Kapitel 1. Elektrostatik

Kapitel 1 Elektrostatik In ”Physik I” und ”II” haben wir jedem physikalischen Objekt eine Masse zugeordnet: das war das einzige physikalische Merkmal....
Author: Imke Langenberg
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Kapitel 1 Elektrostatik In ”Physik I” und ”II” haben wir jedem physikalischen Objekt eine Masse zugeordnet: das war das einzige physikalische Merkmal. Physikalische Objekte k¨onnen aber auch geladen sein. Die Ladung ist der zentrale Begriff in der Vorlesung ”Physik III”. Es gibt zwei Arten von Ladungen, positive bzw. negative. Einfache Experimente belegen, dass sich gleichnamige Ladungen abstossen, w¨ahrend sich verschiedenartige Ladungen anziehen. Ein Beispiel von negativ geladenen Massenpunkten ist ein Elektron. Positiv geladene Teilchen sind zum Beispiel die Protonen, die zusammen mit den Elektronen die Bausteine der ganzen Materie sind. Die Ladung, die ein Elektron oder ein Proton tr¨agt, betr¨agt 1.6 · 10−19 C (C: Coulomb). Ferner stellt man fest, dass die Kraft zwischen zwei Ladungen q1 und q2 proportional zu ihrem Produkt ist und mit dem Quadrat des Abstandes der beiden Ladungen abnimmt. Diese zus¨atzliche Kraft der Natur, die zwischen Ladungen existiert, ist die Coulomb Kraft. Die Coulomb Kraft ist demnach der Gravitationskraft sehr ¨ahnlich, mit dem entscheidenden Unterschied, dass sie sowohl anziehend als auch abstossend sein kann. F¨ ur die Coulomb-Kraft der Ladung q ′ auf die Ladung q gilt 1 q ′ · q ~r − r~′ ′ ~ ′ Kq →q (~r , ~r) = 4πε0 |~r − r~′ |2 |~r − r~′ | 1 Nm2 = 9 × 109 2 , [q] = C 4πε0 C Eine der Eigenschaften der Coulomb Kraft, die wesentlich zur Vielfalt beitr¨agt, die wir in der Natur beobachten, ist ihr vektorieller Charakter. Aber genau diese Eigenschaft macht den Zugang zum Elektromagnetismus so kompliziert. In der Tat kann man oft in der Mechanik die Probleme durch Massenpunkte modellieren, die eben in einem Punkt lokalisiert waren. Der vektorielle Charakter der Gravitation ¨ausserte sich als kugelsymmetrisches Kraftfeld, 1

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KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

dV ′

ρ(r′ ) ~r − ~r′

~r′ ~r

Abbildung 1.1: Figur zur Coulomb-Gesetz und zum Superpositionsprinzip

das von diesem Massenpunkt produziert wird. Diese Kugelsymmetrie vereinfacht das Verst¨andnis erheblich. Ladungen dagegen lassen sich auf einfache Weise in beliebige Geometrien makroskopisch aufstellen und die eigentliche Geometrie spielt bei vielen Anwendungen (siehe z.B. das Elektronenmikroskop oder die Antenne) eine sehr grosse Rolle: eine Ladung q, welche sich in der N¨ahe einer makroskopischen Ladungsverteilung aufh¨alt, sp¨ urt – nach dem Superpositionsprinzip – die vektorielle Summe einer grossen Anzahl Kr¨afte, die aus den einzelnen Ladungen entstehen: Bei der Anwesenheit von N Ladungen q1 , ..., qN , wirkt auf die Ladung q die folgende Kraft: ~ ~r = K

N X q qi · (~r − ~ri ) · 4πε0 i=1 | ~r − ~ri |3

Haben wir eine kontinuierliche Ladungsverteilung vorliegen, die im Volumen V eingeschlossen ist, so m¨ ussen wir von der Summation u ¨ber die Punktladungen zu einer Integration u ¨ber die r¨aumliche Verteilung u ¨bergehen. Wir setzen an die Stelle der Punktladung qi das Ladungselement ρ(~r′ )dV ′ , mit dV ′ = dx′ dy ′dz ′ und ρ(~r′ ) die Ladungsdichte am Ort ~r′ . Somit ergibt sich ~ r) = K(~

q · 4πε0

Z

V′

ρ(~r′ )

~r − ~r′ dV ′ | ~r − ~r′ |3

Entsprechend kompliziert wird die Bewegung der Ladung q sein. Bei diesen Ausfhrungen haben wir stillschweigend angenommen, dass die Anwesenheit von q die Ladungsverteilung ρ(~r′ ) nicht beeinflusst. Dann l¨asst sich ~ r ) schreiben. E ~ ist das elektrische Feld der Ladunsgverteidie Kraft als q · E(~ lung ρ(~r′ ), und ist durch die formelle Gleichung . ~ r) = E(~

1 · 4πε0

Z

V

ρ(~r′ )

~r − ~r′ dV ′ | ~r − ~r′ |3

gegeben. Somit wird jedem Raumpunkt ein (vektorielles) Feld zugeordnet, das an verschiedenen Punkten im Raum verschiedene Werte und Richtungen

KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

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annimmt. Wenn wir die Bestandteile der Ladungsverteilung festhalten, so ist das Feld zeitunabh¨angig: es handelt sich um ein elektrostatisches Feld. Ist ~ r ) bekannt, lassen sich die Bewegungsgleichungen von q formulieren, in der E(~ Form der Newton BGL. Hinter der Annahme eines elektrostatischen Kraftfeldes steckt eine Vereinfachung: es wird angenommen, dass q selbst keine Kraft auf die Bestandteile der Ladungsverteilung aus¨ ubt. Diese Kraft f¨ uhrt, genau betrachtet, m¨oglicherweise zu einer zeitabh¨angigen Umverteilung der Ladungen, die ber¨ ucksichtigt werden sollte, um die genaue Bewegung von q zu finden. Das Kraftfeld-Konzept der Elektrostatik ist deswegen eine Vereinfachung der Realit¨at, die nur dann gut ist, wenn q eine ’kleine St¨orung’ ist. Eine Ladung q, welche die Ladungsverteilung nicht beeinflusst, nennt man ~ ist eine Charakteristik der La”Probeladung”, und das elektrische Feld E dungsverteilung und ist von q unabh¨angig. Zusammenfassend, im Gegensatz zur Mechanik, d¨ urfen wir nicht mehr die r¨aumliche Ausdehnung der Ladung gegen¨ uber den in unserem Problem relevanten Abst¨anden vernachl¨assigen. Diese Komplikation erfordert die Einf¨ uhrung zus¨atzlicher mathematischer Begriffe aus der Vektoranalysis. Noch eine Bemerkung u ¨ ber das Wort ”klassisch”, das im Titel dieser Vorlesung vorkommt. In vielen F¨allen l¨asst sich die Bewegung einer Ladung sehr gut durch die klassische Bewegungsgleichung der Mechanik beschreiben: die Quantenmechanik – genauer gesagt: die Quantenelektrodynamik – liefert im Allgemeinen kleine Korrekturen. Die klassische Elektrodynamik ist deswegen immer noch ein aktuelles Gebiet der Physik. Hinzu kommt, dass die Beschreibung der elektrischen und magnetischen Felder durch die Maxwell Gleichungen immer noch exakt ist.

Der Gradient Der Begriff des Feldes stellt ein fundamentales Konzept in der Physik dar. Man unterscheidet zwischen Skalarfeldern und Vektorfeldern. Ein Skalarfeld Φ(~r) = Φ(x, y, z) ist eine skalarwertige Funktion dreier unabh¨angiger Variablen, wobei sich die Zahl drei auf die Dimension unseres Raumes bezieht. p Beispiel: Wir betrachten die Funktion Φ(~r) = α/( x2 + y 2 + z 2 ). Graphisch stellt man solche Felder durch 2-dimensionale Schnitte dar, in denen die Fl¨achen Φ(~r) = Konst ¨ (Aquipotentialfl¨ ache) als H¨ ohenlinien erscheinen. Der Abstand der Linien enstpricht dabei gleichen Wertunterschieden der Konstanten. ~ = K(~ ~ r ) zu. Ein Vektorfeld ordnet jedem Punkt im Raum eine vektorwertige Funktion K Beispiel: Das Gravitationsfeld eines Masssenpunktes ist gegeben durch ~ r ) = −m 2 2~r 2 3/2 . K(~ (x +y +z ) Graphisch lassen sich Vektorfelder mittels Feldlinien darstellen, wobei das Feld tangential zur Feldlinie verl¨ auft. Die Dichte der Feldlinien ist dann ein Mass f¨ ur die St¨arke des Feldes. F¨ ur Skalarfelder kann man den Begriff der partiellen Ableitung einf¨ uhren: ∂Φ . Φ(x + ∆x, y, z) − Φ(x, y, z) = lim ∆x→0 ∂x ∆x

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KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

Abbildung 1.2: Konstruktion zur Berechnung von dΦ (links) und graphische Deutung des Gradienten (rechts)

¨ (und ¨ahnlich f¨ ur y, z). Damit l¨ asst sich die r¨aumliche Anderung der Skalarfelder beschreiben. Wir betrachten zwei Punkte ~r1 und ~r2 , die durch eine kleine Strecke d~r voneinander getrennt sind. ¨ Die Anderung dΦ = Φ(~r2 ) − Φ(~r1 ) ist gegeben durch die folgende Summe: dΦ

∂Φ ∂Φ ∂Φ dx + dy + dz ∂x ∂y ∂z ∂Φ ∂Φ ∂Φ = ( , , ) · (dx, dy, dz) ∂x ∂y ∂z . ~ = ∇Φ · d~r

=

~ der Gradient von Φ und dΦ das totale Differential des Feldes Φ sind. Der wobei ∇Φ Gradient l¨ asst sich deuten, indem man d~r in die Richtung w¨ahlt, so dass dΦ = 0 in ~ · dr~0 = 0 folgt, dass ∇Φ ~ senkrecht auf dr~0 dieser Richtung ist. Aus der Gleichung ∇Φ ~ steht. Anderseits definiert dΦ = 0 Fl¨achen Φ = Konst., so dass ∇Φ senkrecht auf den ¨ ¨ Aquipotentialfl¨ achen steht. Sein Betrag ist ein Mass f¨ ur die St¨arke der Anderung von Φ, ¨ wenn man senkrecht zu den Aquipotentialfl¨ achen fortschreitet.

Die Divergenz Gegeben sei ein Vektorfeld ~a = ~a(~r ) . Die Operation div ~a erzeugt ein Skalarfeld div ~a =

3 X ∂ai ~ · ~a =∇ ∂x i i=1

Rechnungsbeispiele: 1. Durch Anwendung der Produktregel folgt f¨ ur ϕ(~r ) und ~a (~r ): div (ϕ~a) =

3 3 3 X X ∂ϕ X ∂ai ∂ ai ϕ ϕai = + ∂xi ∂xi i=1 ∂xi i=1 i=1

~ + ϕ∇ ~ · ~a . = ~a · grad ϕ + ϕ div ~a = ~a · ∇ϕ 2. F¨ ur ~a = const. folgt div ~a = 0. Ein konstantes Feld ist quellenfrei.

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KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK 3. Die Divergenz von ~r entspricht der Raumdimension, div ~r =

3 X ∂xi i=1

∂xi

=3

.

Ausgehend von   X 3 3 X ∂ ∂2ϕ ∂ div grad ϕ = ϕ = ≡ △ϕ ∂xi ∂xi ∂x2i i=1 i=1 f¨ uhren wir den Laplace-Operator ein: △=

∂2 ∂2 ∂2 + + = div grad . ∂x21 ∂x22 ∂x23

Um der Divergenz eine physikalische Interpretation zu geben, definieren wir eine weitere Gr¨ osse der Vektoranalysis, den Fluss eines Vektorfeldes. Wir betrachten eine Fl¨ache S im Raum, in welchem das Vektorfeld ~a(~r) definiert ist. Auf der Fl¨ache betrachten wir ~ Der Fluss von ~a durch die Fl¨ache S ist definiert als das Fl¨ achenelement dS. Z Z ~ ~a(~r) · dS Φ= S

In einem str¨ omenden Gas mit der Dichte ρ(x, y, z) und mit einem Geschwindigkeitsfeld

~a

~ dS

Abbildung 1.3: Zur Definition des Flusses eines Vektorfeldes ~v (x, y, z) ist ΦS (~a = ρ · ~v ) die gesamte Anzahl Teilchen pro Zeiteinheit, die durch die gesamte Fl¨ ache S hindurchstr¨ omt. Wir betrachten jetzt ein kleines Volumenelement dx · dy · dz = dV . und berechnen Φ(~a) durch die W¨ande von dV . Dazu werden wir die Summe der Fl¨ usse durch alle sechs Seitenfl¨achen bilden. Betrachten wir zum Beispiel die mit ’1’ bezeichnete Fl¨ ache in der Figur. Aus dieser Fl¨ache ist der Fluss Φ1 = −ax (1) · dy · dz. Da wir mit einem infinitesimal kleinen W¨ urfel zu tun haben, nehmen wir den Wert von ax im Mittelpunkt der Fl¨ ache - wir nennen ihn den Punkt (1). In ¨ahnlicher Weise schreiben wir Φ2 = ax (2) · dy · dz. Nun sind im Allgemeinen ax (1) und ax (2) etwas verschieden. Da dx klein genug ist, k¨ onnen wir schreiben ax (2) = ax (1) + ∂ax/∂x · dx. Somit betr¨agt der Fluss durch die Fl¨ achen ’1’ und ’2’ [∂ax /∂x · dx · dy · dz]. Mit der selben Genauigkeit k¨onnen wir den Gesamtfluss durch alle 6 Fl¨ achen des Quaders berechnen: Z Z ~ =∇ ~ · ~a · dV ~a · dS S(△V )

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KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

Abbildung 1.4: Konstruktion zur Deutung der Divergenz eines Vektorfeldes ~a

Damit ist die Divergenz eines Vektorfeldes im Punkt ~r der Fluss – die nach aussen fliessende Str¨omung- von ~a pro Volumeneinheit durch die Fl¨ache eines infinitesimale Quaders um ~r. Diese physikalische Deutung l¨ asst sich zu einem ber¨ uhmten Satz der Vektoranalysis verallgemeinern (Gauss’sche Satz): Z Z Z Z Z ~ ~ dV ∇ · ~a = ~a · dS V

S

Beweis: Man teile das Volumen V in infinitesimal kleine Quader, f¨ ur welche dieR Beziehung R a· zwischen Divergenz und Fluss gilt und summiere die linke und rechte Seite von S(△Vi ) ~ ~ ~ dS = ∇ · ~a(~ri ) · dVi u ¨ ber die kleine Quader mit Index i. Der Beitrag der gemeinsamen Seitenfl¨ achen zu den Fl¨ achenintegralen auf der linken Seite der Gleichung hebt sich wegen der entgegengesetzten Richtungen der entsprechenden Fl¨achennormale aus. Es bleibt das Oberfl¨ achenintegral u ullende des Gesamtvolumens. ¨ber die Einh¨

Die Rotation Gegeben sei ein Vektorfeld ~a = ~a(~r ), dann erzeugt ~e1 ~e2 ~ ∂/∂x ∂/∂x rot ~a = ∇ × ~a = 1 2 a1 a2

~e3 ∂/∂x3 a3



ein Vektorfeld. Unter Benutzung des antisymmetrischen Tensors εijk lautet die Komponentenschreibweise rot ~a =

3 X

i,j,k=1

εijk

∂ aj ~ek ∂xi

Man achte hier auf die Reihenfolge der Indizes. Rechnungsbeispiele:

.

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KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

1. Die Rotation des Produktes aus einem Skalar- und Vektorfeld ergibt nach Anwendung der Produktregel: X ∂ rot (ϕ~a) = εijk (ϕaj ) ~ek ∂xi i,j,k

=

X

εijk

i,j,k

=

X ∂ϕ ∂aj aj ~ek + ~ek εijk ϕ ∂xi ∂xi i,j,k

~ × ~a + ϕ∇ ~ × ~a grad ϕ × ~a + ϕ rot ~a = ∇ϕ

.

2. rot [f (r)~r ] = (grad f ) × ~r + f rot ~r = 0 . Der erste Summand verschwindet, da gradf und ~r parallel sind; der zweite Summand verschwindet wegen rot ~r = 0. 3. Gradientenfelder sind wirbelfrei: rot grad ϕ = 0 . Das u uft man komponentenweise. F¨ ur die 1. Komponente erhalten wir z.B. ¨ berpr¨ ∂ ∂ (rot grad ϕ)1 = (grad ϕ)3 − (grad ϕ)2 ∂x2 ∂x3 ∂2ϕ ∂2ϕ − =0 . = ∂x2 ∂x3 ∂x3 ∂x2 4. Wirbelfelder sind quellenfrei: div rot ~a = 0

.

Um die Rotation physikalisch zu deuten, berechnen wir das Linienintegral (die Zirkulation von ~a um den geschlossenen Weg Γ) Z ΣΓ = ~a(~r)d~l Γ

um eine kleine quadratische Schleife um ~r. Ohne Beschr¨ankung der Allgemeinheit betrachten wir jetzt eine Schleife Γ in der xy-Ebene. Nach der Figur ist ΣΓ = ax (1)dx + ay (2)dy − ax (3)dx − ay (4)dy Mit ax (3) = ax (1) + ∂ax /∂y · dy und ay (4) = ay (2) − ∂ay /∂x · dx finden wir ~ × ~a)z · dx · dy ΣΓ = (∇ Diese Gleichung l¨ asst sich zu einer beliebig orientierten Schleife verallgemeinern: ~ × ~a) · dS ~ ΣΓ = (∇ n ~

und bestimmt eine eindeutige Beziehung zwischen der Rotation eines Vektorfeldes und ihrer Zirkulation (die Richtung der Normalen ist so zu w¨ahlen: man lege den Zeigefinger der rechten Hand in Schleifenrichtung, dann zeigt der Daumen entlang der ’richtigen’ Normalen). Die Verallgemeinerung dieser Gleichung auf beliebigen Schleifen Γ heisst Satz von Stokes: I Z ~ × ~a) · dS ~ ~a · d~l = (∇ Γ

S

Zum Beweis: man decke die Fl¨ ache S mit infinitesimal kleinen Schleifen.

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KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

Abbildung 1.5: Zur Deutung der Rotation eines Vektorfeldes

1.1

Die Grundgleichungen der Elektrostatik

Gegeben sei eine vorgegebene kontinuierliche Ladungsverteilung ρ(~r), die in einem bestimmten Gebiet fest angeordnet sind. Formell ist der aus dem Superpositionsprinzip hergeleitete Ausdruck f¨ ur das elektrische Feld eine exakte und vollst¨andige L¨osung des Problems, das elektrische Feld aus einer Ladungsverteilung zu berechnen. Es existieren aber a¨quivalente Formulierungen der Gesetze der Elektrostatik als partielle Differentialgleichungen, und f¨ ur einige Probleme ist die L¨osung solcher Gleichungen angemessener als die Berechnung des Integrals.

1. Gesetz der Elektrostatik Theorem: Aus ~ r) = E(~

1 · 4πε0

Z

V

~r − ~r′ dV ′ ρ(~r ) ′ 3 | ~r − ~r | ′

folgt die Integralform ~ r ) · dS ~= 1 E(~ ǫ0 S(V )

Z

Z

V

ρ(~r)dV =

q ǫ0

R ~ durch eine beliebige mit q = V ρ(~r)dV In Worten: der Fluss von E geschlossene Fl¨ ache ist proportional zur Gesamtladung innerhalb dieser Fl¨ ache. Die ¨aquivalente DG (Differentialform) lautet:

~ = div E

ρ(~r) ǫ0

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KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

R ~ ~ · dS ~ = R div EdV Die DG erhalten wir aus der Integralform aus S(V ) E V (Satz von Gauss) durch Gleichsetzen der Integranden. Das 1. Gesetz der Elektrostatik dr¨ uckt die Tatsache aus, dass die Quellen des elektrischen Feldes die elektrische Ladungen sind. Da man explizit das Gauss Theorem f¨ ur die Durchf¨ uhrung des Beweises benutzt, nennt man sie auch Gauss-Gesetz. Beweis der Integralform: F¨ ur den Beweis brauchen wir folgende wichtige Identit¨aten: Es gilt

~r − ~r′ 1 ~r = −∇ ′ 3 | ~r − ~r | | ~r − ~r′ | Diese Identit¨at l¨asst sich komponentenweise durch direkte Durchf¨ uhrung der partiellen Ableitungen beweisen. Das Symbol ∇r bedeutet, dass die partiellen Ableitungen nach der Variablen ~r durchgef¨ uhrt werden. Dar¨ uberhinaus gilt △

1 =0 | ~r − ~r′ |

falls ~r 6= ~r′ . Auch diese Gleichung l¨asst sich durch direkte Durchf¨ uhrung der partiellen Ableitungen beweisen. Es folgt: Z

S(V )

Z Z 1 ~r − ~r′ ′ ′ ~ · dV ρ(~r ) dS 4πε0 V ′ | ~r − ~r′ |3 S Z Z 1 1 ~∇ ~r · dV ′ ρ(~r′ ) dS = − 4πε0 V ′ | ~r − ~r′ | S Z Z 1 1 · dV ′ ρ(~r′ ) dV △r = − 4πε0 V ′ | ~r − ~r′ | V

~ · dS ~ = E

S ist irgendeine, die Ladungsverteilung umgebenden geschlossene Fl¨ache. Diese ”fiktive” Fl¨ache wollen wir Gauss-Fl¨ache nennen, da wir f¨ ur ihre Herleitung den Gausschen Satz benutzt haben. V ist das von S eingeschlossenen Volumen. F¨ ur die Berechnung des Integrals u ¨ber die Variable ~r ∈ V von 1 ′ △r |~r−~r′ | setzen wir o.B.d.A ~r = 0 und schneiden wir eine kugelf¨ormige Kavit¨at K um den Nullpunkt, so dass Z

V

Z Z 1 1 1 dV △ = + dV △ dV △ | ~r | | ~r | | ~r | (V −K) K

Das Integral u ¨ber (V − K) ist Null, weil darin der Integrand indentisch Null ist. Im Ursprung divergiert der Integrand: Das Integral u ¨ber K berechnen wir deshalb durch seine Transformation in ein Integral u ber die kugelfl¨ache ¨ ∂K (Gausssche Satz). Es folgt: Z

V



1 dV | ~r |

=

Z

V

~ ·∇ ~ 1 dV ∇ | ~r |

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KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK ~ ~ 1 dS ∇ | ~r | ∂K = −4π Z

=

Zusammensetzung der Integrale ergibt die behauptete Integralform.

2. Gesetz der Elektrostatik Um das zweite Gesetz zu formulieren, merken wir dass Z ~r − ~r′ 1 ′ ~ ρ(~r ) dV = −∇r dV ′ ρ(~r′ ) ′ 3 ′ ′ ′ | ~r − ~r | | ~r − ~r | V V

Z



~ r ) kann als Gradient eines Potentials Φ(~r) geschrieben werde, mit ist, d.h. E(~ 1 Φ(~r) = 4πε0

Z

V′

ρ(~r′ ) dV ′ | ~r − ~r′ |

Diese Tatsache dr¨ uckt man in der DG ~ r) = 0 rotE(~ aus, welche besagt, dass ein Gradientenfeld rotationsfrei ist. Die Integralform ~ entlang folgt aus dem Satz von Stokes und besagt, dass die Zirkulation von E ~ ~ eines geschlossenen Weg genau 0 sein muss. Aus E = −∇Φ(~r) folgt, dass das ~ wegunabh¨angig ist und Linienintegral u ¨ber E Φ(~r) − Φ(~r0 ) = −

Z

~ r

~ r0

~ r ′ ) · d~r′ E(~

betr¨agt. Man bezeichnet diese Potentialdifferenz als Spannung U(~r,~r0 ). Die Einheiten von U und von Φ sind das Volt (V ). Die zwei Gesetze der Elektrostatik k¨onnen als Poissongleichung kombiniert werden. Die Poisson Gleichung erh¨alt man aus ~ · ∇Φ ~ −∇ =

ρ ǫ0

△Φ(~r) = −

ρ(~r) ǫ0

oder bei expliziten Berechnung von ∆Φ aus dem Integralausdruck f¨ ur Φ . Die Poisson Gleichung stellt eine partielle Differentialgleichung f¨ ur die zweite r¨aumliche Ableitung des elektrischen Potentials dar. Wie alle DG, hat diese DG nur im Zusammenhang mit vorgegebenen Randbedingungen - Φ

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KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

muss auf einer Fl¨ache bekannt sein - eine Bedeutung. Die Poisson Gleichung ist Gegenstand betr¨achtlicher mathematischer und numerischer Studien (sog. Randwertprobleme der Elektrostatik). Die Poisson DG wird zum Beispiel in der Entwicklung sog. elektronenoptischer Systeme angewandt, die zum Beispiel f¨ ur die Fokussierung von Elektronen entwickelt werden (Elektronenmikroskop). Zusammenfassung: Es gibt zwei Gesetze, die das elektrostatische Feld vollst¨ andig bestimmen. Sie besitzen Integral und DG Darstellungen. Aus diesen zwei Gesetzen werden alle Vorhersagen der Elektrostatik hergeleitet. Das Gausssche Gesetz allein kann kein Problem l¨osen, weil das andere Gesetz ber¨ ucksichtigt werden muss. Daher m¨ ussen wir noch etwas anderes hinzuf¨ ugen, wenn wir das Gausssche Gesetz zur L¨osung eines bestimmten Problems verwenden wollen. Zum Beispiel, m¨ ussen wir uns zuerst eine Vorstellung von der Form des elektrischen Feldes machen – wobei wir von Symmetrieerw¨agungen ausgehen werden. Oder aber wir m¨ ussen irgendwie die spezifische Idee einf¨ uhren, dass die Feldst¨arke der Gradient eines Potentials ist uns somit das elektrische Feld wirbelfrei ist. Eine alternative Formulierung ist die Poisson Gleichung.

1.2

Das elektrische Feld von einfachen Ladungsverteilungen

a: Feld einer Punktladung q O.E.dA. sei die Punktladung am Ort (0, 0, 0). Das E-Feld kann nur eine radiale Komponente haben. Deswegen Z Z

~ · d~s E

4πr 2 · Er (r)! =

=

⇐⇒ Er (r) =

q

q ǫ0

4πǫ0 · r 2

und φ(r) − φ(∞)(= 0) = −

Z

r



Er (r)dr =

q 4πǫ0 · r

b: Feld einer geladenen Kugel Eines der schwierigen Probleme, auf die Newton stiess, als er die Gravitation untersuchte, bestand darin zu beweisen, dass eine feste Kugel von Materie mit endlichem Radius R das selbe Gravitationsfeld besitzt wie ein Massenpunkt gleicher Masse im Zentrum der Kugel. Newton hat seine Theorie der

12

KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

Gravitation jahrelang nicht ver¨offentlicht, weil er nicht sicher war, ob dieses Theorem richtig ist. Durch die Integralform des Gaussschen Gesetzes l¨asst sich dieses Theorem ~ radial gesofort beweisen. Da es keine ausgezeichnete Richtung gibt, ist E richtet. Wir konstruieren eine fiktive Kugelfl¨ache S mit Radius r > R, die konzentrisch zur festen Kugel verl¨auft. Die zu berechnende Feldst¨arke E(r) kommt als Unbekannte im Gaussschen Gesetz vor: Z

S

E(r)r 2sinϑdϑdϕ = Q/ε0

wobei Q die Gesamtladung der Kugel ist. Die L¨osung dieser Gleichung ist E(r) = 4πεQ0 r2 , r ≥ R. Das Potential am Ort ~r h¨angt nur von r ab, d.h. die ¨ Aquipotentialfl¨ achen sind konzentrische Kugelfl¨achen. F¨ ur r ≥ R kann Φ(r) aus der Gleichung Φ(r) − Φ(∞) = −

Z

r

r=∞

dr

Q 4πε0r 2

zu Φ(r) = 4πǫQ0 r bestimmt werden. ¨ Als Ubung: Berechne das Feld einer geladenen Kugelschale. Die homogene Ladungsdichte ρ sei auf einer kugelf¨ ormigen Schicht der Dicke δ beim Radius R verteilt.

c: Feld einer geladenen ebenen Schicht Wir betrachten eine d¨ unne Platte in der x − y-Ebene, auf welcher die homogene Fl¨achenladungsdichte σ (die totale Ladung Q auf der Fl¨ache A dividiert ~ durch A) aufgebracht wurde. Die Symmetrie des Problems suggeriert, dass E orthogonal zur Platte steht. Dar¨ uberhinaus vermuten wir, dass aufgrund der ~ = E(z) ~ Translationssymmetrie in der x − y Ebene E ist. Die Feldst¨arke muss (ihrem Betrag nach) auf beiden Seiten gleich sein. Wir w¨ahlen als Gausssche Fl¨ache eine rechteckige Schachtel, welche die Schicht schneidet, siehe Figur. Die beiden Seitenfl¨achen parallel zur Schicht haben den gleichen Fl¨acheninhalt A. Das Feld ist normal zu diesen beiden Fl¨achen und parallel zu den anderen vier. Der Gesamtfluss ist die Unbekannte | E(z) | ·2A (der Beitrag von den anderen vier Fl¨achen ist Null). Die Gesamtladung im Innern der Schachtel ist σ · A. Wegen dem Gauss Gesetz ist deshalb | E(z) |= σ/2ε0 , ¨ unabh¨angig von | z |. Die Aquipotentialfl¨ achen verlaufen parallel zur x − y Ebene, und es gilt Φ(z) − Φ(0) = −

Z

0

|z|

σ −|z|σ = 2ǫ0 2ǫ0

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KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

~ E A

Abbildung 1.6: Feld einer geladener Ebene

d: Randbedingungen an Grenzfl¨ achen ~ an einerbeliebigenGrenzAls N¨achstes untersuchen wir das Verhalten von E fl¨ache S, welche die Fl¨acheladungdichte σ(~y ) tr¨agt. Wir legen zuerst um die Fl¨ache S ein GaussschesK¨astchen mit dem Volumen △V . Die Kante senkrecht zu S habe die L¨ange △x, die wir als sehr klein w¨ahlen. Somit kann der Fluss durch die Seitenkanten des K¨astchens vernachl¨assigt werden. Das ~ a · ~n und E ~ i · ~n (~n senkrecht zu S). Das Problem hat somit zwei Ukebannte: E 1. Gesetz liefert eine Gleichung zwischen diesen zwei unbekannten: ~a − E ~ i) = σ ~n · (E ǫ0 Die Normalkomponente des elektrischen Feldes verh¨alt sich an der Grenzfl¨ache unstetig, der Sprung betr¨agt ǫσ0 . Um das Verhalten der Tangential~ zu untersuchen, ziehen wir eine Stoksche-Kontur Γ um komponente von E die Fl¨ache S, dessen Dicke so gering ist, dass das Linienintegral entlang der Kanten vernachl¨assigbar ist. ~t ist tangential zu S und definiert die Normale zur Fl¨ache, die vom Kontour Γ definiert ist. Anwendung des Stokeschen

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KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK Gesetzes liefert die Gleichung ~a − E ~ i) (~t × ~n) · (E

= 0, ∀~t ⇐⇒ ~a − E ~ i) = 0 ~n × (E

Diese Gleichung dr¨ uckt die Stetigkeit der Tangentialkomponente aus: Die ~ Tangentialkomponente des E-Feldes ¨andert sich nicht beim Durchgang durch eine geladene Grenzfl¨ache.

e: Der Plattenkondensator Unter einem Plattenkondensator versteht man ein System von zwei parallel zueinander angeordneten Platten mit dem Abstand d und der Fl¨ache F . Die beiden Platten tragen homogen verteilt die entgegengesetzten Ladungen ±Q, mit der positiven Platte bei −d/2 und die negative bei d/2. Die Fl¨achenladungsdichte betr¨agt dann σ = Q/F . Zur Vereinfachung des Problems werden die Streufelder am Rand vernachl¨assigt, d.h. es wird angenommen, dass die Platten parallel zur x − y Ebene unendlich ausgedehnt sind (F >> d). Somit ist das Feld im Inneren des Kondensators ǫσ0 , ausserhalb des Kondensators ist das elektrische Feld genau 0, und zwar auch in unmittelbarer N¨ahe einer der Platten. Die Potentialdifferenz zwischen der positiv und der negativ geledenen Platte (die Spannung) betr¨agt U = Φ(−d/2) − Φ(d/2) = −

Z

−d/2

d/2

dz

σ Q σ =d· =d ǫ0 ǫ0 F · ǫ0

. Wir definieren die Kapazit¨at C eines Kondensators durch C = UQ . Diese Gr¨osse bestimmt die Ladung, die bei gegebener Spannung auf dem Kondensator passt. F¨ ur die Kapazit¨at des Fl¨achekondensators folgt C=

F · ǫ0 d

C h¨angt somit im Allgemeinen von der Geometrie des Objektes ab, auf welchem wir eine Ladung anbringen. Je gr¨osser die Kapazit¨at ist, desto mehr Ladung braucht man, um eine gegebene Spannung zu erzielen. Anders ausgedr¨ uckt: mit einer vorgegebenen Ladung l¨asst sich eine kleinere Spannung erreichen je gr¨osser die Kapazit¨at ist. Aus der Definition von C sehen wir, dass die Einheit der Kapazit¨at C/V olt ist. Diese Einheit nennt man auch Farad. Wir k¨onnen mit dieser neuen Einheit, ǫ0 anders ausdr¨ ucken: ǫ0 = (36π·109 )−1 Farad/m. Das ist sogar die Einheit, die am h¨aufigsten verwendet wird. Ein

15

KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

Plattenpaar mit einer Fl¨ache von einem Quadratzentimeter und einem Abstand von 1 mm hat eine Kapazit¨at von einem Pikofarad (10−12 ). Objekte mit Kapazit¨aten ∼ 10−19 Farad sind Gegenstand der heutigen Forschung, die mit ”Nanophysik” bezeichnet wird. Diese kleinsten Kapazit¨aten f¨ uhren dazu, dass das Anbringen eines einzelnen Elektrons auf solche Nano-Objekte eine erhebliche Potentialerh¨ohung verursacht, so dass das Anbringen eines weiteren Elektrons praktisch blockiert ist: man spricht von ”Coulomb Blockade”. Bemerkung: Wir haben bis jetzt von Spannung und Kapazit¨at zwischen zwei Ladungstr¨agern gesprochen. Allgemein spricht man auch von der Spannung und der Kapazit¨at eines einzelnen Objekts. Man sagt, ein Linsenelement einer Elektronenkanone, eine Metallplatte oder eine Metallkugel seien auf eine bestimmte Spannung gelegt. Dabei ist Folgendes gemeint. Man hat die Ladung Q aus einem sehr grossen Objekt entfernt – die ”Erde” – deren Kapazit¨at so gross ist, dass man praktisch Ladung entfernen kann, ohne ihr Potential zu ver¨andern. Die Erde wird u ¨blicherweise als ’unendlich’ entfernt betrachtet und deshalb auf Potential 0 gesetzt. Die entfernte Ladung wird auf ein massives Objekt gebracht: je nach Kapazit¨at, nimmt dieses Objekt ein bestimmtes Potential an. Dieses Potential ist die Spannung. Diese Spannung entspricht der Arbeit, die geleistet werden muss, um eine Einheitsladung von der Erde bis zum Objekt zu bef¨ordern. Wir wollen ein konkretes Beispiel eines massiven Objekts betrachten, und zwar fragen wir uns, auf welchem Potential ist eine geladene Kugelschale von Radius R. Das elektrischen Feld ausserhalb der Kugelschale ist radialgerichtet und betr¨agt E = Q · (4πε0r 2 )−1 |~~rr| . Denken wir uns eine - einfachheitshalber - kugelf¨ormige ”Erdschale” unendlich weit entfernt von unserer geladenen Kugelschale. Die Bef¨orderung einer positive Einheitsladung von dieser Erde zur Kugeloberfl¨ache erfordert die Arbeit Φ(R) − Φ(∞) = −

Z

R ∞

E(r)dr =

Q 4πǫ0 R

Die Oberfl¨ache der Kugel ist daher auf einer Spannung 4πεQ0 R . Wie im Beispiel der Kondensatoren, ist diese Spannung proportional zu der Ladung Q. Die Kapazit¨at ist 4πε0 R. Wie aus dieser Rechnung ersichtlich ist, skaliert die Kapazit¨at eines Objektes mit den linearen Dimensionen dieses Objektes, und nicht mit dessen Fl¨ache.

f: Selbstenergie einer kontinuirlichen Ladungsverteilung 1 U(ρ) = 2

Z

φ(~r) · ρ(~r)dV

16

KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

ist die Arbeit, die f¨ ur das Erzeugen der (lokalisierten) Ladungsverteilung ρ ben¨otigt wurde. Dieser Ausdruck l¨asst sich mit P.I. umformen: Z

V

ψ(~r)∂j χ(~r) =

Z

∂V

ψ(~r)χ(~r)nj d~s −

Z

V

χ(~r)∂j ψ(~r)

Wir erhalten: ǫ0 Z dV φ · △φ 2Z ǫ0 ~ · ∇φ ~ = dV ∇φ 2 Z ǫ0 ~ 2 (~r) dV E = 2

U(ρ) = −

g: Gleichgewicht in einem elektrostatischen Feld: die Stabilit¨ at der Atome Wir stellen uns eine Punktladung im Feld von anderen Ladungen vor. Die Bedingungen f¨ ur ein mechanisches Gleichgewicht sind a) die Ladung ist an einem Ort P mit Feld 0 und b) wenn das GG stabil sein soll, ist es notwendig, dass es eine r¨ ucktreibende Kraft gibt, wenn wir die Ladung in irgendeine Richtung von P wegbewegen. Mit anderen Worten: das elektrische Feld muss an allen benachbarten Punkten nach innen gerichtet sein - auf den Punkt P zu. Wir werden zeigen, dass dies eine Verletzung des Gauss’schen Gesetzes ist, wenn in P keine Ladung vorhanden ist (ausser der Probeladung, die nicht an der Bildung des Feldes beteiligt ist). Stellen wir uns eine Gauss Fl¨ache wie in der Figur vor. Da wir annehmen, dass das elektrische Feld in der

P

S Abbildung 1.7: Feldverteilung f¨ ur Gleichgewichtslage Umgebung u ¨ berall auf P gerichtet ist, ist der Fluss durch die Gauss Fl¨ache bestimmt nicht null. Aber da wir vorausgesetzt haben, dass in P keine Ladung

17

KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

ist, widerspricht eine solche Feldkonfiguration dem Gauss’schen Gesetz. Wir haben oft gesagt, dass die Stabilit¨at der Atome - und somit die der Materie - aufgrund der Coulomb Kraft zwischen Elektronen und Protonen zustande ¨ kommt. Diese Uberlegungen zeigen uns, dass die Materie auf keinen Fall das Resultat von Elektrostatik zwischen statischen Punktladungen ist. Die Stabilit¨at der Atome wird nur durch die quantenmechanische Behandlung der Bewegung eines Elektrons im Coulomb Feld des Kerns erkl¨art.

h: Das Feld eines Dipols Wir betrachten eine Ladung q am Ort d~ und eine Ladung −q im Nullpunkt. ~ Wir wollen das von diesem Ladungspaar verursachte E-Feld berechnen, und ~ ~ zwar im Limes d → 0 aber q · d → ~p. Eine solche Ladunsgverteilung bildet einen Dipol und der Vektor ~p ist das elektrische Dipolmoment. F¨ ur das elektrischen Potential eines Dipols finden wir: 1 −q q ( + ) 4πε0 | ~r | | ~r − d~ | 1 ~p · ~r = 4πε0 | ~r |3

φ(~r) =

da

1 d~ · ~r 1 ∼ )= q = (1 + 2 ) r | ~r − d~ | r 2 + d2 − 2~r · d~ r 1

~ = −∇φ(~ ~ r ) berechnen wir Aus E −1 ~ 1 + 1 ∇(~ ~ p · ~r)) (~p · ~r∇ 4πε0 | ~r |3 | ~r |3  3[~ p · ~r]~r − p~ | ~r |2  = | ~r |5

~ = E

Am Ort des Dipols selbst ist der Ausdruck f¨ ur das Potential divergent, und ~ ¨ deshalb m¨ ussen wir mit der Berechnung von E aufpassen. Die folgende Uber~ korrigiert werden muss. Wir betrachten legung zeigt, wie der Ausdruck von E eine Kugel mit Radius R und setzen einen Dipol p~ in den Ursprung der Kugel. O.E.d.A w¨ahlen wir p~ = p(0, 0, 1). Benutzen wir den obigen Ausdruck RRR ~ ur das elektrischen Feld eines Diplos f¨ ur die Berechnung von Kugel EdV f¨ ¨ dann erhalten wir (siehe Ubungen) Z Z Z

Kugel

~ EdV

= (0, 0, 0)

18

KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK Allerdings liefert ein P.I. (siehe u ¨ bungen) −

1 4πε0

~ ~p · ~r dV ∇ r |3 Kugel | ~

Z Z Z

= (0, 0, −

p ) 3ε0

Damit die beide Integrale identisch sind, muss der Ausdruck f¨ ur das elektrische Feld eines Dipols modifiziert werden. Der exakte Ausdruck f¨ ur das elektrische Feld ist ~ r) = E(~

1 1  3[~p · (~r)](~r) − p~ | ~r |2  4π − · δ(~r)~p 5 4πε0 | ~r | 4πε0 3

die sog. Delta-Funktion δ(~r) ist eine spezielle Funktion der mathematischen R Physik, die exakt 0 f¨ ur ~r 6= 0 ist, ∞ f¨ ur ~r = 0 ist, aber mit dV δ(~r) = 1. Die hinzugef¨ ugte Delta-Funktion liefert nur am Ort des Dipols einen Feldbeitrag und errf¨ ullt den Zweck, das geforderte Volumenintegral zu liefern. Die Delta -Funktion liefert ausserhalb des Dipols keinen Beitrag. Der erste Term beschreibt das elektrische Feld f¨ ur ~r 6= 0. Graphisch sieht das elektrische Dipolfeld etwa wie in der Figur aus.

q

E r

p

Abbildung 1.8: Feld eines Dipols

1.3

Elektrostatik von Metallen

Ein elektrischer Leiter (ein Metall) ist ein fester K¨orper, der f¨ ur die chemische Bindung viele ’freie’ Elektronen ben¨otigt. Die Elektronen k¨onnen sich frei bewegen in einem positiven Hintergrund von Ionen, welche fest am Gitter gebunden sind. Man benutzt oft ein Jellium Modell, um freie Elektronen in einem Metall zu beschreiben. Elektronen k¨onnen sich frei in der Materie bewegen, aber sie k¨onnen die Oberfl¨ache nicht verlassen: an der Oberfl¨ache existiert eine Barriere – die sog. Austrittsarbeit (etwa 4-5 eV) – die es den

19

KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK EPot

4-5 eV x

Abbildung 1.9: Potentielle Energie eines Elektrons in einem Metall

Elektronen schwer macht, die Oberfl¨ache zu verlassen. Die Komponenten eines elektronenoptischen Ensembles, wie sie im Elektronenmikroskop oder Elektronenspektrometer verwendet wird, besteht aus einem Metall. Es ist deshalb wichtig zu lernen, was passiert wenn man Ladungen auf eine solche Komponente aufbringt. Setzt man ins Innere eines Metalls eine Extraladung, entsteht ein elektrisches Feld, welches die freie Elektronen in Bewegung setzt. Entweder muss der auf diese Weise hervorgerufene Strom best¨andig von ¨ausseren Energiequellen in Gang gehalten werden, oder die Bewegung der Elektronen l¨asst nach, wenn sich die Quellen entladen, die das anf¨angliche Feld erzeugten. Bei ’elektrostatischen’ Situationen betrachten wir keine stetigen Stromquellen (das tun wir sp¨ater in der Magnetostatik): daher bewegen sich die Elektronen nur so lange, bis sie sich so angeordnet haben, dass sie u ¨berall im Innern des Leiters das elektrische Feld null erzeugen (dies geschieht gew¨ohnlich in einem Bruchteil einer Sekunde.) Bliebe ein Feld u urde ¨brig, so w¨ dieses Feld noch weitere Elektronen in Bewegung setzen; die einzige elektrostatische L¨osung ist die, dass das Feld im Innern u ¨berall Null ist. Somit ist der Gradient des Potentials Null. Das bedeutet, dass sich V (x, y, z) von ¨ Punkt zu Punkt nicht a¨ndert: Jeder Leiter ist ein Aquipotentialbereich und ¨ seine Oberfl¨ache ist eine Aquipotentialfl¨ache. Da das elektrische Feld in ei~ Null und ner leitenden Substanz u ¨berall Null ist, ist die Divergenz von E nach dem Gauss’schen Gesetz muss die Ladungsdichte im Innern des Leiters ebenfalls Null sein. Wenn es in einem Leiter keine Ladungen gibt, wie kann er dann geladen werden? Was meinen wir damit, wenn wir sagen, ein Leiter sei ”geladen”? Wo sind die Ladungen? Die Antwort ist, dass sie auf der Oberfl¨ache des Leiters sitzen, wo es starke Kr¨afte gibt, die sie zur¨ uckhalten sie sind nicht v¨ollig ”frei”. In der Festk¨orperphysik l¨asst sich zeigen, dass die u ussige Ladung jedes Leiters im Mittel in einer oder zwei atomaren ¨bersch¨ Schichten an der Oberfl¨ache sitzt. Dieses Bild gilt auch, wenn wir eine bestimmte Anzahl Ladungen an einem bestimmten Ort der Oberfl¨ache anbringen. Diese lokale Ladung kann nicht so u ¨berleben: sofort verteilt sich die Ladung auf die gesamte Oberfl¨ache, und

20

KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

zwar mit den Bedingungen i) das Feld im Innern des Metalls ist genau 0 und ii) seine Tangentialkomponente ist auch 0. Wenn es dort eine solche g¨abe, w¨ urden sich die Elektronen entlang der Oberfl¨ache bewegen; es gibt, parallel zur Oberfl¨ache, keine Kr¨afte, die das verhindern. Mit Hilfe des Gauss’schen Gesetzes berechnet sich die Feldst¨arke unmittelbar ausserhalb eines Leiters mit der lokalen Oberfl¨achenladungsdichte σ zu σ/ε0 , und das Feld ist senkrecht zur Oberfl¨ache (schliesslich ist die Oberfl¨ache eines ¨ Leiters eine Aquipotentialfl¨ ache).

Faraday K¨ afig Betrachten wir jetzt unter dem gleichen Gesichtspunkt das Problem eines hohlen Beh¨alters - ein Leiter mit einem Hohlraum. Es gibt kein Feld in dem Metall, aber wie steht es mit dem Hohlraum? Wir werden zeigen, dass keine Felder existieren, wenn der Hohlraum leer ist - unabh¨angig davon, welche Form der Leiter oder der Hohlraum hat (Faraday K¨ afig). Wir betrachten +

+

+

+

+

+

+

+

+

-?

+

-

-

++

M

+ + + ?+

+

+

+

+

+ +

+

+

S

+ +

+

+ +

Abbildung 1.10: Faraday K¨afig eine Gauss’sche Fl¨ache wie S, die den Hohlraum umschliesst, aber u ¨berall ¨ im Innern der leitenden Materie bleibt. Uberall auf S ist das Feld Null; es gibt daher keinen Fluss durch S und die Gesamtladung im Innern von S ist Null. Aber im Allgemeinen k¨onnen wir nur daraus schliessen, dass es auf der inneren Oberfl¨ache des Leiters gleiche Mengen positiver und negativer Ladung gibt. Es k¨onnte eine positive Oberfl¨achenladung auf einem Teil und eine negative auf einem anderen Teil geben, wie es in der Figur angezeigt ist. Das Gauss’sche Gesetz schliesst das nicht aus. Was nat¨ urlich in Wirklichkeit geschieht, ist, dass die umgekehrt gleichen Ladungen auf der inneren

21

KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

Oberfl¨ache sich aufeinander zubewegen und dann vollst¨andig kompensieren. Wir k¨onnen zeigen, dass sie sich vollst¨andig kompensieren m¨ ussen, wenn wir ~ immer Null ist. Nehdas Gesetz verwenden, nach dem Zirkulation von E men wir an, dass es Ladungen auf bestimmten Teilen der inneren Oberfl¨ache g¨abe. Wir wissen, dass es dann an anderer Stelle eine gleiche Anzahl entge~ bei den gengesetzter Ladungen geben muss. Nun m¨ ussten alle Linien von E positiven Ladungen beginnen und an den negativen Ladungen enden (da wir nur den Fall betrachten, in dem es keine freien Ladungen im Hohlraum gibt). Stellen wir uns nun eine Schleife M vor, die durch den Hohlraum entlang einer Kraftlinie von einer positiven zu einer negativen Ladung f¨ uhrt und dann u uckkehrt. Das Integral entlang ¨ber den Leiter zu ihrem Ausgangspunkt zur¨ einer solchen Kraftlinie von der positiven zur negativen Ladung w¨are nicht ~ = 0. Wir erhielten daher Null. Das Integral durch das Metall ist Null, da E R ~ ~ ~ M Edl 6= 0. Aber das Linienintegral von E um eine geschlossene Schleife in einem elektrostatischen Feld muss immer Null sein. Daher kann es keine Felder innerhalb des leeren Hohlraums geben und auch keine Ladungen auf der inneren Oberfl¨ache: das erkl¨art das Prinzip der Abschirmung durch einen Metallk¨afig. ¨ Dieses Resultat kann f¨ ur die Uberpr¨ ufung des Gauss’schen Gesetzes – und −2 schlielich von der Genauigkeit der r -Abh¨angigkeit des Coulomb’schen Gesetzes – benutzt werden. Man hat ein Elektrometer in das Innere einer grossen Kugel gesetzt und beobachtet, ob Ablenkungen auftreten, wenn die Kugel auf Hochspannung gebracht wird. Man erhielt immer das Resultat null. Wenn man die Geometrie des Apparates und die Empfindlichkeit des Instrumentes kennt, ist es m¨oglich, das kleinste nachweisbare Feld auszurechnen. Mit dieser Zahl kann man eine obere Grenze f¨ ur die Abweichung des Exponenten von zwei angeben. Wenn wir schreiben, dass die Coulomb Kraft ∝ r −(2+ε) , dann hat man festgestellt, dass ε < 10−9 ist.

Feld an einer Spitze Wenn wir einen Leiter aufladen, der keine Kugel ist, sondern eine Spitze hat, so ist das Feld in der Umgebung der Spitze viel st¨arker als in den anderen Bereichen. Eine relativ kleine Ladungsmenge an der Spitze kann eine grosse Fl¨achendichte verursachen. Eine grosse Ladungsdichte bedeutet ein starkes Feld in der unmittelbaren ¨ausseren Umgebung. Quantitativ: wir legen zwischen Spite und Schirm (Feldemission-Mikroskop) eine Spannung U. Diese Spannung bewirkt ein nahezu radialen elektrischen Feld E(r), dessen Betrag wir mit Hilfe des Gauss-Gesetz (Integralform) zu E(r0 ) =

U r0

KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

22

bestimmen, wobei r0 den Krt¨ ummungsradius der Spitze ist. Bei einem Wert r0 = 1nm und U = 4V erreichen wir in der N¨ahe der Spitze eine sehr grosV se Feldst¨arke von etwa 4 · 107 cm . Nachteile: Wenn das elektrische Feld zu stark ist, wird an einem Luftmolek¨ ul ein Elektron weggerissen und durch das Feld beschleunigt. Wenn das Feld sehr stark ist, kann die Ladung, ehe sie auf ein anderes Atom trifft, gen¨ ugend beschleunigt werden, um ein Elektron aus diesem Atom herauszuschlagen. Daraus resultiert, dass mehr und mehr freie Ladungen erzeugt werden. Ihre Bewegung f¨ uhrt zu einer Entladung oder einem Funken. Wenn man einen K¨orper auf hohes Potential laden will und nicht m¨ochte, dass er sich in Form von Funken in die Luft entl¨adt, so muss die Oberfl¨ache absolut glatt sein, damit es keine Stelle gibt, an der das Feld abnormal stark ist. Die starken Felder an Spitzen haben aber auch interessant positive Entwicklungen erlaubt. Das Feldemissionenmikroskop von E. M¨ uller ist eine davon. Das Feldemissionsmikroskop ist folgendermassen gebaut: eine sehr feine Nadel, deren Spitze einen Durchmesser von ungef¨ahr 1000 Angstr¨om hat (oder weniger!!) wird in die Mitte einer Glaskugel gebracht, deren Inneres luftleer gepumpt wird. Die innere Oberfl¨ache der Kugel wird mit einer d¨ unnen leitenden Schicht eines fluoreszierenden Materials versehen und man legt eine Spannung zwischen der fluoreszierenden Schicht und der Nadel an. Betrachten wir zun¨achst, was passiert wenn die Nadel relativ zur fluoreszierenden Schicht negativ geladen ist. Die Feldlinien sind an der scharfen Spitze sehr stark konzentriert. Die elektrische Feldst¨arke kann bis zu 40 Millionen Volt pro Zentimeter betragen. In so intensiven Feldern werden Elektronen aus der Oberfl¨ache der Nadel abgezogen und entlang der Potentialdifferenz zwischen der Nadel und der fluoreszierenden Schicht beschleunigt. Wenn sie dort ankommen, bewirken sie, dass Licht emittiert wird, genau wie in einer Fernsehbildr¨ohre. Die Elektronen, die an einem vorgegebenen Punkt auf der fluoreszierenden Fl¨ache ankommen, sind in ausgezeichneter N¨aherung diejenigen, die das andere Ende der radialen Feldlinie verlassen, denn die Elektronen bewegen sich entlang der Feldlinie, die von der Spitze zur Oberfl¨ache verl¨auft. Daher sehen wir auf der Oberfl¨ache eine Art Abbildung der Nadelspitze. Genauer gesagt sehen wir ein Bild des Emissionsverm¨ogens der Nadeloberfl¨ache - es stellt die Leichtigkeit dar, mit der Elektronen die Oberfl¨ache einer Metallspitze verlassen k¨onnen. Wenn das Aufl¨osungsverm¨ogen hoch genug w¨are, k¨onnte man hoffen, die Orte der einzelnen Atome auf der Nadelspitze zu sehen. Bei Elektronen ist dieses Aufl¨osungsverm¨ogen nicht erreichbar. Erstens gibt es eine quantenmechanische Beugung der Elektrowelle, die das Bild verwischt. Zweitens haben sie aufgrund ihrer Bewegung im Innern des Metalls eine kleine seitw¨arts gerichtete Anfangsgeschwindigkeit, wenn sie die Nadel verlassen. Diese zuf¨allige Seitw¨artskomponente tr¨agt dazu bei, dass das Bild verwischt wird. Das Zusammenwirken dieser beiden Effek-

KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

23

te begrenzt das Aufl¨osungsverm¨ogen auf ungef¨ahr 2.5 nm. Wenn wir jedoch die Polarit¨at umkehren und eine kleine Menge Heliumgas in die Glaskugel bringen, so ist ein sehr viel gr¨osseres Aufl¨osungsverm¨ogen m¨oglich. Wenn ein Heliumatom mit der Spitze der Nadel zusammenst¨osst, so entreisst das dort herrschende intensive Feld dem Heliumatom ein Elektron, so dass das Heliumatom positiv geladen u ¨brigbleibt. Das Heliumion wird dann ausw¨arts entlang einer Feldlinie beschleunigt, die zu der fluoreszierenden Schicht f¨ uhrt. Da das Heliumion viel schwerer als das Elektron ist, ist der Effekt der thermischen Geschwindigkeiten kleiner als im Fall des Elektrons. Anstelle eines verwischten Bildes erh¨alt man eine sehr viel deutlichere Abbildung des Punktes. Mit dem Feldemissionsmikroskop f¨ ur positive Ionen war es m¨oglich, eine 6 10 -fache Vergr¨osserung zu erreichen - und damit einzelne Atome zu sehen. Die Figur ist ein Beispiel f¨ ur die Resultate, die mit einem Feldemissionsmikroskop erzielt wurden. as Feldemissionsmikroskop hat es zum ersten Mal m¨oglich gemacht, dass Menschen Atome sehen konnten. Wenn man bedenkt, wie einfach dieses Instrument ist, so ist das eine beachtliche Leistung. Field Ion Microscope at Oak Ridge National laboratory, Tennessee (USA). In this field ion micrograph of a nickel-molybdenum (Ni4Mo) intermetallic compound (left), each dot is a single atom. In this computer reconstruction of the sharp end of a needlelike field ion specimen (center), concentric rings appear because of the intersection of the atomic terraces with the surface of the specimen. Right: This field evaporation sequence shows the gradual removal of eight of the last nine atoms on the central atomic terrace of a nickel-zirconium (Ni7Zr2) intermetallic catalyst. One atom is evaporated from the central terrace between each pair of frames.

KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

1.4

24

Elektrostatik eines Isolators (= Dielektrikum)

In der Natur treten nicht nur Metalle auf, sondern auch Isolatoren. In Metallen sind einige Elektronen (typischerweise 1 Elektron pro Baustein) im Inneren frei beweglich. Isolatoren (sowohl als Festk¨orper als auch als Fl¨ ussigkeiten) sind Materialien, bei welchen alle Elektronen an Atome gebunden sind. Damit ist gemeint, es gibt eine Energiebarriere, die u ¨berwunden werden muss, um Elektronen in Bewegung zu setzen. Diese Energiebarriere ist eine Konsequenz der chemischen Bindung. Bringt man eine Ladung auf einen Isolator, so bleibt diese Ladung an Ort und Stelle lokalisiert. Wir wollen jetzt untersuchen, was in einem Isolator passiert, wenn man ein elektrisches Feld einschaltet. Um das Problem zu vereinfachen, betrachten wir ein Elektron, das gebunden um ein Proton ’herumkreist’. Wir vermuten Folgendes: wenn sich ein Atom in einem elektrischen Feld befindet, dann zerrt das Feld die Elektronen in eine Richtung und den Kern in die andere. Obwohl die Atome hinsichtlich der elektrischen Kr¨afte, die uns experimentell in der Regel zur Verf¨ ugung stehen, sehr steif sind, findet eine kleine Gesamtverschiebung der Ladungsschwerpunkte statt. Diese kleine Verschiebung wollen wir jetzt absch¨atzen. Daf¨ ur brauchen wir eine konkrete Beschreibung eines gebundenen Elektrons. Wir wissen, dass die korrekte Beschreibung nur durch die Quantenmechanik m¨oglich ist. In einfachen F¨alle l¨asst sich aber ein gebundenes Elektron durch ein Modell beschreiben, das wir kennen. Wir verteilen das Elektron als ’Wolke’ um das Proton. Der Schwerpunkt dieser Wolke liegt am Ort des Protons, um die Ladungsneutralit¨at des Atoms zu erm¨oglichen. Da es sich um ein gebundenes Elektron handelt, wird jede Verschiebung der Elektronenwolke von einer r¨ ucktreibenden Kraft erschwert. Wir setzen diese Kraft proportional zur Verschiebung x. Dann k¨onnen wir ein gebundenes Elektron mit der uns wohl bekannten Gleichung m¨ x + mω 2 x = 0 beschreiben. Durch Gleichsetzung von h ¯ · ω mit der Bindungsenergie des Elektrons erh¨alt die Proportionalit¨atskonstante ω eine genaue physikalische Bedeutung. Der genaue Wert der Bindungsenergie l¨asst sich allerdings nur anhand der Quantenmechanik berechnen: deshalb ist das, was wir hier brauchen, um ein Atom zu beschreiben, ein Modell mit einem zu bestimmenden Parameter ω. Wir tauchen jetzt unser Atom in ein konstantes elektrisches Feld E und berechnen, wie sich der Elektronenschwerpunkt verschiebt: genau f¨ ur eine solche Rechnung ist dieses Modell brauchbar (das l¨asst sich zeigen, wenn man unser Resultat mit der quantenmechanischen Berechnung vergleicht!!). Wir m¨ ussen die Gleichung m¨ x + mω 2 x = q · E l¨osen. Die einfachste L¨osung ist selbstverst¨andlich die Konstante δ = qE/mω 2 , welche die Verschiebung

25

KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

des Schwerpunktes unter der Wirkung eines konstanten Feldes angibt (man denke an eine Masse, die an einer Feder h¨angt und unter der Wirkung der Gravitation steht). Die Verschiebung ist proportional zu E und zu q. Als Resultat dieser Verschiebung bildet sich eine r¨aumliche Ladungsinhomogenit¨at entlang der von E vorgegebenen Richtung im Inneren des Isolators, der selbst ein elektrisches Feld erzeugt. Diese Ladungsinhomogenit¨at nennt man elektrischen Dipolmoment . 2 . ~ ~ p~ = q · ~δ = q 2 E/mω = α · ε0 E wobei die Materialkonstante α die Polarisierbarkeit des Atoms darstellt. Die Anwesenheit atomarer Dipolmomente p~i am Ort i wird, in einem KontinuumLimes, durch die Einf¨ uhrung eines Polarisationsdichtevektors P~ (~r) ber¨ uck~ sichtigt, mit ~pi = P (~r) · dV . Somit schreibt sich das gesamte Potential einer Ladungsverteilung, welche auch Dipole enth¨alt, als Φ(~r) =

1 4πǫ0

Z

dV ′

h

ρ(~r′ ) P~ (~r′ ) · (~r − ~r′ ) i + | ~r − ~r′ | | ~r − ~r′ |3

Den zweiten Term k¨onnen wir durch eine Identit¨at der Vektoranalysis umformen: ~ ′ P~ (~r′ ) ∇ 

 1 1 1 ~ ′ P~ (~r′ ) + P~ (~r′ ) · ∇ ~′ = ∇ | ~r − ~r′ | | ~r − ~r′ | | ~r − ~r′ |

Nehmen wir an, dass P~ in einem endlichen Raum lokalisiert ist. Dann k¨onnen wir den Gaussschen Satz benutzen, um das Integral u ¨ber die Divergenz auszuwerten. Sein Beitrag verschwindet. Somit ist das Potential einer Ladunsgverteilung mit P~ (~r) 6= 0 Φ(~r) =

1 4πǫ0

Z

dV ′

h ρ(~ ~′ r′) − ∇

· P~ (~r′ ) i | ~r − ~r′ |

Das ist der Ausdruck f¨ ur das Potential einer effektiven Ladungsverteilung ~ ~ (ρ(~r) − ∇ · P ): das 1. Gesetz der Elektrostatik erh¨alt einen zus¨atzlichen Term . ~ ~ ρpol = −∇ · P. ~ ·E ~ = 1 [ρ − ∇ ~ · P~ ] ∇ ǫ0 Diese extra effektiven Polarisationsladungen m¨ ussen bei der L¨osung elektrostatischer Probleme zur Ermittlung elektrischer Felder ber¨ ucksichtigt werden: u.a. sind sie selbstverstndlich an der Aufstellung der Randbedingungen beteiligt.

26

KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

Der Plattenkondensator mit Dielektrikum Wir f¨ uhren die Suche nach Polarisationsladungen in der einfachen Geometrie eines Plattenkondensators, welcher mit einem homogenen Dielektrikum P~ (~r) = P~0 = ρ0 ~p gef¨ ullt wird (ρ0 : Dichte des Isolators). F¨ ur p~ kann man das ~ ~ induzierte Dipolmoment ǫ0 ·α· E einsetzen (E ist dann das elektrische Feld am Ort des Dipols). Sp¨ater werden wir permanente Dipolmomente untersuchen: die Resultate dieses Abschnittes sind aber von der Art von p~ unabh¨angig. ~ · P~ = ∂Pz . F¨ ur Pz (z) setzen wir Pz = P0 im InneIn dieser Geometrie ist ∇ ∂z ren der Platte und Pz = 0 ausserhalb, siehe Figur. Somit ist die Divergenz

P

d P0

z

d

Abbildung 1.11: Pz f¨allt innerhalb der Dicke δ von P0 auf 0. von P~ an den R¨andern des Dielektrikums konzentriert, und zwar betr¨agt sie P0 bei −d/2 und − Pδ0 bei d/2. Die dazugeh¨orige effektive Polarisationslaδ dung ist demnach in d¨ unnen Schichten am Rand des Isolators konzentriert, und zwar besteht eine effektive positive Ladungdichte Pδ0 bei d/2 und eine negative bei −d/2. Wir sind jetzt bereit, durch die Einf¨ uhrung einer geeigneten Gaussschen Schachtel, die elektrischen Felder zu berechnen. Die Sym~ entlang z ist. Wir haben auch eine metrie des Problems suggeriert, dass E vollst¨andige Idee, wo und wie viele Ladungen sich befinden. Auf den Kondensatorplatten haben wir die Ladungsdichte ±σf rei , unmittelbar daneben die Polarisiationsdichten ρpol = ∓ Pδ0 . Anwendung des Gaussschen Gesetzes auf die Fl¨ache S1 liefert eine Gleichung f¨ ur E0 : E0 = σf rei /ε0 . Anwendung auf die Fl¨ache S2 liefert eine Bestimmungsgleichung f¨ ur E: E · A = (σ · A − ρpol · A · δ)/ε0 F¨ ur den Fall P0 = ρ0 ǫ0 · α · E erhalten wir E=

E0 1 + ρ0 · α

27

KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK S2

S1

Metall

+++++++++++++++++++++++++

E0 -----------------------------E Isolator

+++++++++++++++++++++++++

-----------------------------Metall

Abbildung 1.12: Konstruktion der Gausschen Fl¨achen

Die Materialkonstante ρ0 · α heisst elektrische Suszeptibilit¨ at χ. Die Konstante κ = 1 + χ heisst Dielektrizit¨ atskonstante. Die Spannung zwischen den Kondensatorplatten ist U = Uf rei /κ. Somit ist die Kapazit¨at C = Cf rei · κ. Wird ein Plattenkondensator von einem Dielektrikum bei konstanter Plattenladung ausgef¨ ullt, sinkt die Spannung. Die Gleichung κ = 1 + ρ0 α setzt eine makroskopische Gr¨osse (die Dielekq2 trizit¨atskonstante) mit atomaren Eigenschaften (α = ε0 ·m·ω 2 ) in Verbindung. Damit k¨onnen wir Messungen der Dielektrizit¨atskonstante benutzen, um etwas u ¨ber atomare Eigenschaften der Materie zu erfahren. Unsere Formel ist nat¨ urlich nur eine sehr grobe N¨aherung, weil wir ein Modell gew¨ahlt haben, das quantenmechanische Komplikationen unber¨ ucksichtigt l¨asst. Beispielsweise haben wir angenommen, dass ein Atom nur eine Resonanzfrequenz hat, w¨ahrend es in Wirklichkeit viele hat. Um die Polarisierbarkeit der Atome ordentlich zu berechnen, m¨ ussen wir die vollst¨andige Quantentheorie anwenden. Die oben angef¨ uhrten klassischen Ideen liefern uns aber eine vern¨ unftige Absch¨atzung. Sehen wir, ob wir die Gr¨ossenordnung der Dielektrizit¨atskonstanten von einigen Substanzen bestimmen k¨onnen. Versuchen wir es mit Wasserstoff. Die Bindungsenergie - d.h. die Energie, die notwendig ist, um das Wasserstoffatom zu ionisieren - betr¨agt bekanntlich 13.6 eV. Daher folgt: ω = 2·1016 Hz. Wenn wir nun diesen Wert f¨ ur die Berechnung von κ benutzen, erhalten wir κ = 1.00022 (in einem Gas bei Normaldruck und -Temperatur (1 Atm, 0 C) befinden sich 2, 69 · 1019 Atome/cm3 ). Der Messwert der Dielektrizit¨atskonstanten f¨ ur Wasserstoffgas betr¨agt 1.00026. Eine weniger allgemeine Version der Maxwell Gleichungen f¨ ur die Elektrostatik l¨asst sich aus der Beobachtung herleiten, dass der Effekt der Polarisationsladungen durch Division der freien Ladungsdichte durch κ · ε0 statt durch ε0 simuliert werden

28

KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK ~ ·E ~ = ρf rei /(κ · ε0 ). kann (in einigen einfachen F¨allen): ∇

Moleku ¨ le mit einem permanenten Dipolmoment. Als N¨achstes betrachten wir ein Molek¨ ul, das ein permanentes Dipolmoment aufweist - so wie das Wassermolek¨ ul. Die Ladungstrennung ist eine Folge der - O H +

H H2O

+

Abbildung 1.13: Ladungsverteilung in einem H2 O Molek¨ ul chemischen Bindung und nicht eines angelegten elektrischen Feldes. In einem Wassermolek¨ ul finden wir beispielsweise eine negative Nettoladung auf dem Sauerstoffatom und eine positive Nettoladung auf jedem der beiden Wasserstoffatome, die nicht symmetrisch, sondern wie in der Figur angeordnet sind. Obwohl die gesamte Ladung des ganzen Molek¨ uls Null ist, hat diese eine La¨ dungsverteilung mit einem kleinen Uberschuss an negativer Ladung auf der ¨ einen Seite und einem kleinen Uberschuss an positiver Ladung auf der anderen. Diese Anordnung bildet einen Dipol: die Ladungstrennung findet statt, obwohl kein E Feld vorhanden ist. In Abwesenheit eines elektrischen Feldes zeigen die einzelnen Dipole statistisch in alle Richtungen, so dass das Gesamtmoment pro Einheitsvolumen Null ist. Wird aber ein elektrisches Feld angelegt, so geschieht zweierlei: Erstens wird aufgrund der Kr¨afte, die auf die Elektronen wirken, ein zus¨atzliches Dipolmoment induziert. Dabei erhalten wir genau dieselbe Art von Elektronenpolarisation, wie wir sie bei einem nicht-polaren Molek¨ ul festgestellt haben. In einer sehr genauen Untersuchung m¨ usste dieser Effekt nat¨ urlich ber¨ ucksichtigt werden; wir werden ihn aber im Augenblick vernachl¨assigen. Zweitens hat das elektrische Feld die Tendenz, die einzelnen Dipole auszurichten und erzeugt so ein Gesamtmoment pro Einheitsvolumen. W¨aren alle Dipole eines Gases ausgerichtet, so g¨abe es eine sehr starke Polarisation, aber das kommt in Gasen nicht vor. Bei gew¨ohnlichen Temperaturen und elektrischen Feldern verhindern die Zusammenst¨osse der Molek¨ ule, verursacht durch ihre W¨armebewegung, dass sie sich stark ausrichten. Es gibt aber eine gewisse Gesamtausrichtung und daher auch eine gewisse Polarisation. Die auftretende Polarisation kann mit den Methoden

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KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK

der statistischen Mechanik berechnet werden. Um diese Methoden zu verwenden, m¨ ussen wir die Energie eines Dipols in einem elektrischen Feld kennen. Betrachten wir einen Dipol mit dem Moment p~ in einem elektrischen Feld, siehe Figur. Die Energie der positiven Ladung ist q · Φ(1) und die Energie E

+q (1) d -q (2)

Abbildung 1.14: Energie eines Dipols im elektrischen Feld der negativen Ladung −q · Φ(2). Die Energie des Dipols ist daher Epot = q · Φ(1) − q · Φ(2) ~ = q · d~ · ∇Φ ~ = −~p · E Wir bezeichnen den thermischen Mittelwert von p~ bei einer bestimmten Tem~ Feld entlang z angelegt ist, erwarten wir peratur mit < p~ >. Da das E< p~ >= (0, 0, p0· < cos ϑ >). F¨ ur Wasser ist p0 = 6 · 10−30 C · m. ϑ ist ~ einen der Winkel zwischen p~ und der z-Richtung. Die W-keit, dass ~p mit E Winkel ϑ aufspannt, h¨angt von der Temperatur ab: nach W.Gibbs ist diese W-keit (kB Boltzmannschekonstante, kB = 1.38 · 10−23 Joule/K) ∝e

−Epot (ϑ) kB ·T

Somit ist < pz > = p 0 ·

R

sin ϑdϑdϕ cos ϑep·E·cosϑ/kB T R sin ϑdϑdϕep·E·cosϑ/kB T

F¨ ur normale Temperaturen und Felder ist der Exponent klein: durch die Taylor-Entwicklung der Exponentialfunktion erhalten wir schlussendlich < Pz >=

ρ0 · p20 · E 3 · kB · T

KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK Somit ist die Polarisationsdichte proportional der Feldst¨arke E: χ = ρ ·p2

30 ρ0 ·p20 3·ǫ0 ·kB ·T

und κ = 1 + 3·ǫ00·kB0·T . Auch h¨angt die Polarisation erwartungsgem¨ass von der reziproken Temperatur ab, weil bei h¨oheren Temperaturen wegen der Zusammenst¨osse weniger Ausrichtung m¨oglich ist. Diese T −1 Abh¨angigkeit nennt man das Curie Gesetz. Eine interessante Anwendung von festen Dielektrika mit einem permanenten Dipolmoment ist die Piezoelektrizit¨ at. Dieser Effekt benutzt die Tatsache, dass in gewissen Materialien (sog. Ferroelektrika) die permanente Dipole vollst¨andig ausgerichtet sind. Eine mechanische Spannung, der ein Kristall unterworfen ist, ¨andert dessen elektrischen Polarisation. Umgekehrt verursacht auch ein an den Kristall angelegtes elektrisches Feld in ihm eine mechanische Verzerrung. Ein schematisches Beispiel eines piezoelektrischen Kristalls ist in der Figur gegeben. Der nicht beanspruchte Kristall hat eine dreiz¨ahlige Symme-

Abbildung 1.15: Piezoelektrizit¨at

trieachse. Die Pfeile bedeuten Dipolmomente. Die Summe der drei Dipolmomente eines jeden Schnittpunktes ist Null. Wird der Kristall einem elektrischen Feld ausgesetzt, so entsteht in der angegebenen Richtung eine Polarisation. Die Polarisation verursacht eine mechanische Dehnung: Es gilt typischerweise △l/l = E · η (△l/l = prozentuelle elastische Dehnung; η ≈ 10−7 − 10−9 cm/V = piezoelektrische Koeffizient). Piezokristalle sind in der modernen Forschung und Technologie sehr n¨ utzlich: sie werden zum Beispiel in Rastertunnelmikroskopen benutzt, um kleine und kontrollierte Bewegungen durchzuf¨ uhren.