KAPITEL 1 Politik-Gesellschaft-Recht

Zusammenfassung - - - Das politische System Österreichs und die EU - - - (Karl Ucakar, Stefan Gschiegl) KAPITEL 1 Politik-Gesellschaft-Recht Politik ...
Author: Julia Schmid
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Zusammenfassung - - - Das politische System Österreichs und die EU - - - (Karl Ucakar, Stefan Gschiegl)

KAPITEL 1 Politik-Gesellschaft-Recht Politik - bezeichnet allgemein das Handeln von Menschen, Interessengruppen, Parteien, Organisationen mit dem Ziel, die gesellschaftliche Entwicklung zu beeinflussen, also die Gesellschaft und damit auch ihre normative Ordnung, ihr Recht zu gestalten. - Ziele politischen Handelns sind allgemein verbindliche Entscheidungen. Gesellschaft - Gesellschaft bedeutet soziologisch das mehr oder weniger stark aufeinander bezogene Zusammenleben und Zusammenwirkten von Menschen. - Im allgemeinsten Sinn bezeichnet jedes gruppenmäßige oder gemeinschaftliche Zusammenleben von Menschen. Gesellschaft hat Sinn, bis es Menschen gibt. - In den Sozialwissenschaften stellt der Begriff der Gesellschaft ein Bezugspunkt für die Entwicklung von Theorien und Ideologien dar. - Von sozialwissenschaftlichem und politischem Interesse ist es vor allem, herauszuarbeiten, wie Gesellschaft entsteht, die Art und Weise der „Vergesellschaftung“, und die sich bildenden Strukturen und Regeln und insbesondere auch ihre Dynamik. - die zentralen Variablen der sozioökonomischen Struktur der Gesellschaft für politische Einstellungen und für politisches Handeln nach wie vor hochrelevant sind: Beruf, Bildung und Einkommen. - Modifizierte Gesellschaftsbegriffe nach - Konstitution: Bürgerlich‐kapitalistische Gesellschaft, Marktgesellschaft, Leistungsgesellschaft, Informationsgesellschaft, Netzwerkgesellschaft, Risikogesellschaft - Struktur: Segmentierte Gesellschaft, Industriegesellschaft, Dienstleistungsgesellschaft, - zentrales Merkmal: Konsumgesellschaft, Erlebnisgesellschaft, Verantwortungsgesellschaft, Freizeitgesellschaft, Zuschauergesellschaft, Bürgergesellschaft, Lebensstilgesellschaft Staat - Begriff abhängig von Entwicklungsgeschichte und Staatstheorie - Völkerrechtlich: Gebiet-Volk-Staat - Systemtheorie: Staat ist Organisation eines politischen Systems - Hans Kelsen (Reine Rechtslehre): Staat ist nichts anderes als die Rechtsordnung Recht - mit Recht kann man eine normative Ordnung in der Gesellschaft, im Staat und überstaatlich bezeichnen - formal: Summe der geltenden Rechtsnormen (geschriebene und ungeschriebene) - Funktion: Zusammenleben zu ordnen und Konflikte zu lösen notfalls durch organisierten Zwang Öffentliches Recht - das öffentliches Recht regelt das Verhältnis des Einzelnen zum Staat oder anderen Trägern öffentlicher Gewalt sowie das Verhältnis de Verwaltungsträger oder Staaten zueinander. - Die Einzelnen wird als untergeordnet definiert. 1

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- zum Beispiel: Verfassungsrecht, Religionsrecht, Strafrecht, Prozesserecht (Zivilprozessrecht oder Strafprozesserecht), Verwaltungsrecht (Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht, Polizei- und Ordnungsrecht) Privatrecht - das Privatrecht regelt die Rechtsbeziehungen der einzelnen Personen zueinander auf der Basis der Privatautonomie. - Zwischen den Einzelnen herrscht Gleichberechtigung. - zum Beispiel: Zivilrecht (bürgerliche Recht), Personenrecht, Familienrecht, Erbrecht, Sachenrecht, Schuldrecht, Sondernprivatrechte - Rechtsinstitute des Privatrechts: Eigentum und Eigentumsfreiheit, Vertrag und Vertragsfreiheit, Vererbung und Vererbungsfreiheit. - Gesellschaftliche Bedeutung: im Privatrecht spielt sich der allergrößte Teil der Rechtsbeziehungen zwischen den Mitgliedern der Gesellschaft und deren Konflikten ab. Es ist zum Verständnis, zur Analyse einer konkreten Gesellschaft unverzichtbar. Naturrecht - unter Naturrecht versteht man bestimmte sehr grundlegende und dauerhafte Rechtsprinzipien ,die - entweder von Menschen nicht beeinflussbaren Quellenzugesprochen werden (also also transzendental begründete (Gottesrecht)) " " ODER - von den Menschen im gesellschaftlichen Prozess des historischen Fortschritts, der Humanisierung und der Aufklärung durch bewusstes Handeln geschaffen und gesichert werden (das Vernunftrecht der Aufklärung) Positives Recht - die Quelle ist die Gesetzgebung - positives Recht ist durch bewusste Rechtsetzung in der Gesellschaft enstanden - natürlich und veränderbar - die modernen Rechtstheorien anerkennen (fast) ausschließlich nur p. R. als Rechtsquelle - Rechtspositivismus lehnt Gottesrecht, Naturrecht und Vernunftrecht ab. Es unterscheidet streng zwischen dem Recht, wie es ist und dem Recht, wie es sein sollte. - pos. R. kann jeden beliebigen Inhalt haben, wenn es nur formal richtig zustande gekommen ist - Rechtspositivismus abstrahiert von den ungleichen materiellen, ökonomischen Voraussetzungen der einzelnen Menschen. - Hans Kelsen (östereichische Rechtspositivist) - definiert das Recht in seiner Reinen Rechtslehre als „normative Zwangsordnung menschlichen Verhaltens“, deren Normativität auf einer vorausgesetzten Grundnorm beruht, „der zufolge man sich so verhalten soll, wie es einer tatsächlich gesetzten, im großen und ganzen wirksamen Verfassung und daher den gemäß dieser Verfassung tatsächlich gesetzten, im großen und ganzen wirksamen Normen entspricht.“ - die Reine Rechstlehre ist eine Theorie des positiven Rechts, des positiven Rechts schlechthin, nicht einer speziellen Rechtsordnung. Verdienst der R.R., dass mit ihr eine gewisse Rechtssicherheit erreicht werden kann, auch für den einzelnen Rechtssubjekte. In einer gesellschaftspolitischen Veränderungsperspektive sind die Vorteile, die de Rechtspos. zu bieten hat, ungleich verteilt. - Das Rechtspositivismus geht nun einmal von dem aus, was ist, was gegeben ist. Das bietet zwar formal alle Rechtssubjekten gleiche Chancen im „Kampf um Rechts“, abstrahiert aber von den ungleichen materiellen, ökonomischen Voraussetzungen der einzelnen Menschen. 2

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- „das Recht nicht ohne Macht bestehen werden kann, dass es aber doch nicht identisch ist mit der Macht. Es ist eine bestimmte Ordnung der Macht“ Naturrechtliche Elemente im positives Recht - „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (Art. 1 GG BRD 1949) - „Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. Sclaverey oder Leibeigenschaft, und die Ausübung einer darauf sich beziehenden Macht, wird in diesen Ländern nicht gestattet.“ (§ 16 ABGB Österreich 1812) Überpositives Recht - Positives Recht im Sinn der „Reinen Rechtslehre“ (Kelsen) angewandt, kann zu unerträglichen Widersprüchen zwischen Recht und Gerechtigkeit führen. - z.B. in der nationalsozialistische Rechtsordnung - Gustav Radbruch, dessen Konzept im Kapitel 10 behandelt wird (Wo Gerechtigkeit nicht einmal erstrebt wird, wo die Gleichheit, die den Kern der Gerechtigkeit ausmacht, bei der Setzung positiven Rechts bewusst verleugnet wurde, da ist das Gesetz nicht etwa nur "unrichtiges" Recht, vielmehr entbehrt es überhaupt der Rechtsnatur.) Das politische System - Inhalte und Zwecke der Systemtheorie - Beobachtungen und Systematisierungen - Reduktion der Komplexität und Generalisierung - Entwicklung und Überprüfung von Hypothesen - Prognosen - Begriff des politischen Systems: in jeden Zeitraum immer neue Erklärungen, aber in allen Begriffsbestimmungen spielt jedenfalls das Handeln von Menschen. ihr Zusammenwirken, ihre Ziele und ihre Gegensätze eine bestimmende Rolle. - der Begriff wird zu einem abstrakten Allgemeinbegriff mit differenten Abgrenzungskriterien und Assoziationen mutiert, weshalb hier versucht wird, eine valide Definition davon zu geben. - unstrittig ist das Faktum, dass innerhalb eines pol. Systems sämtliche staatlichen und außerstaatlichen Institutionen, Akteure, Normen und Verfahren innerhalb eines abgegrenzten Handlungspielraumes (z.B eines Nationalstaates oder eines supranationalen Staatengebildes, wie der EU) an der Politikformulierung und Umsetzung beteiligt sein sollen. - oft wird als Synonym Regierungssystem gesehen, doch pol. System als ein weiterläufigeres Phänomen zu betrachten - pol. System wird abgegrenzt von anderen gesellschaftlichen Teilsystemen, wie dem ökonomischen, historischen oder kulturellen Subsystemen - Politischen System - Sind Handlungssysteme, die in ihrer Umwelt eingebettet (Teil des gesamtgesellschaftlichen Systems) sind - Können auf Spannungen und Störungen eingehen und diese regulieren - Können bindende Entscheidungen für die Gesellschaft hervorbringen - Funktionen - Allokationen von Werten für die Gesellschaft.Die Allokation müssen von den meisten Gesellschaftsmitglieder als bindend anerkennt werden

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David Easton - A System Analysis of Political Life, 1965: das Fundament zu den heutigen systemtheoretischen Überlegungen der Politikwissenschaft schuf - Dreh- und Angelpunkt der Eastonʻschen Systemkonzeption ist dabei die Frage, wie es politische Systeme erreichen können, sich in einer Umwelt, welche zugleich Stabilität und Wandel aufweist, zu behaupten. - die erste Funktion eines pol. Systems wird durch die verbindliche Entscheidungsrelevanz interner Handlungsabläufe innerhalb des Systems gekennzeichnet - in einem pol. System findet eine allgemein verbindliche Zuteilung von gesellschaftlich relevanten Gütern und Werten statt. So wichtig, klar und eindeutig dieses erste Merkmal auch für die Charakteristisierung eines politischen Systems sein mag, als so schwach erweist es sich, wenn dieser Allokation von Gütern und Werten kein gesellschaftliche gehorsam entgegenbracht wird. - deshalb die zweite Hauptaufgabe eines pol. Systems besteht darin, die Mehrheit der Gesellschaft von der unabdingbaren Verbindlichkeit dieser Aufteilung zu überzeugen - das politische System nach David Easton

Wie kann diese Grafik nun gelesen werden? Wie ist sie zu interpretieren? - Hauptaufgabe eines politischen Systems ist die Transformation von Inputs in Outputs. - Die Begrifflichkeit der Inputs gilt es in diesem Zusammenhang extensiv zu interpretieren. Sie inkludiert sowohl Forderungen (z.B. Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur), als auch Unterstützungleistungen, die von der Umwelt an das politische System herangetragen werden. Sowohl Forderungen als auch Unterstützungleistungen werden vom politischen System aufgenommen und im Rahmen eines Umwandlungsprozesses in Outputs transformiert. - Die wohl wichtigsten Erscheinungsformen der Outputs zeigen sich in Gesetzen und Verordnungen, aber auch symbolische Gesten und Erklärungen (z.B. Zeremonien, Staatsempfänge und Presseerklärungen) werden unter den Oberbegriff der Outputs eines politischen System subsumiert. - Der eben beschriebene Transformationprozess ist in der Praxis äußert sich komplex und vielschichtig ausgeprägt und definiert im weitesten Sinne die Qualität eines pol. Systems. - die Outputs generieren eines pol. Systems Reaktionen innerhalb der Gesellschaft, die mittels eines Rückkoppelungsmechanismus erneut in Inputs umgewandelt werden

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Gabriel Almond - eine Erweiterung das Eastonʻsche Konzept - übernimmt die kohärente Input-Output Logik von Easton, jedoch sowohl die Input- als auch die Outputfunktionen weiter ausdifferenziert - Almond und Coleman unterscheiden vier Input-Funktionen - 1. politische Sozialisation und Rekrutierung - 2. Interessenartikulation (vor allem durch Interessengruppen) - 3. Interessenaggregation (vor allem duch Parteien) - 4. politische Kommunikation - Almond und Coleman unterscheiden drei Output-Funktionen - 1. Normsetzung (Gesetzgebung) - 2. Normanwendung (Regierung) - 3. Normauslegung (Rechtsprechung) - im Gegensatz zu Easton fokussiert Almond nicht nur die Funktionalität eines politischen Systems sowie dessen Systemfähigkeit, sondern inkorporiert in seiner Systemdefinition bereits reale Strukturen Institutionen, Verfahren und Prozesse

All diese strukturierten und analytischen Gedanken zum Terminus technicus »politisches System« inkludieren auch die stets auf einer Metaebene mitschwingenden drei Dimensionen des Politikbegriffs, die unten mit der gegenständlichen Begrifflichkeit des politischen Systems gedanklich verschränkt werden soll.

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Polity - im politischen System definiert sie den Handlungs- und Bezugsspielraum, in dem politische Prozesse als auch Inhalte stattfinden (quasi als Voraussetzung für das Funktionieren der anderen beiden Dimensionen) - Beispiele: Verfassung, Staatsaufbau, Regierung, Parlament, andere politische Institutionen usw., aber auch die dahinter stehenden Ideologien und Ideen Politics - im politischen System beinhaltet sie die Interessenartikulation und -Durch-Setzung der politischen Akteure - Beispiele: informelle Vermittlungskonstellationen und Austausch von Zugeständnissen zwischen Parteien, Verbänden und Gebietskörperschaften (z.B in Regierungsverhandlungen) Policy - im politischen System fokussiert sie vor allem die Formulierung und Umsetzug der Politik; welche Akteure versuchen aus welchen Motiven heraus mit welchen Instrumenten welche inhaltlichen Ergebnisse zu erzielen oder diese zu verhindern? - Beispiele: Sozial-, Umwelt-, Verkehrs-, Finanz-, Arbeitsmarkt- oder Wirtschaftspolitik Resümierend lassen sich die vielen potentiellen Einflussfaktoren, welche auf ein politisches System einwirken können, wie die Verfassungswirklichkeit, politische Eliten oder die politische Kultur, als wichtige Unterscheidungskriterien zur »herkömmlichen« Regierungslehre klassifizieren. Nicht nur die normale Kompetenzverteilung spielt bei der Beschreibung und Bewertung eines politischen Systems eine wichtige Rolle, sondern auch die informelle Machtverteilung unter den relevanten Entscheidungsträgern. Die innovative Leistung der Systemtheorie beruht daher -obwohl teilweise stark abstrahierendauf der Darstellung der Interdependenzen zwischen den Aufgaben und Funktionen der Politik und den institutionellen Handlungsstrukturen, in denen Politik formuliert und hoffentlich erfolgreich umgesetzt wird. Bestandteile, Elemente, Umfeld – Einflussgrößen des österreichischen pol. Systems

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Kapitel 2 Die Entwicklung des österreichischen politischen Systems 2.1 Absolutismus und Aufklärung Die Grundlagen des heutigen politischen systems wurden im zeitraum vom aufgeklärten Absolutismus (ab 1740), in und nach der bürgerlichen Revolution (1848) und in deren Gefolge (durch die Einrichtung des Verfassungstaates) geschaffen Der Übergang von der feudalistischen zur bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft ist in Östererich durch die Saatsform des Absolutismus und des augeklärten Absolutismis(Höhepunkt zur Zeit der Französischen Revolution 1789) gekennzeichnet. Der aufgeklärte Absolutismus ist eine im 18. Jahrhundert außerhalb des französischen Herrschaftsgebiets entstandene Form des Absolutismus. Der Fürst wurde nicht mehr als von Gott eingesetzter Herrscher und über jedem Gesetz stehender Souverän verstanden sondern als oberster Repräsentant einer vernünftigen Staatsordnung, dessen Verpflichtung es ist, dem Allgemeinwohl zu dienen (Quelle Wikipedia) Die als Bedrohung empfundene revolutionäre Entwicklung wurde gewissermaßen durch Reformmaßnahmen verhindert. Das Bürgertum hatten begonnen bürgerliche Verfassungsvorstellungen zu entwickeln=>der aufgeklärte Absolutismus war gezwungen, gegen die fortschrittlichen Teile des Bürgertums mit Represionen vorzugehen. Dem absolutem Fürst war es aber nicht möglich die Volkssouveränität zur Grundlage staatlicher Herschaft zu machen. Die Ablösung des augeklärten durch den restaurativen Absolutismus (fur dessen Entwicklung Österreich eine große Rolle spielte)=>manifestierte sich im Wiener Kongress 1815 In diezer Zeit (Vormärz=historische Zeitabschnitt zwischen dem Ende des Wiener Kongresses 1815 rsp. der Julirevolution in Frankreich 1830 und der Märzrevolution von 1848/49)=das Bürgertum zog sich in die entpolitisierte Privatheit des Biedermeier zurück. Widerspruch zwischen sozialen Klassen (Bürgertum /Ärbeiterklasse) wurde immer großer=>Dies und die soziale Not des soziale Not des ländlichen und städtischen Proletariats führte schließlich zur bürgerlichen Revolution 1848.

2.2 Bürgerliche Revolution Damit begann die Herausbildung der für den bürgerlichen Staat charakteristischen Institutionen und Strukturen (Verfassung, Parlament, kommunale Selbstverwaltung, politische Freiheitsrechte) Die soziale Schichten die gegen die herrschenden Strukturen kämpften, repräsentierten verschiedene Interessen=>die Heterogenität der Revolutionsbewegung =alle waren gegen Zensur und Polizeiwillkür, gegen nationale und soziale Unterdrückung Erreignisse der Revolution: eine relativ freie Wahl des Parlaments (trat im juli 1848 zusammen) Durchführung der Bauernbefreiung Niederschlag der Revolution=> Kampf Oktober 1848 Der Reichstag konnte bis zum März 1849 einen Verfassungsentwurf ausarbeiten, an dessen Beschlussfassung er allerdings durch seine Auflösung gehindert wurde. =>Damit war die restaurative des Neoabsolutismus eingeleitet (1851-Silvesterpatente)

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2.3 Neoabsolutismus Wichtige Maßnahmen des Neoabsolutismus: Aufhebung der Feudallasten, Beseitigung des Prohibitivsystems, das Einsenbahngesetz, das Berggesetz, Bankengründungen, die Einbeziehung der Handelskammern in den Entscheidungsprozess und vor allem die Gewerbeordnung 1859. Der Neoabsolutismus zeigt, dass der Versuch, anders als die meinsten europäischen Staaten auf die Integrationskraft zentraler, mit Budgetrecht ausgestatteter Parlamente zu verzichten, nach den bürgherlichen Revolution nicht mehr von dauerhaftem Erfolg begleiten sein konnte.

2.4 Politischer Liberalismus und konstitutioneller Rechtsstaat Der Krieg mit Preußen und Italien=brachte die Verfassungsfrage wieder in Bewegung Die Soziale Bewegung der Arbeiterschaft wieder in Bewegung=>großer Erfolg=die Gesetze vom 15.11.1867 über das Vereinsrecht und über das Versammlungsrecht, was eine verbesserte Situation für die Arbeiterschaft brachte. Staatgrundgesetzt Dezember 1867=Anknüpfung an die Verfassung von 1849, gingen aber zum Teil weit über diese hinaus (vor allem das Staatgrundsgesetz), schuf die Grundlage der Verfassungsgerichtsbarkeit, brachte vor allem die Trennung der Justiz von der Verwaltung in allen Instanzen. Das Staatgrundsgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger brachte: ein allgemeines österreichisches Staatsbürgerrecht, die Zugänglichkeit der öffentlichen Ämter für alle Staatsbürger, die Freizügigkeit der Person, des Vermögens innerhalb des Staatsgebietes, die Unverletzlichkeit des Eigentums, die freie Wahl von Aufenthalt und Wohnsitz, den freien Liegenschaftsverkehr, die Aufhebung jedes Untertänigkeits-und Hörigkeitsverbandes, das Petitionsrecht, das Recht für freie Meinugsäußerung, die Pressefreiheit, die volle Glaubens-und Gewissenfreiheit, die Freiheit der Wissenschaft, die Unterstellung des gesamten Unterrichtswesens unter die staatliche Oberaufsicht, die Freiheit der Berufswahl, die Anerkennung der Gleichberechtigung aller landüblichen Sprachen . Politischer Liberalismus-1867 bis 1873 Hochblüte in Österreich -Umwandlung des Habsburgerreceiches in eine konstitutionelle Monarchie (Verfassungsreform 1867, markiert eine vordemokratische Phase des Konstitutionalismus) 1867 konstitutioneller Rechtstaat=>Ergebnis des Emanzipationskampfes des Bürgertums, was die Hochblüte und den Verfall des politischen Liberalismus und des Privilegienparlamentarismus kennzeichnet. Mit dem Vereins-und Versammlungsrecht und den allgemeinen Staatsbürgerrechten war eine neue Phase für den Kampf um politische Partizipationsrechte erreicht.

2.5 Industrielle Moderne und Massenpartizipation In den 80er und 90er Jahren des 19 Jhdt=>traten die Massen als politische Faktoren in Gestalt der politischen Parteien Es bildeten sich die Konturen jener drei politischen Lager aus, in denen Parteien mit dem Anspruch auf Massenrepräsentation auftraten:das nationale, das christlichsozial-konservative und das sozialistische Lager Das nationale Lager -erlangte keine große Bedeutung -konnte, trotz Intention, Politik mit den Massen, durch die Beeinflußung der Massen zu machen, keine Massenpartei hervorbringen 8

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Das christlichsozial-konservative Lager Beginn der 90er Jahren=Gründung der Christsozialen Partei als einer Masenpartei. Diese Partei wuchs über die Grenzen Wiens bald und erlangte bleibende Bedeutung. Wichtiger Vertreter: Freiherrn Karl von Vogelsang; übte durch seine Kritik am Liberalismus einen großen Einfluss auf das spätere katholischsoziale Gedankengut aus; kritisierte die liberale politische Theorie, weil sei dem Staat die Macht nahm. Aufbau der christlichsozialen Massenpartei=>unter der Führung von Dr Karl Lueger. Aufbau einer Arbeiterpartei=>durch das Sozialistegesetz 1885 stark behidert. Dennoch gelang V. Adler 1888/89 in Hainfeld eine einheitliche Organisation auf der Basis eines marxistischen Programms zu schaffen. Nahezu zur selben Zeit=>gelang der Arbeiterbewegung die organisatorische Grundlage für den Aufbau einer Massenpartei zu legen. 28 November 1905 forderten hunderttausende von Arbeitern das gleiche Wahlrecht als in Russland: der Massenaufzug wurde von der Regierung verboten. 1907 Wahlrechtsreform -wird für die Reichstagswahlen das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht eingeführt.

2.6 Erste Republik Ab November 1918 Mit der Niederlage im Ersten Weltkrieg endet auch die Habsburger Monarchie: Ihre Herrscherrechte werden von den Reichstagsabgeordneten der deutschen Parteien, die inzwischen die „Provisorische Nationalversammlung“ gebildet haben, aufgehoben, ihre Besitzungen eingezogen, und alle Angehörigen der Familie des Landes verwiesen. Teile des Vielvölkerstaats fallen an Italien (Südtirol), Polen (Galizien), Rumänien und Serbien.Das nun auf sein deutschsprachiges Gebiet reduzierte Österreich (etwa ein Achtel des bisherigen Territoriums) wird am 12. November zur „Demokratischen Republik Deutsch Österreich“ erklärt, die sich als Bestandteil des Deutschen Reiches versteht. Erster Staatskanzler wird im März 1919 der Sozialdemokrat Karl Renner. Als Symbol der Republik wird die rot-weißrote Flagge eingeführt. Der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wird von den alliierten Siegermächten durch den Friedensvertrag von Saint - Germain verhindert. Zudem wird die Führung des Namens "Deutsch - Österreich" untersagt. Hohe Reparationsverpflichtungen stürzen Österreich in eine tiefe Finanz- und Wirtschaftskrise, die eine innen- und außenpolitische Konsolidierung der jungen Republik, nahezu unmöglich macht. In der Nachkriegkrise von 1918 war die Sozialdemokratische Partei die einzige politische Kraft. Sie bildete in den Jahren 1918-1920 eine Koalitionsregierung mit den bürgerlichen Parteien 1920 : brachen die Chritlichsozialen die Koalition mit den Sozialdmokraten und blieben zis zum Ende der Ersten Republik im Bürgerblock an der Regierung. Ende 1920: Beitritt Österreichs zum Völkerbund und Ausrufung einer neuen, bundesstaatlichen Verfassung. 1. Oktober 1920-Das Budesverfassungsgesetz wurde beschlossen

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Herbst 1922: sollte es der Regierung Seipel gelingen, eine Lösung der Finanzprobvleme mit Hilfe des Auslandes herbeizuführen. Besonderes Problem das durch die Seipel Regierung noch verstärkt wurde war der soziale Abstieg des Mittelstandes, der in die Arbeitslösigkeit und damit Verelendung dreiter Schichten des Kleinbürgertums mündete. Oktober 1926: Ignaz Seipel wird zum zweiten Mal österreichischer Bundeskanzler. Er schlägt nun einen scharfen antisozialistischen Kurs ein. 1929: die Bundesverfassung wurde, unter anderem über Druck der faschistischen Heimwehren, novelliert=> Machtverschiebung vom Parlament zum Bundespräsidenten, der mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet wurde. Die direkte Volkswahl des Bundespräsidenten wurde auch eingeführt.

2.7 Verfassungsbruch und Faschismus Die christlichsoziale Partei war in einem Zweifrontenkampf gegen das sozialdemokratische Lager und gegen den Nationalsozialismus. Die 1929 Novelle steoote die Heimwehr nicht zufrieden. Ab März 1933 -Um ein weiteres Anwachsen der nationalsozialistischen Bewegung zu verhindern, wird - nach dem Rücktritt von drei Parlamentspräsidenten,- einen Staatsstreich durchgeführt: Das Parlament wurde aufgelöst und die Verfassung außer Kraft gesetzt. Den bisherigen Parteien wurde die Betätigung verboten und die"Vaterländische Front" wurde gegründet. Der Kanzler Dollfuß (seit 1932) unterzeichnet das Konkordat mit dem Heiligen Stuhl und proklamiert nach Niederschlagung von Aufständen der Sozialdemokraten und Kommunisten im Mai 1934 eine faschistische Ständeverfassung nach italienischem Vorbild ("Austrofaschismus"). Nachfolger als Bundeskanzler wird Kurt Schuschnigg, der die Linie Dollfuß' zunächst fortführt, unter dem Druck Adolf Hitlers 1938 aber die NSDAP wieder zulassen und an der Regierung beteiligen muss. 12. März 1938 =>Truppen des Deutschen Reichs marschieren in Österreich ein, und bereits am nächsten Tag wird der Anschluss Österreichs als "Ostmark" an das Dritte Reich Adolf Hitlers verkündet, bestätigt durch eine Volksabstimmung im April mit 99 Prozent der abgegebenen Stimmen.

2.8 Zweite Republik Die parlamentarische Demokratie war in Österreich seit dem 4.März 1933 ausgeschaltet. Seit dem 13 März 1939 war Österreich aufgrund der ökkupation durch das Deutche Reich an der Ausübung seiner Staatsgewalt gehindert, und war als Teil vom Deutschland am Zweiten Weltkrieg beteiligt. 27. April 1945 : In Anlehnung an die „Moskauer Deklaration der Vier Nationen“ (USA, Großbritannien, UdSSR, China) vom 1. November 1943, die die Wiederherstellung eines eigenständigen Österreichs festgelegt hat, proklamiert eine „Provisorische Regierung“ aus SPÖ (Sozialistische Partei Österreichs), ÖVP (Österreichische Volkspartei) und KPÖ (Kommunistische Partei Österreichs) unter Karl Renner (SPÖ) nach dem Einmarsch der sowjetischen „Roten Armee“ mit Duldung der Besatzungsmacht in Wien die Wiederinkraftsetzung der Verfassung von 1920 und damit die zweite Republik Österreich. In der Proklamation über die Selbständigkeit Österreichs heißt es: „Die demokratische Republik Österreich 10

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ist wiederhergestellt und im Geiste der Verfassung von 1920 einzurichten. Der im Jahr 1938 dem österreichischen Volk aufgezwungene Anschluss an Deutschland ist null und nichtig.“ 15. Mai 1955: wurde zwischen einer österreichischen und einer sowjetischen Regierunsdelegation ein Vorvertrag zum Staatsvertrag, das Moskauer Memorandum, abgeschlossen, nach dem sich die österreichische Seite verpflichtet hatte, eine „Deklaration in einer Form abzugeben, die Österreich international dazu verpflichtet, immerwährend eine Neutralität zu üben, wie sie von der Schweiz gehandhabt wird.“ 27. Juli 1955: nach Inkrafttreten des am "Österreichischen Staatsvertrags" ziehen alle Besatzungstruppen aus Österreich ab und die Republik erhält innerhalb der Grenzen vom 1. Januar 1938 ihre volle Souveränität zurück. 26. Oktober 1955 : Der Nationalrat beschließt die "immerwährende Neutralität" Österreichs. 14. Dezember 1955 : Österreich wird als Vollmitglied in die Vereinten Nationen (UNO/United Nations- Organisation) aufgenommen. 1. März 1956 : Österreich wird Mitglied des Europarats. 1957: Gründung der „Paritätischen Kommission für Preis-und Lohnabfragen“, die der zentralen Institution der österreichischen Sozialpartnerschaft fällt, die immer der als wichtigstes Beispiel der österreichischen-nicht geschriebenen- „Realverfassung“ gennant wird. Meileinstein auf dem Weg zu dieser Sozialpartnerschaft=>die fünf Lohn-und Preisabkommen zwischen 1947-1951, die das Lohnniveau äußerst niedrig gehalten haben 1950: Streikbewegung gegen das Lohn-und Preisabkommen, die SPÖ und ÖGB nur mit größter Mühe bändigen konnten Die sozialpartnerschaft in der 1957 geschaffenen Form prägte die politische und ökonomische Entwicklung der Zweiten Republik und wird heute als eines der wesentlichen Charakteristika des österreichischen politischen Systems im In-und Ausland angesehen.

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Kapitel 3 Verfassung: Struktur, Grundsätze und Grundrechte Die Verfassung ist die Grundordnung des Staates. Das Verfassungsrecht soll grundlegende Regeln für das Zusammenleben in Staat und Gesellschaft festlegen: • Bestimmungen über die Staatsform • Struktur des Staatsverbandes • Einrichtung, Bestellungsweise, Aufgaben und Verantwortlichkeit von Staatsorganen • Organisation, Wirkungskreis, die gegenseitigen Beziehungen und die Verfahrensgrundsätze der Staatsfunktionen • fundamentale Rechte und Pflichten des Einzelnen und einzelner Gruppen • programmatische Staatsziele 3.1. Verfassung im formellen Sinn Die Verfassung regelt grundlegende Inhalte der Staatsorganisation und des Verhältnisses des Einzelnen zum Staat. Hier ist mit „Verfassung“ die Gesamtheit jener generellen Normen des Staates gemeint, die vom Gesetzgeber als Verfassungsgesetze oder Verfassungsbestimmungen mit den dafür erforderlichen Modalitäten geschaffen und als solche bezeichnet werden. In Österreich gibt es Landes- und Bundesverfassungsrecht, die zusammen als Staatsrecht bezeichnet werden können. Verfassungsrecht beinhaltet: innerstaatliches Recht, verfassungsändernde- oder ergänzende Staatsverträge oder einzelne Bestimmungen in Staatsverträgen – es besteht also aus einer Vielzahl von Verfassungsgesetzen, Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen und verfassungsrangigen Staatsverträgen und Staatsvertragsbestimmungen. Verfassungsrecht im formellen Sinn ist durch Erzeugungsweise und Bezeichnung definiert, die die Verfassung im Gesamtkomplex staatlicher Normen auf die höchste Stufe stellen. In Österreich gibt es rein formal keine inhaltlichen Kriterien und Vorgaben, welche Materien der Gesetzgeber als einfaches oder Verfassungsgesetz beschließt. 3.2. Verfassung im materiellen Sinn könnte man als jene Teile einer Rechtsordnung definieren, die man im Verfassungsrang erwartet: Staatsform, Struktur des Staates, Staatsorgane, Staatsfunktionen, Rechte und Pflichten, Grundrechte und Staatsziele. Eine andere Definition (nach H. Kelsen) lautet, dass V. Im materiellen Sinn jene Normen sind, die sich auf die obersten Organe und das Verhältnis der Untertanen zur Staatsgewalt beziehen. Eine weitere Definition (nach F. Ermacora) sagt „Der Begriff der Verfassung im materiellen Sinn meint jene Normen, allenfalls ungeschriebene Grundsätze, die grundlegende politische Bekenntnisse und Entscheidungen für die Stellung des Staates nach außen und nach innen enthalten, die die für die Ausübung der Staatsgewalt maßgebenden Regeln betreffen, die das Verhältnis der Menschen im Staate zur Staatsgewalt festlegen und auch das Verhältnis nichtstaatlicher Gemeinschaften zum Staate bestimmen.“ Verfassungsrecht im materiellen Sinn ist zwar weitgehend, aber nicht ganz deckungsgleich mit dem Verfassungsrecht im formellen Sinne. Es gibt einige Verfassungsbestimmungen, die ihrem Inhalt nach einfache Gesetze sein sollten, aber vom Gesetzgeber im Verfassungsrang beschlossen und verkündet wurden. Im Laufe der 2. Republik wurde die Verfassung durch einige materielle Zielbestimmungen ergänzt.

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3.3. Struktur der Rechtsordnung Stufenbau der österreichischen Rechtsordnung: Die einzelnen Rechtsnormen sind in verschiedene Rangstufen einteilbar, wobei sich eine vertikale Gliederung der generellen und individuellen staatlichen Rechtsnormen ergibt. Die rangtiefere Norm muss in einer ranghöheren Grundlage und Deckung finden. Im Stufenbau der innerstaatlichen Rechtsordnung kommt der Verfassung (die seit EU-Beitritt den EU-verordnungen untergeordnet ist) Status der obersten Norm zu – Gemeinschaftsrecht der EU hat aber Vorrang vor dem Ö Verfassungsrecht. Strittig ist, inwieweit der Vorrang auch gegenüber leitenden Grundsätzen der Bundesverfassung besteht. 3.4. Grundsätze des Verfassungsrechts das Ö Bundesverfassungsrecht besteht aus 1300 Rechtsnormen im Verfassungsrang. Diese Rechtsnormen sind formell gleichranging, jedoch ist meist das Bundes-Verfassungsgesetz gemeint, wenn man von „der Verfassung“ spricht. Die Grundsätze des Verfassungsrechts, die nicht geändert werden können, sind in der Verfassung nirgends aufgezählt, sondern müssen durch Lehre und Judikatur entwickelt werden. In letzter Konsequenz entscheidet der Verfassungsgerichtshof darüber, ob eine Verfassungsänderung eine Gesamtänderung darstellt oder nicht. Grundprinzipien sind also Baugesetze – Änderungen der Baugesetze bedürfen als Gesamtänderung einer Volksabstimmung. Prinzipien der Ö-Bundesverfassung sind:  Demokratisches Prinzip = Ausdruck der Volkssouveränität. „Österreich ist eine demokratische Republik, ihr Recht geht vom Volk aus“. Das demokratische Prinzip besagt, dass der politische Entscheidungsprozess grundsätzlich auf das Volk zurückführbar sein muss, wofür oft die Mittelbarkeit vorgesehen ist. Daher hat auch die Nationalratswahl eine zentrale Bedeutung für die politische Partizipation: dieser wird vom Bundesvolk aufgrund des allgemeinen, gleichen, geheimen und persönlichen Wahlrechts gewählt. Weitere Instrumentarien der direkten Demokratie in der Ö-Verfassung: Volksbegehren; Volksabstimmung als Möglichkeit für das Parlament; zwingende Volksabstimmung, wenn durch ein Gesetzesvorhaben eine Gesamtänderung der Bundesverfassung bewirkt würde; für Gesetzgeber unverbindliche Volksbefragung. Der EU-Beitritt war ein Eingriff in das demokratische Prinzip, da bedeutende Rechtssetzungskompetenzen auf Gemeinschaftsorgane übergingen und auch, weil Rechtssetzung in der EU durch Rat und Kommission erfolgen, die nicht direkt gewählt werden.  Republikanisches Prinzip wurde als Ablehnung der monarchischen Staatsform konzipiert. Republik – res publica: der Staat ist eine öffentliche Sache und die Sache des Volkes. Daher ist das republikanische Prinzip untrennbar mit dem demokratischen Prinzip verbunden – das kommt auch im Bundesverfassungsgesetz dadurch zum Ausdruck, da die beiden Prinzipien in einem Artikel verbunden sind.  Bundesstaatliches Prinzip „Österreich ist ein Bundesstaat“. Staatsfunktionen sind auf den Bund als Gesamtstaat und die Länder als Teilstaaten aufgeteilt. Gesetzgebung und Vollziehung sind zwischen Bund und Ländern aufgeteilt und Länder nehmen an der Gesetzgebung und Vollziehung des B u n d e s t e i l . D i e tatsächliche Kompetenzaufteilung lässt aber feststellen, dass das bundesstaatliche Prinzip in Ö 13

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schwach ausgebildet ist.  Rechtsstaatliches Prinzip = Legalitätsprinzip. „Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze a u s g e ü b t werden. Jede Verwaltungsbehörde kann auf Grund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen“ Aus den geltenden Grundrechten ergeben sich materielle Rechtsstaatsvorstellungen wie Gerechtigkeit, Humanität, Freiheit, Ordnung und Friede. Durch den EU-Beitritt wurde das ö rechtsstaatliceh prinzip durch ein gemeinschaftsrechtliches Legalitätsprinzip ersetzt.  Gewaltentrennendes Prinzip soll den Einzelnen vor Willkür und Übergriffen staatlicher Herrschaftsträger schützen. Im österreichischen Verfassungsrecht geht es formal von der organisatorischen Trennung der Staatsfunktionen in Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Verwaltung aus, die im modernen Staat aber oft durch inhaltliche Überschneidungen in den Aufgabenbereichen durchbrochen wird. 3.5. Staatszielbestimmungen oder Verfassungsaufträge = Verfassungsvorschriften mit grundlegender, materieller Bedeutung, die als Zielbestimmungen oder Verfassungsaufträge an den Gesetzgeber bezeichnet werden. Es sind keine subjektiven Rechte, sondern eine wertbestimmte Ausrichtung staatlichen Handelns. Staatszielbestimmungen sind immerwährende Neutralität, Wiederbetätigungsverbot, Landesverteidigung, Umweltschutz, Gleichbehandlung von Behinderten, Gleichstellung Mann/ Frau, Schutz der Volksgruppen, Rundfunk als öffentlich-rechtliche Aufgabe, gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht und Sicherung eines hochwertigen Bildungswesens. Sie sind in der Verfassung nicht als Staatszielbestimmungen kenntlich gemacht und bieten deshalb breiten Raum für Interpretationen. 3.5.1. Immerwährende Neutralität hat mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in Osteuropa und dem EU-Beitritt Österreichs einen Bedeutungswandel erfahren, Gesetzgebung und Regierung halten derzeit aber an der Neutralität fest. Im völkerrechtlichen Kontext meint man die gewöhnliche Neutralität, bei der im konkreten Krieg zwischen 2 Staaten ein 3. seine Neutralität erklärt. Österreich hat jedoch eine dauernde Neutralität, die anders als die Gewöhnliche auf einem völkerrechtlichen Vertrag oder einer Einseitigen Erklärung beruht, bei der neben Unterlassungs- und Verhinderungspflichten auch eine auf die Zukunft gerichtete Neutralitätspolitik verlangt wird und Beitritte zu militärischen, wirtschaftlichen und politischen Bündnissen verboten sind. Österreichs „immerwährende Neutralität“ entstand als es nach dem 2. WK von der Volksgemeinschaft weder als Feind- noch Siegermacht angesehen wurde und deshalb einen Staatsund keinen Friedensvertag anstrebte. Im Moskauer Memorandum bot die Regierungsdelegation um Julius Raab die Neutralität als politisches Offert für Staatsvertragsverhandlungen an, die mit dem Staatsvertrag von Wien abgeschlossen wurden. Um den völkerrechtlichen Status der dauernden Neutralität in Ö zu manifestieren, transformierte der Ö-Gesetzgeber die Verwendungszusage des Moskauer Memorandums in das BVG über die Neutralität Österreichs. Mit der Bitte um Anerkennung an alle Staaten mit denen Ö diplomatische Beziehungen hatte, übertrug sich die Verpflichtung auf völkerrechtliche Ebene. Die dauernde Neutralität Österreichs ist nach Ansicht vieler Verfassungsrechtler kein Baugesetz und könnte deshalb ohne Volksabstimmung innerstaatlich abgeändert oder aufgehoben werden. 14

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Nunmehr wird auch ein differentielles Neutralitätsverständnis propagiert, da die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU auch Kampfeinsätze legitimieren soll, was mit dem engen Verständnis der dauernden Neutralität nicht in Einklang zu bringen ist. 3.5.2. Antifaschismus Das Staatsziel Antifaschismus erfordert den Ausschluss faschistischer und nationalsozialistischer Bestrebungen aus der Rechtsordnung und dem realen politschen Leben, was in einer Reihe von Normen und Verträgen von der Unabhängigkeitserklärung bis zum Staatsvertrag festgeschrieben ist. Im Staatsvertrag von 1955 wird festgelegt, dass eine wirtschaftliche Vereinigung zwischen Ö und D verboten ist, Ö sich verpflichtet Menschenrechte zu achten und Rechte der slowenischen und kroatischen Minderheiten zu regeln und Ö soll eine demokratische auf geheimen Wahlen gegründete Regierung haben. Auch wird die Auflösung nazistischer und faschistischer Organisationen verlangt und die Verpflichtung, dass Ö unter Androhung von Strafsanktionen das Bestehen und die Tätigkeit obengenannter Organisationen auf österreichischem Gebiet untersagt. 3.5.3. Rundfunk als öffentlich-rechtliche Aufgabe öffentlich-rechtlicher Rundfunk soll auf gemeinwohlorientierte Aufgaben und Zielsetzungen ausgerichtet sein und einen wichtigen Beitrag zur Kommunikationsqualität in der Gesellschaft leisten. Im Vordergrund stehen Wert und Nutzen für die Gesellschaft, umfassende unabhängige Information der Allgemeinheit in allen wichtigen politschen, sozialen, wirtschaftlichen kulturellen und sportlichen Fragen, Bildungs- und Kulturauftrag, Unterhaltung, gesellschaftliche Integration und die Berücksichtigung der Anliegen der Bevölkerung. Es soll auf eine Objektivität und Unparteilichkeit in der Berichterstattung und eine Berücksichtigung der Meinungsvielfalt geachtet werden. Im Europäischen Kontext ist das Amsterdamer Protokoll maßgeblich, laut dem der öffentlichrechtliche Rundfunk unmittelbar mit den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen jeder Gesellschaft verbunden ist. 3.6. Grundrechte noch immer gelten die Grundrechtsbestimmungen des Staatsgrundgesetzes 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger und alle Grund- und Menschenrechte im Rahmen des internationalen Rechts – besonders UNO, EU und Europarat (Österreich hat sich vertraglich verpflichtet.) Einen einheitlichen Grundrechtskatalog gibt es nicht. Grundrechte sind verfassungsmäßig gewährleistete subjektive Rechte. Grundrechte fungieren auch als Prinzipien für die Rechtsauslegung, weil sie meist nicht als strikt anwendbare Rechtsregeln gefasst sind. Die wichtigsten Grundrechte:  Grundrechte als Staatsbürger (Recht auf Gleichheit, Verbot der Ausweisung / Recht auf einreise aus / in Heimatstaat, aktives und passives Wahlrecht, Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit etc.)  Grundrechte als Menschenrechte (Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander, Recht auf leben, Recht keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung (Folter) unterworfen zu werden, Recht auf persönliche Freiheit, Recht auf Datenschutz, Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit, Recht auf Glaubens- und Gewissensfragten sowie Freiheit der Religionsausübung etc.) 15

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3.7. Verfassungsreform - „Österreich-Konvent“ Die Verfassungsentwicklung spiegelt die Dynamik der Gesellschaft wieder und ist mit sozialen und ökonomischen Problemen verbunden. Heute können einzelstaatliche Verfassungsordnungen nicht mehr isoliert, sondern nur als Teil der internationalen oder interregionalen Gemeinschaft betrachtet werden. Die Verfassung stellt zwar grundlegende Regeln für Politik und Gesellschaft bereit, ist aber auch ein von gesellschaftlichen Veränderungen beeinflusstes Objekt. Österreich-konvent meint einen 2003 geschaffenen Ausschuss, der Vorschläge für grundlegende Staats- und Verfassungsreformen ausarbeiten sollte und einen neuen Verfassungstext zu entwerfen, jedoch konnte in den meisten Fällen kein Konsens hergestellt werden.

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Kapitel 4 Wahlrecht und direkte Demokratie in Bund, Ländern, Gemeinden und zum Europäischen Parlament 4.1. Wahlrecht und Wahlsystem (S.:80-81) Wahlrecht: subjektive öffentliche Recht Repräsentanten zu wählen UND die gesetzlichen Grundlagen dieses Rechts. Demokratisches Wahlrecht: Ausübung ist direkt, allgemein, gleich persönlich und frei. Wahlsystem: Das Verfahren das die Stimmabgabe und dann die Stimmabgabe in Mandate regelt. Mehrheitswahlsystem: in Einerwahlkreisen treten Kandidaten an, wer die Mehrheit der Stimmen hat gewinnt. Absolute Mehrheitswahl: absolute Mehrheit für die Zurechnung eines Mandats erforderlich (in Ö war dieses System bis 1918 aktiv); sollte niemand die absolute haben, müssen Stichwahlen erfolgen. Relative Mehrheitswahl: wie absolute Mehrheitswahl, nur ist die relative Mehrheit erforderlich. Verhältniswahlsystem: besteht in Ö seit der Gründung der Republik (verankert in Bundesverfassung); die für eine Partei abgegebenen Stimmen sollen die entsprechende Anzahl an Abgeordneten entsprechen. Mischwahlsystem: Versuchen Charakteristika/Vorteile eines Wahlsystems in ein anderes zu übertragen. 4.2. Indirekte Demokratie (S.: 81) Indirekte/repräsentative Demokratie: wenn die Beteiligung über Repräsentanten (Mandatare, Abgeordnete) erfolgt. 4.2.1. Die Entwicklung des Wahlrechts (S.: 81-85) 1848 erkämpfte eine Koalition aus besitzenden Bürgern, Studenten und Arbeitern ein relatives allgemeines Männerwahlrecht für den Reichstag (einmalige Anwendung, Ausschluss der unteren Schichten; Reichstag existierte in Ö nur 1848/49). 1861, in welchem die Reichsverfassung den Neoabsolutismus für beendet erklärt, und der Reichsrat von den Landtagen beschickt wurde, dieser war wiederum in 4 Kurien aufgeteilt die unterschiedliches Stimmgewicht hatten. 1873 setzte das liberale Bürgertum ein direktes Wahlrecht (auch in Kurien) für den Reichsrat durch. Die Berechtigung zum Wählen war an Status bzw. Steuerleistung geknüpft. In drei der Kurien wurde direkt gewählt, in der Vierten über Wahlmänner (Wahlrecht an Steuerleistungen geknüpft). Von den ~21mio Menschen die im Reichsrat vertreten wurden, waren nur Männer wahlberechtigt (Frauen teilweise betreff Landtage und in der Großgrundbesitzerkurie), ~6/7mio waren im wahlfähigen Alter (ab 24), aufgrund der Zensusbestimmungen waren aber nur knapp 1,25mio wahlberechtigt, mit unterschiedlichen Stimmgewicht. 1896 erschufen die Wahlkämpfe der Arbeiterbewegung eine 5. Kurie, in der alle Männer („allgemeines Wahlrecht“, für die damalige Zeit) wahlberechtigt waren, auch jene von der 1.-4. Kurie (da spricht man von einem Pluralwahlrecht; die Stimmgewichte waren noch ungleicher verteilt). Von da an waren die Kurien so gewichtet: Großgrundbesitzer (1 Abgeordneter: 60 Wähler), Städte, Handelskammern, Landgemeinden, „Allgemeine Wählerklasse“ (1 Abgeordneter: 70.000 Wähler). 1905 war ein spektakulärer Wahlrechtskampf mit bis zu 200.000 Teilnehmern, dieser, und ähnlich geartete, erzwangen die Weiterentwicklung des Wahlrechts. 1907 erfolgte die Durchsetzung eines allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts für Männer (wenn auch mit erheblichen Einschränkungen). Die stärkste Einschränkung war der Ausschluß der Frauen, aber auch die Sesshaftigkeitsklausell (man mußte ein Jahr am Ort der Wahl wohnen). Doch auch die Einerwahlkreise verzerrten das Ergebnis. In der Monarchie gab es das Mehrheitswahlsystem, die Besitzenden waren im Reichsrat vertreten. Im ausgehenden 19.Jhr änderten sich wegen der Industrialisierung die Legitimationsbedingungen des politischen Systems. Folge davon: Verhältniswahlsystem. 1920 mit der Bundesverfassung bzw. 1923 mit der Nationalratswahlordnung stellte die Frage nach dem Stellenwert der Persönlichkeit in Relation zur Liste; auch bedeutsam: das Verhältnis des Stellenwertes der einzelnen Regionen zum Gesamtsaat. 27.11.1970 wurde eine Wahlrechtsreform beschlossen, welche am 1.1.1971 in Kraft treten sollte. Dies hatte folgende Veränderungen: es waren fortan nicht mehr 165 Nationalratsmandate sondern 183; aus 9 wurden 25 Wahlkreise die den Bundesländern entsprechen; statt 4 gibt es fortan 2 Wahlkreisverbände; es gab 17

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Änderungen im Mandatsermittlungsmodus; Vorzugsstimme ersetzte die Möglichkeit des Reihens und Streichens. ~1980 wurden von SPÖ und ÖVP weitere Personalisierungen im Wahlrecht vorgenommen. Heinz Fischer (damals noch Vorsitzender des Arbeiterklubs) wollte 110 Einerwahlkreise kreieren die den politischen Bezirken entsprechen sollten. Die Wähler sollten direkt einen Kandidaten und die mit ihm assoziierte Partei wählen. Der Modus der Mandatsverteilung wäre folgender gewesen: in jedem der 110 Einerwahlkreise wäre ein Wahlkreismandat an den Kandidaten gegangen mit der relativen Mehrheit; die endgültige Mandatszahl jeder wahlwerbenden Partei wäre von der Anzahl ihrer Parteistimmen abhängig gewesen; von den so ermittelten Gesamtmandatszahl hätte man die Wahlkreismandate abgerechnet (dies hätte für einen Verhältnisausgleich gesorgt und hätte so dem Verhältniswahlrecht entsprochen). 1983 reichte die ÖVP den Vorschlag im Nationalrat ein (der auch in Richtung Personalisierung abzielte), der das Bundesgebiet in 24 Wahlkreise und deren Zusammenfassung in Bundesländerwahlkreise vorsah. Man sollte die Möglichkeit haben auf dem Stimmzettel einerseits die Partei und andererseits den Namen eines Kandidaten anzukreuzen. Die Anzahl der Vorzugsstimmen sollte über die Reihung der Kandidaten entscheiden und somit über die Mandatschancen. 1987 wurde ein Koalitionsabkommen ratifiziert, das den Rahmen für eine Reform des Nationalratswahlrechtes auf Grundlage des Vorschlages von Heinz Fischer anlehnt. 1992 wurde auf Basis des Koalitionsabkommens von 1990 die Wahlrechtsreform beschlossen. Wichtige Neuerungen seit damals: Senkung des Wahlalters, Einführung der Briefwahl, verlängerte Legislaturperiode. 4.2.2. Das Wahlrecht zum Nationalrat (S.:85-89) S.: 85/86: Art.26 (1 - 6) Neu daran sind das aktive Wahlrecht mit vollendetem 16.Lj und das passive mit vollendetem 18.Lj. (Nach Art.95, Abs.2 darf die Landtagswahlordnung nicht enger sein als die für den Nationalrat.) Für die Senkung des Wahlalters stimmte die SPÖ dem Vorschlag der ÖVP zu betreff der Briefwahl (dieses wurde allg. verbessert). Internationale Rechtsgrundlage für die Demokratie in Ö: Staatsvertrag von Wien; Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (WICHTIG: das österr. Verfassungsrecht kennt keine unabänderlichen Normen, deshalb ist die internat. Absicherung wichtig) Natonalrats [NR]-Wahlordnung: (S.: 87/88) Die NR-Wahlordnung von 1992 regelt die Struktur des Wahlgebietes, der Wahlorganisation und alles andere was nicht verfassungsgesetzlich verankert ist. Bundesgebiet umfaßt: 9 Landeswahlkreise (=Bundesländer), 43 Regionalwahlkreise (gehen nicht über die Grenzen der Bundesländer hinaus). In Niederösterreich und Vorarlberg sind jeder politische Bezirk, jeder Verwaltungsbezirk und jede Stadt ein Stimmbezirk. Mandate werden gemäß der Reihung auf den Listen auf den drei Wahlkreisebenen verteilt. Mehrfachkandidatur im gleichen Wahlkreis ist nicht möglich, auf unterschiedlichen hingegen schon. Vorzugsstimmensystem seit 1992: Beim Landeswahlkreis bei Erreichen der Landeswahlzahl; beim Regionalwahlkreis wenn die Vorzugsstimmen in 1/6 der gültigen Parteistimmen oder der Hälfte der Landeswahlzahl entsprechen. Eine Vorzugsstimme kann nur auf der Liste der gewählten Partei gegeben werden. Stimmen-Splittung ist nicht möglich. Mandatsermittlung: (S.:88/89) Es gibt 3 Ermittlungsverfahren bei der NR-Wahlordnung: 1. Die Gesamtzahl der im Landeswahlkreis [LWK] für die Partei abgegebenen gültigen Stimmen geteilt durch die zu vergebenden Mandate. Resultat davon ist die „Wahlzahl“. Jede Partei erhält Mandate entsprechend der Wahlzahl in ihrer Prateisumme im Regionalwahlkreis. 2. Parteien die im 1. Schritt ein Mandat oder im Bundesgebiet min. 4% erhalten haben nahmen am 2.Schritt teil. Jede Partei erhält so viele Mandate wie die Wahlzahl in ihrer Parteisumme im LWK enthalten ist, abzüglich allenfalls im ersten Ermittlungsschritt erzielte Mandate. 3. Bundeswahlvorschlag wird herangezogen (enthält Bundesparteiliste). Wenn man weder ein Mandat noch die 4% Hürde geschafft hat, bekommt man keines der 183 zu verteilenden Mandate welche mit der Wahlzahl so gerecht als möglich verteilt werden. Diese Prozedur hat unter anderem zur Folge, dass das Verhältniswahlrecht gestärkt wird, da die Differenz zw. billigstem/ teuerstem Mandat minimiert wird. 4.2.3. Wahlrecht zum Europäischen Parlament (S.: 89-91) In Ö gilt die Europawahl sinngemäß Art. 26Abs.5-8 B-VG. Geregelt wird sie durch die Europawahlordnung (Mandatszuteilung nach Verhältniswahl). Die so zu vergebenden Mandate werden nach dem d‘Hond’schen 18

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Verfahren ermittelt. Das Bundesgebiet gilt bei dieser Wahl als einheitlicher Wahlkörper. Vorzugsstimmen: Eintragung auf dem Stimmzettel; Erforderlich für Vorreihung: Vorzugstimmen im Ausmaß von 7% der Stimmen für die Partei. Für gültige Wahlvorschläge bedarf es entweder min. 3 Unterschriften von Abgeordnete des NR, eine von einem EP-Abgeordneten oder 2600 Unterstützungserklärungen. Im EP ist Ö zur Zeit (ab 1.1.2007) durch 18 Abgeordnete vertreten, ab 2010 nur mehr 17. 4.2.4. Das Wahlrecht zu den Landtagen (S.: 91) Die Gesetzgebung der Länder erfolgt über die Landtage [LT], die Wahl für diese ist wie die Wahl im NR nämlich eine Verhältniswahl. Legislaturperioden sind 5J, in Oberösterreich 6. 4.2.5. Das Wahlrecht in die Gemeinderäte (S.: 91-92) In den 1990ern wurde die direkte Wahl zum Bürgermeister eingeführt, 1993 wiederum verboten um 1996 erlaubt zu werden. Art.117 Abs 6 sagt (in etwa), dass Bürgermeister vom Gemeinderat gewählt werden. In Niederösterreich und der Steiermark erfolgt die Wahl indirekt. Wien ist eine Ausnahme, da der Bürgermeister gleich auch der Landeshauptmann ist. 4.2.6. Das indirekte Wahlrecht zum Bundesrat (S.: 92) Der Bundesrat wird aus den Entsendungen aus dem Landtag zusammengesetzt. Das Land mit den meisten Einwohnern erhält 12, jedes weitere wie es im Verhältnis zu den 12 gerecht ist (min. jedoch 3). Die Wahl für den Bundesrat (der indirekt gewählt wird) durch die Landtage (wobei min. 1 Mandat der Partei mit der zweit höchsten Anzahl an Sitzen im Landtag oder [bei gleich vielen Sitzen] die zweithöchste Zahl von Wählerstimmen bei der letzten Landtagswahl aufweist. Wenn mehrere Parteien die gleichen Ansprüche haben  Los entscheidet) erfolgt durch die Verhältniswahl. Der Bundesrat bleibt solange in Funktion bis er durch einen neuen Landtag ersetzt wird. Bundesrat hat derzeit 62 Mitglieder. 4.3. Direkte Demokratie (S.:93) Direkte Demokratie: Jede Form des tatsächlich ausgeübten oder versuchten Einflusses der Bevölkerung auf konkrete Entscheidungsalternativen sowohl in der Gesetzgebung als auch in den der Verwaltungsentscheidung unterliegenden Bereichen des öffentlichen Rechts (z.B. Volksbegehren, Bürgeranträge, Petitionen, . . . ) Auf Bundesebene gibt es 4 Einrichtungen der direkten Demokratie: Volksbegehren, Volksbefragung, Volksabstimmung, Petitionsrecht. 4.3.1. Volksbegehren (S.: 93-94) Initiativrecht um Gesetzgeber auf etwas aufmerksam zu machen. Die Regeln dafür finden sich im Art.41 Abs. 1 (kurz gesagt): Gesetzesvorschläge können an den NR gestellt werden durch die Mitglieder, den Bundesrat, eine Vorlage der Bundesregierung, 100.000 Stimmberechtigte bzw. je 1/6 von 3 Ländern unterstützten Antrag (aber es hat eine durch Bundesgesetz zu regelnde Angelegenheit zu sein). Einreichungsverfahren: Antrag beim Bundesminister für Inneres; unterstützende Personen müssen in der Wählerevidenz eingetragen sein und den Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben; Außerdem müssen 1/100 der Wohnbevölkerung diesen Antrag unterstützen. Eintragungsverfahren: Dazu berechtigt ist wer am Stichtag das Wahlrecht zum NR besitzt und in einer Gemeinde des Bundesgebietes den Hauptwohnsitz hat. Behandlung im NR: Ein Volksbegehren wird wie ein Gesetzesentwurf behandelt (sie genießen jedoch eine Art Vorrangsrecht bei der Tagesordnung). 4.3.2. Volksbefragung (S.: 94-95) Hat für das Parlament einen lediglich konsultierenden Charakter. In der Bundesverfassung basiert es auf der Arbeitsübereinkunft von Jänner 1987. Art.49b (1-2) beschäftigt sich damit auf S.95. Aufgrund der Furcht vor politischem Imageverlust gab es noch nie eine Volksbefragung auf Bundesebene. 4.3.3. Volksabstimmung (S.: 95-96) Normiert in Art. 43 (S.95). Sie ist nur möglich wenn sich im NR (gewählt durch direkte Demokratie) eine Mehrheit dafür findet. Bei Gesetzesbeschlüssen ist sie fakultativ (S.96: Art.44 Abs. 3). Sie findet statt wenn 1/3 des NR es verlangt. Obligatorisch ist sie für: Gesamtänderungen der Bundesverfassung. 19

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In welchen Fällen sie noch obligatorisch zu sein hat entscheidet der Verfassungsgerichtshof an konkreten Fällen. Eine unbedingte Mehrheit ist erforderlich, eine Mindestanzahl an Teilnehmern gibt es nicht. 4.3.4. Petitionen und Bürgerinitiativen (S.: 96-97) Sie sind (im rechtlichen Sinn des Wortes) Instrumente der direkten Demokratie. Petitionen: haben die längste Tradition, ab der Verfassung von 1848 bzw. des konstitutionellen Rechtsstaates 1867 sind Petitionen ein Grundrecht (es darf keine Sanktionen für die Ausübung geben). In der demokratischen Republik sind Petitionen bis 1988 nur in restriktiver Form möglich gewesen, ab 1988 haben sie einen Bedeutungsgewinn erfahren und es wurde ein funktioneller Bezug zur direkten Demokratie hergestellt (Teilnahme von Bürger[-gruppen] am parlamentarischen Geschehen wird gestattet). Der NR hat es so geregelt: schriftliche vorgelegte Anliegen die sich auf Angelegenheiten beziehen die in Gesetzgebung bzw. Vollziehung Bundessache sind und (1.) als Petition von einem Mitglied des NR überreicht oder (2.) als Bürgerinitiative von min. 500 Österreichern (die min. das 19Lj vollendet haben) unterstützt werden, werden verhandelt. Behandlung von Petitionen im Ausschuß: davon Abstand nehmen wenn die Petition dafür ungeeignet ist; Überweisung an Volksanwaltschaft; an einen anderen Ausschuß verweisen; oder er kann sie selbst behandeln sie danach einem Ausschuß zuweisen oder eine Berichterstattung an das Plenum beschließen. 4.3.5. Mitwirkung an Verwaltungsentscheidungen (S.: 98) Das Umweltverträglichkeitsprüfgesetz (1993) gestattet es auch Bürgerinitiativen (min 200 Leute die in der Gemeinde [oder einer angrenzenden] für Gemeinderatswahlen wahlberechtigt sind) teilzunehmen. Sie nimmt am Verfahren der Erteilung der Genehmigung für ein Vorhaben als Partei oder als Beteiligte teil. Als Partei darf sie die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften als subjektives Recht geltend machen und Beschwerde beim Verwaltungs-/Verfassungsgericht einreichen. 4.3.6. Direkte Demokratie in Ländern und Gemeinden (S.: 98-99) 1919: Volksabstimmung/-begehren in Vorarlberg; 1921 in Tirol/Salzburg. Danach erfolgte eine recht lange Pause bis es (ca. 40 Jahre später) weitere Innovationen der direkten Demokratie auf Landesebene gab. 1960er/70er: durch Studenten-/Bürgeraktionen kam es zu einer Zunahme an demokratischen Beteiligungsformen. 1971: Oberösterreich führte Volksbegehren ein. 1975: Kärnten führte Volksbegehren, Volksabstimmung und Volksbefragung ein. 1978: Wien führte die Volksabstimmung und das Volksbegehren auf Landesebene und die Volksbefragung und die Volksabstimmung auf Gemeindeebene ein. 1979: Niederösterreich das Volksbegehren, Volksabstimmung, Initiativ- und Begutachtungsrechte. 1981: Burgenland das Volksbegehren/-abstimmung/-befragung sowie institutionalisierte Bürgerinitiativen/begutachtungen. 1986/87: Steiermarkt mit dem steiermärkischen Volksrechtegesetz (dieses beinhaltet unter anderem die Begutachtung von Gesetzesvorschlägen und Verordnungsentwürfen, Volksabstimmungen/-befragungen) Ab ~1985 wurden die oben angeführten Rechte erneuert/erweitert. 1984: Vorarlberger Landtag beschloß eine neue Landesverfassung. 1985: Salzburg stellte Volksbegehren/-abstimmung auf neue rechtliche Grundlage und führte die Volksbefragung ein. 1987 folgte (auf Grundlage des Jahres 1984) das Landes-Volksabstimmungsgesetz (regelt Volksbegehren/befragungen/-abstimmungen durch Gemeindegesetz). 1987: In Wien trat die Dezentralisierungsnovelle in Kraft. 1989: Die Tiroler Landesordnung erweiterten (basierend auf dem Gesetz aus 1990 i.d.F. 1995) die Rollen von Volksabstimmung/-befragung/-begehren. 1990/97: Kärnten erweiterte die direktdemokratischen Möglichkeiten. 1991: Oberösterreich erweiterte die direktdemokratischen Möglichkeiten auf Landes-/Gemeindeebene. 4.4. Reformbestrebungen (S.: 99) 4.4.1. Wahlrecht und Wahlsystem (S.: 99-102) Wahlrecht: wichtigstes Partizipationsrecht in einer parlamentarischen Demokratie; historisch, geographisch, ethnisch etc. determiniert. Legitimationsleistung ist sowohl für das Wahlrecht als auch das Wahlsystem ausschlaggebend. Sie hängt jedoch mit der Partizipationsleitung (was mit/durch die Wahl erreicht wird) zusammen. In Ö: Parlament faßt auf Bundesebene verbindliche Entscheidungen; diese werden in der Realverfassung durch die überproportionale Bedeutung der Regierung und des Regierungspersonals (sowohl betreff der Gesetzgebung 20

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als auch der massenmedialen Vermittlung von Politik [Folge davon: Wahlmotive ändern sich hin zu Kanzlerkandidaten und Regierungskonstellationen]). Doch aufgrund der in Ö stattfindenden Verhältniswahl kann der Bürger nur wenig Einfluß bei den Konstellationen nehmen können. Deshalb wurde/wird des öfteren ein Mehrheitswahlrecht angestrebt. [Auf den Seiten 100-102 sind die Bsp.e GB und Griechenland angeführt. Das scheint mir wichtig zu sein.] 4.2.2. Direkte Demokratie (S.: 102-104) Es besteht keinerlei Konsens wie die direkte Demokratie in Ö gestärkt werden könnte. Legitimationsdefizit: dieser besteht im parteienstaatlichen Parlamentarismus und kann verhindert werden durch direkte Volksentscheidungen. Sollte es sich bei Volksentscheidungen jedoch um Bereiche handeln in denen Menschen sich in ihren fundamentalen Lebensinteressen bedrängt fühlen, bleibt die Berufung auf die Mehrheit ein brüchiges Argument (diese Entscheidungserweigerung bei wichtigen Fragestellungen hat eine „Partizipationsfiktion zur Folge“).

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Kapitel 5 Der österreichische Parlamentarismus und seine Verortung im politischen System - Parlamentarismus und repräsentative Demokratie als Synonym  Wahlen dienen Autorisation und Legitimation politischer Akteure zu repräsentativer Handlungsfähigkeit gegenüber dem Wahlvolk - H. Kelsen: Parlamentarismus als „Bildung des maßgeblichen staatlichen Willens durch ein vom Volk auf Grund des allgemeinen und gleichen Wahlrechtes, also demokratisch, gewähltes Kollegialorgan nach dem Mehrheitsprinzip“ (1939:28) (105) 5.1 Der Nationalrat 5.1.1 Die Rechtsstellung der Abgeordneten - NR: 183 Mitglieder, Gesetzgebungsperiode = 5 Jahre, wenn er sich nicht selbst durch ein einfaches Bundesgesetzt auflöst, oder der BPräs dies auf Vorschlag der BReg tut - freie Mandat (B-VG) = Garant und Fundament repräsentativer Demokratie, Abgeordnete sollen frei und ungebunden handeln & im Konfliktfall mit der eigenen Partei nicht das Mandat verlieren – Praxis aber gewisse Parteibindung  Interessenausgleich: erhält Mandat, dafür Loyalität; Plausibilitätsgrund: ohne parteigenerierte Substrukturen wäre die parlamentarische Arbeit (va Vorbereitung von Gesetzesvorhaben) zu viel & unüberschaubar - Immunitätsregeln: Abgeordnete darf wegen Abstimmungsverhalten in seinem Vertretungsköper nie & wegen Äußerungen (106) (mündl. & schriftl.) im Rahmen der Berufsausübung nur vom zuständigen Vertretungsköper zu Rechenschaft gezogen werden - außerberufliche Immunität: medial interessanter, strafrechtliche Verfolgung Abgeordneter während ihres Abg.status nur unter bestimmten Voraussetzungen; Grund dahinter ist Schutz der polit. Tätigkeit des Abg. und des gesamten Parlaments vor potentiellen Übergriffen anderer Staatsgewalten; in BVf wird diese Immunität weiter differenziert: - möglicher Zusammenhang mit polit. Tätigkeit - Unterteilung der Verfolgungshandlungen in Hausdurchsuchung, Verhaftung (brauchen immer OK des jew. Vertretungskörpers, außer auf frischer Tat ertappt) und sonst. behördliche Verfolgungsmaßnahmen (ohne Zustimmung des jew. Vertretungskörpers wenn offensichtlich kein Zusammenhang zur polit. Tätigkeit) - mit Abgeordnetenmandat ist die Ausübung folgender Staatsfunktionen nicht erlaubt: Bundespräsident, Abgeordneter zum EP, Rechnungshofpräsident, (Vize-)Präsident des OGH, VwGH und VfGH 5.1.2 Organisation - Geschäftsordnungsgesetz 1975 als zentrale Rechtsgrundlage für Aufbau, Struktur und Festlegung der Verfahrensabläufe; ist einfaches Bundegesetz (nur bei Novellierung bedarf es gleichen Anforderungen wie für Verfassungsgesetz!) - obwohl NR lt. B-VG ein Kollegialorgan trotzdem div., die Funktionsfähigkeit gewährleistende Substrukturen: 3-köpfiges Präsidium (vom NR aus seiner Mitte gewählt), hat wichtige, die interne & externe Kommunikation betreffende Repräsentationsaufgaben, rotierender Vorsitz der Plenarsitzungen, Leitung der generellen NR-Geschäfte; Parlamentsdirektion als deren administrativer Hilfsapparat; 22

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- Entscheidungsgremium Präsidialkonferenz – regelmäßiges Zusammentreffen von 3 Präsidenten und den Vorsitzenden der Parlamentsfraktionen (108), zentrales Beratungsund Lenkungsorgan zur Koordination von Arbeitsplänen für Ausschüsse und Plenum - Ausschüsse sind eigentl. Arbeitsschwerpunkt (nicht die öffentlich interessanteren Plenarsitzungen), verfassungsmäßig vorgesehen oder zweckmäßig eingerichtet, spiegel in Zusammensetzung die Fraktionsgrößen wieder, Klubs entsenden oft Fachleute und Experten, auch externe Sachverständige und Auskunftspersonen möglich - Hauptausschuss ist der wichtigste, relativ allg. gehalten, neben Präsidialkonferenz zweitbedeutendste Subkoordinationsorgan 5.2 Der Bundesrat - vgl. zu anderen Zweikammersystemen sind Mitwirkungsrechte und Ausgestaltung des BR relativ schwach ausgeprägt ( Kompromiss der 2 gr. Lager bei Verf.entstehung) (109) - proportionale Vertretung der Länder nach Bürgerzahl (Untergrenze mind. 3 Mitglieder) - ständige Partialerneuerung nach einzelnen Landtagswahlen, dadurch (anders als im NR) keine wirkliche Gesetzgebungsperiode - tagt in Permanenz, Zusammensetzung  doppelter Proporz: Bürgerzahl und Stärkeverhältnis der Landtagsparteien, meisten Entscheidungen nach Fraktion und nicht nach Länderzugehörigkeit getroffen - Bundesräte unterliegen auch Klub- und Koalitionsdisziplin; freies Mandat: nicht an Landesregierungen gebunden und keine vorzeitige Abberufung von dieser möglich - BR dann im Fokus der Öffentlichkeit wenn über Reform des politischen Systems diskutiert wird – Abschaffung oder Stärkung? mit seinen eingeschränkten Kompetenzen kann er nicht effektiv die Länderinteressen wahrnehmen (110) 5.3 Die Gesetzgebung als wichtigste Funktion des Parlaments - lt. B-VG Bundesgesetzgebung durch NR und BR gemeinsam – NR faktisch mehr Bedeutung - nach Kelsen manifestiert sich in Bundesgesetzgebung das Herrschaftsinstrument des Parlaments gegenüber den übrigen Staatsfunktionen – Verf.wirklichkeit ist anders: in parlament. System schließt sich die Mehrheit der Volksvertreter mit der Regierung zusammen  Regierung und nicht Parlament spielt bei der inhaltlichen Gesetzesausformulierung wesentliche Rolle, meisten Gesetzte werden daher auf Grundlage der Regierungsbeschlüsse gefasst, brauchen aber trotzdem noch Legitimierung durch parlamentarische Beschlussfassung, Parlament als Kontrolleur der legistischen Reg.arbeit - Weg der Bundesgesetzgebung durch Parlamentsgremien reflektiert Wahrnehmung des demokratischen Auftrages, verleiht Gesetzgebungsprozess Transparenz und Öffentlichkeit 5.3.1 Die Gesetzesinitiative  möglich in Form von: - Initiativantrag von mind. 5 NR-Mitgliedern - Ausschuss des NR - vom BR bzw. von 1/3 dessen Mitglieder - Regierungsvorlage von der BReg - Volksbegehren von mind. 100000 Stimmberechtigten - 2 wichtigsten Formen sind vom Ministerrat einstimmig beschlossenen Regierungsvorlagen (111) und Anträge von Mitgliedern des NR – erstere quali- und quantitativ wichtiger - Schefbeck unterscheidet Gesetzesinitiativen in: 23

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- proaktiv: va gesellschaftspolit. interessant, meist ideologisch besetzte programmatische Politikinhalte die zentrale Bestandteile eines Koalitionsabkommens sind - reaktiv: meist spezifische Anlässe, massenmedial transportierte Forderungen, Umsetzung von EU-Rechtsakten - fortschreibend: meist auf Wunsch der Verwaltung nach mehr Praktikabilität (112) 5.3.2 Die Begutachtung und Beratung von Gesetzesentwürfen - idR Ausarbeitung der Gesetzesentwürfe in einzelnen Ressorts – informeller Kontakt zu relevanten Gesellschaftsgruppen, Verbänden, Ministerien für vorab hohen Konsens - so erzeugte Fachexpertise fließt in offiz. Ministerialentwurf ein – danach va LRegs, Ministerien und Verbände zu offiz. Stellungnahme eingeladen - Annahme von Regierungsvorlagen erfolgt auf Basis von einstimmigen Ministerratsbeschluss  Vorlagen müssen daher mind. auf Kompromiss zw. Koalitionspartnern beruhen - konsensual angen. Reg.vorlage wird an NR und die zuständigen Ausschüsse weitergeleitet - langes und offenes Begutachtungsverfahren bringt meist kritische Öffentlichkeit – Bereitschaft der Reg. dafür notwendig, die das rechtl. nicht muss; zB. während FPÖ/BZÖÖVP-Reg. häufig keine Bereitschaft; Initiativanträge unterliegen nicht der vorparlament. Begutachtungsprozedur und werden von der Reg. oft absichtliche zu beschleunigtem Verfahren eingesetzt – Resultat ist weniger Einfluss der Verbände auf Gesetzgebung und Qualitätsmängel 5.3.3 Das Verfahren im NR - gegliedert in 3 öffentl. Lesungen im Plenum und nicht-öffentl. Ausschussberatungen (113) - 1. öffentl. Lesung: Grundsatzdebatte über Gesetzesvorlage, kurz, dient als Vorabinfo  Weiterdelegation an ressortmäßig zuständigen Ausschuss zur weiteren Behandlung  2. Lesung: erneut Generaldebatte und Spezialdebatte  3. Lesung: Abstimmung über den im Ausschuss beschlossenen Gesetzestext (einf. Bundesgesetz: 1/3 Anwesenheit im NR (Präsensquorum) & einfache Mehrheit der abgegeb. Stimmen (Konsensquorum); Verfassungsgesetz, Verf.bestimmungen in einf. Gesetzen, einige spez. Gesetzesmaterien (zB. NR-Geschäftsordnung, Schulgesetz): 50% Präsensquorum, 2/3 Konsensquorum) - in 2. & 3. Lesung können Abgeordnete Abänderungsanträge einbringen 5.3.4 Die Mitwirkung des BR an der Gesetzgebung - im Rahmen der BVf relativ schwach: in wichtigen Angelegenheiten (zB. Abstimmung zu Finanzausgleichsgesetz) keine Mitwirkung, in seltenen Fällen absolutes Zustimmungsrecht (va bezüglich seiner eigenen Rechtsstellung) - wichtigste Kompetenz ist Einspruchsmöglichkeit geg. Gesetzesbeschlüsse des NR binnen 8 Wochen (= suspensives Veto) (114)  wenn NR Beharrungsbeschluss mit 50% Präsensquorum kommt es zu unverändertem Beschluss – in Praxis daher lediglich Verzögerung des Gesetzgebungsprozesses 5.3.3 Die Beurkundung durch den BPräs - nach Vorlage des Bundesgesetzes durch BKanzler muss BPräs nur Einhaltung formaler Regeln prüfen (verfassungsmäßige Zustandekommen), BKanzler muss danach gegenzeichnen – KEIN materielles Prüfungsrecht (hat nur VfGH (Normenkontrolle)) 5.3.6 Die Kundmachung der Gesetze 24

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- Ende des Gesetzgebungsverfahren durch unverzügliche Kundmachung des beurkundeten und gegengezeichneten Gesetzes durch BKanzler – tritt im Normalfall am Folgetag in Kraft, ist aber allg. zulässig, dass dies erst später passiert  Phase der Legisvakanz = Gesetz gilt, aber ist nicht auf Sachverhalte anzuwenden - auch rückwirkende Gesetze möglich, aber enge Schranken (verboten sind rückwirkende Strafgesetze lt. EMRK); auch bei Vertrauensschutz gibt es bei Rückwirkung belastender Regelungen (zB. Abgabeerhöhungen) rechtsstaatliche Probleme (115) 5.4 Weitere Funktionen des österreichischen Parlaments - Kontrollfunktion polit. Kontrolle im Parlament durch Opposition  ergibt sich aus der typischen Verbindung von Regierung und parlament. Regierungsmehrheit  klassische Gewaltenteilung Regierung / Parlament wird ersetzt durch Regierung(sparteien) / Opposition (116) 1) Interpellations- und Fragerecht an die BReg oder eines ihrer Mitglieder Schriftl. oder dringliche Anfrage; Kontrolltätigkeit va von Opposition (Minderheitenrecht); möglich auch Bereichsopposition (von anderer Regierungsfraktion), oderPräsentationsfrage (von eigenen Fraktion) 2) Fragestunde/Aktuelle Stunde Vor jeder NR-Sitzung Möglichekeit der Fragestellung eiens jeden Parlamentsmitgliedes an die BReg, Reihenfolge nach festem Verteilungsschlüssel nach Fraktionsstärke 3) U-Ausschüsse Neben dem Fraktionsantrag vor dem VfGH schärfstes Instrument parlam. Kontrolle; Feststellung von Missständen in Bundesvollziehung, verpflichtet alle Behörden zu Kooperation, kein Mehrheitsrecht - Mitwirkungsfunktion 1) Resolutions- bzw. Entschließungsrecht Parlamentsmitglieder können rechtl. nicht verbindliche Wünsche über Ausübung der Vollziehung machen; grobe Skizzierung künftiger Gesetzesvorhaben; Opposition verwendet Resolutionsrecht auch als Ersatz für parlament. Gesetzesinitiativen zur Darlegung alternativer Positionen und Programme 2) Mitwirkung am Zustandekommen von Staatsverträgen politische, gesetzesändernde und –ergänzende, von der Regierung abgeschlossene Staatsverträge müssen vom NR genehmigt werden 3) Mitwirkungsrechte des Parlaments an der Bestellung von Organen und Vorhaben der EU - Rekrutierungs- und Tribünenfunktion 1) Rekrutierungsfunktion in Form direkter Rekrutierung staatspolitisch wichtiger Ämter der NR-Präs, Klubvorsitzenden und Ausschussvorsitzenden und indirekt bei der Regierung durch Nicht-Ausübung des Misstrauensvotums, Ernennung von Rechnungshofpräsident, Volksanwälte, indirekte Besetzung von staatsnahen Schlüsselpositionen 2) Tribünenfunktion: Schlagwort Öffentlichkeit des österr. Parlamentarismus (Sitzungs-, schriftliche und mediale Verfahrensöffentlichkeit); neue Info- und Kommunikationskanäle (TV-Übertragungen Internet) (117) 5.5 Die Landtage und die Gesetzgebung der Länder - Landtage übernehmen Funktionen der Repräsentation, Gesetzgebung, Kontrolle und Kreation von Organwalter; schaffen öffentliche Tribüne für polit. Diskurse (116) 25

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- jedes Bundesland hat eigene Landesverfassung, trotzdem bleibt in Ö Föderalismus eher schwach ausgeprägt – Länder haben zwar in eigenen Wirkungskreisen relative Verfassungsautonomie, aber nur solange nicht im Widerspruch mit BVf - 1-Kammernsystem, Verhältniswahl, Abgeordnetenanzahl landesverfassungsgesetzlich festgelegt (zw. 36 und 100), Landtagswahlordnungen dürfen nicht enger, aber weiter gefasst werden als auf Bundesebene - LandtagsPräs (Ausnahme T, Stmk) und Landeshauptleute aus Mitte der Landtagsabgeordneten gewählt; Kreation der Landesregierungen entweder durch Wahlen innerhalb der Landtage (Vbg, T, S, W) oder konkordanzdemokratische Logik des Parteienproporz (K, OÖ, NÖ, Stmk, Bl) - Landesgesetze entstehen durch Beschluss des Landtags, Beurkundung und Kundmachung durch den Landeshauptmann, ebenso wie auf B-Ebene versch. Quoren nötig (118), BReg kann nur suspensives Veto einlegen  Beharrungsbeschluss der Landtage - freie Mandat ebenfalls beeinflusst durch Interessengruppen & Vorgaben der Landtagsklubs - die landesverfass.rechtl. festgelegte Trennung Landtag / LandesReg in der Praxis aufgehoben; Landtage beschließen zwar formell die Landesgesetze, aber von der LReg inhaltlich vorbestimmt - Kontrollfunktion der Landtage zwar wichtig, aber, ebenso wie Mitwirkungsrechte, in Praxis zahnlos durch Repräsentationsprimat des Landeshauptmann und Zuschneidung der Kontrollrechte auf die Parteienmehrheit (119)

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Kapitel 6-Institutionen und Verfahren der Vollziehung .1 Staatsfunktion Vollziehung: Verwaltung und Gerichtsbarkeit: .1.1 Verwaltung:

- oberste Verwaltungsgeschäfte führen Bundeskanzler, Vizekanzler, Bundesminister; bilden Bundesregierung unter Vorsitz des Bundeskanzlers; - gleich geordnete Organe: Bundespräsident, Bundesregierung, Bundesminister; - Kern d. Rechtsstaates: Legalitätsprinzip und Verfassungsgerichtsbarkeit; Verwaltung und Gerichtsbarkeit als Vollziehung von Gesetzen, Legalitätsprinzip für Gerichtsbarkeit; - Gerichtsbarkeit und Verwaltung in allen Instanzen getrennt; - die obersten Organe der Vollziehung sind Bundespräsident, Bundesminister, Staatssekretäre, Mitglieder der Landesregierungen - Verwaltungsaufgaben werden zwischen Gebietskörperschaften Bund und Ländern aufgeteilt; - Großteil d. Verwaltungsaufgaben mit unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen .1.2 Verwaltungsorgane: - Verwaltung wird von Verwaltungsorganen durchgeführt; - Staat als juristische Person; Juristische Personen sind Träger von Rechten und Pflichten, die nicht physische oder natürliche Personen sind; Bsp.: juristische Personen d. Privatrechts (AG, Vereine, Parteien), d. öffentlichen Rechts (Gebietskörperschaften, Personalkörperschaften, Anstalten, Fonds); - Bund verfügt über Organe d. Gesetzgebung, d. Rechtssprechung, d. Verwaltung; - Bundesländer verfügen über Gesetzgebungs- u. Verwaltungsorgane; Gemeinden über Verwaltungsorgane .1.3 Selbstverwaltung: - man unterscheidet zwischen territorialer, beruflicher, sozialer Selbstverwaltung - territoriale SV = Gemeindeautonomie; Gemeinde ist Gebietskörperschaft mit Recht auf Selbstverwaltung und Verwaltungssprengel; - berufliche u. soziale SV = Kammern, Sozialversicherungsträger .1.4 Gerichtsbarkeit: - gibt Reihe von verfassungsrechtlich normierten Grundsätzen; - wichtigster Grundsatz: verfassungsrechtliche Garantie d. richterlichen Unabhängigkeit (Richter können in Ausübung ihres richterlichen Amtes an keine Weisungen gebunden werden); - Kernstück der Unabhängigkeit der Justiz von Verwaltung: richterliche Unabhängigkeit - Laienrichter spielen in österreichischen Rechtsordnung bedeutende Rolle; - Laiengerichtsbarkeit auch in Handels-, Arbeits-, Sozialgerichtsbarkeit;

.2

Bundespräsident:

Präsident d. Nationalversammlung (1919) Vertreter d. Republik nach außen, kaum Einfluss auf Exekutive; Staatsregierung ebenfalls typische Befugnisse eines Staatsoberhaupts; in den ersten Verfassungen kann noch von keiner Staatspräsidentschaft gesprochen werden .2.1 Entwicklung des Amtes: - Bundes-Verfassungsgesetz 1920 schuf Amt d. BP; - Kompetenzen auf formale Tätigkeiten beschränkt; - keinen Einfluss auf Regierungsbildung; Amtszeit 4 Jahre; - BP d. ersten Republik.: Michael Hainisch, Wilhelm Miklas; - BVG 1929 Amt d. BP gegenüber Parlament gestärkt; - der erreichte Status besteht bis heute; .2.2 Direktwahl: - 1945 Wahl des BP wieder durch Bundesversammlung - erste BP d. 2.Republik: Dr. Karl Renner - 1951 erste direkte Wahl - Seit 2004 besteht keine Wahlpflicht in allen Bundesländern - Wahl erfolgt durch absolute Mehrheitswahl (man muss mehr als die Hälfte aller gültigen Stimmen haben); gibt es keine Mehrheit kommt es zum zweiten Wahlgang (die Stimmenstärksten stehen zur Wahl) - Funktionsperiode 6 Jahre - Wiederwahl für folgende Periode nur einmal zulässig - Absetzung des BP nur durch Volksabstimmung möglich - Bundespräsidenten d. 2.Republik: Renner, Körner, Schärf, Jonas, Kirchschläger, Waldheim, Klestil, Fischer 27

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.2.3

Verfassungsfunktionen: - 1929 Rechte d. BP gegenüber Parlament und Landtagen erweitert - neben Parlament ist BP vom Volk legitimiertes staatliches Organ - Amtshandlungen d. BP brauchen Vorschlag der Bundesregierung - Aufgaben d. BP: vertritt Republik nach außen; schließt Staatsverträge; ernennt Bundesbeamte; schafft und verleiht Berufstitel; beurkundet verfassungsmäßiges Zustandekommen von Gesetzen; ernennt u. entlässt Bundesregierung - Notfallsvorsorge: kann auf Vorschlag d. Regierung Nationalrat u. Landtag auflösen - Oberbefehl ü. Bundesheer (Befehlsgewalt übt der zuständige Bundesminister aus) - Richter des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofs werden auf Vorschlag d. Nationalrats, des Bundesrats bzw. der Bundesregierung vom BP ernannt .2.4 Bundespräsident im politischen Prozess: - 1920 wollten Sozialdemokraten parlamentarische Demokratie, sie sahen die Gefahr d. Bildung eines Ersatzkaisers - 1929 sahen Christlichsoziale und Heimwehr die Aufwertung des BP als Tor für autoritäre Staatsstrukturen - BP Miklas forderte 1 Jahr nach Verfassungsreform die Auflösung d. Nationalrats - in der 2. Republik war Status des Bundespräsidenten nachrangig - bis 1986 versuchte der BP den Regierungsprozess nur selten zu beeinflussen – Ausnahmen bezogen sich immer auf die Regierungsbildung - die formale Machtstellung des BP ist in der Verfassungswirklichkeit schwer umzusetzen - jetziger BP versucht Regierung auch wenig zu beeinflussen

.3 Bundesregierung: .3.1 Struktur und Funktion:

- besteht aus Bundeskanzler, Vizekanzler, Bundesministern - Bundesregierung muss Gesetzesvorlagen vorbereiten u. als Regierungsvorlagen im Nationalrat einbringen - Aufgabe als Kollegialorgan: Verordnungen erlassen, gewisse Art d. Kontrolle d. Landtage - Minister auch oberste Organe d. Vollziehung .3.2 Ernennung und Entlassung: - Ernennung durch den BP - muss sich dem NR binnen einer Woche vorstellen - NR kann Misstrauensvotum abgeben - bis Bildung d. neuen Regierung muss BP Mitglieder d. scheidenden Regierung mit Fortführung beauftragen - NR neben Misstrauensvotum auch Instrument d. Ministeranklage

.4

Landesregierung:

- 9 Bundesländer verfügen über eigene Landesverfassung - Bundesverfassungsrecht hat Vorrang gegenüber Landesverfassungsrecht - Landesverfassungen u. Gesetze bestimmen politischen Prozess u. Landesverwaltung im jeweiligen Land in Gemeinden .4.1 Wahl der Landesregierungen: - lange nach Proporzsystem - Landesverfassungen sehen vor, dass alle im Landtag vertretenen Parteien ab gewissen Mindestgröße in Landesregierung vertreten waren - Wien stellt einen Sonderfall dar - Proporzsystem nicht mehr zeitgemäß - Proporzverfassungen stützen das Schlagwort Einheitspartei .4.2 Bundeshauptstadt Wien: - es gelten Sonderbestimmungen: Gemeinderat auch Landtag; Stadtsenat auch Landesregierung; Bürgermeister auch Landeshauptmann; Magistrat auch Amt d. Landesregierung; Magistratsdirektor auch Landesamtsdirektor - Land Wien gleichzeitig Stadtgemeinde mit mehreren Bezirken - Bezirksvertretung direkt gewählt;

.5

Gemeindeverwaltung:

- Regelung von Gemeindeangelegenheiten in Länderkompetenz aufgeteilt - Sinn der Regelung des Kommunalrechts: Grundsätze der Gemeindeorganisation bundesverfassungsgesetzlich gewährleistet und gegen landesgesetzliche Eingriffe geschützt - Minimum von Kompetenzen der Gemeine gegen Angriffe der Bundes- und Landesgesetzgebung und der vollziehenden Gewalt geschütz 28

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Kapitel 7 Parteien, Sozialpartnerschaft und Zivilgesellschaft in der Realverfassung (S.: 142-163) „Realverfassung“ ist nicht gleich der Verfassung im juristischen Sinne (z.B. Bedeutung der Parteien die in der Verfassung nicht adäquat beschrieben wird). 7.1. Politische Parteien(S.: 142) Die Parteien sind die Gründer der 1. und der 2. Republik. 1975 wurden die Parteien mit dem Parteiengesetz in der Verfassung verankert. 7.1.1. Parteien Entwicklung und gesellschaftliche Partizipation (S.: 143-144) 1880er/90er: Parteien entwickeln sich, die Schwerpunktsetzungen sind gesellschaftlichen Forderung und Partizipationsrechte. Während der Monarchie wurden Parteien eher wie Vereine angesehen die teilweise sogar illegal waren, da sie (nach damaligem Gesetz) überregional waren. 1918: Die 3 großen Lager (die Vorläufer der SPÖ, ÖVP und FPÖ) gründen die Republik. Diesen Akt sehen besonders die Sozialdemokraten als große Chance. Der zu dieser Zeit noch in den Windeln liegende Parlamentarismus muß sich gegenüber seinen Alternativen (z.B. Rätedemokratie) erst noch durchsetzen. Als die Macht der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung zurückgedrängt wurde entwickelte sich eine weitere Theorie die rückwärts gerichtet war und das parlamentarische Wahlrecht in Frage stellte [Ende S.143 und Anfang S.144 steht das; keine Bezeichnung dieser Theorie gefunden]. 7.1.2. Demokratie als Parteienstaat (S.: 144-146) Parlamentarismus (für Kelsen): die einzig reale Form in der die Idee der Demokratie innerhalb der sozialen Wirklichkeit von heute erfüllt werden kann. S.: 145: „Unter den Bedingungen einer bürgerlichen Privatrechtsordnung und industriell-kapitalistischer Produktionsverhältnisse ist der Parlamentarismus jene Form der Umsetzung der Volkssouveränität, die die im bürgerlichen Staat erforderlichen Integrationsleistungen am effizientesten zu vollbringen mag.“ Parteien sind für das Individuum unvermeidlich um in einer Demokratie die eigene Meinung kundzutun. 7.1.3. Parteien in der Zweiten Republik(S.: 146-147) Schlußendlich setzte sich der Parlamentarismus in der 2.Republik durch. Die Verfassung der 1.Republik wurde übernommen und im parlamentarischen-parteienstaatlichen Sinne weiterentwickelt. Der „Strukturwandel der Demokratie“ (nach Leibholz) besteht darin, dass die Parteien in ihrer Funktion als Vermittler zwischen Parlament und Volk ein Monopol im Bereich der Willensbildung besitzen. Problematik des Parteistaates: Parteien werden Teil der Real-/Formalverfassung; Folge davon: aus Partizipationsinstrumenten werden Institutionen des Staates (Folge: Legitimitätsdefizite [diese erfolgen aber auch durch den stetigen Bedeutungsgewinn von Massenmedien]). 7.1.4. Parteien und Demokratie (S.: 148-150) Bis 1975 kamen Parteien in ihrer Partizipationsfunktion im politischen System gar nicht vor. Parteien sind prinzipiell juristische Personen im Privatrecht. S.: 148/49: Artikel 1 des Parteiengesetzes (kurz): Ö braucht viele unterschiedliche Parteien; Mitwirkung an der politischen Willensbildung; (fast) jede Partei darf gegründet werden; Satzungen müssen beschlossen werden (=>Rechtspersönlichkeitsstatus); Spendenkontrolle. Wie einfach es ist eine Partei in Ö zu gründen zeigt die Anzahl der existierenden Parteien: über 800. Die SPÖ hat eine direkte Mitgliedschaft, während die ÖVP eine indirekte (direkte ist die Ausnahme) Mitgliedschaft über (z.B.) Bünde praktiziert. Die anderen Parteien sehen sich als Bewegungs-/Wahlparteien. Bei der Mitwirkung an der politischen Willenbildung treten die Parteien als Wahlparteien an, bei Erfolg werde sie zu Parlamentsfraktionen. Die finanzielle Basis: Ursprünglich: über Mitgliedbeiträge/Spenden eingehoben; eigene Wirtschaft (z.B. Druckwerke); Kooperation mit der Wirtschaft. Seit den 1970ern: staatliche Parteienfinanzierung (Grund: die normierten Aufgaben im Parteiengesetz). Heute gibt es mehrere Mittelgroße Parteien mit einem großen Spektrum an Angeboten (von ökologischen bis hin zu rechtslastigen). 7.1.5. Legitimationsprobleme der Parteien (S.: 150-152) Parteien verlieren im alltäglichen/öffentlichen Leben an Bedeutung aufgrund von Massenmedien und: a.) SPÖ und ÖVP sind jetzt Teil eines Parteiensystems bei dem die sozialökonomischen Wandlungsprozesse dazu führten, dass die politischen Strukturen der Gesellschaft nicht in Frage gestellt werden. 29

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b.) Alltagsgespräche/mediale Diskussionen zeigen, dass die Parteien „unten durch“ sind (mittelfristig hat sich nichts geändert [siehe Tabelle 7 S.:153]). c.) Man ist mit den Parteien unzufriedener als mit der Demokratie. Frauen sind kritischer als Männer und Jüngere sind weniger zufrieden mit den Parteien als Ältere. Das Ausbildungsniveau wirkt sich auf die Zufriedenheit positiv aus. Einerseits gehen die Parteien ihrer Pflicht als Sprachrohr des Volkes nicht mehr wirklich nach, andererseits ist die Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung als wichtig angesehen. 7.2. Organisierte Interessen und Sozialpartnerschaft (S.: 152) 7.2.1. Interessensverbände (S.: 152-156) In der Verfassungswirklichkeit gibt es neben den Parteien auch Organistaionen/Bewegungen (diese sind in erster Linie nicht im öffentlichen Recht verortet; wie die Parteien juristische Personen im Privatrecht). Der rechtliche Rahmen dieser Gruppen wird durch das Vereinsgesetz abgesteckt. Im beruflichen/ ökonomischen Sinne gibt es in Ö zusätzlich die sogenannten Kammern (jede ist durch ein eigenes Gesetz eingerichtet; Zugehörigkeit ist gesetzlich verpflichtend). Ab 1848 gelang es den Handelskammern/Indutriellenklubs ihre Interessen zu organisieren, dies hatte zur Folge, dass die Interessen dieser Gruppen vor die Interessen der Arbeiterbewegung/des Kleingewerbes gestellt wurde. Nach den Jahren 1873 und 1879 (Ende des politischen Liberalismus und des Börsenkrachs) und der Einsetzung einer feudal-konservativen/gewerbefreundlichen Regierung waren die Interessen des Kleingewerbes von Interesse. In der 1.Republik erfolgte die Aufteilung der Handelskammer in: Handel, Gewerbe, Industrie (die einheitliche Kammerorganisation ist wichtig für die Sozialpartnerschaft). 1946 wurde aufgrund des Kammergesetzes die „Kammer der gewerblichen Wirtschaft“ neu konstituiert und die Bundeskammer für das Bundesgebiet eingerichtet. AB 1850 entwickelten sich auch die Freien Industriellenverbände. Es gab diverse derartige Organisationen, momentan existiert (seit 1946) die Vereinigung Österreichsicher Industrieller. Erst 1867 entwickelten sich die Möglichkeiten für die Arbeiterschaft, auf Basis des Staatsgrundgesetzes von 1867. Der 1. Gesamtösterreichische Gewerkschaftskongreß trat 1893 zusammen. 1894 wollten die Liberalen die Arbeiterschaft durch Arbeiterkammern parlamentarisieren. Dieser Akt hatte jedoch den Hintergrund ein allgemeines Wahlrecht zu verhindern. Im November des Jahres 1917 tagte die 2.Reichskonferenz der Gewerkschaften und forderten die Errichtung von Arbeiterkammern (welche erst am26.2.1920 per Gesetz gegründet wurden). Gewerkschaftsbewegungen, Arbeiterkammern und Betriebsräte waren große Stützen für die Arbeiter. Nach den Ereignissen im Februar 1934 wurde eine Einheitsgewerkschaft („Gewerkschaftsbund der Österreichischen Arbeiter und Angestellten“) gegründet. Die Arbeiterkammer wurde zu einer Geschäftsstelle und erhielt viele Aufgaben (z.B. auf den Gebieten der Volkswirtschaft, Sozialpolitik, Arbeitsrechtes). Die Gewerkschaften in der 1.Republik waren „Richtungsgewerkschaften“ (konnten den 3 Lagern zugeordnet werden). 1945 erfolgte die Gründung des ÖGB welcher nach dem Industriegruppenprinzip organisiert wurde (mit einer großen Ausnahme: Angestellte aus Industrie/Gewerbe sind in der Gewerkschaft der Privatangestellten, die sich mit Druck, Papier und Journalismus beschäftigt, zusammengeschlossen). Das aktuelle Gesetz auf welches sich die Arbeiterkammern stützen ist das „Bundesgesetz über die Kammern für Arbeiter und Angestellte und die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte“. Struktur/ Stellung der Verbände in der Gesellschaft determinieren auch das sozialpartnerschaftliche System. Wichtig für das funktionieren der Sozialpartnerschaft sind (unter anderem) die innerverbandlichen Strukturen (besonders die Entscheidungs-/Informationsstrukturen sowie die innerverbandlichen Integrationsmechanismen). Die Kammern und der ÖGB sind mit den Parteien eng verflochten (Parteien kandidieren dort als Fraktionen [wobei der ÖGB eigentlich als überparteilich geplant war]; in je einer hat die ÖVP bzw. die SPÖ die Oberhand). 1998 gründete die FPÖ eine freie Gewerkschaft. 7.2.2. Sozialpartnerschaft (S.: 157-159) Sozialpartnerschaft (in der 2.Republik; eines der Charakteristika des österreichischen politischen Systems): übergreifende Zusammenarbeit gegensätzlicher sozialer Interessen unter Mitwirkung des Staates wurde konsequent betrieben; (in der Form von 1957) nicht gesetzlich geregelte, außerparlamentarische Verständigungsmöglichkeit diverser hoher Vertreter von Ökonomie mit Politik. Meilensteine: die fünf Lohn-/Preisabkommen (von 1947-1951; Aufgabe: Lohnniveau wurde niedrig gehalten um den Kapitalismus in Ö wieder aufzupäppeln [so niedrig das SPÖ/ÖVP 1950 einen Streik nur knapp verhindern konnten]). Wichtigster Schritt in Richtung Sozialpartnerschaft: Die Einrichtung der „Paritätischen Kommission für Preis- und Lohnfragen“ im März 1957 (zuständig für alle kollektiven Lohn- und [nicht für lange] 30

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Preiserhöhungen). Entwicklung: Zuerst hatte sie drei Unterausschüsse (je einen für Preis-/Lohnfragen und seit 1963 den „Beirat für Wirtschfats- und Sozialfragen“); Hochblüte in den 50ern/60ern seit damals stetiger Bedeutungsverlust (wegen des Kräfteverhältnisses von Arbeit und Kapital). Anträge auf Preiserhöhungen, Entscheidungsmöglichkeiten: Ja/Nein oder Reduzierung/Erhöhung. Anträge auf Lohnerhöhung (eingebracht von ÖGB), Entscheidungsmöglichkeiten: Nicht-/Freigabe von Verhandlungen mit der Unternehmerseite. Angehörige: Bundeskanzler und drei Minister, Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, die Landwirtschaftskammern, die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, Gewerkschaftsbund. Aufgaben: freiwillige Selbstkontrolle von Preisen und Löhnen, wirtschaftspolitische Empfehlungen an die Regierung zu stellen. 1962 setzte das Raab-Olah-Abkommen Fristen für die Erledigung von Anträgen. Wichtig dabei war, dass nach einer gewissen Zeit Preiserhöhungen als genehmigt und Lohnerhöhungen noch zur Verhandlung standen. Die Preisseite (anders als die Lohnseite) wurde bald nach der Gründung der Kommission erhebliche Beschränkungen auferlegt, z.B. nicht mehr genehmigungspflichtige Preise wie amtlich/behördlich oder durch gesetzgebende Organe/Gemeinden geregelte sind oder die Dienstleistungspreise welche Betriebe erbringen die nicht in der Kammer der gewerblichen Wirtschaft sind. 1992 verlor die Sozialpartnerschaft ihren letzten Einfluß aufgrund der europäischen Kommission; der Preisunterausschuss wurde durch einen Wettbewerbsausschuss ersetzt; ein Ausschuss für internationale Fragen wurde eingerichtet; letzter funktionierender Unterausschuss: Lohnunterausschuss. 1980er/90er: Kommunismus ist weg – Kapitalismus wird stärker (Arbeiter in der Defensive); Schüssel vernachlässigte Sozialpartnerschaft. 2007 stütze sich Gusenbauer wieder darauf und sie wurde bedingt wiederbelebt. Sozialpartnerschaft ist ein Mittel der Wirtschafts-/Sozialpolitik und (für die Arbeitgeber) ein Mittel der Interessensdurchsetzung (Wer durch sie gewonnen/verloren hat, ist nicht klar erkennbar); dank den „jüngsten Entwicklungen ökonomischer Pointen“ wird mehr Staat gefordert und nicht weniger. 7.3. Zivilgesellschaft (S.: 160) 7.3.1. Bedeutungsvielfalt des Begriffs (S.: 160-161) Zivilgesellschaft: Osteuropa (Kommunismus): vorstaatlichen/zivilen Einrichtungen, die den Widerstand gegen die Parteienbürokratie bildeten; Westeuropa (parlamentarische Demokratien): neues Verhältnis zwischen Staat/politischen System und Gesellschaft, Bsp.e dafür: a.) Traditionell: aka. Bürgergesellschft: umfaßt Aktivitäten/Strukturen die im privaten Bereich des Bürgers sattfinden (z.B. Bienenzüchtervereine). b.) Politisch/Gesellschaftskritisch: aka. NGOs (z.B. Amnesty International; Begründung des Wandels: politische Parteien lassen Funktions-/Partizipationslücken [auch im internationalen Bereich] offen die ausgefüllt werden). c.) Funktionales Äquivalent für öffentliche Aufgabenerfüllung: für Entstaatlichung/Privatisierung; z.B. NonProfit-Organisationen (NPOs; z.B. Caritas); agieren gemeinnützig aus pol/rel/humanitären Motiven. d.) Instrument der Hegemonie (laut Gramsci): Aufgrund der fortgeschrittenen Industrialisierung und den daraus entstandenen neuen Systemen sicherte die Zivilgesellschaft die Gesellschaft vor einer Revolution. [Ganzer Absatz: S.: 161 {vor der Überschrift 7.3.2.}] 7.3.2. Zivilgesellschaft im Alltagsbewusstsein (S.: 161) Zivilgesellschaftliche Aktionen sowohl in der kleinsten Gemeinde als auch auf der weltpolitischen Bühne. Sie spielt (gemessen an anderen Partizipationsmöglichkeiten) eine große Rolle im Alltagsbewusstsein (siehe Tabelle 9/10 im Buch). Damit dieses Engagement nicht in den negativen Bereich absackt, sollte es von demokratischen politischen Parteien in die richtigen Bahnen gelenkt werden. 7.3.3. Zivilgesellschaft im bürgerlichen Staat (S.: 162-163) Neo-/Liberalismus glaubt an die selbstregulierenden Kräfte des Marktes (institutionell geregelt, weder moralisch noch humanitär), was ihm fehlt ist die Eigenschaft Gemeinschaft und substantielle Gerechtigkeit zu schaffen. Vgl. den Begriff „Bürgergesellschaft“, dieser versucht zu suggerieren, dass es nur mehr gleiche Bürger gibt. Zivilgesellschaften fördern einen freien politischen Diskurs der (darauf fußend) substantielle Entscheidungsmöglichkeiten ermöglichen kann. Sie sind nicht dazu da die Elitenrotation in der Gesellschaft zu regulieren.

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Kapitel 8 Rechtliche Kontrolle der Politik im österreichischen politischen System Verordnungs- und Gesetzesprüfung durch den VfGH Allgemeines In der Verordnungs- und Gesetzesprüfung ist die Bedeutung des VfGH die praktisch bedeutsamste Funktion der Verfassungsgerichtsbarkeit. Hier gibt es das formelle Normenkontrollverfahren (vor allem Entstehungsbedingungen der Norm) und die materielle Normenüberprüfung (vor allem Überprüfung der Grundrechte). Der VfGH kann Verfassungswidrigkeiten diagnostizieren und sich als negativer Gesetzgeber entfalten. Man differenziert zwischen abstrakten Normprüfungsverfahren (Norm wird isoliert von möglicher Rechtssache überprüft) und konkreten Normprüfungsverfahren (auf dem Prüfstand stehende Norm muss in konkretem Rechtsfall tatsächlich anwendbar sein). Eingeleitet werden diese Prüfungen von Amts wegen oder auf Antrag einer der Parteien. Unter Verordnung ist jede nicht in Gesetzesform ergehende generelle Rechtsnorm zu verstehen. Gegenstand der Gesetzesprüfung sind alle formellen Bundes- und Landesgesetze und Bundes- und Landesverfassungsgesetze. Die Zuständigkeit des VfGH zur Normenkontrolle gilt als zentrales Element des rechtsstaatlichen Prinzips der österreichischen Bundesverfassung. Der Prüfmaßstab der Gesetzesprüfung bezieht sich auf das gesamte Bundesverfassungsrecht und bei Landesgesetzen auf das Landesverfassungsrecht. Ein Erkenntnis des VFGH kann die Aufhebung einer Norm feststellen, wodurch diese Norm dann aus dem Rechtskorpus eliminiert wird. Der VfGH kann aber auch eine Reparaturfrist gewähren (bei Verordnungen bis 6, bei Gesetzen bis 18 Monate). Der VfGH als Pionier der Normenkontrolle im europäischen Kontext Im Rahmen der Normenkontrolle lassen sich 2 idealtypische Modelle differenzieren: • das angloamerikanische System der Inzidentialprüfung: das Recht, dass Bundesgesetze von den Gerichten auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüft werden und gegebenenfalls für nichtig erklärt werden • das „österreichische Modell“: bei dem wird die Befugnis zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit auf einen institutionellen Gerichtshof konzentriert • Auch gibt es eine dritte mögliche Variation, die ein gänzliches Verbot für jegliche Gerichte, die Gültigkeit und Verfassungsmäßigkeit von Normen zu überprüfen, vorsieht. Der historische Verdienst der Ö-Bundesverfassung von 1920 besteht in einem speziellen Gerichtshof, der auch im internationalen Vergleich in einzigartiger Weise bei seiner Ausübung aktiv wurde. Da das Verfassungsrecht gegenüber anderen Normen steht, bildet der VfGH die logische Konsequenz. Eine ersatzlose Streichung würde eine Teiländerung der Bundesverfassung bedeuten. Die Bundesverfassung entstand vor einem föderalen Konflikt über das Verhältnis von Bundes- und Landeskompetenzen – es wurden auch den Landesregierungen die Kompetenz eingeräumt, Bundesgesetze vom VfGH prüfen zu lassen. Das bundesstaatliche System der Verfassung von 1920, gepaart mit der idee der Parlamentsherrschaft, die im Bundesstaat auf 2 Ebenen realisiert werden und dadurch 32

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Kompetenzkonflikte vorprogrammieren, bildeten das Fundament zur Kreierung eines eigenständigen, zur Normenkontrolle kompetenten Gerichtshofes. Kelsen vertrat die Ansicht, dass die Verfassungsgerichtsbarkeit einen Part der Gesetzgebung in Form des negativen Gesetzgebers darstellt – der VfGH agiert primär als negativer Gesetzgeber, jedoch gibt es in seiner Funktion auch Elemente der positiven Gesetzgebung, da er oft Begründungen abgibt, welchen Inhalt ein Gesetz haben muss, um ihm Verfassungskonformität attestieren zu können. Durch die missbräuchliche Reaktivierung des kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes wurde der Verfassungsgerichtshof 1933 de facto handlungsunfähig gemacht. Theoretische Zugänge und Implikationen der Normenkontrolle Normenkontrolle sieht sich innerhalb der Verfassungsgerichtsbarkeit mit Einwänden konfrontiert → Kritiker Georg Wilhelm Friedrich Hegel sprach in seiner Abhandlung „Die Verfassung Deutschlands“ von 1802 davon, dass die Rechtspflege aus ihrer Natur trete, wen die Staatsgewalt ihr Gegenstand werden solle, weil sie nur ein teil des Staates sei und sie über das Ganze gesetzt würde. Carl Schmitt, der bekannteste Kritiker, transformierte diesen Gedanken in das moderne Staats- und Rechtsdenken und spricht davon, dass es Gerichten von ihrer Natur aus wesensfremd sei, über die Rechtsgültigkeit von Gesetzen, Verordnungen und Regierungsakten zu entscheiden, da darin eine Judifizierung der Politik liege und vice versa eine Politisierung der Justiz. Die Stellung der Verfassung innerhalb einer nationalen Rechtsordnung dient als Attribut für die Bestandsbegründung der Normenkontrolle. In Österreich greift die Verfassung weit und tief in das alltägliche Rechtsleben ein und steht in statischen Verfassungstraditionen gegenüber, die eher selten Verfassungsänderungen vornehmen. Kelsen und Schmitt gelten als die bedeutendsten Staatsrechtslehrer des 20. Jhts im deutschsprachigen Raum, jedoch haben die beiden differenzierte Zugangsweisen und Vorstellungen von Funktion und Ausgestaltung der Verfassungsmäßigkeitsprüfung einzelner Rechtsakte. Kelsen, „Hüter der Verfassung: • Ansicht der zentralisierten Bündelung der Normenkontrolle in einem Verfassungsgericht • Verfechter des Parlamentarismus • Bedenken bezgl. Schmitts zentraliserter Form der Verfassungskontrolle in Person eines Reichspräsidenten – unabhängiges Verfassungsgericht sei besser • „Theorie vom Weichensteller“: Gerichtshof evaluiert nicht den Inhalt einer Norm, sondern beschränkt sich darauf, dem Parlament anzuzeigen, welches Verfahren es bei konkreten Gesetzesvorhaben hätte anwenden sollen (Gewöhnliches Gesetzgebungsverfahren / Ve r f a s s u n g s g e s e t z g e b u n g / Ve r f a s s u n g s g e s e t z g e b u n g m i t e r h ö h t e n Anforderungsbedingungen)

• • •

Schmitt ordnet Funktion der Normenkontrolle einem Reichspräsidenten zu keine großen Sympathien für Parlamente Demokratietheorie: Idee der homogenen und unteilbaren Integrität des dt. Volkes in seiner Gesamtheit das Schöpfer

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Der VfGH als negativer Gesetzgeber Verfassungsgerichtsbarkeit ist das Messen der durch Gesetz rechtsrelevant gewordenen Politik am Maßstab des Verfassungsrechts, welches die normative Grundordnung des Staates ist. Bei der Politik geht es um zielgerechtes Wechselspiel zwischen Aktion und Reaktion unter Einhaltung von Spielregeln und unter Einsatz bestimmter Instrumente. Die Messlatte des politischen Handelns, an der auch die Verfassungsgerichtsbarkeit zu messen ist, sind neben der Rechtsordnung Parameter wie politisches Kalkül und Moral. Bei der Wahrnehmung der Staatspolitik muss der Verfassungsgerichtshof gewisse Grenzen beachten, weil er zu kontrollieren und nicht planend zu gestalten hat (lt. Adamovic) Die Kompetenzen die dem VfGH bei Verfassungsentstehung zugedacht waren, sind politische. Der VfGH agiert wie der Gesetzgeber als politisches Staatsorgan nach eigenen Parametern, da die Rechtsordnung vom VfGH signifikant mitgestaltet wird. Die politische Bedeutung des VfGH ist heute stärker in der Öffentlichkeit verankert, da der VfGH durch die Verrechtlichung des Alltags zu einer gesellschaftspolitischen Institution mutierte. Eine Verfassung, die lediglich die Spielregeln der Demokratie definiert, erfährt ihre Determinierung nämlich erst im Zuge des Prozesses der Verfassungskonkretisierung. Der Gerichtshof umgrenzt als Zuständigkeitsbereiche der Legislativorange und skizziert die Rechtssetzung der Zukunft voraus. So realisiert der VfGH sozial und lässt den Rechtstext zum sozialen Kontext der politischen Kräfte werden. Er kann aber nur Effektivität und Wirkung zeigen, wenn Politik und vor allem die Gesellschaft ihm und an ihn glauben. Durch die Verfassungsgerichtsbarkeit erfährt das parlamentarische Prinzip eine Ergänzung. Der VfGH hat die primäre Aufgabe, die einmal festgeschriebenen Verfassungskompromisse vor der jeweiligen parlamentarischen Mehrheit zu schützen und einen Basiskonsens zu konservieren. Er sollte also als unpolitische Instanz fungieren, die als Gegenpol das Primat der Gesetze herausstreichen soll. Das Hauptargument der Gegner der Normenkontrolle durch ein zentralisiertes Verfassungsgericht bildet die politische Dimension von verfassungsgerichtlichen Erkenntnissen. Jedoch übersehen die Gegner die potentielle Applikationsbreite des Politischen, da es jedem Rechtsgebiet anhaften kann und Recht ist nunmal das exklusive Maßstab für die Gerichte bei ihren Entscheidungen, wodurch die Entscheidung automatisch eine politische wird.

Rechnungshof und Volksanwaltschaft als Kontrollinstrumentarien der Verwaltung Der Rechnungshof als Gebarungskontrolleur öffentlicher Institutionen Die endgültige Bezeichnung und auch die Kompetenzen des heutigen Rechnungshofes gehen auf die Verfassungsgenese des Bundes-verfassungsgesetzes von 1920 zurück und die damals geschaffenen Artikel sind bis heute zentralste Rechtsgrundlage des Rechnungshofes. Zentrale Aufgabe des Rechnungshofes ist die Kontrolle der Gebarung des Bundes der Länder, der Gemeindeverbände, der Gemeinden und anderer durch das Gesetz bestimmter Rechtsräger. Funktional ist er also föderalistisches Querschnittsorgan. Fällt eine Gebarungskontrolle in den Regelungsbereich des Bundes, fungiert der Rechnungsof als ein Organ des Nationalrates. Prüft er Gebietskörperschaften der Länder, ist er als Organ des jeweiligen Landtages tätig. Organisatorisch ist der Rechnungshof ein Bundesorgan und daher dem Nationalrat unterstellt. Der Rechnungshofpräsident ist das wichtigste staatspolitische Amt, der vom Nationalrat gewählt wird. Der NR übt auch die politische Verantwortung über den Rechnungshofpräsidenten und kann ihn jederzeit wieder abwählen. Ihm stehen 350 Mitarbeiter zur Seite, die im weisungsunterworfen sind und er definiert den 34

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allgemeinen bürokratischen Aufbau und veranlasst Schwerpunktprüfungen → stark ausgeprägte Letztverantwortlichkeit des Rechnungshofpräsidenten. Gegenstand der Rechnungshofprüfung kann die gesamte Vermögensgebarung der Staatswirtschaft des Bundes sein (Ministerien, sonstige staatliche Behörden, Anstalten, Fonds, öffentlich-rechtliche Körperschaften des Bundes...) Daneben gibt es noch die Pflicht zur Aufstellung des Bundesrechnungsabschlusses, der dem Nationalrat zur Genehmigung vorzulegen ist. Die Volksanwaltschaft als allgemeiner Misstandskontrolleur öffentlicher Institutionen Die Beschwerdeeinrichtung der Volksanwaltschaft wurde geschaffen, um einen leichteren und unbürokratischeren Zugang zum Recht zu ermöglichen. Die Volksanwaltschaft ist ein Hilfsorgan der Verwaltungskontrolle des Nationalrates und die drei Mitglieder werden aufgrund eines Gesamtvorschlages im Hauptausschuss des Nationalrates gewählt. Derzeit sind die Mitglieder: • Peter Kostelka, SPÖ • Gertrude Brinet, ÖVP • Terezija Stoisits, Grüne Die Aufgabe der Volksanwaltschaft sind die gesamte Verwaltungskontrolle des Bundes (hoheitsrechtlicher und privatrechtlicher Bereich) und die Misstandskontrolle (jegliche Art kritikwürdigen Verhaltens staatlicher Behörden). Jedermann kann einen vermuteten Missstand bei der Volksanwaltschaft zur Anzeige bringen, wenn er davon betroffen ist und ihm kein anderes subsidiäres Rechtsmittel zur Verfügung steht. Die Beschwerde ist formfrei, kostenfrei und gebührenfrei. Über ihre Tätigkeiten hat die Volksanwaltschaft 1x/Jahr dem Nationalrat und dem Bundesrat Bericht zu erstatten. Die Volksanwaltschaft hat keine effektive Entscheidungsgewalt im eigentlichen Sinne.

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KAPITEL 9 Das politische System der Europäischen Union Allgemeines und geschichtlicher Überblick - Das politische System der EU unterscheidet sich diametral von dem seiner Mitgliedstaaten. Man spricht von der EU als Staatenverbund, dessen Rechtsordnung als sui generis (absolut eigenständig) charakterisiert wird. Die EU besitzt zwar diverse Souverenitätsrechte, nicht jedoch die Möglichkeit Souverenitätsrechte selbst zu generieren. Ihr fehlt es an der sogenannten Kompetenz-Kompetenz. Sie versteht sich demnach als eine Staatenverbindung zur Schaffung einer politischer Union und wurde durch den Vertrag von Maastricht 1992 realisiert. - Überblick über die europäische Integrationsgeschichte 1951 " Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) " Mitglieder: Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande 1957" Gründung der Europäischer Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischer " Atomgemeinschaft (EAG) durch die Römer Verträge 1967" Zusammenlegung der Institutionen durch den Fusionvertrag 1973" Beitritt von Großbritannien, Irland, Dänemark 1981" Beitritt von Griechenland 1986" Beitritt von Spanien, Portugal 1986" Einheitliche Europäische Akte (EEA) " Ziel: Schaffung eines Binnenmarktes 1992" Vertrag von Maastricht, Gründung der Europäischen Union 1995" Beitritt von Finnland, Österreich, Schweden 1997" Vertrag von Amsterdam, Ausweitung der Mitwirkungsbefugnisse des Europäischen " Parlaments und Stärkung der Grundfreiheiten 2001" Vertrag von Nizza, Vorbereitung auf neue Erweiterungsrunden, aktuelle " Rechtsgrundlage der Europäischen Union 2004" Beitritt von Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Tschechische Republik, " Ungarn, Slowenien, Malta, Zypern 2004" Unterzeichnung der Verfassungsvertrages, ausgearbeitet durch einen Konvent; " nach negativen Referenden in Frankreich und Niederlanden gescheitert 2007" Beitritt von Bulgarien und Rumänien 2007" Unterzeichnung des Vertrages von Lissabon 2009" Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon im Dezember 2009, nachdem Irland nach " positiven Referendum und schließlich auch Polen und Tschechen den Vertrag von " Lissabon ratifiziert haben Die erwähnenswertesten Änderungen des Vertrages von Lissabon betreffen - die Ausweitung des Prinzips der qualifizierter Mehrheit auch auf Politikbereiche, die bisher der Einstimmigkeit unterlagen - der Parlamentarismus durch die Ausweitung von Kompetenzen und Mitspracherechten sowohl auf europäischer als auch auf nationalstaatlicher Ebene erheblich erweitert 36

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- durch die Schaffung eines ganzheitlichen Kompetenzkataloges die Kompetenzen der eU besser und transparenter ersichtlich gemacht werden - auch eine Ausstiegklausel aus der EU für die Mitgliedstaaten wurde implementiert Struktur und Aufbau der Europäischen Union - die EU basierte auf den sogenannten Drei-Säulen-Modell - die erste Säule konstruierrt sich aus den EG und EAG. Sie zählten unstrittig zu den juristischen Personen und konnten als solche juristisch autonom agieren. Im Bereich der ersten Säule bestand daher eine äußerst enge rechtliche und institutionelle Verflechtung - die zweite Säule bildete die gemeinsame Außen- und Sicherheitspoltitik (GASP), welche die immanente Wahrung gemeinsamer europäischer Werte und Interessen, sowie die Förderung der internationalen Zusammenarbeit zur Aufgabe hatte. - die dritte Säule bildete die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit (PJZS). - in der zweiten und dritten Säule agierte die EU nicht durch ihre Institutionen, sondern vielmehr intergouvernemental: es handelte sich um eine Kooperation der einzelnen Regierungen der Mitgliedstaaten. Das es die EU in diesen Säulen an Rechtspersönlichkeit mangelte, konnten nur die Mitgliedstaaten auf völkerrechtliche Ebene Verträge abschließen - der Vertrag von Lissabon benennt den EG-Vertrag in „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ um. Alle Funktionen der EG werden von der EU übernommen und die Bezeichnung Gemeinschaft durch den Ausdruck Union ersetzt wird. - Neben der Umbenennung der EG im Rahmen der ersten Säule wird auch die dritte, bisher intergouvernementale, Säule ind die supranationale erste Säule integriert - das 3-Säulen Modell ist zu einem 2-Säulen Modell geschrumpft Organe Der Europäische Rat - gilt als das zentrale Lenkungs- und Leitungsorgan - das einzige Organ, welches nur im bisherigen alten EU-Vertrag normativ verankert wurde - setzt sich aus - den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten - dem ständigen Ratspräsidenten, der auch den Vorsitz führt - dem Kommissions- und Vizepräsidenten der Kommission, der gleichzeitig der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sichereitspolitik ist zusammen. - primäre Aufgabe ist, die für die Entwicklung der EU erforderliche Impulse zu geben und mittels Richtlinienkompetenz die allgemeinen politischen Zielvorstellung festzulegen - der Abstimmungmechanismus erfolgt grundsätzlich konsensual - tagt 4mal jährlich in Brüssel und nach die Tagungen erstattet dem Eur. Parlament Bericht - die Vorsitzführung rotierte halbjährlich - die Vertretung von Österreich wird vom österreichische Bundeskanzler ausgeübt " Der Rat der Europäischen Gemeinschaften (auch als Ministerrat bekannnt) - besteht aus je einem Vertreter eines Mitgliedsstaates - der zweite Organ der Normenerzeugung - die Vorsitzführung folgt dabei der Wechsellogik des Europäischen Rates (d.h. jenes Land, das den Vorsitz im Eur.Rat führt, hat diese Vorsitzführung auch bei den jeweiligen Ministerräten inne.) - hat sich selbst die Name „Rat der EU“ gegeben - je nach Rechtsgebiet werden Beschlüsse des Rates - einstimmig, - mit einfacher Mehrheit oder 37

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- mit qualifizerter Mehrheit gefasst, die aus drei Faktoren ergibt sich - einfache Mehrheit der Mitgliedstaaten - Mindestanzahl von 255 Stimmen (insg. 345) - 62% der Gesamtbevölkerung der Union (Feststellung nur auf Verlangen) - die Stimmgewichtung sowie die Mindstimmenanzhal werden bei jedem Neuantritt neu berechnet - Ab 2004 kommt es zu einer vollständigen Neudefinition des Abstimmungsverfahrens im Rat der Europäischen Union - das Verfahren der qualifizerter Mehrheit wird dann durch das Verfahren der doppelten Mehrheit abgelöst - das Verfahren der doppelten Mehrheit: zustimmen müssen auf de einen Seite 55% aller Mitgliedstaaten - zusätzlich zu diesem Teil der doppelten Mehrheit müssen die zustimmenden Mitgliedstaaten zumindenst 65% der europäischen Bevölkerung represäntieren - damit soll die Vetomöglichkeit eingeschränkt werden " Das Europäische Parlament - besteht aus 736 (mit dem Vertrag von Lissabon 751) Mitgliedern - Österreich darf nach dem Vertrag von 17 auf 19 Abgeordnete senden - alle fünf Jahre vom Wahlvolk direkt neu gewählt und repräsentiert das europäische Volk - für das Wahlverfahren gibt es nationalstaatliche Regelungen - die Zahl der Abgeordneter pro Land richtet sich nach der Bevölkerungszahl - kleinere Staaten werden überproportional bevorzugen um adäquate Repräsentation - die Sitzuzteilung gliedert sich in nach politischen Gesinnungen gebildete Fraktionen - von 2004 bis 2009 gibt es 7 Fraktionen - Tagungorte in Straßburg und Brüssel - Funktionen - Gesetzgebungbefugnis - diverse Kontrollrechte vor allem gegenüber der eur. Kommission - Misstrauenvotums - Fragerechte gegenüber Kommission und Rat - Klagerechte vor dem EuGH - Möglichkeit der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen - Beitritt neuer Mitgliedstaaten - Benennung die Kommissionpräsidenten - Ernennung der gesamten Kommission - in den letzten Jahren die Mitwirkungsmöglichkeiten ausgeweitet wurden, ist dennoch die Demokratiedefizitdebatte bis zum heutigen Tage nicht verstummt - mit den letzten Vertragsrevisionen versucht wurde, den Aspekt der Öffentlichkeit der Ministerratstagungen bei legislativen Aufgaben weiter zu intensivieren Die Europäische Kommission - hat sowohl exekutive als auch legislative Aufgaben - Einhaltung der europäischen Rechtsakte und der Gemeinschaftsrechts, Umsetzung des Haushaltsplans→Hüterin der Verträge - hat Initiativrecht - Richtlinien und Verordnungen werden von ihr ausgearbeitet - „Motor der Gemeinschaft“ - Komitologieausschüsse - Sitz in Brüssel - weisungsfrei und politisch unabhängig

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- besteht aus 27 Kommissaren (einem pro Mitgliedstaat) - von den Regierungen der Mitgliedstaaten für 5 Jahre nominiert und vom Europäischen Rat mit qualifizerter Mehrheit bestätigt werden Die Europäische Gerichtshof (EuGh) - in Luxemburg - übt gemeinsam mit dem ihm zugeordneten Gerichtshof erster Instanz seit 1989 die Rechtsprechung der Europäischen Gemeinschaften aus - G. erster I. ist für sämtliche Direktlagen natürlicher oder juristischer Personen zuständig - beide Organen bestehen aus je einem Mitglied pro Mitgliedstaat - der wichtigsten Verfahrensarten: das Vorabentscheidungs- und das Vertragsverletzungsverfahren, die Feststellung der Rechtswidrigkeit, Nichtigkeit von Gemeinschaftsrecht, die Untätigkeits- und die Schadensersatzklage - das Erkenntnis in Form eines Feststellungsurteils ist jedoch per se nicht exekutierbar; es verpflichtet jedoch den verurteilten Staat, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um einen vertragskonformen Zustand wiederherzustellen. Widrigenfalls kann die Kommission beim EuGH die Zahlung eines Bußgelds verlangen Der Europäischer Rechnungshof - Übung: die wirtschaftliche Gebarungskontrolle - überprüfen der sämtliche Einnahmen und Ausgaben des EU-Haushaltes - die Finanzperiode 2007-2013: rund 1Billion Euro - umfasst selbst 27 Mitglieder und ca. 800 Mitarbeiter - Prüfungsvorhaben: andere Organen und EU-Beihilfen - gegenüber der Kommission gibt der Rechnungshof Zuverlässigkeitserklärungen ab, die der Kommission eine ordnungsgemäße Haushaltsführung bescheinigen Die Europäische Zentralbank - gehört systematisch nicht zu die oben erwähnten Organen, da keine Organstellung hat - politisch völlig unabhängig - hat eine eigene Rechtspersönlichkeit (als selbständige Einrichtung) - Sitz in Frankfurt, seit 1999 - zuständig für die autonome Geldpolitik der Euro-Staaten und setzt die Leitzinsen fest Das Recht der Europäischen Union Allgemeine Charakteristika des EU-Rechts und das Prinzip der Supranationalität - das EU-Recht kann in zwei Subkategorien untergliedert werden: - einerseits in die auf der Basis des Völkerrechts geschlossene Verträge zwischen allen Mitgliedstaaten - andererseits in das supranationale Recht, welches von den Gemeinschaftsorganen der I.Säule gesetzt wird (irreführend: „EU-Recht“) - es handelt sich dabei genau genommen um supranationales gmeinschaftsrecht - die allgemeinen Kriterien der Supranationalität - Legislative: Mehrheitsbeschlüsse mit bindender Wirkung auch gegenüber den überstimmten Staaten. Durch das Mehrheitsprinzip im Rat können einzelne Staaten mit qualifizerter Mehrheit überstimmt werden, auch hat das Europäische Parlament völlig autonome Mitsprachenrechte - Exekutive: besondere unabhängigkeit und Selbständigkeit der Europäischen Kommission bei der Vollziehung des Gemeinschaftsrechts, unmittelbare Geltungvon EG-Verordnungen, mittelbare Geltung von EG-Rechtlinien - Judikative: Im Bereich der Europäischen Gemeinschaften hat der EuGH uneingeschränkte Rechtsprechungskompetenz 39

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Die Rechtsquellen - muss zwischen primären und sekundären Gemeinschaftsrecht differenziert werden - primäres Gemeinschaftsrecht inkludiert - alle Gründungsverträge der EG und der EU - die verträgliche Änderungen und Ergänzungen - sämtliche Beitrittswege - allgemeinen Rechtsgrundsätze - in Ermangelung einer eigenständigen Verfassung der EU wird die Kompilation aus diesen Verträgen als primäres Gemeinschaftsrechts bezeichnet und erfüllt insofern zwei zentrale Funktion einer Verfassung (wegen der Ermangelung eines) - erstens definiert es aus materieller Sicht den Aufbau und die Kompetenzen der einzelnen Organen - zweitens fungiert das primäre Gemeinschaftsrecht als ein Maßstab für die Rechtmäßigkeit des sekundären Gemeinschaftsrechts - das es bis dato keinen verbindlichen Grundrechtkatalog in der EU gab, zählten zu diesen allgemeinen Rechtsgrundsätzen auch die vom EuGH mediatisierten und in Anlehnung an die Europäische Menschenrechtskonvention abgeleiteten Grundrechte - sekundäre Gemeinschaftsrechts bezeichnet - jene Normen, die von den Organen der EG erlassen wurden - die wichtigsten Rechtsquellen sind die an einen allgemeinen Adressatenkreis gerichteten Richtlinien und Verordnungen - in Form der Sonstigen Rechtsakte mehr oder minder individuelle Entscheidungen - Verordnungen haben allgemeine Gültigkeit und sind mit all ihren Teilen verbindlich - sie gelten unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat - Richtlinien hingegen bedürfen der Transformation durch den jeweiligen Mitgliedsstaat, weshalb diese auch die Adressaten der Richtlinien sind - in einer Richtlinie werden verbindliche Ziele definiert, deren Umsetzung jedoch den innerstaatlichen Akteuren überlassen wird - Richtlinien setzen für ihre Umsetzung regelmäßig Fristen - vier Strukturprinzipien des Gemeinschaftsrechts - Autonome Geltung und mittelbare Anwendbarkeit - Vorrang vor staatlichem Recht (Anwendungsvorrang) - Gemeinschaftskonforme Interpretation des staatlichen Rechts - Umsetzungspflicht und gemeinschaftliche Verantwortlichkeit des Staates Die Rechtssetzung in der EU - eigenständige Logik - das zentrale Rechtssetzungorgan ist der Rat - der Rat kann nur auf Vorschlag der Kommission handeln, welche den Gesetzesvorschlag in der Regel auch mittels ihres großen Verwaltungsapparates ausarbeitet - die Kommission wird eine Art Initiativmonopol zugebilligt - der Rat hat je nach Politikbereich verschieden Mehrheiten zu beachten - Unterstützung erhält vob dem sog. Ausschuss der ständigen Vertreter (COREPER) - dessen Aufgabe: die Arbeiten des Raten inhaltlich vorbereiten und die Aufträge ausführen

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EU-Recht: vor der Idee zur Umsetzung - Bürger/Interessengruppen/Experten: werden befragt und in Debatten einbezogen → Kommission: legt Vorschlag vor → Parlament (keine zentrale Rolle) und Ministerrat: entscheiden gemeinsam → Nationale oder Lokale Behörden: setzen EU-Recht in nationales Recht um → Kommission und Gerichtshof: kontrollieren die Umsetzung (http://europa.eu/abc/euslides/index_de.htm) Anhörung- und Mitentscheidungsverfahren - das geringste Mitsprachenrecht hat das Parlament beim Anhörungsverfahren, bei dem es lediglich zut Abgabe unverbindlicher Stellungnahme gab - weitere Anhörungsrechte kommen den Wirtschafts- und Sozialausschuss, Ausschuss der Regionen, Ausschuss der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften - diese Stellungen sind zwar nicht verbindlich; eine Nichteinhaltung kann zu einer Nichtigkeitsklage vor dem EuGH fürhen - den Regelfall stellt das sog. Minentscheidungsverfahren dar " 1. das Parlament gibt zu jeweiligen Gesetzesvorschlag der Kommission eine Stellungnahme ab " 2.a. wenn es vom Rat gebilligt wird, " " dann kann der Rechtsakt sofort verabschiedet werden " 2.b. wenn nicht es vom Rat nicht gebilligt wird, " " dann der Rat ist verpflichtet einen gemeinsamen Standpunkt zu formulieren " 3. bei der Annahme dieses Standpunktes durch das Parlament kommt der Rechtsakt ebenfalls zustande " 4. widrigenfalls ist schlägt das Parlament Abänderungen vor und werden diese vom Rat nicht angenommen, kommt es zur Konstituierung eines Vermittlungsausschusses " 5. durch die Stärkung dieses Verfahrens bekam das Parlament die Möglichekeit eines echten Vetos eingeräumt Integrationstheorien - aus der Realität Rückschlüsse abzuleiten, um auf einer abstrakten Ebene gewisse Phänomene und Handlungsmuster erklärbar machen zu können - untersuchen die Frage nach dem Souverenitäts- und Kompetenztransfer von der nationalen auf eine supranationale Ebene - verschiedene Schwerpunkte in der Paradigmenbildung - akzentuieren mehr den prozessualen Aspekt - die Rolle einzelne Akteure - die Erreichung von Zielvorgaben - alle eint jedoch, dass sie sich in Gegensatz zu den im Zweiten Weltkrieg vorherrschenden Nationalismen gestellt haben - die friedvolle Kooperation war eines der Leitparadigmen des (Neo-)Funktionalismus - Intergouvernementalismus versuchte die Rolle des nationalstaates im europäischen Institutionengefüge neu zu definieren - die wohl neueste erwähnenswerte Integrationstheorie ist jene des Mehrebensystems, welche versucht hat, die immer wichtiger werdende Rolle der Zivilgesellschaft in ihr theoretisches Konzept zu inkorporieren (Neo-)Funktionalismus - David Mitrany (1943): Vordenker des Funktionalismus - es nur dann zu einer Intensivierung staatlicher Kooperation kommen kann, wenn verschiedene Bereiche vergemeinschaftet werden→funktionsspezifische Organe 41

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herauszubilden→die Kooperationmechanismen würden auf andere Funktionsbereiche überspringen→Bedeutungsverlust des Nationalstaates - „form follows function“→zuerst müssen funktionsspezifische Aufgaben zusammengefasst werden, die Institutionen würden dann schon folgen - Ernst B. Haas (1958): aufgrund erster empirischer Erfahrungen (Montanunion) modifiziert - der Erfolg der Integration von der Integrationsbereitschaft der agierenden Akteure abhängig zu machen ist. Durch die Kreation supranationaler Organisationen und den Transfer nationalstaatlicher Kompetenzen auf die Gemeinschaftsebene wird ein sogenannten „spill over effect“ generiert. Durch die Initiative in einem Politikbereich kommt es zu einem Kooperationsbedarf auf anderen Politikbereichen und schließlich zu einer politischer Union. - der spill over effect folgt jedoch keinem Automatismus, sondern differentiertr von Politik- zu Politikbereich. Durch die Interdependenzen zwischen wirtschaftlicher und politischer Integration kommt es in der Folge zu einem fairen Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten - die europäische Integration basiert auf Zusammenspiel 3 Faktoren - die Ausweitung der Austauschbeziehungen zwischen den Staaten - die Effizienz der supranationalen Organe, diese Beziehungen zu begleiten - die zunehmende Regelungsdichte auf EU-Ebene

Intergouvernementalismus - Interessenfokus steht: Staat als zentraler Akteur, der den europäischer Integrationsprozess selbst konrtolliert und nur insofern forciert, wie er auch den beteiligten Staaten von Nutzen ist - Integration: kann letzlich nur auf einer begrenzten Vereinbarung über eine Übereinstimmung definierter Interessenlagen der souveränen Nationalstaaten basieren - manche Probleme lässt sich nicht auf nationalstaatliche Ebene zu lösen - wenn schon supranationale Institutionen notwendig sind, sollen diese wenigstens einer Kontrolle der Nationalstaaten unterliegen - vergegenwärtigt man sich die heutige Situation der EU, so sind die Grundthesen einigermaßen widerlegt→so können zwar im Ministerrat vorhandene Entscheidungsblockade erklärt werden - Andrew Moravcsik (1993) entwickelte den Liberalen Intergouvernementalismus, - der zwar noch immer das Primat des souveränes Nationalstaates akzentuiert, - jedoch bereits innergesellschaftliche Willensbildung in den Theorieansatz miteinbezieht - durch die voranschreitenden Interdependenzen der nationalen Volkswirtschaften→weiteren Liberalisierung der Märkte→indirekt fördern das Integrationsprozess - die Interessenlagen eines Staates sind von Kosten-Nutzen-Überlegungen geprägt → supranationale Organisationen dienen der Reduktion externer Kosten, wird ihnen jedoch keine Gestaltungsmacht erkannt - Die politische Integration ist dabei nur Mittel zum Zweck und das Ergebniss intergouvernementaler Verhandlungsprozesse und Kompromisslösungen - „package deals“: die gegenseitigen Zugeständnisse von für einzelne Nationalstaaten wichtigen Paketen symbolisieren soll

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Das Mehrebenensystem (multi-level-governance) - Anfang der 1990er Jahre: neue Ansatz, weil man erkannte, dass die EU ein eigenständiges Staatengebilde mit eigenen, ganz spezifischen Funktionen darstellt - in den Interessenfokus der Wissenschaft trat der Aspekt des Regierens - es kommt zu einer Verflechtung des Nationalstaates mit innergesellschaftlichen sowie transnationalen Verhandlungsbeziehungen→Erosion von nationalstaatlicher Lösungskomptenz, da Regelungszuständigkeiten und Entscheidungsprozesse vermehrt im Diskurs und in offenen Verhadnlungne verortet werden→kann zu einer neuen Form des Regierens zu führen: Governance - der Paradigmenwechsel vollzieht sich hin zu einer dezentralen, nicht hierarchischen Koordination zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren über alle Politikbereiche hinweg - Im Rahmen der EU findet dieser Governence-Ansatz äußerst komplexe und dynamische Rahmenbedingungen vor - unterschiedliche Akteure agieren in verschiedenen Politikfeldern mit differenzierten Interessenlagen sowohl auf europäische als auch nationalstaatlicher und subnationalstaatlicher Ebene →dadurch mutiert der Governance-Ansatz zu einem Regieren in einem dynamischen Mehrebensystem (multi-level-governence) - der multi-level governence-Ansatz versteht sich als ein vereinigender Ansatz innerhalb der Integrationstheorien. Es herrscht nicht mehr das Handlungsprimat eines politishcen Akteurs, sei er jetzt auf nationalstaatlicher oder auf supranationalstaatliche Ebene zu verorten - die Möglichkeit des Agendasettings (Politikformulierung) und der Politikumsetzung verteilt sich gleichmäßig auf europäische, (sub-)nationale, private und korporatische Akteure und basiert auf deren interdependenter Kooperation Interdependenzen zum österreichischen politischen System " Legislative - das österreichische Parlament verlor sein Rechtssetzungmonopol - um die innerstaatlichen Interessenlagen bei Rechtsakten der EU gewährleisten zu können, kam es zu einer Einbindung des National- und Bundesrates - der zuständige Bundesminister hat die genannten Vertretungskörper über alle Vorhaben zu informieren und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme (die kann auch bindend sein) einzuräumen - der betroffene Bundesminister darf davon nur aus zwingenden außen- und integrationpolitischen Gründen abweichen - wurde von dieser Möglichkeit noch anfangs häufiger ein Gebrauch gemacht→kam es in den letzten Jahren quasi zum Erliegen→Gründe dafür - Unpraktikabilität eines gebundenden Mandats - blindende Stellungnahmen nicht das gesamte Entscheidungsgremien EUMinisterrat binden (nur den jeweiligen Bundesminister) - durch die Informationspflich kam es zu einer Überlastung des Parlaments - obwohl viele Kompetenzen an die EU abgewandert sind, kann dennoch ein gewisses Desinteresse innerhalb des parlamentarischen Strukturen registriert werden→Europapolitik ist ein Randthema - nationale Parlamente bereits zu früheren Zeitpunkten in die legislatischen Verfahren zu involvieren→diese Wunsch kam mit dem Reformvertrag zur Realität: Schaffung des " »Subsidiaritätsverfahrens« - nationale Parlamente direktes Mitsprachenrecht auf europäisches Ebene erhalten - Kommission muss die nat. Parl. über Vorhaben direkt und rasch zu informieren 43

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- Parl. ist in der Meinung: mit dem Prinzip der Subsidiarität nicht in Einklang zu bringen sei→begründeten Einspruch erheben kann→Drittel der Mitgliedstaaten: Vorschlag muss überdenken werden die Hälfte der Mitgliedstaaten ist hingegen den Einspruch→Kommission muss begründen, warum sie im Zuge einer Revision keinen neuen Vorschlag unterbreitet hat→Vorschlag kann mit einfacher Mehrheit durch das Europäische Parlament abgelehnt werden - in diesem Verfahren: veritable Chancen für die Parlamente der Mitgliedstaaten - eröffnet eine über informelle Kontakte hinausgehende Kooperationsmöglichkeit - viele Sachmaterien und Politikfeldern könnten erweckt werden - durch den Vertrag von Lissabon wird mithilfe der Einführung des Subsidiaritätsverfahrens sowie durch die Aufwertung des Europäisches Parlaments ein kleiner, jedoch sehr wichtiger Schritt in Richtung einer Intensivierung der Demokratisierung im europäischen Mehrebensystem gesetzt " Exekutive - im Rahmen des Europäischen Institutionsgefüges wurde des Aktionradius der österreichischen Bundesreigerung und des Verwaltungsapparates gesträkt " Judikative - durch den Beitritt wurde das Normenkontrollmonopol des österreichischen Verfassungsgerichtshofs durchbrochen→massive Auswirkungen auf die gesamte Rechtsprechung - Gemeinschaftsrecht unterliegt nicht der Normenkontrolle der VfGH - keine Prüfungsmaßstab - nationalstaatliches Gericht hat Zweifel an der Gültigkeit eines gemeinschaftsrechtlichen Rechtsaktes→Vorabentschediungsverfahren - alle staatlichen Behörden die Anwendung des Gemeinschaftsrechtes auf die von ihnen zu entscheidenden konkreten Rechtsfälle hin prüfgen zu müssen - durch den Anwendungsvorrang ergibt sich eine inzidente Konrtolle staatlicher Behörden, ob im gegebenen Fall staatliches oder Gemeinschaftsrecht zum Zuge kommt - indirekt wird also die Kompatibilität des staatlichen mit dem Gemeinschaftsrecht überprüft ! Länder - prinzipiell ist die EU ein zusammenschluss von nationalstaaten und demnach länderblind - ähnlich wie der Nationalrat sind auch die Länder über Vorhaben der Bundesregierung im Rahmen der EU zu informieren und zu konsultieren - durch ein Konsens der Länder, die ihn ihren Angelegenheiten über mehr Expretise verfügen, wird auch der Standpunkt des Bundes determiniert - können Mitglieder einer Landesregierung theoretisch auch im Ministerrat vertreten-wenn die Gesezgebung in die Länderkompetenz fällt - schon schwache Position der Ländern durch den Beitritt kaum tangiert - sie mussten weit weniger Kompetenzen abgeben als der Bund - ihr Handlungsspielraum wurde durch die Abgabe der verbindlichen Stellungnahmen bei der nationalen Formulierung von Standpunkten von EU-Positionen nicht unerheblich gestärkt

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Kapitel 10 Politik im Lichte ausgewählter Staats- und Gesellschaftstheorien 10.1 Der Mensch als politisches Wesen bei Aristoteles - erste systematische Gedanken über „Politisches System“ - Individuum steht dabei im Mittelpunkt - begreift den Menschen als soziales und politisches Gemeinschaftswesen, der Mensch strebt intuitiv nach dem Leben in sozialen Kollektiven, da er nur dort seine Talente, Ideen und Fertigkeiten erfolgreich ausbilden und trainieren kann - Fokus auf vernunftgeleiteter Kommunikation, Mensch = einziges Wesen, das aufgrund der Sprache verbindliche Regelungen festsetzen kann, verfügt über Fähigkeit Nützliches von Schädlichem und Gerechtes von Ungerechtem zu unterscheiden - das Recht ist notwendiges Element der Selbstverwirklichung - außerhalb der Polis (= Stadtstaaten) leben nur Tiere und Götter, Polis gewährt Bürgern Sicherheit und Rechtsschutz, die Polis bedarf daher dringend der Ordnung durch das Recht, ohne Recht ist soziales Zusammenleben gefährdet, Rückfall in inhumane Zustände wären sehr wahrscheinlich Aristoteles unterscheidet drei Möglichkeiten von geglückten Regierungsformen, denen er drei missratene gegenüberstellt: Geglückte Regierungsform (zweckdienlich für die Regierten) Monarchie Aristokratie Republik (Politie)

Herrschaftsträger

Entartete Regierungsform (zweckdienlich für die Regierenden)

Einer Einige Alle

Despotie Oligarchie Demokratie

- Reine Form der Demokratie = Tyrannei der Mehrheit, durch Vielzahl der politischen Entscheidungsträger ist kein rationales Regieren mehr möglich - Mischform aus Oligarchie und Demokratie = Regierungsform der Republik, Interessensausgleich zwischen den Zielbestimmungen (Reichtum bei der Oligarchie und Freiheit bei der Demokratie), dies soll u.a. durch die Errichtung institutionellorganisatorischer Einrichtungen sichergestellt werden, stetiger Wechsel von Regierenden und Regierten, nur gerade regierende politische Klasse hat in Polis eine hierarchische Vormachtstellung inne Keine Staatsform tritt in ihrer Reinform auf, sondern jeweils in einer von Aristoteles postulierten Mischform 10.2 Vertragstheorien 10.2.1 Allgemeine Gedanken zum Kontraktualismus Theorie der Gesellschaftsverträge hinterfragt, warum und unter welchen Voraussetzungen Individuen bereit sind, politische Systeme zu begründen Drei prominente Konzeptionen: - Thomas Hobbes 45

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John Locke Jean-Jacques Rousseau

Alle drei gestalten ihre Staatstheorien auf der Annahme, dass der Grundordnung des Staates letztlich auf einer Willensübereinkunft der einzelnen Individuen beruht Naturzustand ist bei allen drei nicht Idealzustand des menschlichen Zusammenlebens, dies liegt an der verwerflich moralischen Lebensweise der Individuen im Naturzustand. Ausweg = Aufhebung des Naturzustandes durch einen Gesellschaftsvertrag, in dem Normen und Werte verbindlich gelten, Menschen akzeptieren Autorität nur dann, wenn für sie vorteilhaft erscheint 10.2.2 Der autoritative Machtstaat bei Thomas Hobbes - zwischen den Menschen herrscht keine naturgemäße Harmonie, sondern auf Interessensgegensätzen begründeter Konflikt - Im Naturzustand – kein Recht und keine Staatsordnung, keine staatliche Autorität, keine geregelten Besitzstandverhältnisse - herrscht allumfassender Kriegszustand, Menschen leben in permanenten Zustand der Furcht - Krieg findet nur dann ein Ende, wenn sich alle Individuen einer staatlichen Autorität unterwerfen, der sie sämtliche Rechte abtreten - Hobbes Hauptwerk: Leviathan: um allgemeine Macht zu gründen mit Schutz gegen innere und auswärtige Feinde, müssen alle ihre Macht und Kraft einem oder mehreren Menschen übertragen, der/die dann eines jeden einzelnen Stellvertreter werden, unterwerfen sich dem Willen und Urteil jener freiwillig, da jeder die Handlungen jener so betrachtet, als habe er sie selbst getan; führt zu Übereinstimmung und Einklang – wahre Vereinigung in einer Person (Leviathan), Vertrag eines jeden mit einem jeden - Rechteübertragung = freiwillig - Hobbes Idealvorstellung eines Staates = absolute Monarchie, parlamentarische Versammlung ist aufgrund der Meinungsvielfalt der Entscheidungsträger schwach 10.2.3 John Lockes Mehrheitsprinzip - bewertet menschliche Natur positiver als Hobbes - im Naturzustand sind Menschen, die Fähigkeit zum moralischen Handeln haben, völlig gleich und frei; Menschen setzen aber auch ihre Eigeninteressen mit unmoralischen Handlungen durch - es gelingt den Menschen nicht, sich an ungeschriebene rechtliche Vorgaben zu halten, Mensch kann sich daher im Naturzustand nie sicher fühlen - im Interesse aller Beteiligten muss Naturzustand überwunden werden und geregelte zivilisierte Gesellschaftsordnung errichtet werden, Rechte der Einzelnen werden dort gewährleistet - nicht jede politische Autorität ist legitim: Individuum ist nur dann zum Gehorsam gegenüber einem politischen System gezwungen, wenn dieses in der Lage ist für die Erhaltung des Eigentums zu sorgen, nur dann haben Menschen daran den Naturzustand zu verlassen - erstmals Mehrheitsprinzip in Vertragstheorie verankert: Möglichkeit der Majorität die Minderheit an Gesetzesbeschlüsse zu binden - ist der Zweck der Staatsgründung nicht mehr gewährleistet, fällt die Befugnis des Vertragsschlusses wieder ans Volk zurück - Locke kann nicht als demokratischer Theoretiker bezeichnet werden (obwohl demokratische Ideale der politischen Freiheit und Mehrheitsprinzip tragende Säulen seiner 46

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politischen Theorien sind), da die Partizipation der Bürger an der Gesetzgebung keine notwendige Voraussetzung für gelungenes politisches System darstellt 10.2.4 Der Gesellschaftsvertrag von Jean-Jacques Rousseau - Vertragsidee steht für Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen - Rousseau forciert demokratische Grundprinzipien: formale Souveränität des Staates darf letztlich nicht gegen die prinzipielle Zustimmung der Betroffenen handeln = ein von unten konzipierter Staat, in dem sich einzelne politische Subjekte zu politischer Gemeinschaft zusammenschließen - Gemeinwille ist Schlüsselbegriff, der den Staat als Gesamtheit über den individuellen Willen hebt - Grundfrage nach der Legitimität von Herrschaft - Gesellschaftsvertrag umfasst gesamten politischen Raum - Parlamentarismus ist ungeeignetes Instrument - völlige Symbiose von Politik und Moral, der Mensch müsste Naturzustand endgültig hinter sich lassen - Freiheit spielt bei Rousseau zentrale Rolle, Verträge die sich gegen Freiheit stellen sind als absolut illegitim zurückzuweisen - Gesellschaftsvertrag ist Lösung für Koexistenz von Herrschaft und Freiheit, bildet Prinzip der Volkssouveränität - Absage an Repräsentationsprinzip: der Wille eines einzelnen Repräsentanten wird auf Dauer niemals mit dem Gemeinwillen übereinstimmen - Volkssouveränität ist unteilbar - Gemeinwille soll sich nur mit allgemeinen Angelegenheiten befassen - Gemeinwille entsteht aus der Verallgemeinerung von Einzel- und Eigeninteressen, die Gerechtigkeit der Normen gewährleisten soll - gemeinsamer Wille zu einer Gemeinschaft ist notwendig 10.3 Der Aspekt der Gerechtigkeit in einem politischen System 10.3.1 Allgemeine Gedanken zum Prinzip der Gerechtigkeit - jeder hat subjektive Vorstellung von Gerechtigkeit; Gerechtigkeit ist a prori ein vages Abstraktum, eine inhaltslose Hülle, die je nach Situation anders zu beurteilen ist - 4 gesellschaftliche Kontexte, in denen Gerechtigkeit Rolle spielen kann: - a) Gleichberechtigung: innerhalb einer Gesellschaft darf es keine Diskriminierung aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion, Weltanschauung und sexueller Orientierung geben - b) soziale Gerechtigkeit: faire und angemessene Güterverteilung; jedes Individuum soll Chance haben, Grundbedürfnisse zu befriedigen - c) juristisch-politische Gerechtigkeit: oberste Handlungsmaxime staatlicher Institutionen, der Gerechtigkeit verschriebene Rechtsordnung, Abhaltung periodischer Wahlen, gleicher Zugang zu Ämtern, faire und unabhängige Justiz,… - d) inter- und transnationale Gerechtigkeit: Gerechtigkeit ist kein isoliertes, nationales Phänomen 10.3.2 Das Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit bei Gustav Radbruch - der Rechtsanwender hat ein unerträglich ungerechtes Gesetz zu negieren, denn das Wesen eines Gesetzes beinhaltet auch das prinzipielle Postulat nach Gerechtigkeit - Radbruch´sche Formel: das positive Recht hat auch dann den Vorrang, wenn es inhaltlich ungerecht und unzweckmäßig ist, es sei denn, dass der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, dass das Gesetz als unrichtiges Recht der Gerechtigkeit zu weichen hat - drei inhaltlich anders strukturierte Arten von ungerechtem Gesetzesrecht: 47

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1) wenn das Gesetz bloß ungerecht oder unzweckmäßig ist, so muss dieses dennoch angewendet werden, 2) wenn ein Gesetz unerträglich ungerecht ist, muss es der Gerechtigkeit weichen, 3) verfolgen Gesetze nicht einmal im Ansatz den Anspruch der Gerechtigkeit Folge zu leisten, so wird diesen die Rechtsqualität vollständig aberkannt - Adressat der Radbruch´schen Formel sind Rechtssprechung und Richter - gilt das Primat des positiven Rechts, bloßen Ungerechtigkeiten kann keinerlei Beachtung geschenkt werden - Problem nach 2. WK: wie sollte man mit NS-Regime auf gerichtlicher Ebene verfahren? Haben genau genommen nicht gegen positives NS-(Recht) verstoßen - Bsp.: Kommandant stand vor Gericht, da er für Erschießung von Menschen verantwortlich war, berief sich auf die Zwangslage im Krieg und dass auch ihm Konsequenzen gedroht hätten bei Nichtausführung des Befehls; Bundesgerichtshof ließ Argumentation nicht gelten und berief sich auf Radbruch´sche Formel: kritisierte Gesetzesqualität der NS-Normen – „selbst wenn dieser Befehl als Gesetz oder Rechtsverordnung verkündet worden wäre, wäre er nicht rechtsverbindlich“ - was rechtens ist muss nicht zwangsläufig gerecht sein 10.3.3 John Rawls Theorie der Gerechtigkeit - Vertreter der neuen Tradition des Kontraktualismus - Rawls differenzierte innerhalb und unterhalb der vertragsschließenden Individuen, Bereitschaft zum Abschluss eines Gesellschaftsvertrags ist nicht bei jedem gleich; je unerträglicher Naturzustand für jemanden ist, desto größer ist dessen Bereitschaft Gesellschaftsvertrag einzugehen; ungleiche Verhandlungsmacht führt zu ungleichen Verträgen - Theorie der Gerechtigkeit = möglicher Ausweg - Ausgangspunkt in Urzustand, in Naturzustand kennt niemand seinen Platz in der Gesellschaft, seine Klassenzugehörigkeit oder seinen sozialen Status - unsichere Entscheidungssituationen herrschen vor, niemand kennt im Urzustand seine spätere gesellschaftliche Stellung - in Urzustand berücksichtigt Mensch immer Position und Lebenslagen der anderen bei gleichzeitiger Vernachlässigung persönlicher Interessen = rudimentär gesellschaftliches Gerechtigkeitsempfinden - Entscheidungen dürfen nicht als moralisch motiviert verstanden werden (wegen Informationsdefizit) - zwei elementare Gerechtigkeitsprinzipien: 1) Prinzip der gleichen (Grund-)Freiheiten: jede Person soll gleiches Recht auf umfassendes Gesamtsystem gleicher Grundfreiheiten haben; Prinzip fordert Gleichheit in der Zuteilung von grundlegenden Rechten und Pflichten; Grundfreiheiten sind z.B. aktives und passives Wahlrecht, Rede- und Versammlungsfreiheit, Glaubensfreiheit, Recht auf persönliches Eigentum,… 2) Das Differenz Prinzip: soziale und ökonomische Ungleichheiten sollen so beschaffen sein, dass sie zum größten Vorteil der am schlechtesten Gestellten sind; soziale und ökonomische Ungleichheiten sind nur dann gerecht, wenn sie in ausgleichenden Vorteilen für jedermann, insbesondere für die am schlechtesten gestellten Mitglieder der Gesellschaft resultieren - Prinzip der Grundfreiheiten hat strikten Vorrang gegenüber dem Differenzprinzip 10.3.4 Theorien über die Sphären der Gerechtigkeit von Michael Walzer - Theorieansatz hebt vielschichtige Bedeutung des Begriffs Gemeinschaft hervor - Einbettung von Individuen, Rechten, Normen und Institutionen in gemeinschaftlicherlebbare Kontexte, von der Familie bis hin zur politischen und kulturellen Gemeinschaft 48

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- jede Gesellschaft präferiert und definiert in konkreten Situationen unterschiedlicher Relevanz jeweils andere soziale Güter, Güter haben auch wandelnde zeitliche Bedeutung - es ergeben sich mehrere pluralistische Verteilungsverfahren, die von historischkulturellen Einflüssen bedingt, permanenten Bedeutungstransformationen unterliegen - die Gerechtigkeit ist von relativen Gerechtigkeitsstandards abhängig zu machen, kann nicht mit der Annahme relativer individueller Gleichheit erreicht werden - Verteilung sozialer Güter kann niemals per se gerecht oder ungerecht sein, sie ist immer abhängig von aktuellen gesellschaftlichen Gegebenheiten und Bedeutungen - egalitäre Aufteilung von Gütern ist nur von temporärem Bestand, da sich relativ rasch neue soziale Ungleichheiten bilden - Erfüllung komplexer Gerechtigkeitsstandards kann nur dann geleistet werden, wenn einzelne soziale Güter innerhalb der relevanten Verteilungssphären von irrationalen und irrelevanten Entscheidungsgrundlagen befreit werden können - komplexe Gleichheit determiniert das Beziehungsgeflecht zwischen Gütern und Verteilungssphären - spezifische Verteilungssphären: Güter mit kulturrelativem gesellschaftsübergreifendem Charakter, sog. Schlüsselgüter - gibt unbedingte und bedingte Verteilungsregeln, nach denen werden soziale Güter aufgeteilt - Leben und persönliche Freiheit sind sehr zentral nach Walzer, folgen daher auch nicht den üblichen Standards der Verteilungsgerechtigkeit - Güter und Lasten sind nicht nach einer allgemeinen Gerechtigkeitsprämisse aufzuteilen, sondern sollen ihren eigenen Logik folgend aufgeteilt werden - Walzer geht es auch um die Erfüllung berechtigter Ansprüche - Auswirkung der Theorie auf das politische System: Grenzen zwischen einzelnen Verteilungssphären sollten gezogen werden und Grenzverletzungen verhindert werden 10.4 Das Konzept der Deliberativen Demokratie nach Jürgen Habermas - zentrales Element der deliberativen Demokratie = Diskurs = wichtigste Voraussetzung für aktive Partizipation aller Bürger - Diskurs verlangt Grundvoraussetzungen: Grundpfeiler des Diskurses sind Diskussionen und Beratungen, verschiedene Parteien sollen in Diskurs Informationen einbringen und diese austauschen bzw. kritisch prüfen; Beratungen müssen öffentlich sein, niemand darf ausgeschlossen werden; Verständlichkeit der Kommunikation und der Argumentation sind Bedingungen im Diskurs, Diskursteilnehmer dürfen keinen Druck externer Akteure ausgesetzt sein; Gleichheit aller Diskursteilnehmer bezüglich Einbringung von Informationen und Zugang; politische Diskurse umfassen alle Themengebiete öffentlichen Interesses - politisches System als Synthese von Rechtsstaat und Demokratie ist Voraussetzung; der Diskurs entsteht nicht von selbst, es bedarf seiner institutionellen Begleitung - Träger des Diskurses ist die Öffentlichkeit - besondere Stellung im Prozess des Diskurses haben nicht staatlichen und nicht ökonomischen Akteure der Zivilgesellschaft inne - Zivilgesellschaft hat Aufgabe gesellschaftliche Problemlagen zu definieren und dies an die Entscheidungsträger im politischen Zentrum heranzutragen und diese auch zu kontrollieren - der Staat wird auf eine die Institutionen wahrende Rechtsgemeinschaft reduziert - Kritikpunkt an Theorie: Impraktikabilität der Entscheidungsfindung, zu hohe Erwartungshaltung an den Konsens, liegt in der Natur des Diskurses, dass es auch zu offenen Dissens kommen kann

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- in der Wissenschaft stehen Diskussionen oftmals nur unter mäßigem Zeitdruck und allgemeine Handlungszwänge sind eher selten anzutreffen; in der emotional aufgeladenen politischen Debatte ist das Gegenteil der Fall  Zeitdruck - Kritik: selektive Wahrnehmung der von den Massenmedien beeinflussten Öffentlichkeit; der Diskurs- und Kommunikationswille bedarf dem Umgang mit Mindermeinungen; nicht nur im Reden liegen Lösungsansätze, sondern auch im aktiven Tun (z.B. Demonstrationen, Boykotte)

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