Inhalt 1. KAPITEL KAPITEL KAPITEL KAPITEL KAPITEL KAPITEL KAPITEL KAPITEL

Inhalt 1. KAPITEL ..................................................................... 4 2. KAPITEL....................................................
Author: Gerhardt Geiger
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Inhalt 1. KAPITEL ..................................................................... 4 2. KAPITEL..................................................................... 8 3. KAPITEL................................................................... 13 4. KAPITEL................................................................... 24 5. KAPITEL................................................................... 31 6. KAPITEL................................................................... 39 7. KAPITEL................................................................... 49 8. KAPITEL................................................................... 54 9. KAPITEL................................................................... 61 10. KAPITEL ................................................................. 67 11. KAPITEL ................................................................. 73 12. KAPITEL ................................................................. 76 13. KAPITEL ................................................................. 83 Impressum ................................................................. 94

Paula Luisa Andree

Löwenstunde Für Fabian

1. KAPITEL Ich heiße Shahita, bin zehn Jahre alt und komme aus Indien, genauer gesagt aus der Stadt Ahmedabad. Diese liegt an der westlichen Küste von Indien. Dort befindet sich auch meine Schule – die Amrut School, eine der besten Schulen in ganz Ahmedabad. Jetzt fragt ihr euch wahrscheinlich, warum ich einen so langweiligen Anfang für meine Geschichte gewählt habe, weil das, was ich erlebt habe, ja eigentlich nichts mit meiner Schule zu tun hat. Obwohl … eigentlich ja schon, aber ich glaube, ich sollte alles nach der Reihe erzählen, um euch nicht ganz so zu verwirren, wie ich es damals war. Ich denke, ich versuche jetzt einfach, ganz von vorn zu beginnen, okay? Von vorn begonnen sah die Situation so aus: Ich saß mit meiner Familie um die auf dem Fußboden ausgebreitete Decke, die, glaube ich, schon meine Urgroßmutter benutzt hatte. Wie immer fiel das Essen nicht gerade üppig aus – es gab Reis mit Bohnen. Mein sechs Jahre alter und eindeutig unterbelichteter Bruder Pipo matschte in seinem Reis herum – auch wie immer. Eigentlich war alles wie immer, wäre da nicht diese unheimliche Spannung in der Luft gewesen. Ich saß die ganze Zeit stumm da, weil ich irgendwie ahnte, dass etwas nicht stimmte. Normalerweise redete immer irgendjemand, doch heute war selbst Pipo unruhig und warf meinen Eltern ängstliche Blicke zu.

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»Mäuschen, du bist so still«, brach meine Mutter irgendwann das Schweigen, und ohne den Kopf zu heben, spürte ich ihren besorgten Blick auf mir ruhen. Ich tauchte aus meinen Gedanken auf. »Alles in Ordnung«, verkündete ich. Meine Mutter sah mich kritisch an, aß dann langsam weiter, ließ mich aber nicht mehr aus den Augen. Plötzlich legte mein Vater die Gabel aus der Hand und sah uns nun zum ersten Mal an diesem Abend direkt in die Augen. »Wir müssen mal mit euch reden, ihr beiden«, sagte er in einem Ton, in dem Unsicherheit und Angst mitschwang. »Was ist?«, fragte ich erschrocken. »Wir haben wirklich nichts angestellt, also ich zumindest. Bei Pipo weiß man ja nie. Also, egal was du uns vorzuwerfen hast – ich war es nicht!« »Nein, nein, wir wollten euch nur etwas … nun ja, erzählen«, warf meine Mutter hastig ein. »Wir hatten uns überlegt, dass es nun an der Zeit wäre, mit euch darüber zu sprechen. Denn es rückt ja nun immer näher«, druckste sie herum. Ich verstand gar nichts. »Also, ihr wisst doch, dass euer Vater für seine Arbeit hier nicht sehr viel Geld bekommt. Das wenige Geld, das wir haben, fließt in eure schulische Ausbildung. Und … na ja, er hat ein Angebot bekommen. Er könnte Abteilungsleiter einer großen Firma werden.« Eigentlich hätte ich mich über diese Nachricht wohl freuen müssen, aber ich wurde das ungute Gefühl nicht los, dass den Worten meiner Mutter ein Haken folgen würde. Aber bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, griff mein Vater ein: »Afrika, die Firma befindet sich in Afrika.« 5

Da war es raus. Doch ich begriff noch immer nicht. »Wie jetzt?«, fragte ich, als ich endlich wieder sprechen konnte. »Wie meinst du das, deine Firma ist in Afrika? Was bedeutet das für dich, für … uns?« Mein Vater lächelte nervös. »Das bedeutet wohl, dass wir umziehen werden.« Er flüsterte fast. »Nach Afrika?«, hauchte ich. Mein Vater nickte zustimmend. Ich sah meine Mutter an. Ich betete, dass das nur ein Spaß war. Das konnte gar nicht wahr sein, das durfte nicht wahr sein! Das Kopfnicken meiner Mutter belehrte mich eines Besseren. Ich ließ die Schultern hängen. Pipo, der bis jetzt nur schweigend dagesessen hatte, lächelte verschmitzt. »Toll!«, strahlte er. Meine Mutter lächelte ihn dankbar an und mein Vater strubbelte ihm durch die kaffeebraunen Locken. »Ihr werdet sehen, dass wird besser als ihr denkt.« Pipo hüpfte aufgeregt um Papa herum, doch ich war den Tränen nahe. »Shahita, glaub mir, wenn wir erst einmal da sind …« Weiter kam meine Mutter nicht, denn ich hatte ihr die Küchentür einfach vor der Nase zugeschlagen. In meinem Zimmer weinte ich tatsächlich. Die Tränen strömten in zahllosen Rinnsalen über meine Wangen. Was sollte aus meiner Schule werden? Meinem Zuhause? Meinen Freunden? Und vor allem – was sollte aus mir werden? Ich war so verzweifelt, dass ich erstmal keinen klaren Gedanken fassen konnte. Wie konnten meine Eltern mir so etwas antun? In diesem Moment hasste ich mich für das Selbstmitleid, was mit einer solchen Wucht in mir hochstieg. Aber ich konnte nichts dagegen tun. Genauso wenig, wie 6

ich etwas gegen unsere Abreise hätte tun können – so viel war selbst mir inzwischen klar.

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2. KAPITEL In der Nacht hatte ich kaum geschlafen. Nachdem ich versucht hatte, mir unseren Umzug einigermaßen schön zu reden – was nicht viel genützt hatte –, fiel mir noch etwas ein: der Flug! Nach Afrika musste man fliegen, das wusste ich natürlich, doch mir wurde dies erst bewusst, als ich im Bett lag. Ich hasste das Fliegen. Na gut, ich war noch nie geflogen, aber deshalb fürchtete ich mich auch so davor. In meinen Gedanken stürzte ich gerade in den Pazifik und … »Shahita, aufstehen, die Schule wartet!«, weckte mich meine Mutter leise. »Wieso? Ich geh doch eh nicht mehr lange hin«, brummte ich. »Es tut mir wirklich leid, aber dein Vater wird dort gutes Geld verdienen und du kannst auf eine tolle Schule gehen und … ach, du hörst mir ja eh nicht zu«, stellte meine Mutter ärgerlich fest. »Stimmt«, brummelte ich, stieg aus dem Bett und witschte an meiner Mutter vorbei zum Waschtisch, ohne sie noch eines Blickes zu würdigen. »Warum tun sie das?«, murmelte ich auf dem Schulweg immer wieder vor mich hin. »Warum nur?« Gedankenverloren betrachtete ich eine Blechdose, die vor mir auf dem Bürgersteig lag. Ich versetzte ihr einen so heftigen Tritt, als wäre sie an meinem ganzen Ärger schuld. Dummerweise traf die Blechbüchse nicht wie gewollt das Gebüsch, sondern meine Freundin, die an der Ecke auf mich wartete. Mir 8

wuchs ein Kloß im Hals, als ich sie sah, wie sie wutschnaubend auf mich zu gerannt kam. Wie oft würde ich sie noch sehen können? Unbewusst musste ich geseufzt haben. Kalophains Stimme holte mich aus meinen Gedanken: »Hey! Kannst du nicht aufpassen, Shahita?« Wütend rieb sie sich ihr geschwollenes Schienbein, das unter dem kurzen Rock zu sehen war. »Diese Dose hätte mich fast umgebracht und du stehst nur da und seufzt theatralisch. Was ist denn los?« Kalophain neigte oft zu Übertreibungen. Normalerweise fand ich das lustig und zog die Freundin gerne damit auf, aber an diesem Tag war mir ganz und gar nicht zum Lachen zumute. »Wir ziehen weg!«, schrie ich meiner Freundin ohne Vorwarnung ins Gesicht. Schon wieder füllten sich meine Augen mit Tränen. Ärgerlich wischte ich sie weg. »Und weißt du auch, wohin?« Kalophain konnte nur stumm den Kopf schütteln, so überwältigt war sie von meinem plötzlichen Ausbruch. »Nach Afrika!«, flüsterte ich. Nun konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich stand da, mit hängenden Schultern und weinte. Kalophain war ebenfalls stehen geblieben und starrte mich aus angstvoll geweiteten Augen an. Ich hatte Angst, dass sie ihr gleich aus dem Kopf fallen würden, doch stattdessen fiel nur eine dicke Tränen aus ihrem Auge und landete lautlos auf der Straße. Ich wollte meine Freundin in den Arm nehmen, sie festhalten und nie mehr loslassen, doch Kalophain murmelte nur: »Wir kommen zu spät«, und lief zum Schulgebäude. Ich stand da, ganz allein, fühlte mich, als hätte man mich ausgesetzt, zurückgelassen, weil man mich nicht mehr woll-

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