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Die Burg im Mittelalter Beitrag: Volker Eklkofer & Simon Demmelhuber Inhalt Raubzüge der Wikinger und Ungarn Drohte im frühen Mittelalter ein feindlicher Überfall, flohen die Menschen in die Wälder oder suchten Schutz in Fliehburgen, die von Erdwällen umgeben waren. Wohnhaus und gesicherter Unterschlupf waren nicht selten voneinander getrennt. Erst im 9. Jahrhundert wurden beide Elemente zusammengefasst, Türme gebaut und Ringmauern gezogen. Den Anstoß für den Burgenbau dürften die seit Ende des 8. Jahrhunderts stattfindenden Züge der Wikinger gegen die Küsten Europas und ihr Eindringen auf Flüssen landeinwärts gegeben haben. 836 plünderten die Normannen London, 845 Paris und Hamburg, 881/882 Köln. Daneben fielen ihnen zahlreiche Dörfer und kleinere Städte zum Opfer. Für das Territorium des ostfränkischen Reiches waren vor allem die Ungarn eine ernste Bedrohung. Zwar gelang es 933 durch den Sieg bei Riade an der Unstrut die Ungarneinfalle vorübergehend zu stoppen, doch die Gefahr blieb. König Heinrich I. (reg. 919-936) ordnete deshalb den Bau von Burganlagen an. So entstand eine Kette von Befestigungen, die den Feind abwehren und zugleich Verwaltungsaufgaben übernehmen sollten. Adel verpflichtet - Burgenbau im Mittelalter Verantwortlich für den Burgenbau waren Adelige. Sie hatten bislang unter den Bauern in den Dörfern gelebt. Nun errichteten sie Bastionen, die einstige Fluchtburg wandelte sich zur Wohnburg. Der Burgenbau-Boom erreichte seinen Höhe-

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punkt im 12. Jahrhundert. Noch heute sind im Gebiet des Mittelrheins, entlang des Neckars und anderer Flüsse, im Elsass und auf den Bergen Tirols zahlreiche Burgruinen zu finden. Unterschiedliche Typen von Burgen Die frühen Burgen waren noch recht kleine Bollwerke mit einfachen Holzhäusern, doch bald wurden wuchtige Steinblöcke zum Haus- und Mauerbau verwendet. In Bergregionen oder hügeligen Gegenden entstanden Höhenburgen. Sie unterschieden sich von Anlage zu Anlage sehr stark, denn es musste gebaut werden, wie der Berg es eben zuließ. In den Ebenen errichtete man Wasserburgen, die mit breiten Gräben umgeben waren oder in einen Flussbogen eingepasst wurden. Die Funktion der mittelalterlichen Burg war, verglichen mit der Stadt, sehr einfach. Während Städte die Bedürfnisse viele Bürger, Handwerker, Händler etc. zu berücksichtigen hatten, war die Burg ganz auf die (Schutz-)Ansprüche des adligen Burgherren und seiner Familie zugeschnitten.

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sich das Burgverlies, darüber lag der Keller. Im heizbaren Erdgeschoß war die Wachmannschaft untergebracht. Die einzelnen Stockwerke erreichte man über Wendeltreppen.

Spielszenen geben Einblick ins Burgleben In szenischen Rekonstruktionen schildert die Sendung das Leben auf einer Ritterburg, erklärt ihren Aufbau und die Funktion der verschiedenen Räumlichkeiten. Die Burg war ein militärischer Stützpunkt, Verteidigung und Kampf spielten eine große Rolle.

Im inneren Burghof befand sich der Palas, der Wohnraum des Burgherren und seiner Familie. Der Saal des Palas war der Prunkraum der Anlage, den die Burgherren möglichst üppig ausstatteten. Die Wände wurden mit Ornamenten geschmückt, Wappenschilder und Wandteppiche aufgehängt. Als Fußbodenbelag verwendeten die Burgenbauer i.d.R. Ziegel und Estrich, nur besonders Wohlhabende ließen Marmorplatten verlegen.

Die Söhne der Burgherren wurden auf Nachbarburgen zu Rittern ausgebildet, bewiesen ihr kämpferisches Können in Turnieren und setzten es in Kriegen ein. Als Geschütze immer wirksamer wurden, konnten Burgen den Angriffen der Feinde kaum mehr standhalten und wurden zunehmend zerstört. Fakten Alltag auf der Burg Die Burgmauer bestand aus Steinblöcken. Über eine Zugbrücke gelangte man in den Torbau bzw. in die Vorburg. Ein kleines Tor führte in den inneren Burghof. Große Bedeutung kam aus militärischer Sicht dem Bergfried zu. Dieser Turm konnte bis zu sechs Meter dicke Wände haben. Der Eingang lag in den oberen Stockwerken und war über Leitern, die bei Gefahr eingezogen werden konnten, zu erreichen. Im Bergfried lagerte man Vorräte und wertvolle Besitztümer. Ganz unten befand © Bayerischer Rundfunk

Im Palas befand sich auch die Kemenate. Das Wort ist vom lat. caminus abgeleitet, meinte ursprünglich nur einen heizbaren Wohnraum, und bedeutete schließlich Schlaf- bzw. Frauengemach. Kemenaten waren wohnlich eingerichtet und mit Teppichen ausgelegt. An zentraler Stelle stand das Bett, in dem der Burgherr und seine Gemahlin schliefen. Arme Burgherren und ihre Frauen mussten sich manchmal jedoch mit einer Strohschütte zufrieden geben. Weil es in den Burgen feucht und kühl war, durfte eine pelzgefütterte Decke in der Kemenate nicht fehlen. Obwohl die Burg über eine Kapelle verfügte, befand sich im Schlafzimmer ein Betpult. Ihre Kleider bewahrten die Burgbewohner in Truhen auf. Schränke, wie wir sie kennen, gab es im Mittelalter lange Zeit weder in Burgen noch in Bauernhäusern. Die ältesten erhaltenen Schränke des Mittelalters stammen aus dem späten 13. bzw. frühen 14. Jahrhundert. Allgemein war in den Kammern der Burgen nur wenig Mobiliar zu finden. 2

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Wollte der Burgherr ein Bad nehmen, stellten die Diener den Zuber in einen der Räume (auch in die Küche; hier war es warm) oder ins Freie. Spezielle Badestuben findet man nur selten. Angenehm lebte es sich eigentlich nur im Sommer auf der Burg, ansonsten war es kühl und feucht. Wind, Hagel und Blitz setzten vor allem den Höhenburgen stark zu, nicht wenige Anlagen brannten nach Blitzeinschlägen ab, wenn die hölzernen Stiegen Feuer fingen. Einen großen Fortschritt in Hinblick auf Behaglichkeit und Lebensqualität brachte die Erfindung des gemauerten Kamins. Nun konnte sich der Ritter mit seiner Familie auch an wärmenden Feuern in den oberen Gemächern erfreuen. Die Bediensteten mussten allerdings meist auf einen Kamin verzichten. Gekocht wurde am offenen Herdfeuer, erst im späten 14. Jahrhundert kamen vereinzelt Öfen zum Einsatz. Ein Beleg dafür ist, dass in Burganlagen kaum Ofenkacheln gefunden wurden. Zur Beleuchtung der Räume wurden Kerzen oder Öl-/Tran-Lampen verwendet. Von den Decken hingen Holzleuchen oder eiserne Hängeleuchter, an den Wänden waren Armleuchter angebracht. Auch Boden-Standleuchten wurden verwendet. Nachts konnte der Burghof mit Fackeln erleuchtet werden. Im Burginneren stand der Brunnen – sofern es überhaupt möglich war, bis zum Grundwasser vorzudringen. Ansonsten wurde Regenwasser aufgefangen, in Zisternen geleitet und dort gespeichert. Waren die Zisternen leer, mussten die Bediensteten Wasser aus dem Tal herbeischaffen. Nahezu jede Burg verfügte über einen Kräuter- und Blumengarten. Meist befand sich der Garten neben dem Palas, je nach Größe der Anlage konnten hier auch Obstbäume stehen.

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Die Burgherren waren auch Bauern. Sie hielten Kühe, Pferde, Schafe, Geflügel etc. auf der Burg. Als landwirtschaftlicher Eigenbetrieb war die Burg jedoch nicht lebensfähig, sie musste vom bäuerlichen Umland mit Naturalien versorgt werden. Da der Ritter auch Grundherr war, erhielt er Abgaben von den Bauern und forderte Fronarbeit ein. Sein Burgverwalter war für die Vorratshaltung zuständig und überwachte die Bediensteten. Knechte arbeiteten in den Stallungen und in der Schmiede und pflegten die Waf fen. Die Burgherrin leitete den Haushalt, organisierte die Arbeit von Mägden und Näherinnen und kümmerte sich um den Garten. Der Hauskaplan las die Messen und unterrichtete die Kinder der Familien und die Knappen. Ritterliches Leben In der römischen Republik war der Ritter (lat. eques, mlat. miles) ein Reiter, der vom Staat das Geld zum Kauf zweier Pferde und einen Zuschuss zum Futterkauf erhielt. Allmählich wurde daraus ein Adelstitel mit verschiedenen Rangklassen. Im frühen Mittelalter war der Ritter ein berittener Berufskrieger. Aus militärtechnischen Gründen wurde dieser Kämpfertyp für die Herrscher immer wichtiger. Sein Aufstieg hing aber auch mit einer sich ändernden Einstellung der christlichen Religion zum Krieg zusammen. Zwar hatte der Kirchenlehrer Augustinus (354-430) den „gerechten Krieg“ längst gutgeheißen, doch Teile der Geistlichkeit hielten das Töten eines Feindes nach wie vor für eine Sünde. Das änderte sich im frühen Mittelalter, als Wikinger und Ungarn einfielen, ganze Landstriche verwüsteten und zur ernsten Bedrohung wurden. Nun rechtfertigte die Kirche den Kampf gegen die Heiden. Der Heidenkrieg galt fortan als besonderer Verdienst am Ende dieser Entwicklung standen die Kreuzzüge. Ging es gegen die Heiden, förderte die Geistlichkeit den Krieg und das Töten. Weil die Kraft Gottes auf die Waffen der Kämpfer übergehen sollte, segnete sie der Priester. So wurde aus dem ursprünglichen Schwertsegen die Ritterweihe.

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Der Ritter wurde Bestandteil der mittelalterlichen Werteordnung mit ihrem hierarchisch gegliederten Ständesystem. Er schwor seinem Lehnsherrn (z.B. Fürst, Herzog, König, Kaiser) Treue und war zur Gefolgschaft bei Fehden und zum Kriegsdienst verpflichtet. Im Gegenzug erhielt er ein Lehen, also Grundbesitz, zur Nutzung. Die Angehörigen des neuen Standes fühlten sich einem besonderen Ehrenkodex verpflichtet. Sie entwickelten spezielle Erziehungsmethoden, Umgangsformen, eigene Feste und eine neue Art von Literatur.

Aus dem ritterlichen Lebensstil wurde im Hochmittelalter das „Ritterideal“ mit der Pflicht zum Waffendienst, zum Gottesdienst und zum Minnedienst. Dazu gehörte die Pflege der Dichtung, verbunden mit der Verehrung eines weiblichen Idealbildes. Zu Ehren der adeligen Herrin dichteten Ritter kunstvolle Lieder und trugen sie beim Saitenspiel vor. Die Ausbildung zum Ritter verlief nach festen Regeln, denn „staete“ (Charakterfestigkeit) und „mâze“ (Mäßigung) sollten ihn später auszeichnen. Bis zu seinem siebten Lebensjahr wurde der Sohn eines Ritters von seiner Mutter und vom Hofkaplan erzogen. Als Page wechselte er dann auf die Burg eines befreundeten Ritters. Im Umfeld der Edelfrau wurde er in die Feinheiten der höfischen Sitte eingeführt. Bis zu seinem vierzehnten Lebensjahr stand er als Edelknabe in ihren Diensten. Man vermittelte ihm dabei auch Bibelkenntnisse, er lernte zu dichten und zu musizieren. Auf größeren Burgen lernten die Jungen Lesen und Schreiben, aber diese Ausbildung genossen nicht alle. Dann begann die Ausbildung der körperlichen Fähigkeiten. Dazu gehörten Reiten, Schwimmen, Faustkampf und Waffenausbildung. Die Umgürtung mit dem Schwert, die so genannte Schwert-

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leite, wurde vorgenommen, wenn der junge Edelmann fünfzehn Jahre alt wurde und damit in die Welt der Erwachsenen eintrat. Als Knappe lernte er nun mit Pferd, Falke und Hund zu jagen, er diente als Waffenträger eines Ritters und begleitete ihn zu Turnieren. Nach dem Ende der Knappenzeit wurde er mit 21 Jahren zum Ritter geschlagen.

Das war eine feierliche Zeremonie, auf die er sich durch Beten und Fasten vorbereiten musste. Nach dem Empfang des Heiligen Abendmahls kniete er inmitten aller Ritter des Hofes in voller Rüstung vor seinem Herrn nieder und empfing den Ritterschlag. Von nun an genoss der junge Ritter besondere Privilegien. Wurde er gefangen genommen, durfte er nicht gefesselt werden. Bei Abmachungen genügte sein bloßes Wort. Und im Falle eines Todesurteils hatte er Anspruch darauf, mit dem Schwert geköpft zu werden. Durch das Familienwappen auf dem Schild war er als Angehöriger einer Elite erkennbar. Auf Turnieren musste er seinen Wagemut unter Beweis stellen, wenn es darum ging, einen Konkurrenten mit dem „Stechzeug“ aus dem Sattel zu heben. Neben dem Schwert waren der Kettenwams und der Harnisch aus Eisenplatten das Zeichen des Ritters. Darunter trug er ein Hemd und eine Leinen- oder Filzweste. Über die Panzerung konnte er einen farbenfrohen Umhang aus Leinen, Samt oder Seide tragen. Seinen Kopf schützte er mit einem Topfhelm, der aus ei-

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nem Scheitelstück und seitlich zusammengenieteten Platten bestand. Den auf dem Helm angebrachten Schmuck nannte man Zimier. Wurde kein Helm benötigt, setzte der Ritter einen perlenbesetzten Lederhut auf den Kopf. Auch Hüte aus Pfauenfedern wurden getragen. Die Ritter trugen in voller Ausrüstung bis zu 80 Kilogramm am Leib. In den Sattel stiegen sie mit Leitern oder wurden per Flaschenzug hochgehievt.

Die Erfindung des Schießpulvers änderte in der frühen Neuzeit die Kriegstaktik grundlegend, die Voraussetzungen für die Sonderstellung des Ritters entfielen. Burgen konnten mit Geschützen nun sturmreif geschossen werden. Der noble Einzelkämpfer, der im Krieg einen Gegner zum entscheidenden Zweikampf herausfordern konnte, hatte zu Zeiten der Massenheere keine Bedeutung mehr. Der Niedergang des Rittertums war nicht mehr aufzuhalten.

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(Weddige, S. 260.) Zu den Dichterkomponisten, die zugleich mit den Texten die Melodien (wîsen) schaffen, zählen sowohl Mitglieder des Hochadels als auch des „ritterbürtigen“ niederen Adels und der neuen Ministerialenschicht. Festzuhalten bleibt in jedem Fall, dass der Minnesang insgesamt nicht nur hinsichtlich seiner Konsumenten als auch seiner Produzenten eine Angelegenheit adlig-höfischer Laien ist. Über die konkrete Aufführungspraxis ist wenig bekannt. Da die Liederhandschriften des 13. und 14. Jahrhunderts überwiegend nur die Texte, aber nicht die zugehörigen Melodien (wîsen) überliefern, wissen wir kaum, wie die Lieder geklungen haben. Dass die Dichterkomponisten ihre Werke selbst vortrugen und sich instrumental begleiteten, steht zu vermuten. Hinweise deuten darauf, dass die Aufführungspraxis breite Variationsmöglichkeiten vom unbegleiteten Sologesang bis zum mehrstimmigen, durch mehrere Musiker begleiteten Vortrag bot. So zeigen uns die stilisierten „Autorenportraits“ der Manessischen Liederhandschrift von Musikanten umringte Minnesänger oder geben ihnen unterschiedliche Instrumente wie etwa Harfen oder Fiedeln zur Hand. Inwiefern dies die Realität abbildet oder lediglich die Funktion des Dargestellten anzeigt, ist nicht zu klären.

„Von minne kumt uns allez guot“ Minne und Minnesang als Selbsterziehungsprozess der ritterlichhöfischen Gesellschaft Begriff und Funktion Im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts entsteht nach dem Vorbild französischer Troubadour- und Trouvères-Lieder der minnesanc als Phänomen einer höfisch-ritterlichen Liebeslyrik, die sich zwischen 1150 und 1230 literarisch entwickelt, entfaltet und schließlich wieder auflöst. Als fester Bestandteil der Adelskultur ist der Minnesang kein Gegenstand privater Lektüre, sondern „ein Vorgang in der Öffentlichkeit des Hofes, ein Stück ‚höfischen’ Zeremonialhandelns (Erich Kleinschmidt), ein gesellschaftliches Spiel mit der Fiktion im Rahmen des höfischen Festes“ © Bayerischer Rundfunk

Charakteristik und Motivik Der zentrale und namensgebende Begriff minne ist ebenso vielschichtig wie komplex. Seine schillernde „Bedeutungsskala reicht von der rein geistigen bis zur rein sinnlichen Liebe“. (Weddige, S. 246.) Ursprünglich bedeutet „minne“ ein „liebendes Gedenken“ im Sinne geistiger Hinwendung, etwa an einen Heiligen (Sant Gêrtrûden minne). Eine weitere Bedeutungsebene ist in der fürsorglichen, erbarmenden und helfenden Nächstenliebe im 5

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Sinne von caritas oder Agape präsent . Minne meint allerdings auch die verlangende, begehrende Liebe im Sinne von amor und Eros. Obwohl diese begehrende Minne auch die körperliche erotische Liebe zwischen Mann und Frau umfasst, hat sie nicht notgedrungen und immer einen sexuellen Grundzug. So kann sowohl Gott in minne zum Menschen als auch der Mensch in minne zu Gott (Gottesminne) entbrennen. Im Spätmittelalter verengt sich die ursprüngliche Bedeutungsbreite jedoch auf den sexuellen Aspekt, weshalb der Begriff zunächst im höfischen Bereich, später dann allgemein außer Gebrauch kommt und durch das zunächst allein die „geistige Freude“ meinende Wort „Liebe“ ersetzt wird.

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der der höfischen Gesellschaft unterliegen beide, ritter und vrouwe strengen öffentlichen Normen, die kein individuelles Ausscheren, kein „Privatglück“ erlauben. Für den Erhalt der Ordnung sorgen neidische Aufpasser (houte, merkaere), die das Prinzip der Öffentlichkeit verkörpern. Die Liebe muss daher heimlich (tougen) bleiben. So treten Reflexion, seelische Gestimmtheit und innerliches Erleben an die Stelle des konkreten Liebesvollzugs.

Das höfische Minnekonzept Konstitutiv für die hôhe minne des entfalteten „klassischen“ Minnesangs ist ein durch Entsagung geprägtes Mann-Frau-Verhältnis. In diesem Kontext meint minne die dienende, werbende, letztlich nicht belohnte Verehrung einer Dame oder Herrin (vrouwe) durch den Mann (ritter). Dabei „erkennen und erleben sich hier noch nicht einmalige Personen in der Liebe, sondern das Ich und Du repräsentieren als ritter und vrouwe das Selbstbewusstsein eines Standes. Subjektives ist objektiv, Individuelles typisch. Das Ich existiert nur als Rolle, als öffentliches Leitbild einer aristokratisch-höfischen Gesellschaft“. (Weddige, S. 261.) Entscheidend für das Verständnis des Minnesangs ist somit die Tatsache, dass er nicht als unmittelbar biografische Selbstaussprache eines konkreten Autoren-Ich, sondern immer nur als fiktive Selbstaussage ständisch gebundener Rollenträger gedeutet werden kann. Daher ist die vrouwe des Minneliedes keine wirkliche, namentlich identifizierbare Frau aus Fleisch und Blut, sondern eine ferne, unerreichbare, letztlich aussichtslos umworbene Idealgestalt. Trotz aller ihr metaphernreich zugeschriebenen Schönheit bleibt sie seltsam körperlos, abstrakt, überindividuell und auf ihre Rollenfunktion reduziert. Der ritter oder man des Minneliedes dient dieser unnahbaren Dame in steter, unverbrüchlicher Treue (triuwe). Er sehnt sich nach ihr, verzehrt sich nach ihrem Dank (danc), Lohn (lôn) oder auch nur ihrem Gruß (gruoz). Da die Dame verheiratet ist, besteht keine Hoffnung auf körperlich-konkrete Liebeserfüllung. Denn als Mitglie© Bayerischer Rundfunk

Dass der Ritter seine Dame im Stillen (tougenlîche) verehrt, dass er ihretwegen verzehrende Sehnsucht (senende nôt) erleidet, für sie im Turnier oder auf dem Kreuzzug sein Leben wagt, dass er ihr entsagend und verzichtend dennoch die Treue hält, dass er die Spannung zwischen Begehren und Verzicht erträgt, konstituiert das Wesen des Minne- oder Frauendienstes. In seiner Rolle bewährt sich der ritter durch Disziplin (zûht), Mäßigung (mâze), Treue (triuwe) und Beständigkeit (staete). Dadurch wird der Minnedienst zur „veredelnden Selbsterziehung“ des Mannes. Sein Ziel ist „Reifung, Steigerung: Überwindung in Hingabe, Genuss in Entsagung, Erhöhung in dienender Erniedrigung, Selbstfinden in Selbstentäußerung. Der Gegenstand dieses Dienstes ist die vrouwe als irdisch-ebenbildliche Verwirklichung der höchsten Vollkommenheit.“ (Wapnewski, 1980, S. 78.) Deutungsversuche Warum dieses äußerst ambivalente Minnesystem mit seiner ungelösten Grundspannung zwischen Begehren und Verzicht so rasch großen Anklang fand und sich nahezu ein Jahrhundert lang als wesentliches Element der adlig-ritterlichen Hofkultur behaupten konnte, ist in der Rückschau nur spekulativ erschließbar. Einen plausiblen Erklärungsansatz liefert die litaratursoziologische Deutung. Sie geht davon aus, dass 6

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die fragile Ordnung der Feudalgesellschaft nur dann aufrechtzuerhalten ist, wenn alle Mitglieder dazu bereit sind, auf einen Teil ihrer Selbstbestimmung und Selbsterfüllung zu verzichten. Das hemmungslose Ausleben persönlicher Triebe und Ansprüche würde die höfische Ordnung sprengen. Angesichts dieser durchaus realen Bedrohung versucht das Minnekonzept des Minnesangs, die potenziell zerstörerischen Kräfte Eros und Liebe in die höfische Ordnung einzubinden. Mit dem Minnedienst als literarisch überhöhter, eigengesetzlicher Schule eines „heiteren Entsagens“ wird ein latenter, grundlegender Konflikt der höfischen und feudalen Gesellschaft nicht nur neutralisiert, sondern sogar in einen positiven Impuls umgewandelt: Im Minnesang gelangen Selbstbestimmung und Ordnung zu einem gesellschaftsstabilisierenden Ausgleich. Dass beide, Dame und Ritter, durch ihre maßvolle, kultivierte Haltung die gesellschaftliche Ordnung nicht zerstören, versetzt sie in die seelische Hochstimmung des hôhen muotes und schenkt der ganzen höfischen Gesellschaft v roïde . Diese Leistung charakterisiert den Minnesang als Bestreben, „in der Kunst zu erziehen, den Menschen durch tätige Teilhabe an ihr veredelnd zu erhöhen.“ (Wapnewski, 1980, S.79.) So gesehen ließe sich diese spezielle Variante der Liebeslyrik des Hochmittelalters als Bestreben einer äußerst artistischen, literarisch-künstlerischen Domestizierung der Sexualität und der persönlichen Triebbefriedung auffassen. In eine ähnliche Richtung zielt die Beobachtung, dass zentrale Begriffe des Minnesangs wie vrouwe (Herrin), man (Vasall), dienst (Dienst) das feudale Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Lehnsherrn und seinem Vasallen spiegeln. Dabei stehen Haltungen wie unbedingte Treue (triuwe) und Zuverlässigkeit (staete) für Eigenschaften, die der Ritter seinem Herrn schuldet, um die ständische Ordnung zu sichern. „Diese Vasallitätsterminologie (…) zeigt zur Genüge, dass im ästhetisch-fiktiven Konstrukt des Minnedienstes Herrschaft-Dienst-Verhältnisse aus der Realität der Feudalgesellschaft interpretiert werden“. (Weddige, S. 260.) Ästhetisch-formale Aspekte Ungeachtet aller breit diskutierten und strittigen Wirklichkeitsreflexe ist und bleibt das entscheidende, konkret fassbare Kriterium des Minnesangs seine überragende literarische Qualität. Was ihn letztlich auszeichnet, ist die sprach- und gedankenartistische Variation einiger weniger Grundthemen, die in überraschender Wendung oder Brechung, in feinsten oder provozierenden © Bayerischer Rundfunk

Nuancen immer wieder neu künstlerisch gestaltet werden. So liegt der eigentliche Reiz dieser Lyrik in ihrer formalen Virtuosität und der artistischen Abwandlung bekannter und erkennbarer Muster und stets neu gefundenen Metaphern. „Ein Arsenal von festen Begriffen, wird hier ständig abgewandelt, kaleidoskopartig in immer neuen Konfigurationen zusammengesetzt, vielfältig glitzernd und doch immer wieder vom gleichen Grundton getragen“. (Wapnewski, 1980, S. 77.) Realitätsbezüge Minnesang ist keine Erlebnislyrik und kein unmittelbares Abbild der gesellschaftlich-historischen Wirklichkeit. Das Minnekonzept hat mit der Realität nur insofern zu tun, als es die faktische Unerfüllbarkeit bestimmter Liebeshoffnungen zum Gegenstand einer artistischen Repräsentationskunst erhebt. Vollends verzeichnet ist dabei die soziale und rechtliche Wirklichkeit der Frau: Erscheint sie im Lied als souverän gebietende Herrin, ist sie in Wirklichkeit nahezu rechtlos und der munt , also der Vormundschaft des Mannes oder der Familie unterworfen. Literaturhinweise Peter Dronke: Die Lyrik des Mittelalters. Eine Einführung. München [dtv] 1977. Peter Wapnewski: Deutsche Literatur des Mittelalters. Ein Abriss von den Anfängen bis zur Blütezeit. Göttingen [Vandenhoeck & Rupprecht] 4 1980, S. 76-96. Peter Wapnewski: Waz ist minne. Studien zur mittelhochdeutschen Lyrik. München [C. H. Beck] 2 1979. Hilkert Weddige: Einführung in die germanistische Mediävistik. München [C. H. Beck] 1987 u.ö. Links Die Autorenportraits der Großen Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse, Cod. Pal. germ. 848) sind digital unter http://digi.ub.uni-heidelberg.de/cpg848/0164 verfügbar. Die Website des Vereins Dingo Musik und Theater e.V. Hofgeismar bietet Informationen und Bildmaterial zum Minnesang unter http://www.minnesang.com Eine Auswahl wichtiger Minnelieder findet sich im mittelhochdeutschen Original und übersetzt unter http://www.deutsche-liebeslyrik.de/minnesang/minnesang.htm 7

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Didaktische Hinweise Die Sendung ist für den Einsatz im GSE- und Geschichtsunterricht ab der 6. Jahrgangsstufe geeignet. Lehrplanbezüge Mittelschule GSE 6. Jahrgangsstufe 6.5 Das Mittelalter 6.5.2 Lebensbedingungen - soziale und wirtschaftliche Grundlagen: die mittelalterliche Ständegesellschaft 6.5.3 Lebensformen Zwei Inhaltsbereiche sind verbindlich. - dörfliche Lebenswelt - klösterliche Lebenswelt - ritterliche Lebenswelt - städtische Lebenswelt 6.5.5 Arbeitsweisen, Arbeitstechniken - eine Exkursion zu einem mittelalterlichen Baudenkmal in der eigenen Region vorbereiten und dokumentieren Realschule Geschichte 7. Jahrgangsstufe 7.2 Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur im Mittelalter - Leben der Adeligen (Ständeordnung, Entwicklung des Rittertums, höfische und ritterliche Kultur- und Lebensformen Gymnasium (G 8) Geschichte 7. Jahrgangsstufe 7.1 Die mittelalterlichen Grundlagen Europas - Lebensformen und Ordnungsprinzipien im Personenverbandsstaat: Grundherrschaft und Lehenswesen; Adelige und Bauern in der mittelalterlichen Agrar- und Feudalgesellschaft

Lernziele Die Schülerinnen und Schüler sollen •

Einblick erhalten in mittelalterliche Lebensformen;



erfahren, dass die Menschen in eine Ständeordnung eingebunden waren;



wissen, wie eine mittelalterliche Burg gebaut wurde;



Einblick erhalten in das Alltagsleben auf einer Burg;



über das „Ritterideal“ und die Ausbildung zum Ritter informiert werden.

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Anregungen Wegen der Anschaulichkeit des Bildmaterials und der ausführlichen Spielszenen ist die Sendung gut geeignet, den Schülerinnen und Schülern Leben auf einer mittelalterlichen Burg zu erschließen. Vor der Präsentation der Sendung sollten die Arbeitsaufträge verteilt werden (ggf. Gruppenarbeit), damit die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler auf bestimmte Punkte gelenkt wird. Nach der Bearbeitung der Aufgaben werden die Ergebnisse ausgewertet. Einzelne Gruppensprecher tragen vor, die anderen Gruppen schreiben mit. Arbeitsaufträge Gruppe I Warum ordnete König Heinrich I. (geb. um 875, reg. 919-936) den Bau von Burgen in seinem Herrschaftsgebiet an? Welche Typen von Burgen gibt es? Nach welchem Grundschema wurden Burgen gebaut? Gruppe II Wie lebten der Ritter und seine Frau auf der Burg, wie die Bediensteten? Welche Räume befanden sich im Palas? Wie wurde die Burg mit Wasser versorgt? Wie wurden die Zimmer beheizt und beleuchtet? Warum musste die Burg vom bäuerlichen Umland versorgt werden? Gruppe III Informiert euch über das Leben in einer mittelalterlichen Stadt. Hilfreich sind dabei unsere Schulfernsehen online – Beiträge. Vergleicht das Leben auf der Burg mit dem Leben in der Stadt und geht dabei auch der Frage nach, welche Funktion Burg und Stadt hatten. Bedenkt beim Herausarbeiten der Unterschiede zwischen Burgleben und urbanem Leben die besondere Lage der Burg, die einerseits Verwaltungsmittelpunkt einer Region war, andererseits allein und abgeschirmt im weiten Land lag.

Literatur- und Internettipps Biller, Thomas u. Großmann Georg-Ulrich. Burg und Schloss. Der Adelssitz im deutschsprachigen Raum. Regensburg, 2002 (ISBN 3795413257). Borst, Otto. Alltagsleben im Mittelalter. Frankfurt/M.: Insel Verlag, 1988 (ISBN: 3458322132) Böhm, Horst Wolfgang, Hg. Wörterbuch der Burgen, Schlösser und Festungen; Stuttgart: Reclam, 2004 (ISBN 3150105471). Krahe, Friedrich-Wilhelm. Burgen des deutschen Mittelalters. Grundriss- Lexikon (Taschenbuch). Augsburg: Bechtermünz Verlag, 1996 (ISBN: 3860472194).

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Links http://www.planet-schule.de/sf/php/02_sen01.php?sendung=7000 "Die Burg im Mittelalter" - Downloadangebot von Planet Schule http://www.lehrer-online.de/ritter.php Ritter im Internet – Informationen von Lehrer online http://www.dreieichschule.de/geschichte/2006/leben_im_mittelalter/index_n.asp Informationen zu einem Mittelalter-Unterrichtsprojekt http://www.ms-visucom.de/cgi-bin/ebidat.pl Seite des europäischen Burgeninstituts http://www.burginfo.de/ BINSY - Burgeninformationssystem http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D24640.php Burgen und Schlösser http://www.burgenwelt.de/frameset.htm Burgen, Festungen etc. http://www.br.de/fernsehen/br-alpha/sendungen/schulfernsehen/mittelalter-religion-stadt-100.html Die Stadt im späten Mittelalter - Höllenangst und Seelenheil http://www.br.de/fernsehen/br-alpha/sendungen/schulfernsehen/stadtbau-mittelalter-stadt-100.html Die Stadt im späten Mittelalter - Gassen, Ghettos, Baubetrieb http://www.br.de/fernsehen/br-alpha/sendungen/schulfernsehen/stadt-mittelalter-frauen-100.html Die Stadt im späten Mittelalter - Frauen, Fortschritt, Vorurteile http://www.br.de/fernsehen/br-alpha/sendungen/schulfernsehen/mittelalter-handel-handwerk-100.html Die Stadt im späten Mittelalter - Handel, Handwerk, Marktgeschehen http://www.br.de/fernsehen/br-alpha/sendungen/schulfernsehen/mittelalter-stadtverwaltunggesetze100.html Die Stadt im späten Mittelalter - Mauern, Brunnen, Galgenstricke http://www.br.de/fernsehen/br-alpha/sendungen/schulfernsehen/mittelalter-bauern-landleben-100.html Dorfgemeinschaft - Bäuerliches Leben im Mittelalter

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