Jugendliche mit Migrationshintergrund

Jugendliche mit Migrationshintergrund Pluralität als Normalität Eine interkulturelle Herausforderung oder die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels?...
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Jugendliche mit Migrationshintergrund

Pluralität als Normalität Eine interkulturelle Herausforderung oder die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels?

GutDrauf Jahrestagung 2009 Dipl.-Soz.Arb. Yasmine Chehata, M.A. Institut Kindheit, Jugend, Familie und Erwachsene Schwerpunkt: Interkulturelle Öffnung der Jugend(verbands-)arbeit 1

Problematische Seite des Begriffs ! Begriffe von Menschen mit Migrationshintergrund/Migrationsgeschichte suggerieren eine Gemeinsamkeit derjenigen, die wir damit bezeichnen, die es so nicht gibt ! Einziges dominantes Merkmal: Vielfalt ! Große Relevanz hat der Tatbestand der Benachteiligung - nicht verallgemeinerbar anwendbar 2

„Insofern der Migrationshintergrund von Bedeutung ist für die Jugendlichen, verdient er Beachtung und Berücksichtigung. Mehr aber auch nicht. Denn sonst wird das Etikett „mit Migrationshintergrund“ zum stigmatisierenden Stempel, mit dem Jugendliche gebrandmarkt werden, unentrinnbar einer auch gefährlichen Zuschreibung von „nicht dazugehörend“ ausgesetzt.“ (Hamburger 2005,4)

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„Solange aber Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund zu beobachten ist, so lange muss man sich mit der Diskriminierung auseinandersetzen.“ (Hamburger 2005)

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Um wen geht es...? ! Ausländer und Flüchtlinge mit eigener Migrationserfahrung (für sie gilt das Ausländergesetz, bzw Asylverfahrens- und Asylbewerberleistungsgesetz) (6,8%) ! Deutsche mit oder ohne Einbürgerung und eigener Migrationserfahrung (z.B.: SpätaussiedlerInnen und Deutsche mit Migrationshintergrund) (5,9%) ! Ausländer ohne eigene Migrationserfahrung (2,1%) ! Deutsche mit Migrationshintergrund ohne eigene Migrationserfahrung (3,9%) * * Bundesjugendkuratorium 2008

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Zahlen.... ! 7,4 Mio Ausländer - 9% der Bevölkerung ! Hinzu kommen: 8,2 Mio Deutsche mit Migrationshintergrund - 10% ! Also zusammen 19% der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Menschen

Quelle:Mikrozenzus 2005, Bundesjugenkuratorium 2008

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Zahlen und Fakten Kinder und Jugendliche ! Mehr als ein Viertel (4,1 Mio) der Kinder und Jugendlichen (unter 18 J) haben Migrationshintergrund ! Von diesen weisen nur 1/5 eigene Migrationserfahrung auf, 4/5 sind in Deutschland geboren ! Kinder u Jugendliche mir Flüchtlingsstatus werden häufig im Diskurs verleugnet oder vergessen ! Bei der Altergruppe unter 6-jährigen machen die Kinder mit familiärer Migrationsgeschichte die knappe Mehrheit in Städten, wie ! ! ! !

Bremen oder Duisburg aus - 51% Düsseldorf, Köln, Stuttgart - je 62% Frankfurt a/M - 65% Nürnberg - 68%

Quelle:Mikrozensus, Bundesjugenkuratorium 2008

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Vielfalt vs Kategorisierung - zu den Lebenswelten... Sinus-Migranten-Milieus® in Deutschland 2008

! qualitative ethnografische Leitstudie zu den Lebenswelten von Menschen mit Migrationshintergrund ! Ziel war ein Kennenlernen und Verstehen der Alltagswelten von MigrantInnen, ihrer Wertorientierungen, Lebensziele, Wünsche und Zukunftserwartungen ! Ergebnis: Identifikation von acht unterschiedlichen Migranten-Milieus

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Kritische Blick.... ! Trotz der aufgezeigten Vielfalt werden die MigrantenMilieus isoliert betrachtet und nicht im Kontext der Bundesrepublik - Bild der Parallelgesellschaft wird verstärkt ! Ausgefeilte Milieumuster für die bundesdeutsche Gesellschaft wurde den Migrationsgruppen gleichsam „übergestülpt“ ! Milieubezeichnungen wurden entsprechend den erprobten Zuordnungen verwendet ! Migration erscheint wie ein bloßes Spiegelbild mehrheitsdeutscher Wertemilieus 9

Zeigt uns.... ! ein facettenreiches Bild der Migranten-Population ! widerlegt viele verbreitete Negativ-Klischees über die Einwanderer ! Verdeutlicht, dass der Integrationsdiskurs in Deutschland zu sehr auf die Defizitperspektive verengt wird ! dass Ressourcen an kulturellem Kapital von MigrantInnen, ihre Leistungen und der Stand ihrer Etablierung in der Mitte der Gesellschaft unterschätzt werden 10

Wesentliche Erkenntnisse... ! Die Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland sind keine soziokulturell homogene Gruppe ! Vielmehr zeigt sich – wie in der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund – eine vielfältige und differenzierte Milieulandschaft ! konnten insgesamt acht Migranten-Milieus mit jeweils ganz unterschiedlichen Lebensauffassungen und Lebensweisen beschrieben werden

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Bilder die zu korrigieren sind.... ! Migranten - Milieus unterscheiden sich weniger nach ethnischer Herkunft ! Menschen des gleichen Milieus mit unterschiedlichem Migrationshintergrund verbindet mehr miteinander als mit dem Rest ihrer „Landsleute“ ! Zeigt die Dominanz der Zugehörigkeit zu einem Milieu in Deutschland und die Nachrangigkeit der ethnischen Herkunft ! Man kann nicht vom Milieu auf die Herkunftskultur schließen und umgekehrt

! ethnische Zugehörigkeit, Religion und Zuwanderungsgeschichte beeinflussen zwar die Alltagskultur sind aber nicht milieuprägend und demnach nicht identitätsstiftend

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! Einfluss religiöser Traditionen wird häufig überschätzt ! 3/4 der Befragten zeigen Aversionen gegenüber fundamentalistischen Einstellungen ! 56% der Befragten bezeichnen sich als Angehörige einer der großen christlichen Kofessionen, 22% als Muslime ! Nur in einer der acht Milieus spielt Religion eine alltagsbestimmende Rolle ! Im religiös-verwurzeltem Milieu (7%) sind Muslime und entsprechend Menschen mit türkischem Migrationshintergrund überrepräsentiert ! Sind die „Sorgenkinder“ bundesdeutscher Integrationspolitik ! Allerdings sind sie auch das Milieu mit der größten Benachteiligung über die niedrigste Soziale Lage wodurch eine Verfestigung forciert wird 14

! In allen Milieus (93% der Grundgesamtheit) findet sich ein breites ethnisches und konfessionelles Spektrum* ! Spektrum der Grundorientierung breiter und heterogener als bei den Bürgern ohne Zuwanderungsgeschichte ! Sozialhierarchie fällt bei MigrantInnen flacher aus als in der Mehrheitsgesellschaft ! Spreizung zwischen den Milieus ist breiter als in der Aufnahmegesellschaft *Sinusstudie 2008

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Teilhabe.... ! In allen Milieus gibt es – je spezifische – Integrationsbarrieren und Valenzen ! Integrationsdefizite finden sich am ehesten in den unterschichtigen Milieus, nicht anders als in der autochthonen deutschen Bevölkerung. ! Die Barrieren gegenüber kultureller Anpassung sind am größten im Religiös-verwurzelten Milieu ! Die meisten Migranten verstehen sich aber als Angehörige der multiethnischen deutschen Gesellschaft und wollen sich aktiv einfügen – ohne ihre kulturellen Wurzeln zu vergessen. ! Mehr als die Hälfte der Befragten zeigt einen uneingeschränkten Integrationswillen. 87 % sagen: Alles in allem war es richtig, dass ich bzw. meine Familie nach Deutschland gekommen sind.

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Teilhabe... ! Viele, insbesondere in den soziokulturell modernen Milieus, haben ein bikulturelles Selbstbewusstsein und sind längst in dieser Gesellschaft angekommen ! viele sehen Migrationshintergrund und Mehrsprachigkeit als Bereicherung – für sich selbst und für die Gesellschaft. ! quer durch die Migrantenmilieus kritisieren viele die mangelnde Integrationsbereitschaft der Mehrheitsgesellschaft und das geringe Interesse an den Eingewanderten und denen mit Einwanderungsgeschichte ! Etwa ein Viertel der befragten Menschen mit Migrationshintergrund fühlt sich isoliert und ausgegrenzt, insbesondere Angehörige der unterschichtigen Milieus.

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Pluralität ist Normalität* ! Realität der Pluralität wird in bestimmten institutionellen, politischen und medialen Kentexten nicht zur Kenntnis genommen, !

bzw. bestimmte Institutionen, Regeln oder die Praxis, Jugendliche mit Migrationshintergrund benachteiligen.

! In den Hilfen zur Erziehung wird die sprachliche und milieugeprägte kulturelle Besonderheit der Jugendlichen mit Migrationshintergrund nicht zur Kenntnis genommen und in die Angebotsformen kaum integriert !

Rassismus und offene oder verdeckte Benachteiligung, fehlender Teilhabe an gesellschaftlichen Gütern, fehlenden Aufstiegschancen etc.

! Nicht-Beachtung in Konzepten der Jugendarbeit ! !

bei Fragen wie Bewegung, Ernährung und Entspannung kein zusätzliches Angebot zu konstruieren sondern bestehende Angebote und Konzepte durch die Brille der Pluralität kritisch betrachten und den Perspektivwechsel integrieren 18 Bundesjugendkuratorium 2008

„Repräsentanz und Gleichheit“* „Junge Menschen müs en in allen Feldern gesellschaftlicher Teilhabe repräsentiert sein. Im Zugang zu Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe müssen Schwellen der Inanspruchnahme abgebaut werden.“ (BJK 2005, 18)

*Bundesjugendkuratorium 2008

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„Repräsentanz und Gleichheit“ „Der Kern der pädagogischen Aufgaben unter Bedingungen der Migration besteht darin, dass das, was die Migranten mitbringen, nicht missachtet, sondern respektiert wird, damit sie tatsächlich Teil der Gesellschaft im Einwanderungsland werden können.“ „Kinder und Jugendliche sollen nicht über die Herkunft ihrer Eltern als Italienerin oder Italiener, als Türkin oder Türkin etc. ethnisiert werden, sondern in ihrem Selbstverständnis mit einer oder ohne eine Migrationsgeschichte als Teil der deutschen Gesellschaft wahrgenommen werden“ (BJK 2005, 16 und 6) 20

„Forschungsergebnisse zeigen, dass die Jugendlichen sowohl gegenüber der Elterngeneration wie auch gegenüber jungen Menschen ohne Migrationsgeschichte eigenständige kulturelle und religiöse Ausdrucksformen entwickeln.“ (BJK 2005, 18)

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Perspektiven... ! Wir müssen unsere Stereotype, die uns vielleicht noch bei der Einordnung der 1.Generation geholfen haben, verwerfen ! keine Defizite zuschreiben, die ein Sonderhilfesystem notwendig machen ! Stattdessen Ressourcen und Benachteiligungen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund sehen ! Vertretung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund wie jede andere Gruppe, auch ihre Interessen innerhalb des Jugendhilfesystems ! Haltung aufgeben die Interkulturalität maximal als Spezialisierung einiger Nischen akzeptieren ! Von großer Bedeutung ist der differenzierte Blick auf die Lebensrealitäten Jugendlicher mit Migrationshintergrund sowie die Einbettung der Perspektive in alle unsere Programme und Angebote 22

Vielen Dank ... Dipl.-Soz.Arb. Yasmine Chehata, M.A. Institut Kindheit, Jugend, Familie und Erwachsene Schwerpunkt: Interkulturelle Öffnung der Internationalen Jugendarbeit und Jugend(verbands-)arbeit

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