Garantismus und Soziale Arbeit Wann und warum professionelles Handeln einer individualisierten Demokratie hilft

Garantismus und Soziale Arbeit Wann und warum professionelles Handeln einer individualisierten Demokratie hilft Vortrag Tagung „Soziale Arbeit und Dem...
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Garantismus und Soziale Arbeit Wann und warum professionelles Handeln einer individualisierten Demokratie hilft Vortrag Tagung „Soziale Arbeit und Demokratie“, Universität Zürich, 27.-28.1.2011 Prof. Dr. habil. Michael Opielka Fachhochschule Jena, Fachbereich Sozialwesen

Garantismus und Soziale Arbeit 1.  Gerechtigkeit und Demokratie als Problem 2.  „Stellvertretende Krisenbewältigung“ (Oevermann) im Hilfesystem 3.  Was ist Garantismus? 4.  Soziale Arbeit im Garantismus a.  Grundeinkommen b.  Gemeinschaftsförderung c.  Professionelle Koproduktion d.  Wohlfahrtskultur und Gerechtigkeit

1. Gerechtigkeit und Demokratie als Problem

Quelle: Robert B. Vehrkamp/Andreas Kleinsteuber, Soziale Gerechtigkeit in Deutschland. Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter deutschen Parlamentariern, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung 2006, S. 6

Quelle: Bertelsmann Stiftung, 2011, Soziale Gerechtigkeit in der OECD – Wo steht Deutschland? Sustainable Governance Indicators 2011, Gütersloh, S. 8

1. Gerechtigkeit und Demokratie als Problem

Länder im Vergleich (Schnitt Demokratiequalität 1995-2005): Dänemark: 88.3 / Finnland: 87.7 / Belgien: 85.1 / Island: 83.5 / Schweden: 82.9 / Norwegen: 82.1 / Kanada: 79.4 / Niederlande: 79.0 / Luxemburg: 75.2 / USA: 74.9 / Deutschland: 73.2 / Neuseeland: 72.1 / Slowenien: 69.6 / Schweiz: 67.8 Quelle: idw Informationsdienst Wissenschaft

1. Gerechtigkeit und Demokratie als Problem

Mehr soziale Gleichheit ist nachhaltig Wilkinson und Pickett belegen, dass eine größere Einkommensgleichheit zu mehr zwischenmenschlichem Vertrauen, weniger Angst, weniger psychischen Erkrankungen und geringerer Kriminalität führt. Sie nutzt dadurch auch den Wohlhabenden. Richard G. Wilkinson/Kate Pickett, Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind, Berlin 2009

2. „Stellvertretende Krisenbewältigung“ im Hilfesystem „Stellvertretende Krisenbewältigung“ (Oevermann) als Aufgabe professioneller Sozialer Arbeit „(…) die schlichte These, wonach alle professionalisierungsbedürftigen Berufspraxen im Kern mit der Aufgabe der stellvertretenden Krisenbewältigung für einen Klienten auf der Basis eines explizit methodisierten Wissens beschäftigt sind und die manifeste Professionalisierbarkeit dieser Berufe an die Bedingung der bewussten Wahrnehmung dieser stellvertretenden Krisenbewältigung gebunden ist. Auf die Sicherstellung dieser Funktion hin sind alle institutionellen Ausprägungen von Professionen ausgerichtet, die in der klassischen Theorie der Professionen von Hughes, Marshall und Parsons im Mittelpunkt standen.“ Ulrich Oevermann, Die Problematik der Strukturlogik des Arbeitsbündnisses und der Dynamik von Übertragung und Gegenübertragung in einer professionalisierten Praxis von Sozialarbeit, in: Roland Becker-Lenz u.a. (Hg.), Professionalität in der Sozialen Arbeit, 2. Aufl., Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2009, S. 113

2. „Stellvertretende Krisenbewältigung“ im Hilfesystem

Abbildung: Das Hilfesystem im Kontext der Viergliederung der Subsysteme der modernen Gesellschaft

Quelle: Michael Opielka, Gemeinschaft in Gesellschaft. Soziologie nach Hegel und Parsons, 2. Aufl., Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2006, S. 167

2. „Stellvertretende Krisenbewältigung“ im Hilfesystem Leistungsethik als Pflicht oder als Option „Die meines Erachtens auf Dauer unumgängliche Lösung wird sein, eine neuartige, die bisherigen Klassen- und Schichtdifferenzierungen der Gesellschaft überlagernde Dichotomisierung der Erwerbsfähigen in die Klasse derjenigen, die einem der Leistungsethik verpflichteten Leistungssystem von Arbeitenden grundsätzlich zugehören einerseits, und derjenigen, die gesellschaftlich legitimiert von der Arbeitsverpflichtung freigestellt sind andererseits nicht nur resignierend in Kauf zu nehmen, sondern möglichst frühzeitig positiv politisch zu gestalten.“ Ulrich Oevermann, Kann Arbeitsleistung weiterhin als basales Kriterium der Verteilungsgerechtigkeit dienen?, Ms. 1983, S. 10 (erstmals veröffentlicht in: Manuel Franzmann, Hrsg., Bedingungsloses Grundeinkommen als Antwort auf die Krise der Arbeitsgesellschaft, Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2010, S. 111-126)

3. Was ist Garantismus? Gesellschaftliche Formationen Formationen des Kapitalismus

Ideelle Arbeitsregime Grundlegungen von Wohlfahrtsregimes

Evolution wirtschaftlicher Sektoren

Weltgesellschaft

Globalismus

garantistisch

Wohlfahrtsstaat

Fordismus

sozialdemokratisch

Work-income Mixes regulierte Arbeit

Kapitalismus

intensive Akkumulation

liberal

freier Markt

Wissen (quartärer S.) Dienstleistungen (tertiärer S.) Industrie (sekundärer S.)

Feudalismus

extensive Akkumulation

konservativ

Subsistenz

Landwirtschaft ff. (primärer Sektor)

Abbildung: Gesellschaftliche Formationen, Wohlfahrts- und Arbeitsregime in historischer Perspektive

3. Was ist Garantismus?

Quelle: Michael Opielka, 2008, Sozialpolitik. Grundlagen und vergleichende Perspektiven, 2. Aufl., Reinbek: Rowohlt, S. 295

Quelle: Opielka 2008, S. 35f.

4. Soziale Arbeit im Garantismus Soziale Arbeit im Garantismus a.  Grundeinkommen b.  Gemeinschaftsförderung c.  Professionelle Koproduktion d.  Wohlfahrtskultur und Gerechtigkeit

4. Soziale Arbeit im Garantismus Steuerungssystem Wohlfahrtsregimetyp

(Strukturelle Institution)

Markt Liberalismus Sozialdemokratie

(Level 1)

Staat (Level 2)

Moral Konservatismus

(Level 3)

Ethik Garantismus

(Level 4)

(politisches) Gerechtigkeitsprinzip

Arbeitskonzept

Grundeinkommenssicherung

Leistung ökonomische „Freiheit“

Lohnarbeit, dereguliert (USA)

Sozialhilfe/ Negative Einkommenssteuer

Gleichheit Bürgerrechte

Lohnarbeit, reguliert (S, F)

Recht auf Arbeit/ Grundsicherung

Bedarf Solidarität

Familienarbeit Korporatismus (Deutschland)

Workfare/ Familienunterhalt Sozialhilfe

Teilhabe Menschenrechte

Optionen + Teilhabe

Grundeinkommen/ -sversicherung

Quelle: Michael Opielka, 2008, Sozialpolitik. Grundlagen und vergleichende Perspektiven, 2. Aufl., Reinbek: Rowohlt, S. 295 (Abb. 52, Auszug) und 191 (Abb. 36, Auszug), überarbeitet in Bezug auf Arbeitskonzept

Abbildung: Wohlfahrtsregime-Typen und sozialpolitische Garantien