D&O-Versicherung: Wann sie hilft und wann nicht

Brigitta Schwarzer D&O-Versicherung: Wann sie hilft – und wann nicht Der VW-Abgasskandal zeigt auf spektakuläre Weise, dass Manager-Haftung kein bloß...
Author: Frida Bauer
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D&O-Versicherung: Wann sie hilft – und wann nicht Der VW-Abgasskandal zeigt auf spektakuläre Weise, dass Manager-Haftung kein bloßes Schlagwort ist, sondern auch zur realen Bedrohung werden kann. Gegen diese kann man sich allerdings durch eine D&O-Versicherung zumindest teilweise schützen. Geht Wer Entscheidungen trifft, macht auch Fehler. Dagegen ist niemand gefeit, auch kein Manager. (Unternehmerische) Fehlentscheidungen – getroffen von Vorständen, Geschäftsführern, Aufsichtsräten etc. – können allerdings massive finanzielle Folgen haben. Das bisher wohl eindrucksvollste Beispiel dafür ist der VW-Abgasskandal. Im September 2015 tauchten erste Berichte auf, VW habe bei Dieselmotoren getrickst. Um die besonders strengen US-Abgasnormen zu erfüllen, wurde in die Motoren eine „Schummel“-Software eingebaut. Sie sorgt dafür, dass die Abgasnormen am Prüfstand eingehalten werden. Im „Normalbetrieb“ liegen die Emissionen freilich weit über den zulässigen Werten. Betroffen sind bis zu elf Millionen Fahrzeuge weltweit und neben Volkswagen selbst auch die zum Konzern gehörenden Marken Audi, Seat und Skoda. Der Betrugs- und Manipulationsskandal trifft VW hart. Allein für einen Vergleich, der kürzlich mit der US-Justiz und hunderten Privatklägern geschlossen wurde, muss der weltgrößte Autobauer umgerechnet mehr als 13 Milliarden Euro hinblättern. Dazu kommen die Kosten der Um- und Nachrüstung der betroffenen Autos, es drohen weitere empfindliche Strafzahlungen sowie zahlreiche Klagen von Großanlegern und Privataktionären. Wegen des Skandals kämpft der gesamte VW-Konzern außerdem mit einem massiven Imageverlust, der zu empfindlichen Umsatzeinbußen führen könnte. Und die Anwaltskosten werden angesichts der Dimension der Affäre, die mittlerweile in den USA, Europa und Asien die Gerichte beschäftigt, mindestens auf einen dreistelligen Millionenbetrag geschätzt. VW hat bereits mehr als 6,5 Milliarden Euro Rückstellungen für den Schaden gebildet, die Bilanz für das Geschäftsjahr 2015 färbte sich dadurch tiefrot. Die straf- und zivilrechtliche Aufarbeitung des Skandals wird freilich noch Jahre dauern. Wie hoch die Gesamtbelastung sein wird, kann heute niemand

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beziffern, ein mittlerer zweistelliger Milliardenbetrag dürfte es aber wohl werden. Die Affäre zieht indes immer weitere Kreise. Bei diversen Tests stellten Experten fest, dass es auch bei anderen Fahrzeugherstellern zu Problemen mit den Schadstoffgrenzwerten gekommen ist. Auch Autozulieferer könnten in die Abgasmanipulationen verwickelt sein. So hatte VW die Technik zur Abgasnachbehandlung bei Bosch gekauft. Der Zulieferer weist allerdings jede Verantwortung von sich, diese liege ausschließlich bei Volkswagen.

Wer waren die Täter? Der VW-Skandal macht wieder einmal deutlich, dass die Manager-Haftung keine abstrakte Angelegenheit ist, die man auf die leichte Schulter nehmen kann. Sie stellt vielmehr ein konkretes Risiko dar, im schlimmsten Fall kann deshalb sogar der persönliche Ruin drohen. Derzeit geht es bei „Dieselgate“ vor allem darum, wer im VW-Konzern wann was von den fatalen Manipulationen gewusst hat oder hätte wissen müssen und wer diese in Auftrag gegeben hat oder hätte verhindern müssen. Die Justiz ermittelt gegen eine ganze Reihe von derzeit amtierenden oder bereits ausgeschiedenen Spitzenmanagern des Unternehmens, darunter auch Martin Winterkorn, früher VW-Konzernchef. Doch mit Haftungsrisiken haben nicht nur die Bosse in Weltkonzernen wie VW zu kämpfen. Auch für Führungskräfte in Mittel- und Kleinbetrieben kann es teuer werden, wenn ihnen Flops unterlaufen und sie dafür mit ihrem Privatvermögen haftungsmäßig belangt werden können.

Sicherheitsnetz für Manager Für solche Fälle leistet eine D&O (Directors and Officers)-Versicherung gute Dienste. Diese Manager-Haftpflichtversicherung stellt ein Sicherheitsnetz dar und sollte mittlerweile ebenso „betriebsnotwendig“ sein wie eine Feuer- oder Betriebshaftpflichtversicherung. Praktisch alle börsennotierten Gesellschaften in Deutschland und in Österreich haben eine solche Absicherung, ebenso die großen GmbHs sowie Banken und Versicherungen. Rechtlich gesehen ist die D&O-Versicherung eine Vermögensschaden-Haftpflichtver-sicherung für Unternehmensorgane. Abgeschlossen wird sie von einem Unternehmen für seine Organe (Geschäftsführer, Vorstände, Aufsichtsräte, Beiräte etc.), sie ist also eine Versicherung zugunsten Dritter. Die Gesellschaft ist die Versicherungsnehmerin und zahlt die Prämie. Versicherte Personen sind die Unternehmensorgane. Was heißt das konkret? Wird beispielsweise das Unternehmen von einem geschädigten Dritten belangt und es Brigitta Schwarzer

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steht der Vorwurf im Raum, dass eine versicherte Person den Schaden schuldhaft herbeigeführt hat, dann stellt sich der D&O-Versicherer auf die Seite der versicherten Personen und gegen das Unternehmen. Natürlich ist aber auch hier die Welt nicht schwarz-weiß: die Gesellschaft hat ein eminentes Interesse, dass solche Auseinandersetzungen möglichst wenig Öffentlichkeitswirksamkeit entfalten und vor allem daran, dass sie selbst nicht auf dem Schaden sitzen bleibt. Das ist sie den Gesellschaftern und Aktionären schuldig. Der Versicherer möchte eine rasche Streitbeilegung, um die Deckungssumme zu schonen und sein eigenes Kostenrisiko zu reduzieren. Da treffen sich die Interessen und der Boden für eine Vergleichsbereitschaft Gesellschaft vs. versicherte Personen und Versicherer vs. Gesellschaft ist aufbereitet. Neben der Unternehmens-D&O gibt es auch die Möglichkeit, eine persönliche D&O-Versicherung abzuschließen. Hier ist der Manager Versicherungsnehmer und zahlt selbst die Prämie. Das kann z.B. für einen Geschäftsführer einer österreichischen GmbH, deren Muttergesellschaft ihren Sitz im Ausland hat, sinnvoll sein. Die D&O-Versicherung hat sowohl eine Abwehr- als auch eine Schadenausgleichsfunktion. Sie zahlt einerseits die Anwaltskosten, wenn es darum geht, ungerechtfertigte Schadenersatzansprüche gegen die versicherten Personen abzuwehren. Andererseits befriedigt sie begründete Schadenersatzansprüche, die gegen eine versicherte Person von Dritten oder vom Unternehmen selbst wegen eines auf einem schuldhaften Pflichtverstoß beruhenden Fehlverhaltens erhoben werden. Die D&O-Versicherung stammt ursprünglich nicht - wie man vielleicht annehmen könnte - -aus den USA. Die ersten Überlegungen, eine Haftpflichtversicherung für Unternehmensorgane einzuführen, wurden bereits 1895 in Deutschland angestellt, stießen aber auf den Widerstand der Aufsichtsbehörde. Ein derartiges Versicherungsprodukt sei „unmoralisch“, so das Urteil, die Genehmigung wurde versagt. Etwa ab 1930 kamen in Großbritannien erste Manager-Haftpflichtversicherungen auf den Markt, wenig später setzte sich das Produkt in den USA langsam durch. Ab etwa 1980 stieg auch international die Verbreitung der D&O-Versicherung. In Deutschland dauerte es länger, bis sich die haftungsmäßige Absicherung von Managern zumindest in größeren Unternehmen etablieren konnte. Noch langsamer ging es in Österreich, wo vor allem die Klein- und Mittelbetriebe sowie Stiftungen bis heute sehr oft keinen D&OSchutz haben. Der VW-Skandal, der seit Monaten für Schlagzeilen in der Wirtschaftsberichterstattung sorgt, könnte nun bei so manchen Unterneh172

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men und deren Führungskräften das Interesse an einer Absicherung durch eine D&O-Polizze wecken. Generell steigt seit einiger Zeit das Interesse für den D&O-Schutz, die Versicherer melden eine steigende Zahl von Abschlüssen sowie eine Zunahme bei den Deckungssummen. Dafür sind gleich mehrere Faktoren verantwortlich. Neben glamourösen Fällen wie eben jetzt VW sind dies vor allem die schwieriger gewordenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die steigende Aufmerksamkeit, mit welcher Medien und Öffentlichkeit heute auf tatsächliches oder vermutetes unternehmerisches Fehlverhalten reagieren. Die gesetzlichen Regelungen sind ebenso strenger geworden wie die Rechtsprechung, dazu kommen gestiegene Anforderungen an Corporate Governance und Compliance.

Manager muss Unschuld beweisen Ein Manager kann dann für einen von ihm verursachten Vermögensschaden zur Verantwortung gezogen werden, wenn ihn der Vorwurf eines zumindest fahrlässig verursachten Pflichtverstoßes trifft. Geschäftsleitungs- und Aufsichtsratsmitglieder haften persönlich, solidarisch für die jeweiligen Gremiumkollegen und unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen. Verschärft wird die Haftung noch durch die Beweislastumkehr. Man muss also nicht ihnen ihr Verschulden beweisen, sondern sie müssen beweisen, dass sie mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vorgegangen sind. Das ist natürlich in der Praxis viel schwieriger.

Business Judgment Rule Sollte ein Unternehmensorgan im Rahmen des unternehmerischen Ermessensspielraums gehandelt haben, trifft ihn auch dann keine Schadenersatzpflicht, wenn sich die Entscheidung nachträglich als falsch herausstellt und daraus ein Schaden – auch wenn dieser möglicherweise extrem hoch ausfällt - resultiert. Ohne diese Business Judgment Rule/“Safe Harbour“ wäre es Unternehmensorganen kaum möglich, eine Firma vernünftig zu führen. Das Prinzip stammt ursprünglich aus dem angloamerikanischen Rechtssystem. Im österreichischen Zivilrecht wird dieser Grundsatz bereits seit längerem angewandt. Mit der Strafrechtsreform, die entsprechende Änderungen im Aktiengesetz und im GmbH-Gesetz brachte, ist die Business Judgment Rule seit 1. Jänner 2016 nun auch formell in der österreichische Rechtsordnung verankert. Um sich im Ernstfall auf die Business Judgment Rule berufen zu können, sollten alle Unternehmensorgane sorgfältig dokumentieren, wie sie zu ihren Entscheidungen gekommen sind. Wichtig ist es, diese Aufzeichnungen aufzuBrigitta Schwarzer

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bewahren – auch dann noch, wenn man aus einer Führungsfunktion bereits ausgeschieden ist.

Bei Vorsatz wird nicht gezahlt! Auch für D&O-Versicherungen gelten die allgemeinen Regeln des Schadenersatzrechts. Eine Person hat dann für einen Schaden aufzukommen, wenn neben dem Schaden Kausalität, Rechtswidrigkeit und Verschulden gegeben ist. Ganz wesentlich und wohl auch in der VW-Affäre einer der Knackpunkte: Bei unbedingt vorsätzlichen bzw. wissentlichen Pflichtverletzungen oder gar einem rechtskräftigen Strafurteil wegen eines Vorsatzdelikts fällt der Versicherungsschutz weg! Sollte also ein VW-Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied von den Abgas-Manipulationen gewusst und diese gebilligt oder gar in Auftrag gegeben haben, muss es die Folgen selbst tragen. Unbedingt zu beachten: Der Aufsichtsrat hat Haftungsansprüche gegenüber (Ex-)Geschäfts-leitungsmitgliedern zwingend (!) zu verfolgen und die amtierende Geschäftsleitung muss Ansprüche gegenüber (Ex-)Aufsichtsratsmitgliedern geltend machen. Eine Besonderheit der D&O-Sparte ist das Claims-made-Prinzip. Demnach umfasst der Versicherungsschutz alle jene Ansprüche, die während der Geltungsdauer des Versicherungsvertrags gegen die versicherten Personen geltend gemacht werden. Wann die Pflichtverletzung begangen wurde, ist üblicherweise – d. h. dann, wenn mit dem Versicherer eine Rückwärtsdeckung (das heißt, dass Ansprüche in Zusammenhang mit Pflichtverletzungen vor D&O-Vertragsbeginn mitversichert sind) vereinbart wurde, unbeachtlich. Um auch allfällige „Spätschäden“ abzudecken, sehen die Versicherungspolizzen Nachhaftungsfristen vor, deren Dauer und Bedingungen von Versicherer zu Versicherer variiert. Bei jeder D&O-Versicherung gibt es eine Deckungssumme, bis zu der Schäden übernommen werden. Diese Deckungssumme steht jedenfalls einmal pro Versicherungsjahr zur Verfügung, einzelne Versicherer bieten hier Wiederauffüllungs-Optionen in unterschiedlichen Ausführungen an. Die Festlegung der Deckungssumme ist ein recht heikles Unterfangen: Ist sie zu hoch, wird die Versicherungsprämie teuer. Setzt man sie zu niedrig an, steht man als Manager bei größeren Schadenfällen trotz Versicherung „im Regen“ und muss den fehlenden Betrag selbst aus dem Privatvermögen aufbringen. Orientieren könnte man sich etwa am größtmöglichen Maximalschaden.

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D&O-Deckungssummen, Prämien und Wordings Die D&O-Deckungssummen liegen bei den größten deutschen Konzernen bei geschätzten 350 bis 400 Millionen Euro. Bei VW dürften es Branchengerüchten zufolge 500 Millionen Euro sein. Dafür soll es ein Konsortium von etwa zehn Versicherungsgesellschaften unter Führung von Zurich und Allianz geben. Für die involvierten Versicherer ist die VW-Causa in jedem Fall ein schwerer Schlag, machen doch die gesamten D&O-Prämien auf dem deutschen Markt pro Jahr nur etwa 700 Millionen Euro aus. Wie hoch die Prämie ist, hängt bei der D&O-Versicherung von Unternehmenskennzahlen wie Ergebnis, Umsatz und Bilanzsumme sowie der Bonität der betroffenen Gesellschaft ab. Als Faustformel kann man mit einer Jahresprämie von einem Promille der Versicherungssumme rechnen. Arbeitet man in einer risikoreichen Branche, schreibt das Unternehmen rote Zahlen oder hat nur wenig Eigenkapital, bekommt man schwerer den gewünschten Versicherungsschutz und zahlt jedenfalls eine höhere Prämie. Eine D&O-Polizze ist kein vorgefertigtes Massenprodukt, sondern eine höchst individuelle Angelegenheit. Wer sind die versicherten Personen, welche Tochter- und Beteiligungsunternehmen sollen mitversichert werden, welche Geschäftstätigkeit ist vom Versicherungsschutz umfasst, gibt es ein USA-Risiko? Alle diese Fragen – und einige weitere - gilt es im Vorfeld sorgfältig zu klären, um bei einer Inanspruchnahme der Versicherung keine unliebsamen Überraschungen zu erleben. Ratsam ist es daher, sich vor Vertragsabschluss beraten zu lassen und mehrere Angebote einzuholen. Bitte beachten: Wie jede Haftpflichtversicherung, so enthält auch die D&O-Versicherung einen Vorsatz- (dolus directus-) bzw. Wissentlichkeitsausschluss, d.h., dass bei Vorliegen dieses Verschuldensgrades seitens versicherter Personen keine Deckung gegeben ist und vom Versicherer übernommene Verfahrenskosten von der betroffenen versicherten Person in der Regel zurückzuerstatten sind. Dass das besonders im Strafverfahren ins Geld gehen kann, hat sich in der Praxis immer wieder gezeigt. Gerade im VW-Fall wird das einer der springenden Punkte sein, ob die Versicherer zahlen müssen oder nicht. Auch der Grad einer etwaigen Vergleichsbereitschaft wird davon abhängen. Mit der Übernahme von Strafen und Bußgeldern ist es so eine Sache. Aus Gründen der Sittenwidrigkeit sind sie grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Allerdings gibt es D&O-Versicherer, die die Deckung nicht von vornherein verneinen, falls ein zur Straf- bzw. Bußgeldzahlung verdonBrigitta Schwarzer

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nertes Unternehmen diesen Schaden gegenüber seinen Organen geltend macht. Das setzt jedoch immer voraus, dass der Regress im Innenverhältnis rechtlich überhaupt zulässig ist, was im Einzelfall zu prüfen ist. In der D&O-Versicherung geht es fast immer um Großschäden. Wenn etwas passiert und der Geschädigte mit seinem Anspruch durchkommt, dann wird es teuer. Laut Branchenstatistiken sind 80 bis 90 Prozent aller Versicherungsfälle in der D&O-Sparte Innenansprüche, also solche der Gesellschaft gegen eines ihrer Organe.

Vergleich statt Rechtsweg? Etwa 50 Prozent der D&O-Fälle sind Deckungsablehnungen, 35 Prozent entfallen auf die Abwehr von unberechtigten Ansprüchen, nur 15 Prozent sind echte Schadenzahlungen. Bis zu 90 Prozent werden durch einen außergerichtlichen Vergleich beigelegt. Wie schon einleitend gesagt, hat ein Vergleich den Vorteil, dass er den klassischen Rechtsweg erheblich verkürzt. Beide Seiten ersparen sich einiges an Anwalts- und Prozesskosten, der Fall verschwindet schneller aus der Medienberichterstattung. Wie schaut ein Vergleich in der Praxis aus? Immer werden die versicherten Personen im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten zur Kasse gebeten, das kann durchaus in die Millionen-Eurobeträge gehen. Ihr Beitrag muss sie empfindlich schmerzen und in ihrer zukünftigen Lebensführung beeinträchtigen. Auch aus generalpräventiven Gründen ist das unbedingt erforderlich. Der Rest wird zwischen Versicherer und Gesellschaft „ausgeschnapst“. Je nach Sachlage sowie Argumentations- und Verhandlungsgeschick zahlen die Versicherer einen kleineren oder größeren Anteil an der Versicherungssumme aus. Ein Hinweis: Die deutsche Rechtslage gibt vor, dass Vorstände von Aktiengesellschaften einen verpflichtenden D&O-Selbstbehalt bis zur Höhe des Eineinhalbfachen ihrer bisherigen jährlichen Festvergütung selbst zu tragen haben. In der Praxis verfügen die betroffenen Personen jedoch meist über einen D&O-Selbstbehaltsversicherungsschutz. Das erhöht die Komplexität der Deckungsabwicklung, zumal auch die Selbstbehaltspolizzen den normalen D&O-Vorsatz-/Wissentlichkeitsausschluss beinhalten.

Womit dürfen VW und das VWManagement D&O-mäßig rechnen? Beim VW-Abgasskandal wird der Gesamtschaden wohl weit über der D&O-Versicherungssumme liegen. Diese könnte, so meinen Branchenexperten, schon für den Rechtsschutz, sprich die Anwaltskosten weitgehend aufgebraucht werden. Weil auch bei den Managern keine hohen Millionenbeträge zu holen sein werden, dürfte VW schon alleine aufgrund des Summenlimits auf einem großen Teil des Schadens sitzen bleiben. Medienberichten zufolge hat das Versichererkonsortium gegenüber betroffenen versicherten Personen für gewisse Abwehrkosten (Anwalts- und Verfahrenskosten) eine vorläufige Deckungszusage gegeben. Kommt es in der Folge zu rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen, könnte es für diese Personen eng werden. Auch ist dann – wenn überhaupt noch D&O-Versicherungssumme verfügbar wäre - damit zu rechnen, dass sie für zivilrechtliche Schadenersatzansprüche ohne Versicherungsschutz dastehen. Da die VW-Sachverhaltslage äußerst komplex und die Anzahl der involvierten Personen groß ist, wird eine vollständige Schadenaufarbeitung sowohl straf- als auch zivilrechtlich noch lange dauern. Wie die Angelegenheit D&O-versicherungsmäßig letztendlich ausgehen wird, kann derzeit noch nicht beurteilt werden.

Resümee Wie die Ausführungen zeigen, wird mit dem VW-Abgasskandal ein neues Kapitel in der D&O-Versicherung aufgeschlagen. Unabhängig vom Ausgang wird diese Causa D&O-Geschichte schreiben. Der VW-Fall zeigt, wie schnell Malversationen eine enorme Dimension annehmen können, die Dynamik ist dann kaum noch zu bremsen. Das sei auch kleineren Unternehmen, nicht nur im Kfz-Zulieferbereich, ins Stammbuch geschrieben. So reizvoll eine „kleine Manipulation“ zur Förderung des Geschäfts erscheinen mag, so groß ist das Risiko, dass die Sache auffliegt und nicht nur die Reputation, sondern die Existenz einer Gesellschaft auf dem Spiel steht. Frei nach dem Motto: kleine Ursache, große Wirkung. Auch wenn eine D&O-Versicherung möglicherweise nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“ ist - es ist auf jeden Fall gut, wenn man sie in der Schublade hat.

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Dr. Brigitta Schwarzer, MBA, ist Juristin und Expertin für Governance & Compliance sowie gerichtlich beeidete Sachverständige für D&O-Versicherungen. Als Kooperationspartnerin unterstützt sie GrECo International AG insbesondere bei Industrieakquisitionen und im D&O-Bereich. Weiters ist sie seit 2015 geschäftsführende Gesellschafterin der INARA GmbH, einer Governance & Compliance-Wissensplattform für Vorstände, Geschäftsführer, Aufsichtsräte und Stiftungsvorstände. [email protected]; www.inara.at

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