Akademisches Schreiben Lehren und Lernen

OBST 88 9 783956 050176 Universitätsverlag Rhein-Ruhr ISSN 0936-0271 Akademisches Schreiben – Lehren und Lernen ISBN 978-3-95605-017-6 Akademische...
Author: Hilke Heidrich
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OBST 88 9 783956 050176 Universitätsverlag Rhein-Ruhr

ISSN 0936-0271

Akademisches Schreiben – Lehren und Lernen

ISBN 978-3-95605-017-6

Akademisches Schreiben – Lehren und Lernen

Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie

88

OBST 2016 88

Akademisches Schreiben – Lehren und Lernen

Herausgegeben von Christoph Bräuer & Melanie Brinkschulte

Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie (OBST)

Redaktion

Redaktionsbeirat

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Elke Scheurich, basisrose,va, Hamburg Die Schule von Athen (Raffael), Quelle: de.wikipedia.org (PD-art; gemeinfrei) © 2016 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.ddb.de abrufbar.

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978-3-95605-017-6 (Printausgabe) 978-3-95605-018-3 (E-Book)

ISSN 0936-0271 Satz Druck und Bindung

UVRR Format Druckerei, Jena Printed in Germany

Inhalt Christoph Bräuer & Melanie Brinkschulte Einleitung...................................................................................................7

Markus Rheindorf Die Vorwissenschaftliche Arbeit im österreichischen Schulsystem.............13

Afra Sturm Modellierung schreibbezogener Studierfähigkeiten in der Schweiz............41

Kirsten Schindler & Graciela Fernandez Facharbeit und materialgestütztes Schreiben anleiten und begleiten..........63

Christoph Bräuer, Melanie Brinkschulte & Robert Halagan Akademisches Schreiben lernen lehren lernen...........................................89

Melanie Brinkschulte & Christoph Bräuer Vom Beraten zum Schreiben...................................................................121

Helmuth Feilke, Katrin Lehnen, Lisa Schüler & Martin Steinseifer Didaktik eristischer Literalität.................................................................145

Anschriften der Autorinnen und Autoren...........................................................175

Christoph Bräuer & Melanie Brinkschulte

Einleitung Akademisch schreiben zu können, ist eine zentrale Schlüsselkompetenz, um ein Studium erfolgreich abzuschließen. Als komplexes Zusammenspiel von Fähigkeiten und Fertigkeiten muss eine akademische Textkompetenz (Schindler/Siebert-Ott 2012) nicht nur beherrscht, sondern zuallererst gelernt und gelehrt werden. Mit dieser Feststellung sind zugleich drei Fragen in der Diskussion um das akademische Schreiben angestoßen: Die Frage nach den zu beherrschenden Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Frage nach dem Ort ihres Erlernens im Übergang von Schule zu Hochschule und die Frage nach den Formaten ihrer Vermittlung. Akademische Textkompetenzen sind in den vergangenen Jahren zu einem Gegenstand intensiver Forschung in der Fachdidaktik Deutsch – exemplarisch sei auf die Projekte „AkaTex“ der Universitäten in Siegen und zu Köln und „Eristische Literalität“ der Universität Gießen sowie auf die Studien von Steinhoff (2007) und Pohl (2007) hingewiesen – und in der interdisziplinär ausgerichteten Angewandten Schreibwissenschaft (z. B. Girgensohn 2007) geworden. Daran anknüpfend, versammelt der vorliegende Band unterschiedliche Ansätze, die die Vermittlung propädeutischer Bildung im Übergang von Schule zu Hochschule modellieren und evaluieren. Die Interventionskonzepte und Forschungsprojekte reagieren damit auf die Probleme Studierender im akademischen Schreiben an Hochschulen. Sie begegnen damit aber auch bildungspolitischen Forderungen, die ihrerseits durch die Didaktik kritisch zu beleuchten sind. Viele administrative Vorgaben, die gerade in Hinblick auf schulische Propädeutik gemacht werden, erscheinen vor dem Hintergrund der Komplexität akademischer Textkompetenz kaum einlösbar und überfordern Lehrkräfte und Schüler*innen der Oberstufe gleichermaßen (vgl. Steinmetz 2013). Auch dies zeigt der vorliegende Band in kritischer Perspektive. Aus bildungspolitischer Sicht ist dennoch ein wesentlicher Schritt für die deutschsprachige Schreibausbildung getan: Akademisches Schreiben ist als komplexer Lerngegenstand sowohl in Schule als auch Hochschule anerkannt. Für die bundesdeutsche Bildungsadministration lässt sich so zeigen, wie sie akademische Schlüsselkompetenzen zum Bildungsauftrag sowohl für Schule als auch für die Hochschule macht, um den Übergang für Lernende zu erleichtern. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 88 (2016), 7-12

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Christoph Bräuer & Melanie Brinkschulte

Hochschulen integrieren zunehmend die Vermittlung akademischer Schreibkompetenzen in die Lehre. Auch von schulischer Seite wird die gymnasiale Oberstufe stärker für eine „wissenschaftspropädeutische Bildung“ in die Verantwortung genommen. Die zentrale Vorgabe lautet: „Der Unterricht in der gymnasialen Oberstufe vermittelt eine vertiefte Allgemeinbildung, allgemeine Studierfähigkeit sowie wissenschaftspropädeutische Bildung“ (KMK 2013, 5).

Die Vorgaben der KMK werden dabei in den einzelnen Bundesländern auf ganz unterschiedliche Weise realisiert. Zwar ist allen Bundesländern das Ergebnis der wissenschaftspropädeutischen Arbeit in Form einer schriftlichen Ausarbeitung gemein, aber die curriculare Verankerung ist höchst unterschiedlich. Während es in mehreren Bundesländern ein eigenständiges, fachübergreifendes Unterrichtsangebot im Regelunterricht zur Einführung in propädeutisches Arbeiten gibt (etwa das „Wissenschaftspropädeutische Seminar“ in Bayern, den „Seminarkurs“ in Baden-Württemberg oder das „Seminarfach“ in Niedersachsen), das das Verfassen einer Facharbeit obligatorisch einschließt, ist die Facharbeit in anderen Bundesländern fakultativ und an den Fachunterricht angeschlossen (z. B. NRW). Aus deutschdidaktischer Perspektive ist nach wie vor nur unzureichend geklärt, was die Textform Facharbeit genau darstellt (Pohl 2011). Ihr Dilemma ist, • dass Rahmenrichtlinien und Verankerungen in der Qualifizierungsphase in den verschiedenen Bundesländern sehr unterschiedlich geregelt sind (Schindler/Fischbach 2015), • dass sie vom Anspruch her einen forschenden Zugang beinhaltet, jedoch in der Institution Schule verfasst wird, die kontextuell nicht forschend tätig ist (Steets 2011), • dass sie von Schreibnovizen verfasst wird, die sich zum ersten Mal einer solch komplexen Textaufgabe stellen, und zugleich die Lehrkräfte derzeit nicht für das Unterrichten propädeutischen Schreibens ausgebildet sind, • dass die Facharbeit auf das akademische Schreiben im Studium vorbereiten soll, dessen Ausprägungen höchst disparat sind, z.B. durch disziplinenspezifische Ausprägungen im wissenschaftlichen Arbeiten. Es wird deutlich, dass sich propädeutisches Schreiben nicht allein auf das Verfassen der Facharbeit beziehen kann. In der propädeutischen Bildung sollte es vielmehr um eine Gestaltung des Übergangs gehen, die sowohl die

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Bedingungen und Ausprägungen studienvorbereitenden Schreibens als auch das akademische Schreiben von Studienanfänger*innen berücksichtigt. Damit treten die Fragen, wie man diese Fähigkeiten und Fertigkeiten gezielt lehren und lernen kann, noch deutlicher vor Augen: Für viele Studierende im Übergang von Schule zu Hochschule bleibt das akademische Schreiben eine der größten Herausforderungen (vgl. Schindler/Fischbach 2015). Dieser Herausforderung widmet sich der vorliegende Band, indem er Perspektiven und Projekte versammelt, die diesen Übergang konstruktiv zu gestalten versuchen. Dabei wird deutlich, dass diese Herausforderungen kein bundesdeutsches Problem darstellen. Sie zeigen sich in derselben Dringlichkeit auch in Österreich und der Schweiz, wie es die ersten beiden Beiträge kritisch beleuchten. Markus Rheindorf nimmt die Situation in Österreich in den Blick. Sein Beitrag stellt eine Bestandsaufnahme der Konzeptionierung und Implementierung der dortigen „Vorwissenschaftlichen Arbeit“ in Österreich dar. Dabei stehen die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Konkretisierung der Vorgaben durch das Ministerium im Fokus. Durch die zusätzlichen Rückmeldungen von Lehrer*innen und Schüler*innen gelangt er zu konkreten Empfehlungen für die Einbindung und Gestaltung der Betreuungssituation von Vorwissenschaftlichen Arbeiten. Afra Sturm thematisiert den Übergang von Gymnasium zu Hochschule in der Schweiz, indem sie die gegenwärtigen Bildungsstandards akademischen Schreibens herausarbeitet. Über eine kritische Analyse vorliegender Studien und Positionen gelingt es ihr, konkrete didaktische Modellierungsvorschläge schreibbezogener Studierfähigkeiten anhand materialgestützten Schreibens zu formulieren. Die beiden folgenden Beiträge gestalten den Übergang ganz konkret durch Kooperationsprojekte zwischen Hochschule und Schule. Im Beitrag von Kirsten Schindler und Graciela Fernandez unterstützen Studierende der Universität zu Köln Schüler*innen eines Kölner Gymnasiums im Erlernen propädeutischen Schreibens. Dabei werden Schüler*innen der Oberstufe systematisch von geschulten Studierenden in das materialgestützte Schreiben argumentativer Texte und das Verfassen einer Facharbeit eingeführt. Dabei argumentieren die Autorinnen für die Eignung dieser Aufgabenformate für eine Propädeutik in Schulen. Auch der Beitrag von Christoph Bräuer, Melanie Brinkschulte und Robert Halagan stellt ein Kooperationsprojekt vor. Hier liegt der Fokus auf einer schreibdidaktischen Professionalisierung der Studierenden, die eine Unterrichtsreihe zum akademischen Schreiben im Seminarfach eines

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Christoph Bräuer & Melanie Brinkschulte

Göttinger Gymnasiums durchführen. Die Autor*innen argumentieren dafür, dass durch diese Praxisverschränkung schreibdidaktisches Wissen der ersten Phase der Lehrerbildung zu einer vertieften Reflexionskompetenz führt und so handlungsleitend werden kann. Dieses Kooperationsprojekt verknüpft die Vermittlung akademischer Schreibkompetenzen auch konzeptionell mit einer Schreibberatung während der Arbeitsphase der Schüler*innen an ihren Facharbeiten. Melanie Brinkschulte und Christoph Bräuer stellen diese Schreibberatung als Bestandteil des Regelunterrichts vor, durch die die Schüler*innen in der Entwicklung propädeutischer Schreibkompetenzen unterstützt werden. Zugleich vertiefen die Lehramtsstudierenden dadurch ihre berufsrelevanten Beratungskompetenzen. Der Beitrag analysiert anhand einer Transkription die praktizierten Beratungskompetenzen seitens beratender Studierender, wie Schüler*innen propädeutische Schreibkompetenzen erlernen und welche Funktionen Schreibberatungen in der authentischen Schreibsituation erfüllen. Der gymnasialen Oberstufe sind jedoch Grenzen gesetzt in ihren Möglichkeiten, akademische Schreibkompetenzen zu vermitteln. Dort muss die universitäre Ausbildung die Entwicklung akademischer Textkompetenz fortführen. Mit dem eristischen Darstellungsmodus wissenschaftlichen Schreibens nehmen Helmuth Feilke, Katrin Lehnen, Lisa Schüler und Martin Steinseifer Bezug auf eine zentrale Herausforderung für Studierende im Übergang von Schule zu Hochschule. Anhand von vier modellierten und diskutierten Lernsituationen über das Schreiben des Kontroversenreferats zeigen sie, wie eristische Literarität angebahnt werden kann: 1. die Modellierung von Textproduktionsprozessen in der eigens entwickelten Lernumgebung SKOLA, 2. das Lerntagebuch und die Fokusgruppendiskussion,  3. die Expertenbeobachtung und  4. das kooperative Planungsgespräch. Die ersten drei Situationen sind im universitären Kontext verortet, die letzte stellt als Exkurs eine Lernsituation in der Schule dar. Der Band bietet somit bildungspolitische, linguistische und didaktische Einblicke in die Ausgestaltung der Schlüsselkompetenz akademischen Schreibens. Er problematisiert einerseits die Herausforderung und zeigt andererseits Lösungswege, wie sie zu einem lernbaren Gegenstand im Übergang von Schule zur Hochschule werden kann. Uns ist dabei bewusst, dass sich der Band auf das Erlernen akademischen Schreibens in der Bildungssprache Deutsch konzentriert. Weitere wichtige Themenfelder, wie z. B. die der Ausbildung zur aktiven Einbeziehung von literalen Kompetenzen aus mehreren

Einleitung

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Sprachräumen bleiben unberücksichtigt – die Thematik umfasst mehr, als ein OBST-Band entfalten kann.

Literatur Girgensohn, Katrin (2007): Neue Wege zur Schlüsselqualifikation Schreiben. Autonome Schreibgruppen an der Hochschule. VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden. KMK (2013): Vereinbarung über die Abiturprüfung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II (Beschluss der KMK vom 13.12.19 73 i. d. F. vom 06.06.2013). Berlin u. Bonn. Pohl, Thorsten (2011): Wissenschaftlich Schreiben. Begriff, Erwerb und Förderungsmaximen. In: Der Deutschunterricht 5/2011, 2-11. Pohl, Thorsten (2007): Studien zur Ontogenese des wissenschaftlichen Schreibens. Tübingen: Niemeyer. Schindler, Kirsten / Siebert-Ott, Gesa (2012): Textkompetenzen im Übergang Oberstufe – Universität. In: Feilke, Helmuth; Köster, Juliane; Steinmetz, Michael (Hrsg.): Textkompetenz in der Sekundarstufe II. Stuttgart: Fillibach, 151-178. Schindler, Kirsten / Fischbach, Julia (2015): Zwischen Schule und Hochschule: Akademisches Schreiben. Eine Kontroverse. , erschienen: 16.06.2015 (24.01.2016). Steets, Angelika (2011): Die schulische Seminararbeit als sinnvolles Propädeutikum. Möglichkeiten und Grenzen. In: Der Deutschunterricht 5/2011, 62-69. Steinhoff, Torsten (2007): Wissenschaftliche Textkompetenz: Sprachgebrauch und Schreibentwicklung in wissenschaftlichen Texten von Studenten und Experten. Tübingen: Niemeyer. Steinmetz, Michael (2013): Der überforderte Abiturient im Fach Deutsch: eine qualitativ-empirische Studie zur Realisierbarkeit von Bildungsstandards. Wiesbaden: VS.