Grundlagen der THEORETISCHEN PHILOSOPHIE

Philosophische Fakultät Institut für Philosophie Lehrstuhl für Theoretische Philosophie Dr. Holm Bräuer MBA Grundlagen der THEORETISCHEN PHILOSOPHIE ...
Author: Rosa Grosser
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Philosophische Fakultät Institut für Philosophie Lehrstuhl für Theoretische Philosophie Dr. Holm Bräuer MBA

Grundlagen der THEORETISCHEN PHILOSOPHIE Sommersemester 2017

1

Philosophische Fakultät Institut für Philosophie Lehrstuhl für Theoretische Philosophie Dr. Holm Bräuer MBA

1. Philosophische Argumente

79

Was ist eigentlich ein Argument?

80

ARGUMENTE

81

Ein Argument ist die Stützung einer Überzeugung (Aussage, These, Annahme etc.) durch Gründe.

inhaltlich

82

Ein Argument ist eine Aneinanderreihung von Aussagen.

formal

83

Abtreibung ist moralisch unzulässig weil Mord moralisch unzulässig und Abtreibung Mord ist.

84

Abtreibung ist moralisch unzulässig weil Mord moralisch unzulässig und Abtreibung Mord ist.

Eine der Aussagen in einem Argument ist das, wofür argumentiert wird – die sogenannte These. Technisch gesprochen handelt es sich um die Konklusion eines Arguments.

85

Abtreibung ist moralisch unzulässig weil Mord moralisch unzulässig und Abtreibung Mord ist.

Die anderen Aussagen bestehen in der Angabe dessen, worauf sich die These stützt – die sogenannten Gründe. Technisch gesprochen handelt es sich um die Prämissen eines Arguments.

86

Erste Prämisse

Mord ist moralisch unzulässig.

Zweite Prämisse

Abtreibung ist Mord.

Konklusion

Abtreibung ist moralisch unzulässig.

87

Ein Argument lässt sich auf zweierlei Weise bestreiten:

(1) Durch den Nachweis, dass es sich um kein gültiges Argument handelt (formale Gültigkeit).

(2) Durch ein weiteres Argument, das zeigt, dass eine oder mehrere Prämissen unzulässig sind (materiale Gültigkeit).

88

Wann ist ein Argument formal gültig?

89

Ein Argument ist formal gültig, genau dann wenn …

die in der Konklusion übermittelte Information in der von den Prämissen übermittelten Information enthalten ist.

90

Ein Argument ist formal gültig, genau dann wenn …

die Konklusion von den Prämissen logisch impliziert wird.

91

Ein Argument ist formal gültig, genau dann wenn …

die Konklusion notwendigerweise wahr sein muss, sofern die Prämissen wahr sind.

92

Ein Argument ist formal gültig, genau dann wenn …

es ausgeschlossen ist, dass die Prämissen wahr sind und die Konklusion falsch ist.

93

Franz ist ein Junggeselle. Junggesellen sind unverheiratet. Also ist Franz unverheiratet.

Gültig?

94

Modus Ponens

p wenn p, dann q also: q

95

Wenn Franz ein Junggeselle ist, dann ist er unverheiratet. Franz ist unverheiratet. Also ist Franz ein Junggeselle.

Gültig?

96

„Umkehrschluss“

wenn p, dann q q also: p

97

Mord ist moralisch unzulässig. Abtreibung ist Mord. Abtreibung ist moralisch unzulässig.

Gültig?

98

Die Macht der rationalen Argumentation Falls ein Argument formal gültig ist und der Opponent alle Prämissen des Arguments akzeptiert, dann ist er gezwungen, der Konklusion zuzustimmen.

99

Wann ist ein Argument material gültig?

100

Wenn man die (materiale) Gültigkeit einer Annahme in einem Argument bestreiten möchte, dann benötigt man dazu wieder ein Argument, welches direkt oder indirekt geführt werden kann.

101

BESTREITUNG EINER ANNAHME DURCH EIN DIREKTES ARGUMENT

102

Abtreibung ist Mord. Mord ist moralisch unzulässig. Also ist Abtreibung moralisch unzulässig.

103

Ein Mord liegt nur dann vor, wenn ein Mensch vorsätzlich getötet wurde. Abtreibung besteht in der vorsätzlichen Tötung eines Fötus. Ein Fötus ist (noch) kein Mensch. Also ist Abtreibung kein Mord.

Auch dieses Argument muss natürlich formal gültig sein!

104

Abtreibung ist Mord. Mord ist moralisch unzulässig. Also ist Abtreibung moralisch unzulässig.

105

BESTREITUNG EINER ANNAHME DURCH EIN INDIREKTES ARGUMENT reductio ad absurdum, indirekter Beweis

106

Eine Aussage lässt sich bestreiten bzw. stützen, indem gezeigt wird, dass aus ihrer Negation ein Widerspruch zu anderen, bereits anerkannten Thesen folgt.

Dieses Argumentschema nennt man indirekter Beweis oder reductio ad absurdum.

107

Wir wollen (indirekt) zeigen, dass Abtreibung kein Mord ist.

Annahme: Abtreibung ist Mord. (Negation des zu Beweisenden) Anerkannte These: Mord ist etwas, das grundsätzlich verboten ist. Erste Konklusion: Abtreibung ist grundsätzlich verboten. Anerkannte These: Abtreibung ist nicht grundsätzlich verboten. Widerspruch: Abtreibung ist und ist nicht grundsätzlich verboten. Konklusion: Abtreibung ist kein Mord. (via reductio ad absurdum)

108

Abtreibung ist Mord. Mord ist moralisch unzulässig. Also ist Abtreibung moralisch unzulässig.

109

Beim Argumentieren kann viel schief gehen …

110

PROBLEME BEI DER BEGRIFFSVERWENDUNG … und warum Philosophen ihre wichtigsten Begriffe definieren.

111

VAGHEIT

112

rot

113

Vage Begriffe … besitzen keine starren Anwendungsbedingungen. Sie können in einem Kontext auf ein bestimmtes Objekt korrekt anwendbar sein, in einem anderen Kontext jedoch nicht.

114

Anwendungskontexte Biologie: menschliches Lebewesen mit einem x und y Chromosomensatz

Mann

Psychologie: menschliches Lebewesen mit typisch männlichen Wesenszügen (primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale)

Soziologie: volljähriger Mensch mit typisch männlichen Verhaltensweisen

115

Die meisten alltagssprachlichen Begriffe sind vage Begriffe. Ein erheblicher Teil der wissenschaftlichen Begriffsbildung besteht darin, die verwendeten Ausdrücke von Vagheit zu befreien.

Warum?

116

MEHRDEUTIGKEIT AMBIGUITÄT

117

Deutsche Bank

118

Ein mehrdeutiger Begriff hat in verschiedenen Kontexten verschiedene Bedeutungen.

119

Viele alltagssprachliche Begriffe sind mehrdeutig. Die wissenschaftlichen Begriffsbildung versucht, die verwendeten Ausdrücke von Mehrdeutigkeit zu befreien.

Warum?

120

Vagheit und Mehrdeutigkeit führen zu

ÄQUIVOKATIONEN

121

Eine Äquivokation ist ein Fehlschluss, der zustande kommt, wenn ein Wort auf Grund von Vagheit oder Mehrdeutigkeit innerhalb eines Arguments verschieden verwendet wird.

122

Fehlschluss durch Äquivokation Alle Menschen sind sterblich. Alle Griechen sind Menschen. Also sind alle Griechen sterblich. Herakles ist ein Grieche. Also ist Herakles sterblich. Welches Wort wurde äquivok gebraucht?

123

Variante 1 Alle Menschen (exklusive Halbgöttern) sind sterblich. Alle Griechen sind Menschen (inklusive Halbgöttern). Also sind alle Griechen sterblich.

Herakles ist ein Grieche. Also ist Herakles sterblich. 124

Variante 2 Alle Menschen sind sterblich. Alle Griechen (exklusive Halbgöttern) sind Menschen. Also sind alle Griechen sterblich.

Herakles ist ein Grieche (inklusive Halbgöttern). Also ist Herakles sterblich. 125

SCHEINBEGRIFFE UND SCHEINBEHAUPTUNGEN

126

Was passiert eigentlich, wenn ein Ausdruck keine Anwendungsbedingungen besitzt?

Das kommt gerade in der Philosophie leider gar nicht so selten vor.

127

„Das Nichts nichtet.“

Martin Heidegger Was ist Metaphysik? (1929)

128

Wann ist ein Satz der Form

Soundso nichtet. wahr bzw. falsch?

129

Heidegger führt einen neuen Ausdruck (nichten) in die Sprache ein, ohne ihn zu definieren. Die Aussage ist daher bedeutungslos/sinnlos und gehört in den Bereich der Dichtkunst.

130

Worauf trifft der Ausdruck

das Nichts zu?

131

Ich habe im Schrank nachgeschaut, aber ich habe dort nichts gefunden.

Der gewöhnliche Ausdruck „nichts“ wird nicht als Name oder Bezeichnung, sondern als ein satzstelliges Adverb gebraucht.

132

Korrekte Verwendungsweise

Ich habe im Schrank nachgeschaut. Es ist nicht der Fall, dass ich dort etwas gefunden habe.

Falsche Verwendungsweise

Ich habe im Schrank nachgeschaut. Dort habe ich das Nichts gefunden. 133

Wenn eine Aussage einen Ausdruck enthält, der keine Anwendungsbedingungen besitzt (‚nichten‘), und/oder wenn in einer Aussage ein Ausdruck logisch inkorrekt verwendet wird (‚das Nichts‘), dann handelt es sich um eine:

Scheinbehauptung 134

Offensichtliche Scheinbehauptungen: Cäsar ist eine Primzahl. (logisch inkorrekte Verwendung) Cäsar ist babig. (keine Anwendungsbedingungen)

Weniger offensichtliche Scheinbehauptungen: Das Sein hat sein Wesen in der Verwirklichung. Am Dasein wirkt das Prinzip der Differenz in der Identität. Der absolute Geist kommt in sich selbst zu Bewusstsein. Das Nicht-Ich ist eine Emanation des Ichs. Das Ich setzt sich selbst. Das Nichts nichtet. 135

METHODISCHE HILFSMITTEL Definitionen und Explikationen

136

DEFINITIONEN

137

Um Vagheiten, Mehrdeutigkeiten oder Missverständnisse zu vermeiden, definieren Philosophen ihre wichtigsten Begriffe.

138

Ein Nephograph ist ein Gerät, das die verschiedenen Arten und die Dichte der Bewölkung fotographisch aufzeichnet.

139

Eine Definition stellt eine Identitätsbeziehung zwischen einem zu definierenden Begriff (dem Definiendum) und einem oder mehreren anderen definierenden Begriffen (dem Definiens) her.

140

Ein Nephograph ist ein Gerät, das die verschiedenen Arten und die Dichte der Bewölkung fotographisch aufzeichnet.

Definiendum =def Definiens

Definiendum: Nephograph Definiens: Gerät, das die verschiedenen Arten und die Dichte der Bewölkung fotographisch aufzeichnet

141

Nominaldefinitionen … sind konventionell eingeführte Abkürzungen.

Der zu definierende Begriff wird dabei relativ willkürlich gewählt. Nominaldefinitionen sind notwendig wahr.

true by convention

142

Ein Nephograph ist ein Gerät, das die verschiedenen Arten und die Dichte der Bewölkung fotographisch aufzeichnet.

Eine Primzahl ist nur durch 1 und sich selbst teilbar.

143

Realdefinitionen … decken wesentliche Zusammenhänge auf.

Der zu definierende Begriff besitzt bereits Anwendungsbedingungen, welche durch die Definition erst explizit gemacht werden sollen. Realdefinitionen können sich als falsch herausstellen.

true by the facts

144

Gold ist ein chemisches Element mit der Kernladungszahl 79.

Wasser ist H2O.

145

Welche Aussichten auf Erfolg billigen Sie einer Realdefinition zu, wenn die Mehrheit der Alltagsbegriffe vage oder mehrdeutig ist?

146

Rekursive (induktive) Definitionen … bestimmen einen Begriffs dadurch, dass ein besonderer Anwendungsfall aufgeführt und eine Regel festgelegt wird, durch die sich alle weiteren Anwendungsfälle bestimmen lassen.

147

Die Menge der natürlichen, ganzen Zahlen Rekursionsanfang: 0 ist eine natürliche Zahl. Rekursionsschritt: Wenn n eine natürliche Zahl ist, dann ist auch n+1 eine natürliche Zahl. Rekursionsabschluss: Nichts sonst ist eine natürliche Zahl.

148

Ostensive (hinweisende) Definitionen … bestehen in der Erklärung eines Begriffs durch das hinweisende Aufzeigen seiner Anwendungsfälle.

Wenn ein neuer Begriff durch eine ostensive Definition eingeführt wird, besitzt die Definition den Charakter einer Nominaldefinition; sonst handelt es sich um eine Realdefinition.

149

Dies ist rot. Das dort ist ein Apfel. Dieses Kind soll Theodor heißen.

150

EXPLIKATIONEN

151

Begriffsexplikationen … greifen bestimmte – für den jeweils verfolgten Zweck – optimale Anwendungskontexte eines vagen oder mehrdeutigen Begriffs heraus.

Die Anwendungskontexte legen die Verwendung des explizierten Begriffs fest.

152

Anwendungskontexte Biologie: menschliches Lebewesen mit einem x und y Chromosomensatz

Mann

Psychologie: menschliches Lebewesen mit typisch männlichen Wesenszügen (primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale)

Soziologie: volljähriger Mensch mit typisch männlichen Verhaltensweisen

153

Explikandum Ein Mann1 ist ein

Explikat (i) menschliches Lebewesen, (ii) mit einem x- und einem y-Chromosomensatz.

Ein Mann2 ist ein

(i) menschliches Lebewesen, (ii) mit einem x- und einem y-Chromosomensatz, (iii) das älter als 18 Jahre ist.

Ein Mann3 ist ein

(i) menschliches Lebewesen, (ii) das älter als 18 Jahre ist, und (iii) typisch „männliche“ Wesenszüge aufweist.

154

Eine Begriffsexplikation beruht im Unterschied zu einer Definition nicht auf einer Identitätsbeziehung. Das Explikat kann verschieden vom Explikandum sein!

Eine Explikation ist nicht wahr oder falsch, sondern höchstens angemessen (adäquat) oder unangemessen (inadäquat).

155

Adäquatheitsbedingungen  Explikandum und Explikat müssen ähnliche Anwendungsbedingungen besitzen.  Explikat muss exakter als Explikandum sein.  Explikat muss fruchtbarer sein.  Explikat muss einfacher sein.

156

BEGRIFFSANALYSE philosophische Analyse, reduktive Definition

157

Wenn es darum geht, grundlegende philosophische Begriffe (wie Wissen, Rechtfertigung, Gerechtigkeit, Gesetz, Wert usw.) zu klären, dann wird das Bemühen um eine Definition zum philosophischen Selbstzweck.

Definition als Hilfsmittel vs. Definition als Selbstzweck

158

Wissen ist

(i) eine Überzeugung, die (ii) wahr ist und (iii) von einer Autorität stammt.

159

Es ist möglich, etwas zu wissen, auch wenn es von keiner Autorität stammt.

Die dritte Bedingung ist nicht notwendig.

160

Notwendige Bedingungen … sind diejenigen Merkmale, die jedes Exemplar, das unter den zu definierenden Begriff (Definiendum) fällt, auch tatsächlich besitzt.

161

Von links nach rechts lesen! Wenn jemand etwas weiß, dann glaubt er es. Wenn jemand etwas weiß, dann ist es wahr. Wenn jemand etwas weiß, dann stammt es von einer Autorität. (falsch, daher nicht notwendig)

162

Wissen ist

(i) eine Überzeugung, die (ii) wahr ist.

163

Es ist möglich, eine wahre Überzeugung zu besitzen, bei der es sich nicht um Wissen handelt.

Beispiel: Raten und zufällig richtig liegen. Überzeugung und Wahrheit sind zusammen nicht hinreichend für Wissen.

164

Hinreichende Bedingungen … sind diejenigen Merkmale, die, wenn sie gemeinsam gegeben sind, ausschließlich zu Exemplaren des zu definierenden Begriffs (Definiendum) führen.

165

Von rechts nach links lesen! Wenn jemand etwas glaubt und es wahr ist, dann weiß er es. (falsch, daher nicht hinreichend)

166

Falls jede der angeführten Bedingungen notwendig ist und die Bedingungen gemeinsam hinreichend sind, dann ist die angebotene Begriffsanalyse adäquat.

167

Wissen ist

(i) eine Überzeugung, die (ii) wahr und (iii) gerechtfertigt ist.

Handelt es sich hierbei um eine adäquate Begriffsanalyse?

168

TYPISCHE ARGUMENTATIONSPROBLEME

169

WIDERSPRÜCHE UND ANTINOMIEN

170

Es regnet und es regnet nicht. Also steigen die Aktienkurse.

171

Ex Falso Quodlibet Aus einem widersprüchlichen System von Aussagen ist jede beliebige Aussage ableitbar. Es ist daher unbrauchbar.

172

Ein Widerspruch ist eine Aussage der Form

A und nicht-A

173

Inkonsistenz Eine Menge von Aussagen (eine Theorie) heißt inkonsistent, wenn sich ein Widerspruch aus ihr ableiten lässt.

174

T impliziert

A und nicht-A

175

Es regnet. Wenn die Sonne scheint, dann regnet es nicht. Die Sonne scheint. impliziert

Es regnet und es regnet nicht.

176

Antinomie Bei einer Antinomie handelt es sich um einen Widerspruch, bei dem die beiden zueinander in Widerspruch stehenden Aussagen gleichermaßen gut begründet (bewiesen) sind.

177

DIE ANTINOMIEN DES REINEN VERSTANDES (IMMANUEL KANT)

178

Die Natur von Raum und Zeit A

Nicht-A

Die Welt hat einen Anfang in der

Die Welt hat keinen Anfang, und

Zeit, und ist dem Raum nach

keine Grenzen im Raume,

auch in Grenzen

sondern ist, sowohl in Ansehung

eingeschlossen.

der Zeit, als des Raumes, unendlich.

179

Die Teilbarkeit der Materie A

Nicht-A

Eine jede zusammengesetzte

Kein zusammengesetztes Ding

Substanz in der Welt besteht aus

in der Welt besteht aus

einfachen Teilen, und es existiert

einfachen Teilen, und es existiert

überall nichts als das Einfache,

überall nichts Einfaches in

oder das, was aus diesem

derselben.

zusammengesetzt ist.

180

Kausalität kontra Freiheit A

Nicht-A

Die Kausalität nach Gesetzen der

Es ist keine Freiheit, sondern alles in

Natur ist nicht die einzige, aus

der Welt geschieht lediglich nach

welcher die Erscheinungen der Welt

Gesetzen der Natur.

insgesamt abgeleitet werden können. Es ist noch eine Kausalität durch Freiheit zur Erklärung derselben anzunehmen notwendig.

181

Zufall versus Determinismus A

Nicht-A

Zu der Welt gehört etwas, das,

Es existiert überall kein

entweder als ihr Teil, oder ihre

schlechthin notwendiges Wesen,

Ursache, ein schlechthin

weder in der Welt, noch außer

notwendiges Wesen ist.

der Welt, als ihre Ursache.

182

PERFORMATIVE WIDERSPRÜCHE

183

Dieser Satz ist falsch.

184

Kann man diese Frage nur verneinen?

185

Ein performativer Widerspruch besteht, wenn - die Wahrheit einer Aussage ihre Falschheit, - die Falschheit einer Aussage ihre Wahrheit, - die Bejahung einer Frage ihre Verneinung, oder - die Verneinung einer Frage ihre Wahrheit voraussetzt.

186

Ein performativer Widerspruch besteht, wenn

A präsupponiert nicht-A

187

Transzendentale Argumente Ein Argument, das zeigt, dass sich aus einer Annahme ein performativer Widerspruch ableiten lässt, nennt man manchmal ein transzendentales Argument.

Technisch gesehen handelt es sich dabei um eine Form des indirekten Beweises (reductio ad absurdum).

188

PARADOXIEN

189

Eine Paradoxie entsteht dann, wenn aus einer wohlbegründeten Theorie eine Aussage folgt, die im Widerspruch zur landläufigen, weit verbreiteten Meinung (common sense) steht.

190

Common Sense

Theorie

enthält

impliziert

A

Nicht-A

A und nicht-A Die Theorie lässt sich nicht mit der landläufigen Auffassung vereinbaren. Die Theorie ist dabei nicht intern widersprüchlich oder inkonsistent.

191

DIE RABENPARADOXIE

192

Annahmen der Bestätigungstheorie (1) Ein Gesetz wird durch die Beobachtung seiner Instanzen bestätigt.

(2) Die Bestätigung eines Gesetzes hängt von seinem Inhalt ab, nicht davon, wie es formuliert wird.

193

Alle Raben sind schwarz.

194

Alle Raben sind schwarz.

ist äquivalent mit/ bedeutet dasselbe wie

Alle nicht-schwarzen Gegenstände sind keine Raben.

195

Alle nicht-schwarzen Gegenstände sind keine Raben.

196

Common Sense

Bestätigungstheorie

enthält

impliziert

Das Gesetz „Alle Raben sind schwarz“

Das Gesetz „Alle Raben sind schwarz“

lässt sich nicht durch die Beobachtung

lässt sich durch die Beobachtung von

von weißen Kreidestücken bestätigen …

weißen Kreidestücken bestätigen …

… denn sonst könnten wir Vogelkunde im

… da weiße Kreidestücke nicht-schwarze

Lehnstuhl betreiben.

Gegenstände und keine Raben sind. 197

DILEMMATA

198

Dilemma … auch Zwickmühle, bezeichnet eine Situation, die zwei Wahlmöglichkeiten bietet, welche jedoch beide zu einem unerwünschten Resultat führen.

Auch der Zwang zu einer Auswahl zwischen zwei positiven Möglichkeiten kann ein Dilemma sein.

199

Zwei getrennt einsitzenden Untersuchungshäftlingen, Joe und Jim, wurde eine kleine Straftat nachgewiesen. Nun sollen sie eine weitere, größere Straftat gestehen. Der Staatsanwalt bietet ihnen die folgenden Alternativen an:

200

Derjenige, der die bislang nicht nachweisbare Haupttat straffrei

gesteht, geht straffrei aus, falls der andere nicht gesteht.

1 Jahr Gefängnis

5 Jahre Gefängnis

10 Jahre Gefängnis

Beide bekommen für die bereits nachgewiesene Straftat ein Jahr Gefängnis, falls beide nicht gestehen.

Beide erhalten eine Strafe von fünf Jahren Gefängnis, falls beide die Haupttat gestehen.

Derjenige, der schweigt, erhält die doppelte Strafe (also 10 Jahre Gefängnis), falls der andere gesteht. 201

Wie soll sich Joe entscheiden? Schweigen: Sehr hohes Risiko auf zehn Jahre Gefängnis Gestehen: Hohes Risiko auf fünf Jahre Gefängnis

202

Wie soll sich Joe entscheiden?

Jim schweigt

Joe schweigt

Joe gesteht

1 Jahr Gefängnis

straffrei

Jim gesteht 203

Wie soll sich Joe entscheiden?

Joe schweigt

Joe gesteht

10 Jahre Gefängnis

5 Jahre Gefängnis

Jim schweigt

Jim gesteht

204

Wie soll sich Jim entscheiden?

Joe schweigt

Jim schweigt

1 Jahr Gefängnis

Jim gesteht

straffrei

Joe gesteht

205

Wie soll sich Jim entscheiden?

Joe schweigt

Joe gesteht

Jim schweigt

10 Jahre Gefängnis

Jim gesteht

5 Jahre Gefängnis 206

Was ist rational?

Jim schweigt

Jim gesteht

Joe schweigt

Joe gesteht

2 x 1 Jahr

10 Jahre Gefängnis

Gefängnis

und straffrei

straffrei und 10

2 x 5 Jahre

Jahre Gefängnis

Gefängnis 207

Eine rationale Entscheidung ist nicht immer eine optimale Entscheidung.

208

PETITIO PRINCIPII CIRCULUS VITIOSUS

209

„Das früher verzehrte Brot hat mich ernährt; folgt aber daraus, dass ein anderes Brot, zu anderer Zeit, mich ebenfalls ernähren muss? Diese Folge ist durchaus nicht notwendig; wenigstens muss man anerkennen, dass hier eine Schlussart besteht, die der Erklärung bedarf.“

David Hume 210

Brot hat mich früher ernährt. Also wird mich Brot in Zukunft auch ernähren.

211

Humes Induktionsproblem Brot hat mich früher ernährt. Gleichartige Gegenstände haben gleichartige Wirkungen. Also wird Brot mich in Zukunft auch ernähren.

212

Eine Petitio Principii (lateinisch: „fehlender Beweisgrund“) liegt vor, wenn in einem Argument eine beweisbedürftige Aussage als Prämisse (als Beweisgrund) verwendet oder vorausgesetzt wird.

213

Welche Art der Gültigkeit wird bei einer petitio principii in Frage gestellt?

214

Ein Sonderfall der petitio principii ist der Circulus Vitiosus (Zirkelschluss), bei dem die Konklusion schon in den Prämissen selbst vorkommt.

215

ZUSAMMENFASSUNG Argumentationsprobleme

216

Äquivokation Ein Argument scheitert, wenn es vage oder mehrdeutige Ausdrücke enthält und wenn diese Ausdrücke innerhalb des Arguments verschieden gebraucht werden.

217

Scheinbehauptung Ein Argument scheitert, wenn es Ausdrücke enthält, für die es keine Anwendungsbedingungen gibt, oder wenn es Ausdrücke enthält, die logisch inkorrekt verwendet wurden.

218

Widerspruch Ein Argument scheitert, wenn es eine Aussage der Form „A und nicht-A“ enthält.

219

Inkonsistenz Ein Argument scheitert, wenn sich aus seinen Annahmen ein Widerspruch ableiten lässt.

220

Antinomie Ein Argument scheitert, wenn es für die Negation seiner These ein ebenso gutes Argument gibt.

221

Performativer Widerspruch Ein Argument scheitert, wenn es eine Aussage enthält, die ihre eigene Falschheit voraussetzt.

222

Paradoxie Ein Argument scheitert, wenn aus diesem nicht hinnehmbare Konsequenzen folgen.

223

Dilemma Ein Argument scheitert und führt in eine Sackgasse, wenn sowohl aus dessen Annahmen nicht hinnehmbaren Konsequenzen folgen, als auch aus deren Negation.

224

Petitio Principii Ein Argument scheitert, wenn es eine Prämisse voraussetzt oder enthält, die mindestens ebenso begründungsbedürftig ist wie die These, für welche argumentiert wird.

225

Circulus Vitiosus Ein Argument scheitert, wenn die Konklusion in den Prämissen bereits enthalten ist oder vorausgesetzt wird.

226