ENSEMBLE WILD FRANK HOFFMANN liest Heinrich Heine

© CKED

Der Tag ist in die Nacht verliebt

01 Giovanni tranquillo . . . . . . . . . . . . . . . . D.D. Lowka (arr. Diego Collatti) . . . . . . . . . . . . . 02 Das Hohelied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Des Weibes Leib ist ein Gedicht . . . . . . . . . . 03 Du liegst mir so gern im Arme. . . . . . . . Du liegst mir so gern im Arme . . . . . . . . . . . 04 Nobody does it better . . . . . . . . . . . . . . Marvin Hamlisch (arr. Robert M. Weiß) . . . . . . . 05 Bergidylle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auf dem Berge steht die Hütte . . . . . . . . . . . 06 Seraphine Nr. 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Graue Nacht liegt auf dem Meere . . . . . . . . . 07 Central Park . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nils Gessinger (arr. Monika Etzelt) . . . . . . . . . . 08 Waldeinsamkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich hab’ in meinen Jugendtagen . . . . . . . . . 09 Cinema Paradiso . . . . . . . . . . . . . . . . . Ennio Morricone (arr. Sascha Peres) . . . . . . . . . 10 Die Loreley. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich weiß nicht, was soll es bedeuten . . . . . . 11 Die Nixen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Am einsamen Strande plätschert die Flut . . . 12 Die Heimkehr Nr. 12. . . . . . . . . . . . . . . . Der Abend kommt gezogen . . . . . . . . . . . . . 13 Jakob Elija . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Hinterseher (arr. Diego Collatti) . . . . . . 14 Prolog (aus Die Harzreise). . . . . . . . . . . Schwarze Röcke, seidne Strümpfe . . . . . . . . 15 Mir Träumt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mir träumt’: Ich bin der liebe Gott . . . . . . . . 16 Over the rainbow . . . . . . . . . . . . . . . . . Harold Arlen (arr. Monika Etzelt) . . . . . . . . . . . . 17 Laß ab! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Tag ist in die Nacht verliebt . . . . . . . . . . 18 Die Heimkehr Nr. 55. . . . . . . . . . . . . . . . Ich wollte bei dir weilen . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Lyrisches Intermezzo Nr. 23. . . . . . . . . . Warum sind denn die Rosen so blaß . . . . . . 20 Lyrisches Intermezzo Nr. 65. . . . . . . . . . Die alten, bösen Lieder . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Oblivion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Astor Piazzolla . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Nachtgedanken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Denk ich an Deutschland in der Nacht . . . . . 23 Der Wind hat mir ein Lied erzählt . . . . Lothar Brühne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Der tugendhafte Hund. . . . . . . . . . . . . . . Ein Pudel, der mit gutem Fug . . . . . . . . . . . . 25 The Hunt (aus „World Wide Wild“) . . . . Sascha Peres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Rückschau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich habe gerochen alle Gerüche . . . . . . . . . . 27 Grabspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wo wird einst des Wandermüden . . . . . . . . 28 Stillness of the Mind . . . . . . . . . . . . . . Abel Korzeniowski (arr. Robert M. Weiß) . . . . . . 29 Das Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich mache jetzt mein Testament . . . . . . . . . . 30 Beine hat uns zwei gegeben …. . . . . . . Beine hat uns zwei gegeben . . . . . . . . . . . . . 31 Libertango . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Astor Piazzolla (arr. Diego Collatti) . . . . . . . . . .

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Innovative Tradition? Spannende Mühelosigkeit? Hörerfreundliche Moderne? Doch, doch – das lässt sich arrangieren: Das Ensemble Wild hat sich vorgenommen, die große Tradition der Musik mit Liebe zu entstauben, mit Ambition zu erneuern, mit Freude zu spielen – und dabei (fast) niemals Schwarz zu tragen. Erst kam die Klassik. Dann die Neugier. Und schließlich eine unendliche Reise zu neuen Horizonten – der gemeinsame Nenner des Repertoires ist Musik, die Freude macht. Weil sie ohne Gehirnakrobatik emotional verstanden wird und deshalb nicht Mühe bereitet, sondern Vergnügen – und das besonders mit Frank Hoffmann. Seit 2009 arbeiten wir mit Frank Hoffmann zusammen. Durch seine sprachliche Begleitung vervollständigte er unser Programm „World Wide Wild“ mit amüsanten Anekdoten. Die Zusammenarbeit fand ihre Fortsetzung mit dem Filmprogramm „Wild im Kino“ – eine Reise durch 70 Jahre Filmgeschichte, die in ihren Textbeiträgen an die erfolgreiche ORF Sendung „Trailer“ erinnert. Die vorliegende CD ist nun die Hinzunahme eines weiteren Genres: Lyrik. – Frank Hoffmanns Stimme und Vortrag der Werke Heinrich Heines intensivieren unsere Musik.

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Frank Hoffmann

Es war Österreichs genialster Schauspieler und Rezitator Oskar Werner, der mich nachhaltig auf den Dichter Heinrich Heine aufmerksam gemacht hat. Seine unnachahmliche Interpretation von Heines Ballade „Waldeinsamkeit“ – als „akustisches Weltkulturerbe“ auf CD gespeichert – hat in mir einen lang anhaltenden Nachhall erzeugt und dieser Nachklang hat zu einer intensiven Beschäftigung mit dem Menschen Heinrich Heine, seinen Lebensumständen, seinem – fast – gesamten Oeuvre und schließlich zu dem Ihnen hier vorliegenden Ergebnis geführt. Es hat sehr lange gedauert bis ich mich entschließen konnte, die „Waldeinsamkeit“ auf meine Weise zu interpretieren. Zu sehr hatte sich Werners „Soul“-Stimme und ihre schillernden Färbungen in mein Gehör eingebrannt und Einfluss auf meine Empfindung während der Erzählung dieser Ballade genommen. Aber als das Radiokulturhaus die Anfrage an mich richtete ob ich mir eine Lesung in dem traditionsreichen Sendesaal des ORF-Hörfunk vorstellen könnte, obsiegte schließlich die Kühnheit. Ein spezieller großer Anreiz zur Interpretation von Heines Dichtung war die Zusammenarbeit mit dem „Ensemble Wild“, dem ich hier mit Hochachtung und Freude dafür danken möchte, dass die vier Damen mich an besagtem Radiokulturhaus-Abend auf den Flügeln ihrer Musik mitgetragen haben.

Das Hohelied Des Weibes Leib ist ein Gedicht, Das Gott der Herr geschrieben Ins große Stammbuch der Natur, Als ihn der Geist getrieben. Ja, günstig war die Stunde ihm, Der Gott war hochbegeistert; Er hat den spröden, rebellischen Stoff Ganz künstlerisch bemeistert. Fürwahr, der Leib des Weibes ist Das Hohelied der Lieder; Gar wunderbare Strophen sind Die schlanken, weißen Glieder. O welche göttliche Idee Ist dieser Hals, der blanke, Worauf sich wiegt der kleine Kopf, Der lockige Hauptgedanke!

Hier atmet wahre Poesie! Anmut in jeder Wendung! Und auf der Stirne trägt das Lied Den Stempel der Vollendung. Lobsingen will ich dir, o Herr, Und dich im Staub anbeten! Wir sind nur Stümper gegen dich, Den himmlischen Poeten. Versenken will ich mich, o Herr, In deines Liedes Prächten; Ich widme seinem Studium Den Tag mitsamt den Nächten. Ja, Tag und Nacht studier ich dran, Will keine Zeit verlieren; Die Beine werden mir so dünn Das kommt vom vielen Studieren. Du liegst mir so gern im Arme

Der Brüstchen Rosenknospen sind Epigrammatisch gefeilet; Unsäglich entzückend ist die Zäsur, Die streng den Busen teilet.

Du liegst mir so gern im Arme, 
 Du liegst mir am Herzen so gern! 
 Ich bin dein ganzer Himmel, 
 Du bist mein liebster Stern.

Den plastischen Schöpfer offenbart Der Hüften Parallele; Der Zwischensatz mit dem Feigenblatt Ist auch eine schöne Stelle.

Tief unter uns da wimmelt 
 Das närrische Menschengeschlecht; 
 Sie schreien und wüten und schelten, 
 Und haben Alle Recht.

Das ist kein abstraktes Begriffspoem! Das Lied hat Fleisch und Rippen, Hat Hand und Fuß; es lacht und küßt Mit schöngereimten Lippen.

Sie klingeln mit ihren Kappen 
 Und zanken ohne Grund; 
 Mit ihren Kolben schlagen 
 Sie sich die Köpfe wund.

Wie glücklich sind wir beide 
 Daß wir von ihnen so fern -
 Du birgst in deinem Himmel 
 Das Haupt, mein liebster Stern!

»Aber seit die Muhme tot ist,
 Können wir ja nicht mehr gehn
 Nach dem Schützenhof zu Goslar,
 Dorten ist es gar zu schön.

Bergidylle

Hier hingegen ist es einsam,
 Auf der kalten Bergeshöh,
 Und des Winters sind wir gänzlich
 Wie begraben in dem Schnee.

Auf dem Berge steht die Hütte, Wo der alte Bergmann wohnt; Dorten rauscht die grüne Tanne, Und erglänzt der goldne Mond. In der Hütte steht ein Lehnstuhl,
 Ausgeschnitzelt wunderlich,
 Der darauf sitzt, der ist glücklich,
 Und der Glückliche bin Ich! Auf dem Schemel sitzt die Kleine,
 Stützt den Arm auf meinen Schoß;
 Äuglein wie zwei blaue Sterne,
 Mündlein wie die Purpurros. Und die lieben, blauen Sterne
 Schaun mich an so himmelgroß,
 Und sie legt den Liljenfinger
 Schalkhaft auf die Purpurros. Nein, es sieht uns nicht die Mutter,
 Denn sie spinnt mit großem Fleiß,
 Und der Vater spielt die Zither,
 Und er singt die alte Weis. Und die Kleine flüstert leise,
 Leise, mit gedämpftem Laut;
 Manches wichtige Geheimnis
 Hat sie mir schon anvertraut.

Und ich bin ein banges Mädchen,
 Und ich fürcht mich wie ein Kind
 Vor den bösen Bergesgeistern,
 Die des Nachts geschäftig sind.« Plötzlich schweigt die liebe Kleine,
 Wie vom eignen Wort erschreckt,
 Und sie hat mit beiden Händchen
 Ihre Äugelein bedeckt. Lauter rauscht die Tanne draußen,
 Und das Spinnrad schnurrt und brummt,
 Und die Zither klingt dazwischen,
 Und die alte Weise summt: »Fürcht dich nicht, du liebes Kindchen,
 Vor der bösen Geister Macht;
 Tag und Nacht, du liebes Kindchen,
 Halten Englein bei dir Wacht!« Seraphine Nr. 8 Graue Nacht liegt auf dem Meere, Und die kleinen Sterne glimmen. Manchmal tönen in dem Wasser Lange hingezogne Stimmen.

Dorten spielt der alte Nordwind
 Mit den blanken Meereswellen,
 Die wie Orgelpfeifen hüpfen,
 Die wie Orgelpfeifen schwellen.

Im Wald, im Wald! da konnt ich führen 
 Ein freies Leben mit Geistern und Tieren; 
 Feen und Hochwild von stolzem Geweih, 
 Sie nahten sich mir ganz ohne Scheu.

Heidnisch halb und halb auch kirchlich
 Klingen diese Melodeien,
 Steigen mutig in die Höhe,
 Daß sich drob die Sterne freuen. Und die Sterne, immer größer,
 Glühen auf mit Lustgewimmel,
 Und am Ende groß wie Sonnen
 Schweifen sie umher am Himmel. Zur Musik, die unten tönet,
 Wirbeln sie die tollsten Weisen;
 Sonnennachtigallen sind es,
 Die dort oben strahlend kreisen. Und das braust und schmettert mächtig,
 Meer und Himmel hör ich singen,
 Und ich fühle Riesenwollust
 Stürmisch in mein Herze dringen. Waldeinsamkeit

Sie nahten sich mir ganz ohne Zagnis, 
 Sie wußten, das sei kein schreckliches Wagnis; 
 Daß ich kein Jäger, wußte das Reh, 
 Daß ich kein Vernunftmensch, wußte die Fee.

Ich hab in meinen Jugendtagen Wohl auf dem Haupt einen Kranz getragen; Die Blumen glänzten wunderbar, Ein Zauber in dem Kranze war.

Von Feenbegünstigung plaudern nur Toren – 
 Doch wie die übrigen Honoratioren 
 Des Waldes mir huldreich gewesen, fürwahr 
 Ich darf es bekennen offenbar.

Der schöne Kranz gefiel wohl Allen, 
 Doch der ihn trug hat Manchem mißfallen; 
 Ich floh den gelben Menschenneid, 
 Ich floh in die grüne Waldeinsamkeit.

Wie haben mich lieblich die Elfen umflattert! 
 Ein luftiges Völkchen! das plaudert und schnattert! 
 Ein bißchen stechend ist der Blick, 
 Verheißend ein süßes, doch tödliches Glück.

Ergötzten mich mit Maitanz und Maispiel, 
 Erzählten mir Hofgeschichten, zum Beispiel: 
 Die skandalose Chronika 
 Der Königin Titania.

Was ich zur Antwort gab, verhehle 
 Ich hier, doch meine unsterbliche Seele, 
 Glaubt mirs, ward nie davon verletzt, 
 Was eine kleine Nixe geschwätzt.

Saß ich am Bache, so tauchten und sprangen 
 Hervor aus der Flut, mit ihrem langen 
 Silberschleier und flatterndem Haar, 
 Die Wasserbacchanten, die Nixenschar.

Anmutig und schalkhaft sind Nixen und Elfen; 
 Nicht so die Erdgeister, sie dienen und helfen Treuherzig den Menschen. Ich liebte zumeist 
 Die, welche man Wichtelmännchen heißt.

Sie schlugen die Zither, sie spielten auf Geigen, 
 Das war der famose Nixenreigen; 
 Die Posituren, die Melodei, 
 War klingende, springende Raserei.

Sie tragen Rotmäntelchen, lang und bauschig, 
 Die Miene ist ehrlich, doch bang und lauschig; 
 Ich ließ nicht merken, daß ich entdeckt, 
 Warum sie so ängstlich die Füße versteckt.

Jedoch zu Zeiten waren sie minder 
 Tobsüchtig gelaunt, die schönen Kinder; 
 Zu meinen Füßen lagerten sie, 
 Das Köpfchen gestützt auf meinem Knie.

Sie haben nämlich Entenfüße 
 Und bilden sich ein, daß Niemand es wisse. 
 Das ist eine tiefgeheime Wund, 
 Worüber ich nimmermehr spötteln kunnt.

Trällerten, trillerten welsche Romanzen, 
 Zum Beispiel das Lied von den drei Pomeranzen,
 Sangen auch wohl ein Lobgedicht 
 Auf mich und mein nobeles Menschengesicht.

Ach Himmel! wir Alle, gleich jenen Zwergen, 
 Wir haben ja Alle etwas zu verbergen; 
 Kein Christenmensch, wähnen wir, hätte entdeckt,
 Wo unser Entenfüßchen steckt.

Sie unterbrachen manchmal das Gesinge 
 Lautlachend, und frugen bedenkliche Dinge, 
 Zum Beispiel: »Sag uns, zu welchem Behuf 
 Der liebe Gott den Menschen schuf?

Niemals verkehrt ich mit Salamandern, 
 Und über ihr Treiben erfuhr ich von andern 
 Waldgeistern sehr wenig. Sie huschten mir scheu 
 Des Nachts wie leuchtende Schatten vorbei.

Hat eine unsterbliche Seele ein jeder 
 Von euch? Ist diese Seele von Leder 
 Oder von steifer Leinwand? Warum 
 Sind eure Leute meistens so dumm?«

Sind spindeldürre, von Kindeslänge, 
 Höschen und Wämschen anliegend enge, 
 Von Scharlachfarbe, goldbestickt; 
 Das Antlitz kränklich, vergilbt und bedrückt.

Ein güldnes Krönlein, gespickt mit Rubinen, 
 Trägt auf dem Köpfchen ein jeder von ihnen; 
 Ein jeder von ihnen bildet sich ein, 
 Ein absoluter König zu sein.

Die Worte, die man beim Schätzegraben 
 Hinmurmelt, lehrten sie mich, sie haben 
 Mir alles expliziert – umsunst! 
 Hab nie begriffen die Schatzgräberkunst.

Daß sie im Feuer nicht verbrennen, 
 Ist freilich ein Kunststück, ich will es bekennen; 
 Jedoch der unentzündbare Wicht, 
 Ein wahrer Feuergeist ist er nicht.

Wohl hatt ich derselben nicht nötig dermalen, 
 Ich brauchte wenig, und konnt es bezahlen, 
 Besaß auch in Spanien manch luftiges Schloß, 
 Wovon ich die Revenüen genoß.

Die klügsten Waldgeister sind die Alräunchen, 
 Langbärtige Männlein mit kurzen Beinchen, 
 Ein fingerlanges Greisengeschlecht; 
 Woher sie stammen, man weiß es nicht recht.

O, schöne Zeit! wo voller Geigen 
 Der Himmel hing, wo Elfenreigen 
 Und Nixentanz und Koboldscherz 
 Umgaukelt mein märchentrunkenes Herz!

Wenn sie im Mondschein kopfüber purzeln, 
 Das mahnt bedenklich an Pissewurzeln; 
 Doch da sie mir nur Gutes getan, 
 So geht mich nichts ihr Ursprung an.

O, schöne Zeit! wo sich zu grünen 
 Triumphespforten zu wölben schienen 
 Die Bäume des Waldes – ich ging einher, 
 Bekränzt, als ob ich der Sieger wär!

Sie lehrten mir kleine Hexereien, 
 Feuer besprechen, Vögel beschreien, 
 Auch pflücken in der Johannisnacht 
 Das Kräutlein, das unsichtbar macht.

Die schöne Zeit, sie ist verschlendert, 
 Und Alles hat sich seitdem verändert, 
 Und ach! mir ist der Kranz geraubt, 
 Den ich getragen auf meinem Haupt.

Sie lehrten mich Sterne und Zeichen deuten, 
 Sattellos auf dem Winde reiten, 
 Auch Runensprüche, womit man ruft 
 Die Toten hervor aus ihrer Gruft.

Der Kranz ist mir vom Haupt genommen, Ich weiß es nicht, wie es gekommen; 
 Doch seit der schöne Kranz mir fehlt, Ist meine Seele wie entseelt.

Sie haben mir auch den Pfiff gelehrt, 
 Wie man den Vogel Specht betört 
 Und ihm die Springwurz abgewinnt, 
 Die anzeigt, wo Schätze verborgen sind.

Es glotzen mich an unheimlich blöde 
 Die Larven der Welt! Der Himmel ist öde, 
 Ein blauer Kirchhof, entgöttert und stumm. 
 Ich gehe gebückt im Wald herum.

Im Walde sind die Elfen verschwunden, Jagdhörner hör ich, Gekläffe von Hunden; 
 Im Dickicht ist das Reh versteckt, 
 Das tränend seine Wunden leckt.

Die schönste Jungfrau sitzet
 Dort oben wunderbar,
 Ihr goldnes Geschmeide blitzet
 Sie kämmt ihr goldenes Haar.

Wo sind die Alräunchen? Ich glaube, sie halten 
 Sich ängstlich verborgen in Felsenspalten. 
 Ihr kleinen Freunde, ich komme zurück, Doch ohne Kranz und ohne Glück. Wo ist die Fee mit dem langen Goldhaar, 
 Die erste Schönheit, die mir hold war? 
 Der Eichenbaum, worin sie gehaust, 
 Steht traurig entlaubt, vom Winde zerzaust. Der Bach rauscht trostlos gleich dem Styxe; 
 Am einsamen Ufer sitzt eine Nixe, Todblaß und stumm, wie ein Bild von Stein, 
 Scheint tief in Kummer versunken zu sein. Mitleidig tret ich zu ihr heran – 
 Da fährt sie auf und schaut mich an, 
 Und sie entflieht mit entsetzten Mienen, 
 Als sei ihr ein Gespenst erschienen. Loreley

Sie kämmt es mit goldenem Kamme
 Und singt ein Lied dabei;
 Das hat eine wundersame
 Gewaltige Melodei.

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten Daß ich so traurig bin; Ein Märchen aus alten Zeiten Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Den Schiffer im kleinen Schiffe
 ergreift es mit wildem Weh,
 Er schaut nicht die Felsenriffe,
 Er schaut nur hinauf in die Höh.

Die Luft ist kühl und es dunkelt,
 Und ruhig fließt der Rhein;
 Der Gipfel des Berges funkelt
 Im Abendsonnenschein.

Ich glaube, die Wellen verschlingen
 Am Ende Schiffer und Kahn;
 Und das hat mit ihrem Singen
 Die Loreley getan.

Die Nixen

Die Heimkehr Nr. 12

Am einsamen Strande plätschert die Flut,
 Der Mond ist aufgegangen,
 Auf weißer Düne der Ritter ruht,
 Von bunten Träumen befangen.

Der Abend kommt gezogen, 
 Der Nebel bedeckt die See; 
 Geheimnisvoll rauschen die Wogen, 
 Da steigt es weiß in die Höh.

Die schönen Nixen, im Schleiergewand,
 Entsteigen der Meerestiefe.
 Sie nahen sich leise dem jungen Fant,
 Sie glaubten wahrhaftig, er schliefe.

Die Meerfrau steigt aus den Wellen, 
 Und setzt sich zu mir an den Strand; 
 Die weißen Brüste quellen 
 Hervor aus dem Schleiergewand.

Die eine betastet mit Neubegier
 Die Federn auf seinem Barette.
 Die andre nestelt am Bandelier
 Und an der Waffenkette.

Sie drückt mich und sie preßt mich, 
 Und tut mir fast ein Weh; 
 Du drückst ja viel zu fest mich, 
 Du schöne Wasserfee!

Die dritte lacht, und ihr Auge blitzt,
 Sie zieht das Schwert aus der Scheide,
 Und auf dem blanken Schwert gestützt
 Beschaut sie den Ritter mit Freude.

»Ich preß dich, in meinen Armen,
 Und drücke dich mit Gewalt;
 Ich will bei dir erwarmen,
 Der Abend ist gar zu kalt.«

Die vierte tänzelt wohl hin und her
 Und flüstert aus tiefem Gemüte:
 »O, daß ich doch dein Liebchen wär,
 Du holde Menschenblüte!«

Der Mond schaut immer blasser 
 Aus dämmriger Wolkenhöh; -
 Dein Auge wird trüber und nasser, 
 Du schöne Wasserfee!

Die fünfte küßt des Ritters Händ,
 Mit Sehnsucht und Verlangen;
 Die sechste zögert und küßt am End
 Die Lippen und die Wangen.

»Es wird nicht trüber und nasser,
 Mein Aug ist naß und trüb,
 Weil, als ich stieg aus dem Wasser,
 Ein Tropfen im Auge blieb.«

Der Ritter ist klug, es fällt ihm nicht ein,
 Die Augen öffnen zu müssen;
 Er läßt sich ruhig im Mondenschein
 Von schönen Nixen küssen.

Die Möwen schrillen kläglich, 
 Es grollt und brandet die See; 
 Dein Herz pocht wild beweglich, 
 Du schöne Wasserfee!

»Mein Herz pocht wild beweglich,
 Es pocht beweglich wild,
 Weil ich dich liebe unsäglich,
 Du liebes Menschenbild!«

Auf die Berge will ich steigen,
 Wo die dunklen Tannen ragen,
 Bäche rauschen, Vögel singen,
 Und die stolzen Wolken jagen.



Aus der Harzreise - Prolog

Lebet wohl, ihr glatten Säle!
 Glatte Herren, glatte Frauen!
 Auf die Berge will ich steigen,
 Lachend auf euch niederschauen.

Schwarze Röcke, seidne Strümpfe,
 Weiße, höfliche Manschetten,
 Sanfte Reden, Embrassieren -
 Ach, wenn sie nur Herzen hätten!


Die Heimkehr Nr. 66

Herzen in der Brust, und Liebe,
 Warme Liebe in dem Herzen -
 Ach, mich tötet ihr Gesinge
 Von erlognen Liebesschmerzen.



Mir träumt‘: Ich bin der liebe Gott, Und sitz im Himmel droben, Und Englein sitzen um mich her, Die meine Verse loben.

Auf die Berge will ich steigen,
 Wo die frommen Hütten stehen,
 Wo die Brust sich frei erschließet,
 Und die freien Lüfte wehen.



Und Kuchen eß ich und Konfekt
 Für manchen lieben Gulden,
 Und Kardinal trink ich dabei,
 Und habe keine Schulden. Doch Langeweile plagt mich sehr,
 Ich wollt, ich wär auf Erden,
 Und wär ich nicht der liebe Gott,
 Ich könnt des Teufels werden. »Du langer Engel Gabriel,
 Geh, mach dich auf die Sohlen,
 Und meinen teuren Freund
Eugen Sollst du herauf mir holen. Such ihn nicht im Kollegium,
 Such ihn beim Glas Tokaier;
 Such ihn nicht in der Hedwigskirch‘,
 Such ihn bei Mamsell Meyer.«

Da breitet aus sein Flügelpaar
 Und fliegt herab der Engel,
 Und packt ihn auf, und bringt herauf
 Den Freund, den lieben Bengel.

Die Leutnants und die Fähnderichs,
 Das sind die klügsten Leute,
 Sie denken: alle Tag‘ geschieht
 Kein Wunder so wie heute.«

»Ja, Jung‘, ich bin der liebe Gott,
 Und ich regiere die Erde!
 Ich hab‘s ja immer dir gesagt,
 Daß ich was Rechts noch werde.

Laß ab!

Und Wunder tu ich alle Tag‘,
 Die sollen dich entzücken,
 Und dir zum Spaße will ich heut
 Die Stadt Berlin beglücken. Die Pflastersteine auf der Straß‘,
 Die sollen sich jetzt spalten,
 Und eine Auster, frisch und klar,
 Soll jeder Stein enthalten. Ein Regen von Zitronensaft
 Soll tauig sie begießen,
 Und in den Straßengössen soll
 Der beste Rheinwein fließen. Wie freuen die Berliner sich,
 Sie gehen schon ans Fressen;
 Die Herren von dem Landgericht,
 Die saufen aus den Gössen. Wie freuen die Poeten sich
 Bei solchem Götterfraße!
 Die Leutnants und die Fähnderichs,
 Die lecken ab die Straße.

Der Tag ist in die Nacht verliebt, Der Frühling in den Winter, Das Leben verliebt in den Tod – Und du, du liebest mich! Du liebst mich – schon erfassen dich
 Die grauenhaften Schatten,
 All deine Blüte welkt,
 Und deine Seele verblutet. Laß ab von mir, und liebe nur
 Die heiteren Schmetterlinge,
 Die da gaukeln im Sonnenlicht –
 Laß ab von mir und dem Unglück. Die Heimkehr Nr. 55 Ich wollte bei dir weilen 
 Und an deiner Seite ruhn; 
 Du mußtest von mir eilen; 
 Du hattest viel zu tun. Ich sagte, daß meine Seele 
 Dir gänzlich ergeben sei; 
 Du lachtest aus voller Kehle, 
 Und machtest ‘nen Knicks dabei. Du hast noch mehr gesteigert 
 Mir meinen Liebesverdruß, 


Und hast mir sogar verweigert 
 Am Ende den Abschiedskuß. Glaub nicht, daß ich mich erschieße, 
 Wie schlimm auch die Sachen stehn! 
 Das alles, meine Süße, 
 Ist mir schon einmal geschehn. Lyrisches Intermezzo Nr. 23 Warum sind denn die Rosen so blaß, O sprich, mein Lieb, warum? Warum sind denn im grünen Gras Die blauen Veilchen so stumm? Warum singt denn mit so kläglichem Laut
 Die Lerche in der Luft?
 Warum steigt denn aus dem Balsamkraut
 Hervor ein Leichenduft? Warum scheint denn die Sonn‘ auf die Au
 So kalt und verdrießlich herab?
 Warum ist denn die Erde so grau
 Und öde wie ein Grab? Warum bin ich selbst so krank und so trüb,
 Mein liebes Liebchen, sprich?
 O sprich, mein herzallerliebstes Lieb,
 Warum verließest du mich?

Hinein leg ich gar manches, Doch sag ich noch nicht was; Der Sarg muß sein noch größer Wie‘s Heidelberger Faß. Und holt eine Totenbahre, Von Brettern fest und dick; Auch muß sie sein noch länger, Als wie zu Mainz die Brück‘. Und holt mir auch zwölf Riesen, Die müssen noch stärker sein Als wie der heil‘ge Christoph Im Dom zu Köln am Rhein. Die sollen den Sarg forttragen Und senken ins Meer hinab, Denn solchem großen Sarge Gebührt ein großes Grab. Wißt ihr, warum der Sarg wohl So groß und schwer mag sein? Ich legt auch meine Liebe Und meinen Schmerz hinein. Nachtgedanken

Lyrisches Intermezzo Nr. 65

Denk ich an Deutschland in der Nacht,
 Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
 Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
 Und meine heißen Tränen fließen.

Die alten, bösen Lieder, Die Träume schlimm und arg, Die laßt uns jetzt begraben, Holt einen großen Sarg.

Die Jahre kommen und vergehn!
 Seit ich die Mutter nicht gesehn,
 Zwölf Jahre sind schon hingegangen;
 Es wächst mein Sehnen und Verlangen.

Mein Sehnen und Verlangen wächst.
 Die alte Frau hat mich behext,
 Ich denke immer an die alte,
 Die alte Frau, die Gott erhalte!

Deutschland hat ewigen Bestand,
 Es ist ein kerngesundes Land,
 Mit seinen Eichen, seinen Linden,
 Werd’ ich es immer wiederfinden.

Die alte Frau hat mich so lieb,
 Und in den Briefen, die sie schrieb,
 Seh ich, wie ihre Hand gezittert,
 Wie tief das Mutterherz erschüttert.

Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr,
 Wenn nicht die Mutter dorten wär;
 Das Vaterland wird nie verderben,
 Jedoch die alte Frau kann sterben.

Die Mutter liegt mir stets im Sinn. Zwölf lange Jahre flossen hin,
 Zwölf lange Jahre sind verflossen,
 Seit ich sie nicht ans Herz geschlossen.

Seit ich das Land verlassen hab,
 So viele sanken dort ins Grab,
 Die ich geliebt – wenn ich sie zähle,
 So will verbluten meine Seele. Und zählen muß ich – Mit der Zahl
 Schwillt immer höher meine Qual;
 Mir ist, als wälzten sich die Leichen,
 Auf meine Brust – Gottlob! Sie weichen! Gottlob! Durch meine Fenster bricht
 Französisch heitres Tageslicht;
 Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen
 Und lächelt fort die deutschen Sorgen. Der tugendhafte Hund Ein Pudel, der mit gutem Fug
 Den schönen Namen Brutus trug,
 War viel berühmt im ganzen Land
 Ob seiner Tugend und seinem Verstand.
 Er war ein Muster an Sittlichkeit,
 Der Langmut und Bescheidenheit.
 Man hörte ihn loben, man hörte ihn preisen
 Als einen vierfüßigen Nathan den Weisen.


Er war ein wahres Hundejuwel!
 So ehrlich und treu! eine schöne Seel!
 Auch schenkte sein Herr in allen Stücken
 Ihm volles Vertrauen, er konnte ihn schicken Sogar zum Fleischer. Der edle Hund
 Trug dann einen Hängekorb im Mund,
 Worin der Metzger das schön gehackte
Rindfleisch, Schaffleisch, auch Schweinefleisch packte. –
 Wie lieblich und lockend das Fett gerochen,
 Der Brutus berührte keinen Knochen, Und ruhig und sicher, mit stoischer Würde,
 Trug er nach Hause die kostbare Bürde. Doch unter den Hunden wird gefunden
 Auch eine Menge von Lumpenhunden –
 Wie unter uns, – gemeine Köter,
 Tagdiebe, Neidharde, Schwerenöter,
 Die ohne Sinn für sittliche Freuden
 Im Sinnenrausch ihr Leben vergeuden!
 Verschworen hatten sich solche Racker
 Gegen den Brutus, der treu und wacker,
 Mit seinem Korb im Maule, nicht
 Gewichen vom Pfade der Pflicht. – 
 Und eines Tages, als er kam
 Vom Fleischer und seinen Rückweg nahm
 Nach Hause, da ward er plötzlich von allen
 Verschwornen Bestien überfallen;
 Da ward ihm der Korb mit dem Fleisch entrissen,
 Da fielen zu Boden die leckersten Bissen,
 Und fraßbegierig über die Beute
 Warf sich die ganze hungrige Meute. –
 Brutus sah anfangs dem Schauspiel zu


Mit philosophischer Seelenruh; Doch als er sah, daß solchermaßen
 Sämtliche Hunde schmausten und fraßen,
 Da nahm er auch an der Mahlzeit teil
 Und speiste selbst eine Schöpsenkeul. Moral:
 Auch du, mein Brutus, auch du, du frißt?
 So ruft wehmütig der Moralist. 
 Ja, böses Beispiel kann verführen; Und, ach! gleich allen Säugetieren,
 Nicht ganz und gar vollkommen ist
 Der tugendhafte Hund – er frißt! Rückschau Ich habe gerochen alle Gerüche In dieser holden Erdenküche; Was man genießen kann in der Welt, Das hab ich genossen wie ein Held! Hab Kaffee getrunken, hab Kuchen gegessen, Hab manche schöne Puppe besessen; Trug seidne Westen, den feinsten Frack, Mir klingelten auch Dukaten im Sack, Wie Gellert ritt ich auf hohem Roß; Ich hatte ein Haus, ich hatte ein Schloß. Ich lag auf der grünen Wiese des Glücks, Die Sonne grüßte goldigsten Blicks; Ein Lorbeerkranz umschloß die Stirn, Er duftete Träume mir ins Gehirn, Träume von Rosen und ewigem Mai Es ward mir so selig zu Sinne dabei.

So dämmersüchtig, so sterbefaul Mir flogen gebratne Tauben ins Maul. Und Englein kamen, und aus den Taschen Sie zogen hervor Champagnerflaschen -

Immerhin! Mich wird umgeben
 Gotteshimmel, dort wie hier,
 Und als Totenlampen schweben
 Nachts die Sterne über mir.

Das waren Visionen, Seifenblasen Sie platzten. Jetzt lieg ich auf feuchtem Rasen, Die Glieder sind mir rheumatisch gelähmt, Und meine Seele ist tief beschämt.

Testament

Ach, jede Lust, ach, jeden Genuß Hab ich erkauft durch herben Verdruß; ich ward getränkt mit Bitternissen Und grausam von den Wanzen gebissen; Ich ward bedrängt von schwarzen Sorgen, ich mußte lügen, ich mußte borgen Bei reichen Buben und alten Vetteln? Ich glaube sogar, ich mußte betteln. Jetzt bin ich müd vom Rennen und Laufen, jetzt will ich mich im Grabe verschnaufen. Lebt wohl! Dort oben, ihr christlichen Brüder, Ja, das versteht sich, dort sehn wir uns wieder.

Ich mache jetzt mein Testament, Es geht nun bald mit mir zu End. Nur wundre ich mich, daß nicht schon längstens Mein Herz gebrochen vor Gram und Ängsten. Du aller Frauen Huld und Zier,
 Luise! ich vermache dir
 Zwölf alte Hemden und hundert Flöhe,
 Und dreimalhundert tausend Flüche. Dem guten Freund, der mit gutem Rat
 Mir immer riet und nie was tat,
 Jetzt, als Vermächtnis, rat ich ihm selber:
 Nimm eine Kuh und zeuge Kälber.

Grabspruch

Wem geb ich meine Religion,
 Den Glauben an Vater, Geist und Sohn?
 Der Kaiser von China, der Rabbi von Posen,
 Sie sollen beide darum losen.

Wo wird einst des Wandermüden
 letzte Ruhestätte sein? 
 Unter Palmen in dem Süden?
 Unter Linden an dem Rhein?

Den deutschen Freiheits- und Gleichheitstraum,
 Die Seifenblasen vom besten Schaum,
 Vermach ich dem Zensor der Stadt Krähwinkel;
 Nahrhafter freilich ist Pumpernickel.

Werd` ich wo in einer Wüste
 Eingescharrt von fremder Hand?
 Oder ruh` ich an der Küste
 Eines Meeres in dem Sand?

Die Taten, die ich noch nicht getan,
 Den ganzen Vaterlandsrettungsplan,
 Nebst einem Rezept gegen Katzenjammer,
 Vermach ich den Helden der badischen Kammer.

Und eine Schlafmütz, weiß wie Kreid,
 Vermach ich dem Vetter, der zur Zeit
 Für die Heidschnuckenrechte so kühn geredet;
 Jetzt schweigt er wie ein echter Römer. Und ich vermache dem Sittenwart
 Und Glaubensvogt zu Stuttegard Ein Paar Pistolen (doch nicht geladen),
 Kann seiner Frau damit Furcht einjagen. Ein treues Abbild von meinem Steiß
 Vermach ich der schwäbischen Schule; ich weiß,
Ihr wolltet mein Gesicht nicht haben,
 Nun könnt ihr am Gegenteil euch laben. Zwölf Krüge Seidlitzer Wasser vermach
 Ich dem edlen Dichtergemüt, das ach!
 Seit Jahren leidet an Sangesverstopfung;
 Ihn tröstete Liebe, Glaube und Hoffnung.

Und dieses ist ein Kodizill:
 Für den Fall, daß keiner annehmen will
 Die erwähnten Legate, so sollen sie alle
 Der römisch-katholischen Kirche verfallen. Beine hat uns zwei gegeben ... Beine hat uns zwei gegeben Gott der Herr, um fortzustreben, wollte nicht, dass an der Scholle unsre Menschheit kleben solle. Um ein Stillstandsknecht zu sein, genügte uns ein einzges Bein. Augen gab uns Gott ein Paar, 
 daß wir schauen rein und klar; um zu glauben, was wir lesen, 
 wär ein Aug genug gewesen. 
 Gott gab uns die Augen beide, 
 daß wir schauen und begaffen 
 wie er hübsch die Welt erschaffen 
 zu des Menschen Augenweide; 
 doch beim Gaffen in den Gassen 
 sollten wir die Augen brauchen 
 und uns dort nicht treten lassen auf die armen Hühneraugen, 
 die uns ganz besonders plagen, 
 wenn wir enge Stiefel tragen. Gott versah uns mit zwei Händen, 
 dass wir doppelt Gutes spenden; 
 nicht um doppelt zuzugreifen 
 und die Beute aufzuhäufen 
 in den großen Eisentruhn, wie gewisse Leute tun – 


(ihren Namen auszusprechen 
 dürfen wir uns nicht erfrechen – 
 hängen würden wir sie gern, 
 doch sie sind so große Herrn, 
 Philanthropen, Ehrenmänner, 
 manche sind auch unsre Gönner, 
 und man macht aus deutschen Eichen keine Galgen für die Reichen.) Gott gab uns nur eine Nase, 
 weil wir zwei in einem Glase 
 nicht hineinzubringen wüßten, 
 und den Wein verschlappern müßten. Gott gab uns nur einen Mund, 
 weil zwei Mäuler ungesund. 
 Mit dem einen Maule schon 
 schwätzt zu viel der Erdensohn. 
 Wenn er doppelmäulig wär, 
 fräß und lög er auch noch mehr. 
 Hat er jetzt das Maul voll Brei, 
 muß er schweigen unterdessen, 
 hätt er aber Mäuler zwei, 
 löge er sogar beim Fressen. Mit zwei Ohren hat versehn uns der Herr. Vorzüglich schön ist dabei die Symmetrie. 
 Sind nicht ganz so lang wie die, 
 so er unsern grauen braven 
 Kameraden anerschaffen. 
 Ohren gab uns Gott die beiden, 
 um von Mozart, Gluck und Haydn 
 Meisterstücke anzuhören – 
 Gäb es nur Tonkunst-Kolik 


und Hämorrhoidal-Musik 
 von dem großen Meyerbeer, 
 schon ein Ohr hinlänglich wär! – Als zur blonden Teutolinde ich in solcher Weise sprach, 
 seufzte sie uns sagte: Ach! 
 Grübeln über Gottes Gründe, 
 kritisieren unsern Schöpfer, 
 ach! das ist, als ob der Topf 
 klüger sein wollt als der Töpfer! 
 Doch der Mensch fragt stets: Warum? 
 Wenn er sieht, dass etwas dumm. 
 Freund ich hab dir zugehört, 
 und du hast mir gut erklärt, wie zum weisesten Behuf 
 Gott den Menschen zweifach schuf Augen, Ohren, Arm‘ und Bein‘, 
 während er ihm nur ein 
 Exemplar von Nas und Mund – 
 doch nun sage mir den Grund: 
 Gott, der Schöpfer der Natur, 
 warum schuf er einfach nur 
 das skabröse Requisit, das der Mann gebraucht, damit
er fortpflanze seine Rasse 
 und zugleich sein Wasser lasse? 
 Teurer Freund, ein Duplikat 
 wäre wahrlich hier vonnöten, 
 um Funktionen zu vertreten, 
 die so wichtig für den Staat 
 wie fürs Individuum, 
 kurz fürs ganze Publikum. 


Zwei Funktionen, die so greulich 
 und so schimpflich und abscheulich 
 miteinander kontrastieren und die Menschheit sehr blamieren. 
 Eine Jungfrau von Gemüt 
 muß sich schämen, wenn sie sieht, 
 wie ihr höchstes Ideal wird entweiht so trivial! Wie der Hochaltar der Minne wird zur ganz gemeinen Rinne! 
 Also Teutolinde sprach, 
 und ich sagte ihr: Gemach! Unklug wie die Weiber sind, 
 du verstehst nicht, liebes Kind, Gottes Nützlichkeitssystem, 
 sein Ökonomie-Problem ist, dass wechselnd die Maschinen 
 jeglichem Bedürfnis dienen, 
 dem profanen wie dem heilgen, 
 dem pikanten wie langweilgen, - 
 alles wird simplifiziert; 
 klug ist alles kombiniert: 
 Was dem Menschen dient zum Seichen, 
 damit schafft er seinesgleichen. 
 Auf demselben Dudelsack 
 spielt dasselbe Lumpenpack. 
 Feine Pfote, derbe Patsche, 
 fiedelt auf derselben Bratsche. 
 Durch dieselben Dämpfe, Räder 
 springt und singt und gähnt ein jeder, 
 und derselbe Omnibus fährt uns nach dem Tartarus.

Aufnahmeleitung: Robert Michael Weiß Tontechnik RKH: Gerald Domjan Schnitt: Matthias Fletzberger Mastering: Niki Neuspiel / Quadrovision Coverfoto:

Catherine Kunitzberger-Emanuely

Fotos:

Pia Bimashofer, Harald Bichler, Jörg Burger

Grafik:

Masoli (MF)

Produzent:

Masoli Records Mariahilferstraße 81/1/8 1060 Wien / Vienna (Austria) www.masoli.at

Vertrieb:

Preiser Records [PR 91228] ISBN: 978-3-7085-0208-3

Aufgenommen am 18. November 2011 im ORF Radiokulturhaus (Wien) Weitere CDs des Ensemble Wild: World Wide Wild (2007) „Bilder und Geschichten, die im Kopf entstehen eine spannende Entdeckungsreise durch die vielen unbegrenzten Facetten der Musik!“ Strauss pur Gesa Musikproduktion 2003 „Nicht nur Standard Nummern der Wiener Tanzmusik, sondern auch kostbare, selten gespielte Raritäten.“

Giovanni Tranquillio. Musik: D. D. Lowka. Originalverlag: GLM Musikverlag E K | Nobody does it better. Marvin Hamlish & Carole Bayer-Sager. Originalverlag: EMI U Catalog Inc. Subverlag: EMI Partnership Mvlg. GmbH, Hamburg. Sub-Subverlag für Österreich: Euro-Music Mvlg. Ges.mbH, Wien | Central Park. Musik: Nils Gessing. Originalverlag: MCA Music GmbH. Subverlag: Universal MCA Music Publ. Austria | Cinema Paradiso. Musik: Andrea & Ennio Morricone. Originalverlag: Universal Polygram int. publishing Inc. Subverlag: Universal Music Publishing Koch MV GesmbH. | Jakob Elija. Musik: Andreas Hinterseher. GLM Musikverlag E K | Oblivion. Musik: Astor P. Piazzolla. Originalverlag: A A A Prologo. Subverlag: Tonos int. Music Edition Elisabeth | Der Wind hat mir ein Lied erzählt. Musik: Lothar Bruehne. Originalverlag: UFATON Verlagsgesellschaft mbH. Subverlag: Universal Music Publishing Koch MV GesmbH. | World Wide Wild. Musik: Sascha Pere. Eigenverlag | Stillness of the Mind. Musik und Text: Abel Adam Korzenowski. Originalverlag: Sugar Free Media. Subverlag: Transamerika Musikverlag KG P. Kaminsky | Libertango. Musik: Astor P. Piazzolla. Originalverlag: Curci Edizioni S R L Originalverlag: A Pagani Eidz. mus. SRL. Subverlag: Rolf Budde Musikverlag GmbH, Universal Music Publishing Koch MV GesmbH.