Bewerber mit Migrationshintergrund

Sie vielleicht, dass selbst Augustus in diesem Punkt an seine Grenzen gelangte: Die von ihm auf den Weg gebrachten Ehegesetze haben die sittlichen Ve...
Author: Katja Krause
1 downloads 2 Views 3MB Size
Sie vielleicht, dass selbst Augustus in diesem Punkt an seine Grenzen gelangte: Die von ihm auf den Weg gebrachten Ehegesetze haben die sittlichen Verhältnisse innerhalb der Senatorenschaft nicht messbar verbessert, aber ihm selbst dafür den Spott eingebracht, dass seine eigene Familie und sein Freundeskreis diese Bestimmungen auch nicht erfüllten.

Bewerber mit Migrationshintergrund Wie bereits erwähnt, ist das römische Bürgerrecht unerlässlich, wenn Sie Kaiser werden wollen. Es gibt aber keine Vorstellungen von einem „reinblütigen Römer“, keine spezielle „römische Rasse“ oder dergleichen – solange Sie Bürger und in der römischen Kultur fest verwurzelt sind, sind Ihre Hautfarbe und Ihre spezielle ethnische Herkunft relativ unwichtig. Wichtig ist vielmehr, dass Sie nicht durch betont barbarische Tracht oder allzu fremdartige religiöse Vorlieben (vgl. Kapitel 8) ein anstößiges, „unrömisches“ Bild abgeben sollten. Die Geschichte der Kaiser zeigt, wie der Kreis der akzeptablen Kandidaten im Laufe der Jahrhunderte immer größer wurde, obwohl das Imperium Romanum keine Integrationsbeauftragten oder ähnliche Institutionen aufweist: Herkunft früherer Kaiser: – Das iulisch-claudische Haus (27 v. Chr.–68 n. Chr.; s. Stammbaum I) stammte noch aus dem alten, stadtrömischen Hochadel der Republik. – Das flavische Haus (69–96 n. Chr.; s. Stammbaum II) stammte schon nicht mehr aus Rom, sondern aus dem ländlichen Italien. Und während die Iulier noch ihre Abstammung direkt auf die Göttin Venus zurückführten, war der Großvater von Flavius Vespasianus ein Inkassobüro-Besitzer namens Flavius Petro aus Reate, einem Ort, der nicht gerade zu den Hot Spots der italischen Geschichte gehört (Hannibal soll damals mit seiner Armee hier durchgezogen sein, viel mehr Ereignisse weist die Lokalgeschichte nicht auf). 22

– Die Adoptivkaiser Traian und Hadrian (98–138 n. Chr.) waren als „Spanier“ die ersten Kaiser aus der Provinz. (Allerdings gehen ihre Familien nicht auf iberische Ureinwohner zurück, sondern sind Nachfahren italischer Kolonisten, die schon vor Jahrhunderten in Spanien angesiedelt und dabei mit dem römischen Bürgerrecht ausgestattet wurden). – Inzwischen ist die ethnische Vielfalt bei den Kaisern ähnlich groß wie im Imperium insgesamt: Septimius Severus (193– 211 n. Chr.; s. Stammbaum III) aus Nordafrika war punischer Abstammung; Elagabal und Severus Alexander (218–235 n. Chr.) stammten aus Syrien; Maximinus Thrax (235–238 n. Chr.) war ein Thraker und Philippus Arabs (244–249 n. Chr.) ein Araber. – Insbesondere im dritten Jahrhundert kamen etliche Kaiser (und Usurpatoren) vom Balkan, so Claudius Gothicus, Aurelian, Probus und Diocletian. Gerade die Völker Illyriens, die vor Urzeiten einmal als berüchtigte Piraten die Adria unsicher gemacht haben (was auch der Grund für das erste römische Eingreifen auf dem Balkan war), stellen mittlerweile ihre Energien in den Dienst des Römischen Reiches und haben seinen Zusammenhalt in der unruhigen Soldatenkaiserzeit gesichert. Ethnische Beinamen wie Arabs oder Thrax werden übrigens normalerweise nicht von den Betreffenden selbst geführt, sondern ihnen von den Zeitgenossen, und vor allem der Nachwelt, als praktische Identifizierungsmöglichkeit beigelegt. Wenn Sie allerdings tatsächlich Wert darauf legen sollten, selbst Ihre ethnische Herkunft herauszustellen, so beachten Sie bitte unbedingt die Regeln der römischen Namensbildung: Beinamen auf „-icus“ sind immer Siegertitel, keine Herkunftsbezeichnung! Ein „Germanicus“ ist also kein Germane, sondern jemand, der über die Germanen triumphiert hat (dass gerade dieser Siegertitel bei Kaisern häufig vorkommt, zeigt, wie oft es Ärger mit diesen Leuten aus dem Norden gibt). Deshalb heißt es auch Philippus Arabs und nicht Arabicus, Maximinus Thrax und nicht Thracicus, denn diese Kaiser haben ja nicht ihre eigenen Völker besiegt. 23

2

Karrierewege zum Kaiserpurpur

Kapitel 1 sollte deutlich gemacht haben, dass keine wirklich präzise Stellenbeschreibung für den Job römischer Kaiser existiert – und das hat auch Konsequenzen für die Bewerberauswahl: Ein genau geregeltes und transparentes Bewerbungsverfahren gibt es leider nicht. Die Bewerbung kann ausgesprochen chaotisch ablaufen, bis hin zum Bürgerkrieg, und Sie als Bewerber sollen sich dieser Tatsache immer bewusst sein. Bei der Auswahl eines neuen Kaisers kann es zu Tumulten und Gewalttätigkeiten kommen, die sogar alles in den Schatten stellen, was Bewerber in anderen Branchen im Assessment-Center erleben. Die Grundlage, auf der Sie den Job antreten werden, ist in der Theorie der consensus universorum, die Zustimmung aller, zu Ihrer Bewerbung. Das hört sich nicht nur vage an, es ist auch vage. Mit der Einwohnerschaft der Hauptstadt sollten Sie sich jedenfalls gut stellen, vor allem aber sind es zwei Instanzen, die konkret über Ihre Einstellung entscheiden: die Soldaten und der Senat. Nach der Akklamation zum imperator durch die Soldaten wird Ihre Ernennung von den Senatoren formell bestätigt. Der Senat hält sich aus dem operativen Regierungsgeschäft weitestgehend heraus, er wacht aber über Ihre Leadership Performance und ist gewissermaßen der Aufsichtsrat des Imperium Romanum. Die Soldaten sind überwiegend in den verschiedenen Armeen und Garnisonen des Reiches verstreut; besondere Bedeutung für die Kaiserwahl haben daher die Gardeeinheiten in Rom (vor allem die cohortes praetoriae; nach deren Auflösung durch Constantin d. Gr. die scholae palatinae). Sie bilden gewissermaßen die Personalvertretung des römischen Heeres und sind entsprechend selbstbewusst, was die 25

Mitbestimmungsrechte bei der Auswahl eines neuen Kaisers angeht. Sogenannte Senatskaiser, die gegen den ausdrücklichen Willen der Soldaten ihr Amt antreten, kommen meist auf eher kurze Regierungszeiten im Bereich von einigen Tagen bis Monaten. Relativ gute Chancen haben Bewerber, die schon Söhne oder andere Verwandte des vorherigen Kaisers waren (siehe Kapitel 7) oder als dessen „rechte Hand“ bereits zu seinen Lebzeiten an der Macht teilhatten (dazu mehr in Kapitel 3). Für alle anderen, die sich von außen auf eine solche Stelle bewerben, wollen wir hier kurz darstellen, welche Karriereplanung Sie am ehesten zum Ziel bringen wird. Im Idealfall ist dies ohne Bürgerkrieg möglich, wenn es keine Parallelbewerbungen anderer Kandidaten gibt. Sie sollten aber grundsätzlich der Tatsache ins Auge sehen, dass auch erst die Waffen sprechen könnten, bevor eine endgültige Auswahl erfolgt. Als beste Grundlage für eine aussichtsreiche Bewerbung ist eine vorangegangene erfolgreiche Laufbahn als Senator anzusehen. Und während man zu Zeiten der Republik grundsätzlich nur Senator sein konnte, indem man dem Senat auch tatsächlich angehörte, hat sich mit Beginn der Kaiserzeit die Situation gewandelt: Der Deal, den Augustus mit dem Senat aushandelte, umfasste zwar einerseits eine weitgehende politische Entmachtung des Gremiums, andererseits aber eine gesellschaft liche Aufwertung. Es bildete sich nunmehr ein eigener Senatorenstand (ordo senatorius) heraus, der nicht nur die aktiven Senatsmitglieder umfasst, sondern auch ihre gesamten Familien. Söhne von Senatoren werden also bereits als (zukünftiger) Senator geboren. Das Rückgrat einer Senatorenkarriere sind zwar immer noch die vier klassischen Ämter des cursus honorum, aber in der Ausgestaltung haben sich auch hier Unterschiede ergeben. Eine typische Laufbahn, mit der Sie zielgerichtet auf den Posten des Kaisers hinarbeiten, würde in etwa folgende Stationen umfassen: Senatorische Ämterlaufbahn in der Kaiserzeit – Erstes ziviles Amt vor Eintritt in den Senat – Mitarbeit in der Zwanzigmännerkommission (vigintiviri, Mindestalter 17 Jahre, Dauer ein Jahr). Diese Kommission agiert nicht gemeinsam, 26

Suggest Documents