Arbeitsmappe: ____ Gesamtnote in der Klassenarbeit: ____ b) Kreuze richtig an. Die Note, die ich auf der Arbeitsmappe erhalten habe ist… viel höher

etwas höher

ungefähr gleich

etwas tiefer

viel tiefer

c) Wie erklärst du dir diesen Punkteunterschied? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________

94

d) In welcher Rubrik hast du die meisten Punkte erhalten? Kreuze richtig an. Inhalt

Präsentation

Verbesserungen Zusatzaufgaben der einzelnen (Anzahl und Aufgaben, Qualität) persönliche Fortschritte, AutoEvaluation

In welcher Rubrik hast du die wenigsten Punkte erhalten? Kreuze richtig an. Inhalt

Präsentation

Verbesserungen Zusatzaufgaben der einzelnen (Anzahl und Aufgaben, Qualität) persönliche Fortschritte, AutoEvaluation

Überlege, wieso du je nach Rubrik mehr oder weniger Punkte erhalten haben könntest. ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ 2. a) Wie selbständig hast du die einzelnen Aufgaben lösen können? Kreuze entsprechend auf der Leiste an. Ich war zum Lösen der Aufgaben zu … ________________________________________________________________ 0% 25% 50% 75% 100% … auf Hilfe angewiesen.

95

b) Auf welche Unterstützung hast du beim Lösen der einzelnen Aufgaben am meisten zurückgegriffen? Nummeriere die verschiedenen Möglichkeiten der Reihe nach von 1 (am meisten) bis 4 (am wenigsten). ( / = gar nicht) Geschichtsbuch, Lexikon, Internet, usw. Klassenkameraden Lehrer(in) Eltern, Geschwister, andere Außenstehende 3. a) Was hat dir besondere Schwierigkeiten bei der Arbeit mit der Arbeitsmappe bereitet? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ b) Überlege woran dies liegen könnte. ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ c) Was könnte nächstes Mal besser gemacht werden? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________

96

Feedback-Bogen für den Schüler Liebe(r) Schüler(in), deine Meinung interessiert mich. Deshalb möchte ich dich hiermit darum bitten folgende Fragen so ehrlich und präzise wie möglich zu beantworten. Keine Sorge, deine Aussagen bleiben anonym. 1. Was hat dir allgemein an der Arbeit mit der Arbeitsmappe gefallen und was hat dich gestört? Was hätte der Lehrer/die Lehrerin anders machen sollen bzw. was hat er/sie gut gemacht? Sag mir deine Meinung zu folgenden Punkten. NEGATIV

POSITIV

Inhalt und Struktur der Arbeitsmappe

Bewertungskriterien und Punkteverteilung

97

Organisation des Projekts (z.B. Erklärungen von Seiten des Lehrers, zur Verfügung stehende Zeit, Arbeitsaufwa nd, usw.)

Methodik (z.B.: Aufteilung in Pflicht- und Zusatzaufgab en, Darstellungst exte, usw.)

Sonstiges

98

Anzahl der Schüler, die diese Antwort angekreuzt haben : auf 8e (insgesamt 21 Schüler) auf 6e (insgesamt 18 Schüler)

2. Kreuze an welche Aussagen auf dich zutreffen.

Stimmt Stimmt Ich bin Zusätzliche nicht geteilter Erklärungen Meinung. Dieses Projekt zur Arbeitsmappe war viel zeit- und arbeitsaufwendiger als ich es aus dem traditionellen Unterricht gewohnt bin.

9 3

5 8

6 7

Die Arbeit mit der Arbeitsmappe stellte eine Möglichkeit dar einfach und sicher eine gute Note zu erhalten. Ich habe immer noch nicht richtig verstanden wie die Punkte der einzelnen Rubriken zusammen gerechnet wurden.

13 12

4 3

3 3

6 3

14 11

/ 4

Ich habe meine Aufgaben immer sorgfältig verbessert. Ich habe die gleichen Fehler nicht noch einmal gemacht. Ich habe vor dem Lösen jeder neuen Text- bzw. Bildanalyse nachgeschaut welche Fehler ich in der letzten begangen habe mit dem Ziel mich zu verbessern. Durch diese Arbeitsmappe ist mir bewusst geworden, dass ich beim Abschreiben von der Tafel oder aus dem Text sehr viele Fehler begehe. Durch dieses Projekt habe ich erst erkannt, dass ich nicht immer sehr gut aufpasse wenn wir Aufgaben gemeinsam in der Klasse verbessern. Ich sehe wenig Sinn im Verbessern der Aufgaben. Ich bin dabei nur genervt.

11 4 6 11 11 6

5 5 8 / 6 9

4 9 6 7 3 3

12 2

7 13

1 3

10 /

8 6

2 12

4 1

13 12

3 5

99

Am Anfang verstand ich nicht so richtig was der Lehrer/die Lehrerin in Bezug auf die Zusatzaufgaben von mir erwartete. Am Anfang wusste ich nicht so richtig wie ich mich organisieren soll. Ich habe die Arbeit mit der Arbeitsmappe zuerst nicht sehr ernst genommen. Ich wäre weniger unter Zeitdruck geraten, hätte ich eher mit dem Lösen der Zusatzaufgaben angefangen. Durch diese Arbeit mit der Arbeitsmappe habe ich gelernt mich besser zu organisieren.

7 7

11 8

2 3

14 7

5 11

1 /

9 5

8 6

3 7

16 9

3 3

1 6

11 10

5 3

4 5

Ich habe mir beim Lösen der Zusatzaufgaben nicht besonders viel Mühe gegeben. Ich ziehe es vor wenn man mir ganz klar sagt für wann ich welche Hausaufgabe zu lösen habe. Das Konzept der Zusatzaufgaben gefällt mir nicht. Die Zusatzaufgaben haben mich zusätzlich motiviert weil ich mir selbst meine Aufgaben heraussuchen konnte.

5 2

11 12

4 4

7 7

10 6

2 5

12 7

4 5

4 6

Allgemein hätte ich besser abgeschnitten, hätte ich mir mehr Mühe gegeben. Ich habe durch die Arbeit mit der Arbeitsmappe mehr hinzugelernt als durch traditionellen Unterricht. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Resultat.

12 5

6 7

2 6

13 7

3 4

4 7

10 7

4 3

6 8

Vielen Dank für deine ehrliche Meinung! 100

Feedback-Bogen für den Lehrer Liebe(r) Lehrer(in), hiermit möchte ich Ihnen noch einmal herzlich dafür danken, dass Sie bereit waren die von mir ausgearbeitete Arbeitsmappe auf einer Ihrer Klassen zu testen. Ihr Feedback zu dieser Arbeitsmappe ist für mich von großem Wert. Außerdem würde mich interessieren wie Sie persönlich mit der Arbeitsmappe gearbeitet haben. Deshalb bitte Ich Sie sich hier noch ein letztes Mal Zeit zu nehmen um folgende Fragen so ehrlich und umfangreich wie möglich zu beantworten.

1. Auf welcher Klasse und in welcher Schule haben Sie mit der Arbeitsmappe „Vianden im Mittelalter“ gearbeitet? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________

2. a) Wie viele Aufgaben aus dieser Arbeitsmappe haben Sie auf Ihrer Klasse tatsächlich eingesetzt? Geben Sie einen ungefähren Prozentsetz an. ________ b) Haben Sie diese genauso übernommen wie Sie sie in der Arbeitsmappe vorgefunden haben? alle

die meisten

einige

keine

c) Oder haben Sie sich eher an den Aufgaben inspiriert, um sie an Ihren Kurs anzupassen? alle

die meisten

einige

keine

3. a) Haben Sie die verschiedenen Themen in der vorgeschlagenen Reihenfolge behandelt? ja

nein 101

b) Wenn nein, geben Sie hier bitte die Gründe für die von Ihnen ausgewählte Reihenfolge an. ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________

4. a) Wie viele Aufgaben wurden gemeinsam in der Klasse gelöst? alle

die meisten

einige

keine

b) Wie viele Aufgaben wurden den Schülern als Hausaufgabe aufgegeben? alle

die meisten

einige

keine

5. a) Haben Sie die einzelnen Aufgaben benotet? alle

die meisten

einige

keine

b) Wenn ja, wie haben Sie die Arbeiten benotet? auf einer Skala von:

01 - 60

1-4

____ - ____

_________

c) Wenn ja, nach welchen Kriterien wurden die Antworten benotet? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ 102

________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________

6. Beschreiben Sie bitte kurz die Rahmenbedingungen auf Ihrer Klasse (Niveau, Motivation, Disziplin, Selbständigkeit, Sprachkenntnisse, usw.). ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________

7. Welchen Schwierigkeiten sind Sie im Laufe des Projekts möglicherweise auf Ihrer Klasse begegnet? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ 103

________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________

8. Was hätten Sie an der Arbeitsmappe anders gemacht / was hat Ihnen positiv zugesagt? a) zum Inhalt ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ b) zur Struktur ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ c) zur Sprache ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ 104

d) zum Niveau ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ e) zur Fragestellung ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ f) zur Methodik ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ g) Sonstiges ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Vielen Dank für Ihre ehrliche Meinung!

105

Verbesserung der Bildanalyse „Die Belagerung einer Burg“ (→ Arbeitsmappe 1.10 a) ): Präsentation der Quelle: Art der Quelle: bildliche Quelle Buchmalerei aus einem französischen Manuskript Datum: 14. Jh. Thema: Belagerung einer Burg

Beschreibung der Quelle: z.B.: Im Hintergrund sehe ich ein Gebäude mit zwei runden Türmen, das von einer hohen Mauer mit Zinnen umgeben ist. Hinter der Mauer stehen drei Männer. Der Mann in der Mitte hebt einen Stein über den Kopf. Der Mann links hält in beiden Händen jeweils ein Gefäß mit einer orangefarbenen Flüssigkeit, die er herunter schüttet. Der Mann rechts wirft lange spitze graue Gegenstände von der Mauer herunter. Im Vordergrund erkennt man unten auf der Wiese vor der Mauer vier Männer, die alle mit Hacken auf den Boden einschlagen. Sie stehen unter einem gelblichen Gestell mit Rädern. Auf dem Dach dieses Gestells liegen mehrere Steine auf einer braunen Oberfläche. Alle Männer tragen Helme und Kettenhemden.

Interpretation der Quelle: z.B.: Das Bild stellt die Belagerung einer Burg dar. Die Männer sind Ritter. Die Angreifer versuchen womöglich einen Tunnel unter der Burg hindurch zu graben, um sie zum Einsturz zu bringen und, um so in die Burg zu gelangen. Das hölzerne Gestell schützt sie vor den Steinen und der Flüssigkeit (= vielleicht kochendes Öl), die die Verteidiger der Burg auf sie hinunter werfen. Die Angreifer haben das Dach ihres Schutzes womöglich mit feuchten Tierfällen belegt, damit es kein Feuer fängt.

106

Notendurchschnitt der 8e: Schüler A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U Notendurchschnitt

Klassenarbeiten 36 21 48 45 35 34 25 33 31 29 35 41 35 47 40 31 35 52 33 28 30 35.4

Arbeitsmappe 37 41 49 29 39 37 44 35 35 51 48 31 52 53 40 33 33 56 42 36 29 40,5

Klassenarbeit 34 26 56 44 42 42 33 46 28 57 35 39 34 50 44 40 36 49 40,8

Arbeitsmappe 41 36 54 48 10 51 43 50 28 58 40 45 45 44 50 51 27 52 42,9

Notendurchschnitt der 6e: Schüler a b c d e f g h i j k l m n o p q r Notendurchschnitt

107

Lösungen zum Fragebogen: 1) roemisches Kastell 22 2) Wehrgang 12 3) Vianden / Luxemburg 17 27 4) Waffensaal 16 5) zweiten Haelfte des 16. Jh. 14 6) Hellebarden 3 7) um 1100 21 8) Latrine 11 9) Ofenkachel 6 10) drei 1 11) Kapelle 2 12) drei 23 13) byzantinischen Galerie 26 14) a. F (1306-1315) b. R 28 15) 3,50 13 108

16) Hospital 19 17) Feuersbrunst 15 18) Kreuzgang 9 19) Yolanda 7 20) Graefin Maria von Spanheim 29 21) C / A / A / E 5 22) Stadthaus 25 23) Our 20 24) St Jean Népomucene 18 25) Trinitarierkirche 8 26) Nikolaus 24 4 27) 13. 10

Lösungssatz: Der Schatz liegt beim Hockelsturm.

109

Autorentext aus dem Geschichtsbuch der 8e S.29:

Autorentext aus dem Geschichtsbuch der 8e S.20:

110

Bildliche Quelle aus dem Geschichtsbuch der 8e S.16:

Offizieller Plan zum Rundgang durch Burg Vianden:

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