d i e H e i m l e i t e r i n

Wer kennt sie nicht, die Kinderwünsche auf die Frage: „Was willst du einmal werden?“ Mit obigen Worten wirbt oder warb auch eine Versicherungsgesellsc...
Author: Helge Kappel
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Wer kennt sie nicht, die Kinderwünsche auf die Frage: „Was willst du einmal werden?“ Mit obigen Worten wirbt oder warb auch eine Versicherungsgesellschaft und versprach den Anzuwerbenden, dass die Realisation ihrer Zukunftsträume sozusagen versicherbar sei. Ein Traum, etwas Geld - alles wird gut! Leider nein! Auch wenn sich die Verwirklichung von Träumen nicht auf Materielles beschränkt, bleibt es Tatsache, dass Träume für immer mehr Menschen nur Träume bleiben. Ausbildung und Arbeit sind wichtige Inhalte unseres Lebens, die nicht nur den Gelderwerb sichern, sondern auch unser Selbstwertgefühl nähren. Beides wird immer weniger selbstverständlich. Arbeitsstellen werden abgebaut, Ausbildungsplätze selbst für die Jugendlichen zu wenig, die nicht aus Gründen der sozialen Herkunft oder der intellektuellen Fähigkeiten benachteiligt sind. Im Umfeld unserer Arbeit werden wir täglich mit den Zukunfts- und Berufsträumen unserer Lehrtöchter konfrontiert. Viele der Wünsche und Träume binden sich an Erfahrungen im näheren persönlichen Umfeld, an das was die Mutter, der Vater, die ältere Schwester tut. Sie orientieren sich an ihrer Umgebung, mit dem was gesehen, erlebt und gelebt wird, oft weniger aber an den persönlichen Möglichkeiten.

H ei m l e i t e r i n

„Ich wott Ärztin wärde.“ „Ich wott Lehrerin wärde.“ „Ich wott Pilotin wärde“ „Ich wott Tierpflägerin wärde“ „Ich wott Bürin wärde“

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Wenn Träume Flügel bekommen

Mit dem Einstieg in die Arbeitswelt beginnt die konkrete Auseinandersetzung mit den Berufsvorstellungen und –träumen. Bereits der Eintritt in unsere Institution bedeutet für viele, Träume fliegen lassen zu müssen. Welches junge Mädchen wäre nicht gerne Coiffeuse, Kosmetikerin, Kleinkindererzieherin oder Krankenschwester geworden? Eine hauswirtschaftliche Ausbildung – seien wir doch ehrlich – ist für die wenigsten das, was sie als Traumberuf bezeichnen würden. Es bleibt nichts anderes, weil für lernschwache Jugendliche auf dem Lehrstellenund Arbeitsmarkt wenig und immer weniger Platz ist – wie sollte auch, wenn es schon für die andern nicht reicht.

Träume haben heisst auch Ziele haben; etwas zu haben, das anspornt, vorwärts und weiter treibt. Leider aber liegt die Verwirklichung von Träumen nicht allein in eigenen Händen. Den Willen und genügend Kraft aufzuwenden reicht oft nicht. Besonders in der Berufswahl und –ausführung sind Grenzen sehr schnell - für unsere Jungendlichen besonders schnell - erreicht. Bis hin zur Berufswahl werden Träume mit guter Absicht oft aufgebaut und angeregt, in der Meinung, wer seinem Traum nacheifert, motivierter und zu besseren Leistungen fähig ist. Selbst wenn sie all ihre Energie einsetzten – sie erreichten es nicht. Sie, unsere jungen Frauen, die sich mit Einsatz und Eifer in der Werkoder Sonderklasse vielleicht um eine Note hinaufarbeiten, aber auch damit nie Coiffeuse, Kosmetikerin, Kleinkindererzieherin oder Krankenschwester werden. Träume bekommen Flügel!

Bekommen Träume Flügel? Für die einen - ja! Nach Erfahrungen und Misserfolgen resigniert, geben sie sich der einzigen, zwar ungewollten Möglichkeit hin das Selbstwertgefühl tief, mit Vorwürfen an sich oder all die andern, die diese Situation vermeintlich zu verantworten hätten. Andere hängen noch immer in ihren Träumen. Trotz häufigem Stolpern werden alle Hoffnungen immer wieder ins Neue gesetzt. Eltern versprechen ihren Töchtern: „Wenn du dann erst die zwei Jahre Hauswirtschaftausbildung gemacht hast, dann…….“. Ja, was dann!? Spätestens dann müssen sich die meisten trotz allem von ihrem Traum verabschieden. Ein schmerzlicher Moment, Träume entschwinden zu sehen und mit dem zurück zu bleiben, was möglich ist.

Kein motivierender Einstieg in einen Jahresbericht, der unser Schaffen, vielleicht auch die eigenen Träume in unserer Arbeit aufzeigen soll. Würden wir hier stehen bleiben, wäre es wohl an der Zeit, unsere sieben Sachen zu packen. Wo würden wir Freude erfahren, wo Ziele erkennen, wo Erfolg erlangen? Betrachten wir die Situation unsere Lehrtöchter im Sonnenlicht! Mit der Möglichkeit, eine durch die IV unterstützte und finanzierte Ausbildung zu erhalten, stehen sie bereits auf der privilegierten Seite aller benachteiligten Jugendlichen. Für nicht IV-berechtigte SchulabgängerInnen sieht die Situation bedeutend verheerender aus. Zwar werden mit guten Absichten und grossem Engagement Brückenangebote geschaffen, die Lücken nach der Grundschule vermeiden und den Einstieg ins Berufsleben begleiten sollen. Doch auch mit allseitig grossen Bemühungen verbessert sich die Situation auch nach einem Zwischenjahr meist kaum. Immer mehr Jugendliche stehen für immer weniger Lehrstellen an. Verschärft hat sich die Lage zudem, weil immer mehr Jugendliche ohne Lösung für einen Berufs- oder Arbeitseinstieg die Warteschlange länger werden lassen. Ebenso befinden sich darin auch zunehmend solche mit dünnem Schulsack, für die in der Wirtschaft kaum mehr niederschwellige Stellen- und Lehrangebote bereitstehen. Insofern sieht die Situation für unsere Auszubildenden etwas besser aus. Dass die meisten ihre Berufsträume zurückstecken mussten, ist nicht von der Hand zu weisen und war für die einzelnen ein schwerer und langer Prozess. Mit der Möglichkeit einer zweijährigen Berufsausbildung erhalten unsere jungen Frauen aber zumindest einen Einstieg in die Berufswelt. Mit einer ganzheitlichen, spezifischen Förderung erhalten sie die Chance, selbst auf ihrem Niveau einen wesentlichen

Schritt weiter zu kommen. Diese Chance zu nutzen stellt grosse Herausforderungen an alle Beteiligten. Die Chance als solche zu erkennen, sich darauf einzulassen und auch durch kleine Erfolge motivieren zu lassen, ist der Anspruch an die Lehrtöchter. Das Bewusstsein zu wecken, die Ausbildung als Chance nutzen zu wollen, ist unsere Aufgabe als Ausbildende.

Wer auf den Boden kommen muss, schlägt manchmal hart auf, steht dann aber erst sicher und mit beiden Beinen im Leben. Erst dann wird es möglich, Fähigkeiten und Stärken realistisch einzuschätzen, zu nutzen und zu fördern. Erfolg macht stark und sicher. Unmögliches erreichen zu wollen, schränkt ein, demotiviert, nimmt jede Lust am Lernen, Misserfolge sind vorprogrammiert. Nebst dem Vermitteln von fachlichem Können und lebenspraktischen Fähigkeiten ist es unsere Aufgabe, mit unseren Lehrtöchtern zu üben, ihre Grenzen, aber auch ihre Ressourcen erkennen und akzeptieren zu lernen. Es gilt, sie an positiven Erfahrungen stark werden zu lassen, das Selbstbewusstsein zu fördern und nicht am Unvermögen zu resignieren. Es gilt, die Ziele neu zu definieren, auf einem Level der erreichbar ist. Im internen Ausbildungsbetrieb erhalten wir vielseitige Übungsmöglichkeiten. Ein angepasstes Ausbildungsniveau ermöglicht Erfolgserlebnisse, aber auch das Üben im Umgang mit frustrierenden Erlebnissen, Kritik und Misserfolg. Die zwei Jahre Hohenlinden aber sind noch Schonraum – mit all den Möglichkeiten positiv zu werten, aber halt einfach „anders“ als die Arbeitswelt „draussen“. Im Wissen darum ist es uns ausserordentlich wichtig, die Auszubildenden Erfahrungen in reellen Arbeitsalltagen machen zu lassen. Betriebspraktika und Schnupperlehren machen dies möglich. Dank dem sozialen Engagement von umliegenden Betrieben ist es bisher meist gelungen, unseren Lehrtöchtern Praktikumsplätze zu vermitteln. Die Bereitschaft fordert von den Betrieben Begleitung, Einfühlungsver-

mögen und zeitlichen Aufwand, wofür allen herzlicher Dank gebührt. Schwieriger wird es, Schnupperlehren zu finden. Viele Betriebe können oder wollen keine Kapazitäten mehr dafür bereitstellen. Mangelndes Personal, schlechte Erfahrungen und gehäufte Einsatz-Anfragen von Arbeitslosen- und Hilfsprojekten sind unter anderem Gründe dafür. Bei der Suche nach anschliessenden Arbeitsplätzen wachsen die Hürden zunehmend. Beziehungen – oder wie dies modern heisst „Networking“ – mögen im Einzelfall eine Anstellung ermöglichen. Betriebe mit sozialer Verantwortung gibt es Gottseidank noch, sind aber in den letzten Jahren immer seltener geworden. Wirtschaftlichkeit und Leistung haben sich auf Platz eins vorgeschoben und schränken soziales Denken wesentlich ein. Für unsere Lehrabgängerinnen bedeutet dies, dass sie für eine Arbeit jede Chance packen müssen. Träume haben da selten Platz. Wichtig ist es, eine Anschlusslösung zu haben und nach der Ausbildung nicht arbeitslos zu sein.

Das Leben nach der Hohenlinden Ich heisse M. M. und bin seit dem 16.7.2004 Ehemalige der Hohenlinden. Abschied zu nehmen war noch nie meine Stärke, deshalb war es nicht einfach für mich einen neuen Schritt in die Arbeitswelt zu wagen. Nun habe ich es geschafft! Klar denke ich viel an die Hohenlinden zurück, aber genauso bin ich auch stolz, dass ich jetzt in der richtigen Arbeitswelt bin und als Erwachsene angesehen werde (das war in der Hohenlinden natürlich auch schon so, aber ich wollte es trotzdem noch so offensichtlich schreiben). Meine Arbeit / Praktikumsstelle: Ich arbeite jetzt im Alters- und Pflegeheim "am Bach" in Gerlafingen. Dort bin ich als Praktikantin im Pflegedienst eingestellt. Das Leben mit älteren Leuten zu teilen ist sehr spannend, kann aber auch zugleich sehr mühsam sein. Sie brauchen viel Unterstützung in alltäglichen Entscheidungen und werden manchmal wütend über sich selbst. Sicher mag es sie auch, wenn sie sich von so viel jüngeren Schwestern helfen lassen müssen! Die Pensionäre haben oft auch das Gefühl benachteiligt zu sein. Manchmal streiten sie über irgendwelche unwichtigen Sachen. Auch haben sie oft wenig Geduld und reklamieren, wenn Sie nicht als erstes vom Tisch können. Viele haben mir schon von Hitlers Zeiten erzählt und was sie daran beschäftigt. Ich mag alle Pensionäre mit denen ich zusammenarbeite. Deshalb trifft es mich schnell einmal, wenn jemand stirbt. Klar, das ist normal, trotzdem ist es manchmal nicht leicht, es zu verarbeiten. Zum Glück gibt es Menschen, Bezugspersonen, die mir helfen mit solchen Situationen klar zu kommen. Bis anhin war es mein Traumberuf, aber irgendwie habe ich gemerkt, dass diese Arbeit mir schwer zu schaffen macht. Eigentlich arbeite ich sehr gerne mit den Pensionären, aber diese Todesfälle kann ich nie einfach wegstecken. Trotzdem werde ich mein Praktikum beenden. Der Unterschied zur Hohenlinden: Der Unterschied ist sehr gross! In der Hohenlinden dachte ich immer, es sei so streng dort. Ich habe mich getäuscht. Es ist klar, dass eine Haushaltungsschule nicht dieselbe Strenge vorweist wie ein Job. Da gibt es einfach immer einen Un-

terschied. Trotzdem glaubt man es erst, wenn man selber die Erfahrung macht. Ich bin abends immer müde, da ich 8,4 Std. pro Tag im Altersheim arbeite. Etwas kann ich wirklich sagen: In der Arbeitswelt hat die Traumwelt praktisch keinen Platz mehr. Was habe ich in der Hohenlinden gelernt, wovon ich jetzt profitieren kann: Ganz sicher konnte ich auf meinen weiteren Lebensweg viel mitnehmen - all das Hauswirtschaftliche, sei es mit den richtigen Mitteln putzen, kochen, Wäsche bügeln und falten. Alles kann ich irgendwie in meinem Praktikum anwenden und durchführen. Sicher habe ich in der Hohenlinden auch viel über Teamwork gelernt. Auch das kann ich jetzt umsetzen. Konflikte zu lösen, sagt man, ist doch nicht das einfachste der Welt. Dank der 2-jährigen Ausbildung in der Hohenlinden, habe ich auch mit solchen Situationen umzugehen gelernt. Tja, irgendwie kann man doch immer das Beste aus sich selber machen, vor allem dann, wenn man eine solch gute Vorausbildung machen konnte und durfte. Was gebe ich den zurückgebliebenen der Hohenlinden mit auf den Weg: (unkor-

rigierter Satz der Schreiberin - schön, nicht …..!?)

Ich wünsche allen - damit ist das Team, die Lehrtöchter, der Stiftungsrat und natürlich die Heimleitung gemeint - eine schöne Zeit, viel Erfreuliches und Zufriedenheit untereinander. Nicht viel Stress mit Papierkram und hoffentlich immer gute Laune. Mit freundlichen Grüssen M.

Erinnern Sie sich an M., die im letzten Jahresbericht über ihre Erfahrungen in der Aussenwohngruppe berichtete? In der Zwischenzeit ist sie, wie ihre 17 Kolleginnen bereits mehrere Monate weg, in einem neuen beruflichen und privaten Umfeld integriert. Für viele war der Schritt schwer und schmerzlich. Auf der Schwelle zur Berufsfrau fühlten sich viele hin und her gerissenSicherheit und Vertrautsein hielten zurück, der Wunsch nach Unabhängigkeit lockte. Einmal mehr, bepackt mit (neuen!) Träumen und Vorstellungen, wagten sie den Schritt in die nahe Zukunft. Von einigen hörte man schon nach kurzer Zeit, andere liessen nie etwas von sich hören. Im Zusammenhang mit diesem Jahresbericht interessierte uns, was aus den Träumen, den Vorstellungen der im Sommer ausgetretenen Lehrtöchter geworden war. Die kleine Umfrage wurde lediglich von etwa der Hälfe der Angeschriebenen beantwortet. Andere Echos aber zeigen, dass es den meisten gut geht und es ihnen an ihrem Arbeitsplatz mehrheitlich gefällt.

Antworten auf die Umfrage Wie hast du dir das Leben nach der Hohenlinden vorgestellt: Sehr schwer! Ich dachte, dass ich ohne die Hohenlinden-Leute nicht leben kann. Auf jeden Fall anders – freier, vom Gefühl her. Dass ich einen Job finde und wieder in meine Umgebung zurück kann. Wieder zu Hause wohnen. Ich liebe die Ruhe und die Tiere zu Hause. So viel wie möglich von dem in der Hohenlinden Erlernten anwenden zu können. Welches waren deine beruflichen und persönlichen Erwartungen, Träume, Wünsche, Vorstellungen? Dass ich nach der Hohenlinden noch mit ein paar Lehrtöchtern Kontakt haben möchte. Gut anfangen in meiner neuen Arbeit, mich gut einarbeiten. Zur Hohenlindenzeit war mein Traumberuf „Velomech“. Aber jetzt ist es ganz klar „Küche“ – was denn sonst! Das Gelernte aufzufrischen, anzuwenden, anzupacken und zu erweitern. Ich wünschte mir in einem Laden zu arbeiten. Möglichst grosse Selbständigkeit und ein vernünftiges Einkommen. Eigene Wohnung. Verlässliche Freunde. Was hattest du für Ziele Dass ich weit weg von zu Hause bin!!! Gutes und konzentriertes Arbeiten, es gut zu haben beim Arbeiten – das waren meine Ziele! In der Hohenlindenzeit hatte ich keine Ahnung welches meine Ziele sind. Aber jetzt weiss ich’s – in die Küche, aber so schnell wie möglich. Die Zeit und das Tempo besser in den Griff zu bekommen. Selbständiger, kollegialer, sportlicher, gepflegter, konzentrierter und mutiger zu sein. Ich möchte mal eine Familie mit Kindern haben. Eine gute und erfreuliche Stelle in einer nicht allzu grossen Küche zu finden und noch manches dazuzulernen. Wie geht es dir heute? Bin sehr zufrieden, bin „happy“! Heute geht es mir gut, die Arbeit macht mir Spass. Ich bin nicht glücklich in dem Beruf in dem ich arbeite. Ich habe einen guten Job im Spital in Altdorf. Mir geht es spitze, ausser dass ich am Abend manchmal sehr müde bin. Velo fahren, Schneeschuhlaufen, Acquafit, Lesen und vieles mehr sind meine Hobbies. Ich arbeite im Hausdienst. Bin seit Anfang Jahr bei der Feuerwehr in Eiken. Mir geht es gut. Traue mich noch nicht für eine andere Arbeit zu fragen. Ich habe eine feine Stelle in der Küche eines Altersheims und bin sehr glücklich dort. Hoffe auf eine noch bessere Zukunft. Welche Erwartungen haben sich schon erfüllt? Ich habe keine speziellen Wünsche gehabt – nur dass mir die Arbeit gefällt. Es hat sich bisher alles zu meiner Zufriedenheit entwickelt. Dass ich jetzt in einer WG wohne – das war mein Ziel. Das nächste ist in der Küche arbeiten zu dürfen. Ich bin ein bisschen selbstbewusster geworden Ich habe den Umgang mit Geld kennen gelernt und die Arbeit im Service. Ich kann selbständig in einem andern Dorf die WG putzen. Ich kann selbständig kochen. Mein Wunsch in einem Laden zu arbeiten hat sich noch nicht erfüllt. Bin im Moment „fast“ wunschlos glücklich. Leider ist die eigene Wohnung und der Fahrausweis noch nicht „drin“ Dies hat verschiedene Gründe.

Was ist anders als erwartet? Dass es manchmal sehr streng werden kann. Bin noch zufrieden mit der Situation. Ich weiss es nicht genau, aber irgendwie ein bisschen alles. Nach einer Operation hatte ich manchmal das Gefühl, mehr körperliche oder psychische Probleme an mir zu spüren als vorher. Meine Arbeit. Nichts. Was macht dir im Alltag Freude, was eher Mühe? Ich bin wirklich sehr zufrieden mit dieser Arbeit die ich mache. Wo ich Mühe habe ist, dass die Leute über andere Leute reden! Der Alltag ist manchmal stressig, werde eher müde. Dieser Job, den ich im Moment habe macht mir sehr Mühe. Mein Alltag sieht vielseitig aus, zuhause und im Job. Es macht mir Freude, wenn ich mit meinem Hund an die frische Luft kann. Noch Mühe habe ich im richtigen Moment meine Meinung oder nein zu sagen. Am Morgen putze ich ca. 2 Std., dann gehe ich Z’nüni verkaufen. Über Mittag Essen schöpfen und Geschirr waschen, am Nachmittag wieder putzen. Am Dienstag von 16.00 – 18.30 serviere ich im öffentlichen Kaffee – wenn ihr mich mal besuchen wollt ☺. Schwierigkeiten kenne ich bei dieser Arbeit keine. Bin leider immer noch etwas langsam in meinen Tätigkeiten. Wer weiss, mit der Übung…..?! Was hast du in der Hohenlinden nicht gelernt, das du aber heute unbedingt brauchen würdest? Ich habe sehr viele Sachen gelernt, bin auch sehr froh darüber. Ich möchte gern noch vieles lernen, weiss aber noch nicht was. Fühle mich gut mit dem was ich von der Hohenlinden mitnehmen konnte. Das Erlernte kann ich gut anwenden. Ich hätte in allen Fächern noch mehr lernen können, vor allem in der Allgemeinbildung war es ganz klar zu wenig. Mich mehr durchzusetzen, streiten, rechnen. Der Umgang mit Geld, im Kochen, in Stresszeiten. Ich bin sehr zufrieden mit dem was ich gelernt habe in der Hohenlinden. Wenn ich zurückdenke wie ich Heimweh hatte, bin ich heute stolz, dass ich die zwei Jahre so gut geschafft habe. Ich bin auch sehr selbständig im Reisen geworden. Hohenlinden ist in mancher Hinsicht „anders“ als die Praxis, d.h. die richtige Arbeit. Habe jedoch keine Reklamationen Welches sind deine Ziele heute? Welches sind die nächsten Schritte die du tun möchtest? Ich suche gerade eine Wohnung und habe schon jemanden mit dem ich wohnen kann. Will einfach weg von zuhause. Mein nächster Schritt wird das Ausziehen von zuhause sein, weiterhin gut zu arbeiten und es bei der Arbeit gut zu haben. Eine Anlehre in der Küche zu machen, das ist mein Ziel. Dass ich Probleme von andern nicht mehr zu meinen Problemen mache. Mehr kochen und mich mit dem Thema Geld beschäftigen. In einer Migros arbeiten, das Autobillett machen. Auf Anregung meines Arbeitgebers plane ich, nach Beendigung des ersten Praxisjahres am gleichen Ort eine zweijährige Ausbildung zur Küchenangestellten anzutreten. Ich würde mich riesig freuen, in meinem Können und meiner Stellung wieder einen Schritt weiter zu kommen.

Ich freue mich sehr an den vielen positiven und aufgestellten Antworten, welche Motivation und Engagement ausdrücken. Ich lese aber auch, dass viele Träume Träume geblieben sind oder andern Platz gemacht haben. Auch diese jungen Frauen sind mit Träumen in die Hohenlinden gekommen, die sie über die zwei Jahre nach und nach aufgeben und fliegen lassen mussten. Es freut mich deshalb besonders zu hören, dass es vielen gelungen ist, in den derzeitigen Möglichkeiten Sinn, Freude und Erfüllung zu finden. Es freut mich aber auch zu lesen, dass neue Träume und Hoffnungen erwacht sind und hoffe, dass viele von diesen sich erfüllen werden.

Neues Berufsbildungsgesetz Bei der Abschätzung der künftigen Arbeitschancen unserer Lehrabgängerinnen gibt uns das neue Berufsbildungsgesetz neue Unsicherheiten und Fragen auf. Durch die Verknappung der Arbeits- und Ausbildungsplätze erhöhen sich die Ansprüche an die Arbeitenden - eine Befürchtung die sich auch im neuen Berufsbildungsgesetz zu bestätigen droht. Schon im letzten Jahr habe ich über den Wandel in der Berufsbildungslandschaft Schweiz berichtet, welche im totalen Umbruch ist. Die Berufsbildung selbst ist zurzeit eine Grossbaustelle. Das Fundament für das neue Gebäude wurde mit der Inkraftsetzung des neuen Berufsbildungsgesetzes (nBBG) und der entsprechenden Verordnung per 1.1.04 gesetzt. Die Eckpfeiler stehen, der Innenausbau, die Ausgestaltung ist aber noch weitgehend offen. Zwar ist allgemein bekannt, dass künftig nicht mehr von Lehrund Anlehrverhältnissen, sondern generell von „Beruflicher Grundbildung“ gesprochen wird. 3- und 4-jährige Ausbildungen schliessen mit Eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ), 2-jährige mit einem Attest ab. Die Berufsverbände, die so genannten Organisationen der Arbeitswelt (OdA), sind aufgefordert, innerhalb von fünf Jahren für jeden Beruf eine Bildungsverordnung (Reglement) zu erarbeiten. Bei zirka 300 Berufen sind das also durchschnittlich 60 Bildungsverordnungen (BiVo) pro Jahr - ein recht gewagter Zeithorizont. In der Beruflichen Grundbildung mit Attest (BGmA) ist noch (zu) vieles offen. Dies führt verständlicherweise zu grosser Verunsicherung und löst vor allem in Anlehrkreisen Ängste aus. Fragen stehen im Raum, die bisher niemand konkret beantworten kann oder will. Dies sind Fragen bezüglich Ausbildungsniveau, Ziel-

publikum, Kompetenzbeschreibungen, Qualifikationsverfahren, und Durchlässigkeit. Tatsache ist bisher nur, dass die Anlehre abgeschafft und durch die BGmA ersetzt wird. Klar ist auch, dass eine Unterscheidung zwischen höher- und niederschwelligeren Angeboten zwar bleibt, die Durchlässigkeit gegen oben jedoch verbessert werden soll, um das „SackgassenImage“, das der Anlehre anhaftet, verschwinden zu lassen. Inwieweit dies gelingen wird, ist noch völlig offen und wird Gegenstand der entsprechenden BiVo sein - ebenso, ob das bisherige Anlehr-Klientel dort Platz finden wird. Für einen Grossteil der Jugendlichen mit speziellen Bildungsbedürfnissen wird damit die BGmA - wie schon die Anlehre - das einzig mögliche (im BBG verankerte) berufliche Bildungsangebot sein. Unter dem Aspekt der Chancengleichheit muss dieser Weg zwar arbeitsmarkttauglich, aber trotz eidgenössischem Standard auch für intellektuell schwächere Jugendliche offen und begehbar sein. Zudem weiss man, dass dem Grundsatz „Eingliederung vor Rente“ sozialpolitisch und finanziell immer grössere Bedeutung zukommt. Diesem Grundsatz müssen wir, wollen wir unseren Auftrag weiterhin erfüllen, auch mit der BGmA nachleben können. Noch immer arbeiten wir mit „Hauswirtschaft Schweiz“ an der entsprechenden Bildungsverordnung. Wir kamen nicht mit leeren Händen, denn Ausbildungsinstitutionen haben ein enormes Erfahrungspotenzial bei der Ausbildung von Jugendlichen mit spezielspeziellen Bildungsbedürfnissen. Gegen 20% der in der Schweiz jährlich durchgeführten Anlehren finden in IV-Ausbildungsinstitutionen statt. Dagegen erleben wir in der konkreten Arbeit an der Bildungsverordnung, wie unterschiedlich die Interessen der verschiedenen VertreterInnen sind. Die Meinungen gehen auseinander, unsere Anliegen durchzusetzen ist schwer. Es zeichnet sich ab, dass das Ausbildungsniveau der neuen BGmA klar angehoben wird und die Ausbildung einen Umfang erhält, dem unsere lernschwachen und langsam Lernenden kaum mehr gewachsen

sein werden. Die Antworten auf die oben genannten offenen Fragen zeichnen sich langsam – zumindest im Bereich Hauswirtschaft ab. Ich möchte gerne optimistisch bleiben, doch gelingt mir dies mit fortgeschrittener Arbeit immer weniger. Schon in den ersten Gesprächen über das neue Berufsbildungsgesetz äusserten die Ausbildungsinstitutionen die Angst über einen Niveauanstieg, der es vielen unseren jetzigen Anlehrlingen verunmöglichen könnte, weiterhin eine Ausbildung zu machen. Unsere Ängste wurden noch und noch in den Wind geschlagen und uns versprochen, dass bis 90% der Anlehrlinge auch die Attestausbildung schaffen sollten. Davon sind wir, meiner Meinung nach, unterdessen meilenweit entfernt. Der Trend nach immer komplexeren und anspruchsvolleren Ausbildungen vergisst die Jugendlichen mit kleinem Schulrucksack vollends. Die Tatsache, dass das neue Berufsbildungsgesetz eine neue Gruppe Jugendlicher schafft, die künftig keine Ausbildung mehr machen kann, macht mich traurig, manchmal gar wütend. Letztlich geht es doch um junge Menschen mit Träumen und Hoffnungen. Wo bleiben ihre Träume? Auch M. muss die Erfüllung ihres Traums einmal mehr verschieben – gar aufgeben? Man weiss es noch nicht. Tatsache ist, dass sie den Anforderungen des strengen Berufes in ihrem ersten Praktikumsjahr nicht genügen konnte. Es ist zu hoffen, dass sie die Chance auf einen zweiten Versuch erhält. Traumhaft………. ……. all die kreativen und phantasievollen Aktivitäten im Berichtsjahr! Bereits im Frühjahr luden wir zu einem Verkaufsstand am Samstagmarkt in Solothurn. Den farbigen Töpfen und Tüten konnte man kaum widerstehen, kamen sie doch gerade richtig, die ersten blühenden Sommerboten aufzunehmen. Der jährliche Öffentlichkeitsanlass beabsichtigt, die Hohenlinden und unsere Arbeit bekannter zu machen und in der Bevölkerung Unterstützung zu finden.

Die vorangegangenen Seiten erklären wohl, wie das Schlussfeier-Motto „jede bruucht sii Insle“ zustande kam. Abschalten, zurücklehnen, die Seele baumeln lassen! Auf der Aareinsel verabschiedeten wir bei strahlendem Sommerwetter die 17 austretenden Lehrtöchter. Der farbenfrohe, malerische Bauerngarten unterstrich das bunte Programm und die ausgelassene Stimmung. Gar mancher hätte

es sich gerne an diesem schönen Fleckchen Erde noch etwas gut gehen lassen. Besonders den austretenden Lehrtöchtern schien es plötzlich nicht mehr zu pressieren. Abschiednehmen fiel schwer – zuviel hatte einen über die zwei Jahre verbunden. Abschiedsworte drückten auf die Tränendrüsen und ich weiss nicht, wie viele der gut gemeinten Ratschläge und Wünsche ihren Weg wirklich fanden. So packten wir diese auf Zettel geschrieben in kleine Schiffchen, die wir auf der Aare zum Abschied treiben liessen – wie Träume, die sich ihren Weg auf dem Fluss des Lebens selber suchen. Mit den 18 neuen Lehrtöchtern kam nach den Sommerferien neues Leben ins Haus! Wie ein Wirbelwind nahmen sie vom Alltag Besitz. Laut, lebendig, fröhlich, auch zickig und streitsüchtig, bestimmten sie vom ersten Tag an die Stimmung im Haus. In der Projektwoche, welche uns bereits in der zweiten Woche zu einem Sport- und Ernährungslager nach Saanenmöser lockte, lernten wir uns schnell kennen. Die unbeschwerte, kindliche Fröhlichkeit der „Neuen“ steckte an. Den Übergang in den ernsteren Arbeitsalltag zu finden fiel nach diesem Senkrechtstart dagegen etwas schwerer. Gerne hängen wir unseren eigenen Träumen nach und vergessen nur allzu schnell, dass auch andere Menschen Träume haben, die sich für sie nie erfüllen werden. Mit diesem Gedanken beschäftigten wir uns in der Advents- und Weihnachtszeit. Bewusst bescheiden hielten wir unsere Festlichkeiten und gaben etwas von unserem Überfluss denen ab, denen es bedeutend schlechter geht. Mit einem kleinen Weihnachtsmarkt luden wir in die Hohenlinden ein und überliessen den Reingewinn einem Hilfsprojekt in Aethiopien. Dabei fällt mir ein, wie gut das kleine Geschenk an unsere Lehrtöchter zum Thema dieses Jahresberichts passt! ein kleiner Traumfänger, dem die Indianer zuschreiben, dass er die schlechten Träume aufhält und nur die guten durch die Maschen lässt! Albträume vermeiden Immer einen Schritt voraus sein, nach vorne sehen, Veränderungen erkennen, beweglich bleiben, agieren! Nicht nur die Arbeit mit den Lehrtöchtern erfordert besonderes Geschick, auch die Zusammenarbeit im Team bedarf unserer Aufmerksamkeit. So haben Projektarbeiten immer nicht nur die Vorbereitungen eines Anlasses oder das Ausarbeiten eines Konzepts zum Ziel, sondern sind auch gute Übungsgefässe der Zusammenarbeit. Es reicht nicht, die Schwächen, Stärken und Ressourcen unsere Lehrtöchter zu erkennen. In gleichem Ausmass ist es wichtig, unsere eigenen Fähigkeiten zu schulen und weiter zu entwickeln. Unsere Arbeit und Rollen zu reflektieren, uns mit relevanten Themen auseinander zu setzen, erfordert selbstkritisches Denken und konstruktives Feedback. Sich darin zu Üben ist ein Prozess, der wohl nie abgeschlossen ist. Wir sind bereit diesen zu gehen und haben auch im Berichtsjahr viele Möglichkeiten geschaffen, gute Zusammenarbeit zu üben und zu pflegen. Ebenso betrachte ich es als wichtig, die Antennen nach aussen auszustrecken. Schnelle Entwicklungen und Veränderungen drohen uns unaufhaltbar zu überrollen. Im Tempo dieses Stroms zu schwimmen verhindert das Untergehen, gemeinsam zu rudern ermöglicht es, rechtzeitig im Ziel anzukommen. Im „Einer“ zu rudern ist zwar leichter, keine Absprachen sind nötig, jeder nimmt den Kurs den

dern ist zwar leichter, keine Absprachen sind nötig, jeder nimmt den Kurs den er will. Die Zeit der „Einer“ ist aber definitiv vorbei! Nur gemeinsam können wir etwas bewirken oder bei entscheidenden Fragen unsere Meinung einbringen. Nicht alle Wünsche und Träume lassen sich realisieren – dies hat auch die Mitarbeit an der Bildungsverordnung zu Attestausbildung gezeigt. Einige Träume muss man ziehen lassen, doch mit dem Wissen, das Mögliche getan zu haben, schläft es sich leichter.

Zum Schluss möchte ich Ihnen den Satz einer ehemaligen Lehrtochter, wie er in ihrem Antwortschreiben auf die Umfrage zu lesen ist, nicht vorenthalten. Sie schreibt: „Doch etwas kann mir niemand nehmen und das ist die pure Lust am Leben“ Glücklich, wer dies sagen kann!!!! Ich hoffe, dass es den Lehrabgängerinnen immer wieder gelingen möge, in dem was sie tun, Erfüllung zu finden. Nicht nur ihnen, uns allen wünsche ich dies! Verbunden mit meinem Dank an alle meine Mitarbeitenden, dem Stiftungsrat und Vereinsvorstand, hoffe ich dass unsere Träume keine Flügel bekommen, sondern uns täglich neu beflügeln! Ich danke allen für das grosse Vertrauen, die stärkende Unterstützung und die kollegiale Zusammenarbeit. Ich wünsche mir, dass es uns immer wieder gelingt, den Wert der Menschen die uns anvertraut sind, in dem was sie sind und nicht nur in dem was sie können zu finden. Ich wünsche mir, der aufwärts drehenden Spirale der Ansprüche etwas entgegenzuwirken und der Wertschätzung der Menschen ihren Platz erhalten zu können. Ich wünsche mir auch, dass wir in unserer Arbeit angetrieben werden von Idealen, Professionalität und Nächstenliebe, die – gepaart mit Kreativität, Gelassenheit und Humor – FLÜGEL VERLEIHEN! Solothurn, im März 2005 Brigitte Kober Heimleiterin