Planung in Tandems kooperatives Lehren und Lernen

Waldpädagogik im Gespräch 2015 (6.3.2015, St. Pölten): Planung in Tandems – kooperatives Lehren und Lernen Prof. Dr. Armin Lude, Pädagogische Hochsch...
Author: Viktor Stein
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Waldpädagogik im Gespräch 2015 (6.3.2015, St. Pölten):

Planung in Tandems – kooperatives Lehren und Lernen Prof. Dr. Armin Lude, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg

Lehrkräfte und Förster/innen haben ein gemeinsames Praxisfeld: Die Führung von Schulklassen im Wald. Sie bringen jedoch unterschiedliche Kompetenzen mit. In „Lehrer-Förster-Tandems“ sollen sie gemeinsam Waldführungen erarbeiten. Beim kooperativen Lehren und Lernen ergänzen sich Personen und profitieren durch den Unterschied, wobei win-win-Situationen geschaffen werden. Das Vorgehen ist auch ein Modell für Kooperationen im künftigen Berufsfeld und fußt auf einem Modellprojekt des Referenten.

Workshop-Programm (13:00-16:30 Uhr) L: Lehrer/in; F: Förster/in 13:00: Beginn im Seminarraum Vorkenntnisse in der Gruppe • Soziometrische Aufstellung nach Herkunft, kurzes Interview • Aufstellung nach Waldwissen • Aufstellung nach pädagogischer Erfahrung Kooperatives Lernen - Beibring-Basar • L / F getrennt in je 2 Kleingruppen (LLL, LLLL, FFF, FFFF): Überlegen Sie „Die 7 wichtigsten Dinge aus meinem Bereich für Waldführungen“ Blitzabgleich innerhalb der L- / F-Gruppen durch Wechsel einer Person, Beibring-Basar in 2 6er-Gruppen LLLLFFFF, LLLFFF Redeanlässe schaffen • Vier Dinge über mich (2 wahr, 2 falsch): Raumgang, Vorstellung ohne Auflösung • Ankündigen Tandems nach Kaffeepause • 14:15 Uhr: Radfahrt zur Seedose, Kaffeepause Eigene Planungen • 15:10: Fahrt in den Wald • Planungsbogen erläutern, Tandembildung • Planung einer eigenen Waldführung (Planungsbogen) in LF-Tandems, Beratung • Gegenseitige Vorstellung der Entwürfe • Input: Phasen in der Arbeit in Gruppen (Forming, Stroming, Norming, Performing) • Blitzlicht und Aufwärmer (zu zweit ein Streichholz – solange es brennt...) 16:15: Rückfahrt mit dem Rad 16:30: Gemeinsamer Abschluss im Saal

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Pädagogisch-psychologischer Hintergrund der Veranstaltung Ausgangslage Lehrerinnen und Lehrer sowie Försterinnen und Förster sind Berufsgruppen, die in ihrem Berufsalltag mit Schülerinnen und Schülern in den Wald gehen. Dies haben sie gemeinsam. Ihre Ausbildung ist jedoch sehr unterschiedlich, so dass sie für ihr Berufsfeld ganz unterschiedliche Kernkompetenzen mitbringen: eine fundierte fachdidaktische Ausbildung bzw. sehr vertieftes naturwissenschaftliches Grundlagenwissen, Artenkenntnisse und forstwissenschaftliches Spezialwissen. Plakativ ausgedrückt hat jede Gruppe Kenntnisse und Kompetenzen, die der anderen fehlen. Durch eine Kooperation können sie voneinander profitieren und win-win-Situationen nutzen. Methode des kooperativen Lernens Lern- und Arbeitserfolge lassen sich auf unterschiedliche Weise erzielen: Individualistisch durch isolierte Einzelarbeit oder konkurrierend durch ein konkurrenzorientiertes Nebeneinander (wobei der Erfolg dann eintritt, wenn eine Person besser als eine andere ist) oder eben kooperativ. Letztgenannte Weise bringt sowohl den Einzelnen als auch die Gruppe voran und wirkt sich positiv auf Leistungsentwicklung, Lernprozesse und Sozialkompetenz aus. Durch die Methode des kooperativen Lernens kann ein jeweiliger Mangel an Kompetenzen ausgeglichen werden. Die Gruppen können sich hervorragend ergänzen und lernen durch den Unterschied. So sind ideale Voraussetzungen für ein gegenseitiges Lernen gegeben. Gemäß der Philosophie “Learning by doing“ sollen sie im Workshop in einem Praxisprojekt – der Konzeption von Waldführungen – ihre Kenntnisse gegenseitig austauschen und zusammen umsetzen. Kooperation lässt sich in eine hierarchische Stufenfolge entlang zunehmend komplexeren Anforderungen (und zunehmendem Handlungsaufwand) gliedern; vom Materialaustausch bis hin zu komplexen Veranstaltungsplanungen. Viele Lehrkräfte beschränken sich vor allem auf den fachinhaltlichen Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen. Auffällig ist die häufige Einschränkung des Kooperationsverständnisses auf den reinen (technischen) Austausch von Materialien, bei der nicht wirklich Veranstaltungen im Sinne einer gemeinsamen Konstruktion entwickelt werden. Folgende Ideen waren für die Konzeption der LF-Tandems leitend (erweitert nach Green & Green 2006): • Menschen begreifen das, was sie gelernt haben erst dann, wenn sie es anderen vermitteln (Lernerfolg durch unmittelbares Anwenden). • Einer Gruppe können schwierigere Aufgaben als Einzelnen zugemutet werden. • Die Teilnehmer helfen sich gegenseitig und bilden eine Praxisgemeinschaft, die das Leistungsniveau der/des Einzelnen hebt. • Die Verschiedenartigkeit der Teilnehmer ist ein Erfolgsfaktor für kooperatives Lernen (Lernen aus dem Unterschied). • Die Teilnehmer sind Fachexpertinnen und Fachexperten für ihre jeweilige Disziplin. • Lehrer/innen und Förster/innen stehen im Praxisprojekt in positiver Abhängigkeit untereinander. • Jede/r soll individuelle Verantwortung für gemeinschaftliche Aufgaben übernehmen. • Jedem Tandem und jedem Einzelnen wird individuelle Beratung gegeben (Coaching). • Jedem Tandem und jedem Einzelnen wird ein Feedback zu den Leistungen gegeben. • Bezüge und Wege für mögliche Berufsmodelle sollen geschaffen werden. • Die Bereitschaft mit anderen Berufsgruppen zu kooperieren wächst, wenn man diese (und den Mehrwert einer Zusammenarbeit) schon im Studium kennengelernt hat. Hierauf basiert eine Hochschul-Veranstaltung, die der Kursleiter in Kooperation mit der Hochschule Weihenstephan Triesdorf seit sieben Jahren durchführt (und 2012 mit dem Lehrpreis ausgezeichnet wurde).

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Arbeiten in Teams Für ein kooperatives Arbeiten müssen Gruppen (Teams) gebildet werden. Eine Arbeit in Gruppen durchläuft klassische, aufeinander folgende Phasen: Forming (Formierungs-), Storming (Sturm-), Norming (Normierungs-) und Performing (Gestaltungsphase). Diese wurden bei der Konzeption der Veranstaltung explizit berücksichtigt.

Im Folgenden werden die Inhalte und das methodisches Vorgehen für die einzelnen Phasen detailliert erläutert. Forming-Phase: Wer bin ich...? In dieser ersten Phase einer Teambildung werden sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihren individuellen Grundlagen bewusst: Was sie wissen, was sie erreichen wollen, welche Motive für sie leitend sind, usw. Neben dem Sich-selbstKennenlernen steht natürlich an aller erster Stelle, die anderen kennenzulernen und auch über das Programm und die Aufgaben zu erfahren. Vor der Veranstaltung nach ihren Befürchtungen befragt, äußerten beispielsweise Studierende, dass sie besorgt seien, ob sie sich mit der Person, mit der sie ein Tandem bilden, auch verstehen würden, wie sie in das Team passen würden, ob sie die erforderlichen Fähigkeiten hätten und ob es eine gegenseitige Toleranz gäbe, dass die Studierenden aus den beiden Disziplinen unterschiedliches Wissen mitbringen würden. Eine weitere (selten) geäußerte Befürchtung war, dass ein Geben und Nehmen unausgeglichen sein könnte. Um Möglichkeiten zu schaffen, etwas über die Anderen zu erfahren, können in der Veranstaltung verschiedene Phasen des Kennenlernens eingebaut werden: ❖ Soziometrische Aufstellungen – räumliche Aufstellung nach Geburtsort oder nach Vorerfahrungen in der waldpädagogischen Arbeit mit Gruppen oder nach anderen Kriterien. Um Gespräche anzubahnen, werden nur wenige Rahmeninformationen gegeben, z.B. bei der Aufstellung nach dem Geburtsort nur der aktuelle Standort (St. Pölten) – die Himmelsrichtungen und Entfernungen müssen selbst ausgehandelt werden. Bei der Aufstellung nach Vorerfahrungen nur die Enden der Skala (keine...viele) – die Skalierung und individuelle Einordnung müssen ausgehandelt werden. Die Raumbezüge machen neugierig aufeinander und sind Ansatzpunkte für spätere persönliche Gespräche. ❖ Vorstellung: Persönliches von sich zu erzählen macht Menschen generell neugierig aufeinander. Daher sollten in der Veranstaltung möglichst vielfältige Gesprächsanlässe geschaffen werden. Als Variante zu einer klassischen Vorstellungsrunde, soll jede/r vier Dinge über sich erzählen, von denen zwei wahr und die anderen zwei falsch sind. Welche dies jeweils sind, wird in der Gruppenrunde nicht verraten und bleibt persönlicher Klärung überlassen. ❖ Erlebnispädagogische Gruppenaufgaben: Diese Art von Aufgaben wurden im Workshop nicht durchgeführt, sind aber Bestandteil der kooperativen Hochschulveranstaltung des Kursleiters. Solche Aufgaben können vielfältig und nicht nur auf eine Art und Weise gelöst werden. Die Gruppe muss selbst einen der Lösungswege finden und aushandeln. Beispiele sind ein Eimerspiel, bei dem ein wassergefüllter Eimer mit Schnüren so gesteuert werden muss, dass ein Ausrufezeichen (für ein „Es geht los!“) mit dem Wasser auf den Boden gemalt werden muss. Ein weiteres Beispiel ist ein Spinnennetz, das von Allen durchschritten werden muss und dessen Maschen dabei nur jeweils von einer Person benutzt werden dürfen. Aus einem Aufgabenfundus sollten jeweils geeignete Gruppenaufgaben ausgewählt werden.

 

 

4 ❖ Gemeinsame Radfahrt oder Wanderungen: Gemeinsame Aktivitäten bieten vielfältige und unterschiedliche Gesprächsanlässe und -gelegenheiten, z.B. um die „vier Dinge über sich“ zu klären. Auch die Kaffeepause in der Seedose passt dazu.

Storming-Phase: Wer sind wir...? In der Storming-Phase einer Teambildung geht es um die Klärung von Rollen, Arbeitsabläufen und Verantwortlichkeiten. Diese Phase kann auch konfliktreich ablaufen (z.B. durch Unzufriedenheit mit der Tandempartnerin oder -partner). Wichtig ist hier eine Unterstützung, wenn es den Gruppen nicht selbst gelingt, über die Sturmphase hinaus zu kommen. Essentiell ist daher eine Teambildung über die Kennenlernphasen bereits anzubahnen und mehrfach Möglichkeiten zum Kennenlernen zu schaffen (Aufstellung, Vorstellung, Gruppenaufgaben, Radfahrt, Kaffeepause). Durch die Aktivitäten erleben sie auch gegenseitige Unterstützung und lernen individuelle Unterschiede schätzen. Kernstück der Phase ist der „Beibring-Basar“, in dem stufenweise die Kooperation angebahnt wird. Aufgabe und Ziel ist, der anderen Gruppe jeweils die sieben wichtigsten Dinge aus dem eigenen Fach für eine Führung von Schulklassen im Wald mitzuteilen. Hierzu bereiten sich die angehenden Lehrerinnen und Lehrer bzw. Försterinnen und Förster jeweils fachintern vor. Hierfür werden sie in zwei Untergruppen geteilt, da bis zu fünf Personen eine noch gut arbeitsfähige Gruppengröße darstellen. Durch einen Austausch jeweils einer Person in den Fachgruppen wird ein Blitzabgleich der Diskussionen geschaffen. Im Anschluss findet ein Austausch in gemischten Lehrer-Förster-Gruppen statt (interdisziplinäre Phase). Hier unterrichten die Gruppen sich gegenseitig über die sieben wichtigsten Dinge. Die Gruppen werden aus jeweils 3-4 angehenden Lehrern bzw. Förstern gebildet, um zwar ein intensiveres Kennenlernen zu ermöglichen, nicht jedoch eine Tandembildung schon vorwegzunehmen. Norming-Phase: Was sollen wir tun...? Die Einteilung in Tandems erfolgt selbst organisiert. Es werden nur die Rahmenbedingungen gesetzt (wie je 1 Lehrer und 1 Förster). Sind die Rollen, Abläufe, ... konstruktiv geklärt, kommt es in der Phase des Normings zu einer Harmonisierung, einem Austausch von Wissen und einer gegenseitigen Unterstützung. Diese Phase ist bedeutsam, da hier die Bedingungen für die Performing-Phase geschaffen werden. Kern der Phase ist die Planung für die eigenen Waldführungen. Die Tandems planen für ihre Klassenstufe jeweils eine dreistündige Waldführung. Während der Planung besteht die Möglichkeit vom Workshopleiter Beratung einzuholen. Performing-Phase: Wie werden wir es tun...? Das Idealbild der Performing-Phase ist ein „fähiges“ und erfolgreich arbeitendes Tandem, welches die jeweiligen Kompetenzen der Teammitglieder effektiv nutzt (positive Abhängigkeit untereinander). Wie die Rückmeldungen zum Workshop zeigten (aber auch eine Befragung der Studierenden in der Hochschulveranstaltung) ist der Anteil an Geben und Nehmen weitgehend ausgeglichen und dieser Erfolg daher durchaus erreicht.

 

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5 Zitate aus der Evaluation der studentischen Hochschulveranstaltung. „Obwohl wir uns nicht kannten, konnten wir gut zusammenarbeiten. Keiner wurde übergangen und jeder konnte etwas beitragen. (...) Im Tandem hat man eine größere Ideenvielfalt als alleine und kann Dinge diskutieren. Jeder konnte etwas geben, aber auch Vieles mitnehmen.“ (S. G., Studentin Lehramt) „Die unterschiedlichen Vorkenntnisse konnten zum gegenseitigen Vorteil genutzt werden.“ (B. M., Student Lehramt) „Ich hab was über Lehrmethoden gelernt, die Lehrer haben ihr Wissen über den Wald erweitert“ (V. J, Studentin Forstwissenschaften)

„Gegenseitige Motivation. Jeder hatte sein Fachgebiet, aber der andere konnte vom anderen lernen. Akzeptanz und keine Besserwisserei.“ (C. B., Studentin Lehramt)

In der Hochschulveranstaltung werden die Waldführungen der studentischen Tandems begleitend beobachtet. Beobachtungspunkte sind die verschiedenen Phasen einer Waldführung, Fragen zur fachlichen Korrektheit, zum Umgang mit schwierigen Situationen, zu Gelenkstellen, zum Zeitmanagement und zum einbauten Feedback mit den Schülerinnen und Schülern. Nach Ende der Führungen finden individuelle Besprechungen statt. Die Tandems werden zuerst mit Leitfragen zur Selbstreflexion angeregt. Nach den Führungen findet ein Austausch in der Gesamtgruppe statt. Hierzu gestalten die Tandems Plakate mit Stichworten zur ihren Waldführungen, den Rückmeldungen in der Reflexion, dem Feedback der Schülerinnen und Schüler und die Konsequenzen, die sie für die nächste Führung ableiten. In einem „Galerierundgang“ unter dem Motto „Markt der Möglichkeiten“ informieren die Studierenden sich gegenseitig. Ein Vertreter des Tandems bleibt dazu immer am Plakat, während der andere sich auf den Galerierundgang begibt. Die schriftlichen Konzeptfassungen werden später über soziale Netzwerke/Dropbox ausgetauscht. Auch im Workshop äußerten Teilnehmer den Wunsch, die erarbeiteten Veranstaltungskonzepte auszutauschen (und auch daran weiter zu arbeiten). Zeichnungen: Armin Lude Kontakt: Prof. Dr. Armin Lude Biologie Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Reuteallee 46 D 71634 Ludwigsburg www.ph-ludwigsburg.de/wp/lude [email protected]

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