Jeder Tag ist Mutter-Tag

Jeder Tag ist Mutter-Tag Jeder Tag ist Mutter-Tag Herausgegeben von Benno Burkhardt 1 2 3 4 5 10 09 08 07 06 ISBN-10: 3-7254-1390-4 ISBN-13: 978-...
Author: Evagret Schmid
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Jeder Tag ist Mutter-Tag

Jeder Tag ist Mutter-Tag

Herausgegeben von Benno Burkhardt

1 2 3 4 5 10 09 08 07 06 ISBN-10: 3-7254-1390-4 ISBN-13: 978-3-7254-1390-8 © Sanssouci im Carl Hanser Verlag, München 2006 Alle Rechte vorbehalten Schutzumschlaggestaltung: Birgit Schweitzer, München, unter Verwendung eines Motivs von Rotraud Susanne Berner Satz: Satz für Satz. Barbara Reischmann, Leutkirch Druck und Bindung: Ebner & Spiegel, Ulm Printed in Germany

Inhalt

»Wenn meine Mutter hexen könnt’...« oder: Die Heldin des Alltags

11

»So gern hätt’ ich ein schönes Lied gemacht...« oder: Die Mutter-Sprache der Poeten

31

»Du hast sie mit Mühe geboren...« oder: Mütter dichten ja auch

47

»Mutterns Hände« oder: Anatomie der Mütterlichkeit

57

»Mensch, Mutter!« oder: Die schönsten Komplimente

67

»Sobald ein Lied erklungen...« oder: Die Mutter bei der Wiege

73

»Mein lieber Sohn, meine liebe Tochter« oder: Starke Stücke von starken Müttern

91

»Heute wirst du nicht genervt...« oder: Versprechen und Versprecher zum Muttertag

103

Mütter, Söhne, Muttersöhnchen Oder: Fünf Solos für Erich Kästner

111

»Und ›Mutter‹ jauchzt ihr erstes Wort« oder: Dramen und Melodramen

121

»Mamma mia!« oder: Die Mütter vor den Disco-Zeiten

135

»O du, die mir die Liebste war...« oder: Noch einmal mit Gefühl

145

Anhang

163

Wenn du noch eine Mutter hast, so danke Gott und sei zufrieden... Friedrich Wilhelm Kaulisch

Hast du eine Mutter, so hast du immer Butter. Helge Schneider

Dieses Buch ist gewidmet... den Müttern zwischen Last und Lust, den Müttern zwischen allen Stühlen und allen Kinderangstgefühlen; den Müttern, die bei Babysittern noch stets um ihre Kleinen zittern, den Müttern, die den großen Kindern Schul-, Geld- und Liebeskummer lindern, den Müttern zwischen Glück und Frust... den Müttern zwischen Staub und Staus; und zwischen Dutzenden Terminen, die dem Familienfrieden dienen; den Müttern zwischen Kind und Kegel und Laissez faire und strenger Regel und Ordnung hier und Chaos dort und Hilferuf und Liebeswort, den Müttern zwischen Hort und Haus... den Müttern zwischen Herd und Amt, den Müttern, die der Nagel kränkt, an den sie den Beruf gehängt, den andern, die den Job verfluchen und diesen Nagel dringend suchen; den Müttern, die alleinerziehend, dieweil die Partner grade fliehend, gestressten Müttern insgesamt... und all den Müttern sowieso in Läden, Märkten und Büro, den Müttern in der Politik, in Schulen, Medien, Traumfabrik, den Müttern, die bei aller Schwere noch Mütter bleiben trotz Karriere.

»Wenn meine Mutter hexen könnt’...« oder Die Heldin des Alltags

Christine Nöstlinger Meine Mutter Irren ist menschlich, sagt meine Mutter. Meine Mutter irrt schon seit langer Zeit und sehr oft. Darum ist sie besonders menschlich. Viel menschlicher als ich, der ich durch meine kurze Lebenszeit noch nicht so viel Gelegenheit zum Irren hatte.

Johann Wolfgang Goethe Beispiel Wenn ich mal ungeduldig werde, Denk ich an die Geduld der Erde, Die, wie man sagt, sich täglich dreht Und jährlich so wie jährlich geht. Bin ich denn für was andres da? – Ich folge der lieben Frau Mama.

Eduard Mörike Selbstgeständnis Ich bin meiner Mutter einzig Kind, Und weil die andern ausblieben sind, Was weiß ich wie viel, die Sechs oder Sieben, Ist eben alles an mir hängen blieben; Ich hab’ müssen die Liebe, die Treue, die Güte Für ein ganz halb Dutzend allein aufessen, Ich will’s mein Lebtag nicht vergessen. Es hätte mir aber noch wohl mögen frommen, Hätt’ ich nur auch Schläg’ für Sechs bekommen.

Johannes Trojan Die liebe Not Warum die Not wird lieb genannt, Das war mir lange unbekannt, Bis ich’s von einer Frau erfahren. Es war umringt von Kindern sie, Die all’ noch hilfsbedürftig waren, Und einer meinte: viele Müh’ Müßt sie doch haben mit der kleinen Schar. »Ja«, sagte sie, und ihre Mienen erhellten sich, »ja, es ist wahr, Ich habe meine liebe Not mit ihnen.«

Mascha Kaléko Wie man Muttis schnell zum »Kochen« bringt Eine Woche aus dem Haus: Hu, wie sieht die Küche aus! Töpfe, Pfannen und Bestecke wuchern wild in jeder Ecke. Küchenfliesen grau und speckig, Küchenhandtuch kaffeefleckig. Essigflasche unverkorkt, Reibe – »unbekannt« verborgt. Abfallkorb zum Bersten voll. Nicht ein Ding, wo es sein soll. Weinbespritzt die Damasttücher, Aus den Ritzen krabbeln Viecher! Gläser, Teller, Untertassen türmen sich in nassen Massen. Kurz: Ein Abwasch von drei Wochen! das bringt Muttis schnell zum »Kochen«.

Werner Horand Es verraten die Töchter im Städtle viel Sinn fürs Aparte und Edle. Doch kaum ist man Mutter, dann geht es um Butter, um Mehl und um Salz und um Flädle.

Hans Adolf Halbey Trotzdem Wenn die Mama morgens schreit: Aufstehn, Kinder, höchste Zeit! – sagt ein richtig braves Kind: Die spinnt! Zähneputzen, frische Socken und zum Frühstück Haferflocken, Vaters Sprüche: Das macht stark! alles Quark! Wer am Morgen ohne Schimpfen, Fluchen, Stinken, Naserümpfen etwa brav zur Schule geht – der ist blöd. Lärmen, prügeln, Türen knallen, allen auf die Nerven fallen, grunzen, quieken wie ein Schwein – das ist fein! Rülpsen, Spucken, Nasebohren, Nägel kauen, schwarze Ohren, schlimme Worte jede Masse – Klasse! Und wenn Papa abends droht: Schluß mit Fernsehn. Abendbrot! – schreit doch jedes Kind im Haus: Raus! Trotzdem: Kinder, schützt eure Eltern!

Susanne Kilian Kindsein ist süß? Tu dies! Tu das! Und dieses laß! Beeil dich doch! Heb die Füße hoch! Sitz nicht so krumm! Mein Gott, bist du dumm! Stopf’s nicht in dich rein! Laß das Singen sein! Du kannst dich nur mopsen! Hör auf zu hopsen! Du machst mich verrückt!

Nie wird sich gebückt! Schon wieder ne Vier! Hol doch endlich Bier! Sau dich nicht so ein! Das schaffst du allein! Mach dich nicht so breit! Hab jetzt keine Zeit! Laß das Geklecker! Fall mir nicht auf den Wecker! Mach die Tür leise zu! Laß mich in Ruh! Kindsein ist süß? Kindsein ist mies!

Wolfdietrich Schnurre Mamma möchte gern I. Mamm. Ja. Was bist n so kribblig? Bin ich kribblig? Und wie. Ist man eben manchmal. Möchtste weg? Wie kommst du denn darauf? Weil de neulich gesagt hast, hättst s satt. Den Haushalt, ja Stimmts: Hättst lieber ’n Beruf? Unsinn. Und warum haste zu Papp dann gesagt, er nutzt dich bloß aus? So was fährt einem mal raus. Und warum hat Papp gesagt, du wärst ne blöde Emanzipierte? Schön wär s. Was? Wenn ich emanzipiert wär. Heißt n das? Emanzipiert? Ja. Emanzipiert wär ich – wenn de unabhängig wärst? Genau. Und ausgefüllt?

Ja. So richtig zufrieden? Stimmt. Papp hat n Vogel.

II. Mamm. Ja. Und warum machste s dann nich? Was. Dich emanzipiern. Müßt man auf zuviel verzichten. Nanu. Auf was n? Zum Beispiel auf Geborgenheit. Was verstehst n darunter? Daß ich weiß, wo ich hingehör. Weißte das denn? Ich denk, daß ich s fühl. Entweder man denkt oder man fühlt. Nicht, wenn man unsicher ist. Wenn de unsicher bist, kannste aber doch auch nicht wissen, was Geborgenheit is. Wissen nicht, aber ahnen. Kennt man denn, was man ahnt? Eben nicht. Und wie kannste dann Angst haben, auf was zu verzichten, das de nich kennst? Hab ich denn Angst? Na, Mumm jedenfalls nicht. Alle?

Robert Gernhardt Wenn die Mutter mit dem Sohne »Was ist dir Mutter?« »Mir ist schlecht!« »Ha, Mutter, das geschieht dir recht! Seit der Professor Hindemith das Wort in jene Rinde schnitt –« »Sag welches Wort, mein Sohn?« »Na welches wohl? Du weißt ja schon!« »Ach ja, ich weiß, ich weiß, ich weiß!« »Na also. Bon. Erst baust du Scheiß...« »Ja, ja! Ich habe Scheiß gebaut! Ich sag’s mit Nachdruck, ich sag’s laut: Daß ich mit dem Gesinde stritt, bis der Professor Hindemith kopfüber von der Linde glitt und eilends in die Pinte ritt –« »Halt, Mutter!« »Ja, mein Sohn, was ist?« »Ach Mutter! Red’ nicht so ’nen Mist!« »Ich rede Mist? Ich baue Scheiß!« »Ja, Mutter, ja! Ich weiß! Ich weiß!« »Du weißt?! Doch still! Ich höre Schritte!« »Ist’s Vater?« »Ja! Nun schweige bitte!« »Klar, Mutter!« »Danke dir, mein Kind! Du weißt ja, wie wir Mütter sind...« »Ach ja, ich weiß, ich weiß, ich weiß! Ihr baut nur Mist!« »Nein, Herbert, Scheiß!«

Eduard Mörike Der Tambour Wenn meine Mutter hexen könnt’, Da müßt’ sie mit dem Regiment, Nach Frankreich, überall mit hin, Und wär’ die Marketenderin. Im Lager, wohl um Mitternacht, Wenn niemand auf ist als die Wacht, Und alles schnarchet, Roß und Mann, Vor meiner Trommel säß ich dann: Die Trommel müßt’ eine Schüssel sein, Ein warmes Sauerkraut darein, Die Schlegel Messer und Gabel, Eine lange Wurst mein Sabel, Mein Tschako wär’ ein Humpen gut, Den füll’ ich mit Burgunderblut. Und weil es mir an Lichte fehlt, Da scheint der Mond in mein Gezelt; Scheint der auch auf französ’sch herein, Mir fällt doch meine Liebste ein: Ach weh! Jetzt hat der Spaß ein End’! – Wenn nur meine Mutter hexen könnt’!

Friedrich Schiller Das Lied von der Glocke Und drinnen waltet Die züchtige Hausfrau, Die Mutter der Kinder, Und herrschet weise Im häuslichen Kreise, Und lehret die Mädchen Und wehret den Knaben, Und reget ohn’ Ende Die fleißigen Hände, Und mehrt den Gewinn Mit ordnendem Sinn, Und füllet mit Schätzen die duftenden Laden, Und dreht um die schnurrende Spindel den Faden, Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein Die schimmernde Wolle, den schneeigten Lein, Und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer Und ruhet nimmer. (Auszug)

Sita Steen Ein Glied von Schillers Locke Und drinnen waltet die putzsüchtige Hausfrau: Sie füttert im Stalle die hochfrüchtige Haussau, die Mutter der Vierpfünder, mit Futter für vier Münder, und lebet weise und webet leise und lehret die Mädchen und mehret die Lädchen und strickelt und webet und wickelt und strebet, Gewinne zu mehren, der Minne zu wehren, und müht sich ohn’ Ende, mit Fleiße zu sticken, die Strümpfe zu stopfen, die Steiße zu flicken, und füllet mit Schätzen und hehren Laken die Schreine, die Truhen, die leeren Haken und spinnet zum Faden die schimmernde Wolle und findet zum Spaten die wimmernde Scholle und nutzet die Kräfte und ganze Glut und zeigt sich im festlichen Glanze gut – trotz scheußlichem Harm – mit häuslichem Charme!

Bertolt Brecht Glücklicher Vorgang Das Kind kommt gelaufen Mutter, binde mir die Schürze! Die Schürze wird gebunden.

Bertolt Brecht Die Geschichte von der Mutter Courage Es war einmal eine Mutter War Mutter Courage genannt Sie zog im Dreißigjährigen Krieg Als Händlerin durch das Land. Sie hatte keine Furcht vorm Kriege Wollt machen ihren Schnitt Und nahm, daß sie auch was kriegten Ihre drei Kinder mit. Ihr Ältester fiel, weil er ein Held war Der zweite, weil er zu brav Die Tochter hatt’ ein zu gutes Herz Als sie die Kugel traf.

Gottfried August Bürger Muttertändelei Seht mir doch mein schönes Kind, mit den goldnen Zottellöckchen, blauen Augen, roten Bäckchen! Leutchen, habt ihr auch so eins? – Leutchen, nein, ihr habet keins! Seht mir doch mein süßes Kind! Fetter als ein fettes Schneckchen, süßer als ein Zuckerweckchen! Leutchen, habt ihr auch so eins? – Leutchen, nein, ihr habet keins! Seht mir doch mein holdes Kind! Nicht zu mürrisch, nicht zu wählig! Immer freundlich, immer fröhlich! Leutchen, habt ihr auch so eins? – Leutchen, nein, ihr habet keins! Seht mir doch mein frommes Kind! Keine bitterböse Sieben würd’ ihr Mütterchen so lieben. Leutchen, möchtet ihr so eins? – O, ihr kriegt gewiß nicht meins! Komm einmal ein Kaufmann her! Hunderttausend blanke Taler, alles Gold der Erde zahl’ er! O, er kriegt gewiß nicht meins! Kauf’ er sich wo anders eins!

Trude Marzik Die Hausfrau Fragt mich jemand nach meinem Beruf, so sage ich schlicht: Keiner. Ich arbeite nicht. Ich bin nur Hausfrau. Die Frau meines Gatten, bin Gattin und Mutter. Und stehe im Schatten. Aus dem Bett im Morgengrauen, nach dem Zeitplan, dem genauen, mach ich Frühstück, denn um sieben wecke ich dann meine Lieben. Eier, Toast, Kaffee und Schinken, Müsli rechts, Kakao zur Linken. Herrichten die frischen Socken, kämmen seidne Kinderlocken, auch muß ich, so will’s mein Gatte, reichen Hemd ihm und Krawatte. Jausenbrote vorbereiten, schlichten, wenn die Kinder streiten, (in der Früh, im Badezimmer, streiten sie bekanntlich immer!) und ich muß auch jeden Morgen selbstverständlich dafür sorgen, daß sie pünktlich aus dem Haus gehen, und ich muß auch reizvoll aussehn. Kaum sind alle aus der Wohnung, gibt es für mich keine Schonung: Betten lüften, Betten machen, wegräumen die tausend Sachen, Kacheln putzen, Böden waschen, in den Müll die leeren Flaschen, und der Ausguß, der verstopfte, und der Wasserhahn, der tropfte, wird gerichtet eigenhändig, denn die Kosten steigen ständig. Jetzt heißt’s aber eilig laufen in den Supermarkt was kaufen. Essen soll ja auf dem Tisch sein, pünktlich, und es soll auch frisch sein. Nach dem Essen Schulaufgaben überwachen, die sie haben. Wäsche bügeln; Kuchen backen, Seelen trösten, Nüsse knacken. Wenn ich so zusammenzähle, womit ich mich täglich quäle, und das unbezahlt und gratis, was voll Streß und trotzdem fad is,

hab ich Dutzende Berufe alle nur zu dem Behufe Haushaltführung müssen lernen: Babys wickeln, Dreck entfernen, Nähen, Gärtnern, Reparieren, Unterrichten und Servieren, Kranke pflegen, Geld verwalten, Feste feierlich gestalten, Kleider putzen und die Schuhe. Auch bei Nacht gibt’s keine Ruhe, und ich höre voll Bestürzung was von Arbeitszeitverkürzung! Krank darf man schon gar nicht werden. Haushalt? Paradies auf Erden! Manchmal, wenn dann alles schiefgeht, und die Stimmung ganz auf tief steht, Milch geht über, Kacheln dreckig, Baby brüllt, das Tischtuch fleckig, Rückenschmerzen, Geld zu Ende, Haare fettig, rauhe Hände, ja, dann hasse ich den Haushalt, und da wünsch ich mich heraus bald! Gleich drauf möchte ich mich schämen. Man muß sich zusammennehmen! Ob man sich ein Spitzenhemd näht, daß der Ehemann nicht fremdgeht? Doch, er hilft mir. Nichts zu sagen. Manchmal schleppt er aus dem Wagen ein, zwei Kisten Bier, was schwer is, bringt das Auto auch zum Service, weil in unsrer Welt, der heilen, wir uns doch die Arbeit teilen! Fragt mich jemand nach meinem Beruf, so sage ich schlicht: Keiner. Ich arbeite nicht. Ich bin nur Hausfrau, die Frau meines Gatten, bin Gattin und Mutter. Und stehe im Schatten. Ich werd nicht gestreichelt, mir wird nicht geschmeichelt, ich werd langsam alt, ich krieg nichts bezahlt, und manchmal krieg ich sogar Hiebe. Und das alles nur aus Liebe.

Friedrich Rückert Der Kranz der Mutter Die Kinder schmücken sich mit Kränzen, Sie selber sind der Mutter Kranz; Sie treten an zu Ringeltänzen, Das ist der Mutter Freudentanz. Sie sieht die jungen Augen glänzen, Das gibt den ihren neuen Glanz: Wem gute Götter so ergänzen Des Lebens Lust, dem ist sie ganz.

Robert Reinick Der Mutter vorzusingen Und wär’ ich ein Schäflein, das hab’ ich im Sinn: Ich gäb’ alle Wolle dem Mütterlein hin; die spinnt dann die Wolle und strickt sicherlich zwei Dutzend Paar Strümpfe für sich und für mich. (Auszug)

»So gern hätt’ ich ein schönes Lied gemacht...« oder Die Mutter-Sprache der Poeten

Annette von Droste-Hülshoff So gern hätt’ ich ein schönes Lied gemacht von deiner Liebe, deiner treuen Weise, die Gabe, die für andre immer wacht, hätt’ ich so gern geweckt zu deinem Preise. Doch wie ich auch gesonnen mehr und mehr und wie ich auch die Reime mochte stellen, des Herzens Fluten wallten drüber her, zerstörten mir des Liedes zarte Wellen. So nimm die schlichte Gabe hin, von einfach ungeschmückten Wort getragen, und meine ganze Seele nimm darin, wo man am meisten fühlt, weiß man nicht viel zu sagen.

Eduard Mörike An meine Mutter Siehe, von allen den Liedern nicht eines gilt dir, o Mutter! Dich zu preisen, o glaubs, bin ich zu arm und zu reich. Ein noch ungesungenes Lied ruhst du mir im Busen, Keinem vernehmbar sonst, mich nur zu trösten bestimmt. Wenn sich das Herz unmutig der Welt abwendet und einsam Seines himmlischen Teils bleibenden Frieden bedenkt.

Johann Wolfgang Goethe An die Mutter Obgleich kein Gruß, obgleich kein Brief von mir so lang dir kommt, laß keinen Zweifel doch ins Herz, als wär die Zärtlichkeit des Sohns, die ich dir schuldig bin, auch meiner Brust entwichen. Nein, so wenig als der Fels, der tief im Fluß, vor ew’gem Anker liegt, aus seiner Stätte weicht, obgleich die Flut mit stürmschen Wellen bald, mit sanften bald darüberfließt und ihn dem Aug entreißt, so wenig weicht die Zärtlichkeit für dich aus meiner Brust, obgleich des Lebens Strom, vom Schmerz gepeitscht, bald stürmend drüberfließt und, von der Freude bald gestreichelt, still sie deckt und nie verhindert, daß sie nicht ihr Haupt der Sonne zeigt und ringsumher zurückgeworfene Strahlen trägt und dir bei jedem Blicke zeigt, wie dich dein Sohn verehrt.

Maxim Gorki Das allerschönste Lied Was ist schöner als ein Lied von Blumen und Sternen? Stets sagt jeder: Ein Liebeslied. Was ist schöner als im Mai die helle Mittagssonne? Der Verliebte sagte: Die Augen meiner Liebsten. Und schön ist die Mittagssonne im hellen Mai, ich weiß! Schöner als alle Blumen sind die Augen meiner Liebsten, ich weiß! Und ihr Lächeln liebkost mehr als die Sonne, ich weiß! Noch aber hat man nicht gesungen das allerschönste Lied, das Lied vom Anfang aller in der Welt, das Lied vom Herzen der Welt, von dem Zauberherzen einer, die jeder von uns Menschen seine Mutter nennt!

Sándor Petöfi Wie sprech’ ich nur die Mutter an Ich sann und sann den ganzen Weg, bis ich der Heimat nah: Wie sprech ich nur die Mutter an, die ich so lang nicht sah? Was sag ich nur im ersten Nu, das ihr zu Herzen dringt, wenn sie den Arm, der mich gewiegt, mir um den Nacken schlingt? Ich fühle manches süße Wort mir durch die Seele ziehn, der Wagen flog, ob auch die Zeit mir stillzustehen schien. Mit einem Satz war ich bei ihr... Wer gab da Worten Raum? Ach Gott, ich hing ihr stumm am Mund, stumm wie die Frucht am Baum.

Ingeborg Bachmann Abends frag ich meine Mutter Abends frag ich meine Mutter heimlich nach dem Glockenläuten, wie ich mir die Tage deuten und die Nacht bereiten soll. Tief im Grund verlang ich immer alles restlos zu erzählen, in Akkorden auszuwählen, was an Klängen mich umspielt. Leise lauschen wir zusammen: meine Mutter träumt mich wieder, und sie trifft, wie alte Lieder, meines Wesens Dur und Moll.

Theodor Storm Zu Mutters Geburtstag (Mit einem Rosenstrauß) Du und dein Sohn Sind beide schon alt. Doch blühen noch Rosen Und das Herz ist nicht kalt.

Wilhelm Hauff So am Abend, so am Morgen, nie ermattet sie, wacht in Freuden, wacht in Sorgen spät und früh; Sie begießt mit Muttertränen ihrer Augen Lust, wärmet sie mit stillem Sehnen an der treuen Brust. Süße Hoffnung schwellt die Mutterbrust, daß die Blüte werd’ zur Knospe keimen; Früchte reicht sie in den süßen Träumen Heil’ge reine Mutterliebe, daß sich nie dein stiller Himmel trübe! (Auszug)

Friedrich Hölderlin Seiner Mutter zum 72. Geburtstage. Vieles hast du erlebt, du teure Mutter! und ruhst nun Glücklich von Fernen und Nahen liebend beim Namen genannt, Mir auch herzlich geehrt in des Alters silberner Krone, Unter den Kindern, die dir reifen und wachsen und blühn. Langes Leben hat dir die Seele gewonnen Und die Hoffnung, die dich freundlich im Leben geführt. Denn zufrieden bist du und fromm, wie die Mutter, die einst den Besten Menschen, den Freund unserer Erde gebar. Ach, sie wissen es nicht, wie der Hohe wandelt im Volke, Und vergessen ist fast, was der Lebendige war. Wenige kennen ihn doch, und oft erscheinet erheiternd Mitten in stürmischer Zeit ihnen das himmlische Bild. Allversöhnend und still, mit armen Sterblichen ging er, Dieser einzige Mann, göttlich im Geiste dahin. Keins der Lebenden war aus seiner Seele geschlossen, Und die Leiden der Welt trug er an liebender Brust. Mit dem Tode befreundet’ er sich; im Namen der andern Ging er aus Schmerzen und Müh’n siegend zum Vater zurück. Und du kennst ihn auch, du teure Mutter, und wandelst Glaubend und duldend und still ihm, dem Erhabenen, nach. Sieh, es haben mich selber verjüngt die kindlichen Worte, Und es rinnen, wie einst, Tränen vom Auge mir noch; Und ich denke zurück an längst vergangene Tage, Und die Heimat erfreut wieder mein einsam Gemüt, Und das Haus, wo ich einst bei deinen Segnungen aufwuchs, Wo, von Liebe genährt, schneller der Knabe gedieh. Ach! wie dacht ich dann oft, du solltest meiner dich freuen, Wenn ich ferne mich sah, wirkend in offener Welt. Manches hab ich versucht und geträumt und habe die Brust mir Wund gerungen indes; aber ihr heilet sie mir, O, ihr Lieben! und lange, wie du, o Mutter, zu leben, Will ich lernen, es ist ruhig das Alter und fromm. Kommen will ich zu dir; dann segne den Enkel noch einmal, Daß dir halte der Mann, was er als Knabe gelobt.

Heinrich Heine An meine Mutter, B. Heine, geborene v. Geldern

I Ich bin’s gewohnt, den Kopf recht hoch zu tragen, mein Sinn ist auch ein bißchen starr und zähe; wenn selbst der König mir ins Antlitz sähe, ich würde nicht die Augen niederschlagen. Doch, liebe Mutter, offen will ich’s sagen: Wie mächtig auch mein stolzer Mut sich blähe, in deiner selig-süßen, trauten Nähe ergreift mich oft ein demutvolles Zagen. Ist es dein Geist, der heimlich mich bezwinget, dein hoher Geist, der alles kühn durchdringet, und blitzend sich zum Himmelslichte schwinget? Quält mich Erinnerung, dass ich verübet so manche Tat, die dir das Herz betrübet? Das schöne Herz, das mich so sehr geliebet!

II Im tollen Wahn hatt’ ich dich einst verlassen, ich wollte gehn die ganze Welt zu Ende und wollte sehn, ob ich die Liebe fände, um liebevoll die Liebe zu umfassen. Die Liebe suchte ich auf allen Gassen, vor jeder Türe streckt’ ich aus die Hände, und bettelte um kleine Liebesspende – doch lachend gab man mir nur kaltes Hassen. Und immer irrte ich nach Liebe, immer nach Liebe, doch die Liebe fand ich nimmer und kehrte um nach Hause, krank und trübe. Doch da bist du entgegen mir gekommen, und ach! Was da in deinem Aug geschwommen, das war die süße, langgesuchte Liebe!

Friedrich Schiller Hymne auf die Mutter Schön ist des Mondes Mildere Klarheit Unter der Sterne blitzendem Glanz, Schön ist der Mutter Liebliche Hoheit Zwischen der Söhne feuriger Kraft, Nicht auf der Erden Ist ihr Bild und ihr Gleichnis zu sehn. Hoch auf des Lebens Gipfel gestellt, Schließt sie blühend den Kreis des Schönen, Mit der Mutter und ihren Söhnen Krönt sich die herrlich vollendete Welt. Selbst die Kirche, die göttliche, stellt nicht Schöneres dar auf dem himmlischen Thron, Höheres bildet Selber die Kunst nicht, die göttlich geborne, Als die Mutter mit ihrem Sohn. Aus: Die Braut von Messina

Novalis Die mich einst mit Schmerz gebar Die mich einst mit Schmerz gebar, doch mit Mutterfreuden – da ich noch ein Knäblein war, vieles mußte leiden, stets mich doch mit Sorg gepflegt und mit Angst und Mühe, und mich oft noch huldreich trägt: siehe, wie ich blühe. Und ein Liedchen singe ich dir voll Dank und Freude. Nimm es an und freue dich, höre, was ich heute wünsche dir voll Dankbarkeit: lebe uns zufrieden lange noch; was dich erfreut, müsse dich hienieden stets beglücken; ohne Rast blühen deine Wangen von Gesundheit, Sorgenlast möge dich nicht fangen. Und mit froher Munterkeit werd des Alters Beute, schau der Kinder Seligkeit, sieh, dies wünsch ich heute.

Annette von Droste-Hülshoff Der Brief aus der Heimat Sie saß am Fensterrand im Morgenlicht und starrte in das aufgeschlagne Buch, die Zeilen zählte sie und wußt es nicht, ach, weithin, weithin der Gedanken Flug! Was sind so ängstlich ihre nächt’gen Träume? Was scheint die Sonne durch so öde Räume? – Auch heute kam kein Brief, auch heute nicht! Seit Wochen weckte sie der Lampe Schein, hat bebend an der Stiege sie gelauscht! Wenn plötzlich am Gemäuer knackt der Schrein, ein Fensterladen auf im Winde rauscht, – es kommt, es naht, die Sorgen sind geendet! Sie hat gefragt, sie hat sich abgewendet und schloß sich dann in ihre Kammer ein. Kein Lebenszeichen von der liebsten Hand, von jener, die sie sorglich hat gelenkt, als sie zum erstenmal zu festem Stand die zarten Kinderfüßchen hat gesenkt. Versprengter Tropfen von der Quelle Rande, harrt sie vergebens in dem fremden Lande; die Tage schleichen hin, die Woche schwand. Was ihre rege Phantasie geweckt? Ach, eine Leiche sah die Heimat schon, seit sie den unbedachten Fuß gestreckt auf fremden Grund und hörte fremden Ton; sie küßte scheidend jung’ und frische Wangen, die jetzt von tiefer Grabesnacht umfangen; ist’s Wunder, daß sie tödlich aufgeschreckt?

In Träumen steigt das Krankenbett empor, und Züge dämmern, wie in halber Nacht. Wer ist’s – sie weiß es nicht und spannt das Ohr, sie horcht mit ihrer ganzen Seele Macht; dann fährt sie plötzlich auf beim Windesrauschen und glaubt dem matten Stöhnen noch zu lauschen und kann erst spät begreifen, daß sie wacht. Doch sieh, dort fliegt sie übern glatten Flur; ihr aufgelöstes Haar umfließt sie rund, und zitternd ruft sie, mit des Weinens Spur: »Ein Brief, ein Brief, die Mutter ist gesund!« Und ihre Tränen stürzen wie zwei Quellen, die übervoll aus ihren Ufern schwellen: Ach, eine Mutter hat man einmal nur!

»Du hast sie mit Mühe geboren...« oder Mütter dichten ja auch

Marie Luise Kaschnitz Die Mutter spricht Komm, sagt die Mutter, zur Welt, Kind. Ich will Dich nähren. Wozu wir auf dieser Welt sind, Kann ich Dir nicht erklären. Das sagt Dir der Vater morgen Oder irgendwann. Ich habe zu tun und zu sorgen, Mich geht’s nichts an. Ich will, daß Du immer satt hast Und kein Regen auf Dich fällt Und Du eine bleibende Statt hast Hier in der Welt. Und daß Du das Schmutzige meidest Und den rechten Freund Dir erwählst Und daß Du nicht krank wirst und leidest Und mir immer alles erzählst. Ich will Dich nicht gar so mutig Und auch nicht besonders schön, Weil die allzu Kühnen und Schönen So oft zugrunde gehn. Ja, am liebsten behielt ich Dich immer Klein und bei mir. Ich heizte Dir das Zimmer Und ließe Dich nicht vor die Tür. Denn draußen ist sehr viel Böses, Weiß nicht, wo das Gute blieb. Komm auf die Welt, Kind, Sieh selbst, Kind. Vergiß nicht, wir haben Dich lieb.

Ina Seidel Erstes Kind So jung war deine Mutter nie als in dem Lenz, da sie dich trug, da noch dein Herz in ihrem schlug – so jung war deine Mutter nie. Auch nicht als Kind war sie so jung, dem Frühling so vertraut wie da, der Erde so verwandt und nah – auch nicht als Kind war sie so jung. Tag war wie Nacht und Nacht wie Tag, sie lag mit Augen wach und groß, du wuchsest ja in ihrem Schoß – Tag war wie Nacht und Nacht wie Tag. Der Frühling war in ihrem Blut, die Knospe dehnte sich und sprang, die Amsel brütete und sang, und Frühling war der Mutter Blut.

Nelly Sachs Wir Mütter, Sehnsuchtsamen aus Meeresnacht holen wir heim, Heimholerinnen sind wir von verstreutem Gut. Wir Mütter, träumerisch mit den Gestirnen wandelnd, lassen uns die Fluten von Gestern und Morgen, mit unserer Geburt wie mit einer Insel allein. Wir Mütter, die wir zum Tode sagen: Blühe auf in unserem Blut. Die wir Sand zum Lieben bringen und den Sternen eine spiegelnde Welt – Wir Mütter, die wir in den Wiegen die dämmernden Erinnerungen des Schöpfertages wiegen – des Atemzuges Auf und Ab ist unseres Liebessanges Melodie. Wir Mütter wiegen in das Herz der Welt die Friedensmelodie.

Trude Marzik Die Mutter Du hast sie mit Mühe geboren, du hast sie mit Liebe gepflegt, du hast jedes Zähnchen bejubelt, dich hat jedes Lächeln bewegt, du hast sie im Arme gehalten, bewundert das erste Wort, den ersten Schritt hast du gefeiert, und es war doch ein Schritt von dir fort. Zuerst auf dem Weg in die Schule, da führst du sie noch an der Hand.

Du willst sie vor Schaden bewahren, doch bald stehst du hilflos am Rand. Dann kommt der Beruf, kommt die Liebe – sie hörn nicht dein warnendes Wort. Du willst ihnen raten, sie schützen. Doch die Kinder, sie gehn von dir fort. Und eines Tags kehren sie wieder, wenn’s nicht mehr im Inneren braust, erwachsener, reifer und stiller, ein wenig vom Leben zerzaust. Und haben sie selber dann Kinder, vielleicht denken sie an dein Wort: die Kinder sind uns nur geliehen, und eines Tages gehen sie fort. Laß sie gehn, deine Kinder, laß sie gehn. Bald sind sie groß, deine Kinder. Laß sie nicht sehn, daß du Angst hast um sie. Sie sind nicht mehr klein. Zeig nicht deine Tränen, Wein sie allein. Sie gehn ihren Weg. Du kannst sie nicht halten. Sie müssen ihr Leben selber gestalten. Nur, wenn du sie losläßt im rechten Augenblick, kommen sie eines Tages zu dir zurück.

Mascha Kaléko Mutter sein dagegen sehr Manchmal, nach verhängter Strafe – Sonntags nicht ins Kino gehn – Seh ich mich, das heißt, im Geiste, Vor dem armen Sünder stehn. Lieber Sohn, hör ich mich sagen, Strafe, heißt es zwar, muß sein! Doch mir leuchten ein paar Zeilen Meiner Rolle nicht ganz ein: Muß es »Elternstrenge« geben In der Welt des Achsobald? Einmal nur in diesem Leben Ist man dreizehn Jahre alt! Achsobald, und arm an Haaren, Bist auch du ein Herr mit Wanst. – Flegel in den Flegeljahren, Flegle dich so lang du kannst! ... Kam Sokrates immer pünktlich nach Hause? Wusch Holbein sich täglich vom Kopf bis zur Zeh? Aß Gandhi sein Frühstücksbrot brav in der Pause? War Napoleon höflich zu seiner Armee? Ob Äschylus fleißig sein Verb konjugierte, Etcetera, – bleibe dahingestellt. Ob Hafis sich seine Sandalen polierte? War Byron stets sparsam mit Taschengeld? – Sag, Liebster: Ob wir nicht zu streng mit ihm sind? Gewiß, die Prinzipien. (Ach, hol sie der Wind!) Und kommenden Sonntags marschiert unser Sünder Ins Kino. Wie alle verzogenen Kinder.

Johanna Moosdorf Und nun halt ich dich Kleine Blume aus dem Garten meines Leibes, süßer Kern, dem still ich Schale war, Menschlein, warm und gut in mir geborgen, Gnade, Gnade, daß ich dich gebar! Tief in Demut hab ich dich getragen und die Welt ward mir wie Meer so weit, da ich wuchs mit Wissen und mit Fragen hoch und herrlich in die Einsamkeit. Und es ward ein wundersames Rauschen immerwährend in der Seele Grund. Still vertrauend lernte ich zu lauschen auf das leise Lied aus Gottes Mund. Sterne stiegen in den tiefen Nächten golden träumend über mir empor und mir war, als ob sie wiederbrächten, was die Welt in blut’gem Haß verlor – Und nun halt ich dich in meinen Armen, meine Hände sind dir viel zu groß. Und ein wunderliches Allerbarmen löst sich scheu in meiner Seele los.

Blaga Dimitrova Die Schwangere Langsam setzt sie ihre Schritte, feierlich, mit allen Schmerzen schwanger dieser Welt. Als einzige im Donner ringsumher hat sie in sich hineingehorcht, in jenes Wunder, das da zittert. Ein Fäustchen hämmert, die finstre Enge zu durchschlagen, zur Sonne einen Weg zu bahnen. Sie durchschreitet die Ruinen und die Lichtungen, vom Tod gehauen. Und alles widerhallt in ihrem Herzen. Jeder Riß der Erde tut ihr weh. Die Fetzen dieser Welt sammelt sie in den gewölbten Schoß, unversehrt und neu sie nachzuschaffen. Weise setzt sie ihre Schritte, sorgenvoll, behütend wie in bruchgesichertem Gefäß der Zukunft zerbrechliches Lachen. Und vor sich her trägt sie den Erdenball.

»Mutterns Hände« oder Anatomie der Mütterlichkeit

Kurt Tucholsky Mutterns Hände Hast uns Stulln jeschnitten un Kaffe jekocht un de Töppe rübajeschohm – un jewischt und jenäht un jemacht und jedreht... alles mit deine Hände. Hast de Milch zujedeckt, uns Bobongs zujesteckt un Zeitungen ausjetragen – hast die Hemden jezählt und Kartoffeln jeschält... alles mit deine Hände. Hast uns manches Mal bei jroßen Schkandal auch ’n Katzenkopp jejeben. Hast uns hochjebracht. Wir wahn Sticker acht, sechse sind noch am Leben... alles mit deine Hände. Heiß warn se un kalt. Nun sind se alt. Nu bist du bald am Ende. Da stehn wa nu hier, und denn komm wir bei dir und streicheln deine Hände.

Detlev von Liliencron Meiner Mutter Wie oft sah ich die blassen Hände nähen, ein Stück für mich – wie liebevoll du sorgtest! Ich sah zum Himmel deine Augen flehen, ein Wunsch für mich – wie liebevoll du sorgtest! Und an mein Bett kamst du mit leisen Zehen, ein Schutz für mich – wie sorgenvoll zu horchtest! Längst schon dein Grab die Winde überwehen, ein Gruß für mich – wie liebevoll du sorgtest!

Annette von Droste-Hülshoff Die Mutter Denk an das Aug’, das, überwacht, noch eine Freude dir bereitet; denk an die Hand, die manche Nacht dein Schmerzenslager dir gebreitet. Des Herzens denk, das einzig wund und einzig selig deinetwegen; und dann knie nieder auf den Grund und fleh um deiner Mutter Segen.

Johannes Trojan Hauszauber Es ist, als müßt ein Zauber dabei im Spiele sein, daß alles ist so sauber im Hause und so rein: die Dielen und die Wände, das Holzgerät und Glas, – und sind doch nur zwei Hände, nur die bewirken das. Betritt man nur die Schwelle, so fühlt man sich schon froh; es waltet eine Helle im Haus, die schmückt es so. Viel Pracht nicht würde taugen dazu und Reichtum nicht, – es ist nur ein Paar Augen, das spendet so viel Licht. So ruhig ist es drinnen, man hört kein hartes Wort; wer Hader denkt zu spinnen, bleibt von der Türe fort. Es ist so eine Stille im Hause allerwärts, – und diese ganze Fülle von Frieden schafft ein Herz.

Gustav Falke Die feinen Ohren Meiner Mutter

Du warst allein. Ich sah durchs Schlüsselloch den matten Schein der späten Lampe noch. Was stand ich nur und trat nicht ein? Und brannte doch, und war mich doch, es müßte sein, daß ich noch einmal deine Stirne strich und zärtlich flüsterte: Wie lieb’ ich dich. Die alte böse Scheu, dir ganz mein Herz zu zeigen, sie quält mich immer neu. Nun lieg’ ich durch die lange Nacht und horche in das Schweigen, ob wohl ein weißes Haupt noch wacht. Und einmal hab ich leis gelacht: was sorgst du noch, sie weiß es doch, sie hat gar feine Ohren, ihr geht von deines Herzens Schlag, obwohl die Lippe schweigend mag, auch nicht ein leiser Ton verloren.

Gabriela Mistral Meine Mutter Winzig klein war meine Mutter wie der Pfefferminzstrauch, das Gras Kaum warf sie Schatten auf die Dinge, kaum. Die Erde liebte sie, weil sie ihr leicht war, weil sie ihr zulächelte im Glück wie im Leid. Die Kinder liebten sie und die Alten und das Gras und das Licht, das Anmut liebt und sie sucht und ihr schmeichelt. Ihretwegen ist es wohl, daß ich liebe, was nicht nach stolzer Höhe strebt, was schweigend spricht: niedriges, breitästiges Gewächs und der Geist des Wassers. Wem erzähle ich von ihr von fremder Erde aus? Dem Morgen spreche ich von ihr, daß er ihr gleiche. Auf meinem endlosen Weg erzähl ich der Erde von ihr. Und wenn es geschieht, daß eine Stimme, die von fernher singt, herbeikommt, folge ich ihr wie von Sinnen, wandere ich ihr zu, ohne sie zu finden. Weshalb trugen sie sie so weit, daß keiner sie erreicht? Und wenn sie zu mir eilte, immer wieder, warum antwortet sie nicht, neigt sie sich nicht zu mir? Wer trägt jetzt ihre Gestalt, damit ich ihr entgegengehe? So fern wandelt sie, daß ihre durchdringende Stimme mich nicht erreicht. Meine Tage verbringe ich in Hast, als ob man mich beständig riefe.

Richard Schaukal Mutters Augen

Mutter, deine Augen, deine Augen sind naß! – Kind, ich bin fröhlich, die Freude macht das. Mutter, deine Augen, deine Augen sind naß! Kind, ich bin traurig – traurig zum Spaß.

Johann Wolfgang Goethe Vom Vater hab ich die Statur, Des Lebens ernstes Führen, Vom Mütterchen die Frohnatur Und Lust zu fabulieren. Urahnherr war der Schönsten hold, Das spukt so hin und wieder; Urahnfrau liebte Schmuck und Gold, Das zuckt wohl durch die Glieder. Sind nun die Elemente nicht Aus dem Komplex zu trennen, Was ist denn an dem ganzen Wicht Original zu nennen?

Albrecht Haushofer Mutter Ich sehe dich in einer Kerze Licht im Rahmen einer dunklen Pforte stehn. Du spürst die Kühle von den Bergen wehn. Du frierst ja Mutter... dennoch weichst du nicht. Du schaust mir nach, der in die Nacht enteilt. Im dunklen Schicksals ungewisse Frist, mit einem Lächeln, das nur Weinen ist, mit einem Schmerz, den kein Vertrauen heilt. Ich sehe dich in deiner Liebe Licht, im Zittern deiner weißen Haare stehn, du spürst die große, dunkle Kühle wehn – und langsam, langsam senkt sich dein Gesicht. Noch immer leuchtet fern der Kerze Schein – du frierst ja, Mutter... Mutter – geh hinein...

»Mensch, Mutter!« oder Die schönsten Komplimente

Immanuel Kant Ich werde meine Mutter nie vergessen; denn sie pflanzte und nährte den ersten Keim des Guten in mir, sie öffnete mein Herz den Eindrücken der Natur; sie weckte und erweiterte meine Begriffe, und ihre Lehren haben einen immerwährenden Einfluß auf mein Leben gehabt.

Jean Paul Die Mütter, welche der Zukunft die ersten fünf Jahre der Kinder erziehen, gründen Länder und Städte.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel Die Mutter ist der Genius des Kindes.

Karl Simrock Ist eine Mutter noch so arm, so gibt sie ihrem Kinde warm.

Georg Christoph Lichtenberg Die Erinnerung an meine Mutter und ihre Tugend ist bei mir gleichsam zum Cordial geworden, das ich immer mit dem besten Erfolg nehme, wenn ich irgend zum Bösen wankend werde.

Wenn wir die Mütter bilden, das heißt, die Kinder im Mutterleibe erziehen.

Friedrich von Logau Die Mutter trägt im Leibe das Kind drei Vierteljahr; die Mutter trägt auf Armen das Kind, weil’s schwach noch war; die Mutter trägt im Herzen die Kinder immerdar.

Lehre des Ani Verdopple das Brot, das dir deine Mutter gab, und trage sie, wie sie dich trug. (Ägyptisch, um 1500 v. Chr.)

Volksmund Weil Gott nicht alles allein machen wollte, schuf er die Mütter.

Gottfried August Bürger Was ihr euch, Gelehrte, für Geld nicht erwerbt, das habe ich von meiner Frau Mutter geerbt.

Paul Gerhard Wie von treuen Müttern in schweren Ungewittern die Kindlein hier auf Erden mit Fleiß bewahret werden.

»Sobald ein Lied erklungen...« oder Die Mutter bei der Wiege

Friedrich Rückert Schlummerlied Ich war ein böses Kind Und schlief nie ungesungen. Doch schlief ich ein geschwind, Sobald ein Lied erklungen, Das meine Mutter sang gelind. Und also bin ich noch, Ein Schlaflied muß mir klingen; Nur dieses lernt’ ich doch, Es selber mir zu singen, Seit ich der Mutter wuchs zu hoch. Und was mir tief und hoch Nun mancherlei erklungen, Ist nur ein Nachklang doch Von dem, was sie gesungen; Die Mutter singt in Schlaf mich noch.

Joachim Ringelnatz Schlummerlied Willst du auf Töpfchen? Fühlst du ein Dürstchen? Oder ein Würstchen? Senke dein Köpfchen. Draußen die Nacht, die kalte Ist düster und fremd. Deine Hände falte. Der liebe Gott küßt dein Hemd. Gute Ruh! Ich bin da, Seine Mutter, Mama; Müde wie du. Nichts mehr sagen – Nicht fragen – Nichts wissen – Augen zu. Horch in dein Kissen: Es atmet wie du.

Gabriela Mistral Du hattest mich Schlaf ein, mein Kind, schlaf lächelnd ein, es wiegt dich der Reigen der Sterne. Genossen hast du das Licht, fröhlich bist du gewesen, alles hast du gehabt, hattest du mich. Schlaf ein, mein Kind, schlaf lächelnd ein, es wiegt dich die liebende Erde. Du hast das brennende Karmesin der Rose erblickt. Du hast die Welt umarmt: du umarmtest mich. Schlaf ein, mein Kind, schlaf lächelnd ein, es wiegt dich Gott selber im Schatten.

Ludwig Anzengruber Wie klug, ihr Mütter Wie klug, ihr Mütter! Ihr störet nicht Den Schlaf der Kleinen. Es heißet ja, Im Schlafe spielten Mit ihnen Engel. Wenn sie dereinstens Der Mutter Brust Entwöhnt, erwachen, Wer weiß es denn: Was für Dämonen Mit ihnen spielen?! Wie klug, ihr Mütter! Ihr störet nicht Den Schlaf der Kleinen; Sie haben nur Für kurz die Englein Zu Spielgenossen.

Matthias Claudius Die Mutter bei der Wiege Schlaf, süßer Knabe, süß und mild! Du deines Vaters Ebenbild! Das bist du; zwar dein Vater spricht, du habest seine Nase nicht. Nur eben itzo war er hier und sah dir ins Gesicht und sprach: Viel hat er zwar von mir, doch meine Nase nicht. Mich dünkt es selbst, sie ist zu klein, doch muß es seine Nase sein; denn wenn’s nicht seine Nase wär’, wo hättst du denn die Nase her? Schlaf, Knabe; was dein Vater spricht, spricht er wohl nur im Schmerz; hab immer seine Nase nicht, und habe nur sein Herz!

Schlaf, Kindlein, schlaf Schlaf, Kindlein, schlaf! Der Vater hüt die Schaf, die Mütter schüttelt’s Bäumelein, da fällt herab ein Träumelein, schlaf, Kindlein, schlaf! Schlaf, Kindlein, schlaf! Der Vater hüt die Schaf, die Mutter hütet’s Böckelein, da kriegt man schöne Röckelein, schlaf, Kindlein, schlaf! Schlaf, Kindlein, schlaf! Der Vater hüt die Schaf, die Mutter hüt die Lämmerlein, nun schlaf, du goldigs Engelein, schlaf, Kindlein, schlaf! Schlaf, Kindlein, schlaf! Geh fort und hüt die Schaf, geh fort, du schwarzes Hündelein, und weck mir nicht mein Kindelein! Schlaf, Kindlein, schlaf! Schlaf, Kindlein, schlaf! Am Himmel ziehn die Schaf, die Sterne sind die Lämmerlein, der Mond, der ist das Schäferlein. Schlaf, Kindlein, schlaf! (Volkslied)

Schlaf, Kindle, schlaf! Da draußen is’ ein Schaf, da draußen is ein Lämmle auf einem grünen Tännle. Schlaf, Kindle, schlaf! (Anonym)

Schlaf, Kindlein, schlaf! Deine Mutter ist ein Schaf, dein Vater ist ein Trampeltier, was kannst du armes Kind dafür. Schlaf, Kindchen, schlaf! (Anonym)

Heinrich Hoffmann von Fallersleben Alles still in süßer Ruh Alles still in süßer Ruh, drum, mein Kind, so schlaf auch du! Draußen säuselt nur der Wind, su susu, schlaf ein, mein Kind! Schließ die lieben Äugelein, laß sie wie zwei Knospen sein! Morgen, wenn die Sonn erglüht, sind sie wie die Blum erblüht. Und die Blümlein schau ich an, und die Äuglein küß ich dann, und der Mutter Herz vergißt, daß es draußen Frühling ist.

Rainer Maria Rilke Zum Einschlafen zu sagen Ich möchte jemanden einsingen, bei jemandem sitzen und sein. Ich möchte dich wiegen und kleinsingen und begleiten schlafaus und schlafein. Ich möchte der Einzige sein im Haus, der wüßte: die Nacht war kalt. Ich möchte horchen herein und hinaus in dich, in die Welt, in den Wald. Die Uhren rufen sich schlagend an, und man sieht der Zeit auf den Grund. Und unten geht noch ein fremder Mann und stört einen fremden Hund. Dahinter wird Stille. Ich habe groß die Augen auf dich gelegt; und sie halten dich sanft und lassen dich los, wenn ein Ding sich im Dunkel bewegt.

Wolfgang Weyrauch Schlafe, mein Bübchen Schlafe, mein Bübchen, schlaf ein, Bübchen, wir sind nicht allein, Vater ist weit und ist nah, Vater ist fort und ist da, Vater im anderen Land streckt uns herüber die Hand, Bübchen, wir sind nicht allein, schlafe, mein Kerlchen, schlaf ein. Schlafe, mein Kerlchen, schlaf ein, bald sind wir nicht mehr allein, sahst du den fallenden Stern? Ach, und ich sah ihn so gern, mitten in unsere Nacht hat Vater an uns gedacht, bald sind wir nicht mehr allein, schlafe, mein Kindchen, schlaf ein.

Leopold Graf von Stolberg Mutterfreude Schlafe, süßer Knabe, Mir am Busen ein. Wohl mir, daß ich habe Dich, mein Bübelein! Unter diesem Herzen, Bübchen, trug ich dich; Hier, an diesem Herzen, Bübchen, säug ich dich. Kühle Weste dringen In den Busch hinein, Kleine Vögel fingen Ihre Jungen ein. Bübchen, es erschallet Mein Gesang für dich; Bübchen, es umwallet, Meine Locke dich. In dem warmen Neste Liegt das Vöglein weich, In dem Schirm der Äste Unterm Blütenzweig. Sanfter Schlummer labe Dich in meinem Arm; Ruhe, süßer Knabe, Ruhe, weich und warm.

Wilhelm Raabe Schaukeln und Gaukeln – halb wachender Traum. Schläfst du, mein Kindelein? Ich weiß es kaum. Halt zu dein Äuglein, draußen geht der Wind; spiel fort dein Träumlein, mein herzliebes Kind! Draußen geht der Wind, reißt die Blätter vom Baum, reißt die Blüten vom Zweig. Spiel fort deinen Traum! Spiel fort deinen Traum! Blinzäugelein! Schaukelnd und gaukelnd sitz ich und wein!

Achim von Arnim Goldne Wiegen schwingen Goldne Wiegen schwingen und die Mücken singen, Blumen sind die Wiegen, Kindlein drinnen liegen, auf und nieder geht der Wind, geht sich warm und geht gelind. Wieviel Kinder wiegen? Wieviel soll ich kriegen? Eins und zwei und dreie und ich zähl aufs neue, auf und nieder geht der Wind, und ich weine wie ein Kind.

Clemens Brentano Wiegenlied Singet leise, leise, leise, Singt ein flüsternd Wiegenlied, Von dem Monde lernt die Weise, Der so still am Himmel zieht. Singt ein Lied so süß gelinde, Wie die Quellen auf den Kieseln, Wie die Bienen um die Linde Summen, murmeln, flüstern, rieseln.

Friedrich Wilhelm Gotter Schlafe mein Prinzchen! es ruhn Schäfchen und Vögelchen nun. Garten und Wiese verstummt, Auch nicht ein Bienchen mehr summt; Luna mit silbernem Schein Gucket zum Fenster herein. Schlafe beim silbernen Schein, Schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein! Auch in dem Schlosse schon liegt Alles in Schlummer gewiegt; Reget kein Mäuschen sich mehr, Keller und Küche sind leer. Nur in der Zofe Gemach Tönet ein schmelzendes Ach! Was für ein Ach mag das sein? Schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein! Wer ist beglückter als du? Nichts als Vergnügen und Ruh! Spielwerk und Zucker vollauf Und noch Karessen im Kauf! Alles besorgt und bereit, Daß nur mein Prinzchen nicht schreit! Was wird das künftig erst sein? Schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein!

Wolfdietrich Schnurre Schlafe, mein Prinzchen Hab ich mies gepennt! Geträumt? Geärgert. Ganze Nacht? Fast. Über was’n? Über so’n Buch. Blöd? Ga kein Ausdruck. Na, hättste s doch zugeklappt. Mach ma, wenn dir deine Mutter draus vorlesen tut. Lang? Viertelstunde vielleicht. Geht doch noch. Aber nich, wenn de bedenkst, was inne Viertelstunde für Dußlichkeit reingeht. Wie heißt n das Buch? ›Gute-Nacht-Geschichten‹ steht drauf.

Christian Morgenstern Die Stimme Eine junge Mutter singt eintönig ihrem Kind, ihr Sinn in ferne Zeiten rinnt, voraus, zurücke dringt, – und mit dem Liede spielt der Wind... und trägt’s zu mir, und trägt’s zu dir, daß es uns selber rührt und regt, als säng sie’s dir, als säng sie’s mir, und laut uns in das Herze schlägt, – als säng, was wir geworden sind, die Mutter dort eintönig zum Wiegen in den Wind.

»Mein lieber Sohn, meine liebe Tochter!« oder Starke Stücke von starken Müttern

»Hüten Sie sich vor Bosheiten« Maria Theresia an ihren Sohn, Kaiser Joseph II. 24. September 1766 ... Hüten Sie sich davor, sich in Bosheiten zu gefallen... Ihr Herz ist noch nicht schlecht, aber es wird es werden. Es ist die höchste Zeit, daß Sie keinen Geschmack mehr an diesen Witzworten, diesen geistreichen Redewendungen finden, die nur dahin führen, daß man die anderen betrübt und lächerlich macht, alle anständigen Menschen verjagt und schließlich glaubt, das ganze Menschengeschlecht verdiene nicht, geachtet und geliebt zu werden, weil man durch eigenes Benehmen alle Guten entfernt und den Schurken, Nachahmern und Schmeichlern Ihrer Talente die Tür offengehalten hat. Sie haben ein Beispiel an Sinzendorffs. Man kann ihnen Geist, Talente und angeneh mes Wesen nicht absprechen, aber niemand kann es mit ihnen aushalten; sie sind schlechte Verwandte, schlechte Untertanen und taugen zu keinem Beruf, weder beim Militär noch in der Politik. Bei einem Herrscher wäre das Übel noch viel größer und würde sein eigenes Unglück und das aller seiner Untertanen sein. Nach dieser langen Predigt (...) will ich Ihnen sagen, was an Ihren Talenten und Vorzügen ist. Sie sind eine Kokette des Geistes, und ohne Urteil jagen Sie ihm nach, wo Sie ihn zu finden glauben. Ein Witzwort, eine Redewendung, die Sie in einem Buche finden oder von jemandem hören, nimmt Sie gefangen, und Sie wenden Sie bei der ersten Gelegenheit, ohne viel zu überlegen, ob es passend ist, an, ungefähr wie Elisabeth es mit ihrer Schönheit macht... Indem ich diesen Brief beschließe, nehme ich Sie beim Kopf, küsse Sie zärtlich und wünsche, daß Sie mir diese langweilige, schlechte Redeweise verzeihen... Ich möchte nur Sie so geachtet und geliebt von jedermann sehen, wie Sie es verdienen, und daß Sie glauben, daß ich immer Ihre gute alte treue Mama bin. Ähnlich drastische, aber mütterlich besorgte Briefe hat die Kaiserin von Österreich immer wieder auch an ihre anderen Kinder geschrieben, so auch an Marie Antoinette, die dann die Frau Ludwigs XVI. von Frankreich wurde und 1793 unter der Guillotine starb.

»ans gerade gehen gewöhnen« Eva König (spätere Lessing) an ihre Tochter Amalie Sommer 1772 Meine liebe Tochter, Das Verlangen, welches du äußerst mich bald wieder zu sehen, ist bey mir eben so groß, und vielleicht noch größer als bey dir. Die Zeit wird gibs Gott! auch kommen; und wenn ich euch dann nur gesund und brav finde, so werden dann alle die unangenehmen Stunden so ich hier zubringe, reichlich ersetzt seyn. Sey fromm und ermuntere deine Brüder es auch zu seyn, so wird Gott der bisher so reichlich für uns gesorgt hat, ferner unser Beystand und Retter seyn. Er verläßt die nicht, die Ihn fürchten und lieben. Sage der Carolina, die Mama hätte geschrieben, sie sollte dich auch fleißig arbeiten lassen, damit du dich indessen nicht zum Müßiggang gewöhnest. Man ist nicht glücklicher, als wenn man von Jugend auf lernet, seine Zeit nützlich anzuwenden, es bewahret uns unser gantzes Leben hindurch für der Langenweile, die gar oft schlimme Folgen nach sich ziehet. Denn wer seine Zeit nicht gut anzuwenden weis wendet sie oft schlecht an. – Was liest du denn nun? und ob du dich ans gerade gehen gewöhnest? Sage mir ausdrücklich, wenn du wieder schreibest. – Ich küsse dich und deine Geschwister. Das thut auch der Onkel und bin stetshin Deine treue Mutter ECK Eva König war durch den plötzlichen Tod ihres Mannes, eines Hamburger Kaufmanns, gezwungen, die Rolle einer Unternehmerin zu übernehmen und sich um Manufakturen in Wien zu kümmern. Ihre vier minderjährigen Kinder mußte sie jahrelang der Obhut von Freunden und Verwandten anvertrauen. Die einzig erhaltene Post für die Kinder ist dieser Brief an die

elfjährige Tochter Amalie.

»Eine Erscheinung aus der Unterwelt« Frau Aja, die Mutter Goethes, an ihren Sohn Frankfurth den 17 November 1786 Lieber Sohn! Eine Erscheinung aus der Unterwelt hätte mich nicht mehr in Verwunderung setzen können als dein Brief aus Rom. Jubeliren hätte ich vor Freude mögen daß der Wunsch der von frühester Jugend an in deiner Seele lag, nun in Erfüllung gegangen ist. Einen Menschen wie du bist, mit deinen Kentnüßen, mit dem reinen großen Blick vor alles was gut, groß und schön ist, der so ein Adlerauge hat, muß so eine Reiße auf sein gantzes übriges Leben vergnügt und glücklich machen, und nicht allein dich sondern alle die das Glück haben in deinem Wirckungs kreiß zu leben. Ewig werden mir die Worte der Seeligen Klettenbergern im Gedächnüß bleiben »Wenn dein Wolfgang nach Maintz reißet bring Er mehr Kentnüße mit, als andere die von Paris und London zurück kommen«. Aber sehen hätte ich dich mögen beym ersten Anblick der Peters Kirche!!! Doch du versprichts ja mich in der Rückreiße zu besuchen, da mußt du mir alles Haarklein erzählen. Vor ohngefähr 4 Wochen schriebe Fritz von Stein er wäre deinetwegen in großer Verlegenheit kein Mensch selbst der Herzog nicht, wüste wo du wärest – jedermann glaubte dich in Böhmen u.s.w. Dein mir sehr lieber und Intresanter Brief vom 4ten November kam Mittwochs den 15 ditto Abens um 6 Uhr bey mir an. Denen Bethmännern habe ihren Brief auf eine so drollige Weiße in die Hände gespielt, daß sie gewiß auf mich nicht rathen. Von meinem innern und äußern Befinden folgt hir ein genauer und getreuer Abdruck. Mein Leben fließt still dahin wie ein klahrer Bach – Unruhe und Getümmel war von jeher meine sache nicht, und ich dancke der Vorsehung vor meine Lage – Tausend würde so ein Leben zu einförmig vorkommen mir nicht, so ruhig mein Cörpper ist; so thätig ist das was in mir denckt – da kan ich so einen gantzen geschlagenen Tag gantz alleine zubringen, erstaune daß es Abend ist, und bin vergnügt wie eine Göttin – und mehr als vergnügt und zufrieden seyn, braucht mann doch wohl in dieser Welt nicht. Das neueste von deinen alten Bekandten ist, daß Papa la Roche nicht mehr in Speier ist, sondern sich ein Hauß in Offenbach gekauft hat, und sein Leben allda zu beschließen gedenckt. Deine übrigen Freunde sind alle noch die sie waren, keiner hat so Rießenschritte wie du gemacht/: wir waren aber auch immer die Lakqueien sagte einmahl der verstorbene Max Moors :/ Wenn du herkomst so müßen diese Menschen Kinder alle eingeladen und herrlich Tracktiert werden – Willprets Braten Geflügel wie Sand am Meer – es soll eben pompos hergehen. Lieber Sohn! Da fält mir nun ein Unterthäniger Zweifel ein, ob dieser Brief auch wohl in deine Hände kommen mögte, ich weiß nicht wo du in Rom wohnst – du bist halb in Conito /: wie du schreibst :/ wollen das beste hoffen. Du wirst doch ehe du komst noch vorher etwas von dir hören laßen, sonst glaube ich jede Postschäße brächte mir meinen einzig geliebten – und betrogne Hoffnung ist meine sache gar nicht Lebe wohl Bester! Und gedencke öffters an deine treue Mutter Elisabeth Goethe Mit diesem heiteren Brief reagierte Catharina Elisabeth Goethe auf etwas, das alle anderen als einen Skandal empfanden: Am 3. September 1786 war Goethe von Karlsbad aus, wo er mit Freunden und Frau von Stein Ferien verbracht hatte, heimlich nach Italien gereist. Dieses Verschwinden aus allen Weimarer Ämtern und Pflichten machte offenbar nur bei Frau Aja kein böses Blut. Bei der Rückkehr, knapp zwei Jahre später, besuchte Goethe seine Mutter nicht.

»Was mich von Dir zurückscheucht« Johanna Schopenhauer an ihren Sohn Arthur 14. Mai 1807 ... Nun zu Deinem Verhältnisse hier gegen mich, und da dünkt es mir am besten, ich sage Dir gleich ohne Umschweife, was ich wünsche und wie es mir ums Herz ist, damit wir einander gleich verstehen. Daß ich Dich recht liebhabe, daran zweifelst Du nicht, ich habe es Dir bewiesen, solange ich lebe. Es ist zu meinem Glück notwendig zu wissen, daß Du glücklich bist, aber nicht ein Zeuge davon zu sein. Ich habe Dir immer gesagt, es wär sehr schwer, mit Dir zu leben, und je näher ich Dich betrachte, desto mehr scheint diese Schwierigkeit, für mich wenigstens, zuzunehmen. Ich verhehle es Dir nicht: solange Du bist, wie Du bist, würde ich jedes Opfer eher bringen, als mich dazu zu entschließen. Ich verkenne Dein Gutes nicht, auch liegt das, was mich von Dir zurückscheucht, nicht in Deinem Gemüt, nicht in Deinem inneren, aber in Deinem äußeren Wesen, Deinen Ansichten, Deinen Urteilen, Deinen Gewohnheiten – kurz, ich kann mit Dir in nichts, was die Außenwelt angeht, übereinstimmen. Auch dein Mißmut ist mir drückend und verstimmt meinen heitern Humor, ohne daß es Dir etwas hilft. Sieh, lieber Arthur, Du bist nur auf Tage bei mir zum Besuch gewesen, und jedesmal gab es heftige Szenen um nichts und wieder nichts, und jedesmal atmete ich erst frei, wenn Du weg warst, weil Deine Gegenwart, Deine Klagen über unvermeidliche Dinge, Deine finsteren Gesichter, Deine bizarren Urteile, die wie Orakelsprüche von Dir ausgesprochen werden, ohne daß man etwas dagegen einwenden dürfte, mich drückten.... An meinen Gesellschaftstagen kannst Du abends bei mir essen, wenn Du Dich dabei des leidigen Disputierens, das mich auch verdrießlich macht, wie auch alles Lamentierens über die dumme Welt und das menschliche Elend enthalten willst, weil mir das immer eine schlechte Nacht und üble Träume macht und ich gern gut schlafe. Johanna Schopenhauer, die Mutter des Philosophen, schrieb das als Vierzigjährige. Ein Jahr vorher war sie von Hamburg nach Weimar übergesiedelt, wo sie, angeregt vom Umgang mit den dort versammelten Dichtern, alsbald zu einer vielgelesenen, wenngleich sentimentalen Romanschreiberin wurde.

»Rette nur ein kleines, sicheres Glück« Charlotte von Stein an Fritz von Stein den 8ten Febr. 1811 Ich muß dir gestehen lieber Fritz daß mir ganz sonderbar vorkomt wie Du die Begebenheiten die das Glück, Wohlstand, und Ruhe, unßres Lebens ausmachen mit einem Leichtsinn behandelst der doch Deinen ernsthaften Charakter gar nicht angemeßen ist, und mich endlich über Dich ganz besorgt macht, so hast Du es seit der unglücklichen Zeit als Du den hiesigen Dienst verliesest mit Deinen Güter Kauf und Deine Heyrathen gemacht etc. Alles was Du mir von Deiner Frau sagst ist noch keine Ursache sich von ihr trennen zu wollen, vielmehr soltest Du suchen sie zu erziehen sie mit Liebe zu gewinnen....Diese Trennung wird Dir wieder viel Geld kosten, und endlich wirst Du den panquerot gar nicht entgehen können; Dein Gut zu verkaufen bringt Dir auch den Verlust Deiner jetzigen Stelle da Du nicht mehr Landstand bist und endlich wird man das Zutraun zu Dir verlieren da Du Dir Deine eigne Sachen nicht beßer zu machen weißt, und jezt da Humbold nicht mehr in Berlin ist hast Du nicht einmahl einen Freund mehr der vor Dich spräche, Du wirst vielleicht hart finden was ich Dir sage, und ist etwas wahres dran daß die Unglücklichen immer unrecht haben, also Du armer Fritz must auch dieses leiden, doch hielt ich vor meine Pflicht Dich drauf aufmerksam zu machen, Deinen Schicksal nicht zu trauen, vielmehr immer lieber das sicherste als gewagtes zu nehmen.... Du wirst Dich erinnern daß ich das Capital wo von ich meinen Withum bekomme nicht auf Dein Guth wolte gesezt haben weil ich Dein gewagtes Handlen voraus sah, ich erinnerte auch, nicht ein so großes Guth zu kaufen, den es könte Krieg kommen, aber Du kontest Deinen Schicksal nicht entgehen, wärest Du ein rechter Erdenmensch es wäre Dir gelungen, aber es ist ein beßeres Streben in Dir, gieb Dich also den Erden Glück nicht mehr preis, wage nichts mehr es läßt Dich stecken...

Deine treue Mutter. Charlotte von Stein, die unglückliche Freundin Goethes, schreibt diesen Brief an ihren Sohn Fritz, kann aber seine Scheidung von seiner Frau, der Gräfin Amalie von Schlabrendorf, nicht abwenden. An der Lebensuntüchtigkeit des Sohnes gab en einige Zeitgenossen auch Goethe die Schuld, der den Jungen zeitweilig in sein Haus genommen und »erzogen« hatte.

Marie von Ebner -Eschenbach Aphorismen Der Gescheitere gibt nach! Ein unsterbliches Wort. Es begründet die Weltherrschaft der Dummheit. Ehen werden im Himmel geschlossen, aber daß sie gut geraten, darauf wird dort nicht gesehen. Die meisten Menschen brauchen mehr Liebe, als sie verdienen. Die Menschen, denen wir eine Stütze sind, die geben uns den Halt im Leben. Wo die Eitelkeit anfängt, hört der Verstand auf. Wer in Gegenwart von Kindern spottet oder lügt, begeht ein todeswürdiges Verbrechen. Der Mann ist der Herr des Hauses; im Hause aber soll nur die Frau herrschen. Eine gescheite Frau hat Millionen geborener Feinde – alle dummen Männer. Eine Vernunftehe schließen, heißt in den meisten Fällen, alle seine Vernunft zusammennehmen, um die wahnsinnigste Handlung zu begehen, die ein Mensch begehen kann. Wenn die Großmut vollkommen sein soll, muß sie eine kleine Dosis Leichtsinn enthalten.

Die Empfindung der Einsamkeit ist schmerzlich, wenn sie uns im Gewühl der Welt, unerträglich jedoch, wenn sie uns im Schoße unserer Familie überfällt. Mehr noch als nach dem Glück unserer Jugend sehnen wir uns im Alter nach den Wünschen unserer Jugend zurück. Respekt vor dem Gemeinplatz! Er ist seit Jahrhunderten aufgespeicherte Weisheit. Das edle: Ich will! hat keinen schlimmeren Feind als das feige, selbstbetrügerische: Ja, wenn ich wollte! Das gibt sich, sagen schwache Eltern von den Fehlern ihrer Kinder. O nein, es gibt sich nicht, es entwickelt sich! Wieviel Bewegung wird hervorgebracht durch das Streben nach Ruhe! Es ist schlimm, wenn zwei Eheleute einander langweilen; viel schlimmer jedoch ist es, wenn nur einer von ihnen den andern langweilt. Im Grunde ist jedes Unglück gerade nur so schwer, als man es nimmt. Eine Frau, die ihren Mann nicht beeinflussen kann, ist ein Gänschen. Eine Frau, die ihn nicht beeinflussen will – eine Heilige. Daß soviel Ungezogenheit gut durch die Welt kommt, daran ist die Wohlerzogenheit schuld.

Es gäbe keine soziale Frage, wenn die Reichen von jeher Menschenfreunde gewesen wären.

»Heute wirst du nicht genervt...« oder Versprechen und Versprecher zum Muttertag

Eva Bartoscheck-Rechlin Zum Muttertag Wir wären nie gewaschen und meistens nicht gekämmt, die Strümpfe hätten Löcher und schmutzig wär das Hemd, wir äßen Fisch mit Honig und Blumenkohl mit Zimt, wenn du nicht täglich sorgtest, daß alles klappt und stimmt. Wir hätten nasse Füße und Zähne schwarz wie Ruß und bis zu beiden Ohren die Haut voll Pflaumenmus. Wir könnten auch nicht schlafen, wenn du nicht noch mal kämst und uns, bevor wir träumen, in deine Arme nähmst. Und trotzdem! Sind wir alle auch manchmal eine Last: Was wärst du ohne Kinder? Sei froh, daß du uns hast.

Robert Gernhardt Zum Muttertag Ein Liedfragment Mama – kein einziges Wort auf der Welt das so viele Mas enthält wie Mama. Ja – Kaktushecke hat mehr Kas Braunbärbabies hat mehr Bes Erdbeerbecher hat mehr Es Schamhaaransatz hat mehr As – Aber Mas? Koblenz hat keine Ma München hat so gut wie keine Ma Mannheim hat nur eine Ma doch welche Stadt hat zwei Ma? Na? Göttingen Ja! Denn dort wohnt meine Mama.

Josef Guggenmos Ein Sträußlein Waldmeister (Zum Muttertag) Weiß und grün ist mein Strauß, hübsch bescheiden sieht er aus. Frisch vom Wald kommt er herein. Rieche nur, er duftet fein. Liebe Mutter, er bringt mit, was ich dir wünsche: lauter Glück.

Trude Marzik G’schmalzener Muttertag So an Muttertag hat jeder gern: das Mütterlein wolln ma heut ehrn, des geht den Menschen so nah – und guat für die Gschäftsleut is aa. Zehn Schilling für a winziges Steckerl Vergißmeinnicht, nur a Verreckerl! Der Blumenhändler, der lacht: Schenkt Freude durch Blumenpracht! A Herzerl mit seidene Maschen, feinst gefüllt, für die Mutter zum Naschen. Der Konditor sagt direkt gekränkt: Fünfzig Schilling is direkt geschenkt. Und führt man die Mutter zum Essen, das Tischreservi eren net vergessen! Der Wirt sagt glei: Essen S’ net z’lang! Es warten schon d’ nächsten am Gang! Bei Dutzende Muttertagsfeiern tan s’ Muttertagsliader nur leiern. Der Künstler denkt: Ja, wann’s es zahlts! Und legt in die Stimm no mehr Schmalz. Der Mutter is alles zu teuer. Die addiert still die Kosten der Feier: Leicht vierhundert Schilling in bar! Gott sei Dank is nur amal im Jahr!

Benno Burkhardt Das Kind gratuliert Liebe Mutter, hör mir zu, was ich jetzt dir sag: Heute hast du einmal Ruh, heut, am Muttertag. All die vielen Haushaltssachen – so will es der Brauch – will ich heute für dich machen, und der Papa auch. Putzen, Saugen, Nähen, Backen mußt du all die Wochen Heute sollst du dich nicht placken. Bitte nur: was kochen. Papa hat mir eingeschärft: Dieser Tag wird heiter. Heute wirst du nicht genervt. Morgen sehn wir weiter.

Rosemarie Neie Von allen Müttern auf der Welt ist keine, dir mir so gefällt wie meine Mutter, wenn sie lacht, mich ansieht oder gar nichts macht. Auch wenn sie aus dem Fenster winkt und mit mir rodelt, mit mir singt und nachts in Ruhe bei mir sitzt, wenn’s draußen wettert, donnert, blitzt und wenn sie sich mit mir versöhnt und wenn ich krank bin mich verwöhnt – ja, was sie überhaupt auch tut, ich mag sie immer, bin ihr gut. Und hin und wieder wundert’s mich, daß wir uns fanden – sie und ich.

Mütter, Söhne, Muttersöhnchen oder Fünf Solos für Erich Kästner

Eine Mutter zieht Bilanz Mein Sohn schreibt mir so gut wie gar nicht mehr. Das heißt, zu Ostern hat er mir geschrieben. Er denke gern an mich zurück, schrieb er, und würde mich, wie stets, von Herzen lieben. Das letztemal, als wir uns beide sahn, das war genau vor zweidreiviertel Jahren. Ich stehe manchmal an der Eisenbahn, wenn Züge nach Berlin – dort wohnt er – fahren. Und einmal kaufte ich mir ein Billett und wäre beinah nach Berlin gekommen! Doch dann begab ich mich zum Schalterbrett. Dort hat man das Billett zurückgenommen. Seit einem Jahr, da hat er eine Braut. Das Bild von ihr will er schon lange schicken. Ob er mich kommen läßt, wenn man sie traut? Ich würde ihnen gern ein Kissen sticken. Man weiß nur nicht, ob ihr sowas gefällt... Ob sie ihn wohl, wie er’s verdiente, liebt? Mir ist manchmal so einzeln auf der Welt. Ob es auch zärtlichere Söhne gibt? Wie war das schön, als wir zusammen waren! Im gleichen Haus... Und in der gleichen Stadt... Nachts lieg ich wach und hör die Züge fahren. Ob er noch immer seinen Husten hat? Ich hab von ihm noch ein Paar Kinderschuhe. Nun ist er groß und läßt mich so allein. Ich sitze still und habe keine Ruhe. Am besten wär’s, die Kinder blieben klein.

Frau Großhennig schreibt an ihren Sohn

Mein lieber Junge! Das war natürlich sehr schade, daß Du zu meinem Geburtstag nicht kamst. Und nur schriebst. Die Nelken waren sehr schön. Und Bratwurst hatten wir grade. Weil ich doch hoffte, Du kämst. Und Du doch Bratwurst so liebst. Tante Isolde hat mir eine Lackledertasche geschenkt. Nur Vater hatte es gänzlich vergessen. Ich war erst traurig. Wo er doch sonst stets an alles denkt. Aber es gab viel zu tun, mit dem Kaffee, und dann mit dem Abendessen.

Und wie geht es Dir sonst und bist Du den trockenen Husten los? Das macht mir Sorgen mein Kind. Und das darf man nicht hinhängen lassen. Nächstens schick ich Dir Umlegekragen. Waren die letzten zu groß? Ja wenn Du zu Hause wärst, dann würden die Kragen schon passen. Ach, Krauses älteste Tochter hat kürzlich ein Kind gekriegt! Wer der Vater ist, weiß kein Mensch. Und sie soll es selber nicht wissen. Ob denn das wirklich bloß an der Gymnasialbildung liegt? Und schick bald die schmutzige Wäsche. Der letzte Kartong war schrecklich zerrissen. Mein Kostüm habe ich umfärben lassen. Jetzt ist es marineblau. Laß Dein Zimmer heizen. Wir machen schon lange Feuer. Das Fleisch das kaufe ich jetzt bei unsrer Gemüsefrau, da ist es zehn Pfennige billiger. Ich finde es trotzdem noch teuer. Drei Monate bist Du nun schon nicht zu Hause gewesen. Läßt es sich wirklich nicht mal und wenns auf zwei Tage ist machen? Erst vorgestern habe ich eine Berliner Zeitung gelesen. Fritz sieh Dich bloß vor! Da passieren ja gräßliche Sachen! Ist das Essen auch gut in dem Restaurant wo Du ißt? Laß Dir doch abends von Deiner Wirtin zwei Eier auf Butter braten. Das wird alles anders, wenn Du erst richtig verheiratet bist. Ich weiß schon, Du hast keine Lust. Das ist schade, da läßt sich nicht raten. Unser neuer Zimmerherr der hat eine richtige Braut. Die ist mitunter bei ihm. Sonst bin ich mit ihm ganz zufrieden. Die Hausmannsfrau hat sie gesehn. Und sagte gestern ganz laut, das wäre nicht immer dieselbe. Ich müßte das endlich verbieten. Sonst geht es uns allen wenn man das schlechte nicht rechnet famos. Ich hoffe dasselbe von Dir. Was wollte ich gleich noch sagen? Das Papier ist zu Ende. Leb wohl! Bei Ehrlichs ist wieder was los. Ich will nur den Brief noch ganz schnell in den Bahnhofsbriefkasten tragen. Da fällt mir noch etwas ein. Doch es geht schon gar nicht mehr her.

Kannst Dus auch lesen? Frau Fleischer Stefan traf ich jetzt im Theater. Was die Erna ist, ihre Tochter. Die liebt Dich längst schon. Und sehr. Ich find sie recht nett. Na schon gut. Auch viele Grüße von Vater!

Die Heimkehr des verlorenen Sohnes Erst wollte er bis ans Mittelmeer. Er war schon auf halber Strecke und stieg im Schnee und in Innsbruck umher. Der Himmel war blau. Das gefiel ihm sehr. Und er staunte an jeder Ecke. Dann hatte er noch zehn Tage Zeit und wollte nach Nizza reisen. Er war vergnügt wie nicht gescheit und lachte und dachte: Die Welt ist zwar weit, doch ich werde ihr’s schon beweisen. So kam der Tag, an dem er fuhr. Es war schon alles in Butter. Da blickte er plötzlich erstaunt auf die Uhr und pfiff auf Nizza und die Natur und reiste zu seiner Mutter. Die Fahrt erschien ihm wunderbar. Er winkte jedem Flüßchen. Es war schon über ein volles Jahr, daß er nicht mehr zu Hause war. Und da schämte er sich ein bißchen. Dann kam er an und stieg schnell aus, mit seinen Koffern und Taschen. Er kaufte Blumen und fuhr nach Haus und sagte versteckt hinterm Blumenstrauß: »Ich wollte dich überraschen.« Jetzt saß er zwar nicht in Nizza und Cannes, doch er saß in Mutters Zimmer. Sie schwieg und lachte dann und wann und erzählte und brachte Kuchen an und betrachtete ihn immer... Zehn ganze Tage blieb er hier! Bis zur allerletzten Minute. Dann fuhr er fort und winkte ihr. Sie stand verlassen am Bahnsteig 4 und sagte gerührt: »Der Gute.«

Junggesellen sind auf Reisen Ich bin mit meiner Mutter auf der Reise... Wir fuhren über Frankfurt, Basel, Bern zum Genfer See. Und dann ein Stück im Kreise. Die Mutter schimpfte manchmal auf die Preise.

Jetzt sind wir in Luzern. Die Schweiz ist schön. Man muß sich dran gewöhnen. Man fährt auf Berge. Und man fährt auf Seen. Und manchmal schmerzt der Leib von all dem Schönen. Man trifft es oft, daß Mütter mit den Söhnen auf Reisen gehn. Das ist ein Glück: mit seiner Mutter fahren! Weil Mütter doch die besten Frauen sind. Sie reisten mit uns, als wir Knaben waren, und reisen nun mit uns, nach vielen Jahren, als wären sie das Kind. Sie lassen sich die höchsten Gipfel zeigen. Die Welt ist wieder wie ein Bilderbuch. Sie können, wenn ein See ganz blau wird, schweigen und haben stets, wenn sie in Züge steigen, Angst um das Umschlagtuch. Erst ist man sich noch etwas fremd. Wie immer, seit man fern voneinander leben muß. Jetzt schläft man, wie dereinst, im selben Zimmer. Und sagt: »Schlaf wohl!« Und löscht den Lampenschimmer. Und gibt sich einen Kuß. Doch eh man’s lernt, ist es zu Ende! Wir bringen unsre Mütter bis nach Haus. Frau Haubold sagt, daß sie das reizend fände. Dann schütteln wir den Müttern kurz die Hände und fahren wieder in die Welt hinaus.

Ein Buchhalter schreibt seiner Mutter Heute erhielt ich die Wäsche, du Gute. Und unter Brüdern, es wurde Zeit. Der Postbote kam in letzter Minute. Was sagst du, mir sind die Kragen zu weit. Kein Wunder, fortwährend die Sache mit Hilde. Ich heirate nicht bei diesem Gehalt. Ich hab’s ihr erklärt. Und nun ist sie im Bilde. Sie wartet nicht länger, sonst wird sie zu alt. Du schreibst, daß ich deine Briefe nicht läse und du nur noch Postkarten schicken wirst. Du schreibst, daß du denkst, daß ich dich vergäße. Wie du dich irrst...

Wie gern ich dir öfter und gründlicher schriebe und nicht bloß den ewigen Wochenbericht! Ich dachte, du wüßtest, daß ich dich liebe. Im letzten Briefe, da weißt du es nicht. Da sitz ich nun ständig und rechne und buche fünfstellige Zahlen und werde kaum satt. Ob ich mir vielleicht mal was anderes suche? Am besten, in einer anderen Stadt? Ich bin doch nicht dumm, doch ich komm nicht vom Flecke. Ich lebe, aber man merkt es nicht sehr. Ich lebe auf einer Nebenstrecke. Das ist nicht nur traurig. Es fällt auch schwer. Du schreibst, daß am Sonntag die Breslauer kommen. Wie ist das denn übrigens, hast du dir, ich bat dich darum, eine Waschfrau genommen? Und wenn sie kommen, dann grüße von mir. Und schick zum Geburtstag nicht wieder Geschenke! Du sparst es dir ab. Denn ich kenne das schon. Und schreib ich zu wenig, so glaub mir, ich denke fast immer an dich. Viele Grüße. Dein Sohn.

»Und ›Mutter‹ jauchzt ihr erstes Wort« oder Dramen und Melodramen

Johann Nepomuk Vogl Das Erkennen Ein Wanderbursch, mit dem Stab in der Hand Kommt wieder heim aus dem fremden Land. Sein Haar ist bestäubt, sein Antlitz verbrannt Von wem wird der Bursch wohl zuerst erkannt? So tritt er ins Städtchen, durchs alte Tor Am Schlagbaum lehnt just der Zöllner hervor, Der Zöllner, der war ihm ein lieber Freund Oft hatte der Becher die beiden vereint. Doch sieh – Freund Zollmann erkennt ihn nicht, Zu sehr hat die Sonn ihm verbrannt das Gesicht, Und weiter wandert nach kurzem Gruß Der Bursche, und schüttelt den Staub vom Fuß. Da schaut aus dem Fenster sein Schätzel fromm, »Du blühende Jungfrau, viel schönen Willkomm!« Doch sieh – auch das Mägdlein erkennt ihn nicht. Die Sonn hat zu sehr ihm verbrannt das Gesicht. Und weiter geht er die Straß’ entlang, Ein Tränlein hängt ihm an der braunen Wang. Da wankt von dem Kirchsteig sein Mütterchen her, »Gott grüß Euch!« so spricht er und sonst nichts mehr. Doch sieh – das Mütterchen schluchzet voll Lust: »Mein Sohn!« – und sinkt an des Burschen Brust. Wie sehr auch die Sonne sein Antlitz verbrannt, Das Mutteraug’ hat ihn doch gleich erkannt.

Gottfried Keller Jung gewohnt, alt getan Die Schenke dröhnt, und an dem langen Tisch Ragt Kopf an Kopf verkommener Gesellen; Man pfeift, man lacht; Geschrei, Fluch und Gezisch Ertönte an des Trankes trüben Wellen.

In dieser Wüste glänzt’ ein weißes Brot, Sah man es an, so ward dem Herzen besser; Sie drehten eifrig draus ein schwarzes Schrot Und wischten dran die blinden Schenkemesser. Doch einem, der da mit den andern schrie, Fiel untern Tisch des Brots ein kleiner Bissen; Schnell fuhr er nieder, wo sich Knie an Knie Gebogen drängte in den Finsternissen. Dort sucht’ er selbstvergessen nach dem Brot, Doch da begann’s rings um ihn zu rumoren, Sie brachten mit den Füßen ihn in Not Und schrien erbost: »Was, Kerl! hast du verloren?« Errötend taucht’ er aus dem dunklen Graus Und barg es in des Tuches grauen Falten. Er sann und sah sein ehrlich Vaterhaus Und einer treuen Mutter häuslich Walten.

Nach Jahren aber saß der selbe Mann Bei Herrn und Damen an der Tafelrunde, Wo Sonnenlicht das Silber überspann, Und in gewählten Reden floh die Stunde. Auch hier lag Brot, weiß wie der Wirtin Hand, Wohlschmeckend in dem Dufte guter Sitten; Er selber hielt’s nun fest und mit Verstand, Doch einem Fräulein war ein Stück entglitten. »Oh lassen Sie es liegen!« sagt sie schnell; Zu spät, schon ist er untern Tisch gefahren Und späht und sucht, der närrische Gesell, Wo kleine seidne Füßchen stehn zu Paaren. Die Herren lächeln, und die Damen ziehn Die Sessel scheu zurück vor dem Beginnen; Er taucht empor und legt das Brötchen hin, Errötend hin auf das damastne Li nnen. »Zu artig, Herr!« dankt’ ihm das schöne Kind, Indem sie spöttisch lächelnd sich verneigte; Er aber sagte höflich und gelind, Indem er sich gar sittsam tief verbeugte: »Wohl einer Frau galt meine Artigkeit, Doch Ihnen diesmal nicht, verehrte Dame! Es galt der Mutter, die vor langer Zeit Entschlafen ist in Leid und bitt’rem Grame.«

Friedrich Hebbel Der Kirschenstrauß Blond und fein, ein Lockenköpfchen, Das kaum vier der Jahre hat, Trippelt ängstlich durch das Gäßchen, Jeder Schritt noch eine Tat. Eier trägt es in den Händen, Die es so verlegen hält, Wie auf alten Kaiserbildern Karl der Große seine Welt. Arme Kleine! Wenn sie fielen, Gäb’ es keinen Kuchen mehr, Und der Weg ist so gefährlich, Und das Herzchen pocht so sehr! Hätte sie geahnt, wie teuer Oft sich büßt der Tatendrang, Nimmer hätt’ sie ihn der Mutter Abgeschmeichelt, diesen Gang. Dennoch käm sie wohl zu Hause, Forderte der Kirschenstrauß, Den die Krämerin ihr schenkte, Nur den Durst nicht so heraus. Doch sie möchte eine kosten Von den Beeren, rund und rot, Denn es sind für sie die ersten, Und das bringt ihr große Not.

Ihre Hand zum Mund zu führen, Wagt sie nimmer, denn das Ei Könnte ihr derweil entschlüpfen, Hält sie doch den Strauß dabei. Drum versucht sie’s, sich zu bücken, Doch die Kluft ist gar zu weit, Und sie spitzt umsonst die Lippen Nach der würz’gen Süßigkeit. Aber sie gerät ins Straucheln, Und das Unglück wär’ geschehn, Bliebe sie nicht auf der Stelle Wie erstarrt vor Schrecken stehn.

Denn die Eier wollen gleiten, Und sie hält sie nur noch fest, Weil sie beide unwillkürlich Gegen Leib und Brust gepreßt. Lange wird es zwar nicht dauern: Bellt der erste kleine Hund, Fährt sie noch einmal zusammen, Und sie rollen auf den Grund. Doch, da springt, den Küchenlöffel In der mehlbestäubten Hand, Ihr die Mutter rasch entgegen, Und das Unglück ist gebannt.

Detlev von Liliencron Das taubstumme Kind Von dichter Kinderschar umgeben, Pausbäckig alle und gesund, Schien wolkenlos der Mutter Leben, Und alles stand auf sicherm Grund. Nur eins von all den Glücksgewinnen, Ein Mädelchen im lustigen Schwarm, War taubstumm und von blöden Sinnen, Lag täglich fast dem Tod im Arm. Verdreifacht hält der Liebe Posten Vor ihrem Stübchen seine Wacht, Und keine Mühe, keine Kosten Erschüttern seine Heldenmacht. Und weiter atmet, lebt die Kranke, Nun ist sie dreizehn Jahre schon, Doch immer bleibt dieselbe Schranke, Versagt ist ihr der Menschenton. Der Mutter heißeste der Bitten, Der Wünsche heißester ist nur, Bevor ihr Liebling ausgelitten, Eh abgelaufen ihre Uhr: Daß sie ein einzig Mal nur sage, Ein einzig Mal das eine Wort »Mutter« – und wegfegt alle Klage, Und alle Trübsal wär verdorrt.

Das Mädchen starb. Mit reinem Herzen Sank oben sie an Gottes Brust. Die Mutter blieb im Land der Schmerzen Und gab sich schwer in den Verlust. Dann starb auch sie nach vielen Jahren, Nach Plag und Arbeit, wie’s so geht; Wir alle müssen’s ja erfahren, Wie scharf der Wind auf Erden weht. Als sie nun schritt auf Himmelswegen, Bei Gottes Thron am heiligen Ort, Trat ihr das Töchterchen entgegen, Und – »Mutter« jauchzt ihr erstes Wort.

Gustav Falke Die Schnitterin War einst ein Knecht, einer Witwe Sohn, der hatte sich schwer vergangen. Da sprach sein Herr: »Du bekommst deinen Lohn, morgen mußt du hangen.« Als das seiner Mutter kundgetan, auf die Erde fiel sie mit Schreien: »O lieber Herr Graf, und hört mich an, er ist der letzte von dreien. Den ersten schluckte die schwarze See, seinen Vater schon mußte sie haben; den andern haben in Schonens Schnee eure schwedischen Feinde begraben. Und laßt ihr mir den letzten nicht, und hat er sich vergangen, laßt meines Alters Trost und Licht nicht schmählich am Galgen hangen!« Die Sonne hell im Mittag stand, der Graf saß hoch zu Pferde; das jammernde Weib hielt sein Gewand und schrie vor ihm auf der Erde. Da rief er: »Gut, eh die Sonne geht, kannst du drei Äcker mir schneiden, drei Äcker Gerste, dein Sohn besteht, den Tod soll er nicht leiden.«

So trieb er Spott, gar hart gelaunt, und ist seines Weges geritten. Am Abend aber, der Strenge staunt, drei Äcker waren geschnitten. Was stolz am Halm stand über Tag, sank hin, er mußt es schon glauben. Und dort, was war’s, was am Feldrand lag? Sein Schimmel stieg mit Schnauben. Drei Äcker Gerste, ums Abendrot, lagen in breiten Schwaden, daneben die Mutter, und die war tot; so kam der Knecht zu Gnaden.

Wolfram von Eschenbach Parzivals Abschied von Mutter Herzeloyd Vier Männer sah ich, Mutter mein: Gott selbst hat nicht so lichten Schein; Die sagten mir von Ritterschaft. Artus in seiner Königskraft Verleiht die Rittersehren, Soll sie auch mir gewähren. – Da ging ein neuer Jammer an. Sie wußte keinen Rat und sann: Was sollte sie erdenken, Sein Trachten abzulenken? Das einzige, was er begehrt Und immer wieder, ist ein Pferd. Sie dacht’ in Herzensklagen: Ich will’s ihm nicht versagen; Doch soll es ein gar schlechtes sein, Da doch die Menschen insgemein Schnell bereit zum Spotte sind, Und Narrenkleider soll mein Kind An seinem lichten Leibe tragen: Wird er gerauft dann und geschlagen, So kehrt er mir wohl bald zurück. – Aus Sacktuch schnitt aus einem Stück Sie Hos’ und Hemd; das hüllt ihn ein Bis mitten auf sein blankes Bein, Mit einer Gugel obendran. Zwei Bauernstiefel wurden dann Aus rauher Kalbshaut ihm gemacht. Sie bat ihn: Bleib noch diese Nacht! Du sollst dich nicht von hinnen kehren, Eh du vernahmst der Mutter Lehren: Ziehst pfadlos du durch Wald und Heiden, Sollst du die dunklen Furten meiden; Sind sie aber seicht und rein, So reite nur getrost hinein. Du mußt mit Anstand dich betragen Und niemand deinen Gruß versagen. Wenn dich ein grauer weiser Mann Zucht will lehren, wie er’s kann, So folg ihm allerwegen Und murre nicht dagegen. Eins achte ferner nicht gering: Wo eines guten Weibes Ring Du kannst erwerben und ihr Grüßen, So nimm’s; es wird dir Leid versüßen. Küsse keck das holde Weib Und drück es fest an deinen Leib. Denn das gibt Glück und hohen Mut, Sofern sie züchtig ist und gut...

Dann in der frühsten Morgenzeit War schon der Knabe fahrtbereit, Der nur vom König Artus sprach. Sie küßt’ ihn noch und lief ihm nach. O Welt von Leid, was da geschah! Als ihren Sohn sie nicht mehr sah, – Dort ritt er hin, wann kehrt er wieder? – Fiel Herzeloyd zur Erde nieder. Ihr schnitt ins Herz der Trennung Schlag, Daß ihrem Jammer sie erlag.

»Mamma mia!« oder Die Mütter vor den Disco-Zeiten

Abraham Gotthelf Kästner Die Tochter Mama, daß Sie mich liebreich hüten, Das kann ich Ihnen nicht verbieten; Und, ist gleich die Gefahr noch weit, Dank’ ich doch Ihrer Zärtlichkeit. Doch nehm’ ich mich nicht selbst in Acht, So werd’ ich nur umsonst bewacht. Vielleicht, was ich sonst nie begehrte, Reizt mich, nur weil man es mir wehrte; Frey soll mich sanfte Tugend ziehn, Doch Fesseln brech’ ich, sie zu fliehn. Drum, nehm’ ich mich nicht selbst in Acht, So werd’ ich doch umsonst bewacht. Nie wird den Müttern Klugheit sagen, Was muntre Mädchen listig wagen; Damit ich keine Thorheit thu’, So trauen Sie mir Weisheit zu. Drum, nehm’ ich mich nicht selbst in Acht, So werd’ ich ganz umsonst bewacht.

Christian Felix Weisse Zwei Dialoge 1. Die Vorsicht Mutter: Seht doch die kleine Närrin an! Wie ist ihr schon so wohl zumute! Kaum fürchtet sie nicht mehr die Rute, so will sie auch schon einen Mann. Tochter: Mamachen, ach! sie sagten ja, als Julchen einen Sohn bekommen: Wenn sie nur einen Mann genommen, so wär nicht der Spektakel da. 2. Die Unschuld Mutter: Ja, liebes Kind, bisher hab ich dich noch bewacht: Nun bist du sechzehn Jahr, nun nimm dich selbst in acht. Flieh aller falschen Schäfer List! Sie sagen dir, wie schön du bist, wie sehr ihr Herz von dir entzündet ist; doch darfst du ihnen niemals trauen und, schwören sie dir gleich, auf ihren Schwur nicht bauen, denn wenn man ihnen nur den mindsten Kuß erlaubt, so ist uns schon die Unschuld halb geraubt. Tochter: So, Mutter, ist das wahr? Ei, warum sagtet Ihr mir dieses nicht schon längst? Was kann ich nun dafür, daß sie mir halb geraubet ist? Denn Damon hat mich, welche List, beim Spiele mehr als hundertmal geküßt. Schön ists! O wär es doch erlaubt! Wie schön muß es nicht sein, wenn man sie ganz uns raubt! Sagt mir, wie das geschieht, sonst schweig ich etwan still, wenn Damon kömmt und sie mir rauben will.

Gotthold Ephraim Lessing Die Mutter Strenge Phyllis dich zu küssen, Dich ein einzigmal zu küssen, Hab ich dich nicht bitten müssen! Und doch darf ich dich nicht küssen. Sagst du? »Meine Mutter spricht: Phyllis, Tochter, küsse nicht!« Ist es so was Böses, küssen? Liegt kein Trieb dazu im Blut? Doch – weg mit den schweren Schlüssen! Laß sie warnen! kurz und gut; Was geht die die Mutter an, Die selbst Mutter werden kann.

Joseph Friedrich Engelschall Fritz und Mama Aus Bruder Wilhelm, glauben Sie, Mama, wird nie was werden! »Und warum denn, Bube?« Ja sehen Sie, in unsrer Gartenstube saß Nachbars Lottchen... »Nun, und da?« Und hatte Wilhelm auf dem Schoße und kitzelt’ ihn und bot ihm eine große, so große Zuckermandel mit dem Mund! »Nahm er sie denn? Das ist ja ungesund!« O ja! Doch nicht, wie ich bei gleichem Handel sie wohl genommen hätte! »Was? Die Mandel?« Er nahm sie, welch ein Unverstand, so ganz gelassen mit der Hand!

Christian Felix Weisse Die zu späte Ankunft der Mutter Beschattet von glühenden Ästen, gekühlet von spielenden Westen, lag Rosilis am Bache hier und Hylas neben ihr. Sie sangen sich scherzende Lieder, sie warf ihn mit Blumen, er wieder, sie neckte ihn, er neckte sie, wer weiß wie lang und wie. Vom Lenz und von Liebe gerühret, ward Hylas zum Küssen verführet: Er küßte sie, er drückte sie, daß sie um Hilfe schrie. Die Mutter kam eilend und fragte, was Hylas für Frevel hier wagte. Die Tochter rief, es ist geschehn! Ihr könnt nun wieder gehn.

Johann Elias Schlegel Die Mutter erlaubt’s noch Inbegriff der Lieblichkeiten! Schönes Kind, das mich ergötzt, Wenn es in die schlanken Seiten Stolz die steifen Arme setzt; Küsse, weil dir noch zu küssen Deine Mutter selbst vergönnt: Eh du wirst erröthen müssen, Wenn dich jemand reizend nennt; Eh dein Mund so manchen Kuß Wünschen, doch versagen muß.

Gotthold Ephraim Lessing Familienzuwachs Faustin, der ganze fünfzehn Jahr Entfernt von Haus und Hof und Kindern war, Ward, von dem Wucher reich gemacht, Auf seinem Schiffe heimgebracht. »Gott«, seufzt der redliche Faustin, Als ihm die Vaterstadt in dunkler Fern erschien, »Gott, strafe mich nicht meiner Sünden, Und gib mir nicht verdienten Lohn! Laß, weil du gnädig bist, mich Tochter, Weib und Sohn Gesund und fröhlich wieder finden.« So seufzt Faustin, und Gott erhört den Sünder. Er kam, und fand sein Haus in Überfluß und Ruh, Er fand sein Weib und seine beiden Kinder, Und – Segen Gottes! – zwei dazu.

Frank Wedekind Das Lied vom gehorsamen Mädchen Die Mutter sprach in ernstem Ton: Du zählst nun sechzehn Jahre schon; Drum, Herzblatt, nimm dich stets in acht, Besonders bei der Nacht. Verlier dich von dem Lebenspfad Nie seitwärts ins Geheg. Geh immer artig kerzengrad’ Den goldenen Mittelweg. Da kommt nun in der Dämmerstund’ Des Pulvermüllers Heinrich und Küßt mich – mir war gleich angst und bang – Wohl auf die rechte Wang’: O Heinrich, das verbitt ich mir; Sieht’s Mutter, setzt es Schläg’. Am allerbesten wählen wir Den goldenen Mittelweg. Und plötzlich schreit er glutentflammt: Ich führe dich zum Standesamt! – Schweig, sag’ ich, unverschämter Wicht; Dahin bringst du mich nicht! – Da flüstert er und freut sich schier, Weil ich’s mir überleg’: Nun gut, mein Schatz, dann wählen wir Den goldenen Mittelweg.

Und wenn ich nun zur Ruh mich leg’, Mir träumt vom goldenen Mittelweg; Mein Spielzeug macht mir kein Pläsier, Ich gäb’ es gern dafür, Gäb’ meine Schuh’, mein Röcklein fein, Weiß Gott, ich gäb’ noch mehr; Hätt’ nie geglaubt, daß ich solch ein Gehorsam Mägdlein wär’.

»O du, die mir die Liebste war...« oder Noch einmal mit Gefühl

Wilhelm Busch An die Mutter O du, die mir die Liebste war, du schläfst nun schon so manches Jahr. So manches Jahr, da ich allein, du gutes Herz, gedenk ich dein. Gedenk ich dein, von Nacht umhüllt, so tritt zu mir dein treues Bild. Dein treues Bild, was ich auch tu, es winkt mir ab, es winkt mir zu. Und scheint mein Wort dir gar zu kühn, nicht gut mein Tun, du hast mir einst so oft verziehn, verzeih auch nun.

Adalbert von Chamisso An meinem Herzen, an meiner Brust, du meine Wonne, du meine Lust! Das Glück ist die Liebe, die Lieb’ ist das Glück, ich hab’ es gesagt und nehm’s nicht zurück. Hab’ überglücklich mich geschätzt, bin überglücklich aber jetzt. Nur die da säugt, nur die da liebt das Kind, dem sie die Nahrung gibt; nur eine Mutter weiß allein, was lieben heißt und glücklich sein. O, wie bedaur’ ich doch den Mann, der Mutterglück nicht fühlen kann! Du schauest mich an und lächelst dazu, du lieber, lieber Engel du! An meinem Herzen, an meiner Brust, du meine Wonne, du meine Lust!

Klabund Der verlorene Sohn Mutter, aus der Fremde kehre elend ich zu dir zurück. Hab verloren Herz und Ehre und verloren Gold und Glück. Ach, als ich an deinen Händen noch durch Blust und Sommer lief! Rosen blühten allerenden, und der braune Kuckuck rief. Himmel wehte als ein Schleier um dein liebes Angesicht Schwäne glänzten auf dem Weiher, und die Nacht selbst war voll Licht. Deine Güte Sterne säte, und beruhigt schlief ich ein. Mutter, Mutter, bete, bete! Laß dein Kind mich wieder sein!

Rainer Maria Rilke Und meine Mutter war sehr jung und sehnte viel und lachte selten, und ihre leisen Lieder wellten so traurig in die Dämmerung. Im Herbste hab ich oft gesehn, wie mild sich ihre Hände mühten am Fensterbrett; und dennoch blühten ihr nie die armen Azaleen.

Kam meine Mutter im kühlen Kleid abends mich küssen, mein Danken und Denken hätt ich wollen (der) Schönen schenken, aber sie winkte und war so weit. Und ich streckte die Arme aus. Und mein Schatten wuchs an den Wänden, und in den hilflosen Kinderhänden welkte die Liebe wie ein Strauß.

Schalom Ben-Chorin Meiner Mutter Wenn du einmal aus den dunklen Gärten, aus den Gärten ohne Wiederkehr kämest mit den anderen Gefährten eine kleine Weile zu mir her – ob du mich sofort erkennen würdest, meine Hände nähmest ohne Scheu und mich als ein Teil von dir noch spürtest? Oder stünde ich doch fremd und neu als ein anderer und sehr verändert, sehr erwachsen stumm vor dir? Augen rot von vieler Not gerändert, fluchtgewohnt wie ein gehetztes Tier. Und die Frau, die meine Wege teilte, und das Kindlein, das sie mir gebar, und das Haus, in dem sie mit mir weilte; alles dies, was damals noch nicht war – hättest du’s mit deiner Liebe lieb? Deiner grenzenlosen Liebe? – Was ich später dichtete und schrieb – ob es wohl vor dir bestehenbliebe? Und die Taten alle, die ich tat, und die Wege alle, die ich ging, und die Bitten alle, die ich bat, und die Hoffnung alle, die verging – hättest, Mutter, du dies wohl geduldet, decktest du zum Schlafe mich noch zu; und die Schuld, die ich verschuldet – trügest lächelnd wieder du? Gingest wieder werkend durch die Zimmer, lehrtest mich vielleicht ein neues Lied, hättest eine Freude für mich immer, wenn der Tag mir Häßliches beschied. Doch verschlossen ist das Tor der Gärten, dunklen Gärten ohne Wiederkehr: niemand nimmt von mir die Härten meiner schwergewordnen Tage mehr.

Hermann Hesse

Hochgebirgsabend (An meine Mutter) Ein seliger Tag, die Alpen flammen rot... Nun möcht’ ich dir die leichte Weite zeigen Und stillestehn und lange mit dir schweigen Vor tiefer Lust – O warum bist du tot? Und aus den Talen wandelt feierlich Die Nacht empor mit der umwölkten Stirn, Löscht leisen Ganges Flühe, Alm und Firn; Ich schaue zu – was ist es ohne dich? Nun Finsternis und Stille weit umher; Mein Herz verdunkelt sich und trauert mit. Da geht es neben mir wie leiser Schritt: »Ich bin’s! Ich bin’s! Kind, kennst du mich nicht mehr? Der lichten Tagen freue dich allein! Doch wenn die sternelosen Nächte kommen, Da deine Seele dunkel und beklommen Nach mir begehrt, muß ich dir nahe sein.«

Paul Celan Espenbaum Espenbaum, dein Laub blickt weiß ins Dunkel. Meiner Mutter Haar ward nimmer weiß. Löwenzahn, so grün ist die Ukraine. Meine blonde Mutter kam nicht heim. Regenwolke, säumst du an den Brunnen? Meine leise Mutter weint für alle. Runder Stern, du schlingst die goldne Schleife. Meiner Mutter Herz ward wund von Blei.

Else Lasker-Schüler Meine Mutter War sie der große Engel, der neben mir ging? Oder liegt meine Mutter begraben unter dem Himmel voll Rauch – wie blüht es blau über ihrem Tode. Wenn meine Augen doch hell schienen und ihr Licht brächten. Wäre mein Lächeln nicht versunken im Antlitz, ich würde es über ihr Grab hängen. Aber ich weiß einen Stern, auf dem immer Tag ist; den will ich über ihre Erde tragen. Ich werde jetzt immer ganz allein sein wie der große Engel, der neben mir ging.

Max Hermann-Neiße Die Nelken Der Nelkenduft, den meine Mutter liebte, weht jetzt zu mir, aus diesen fremden Beeten. Wer dachte einst, ich müßte je betreten dies ferne, graue Land, das ungeliebte? Wenn ich vom Markt am Sonntag Nelken brachte, fand ich ein Sträußchen bald an jedem Platze, da meine Mutter mit dem Blumenschatze den ganzen Schrank zum Nelkenhäuschen machte. Sie selbst trug ein paar Nelken an der Bluse, und aus dem Bierdunst und der Gäste Lärmen entschwebte sie mit mädchenhaftem Schwärmen verzaubert als des Blütenmärchens Muse. Ihr Duft umgab uns, wenn wir Verse lasen, ich und die Mutter wie verschworen beide, ganz hingegeben dem erdachten Leide, und Nelken prangten rings in allen Vasen. Die Zeiten milder Glücklichkeit vergingen, die Mutter löste längst sich aus dem Leben, und mir war es nicht einmal mehr gegeben, ein Nelkensträußchen ihrem Grab zu bringen. Nun sucht die fremde Luft, die ungeliebte, mich plötzlich durch Erinnerung zu verführen, mit wohlvertrautem Hauche zu berühren, dem Nelkenduft, den meine Mutter liebte.

Nicolaus Lenau Der offene Schrank Mein liebes Mütterlein war verreist Und kehrte nicht heim, und lag in der Grube; Da war ich allein und recht verwaist, Und traurig trat ich in ihre Stube. Ihr Schrank stand offen, ich fand ihn noch heut, Wie sie, abreisend, ihn eilig gelassen, Wie allen man durcheinander streut, Wenn vor der Tür die Pferde schon passen. Ein aufgeschlag’nes Gebetbuch lag Bei mancher Rechnung, von ihr geschrieben; Von ihrem Frühstück am Scheidetag War noch ein Stücklein Kuchen geblieben. Ich las das aufgeschlag’ne Gebet, Es war: Wie eine Mutter um Segen Für ihre Kinder zum Himmel fleht; Mir pochte das Herz in bangen Schlägen. Ich las ihre Schrift, und ich verbiß Nicht länger meine gerechten Schmerzen, Ich las die Zahlen, und ich zerriß Die Freudenrechnung in meinem Herzen. Zusammen sucht’ ich den Speiserest, Das kleinste Krümlein, den letzten Splitter, und hat’ es mir auch den Hals gepreßt, Ich aß vom Kuchen und weinte bitter.

Friedrich Wilhelm Kaulisch Wenn du noch eine Mutter hast, so danke Gott und sei zufrieden, nicht allen auf dem Erdengrund ist dieses hohe Glück beschieden. Wenn du noch eine Mutter hast, so sollst du sie mit Liebe pflegen, daß sie dereinst ihr müdes Haupt in Frieden kann zur Ruhe legen. Denn was du bist, bist du durch sie; sie ist dein Sein, sie ist dein Werden, sie ist dein allerhöchstes Gut und ist dein größter Schatz auf Erden. Des Vaters Wort ist ernst und streng, die gute Mutter mildert’s wieder; des Vaters Segen baut das Haus, der Fluch der Mutter reißt es nieder. Sie hat vom ersten Tage an für dich gelebt mit bangen Sorgen; sie brachte abends dich zur Ruh und weckte küssend dich am Morgen. Und warst du krank, sie pflegte dein, den sie mit tiefem Schmerz geboren, und gaben alle dich schon auf – die Mutter gab dich nicht verloren. Sie lehrte dich den frommen Spruch, sie lehrte dich zuerst das Reden, sie faltete die Hände dein und lehrte dich zum Vater beten. Sie lenkte deinen Kindessinn, sie wachte über deine Jugend; der Mutter danke es allein, wenn du noch gehst den Pfad der Tugend. Wie oft hat nicht die zarte Hand auf deinem lock’gen Haupt gelegen! Wie oft hat nicht ihr frommes Herz gefleht für dich um Gottes Segen! Und hattest du die Lieb verkannt, gelohnt mit Undank ihre Treue: die Mutter hat dir stets verziehn, mit Liebe dich umfaßt aufs neue. Und hätte selbst das Mutterherz für dich gesorget noch so wenig, das Wen’ge selbst vergiltst du nie, und wärest du der reichste König! Die größten Opfer sind gering für das, was sie für dich gegeben;

und hätte sie vergessen dich, so schenkte sie dir doch das Leben. Und hast du keine Mutter mehr, und kannst du sie nicht mehr beglücken, so kannst du doch ihr frühes Grab mit frischen Blumenkränzen schmücken. Ein Muttergrab, ein heilig Grab, für dich die ewig heilge Stelle! Oh, wende dich an diesen Ort, wenn dich umtost des Lebens Welle.

Börries von Münchhausen Über ein Grab hin Je länger du dort bist, Um so mehr bist du hier, – Je weiter du fort bist, Um so näher bei mir! Du wirst mir notwendiger, Als das tägliche Brot ist, – Du wirst lebendiger, Je länger du tot bist!

Bertolt Brecht Meiner Mutter Als sie nun aus war, ließ man in Erde sie Blumen wachsen, Falter gaukeln drüber hin... Sie, die Leichte, drückte die Erde kaum Wieviel Schmerz brauchte es, bis sie so leicht ward!

Heinrich Heine Nachtgedanken Denk ich an Deutschland in der Nacht, Dann bin ich um den Schlaf gebracht, Ich kann nicht mehr die Augen schließen, Und meine heißen Tränen fließen. Die Jahre kommen und vergehn! Seit ich die Mutter nicht gesehn, Zwölf Jahre sind schon hingegangen; Es wächst mein Sehnen und Verlangen. Mein Sehnen und Verlangen wächst. Die alte Frau hat mich behext, Ich denke immer an die alte, Die alte Frau, die Gott erhalte! Die alte Frau hat mich so lieb, Und in den Briefen, die sie schrieb, Seh ich, wie ihre Hand gezittert, wie tief das Mutterherz erschüttert. Die Mutter liegt mir stets im Sinn. Zwölf lange Jahre flossen hin, Zwölf lange Jahre sind verflossen, Seit ich sie nicht ans Herz geschlossen. Deutschland hat ewigen Bestand, Es ist ein kerngesundes Land; Mit seinen Eichen, seinen Linden, Werd ich es immer wiederfinden.

Nach Deutschland lechzt’ ich nicht so sehr, Wenn nicht die Mutter dorten wär; Das Vaterland wird nie verderben, Jedoch die alte Frau kann sterben. Seit ich das Land verlassen hab, so viele sanken dort ins Grab, die ich geliebt – wenn ich sie zähle, so will verbluten meine Seele. Und zählen muß ich – Mit der Zahl schwillt immer höher meine Qual; mir ist, als wälzten sich die Leichen auf meine Brust – Gottlob! sie weichen!

Gottlob! durch meine Fenster bricht französisch heitres Tageslicht; es kommt mein Weib, schön wie der Morgen, und lächelt fort die deutschen Sorgen.

Christian Friedrich Daniel Schubart Das Mutterherz Mutterherz, o Mutterherz! Ach, wer senkte diese Regung, diese flutende Bewegung, diese Wonne, diesen Schmerz, süß und schauervoll in dich! Gott, der Herzensbilder, sprach zur roten Flut in den Adern: Milder fließe, still und gut! Und da strömten Flammen alle himmelwärts in der Brust zusammen, und es ward ein Mutterherz.

Anhang

Autoren- und Quellenverzeichnis

Arabisches Sprichwort: Weil Gott nicht alles allein Aus: Da Gott nicht alles allein machen wollte... Dirkreiter Verlagsgesellschaft, Freiburg 1954 Lehre des Ani: Verdopple das Brot Aus: Nofret - Die Schöne. Die Frau im alten Ägypten. Ausstellungskatalog Haus der Kunst, München 1984 Ludwig Anzengruber (1839–1889): Wie klug, ihr Mütter Aus: Gesammelte Werke, Kunstverlag Schroll, Wien 1920 Achim Arnim, von (1781–1831): Goldne Wiegen schwingen Aus: Werke in 6 Bänden, Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt 1994 Ingeborg Bachmann (1926–1973): Abends frag ich meine Mutter Aus: Werke. Band 1: Gedichte, © 1978 Piper Verlag GmbH, München Eva Bartoschek-Rechlin ( 1928): Zum Muttertag Aus: Glück und Segen, Hamburg: Mosaik Verlag, 1964 Bertolt Brecht (1898 –1956): Glücklicher Vorgang, Die Geschichte von der Mutter Courage, Meiner Mutter Aus: Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, Band 13/15, © Suhrkamp Verlag 1993 Clemens Brentano (1778–1842): Wiegenlied Aus: Werke, Carl Hanser Verlag, München 1968 Gottfried August Bürger (1747–1794): Muttertändelei, Was ihr euch, gelehrte Aus: Gedichte, Reclam, Stuttgart 1997 Benno Burkhardt (1932): Vorwort, Das Kind gratuliert Erstveröffentlichungen Wilhelm Busch (1832–1908): An die Mutter Aus: Sämtliche Werke, hg. von Otto Nöldeke, München 1903 Paul Celan (1920–1970): Espenbaum Aus: Mohn und Gedächtnis, © 1952 Deutsche Verlags-Anstalt, München, Verlagsgruppe Random House GmbH Adalbert von Chamisso (1781–1838): An meinem Herzen, an meiner Brust Aus: Gesammelte Werke, hg von Otto Flake, Sigbert Mohn Verlag, Gütersloh 1964 Matthias Claudius (1740–1815): Die Mutter bei der Wiege Aus: Der Mond ist aufgegangen. Gedichte und Prosa. Eine von Reinhard Görisch, Insel Verlag, Frankfurt 1998 Blaga Dimitrova (1922–2003): Die Schwangere Aus: Fenster zur Hoffnung, Volk und Welt, Berlin 1986 Annette von Droste-Hülshoff (1797–1848): So gern hätt’ ich ein schönes Lied gemacht, Der Brief aus der Heimat, Die Mutter Aus: Sämtliche Werke, Carl Hanser Verlag, München 1951 Marie von Ebner-Eschenbach (1830–1916): Aphorismen Aus: Werke, Band 3, Winkler Verlag, München 1956 Joseph Friedrich Engelschall (1739–1797): Fritz und Mama Aus: Lauter Lust wohin das Auge gafft. Deutsche Poeten in der Manier Anakreons, hg. von Bernd Jentzsch, Reclam Verlag, Leipzig 1974 Gustav Falke (1853–1916): Die feinen Ohren, Die Schnitterin Aus: Gesammelte Dichtungen, Georg Westermann Verlag, Braunschweig 1912 Paul Gerhardt (1607–1676): Wie von treuen Müttern Aus: Gedichte und Kirchenlieder, 1907 Robert Gernhardt (1937): Wenn die Mutter mit dem Sohne Aus: Welt im Spiegel. WimS 1964–1976 , Frankfurt am Main: Zweitausendeins, © 1979 Robert Gernhardt. Alle Rechte vorbehalten Ders.: Zum Muttertag Aus: Wörtersee, Frankfurt am Main: Zweitausendeins, © 1981 Robert Gernhardt. Alle Rechte vorbehalten Catharina Elisabeth Goethe (1731–1808): Eine Erscheinung aus der Umwelt Aus: Ernst Beutler (Hg.): Briefe aus dem Elternhaus. Johann Caspar Goethe, Cornelia Goethe, Catharina Goethe, Insel Verlag, Frankfurt 1997 Johann Wolfgang Goethe (1749–1832): Beispiel, An meine Mutter, Vom Vater hab ich die Statur Aus: Gedichte. Sämtliche Gedichte in zeitlicher Folge, Insel Verlag, Frankfurt 1998 Maxim Gorki (1868–1936): Das allerschönste Lied Aus: Mutter. Ein Buch des Dankes, Rütten & Loening Verlag, Hamburg 1961 Friedrich Wilhelm Gotter (1746–1797): Schlafe mein Prinzchen! Aus: Deutsche Dichtung im 18. Jhd., Carl Hanser Verlag, München 1968

Josef Guggenmos (1922–2003): Ein Sträußlein Waldmeister (Zum Muttertag) Aus: Was denkt die Maus am Donnerstag?, 1998 Beltz & Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz, Weinheim & Basel Hans Adolf Halbey (1922): Trotzdem Aus: Hans-Joachim Gelberg (Hg.): Überall und neben dir, 1986 Beltz & Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz, Weinheim & Basel, © Horst Halbey Wilhelm Hauff (1802–1827): So am Abend, so am Morgen Aus: Sämtliche Werke, hg. von Gustav Schwab, Stuttgart 1869 Albrecht Haushofer (1903–1945): Mutter Moabiter Sonette, Blanvalet, Berlin 1946 Friedrich Hebbel (1813–1863): Der Kirschenstrauß Aus: Werke, Bd. 3, Carl Hanser Verlag, München 1966 Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831): Die Mutter ist der Genius Aus: Werke in 20 Bänden. Theorie Werkausgabe, Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1970 Heinrich Heine (1797–1856): An meine Mutter, B. Heine, geborene v. Geldern, Nachtgedanken Aus: Sämtliche Schriften Bd. 1, Carl Hanser Verlag, München 1998 Max Herrmann-Neisse (1886–1941): Die Nelken Aus: Um uns die Fremde. Gedichte 2, Copyright © 1986 by Zweitausendeins, Postfach 610 637, D-60381 Frankfurt am Main Hermann Hesse (1877–1962): Hochgebirgsabend Aus: Sämtliche Werke, Band 10: Die Gedichte, © Suhrkamp Verlag 2002 Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798–1874): Alles still in süßer Ruh Aus: Gesammelte Werke, Berlin 1890–93 Friedrich Hölderlin (1770–1843): Seiner Mutter zum 72. Geburtstage Aus: Werke, Briefe, Dokumente, Winkler Verlag, München 1963 Werner Horand (1926): Es verraten die Töchter im Städtle Aus: Limericks und Schlimmericks, Copyright © 1980 by Hoffmann & Campe Verlag, Hamburg Jean Paul (= Johann Paul Friedrich Richter) (1763–1825): Die Mütter, welche der Zukunft Aus: Mutter. Ein Buch des Dankes, hg. von Rosl & Hein Kohn, Rütten & Loening Verlag, Hamburg 1961 Mascha Kaléko (1912–1975): Wie man Muttis schnell zum »Kochen« bringt Aus: »Drei Kochrezepte kinderleicht.« von Mascha Kaléko: Die paar leuchtenden Jahre, © 2003 Deutscher Taschenbuch Verlag, München Dies.: Mutter sein dagegen sehr Aus: Verse für Zeitgenossen, Rowohlt Verlag, Reinbeck, © Gisela Zoch-Westphal Immanuel Kant (1724–1804): Ich werde meine Mutter nie vergessen Aus: Mutter. Ein Buch des Dankes, hg. von Rosl & Hein Kohn, Rütten & Loening Verlag, Hamburg 1961 Marie Luise Kaschnitz (1901–1974): Die Mutter spricht Aus: Neue Gedichte, © Claassen Verlag in der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 1975 Abraham Gotthelf Kästner (1719–1800): Die Tochter Aus: Die komischen Deutschen. 878 gewitzte Gedichte aus 400 Jahren, hg. von Steffen Jacobs, Gerd Haffmanns bei Zeitausendeins, Frankfurt 2004 Erich Kästner (1899 –1974): Eine Mutter zieht Bilanz, Frau Großhennig schreibt an ihren Sohn, Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, Junggesellen auf Reisen, Ein Buchhalter schreibt seiner Mutter Aus: Doktor Erich Kästners lyrische Hausapotheke, © Atrium Verlag, Zürich 1936 und Thomas Kästner Friedrich Wilhelm Kaulisch (1827–1881): Wenn du noch eine Mutter hast Aus: Mutter. Ein Buch des Dankes, hg. von Rosl & Hein Kohn, Rütten & Loening Verlag, Hamburg 1961 Gottfried Keller (1819–1890): Jung gewohnt, alt getan Aus: Gottfried Keller: Sämtliche Werke und Briefe, hg. von Clemens Heselhaus, Carl Hanser Verlag, München 1980 Susanne Kilian (1940): Kindsein ist süß? Aus: Hans-Joachim Gelberg (Hg.): Überall und neben dir, 1986 Beltz & Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz, Weinheim & Basel, © Susanne Kilian Klabund (= Alfred Henschke) (1890–1928): Der verlorene Sohn Aus: Gesammelte Gedichte, Phaidon Verlag , Wien 1930 Eva König (1736–1778): Ans gerade gehen gewöhnen Aus: Paul Raabe: Eva König, Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2005 Else Lasker-Schüler (1869–1945): Meine Mutter Aus: Gedichte 1902–1943, © Suhrkamp Verlag 1996 Nicolaus Lenau (= Niembsch von Strehlenau) (1802–1850): Der offene Schrank Aus: Gedichte, hg. von Hansgeorg Schmidt-Bergmann, Insel Verlag, Frankfurt 1998 Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781): Die Mutter Aus: Werke. Gedichte - Fabeln - Lustspiele, Carl Hanser Verlag, München 1970 Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781): Familienzuwachs

Aus: Werke. Gedichte - Fabeln - Lustspiele, Carl Hanser Verlag, München 1970 Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799): Die Erinnerung an meine Mutter, Wenn wir die Mütter bilden Aus: Schriften und Briefe, hg. von Wolfgang Promies, Carl Hanser Verlag, München 1971 Detlev von Liliencron (1844–1909): Meiner Mutter Aus: Sämtliche Werke, Berlin & Leipzig 1904–1908 Friedrich Logau, von (1605–1655): Die Mutter trägt im Leibe das Kind Aus: Deutsche Lyrik von den Anfängen bis zur Gegenwart, hg. von Walter Killy, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2001 Maria Theresia (1717–1780): Hüten Sie sich vor Bosheiten Aus: Briefe und Aktenstücke, hg. von F. Walter, Wiss. Buchges., Darmstadt 1968 Trude Marzik (1923): Die Hausfrau, Die Mutter, G’schmalzener Muttertag Aus: Mütter und Großmütter. Gedichte und Geschichten, © Paul Zsolnay Verlag, Wien 2005 Gabriela Mistral (1889–1957): Meine Mutter, Du hattest mich Aus: Gedichte, Luchterhand Literaturverlag, München 1958, © 1988 by the Estate of Gabriela Mistral. Mit freundlicher Genehmigung der Liepman AG Johanna Moosdorf (1911–2000): Und nun halte ich dich Aus: Brennendes Leben, Berlin: Dietz Verlag, 1947 Christian Morgenstern (1871–1914): Die Stimme Aus: Gedichte, hg von Reinhardt Habel, Insel Verlag, Frankfurt 2004 Eduard Mörike (1804–1875): Selbstgeständnis, Der Tambour, An meine Mutter Aus: Werke in einem Band, Carl Hanser Verlag, München 2004 Börries Freiherr von Münchhausen (1874–1945): Über ein Grab hin Aus: Das Liederbuch, © 1953 Deutsche Verlags -Anstalt, München, Verlagsgruppe Random House GmbH Rosemarie Neie: Von allen Müttern auf der Welt Mit freundlicher Genehmigung der Verfasserin, © Rosemarie Neie Christine Nöstlinger (1936): Meine Mutter Aus: Hans-Joachim Gelberg (Hg.): Überall und neben dir. 1986 Beltz & Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz, Weinheim & Basel Novalis (= Friedrich von Hardenberg) (1772–1801): An meine Mutter Aus: Werke in einem Band, Carl Hanser Verlag, München, 1999 Sándor Petöfi (1823 –1849): Wie sprech’ ich nur die Mutter an Aus: Mutter. Ein Buch des Dankes, hg. von Rosl & Hein Kohn, Rütten & Loening Verlag, Hamburg 1961 Wilhelm Raabe (1831–1910): Schaukeln und Gaukeln Aus: Wilhelm Raabe: Sämtliche Werke, hg. von Karl Hoppe, Vandenhoeck & Rupprecht, Göttingen 1973 Robert Reinick (1805–1852): Der Mutter vorzusingen Aus: Lieder, Berlin 1857 Rainer Maria Rilke (1875–1926): Zum Einschlafen zu sagen, Und meine Mutter war sehr jung, Kam meine Mutter im kühlen Kleid Aus: Werke in fünf Bänden, Insel Verlag, Frankfurt 2003 Joachim Ringelnatz (1883 –1934): Schlummerlied Aus: Das Gesamtwerk in sieben Bänden. Diogenes Verlag AG, Zürich 1994 Friedrich Rückert (1788–1866): Der Kranz der Mutter, Schlummerlied Aus: Ausgewählte Werke in zwei Bänden, Insel Verlag, Frankfurt 1988 Nelly Sachs (1891–1970): Wir Mütter Aus: Fahrt ins Staublose, © Suhrkamp Verlag, 1961 Richard von Schaukal (1874–1942): Mutters Augen Aus: Lotte von Schaukal und Joachim Schondorff (Hg.): Gedichte. Werke in Einzelausgaben, © 1965 by LangenMü ller Verlag in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München Friedrich Schiller (1759–1805): Das Lied von der Glocke (Auszug), Hymne auf meine Mutter Aus: Sämtliche Werke, Carl Hanser Verlag, München 2004 Johann Elias Schlegel (1719–1749): Die Mutter erlaubt’s noch Aus: Schlegels Werke (1764–1773), Athenäum, Frankfurt 1971 Wolfdietrich Schnurre (1920–1989): Mamma möchte gerne, Schlaf, mein Prinzchen Aus: Ich frag ja bloß, Ullstein, Berlin 1986, © Marina Schnurre Johanna Schopenhauer ( 1766–1839): Was mich vor dir zurückscheucht Aus: H.H. Houben, Damals in Weimar: Erinnerungen und Briefe von und an Johanna Schopenhauer, Leipzig: Klinkhardt & Biermann, 1924 Christian Friedrich Daniel Schubart (1739–1791): Das Mutterherz Aus: Deutsche Dichtung im 18. Jhdt., Carl Hanser Verlag, München 1968 Ina Seidel (1885–1974): Erstes Kind Aus: Gedichte, © 1955 Deutsche Verlags -Anstalt, München, Verlagsgruppe Random House GmbH Ben-Chorin Shalom (1913 –1999): Meiner Mutter

Aus: Mutter/ Ein Wort des Dankes, Hamburg: Rütten & Loening, 1961 Karl Simrock (1802–1876): Ist eine Mutter noch so arm Aus: Ausgewählte Werke, Leipzig 1909 Sita Steen (1919–2002): Ein Glied von Schillers Locke Aus: Klaus Peter Dencker (Hg.), Deutsche Unsinnspoesie, Stuttgart: Reclam Verlag, 1978, © Heinz Steen Charlotte von Stein (1742–1827): Rette nur ein kleines, sicheres Glück Aus: Briefe an Fritz von Stein, hg. von Ludwig Rohmann (Hg.), Insel Verlag, Leipzig 1907 Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1750–1819): Mutterfreude Aus: Der Gö ttinger Dichterbund, hg. von A. Sauer, Kürschners Deutscher Literaturkalender, Bd. 50.2, Berlin o.J. Theodor Storm (1817–1888): Zu Mutters Geburtstag Aus: Gesammelte Werke, Insel Verlag, Frankfurt 1975 Johannes Trojan (1837–1915): Hauszauber, Die liebe Not Aus: Johannes Trojan: Gedichte, Cotta’sche Buchhandlung Nachf., Berlin 1910 Kurt Tucholsky (1890–1935): Mutterns Hände Aus: Gedichte, Rowohlt Verlag GmbH, Reinbeck bei Hamburg 1992 Johann Nepomuk Vogl (1802–1866): Das Erkennen Aus: Balladen und Romanzen, Wien 1835 Frank Wedekind (1864–1918): Das Lied vom gehorsamen Mädchen Aus: Prosa, Dramen, Verse, Langen Müller Verlag, München, 1954 Christian Felix Weisse (1726–1804): Zwei Dialoge, Die zu späte Ankunft der Mutter Aus: Scherzhafte Lieder, Leipzig 1758 Wolfgang Weyrauch (1904–1980): Schlafe, mein Bübchen Aus: Von des Glücks Barmherzigkeit, Aufbau-Verlag, Berlin © Margot Weyrauch Wolfram von Eschenbach (ca. 1170– ca. 1220): Parzivals Abschied von Mutter Herzeloyd Aus: Parzival, neuhochdeutsche Bearbeitung von Wilhelm Hertz, Stuttgart 1898

1946,

Trotz gründlicher Recherche konnten in einigen Fällen die Rechteinhaber der abgedruckten Texte nicht ermittelt werden. Etwaige Anspruchsberechtigte mögen sich unter Nachweis des Anspruchs an den Verlag wenden.

Inhalt

Friedrich Wilhelm Kaulisch: Wenn du noch eine Mutter hast Helge Schneider: Hast du eine Mutter 7 Dieses Buch ist gewidmet...

9

»Wenn meine Mutter hexen könnt’...« oder: Die Heldin des Alltags Christine Nöstlinger: Meine Mutter 13 Johann Wolfgang Goethe: Beispiel 13 Eduard Mörike: Selbstgeständnis 14 Johannes Trojan: Die liebe Not 14 Mascha Kaléko: Wie man Muttis schnell zum »Kochen« bringt im Städtle 15 Hans Adolf Halbey: Trotzdem 16 Susanne Kilian: Kindsein ist süß? 17 Wolfdietrich Schnurre: Mamma möchte gern 18 Robert Gernhardt: Wenn die Mutter mit dem Sohne 20 Eduard Mörike: Der Tambour 21 Friedrich Schiller: Das Lied von der Glocke 22 Sita Steen: Ein Glied von Schillers Locke 23 Bertolt Brecht: Glücklicher Vorgang 24 Bertolt Brecht: Die Geschichte von der Mutter Courage 24 Gottfried August Bürger: Muttertändelei 25 Trude Marzik: Die Hausfrau 26 Friedrich Rückert: Der Kranz der Mutter 29 Robert Reinick: Der Mutter vorzusingen 29 »So gern hätt’ ich ein schönes Lied gemacht...« oder: Die Mutter-Sprache der Poeten Annette von Droste-Hülshoff: So gern hätt’ ich ein schönes Lied gemacht Eduard Mörike: An meine Mutter Johann Wolfgang Goethe: An die Mutter Maxim Gorki: Das allerschönste Lied Sándor Petöfi: Wie sprech’ ich nur die Mutter an Ingeborg Bachmann: Abends frag ich meine Mutter Theodor Storm: Zu Mutters Geburtstag Wilhelm Hauff: So am Abend, so am Morgen Friedrich Hölderlin: Seiner Mutter zum 72. Geburtstage. Heinrich Heine: An meine Mutter, B. Heine, geborene v. Geldern Friedrich Schiller: Hymne auf die Mutter Novalis: Die mich einst mit Schmerz gebar Annette von Droste-Hülshoff: Der Brief aus der Heimat

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»Du hast sie mit Mühe geboren...« oder: Mütter dichten ja auch Marie Luise Kaschnitz: Die Mutter spricht Ina Seidel: Erstes Kind Nelly Sachs: Wir Mütter Trude Marzik: Die Mutter Mascha Kaléko: Mutter sein dagegen sehr Johanna Moosdorf: Und nun halt ich dich Blaga Dimitrova: Die Schwangere

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»Mutterns Hände« oder: Anatomie der Mütterlichkeit Kurt Tucholsky: Mutterns Hände

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15 Werner Horand: Es verraten die Töchter

Detlev von Liliencron: Meiner Mutter Annette von Droste-Hülshoff: Die Mutter Johannes Trojan: Hauszauber Gustav Falke: Die feinen Ohren Gabriela Mistral: Meine Mutter Richard Schaukal: Mutters Augen Johann Wolfgang Goethe: Vom Vater hab ich die Statur Albrecht Haushofer: Mutter

60 60 61 62 63 64 65 66

»Mensch, Mutter!« oder: Die schönsten Komplimente Immanuel Kant: Ich werde meine Mutter nie vergessen 69 Jean Paul: Die Mütter, welche der Zukunft 69 Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Die Mutter ist der Genius 69 Karl Simrock: Ist eine Mutter noch so arm 69 Georg Christoph Lichtenberg: Die Erinnerung an meine Mutter Georg Christoph Lichtenberg: Wenn wir die Mütter bilden 70 Friedrich von Logau: Die Mutter trägt im Leibe das Kind 70 Lehre des Ani: Verdopple das Brot 70 Weil Gott nicht alles allein (Volksmund) 71 Gottfried August Bürger: Was ihr euch, Gelehrte 71 Paul Gerhard: Wie von treuen Müttern 71 »Sobald ein Lied erklungen...« oder: Die Mutter bei der Wiege Friedrich Rückert: Schlummerlied 75 Joachim Ringelnatz: Schlummerlied 76 Gabriela Mistral: Du hattest mich 77 Ludwig Anzengruber: Wie klug, ihr Mütter 78 Matthias Claudius: Die Mutter bei der Wiege 79 Schlaf, Kindlein, schlaf (Volkslied) 80 Schlaf, Kindle, schlaf! (Anonym) 81 Schlaf, Kindlein, schlaf! (Anonym) 81 Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Alles still in süßer Ruh Rainer Maria Rilke: Zum Einschlafen zu sagen 83 Wolfgang Weyrauch: Schlafe, mein Bübchen 84 Leopold Graf von Stolberg: Mutterfreude 85 Wilhelm Raabe: Schaukeln und Gaukeln 86 Achim von Arnim: Goldne Wiegen schwingen 87 Clemens Brentano: Wiegenlied 87 Friedrich Wilhelm Gotter: Schlafe mein Prinzchen! 88 Wolfdietrich Schnurre: Schlafe, mein Prinzchen! 89 Christian Morgenstern: Die Stimme 90 »Mein lieber Sohn, meine liebe Tochter!« oder: Starke Stücke von starken Müttern »Hüten Sie sich vor Bosheiten« (Maria Theresia an ihren Sohn, Kaiser Joseph II.) 93 »ans gerade gehen gewöhnen« (Eva König (spätere Lessing) an ihre Tochter Amalie) 94 »Eine Erscheinung aus der Unterwelt« (Frau Aja, die Mutter Goethes, an ihren Sohn) 95 »Was mich vor Dir zurückscheucht« (Johanna Schopenhauer an ihren Sohn Arthur) 97 »Rette nur ein kleines, sicheres Glück« (Charlotte von Stein an Fritz von Stein) 98 Marie von Ebner-Eschenbach: Aphorismen 100 »Heute wirst du nicht genervt...« oder: Versprechen und Versprecher zum Muttertag Eva Bartoscheck-Rechlin: Zum Muttertag Robert Gernhardt: Zum Muttertag Josef Guggenmos: Zum Muttertag

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Trude Marzik: G’schmalzener Muttertag Benno Burkhardt: Das Kind gratuliert Rosemarie Neie: Von allen Müttern auf der Welt Mütter, Söhne, Muttersöhnchen oder: Fünf Solos für Kästner Erich Kästner: Eine Mutter zieht Bilanz Erich Kästner: Frau Großhennig schreibt an ihren Sohn Erich Kästner: Die Heimkehr des verlorenen Sohnes Erich Kästner: Junggesellen sind auf Reisen Erich Kästner: Ein Buchhalter schreibt seiner Mutter »Und ›Mutter‹ jauchzt ihr erstes Wort« oder: Dramen und Melodramen Johann Nepomuk Vogl: Das Erkennen Gottfried Keller: Jung gewohnt, alt getan Friedrich Hebbel: Der Kirschenstrauß Detlev von Liliencron: Das taubstumme Kind Gustav Falke: Die Schnitterin Wolfram von Eschenbac h: Parzivals Abschied von Mutter Herzeloyd »Mamma mia!« oder: Die Mütter vor den Disco-Zeiten Abraham Gotthelf Kästner: Die Tochter Christian Felix Weisse: Zwei Dialoge Gotthold Ephraim Lessing: Die Mutter Joseph Friedrich Engelschall: Fritz und Mama Christian Felix Weisse: Die zu späte Ankunft der Mutter Johann Elias Schlegel: Die Mutter erlaubt’s noch Gotthold Ephraim Lessing: Familienzuwachs Frank Wedekind: Das Lied vom gehorsamen Mädchen

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»O du, die mir die Liebste war...« oder: Noch einmal mit Gefühl Wilhelm Busch: An die Mutter 147 Adalbert von Chamisso: Am meinem Herzen, an meiner Brust Klabund: Der verlorene Sohn 149 Rainer Maria Rilke: Und meine Mutter war sehr jung 150 Rainer Maria Rilke: Kam meine Mutter im kühlen Kleid 150 Schalom Ben-Chorin: Meiner Mutter 151 Hermann Hesse: Hochgebirgsabend 152 Paul Celan: Espenbaum 153 Else Lasker Schüler: Meine Mutter 154 Max Hermann-Neiße: Die Nelken 155 Nicolaus Lenau: Der offene Schrank 156 Friedrich Wilhelm Kaulisch: Wenn du noch eine Mutter hast Börries von Münchhausen: Über ein Grab hin 159 Bertolt Brecht: Meiner Mutter 159 Heinrich Heine: Nachtgedanken 160 Christian Friedrich Daniel Schubart: Das Mutterherz 162 Autoren- und Quellenverzeichnis

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