Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen: BGB Band 6/2: Schuldrecht 4/2 §§ 454 - 480 BGB

Bearbeitet von Theodor Soergel, Wolfgang Siebert

13., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage 2009. Buch. XVIII, 394 S. Leinen. Im Schuber ISBN 978 3 17 020140 8

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Titel 1: Kauf (Kauf auf Probe)

§ 454

1 Untertitel 2

Besondere Arten des Kaufs Kapitel 1

Kauf auf Probe § 454 Zustandekommen des Kaufvertrags (1) Bei einem Kauf auf Probe oder auf Besichtigung steht die Billigung des gekauften Gegenstandes im Belieben des Käufers. Der Kauf ist im Zweifel unter der aufschiebenden Bedingung der Billigung geschlossen. (2) Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer die Untersuchung des Gegenstandes zu gestatten. ¨ BERSICHT U I. Rechtsnatur und Inhalt des Kaufs auf Probe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 2 1. Aufschiebend bedingter Kauf . . . . . 1 2. Billigung durch Schweigen – aufschiebende negative Bedingung . . . 2 II. Abweichende Vereinbarungen . . . . 1. Pflicht zur Billigung . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarung eines „Missbilligungsrechts“ des Käufers . . . . . a) Auflösende Bedingung, Gefahrtragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Missbilligungsrecht“ als Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Missbilligung durch Rückgabe der unversehrten Sache . . . . . . .

VI. Abgrenzung zu anderen Vertragstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 17 1. Kauf nach Probe . . . . . . . . . . . . . . . 16 2. Weitere Vertragsarten – insbesondere festes Angebot, Konditionskauf und Umtauschberechtigung . . 17

3–7 3

VII. Pflichten des Verkäufers . . . . . . . . . 18, 19 1. Pflicht zur Gestattung der Besichtigung/Probe . . . . . . . . . . . . . . . 18 2. Verletzung der Überlassungspflicht – Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

4–7 4, 5 6

VIII. Haftung des Käufers . . . . . . . . . . . . 1. Gefahrtragung. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Obhutspflicht des Käufers – zu vertretende Beschädigung . . . . . . . . . . 3. Verjährung von Schadensersatzansprüchen des Verkäufers . . . . . . . . . 4. Die Rückgabepflicht des Käufers – Leistungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Kauf auf Probe und Eigentumsvorbehalt/Übereignung . . . . . . . . . . . . 8 IV. Widerrufsrecht des Verbrauchers beim Kauf auf Probe . . . . . . . . . . . . 9 V. Voraussetzungen des Kaufs auf Probe iSd § 454 . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffe und Auslegung. . . . . . . . . . 2. Konkludente Vereinbarung eines Kaufs auf Probe. . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entscheidungsfreiheit des Käufers – freies Belieben . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einschränkung des freien Beliebens a) „Erprobungskauf“/„Prüfungskauf“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelfälle – insbesondere Ankaufsuntersuchung . . . . . . . . . .

10–15 10 11, 12 13 14, 15 14 15

20–23 20 21 22 23

IX. Anspruch des Verkäufers auf Nutzungsentschädigung . . . . . . . . . . . . 24–26 1. Keine Entschädigung für Nutzung während der Probezeit . . . . . . . . . . 24, 25 2. Nutzungsentschädigung bei Rücktrittsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 X. Die Billigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27, 28 1. Billigungserklärung . . . . . . . . . . . . . 27 2. Auswirkung der Billigung auf etwaige Gewährleistungsansprüche. . 28 XI. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

1. Aufschiebend bedingter Kauf. Der Kauf auf Probe oder auf Besichtigung ist im Zweifel ein unter 1 die aufschiebende Bedingung der Billigung durch den Käufer gestellter Kaufvertrag1. Während der Verkäufer von vornherein gebunden ist2, steht die Billigung und damit der Eintritt der Bedingung grundsätzlich im Belieben des Käufers3. Auf der Seite des Käufers hängt das Wirksamwerden des Vertrags somit im gesetzlichen Regelfall von einer sog Potestativbedingung in Form einer reinen „Wollensbedingung“ ab4. Der Kauf auf Probe ist daher kein zweistufiger Vertrag, bei dem zunächst 1 RGZ 94, 285, 287; 137, 297, 298; BGH NJW-RR 2004, 1058; KG NJW 1974, 1954; Pal/Weidenkaff Rz 1; MünchKomm/Westermann Rz 1; Staud/Mader Rz 2; Bamberger/Roth/Faust Rz 4; AnwKomm/Büdenbender §§ 454, 455 Rz 3. 2 RG JW 1923, 605; Pal/Weidenkaff Rz 10; Staud/Mader Rz 1; Bamberger/Roth/Faust Rz 2. 3 Motive II S 333; Pal/Weidenkaff Rz 9; Erman/Grunewald Rz 4; MünchKomm/Westermann Rz 4; Staud/

Mader Rz 23; Bamberger/Roth/Faust Rz 4. Das freie Belieben kann durch objektive Kriterien – zB eine Ankaufsuntersuchung bei Tieren – eingeschränkt werden (vgl dazu unten Rz 14, 15). 4 RGZ 94, 285, 287; 137, 297, 299; München NJW 1968, 109; KG NJW 1974, 1954; Pal/Weidenkaff Rz 9; MünchKomm/Westermann Rz 1; Staud/Mader Rz 2; Bamberger/Roth/Faust Rz 4; AnwKomm/Büdenbender §§ 454, 455 Rz 6.

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I. Rechtsnatur und Inhalt des Kaufs auf Probe

§ 454

Abschnitt 8: Einzelne Schuldverha¨ltnisse

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der Inhalt festgelegt und dann durch Erklärung des Käufers die Geltung herbeigeführt wird5. Begriffliche Bedenken gegen die Rechtsfigur der Wollensbedingung sind unbegründet6. Der Gesetzgeber hat diese Bedenken, wie gerade § 454 zeigt, nicht geteilt7. Ausreichend ist, dass der Käufer bei Abschluss des Kaufvertrags seine spätere Bindung für den Fall der Billigung – gem § 455 Satz 2 genügt Schweigen – gewollt hat8. Im Übrigen brächte die von der Gegenauffassung vertretene Einordnung als mehrstufiger Vertrag gegenüber der vom Gesetzgeber vorgenommenen Einordnung als aufschiebend bedingter Kauf keine Vorteile. Erhält der Käufer die Sache zur Probe, so muss er kraft Vertrags pfleglich mit der Sache umgehen. Bei verschuldeten Beschädigungen haftet er daher wegen positiver Vertragsverletzung (§ 280 Abs 1)9. 2

2. Billigung durch Schweigen – aufschiebende negative Bedingung. Die in § 455 Satz 2 geregelte Billigung durch Schweigen ist eine aufschiebende „negative“ Bedingung10. Es handelt sich hier um einen Fall, in dem das Schweigen kraft Gesetzes Erklärungswert hat. Bei Fehlen einer ausdrücklichen Erklärung bei Ablauf der Billigungsfrist kommt es daher in der Regel nicht darauf an, ob eine konkludente Billigung – zB durch Weiternutzung der Sache – gegeben ist11. In dogmatischer Hinsicht könnte die Billigung durch Schweigen zwar auch als auflösende Bedingung oder als Nichtausübung eines Rücktrittsrechts eingeordnet werden12, im Zweifel liegt aber eine aufschiebende „negative“ Bedingung vor. Denn sowohl die auflösende Bedingung als auch das Rücktrittsrecht setzen einen zunächst voll wirksamen Vertrag voraus, der im Zweifel – gerade auch wegen des Rückabwicklungsrisikos13 – beim Kauf auf Probe vom Käufer nicht gewollt ist.

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1. Pflicht zur Billigung. Im Rahmen der Vertragsfreiheit können die Parteien vereinbaren, dass der Käufer unter bestimmten Voraussetzungen zur Billigung verpflichtet ist oder die aufschiebende Bedingung bei Vorliegen bestimmter Probe- oder Testergebnisse unmittelbar eintritt. Die §§ 454, 455 sind dann entsprechend anwendbar, soweit dies mit der abweichenden Abrede vereinbar ist14. Dass die Billigung im Belieben des Käufers steht, ist eben nur der gesetzliche Regelfall.

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2. Vereinbarung eines „Missbilligungsrechts“ des Käufers – a) Auflösende Bedingung, Gefahrtragung. Abs 1 Satz 2, wonach der Kauf im Zweifel unter der aufschiebenden Bedingung der Billigung geschlossen ist, stellt nur eine Auslegungsregel dar. Die Parteien können vereinbaren, dass der Vertrag nicht durch die Billigung des Käufers (aufschiebende Bedingung) zustandekommt, sondern umgekehrt ein bedingungsfrei geschlossener Vertrag durch die Missbilligung des Käufers aufgehoben wird (sog pactum displicentiae). Konstruktiv lässt dieser Fall sich unterschiedlich einordnen. Eine Möglichkeit ist, die Erklärung der Missbilligung als auflösende Bedingung für den Kaufvertrag zu verstehen15. Hier ergibt sich zum Kauf auf Probe im Sinne des § 454 kaum ein Unterschied. Denn mit der Erklärung der Missbilligung entfällt der Kauf. Mit Ablauf der vertraglich festgelegten Missbilligungsfrist wird er, nicht anders als beim aufschiebend bedingten Kauf auf Probe (§ 455 Satz 2), endgültig verbindlich.

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Die Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache während der Erprobung verbleibt auch beim Vertragsschluss unter der auflösenden Bedingung der Missbilligung beim Verkäufer. Dieser Grundsatz folgt aus dem Wesen der auflösenden Bedingung. Bei Vereinbarung einer auflösenden Bedingung und Übergabe der Sache muss der Verkäufer damit rechnen, dass diese Bedingung auch bei Beschädigung oder Zerstörung der Sache eintritt und dadurch der Kaufvertrag als Grundlage für eine künftige Kaufpreiszahlung beseitigt wird. Gem § 158 Abs 2 tritt allerdings der Gefahrübergang nur mit Wirkung ex nunc ein mit der Folge, dass im Fall einer bereits erfolgten Kaufpreiszahlung kein Rück-

5 So aber Larenz, SchuldR II/1, § 44 I S 143 f; Larenz/ Wolf, AllgTeil, § 50 Rz 17: Bei einer völlig freien ungebundenen Wollensbedingung fehle es an einer auch nur irgendwie bindenden Geltungserklärung, die Voraussetzung für die Annahme eines bedingten Rechtsgeschäfts sei. 6 Vgl RGZ 77, 415, 417; 94, 291, 297; 104, 98, 100; BGHZ 47, 387, 391; 134, 182, 187 f; BGH NJW 1967, 153; NJW-RR 1996, 1167; BayObLG NJWRR 1988, 982; Pal/Heinrichs Rz 10 vor § 158; Erman/ Armbrüster Rz 12 vor § 158; Soergel/Wolf Rz 28 vor § 158; Flume, AllgTeil II, § 38, 2 d, S 684; Köhler, AllgTeil, § 14 Rz 17. 7 BGH NJW-RR 1996, 1167; Pal/Heinrichs Rz 10 vor § 158; Staud/Mader Rz 2. Die Einordnung des Kaufs auf Probe als aufschiebend bedingter Kauf entspricht der Tradition. Im römischen Recht galt der Kauf auf Probe geradezu als Schulfall des aufschie-

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8 9 10 11 12 13 14 15

bend bedingten Kaufs, vgl Inst 3, 23, 4. Daneben stand, als zweite Form des Kaufs auf Probe, das pactum displicentiae, vgl Rz 4. BGHZ 134, 182, 187 f. Vgl Rz 21. Zur Rechtsfigur der „negativen“ Bedingung vgl Flume, AllgTeil II, § 38, 2 b, S 683. Vgl dazu § 455 Rz 6, 8. Vgl dazu Erman/Grunewald Rz 2; MünchKomm/ Westermann Rz 2; Staud/Mader Rz 4; Bamberger/ Roth/Faust Rz 6. Vgl dazu Rz 5–7. Vgl Rz 14. Vgl Pal/Weidenkaff Rz 5; MünchKomm/Westermann Rz 3; Bamberger/Roth/Faust Rz 6; Flume, GesSchr I, 1988, S 229, 243 = Festschr für Kaser, 1976, S 309, 327.

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II. Abweichende Vereinbarungen

Titel 1: Kauf (Kauf auf Probe)

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zahlungsanspruch besteht16. Für eine schuldhafte Zerstörung oder Beschädigung der Sache haftet der Käufer allerdings gem § 280 Abs 117. b) „Missbilligungsrecht“ als Rücktrittsrecht. Die andere, näherliegende und der Interessenlage 6 besser entsprechende Einordnung ist, die Missbilligung des Käufers als Ausübung eines Rücktrittsrechts zu verstehen18. In diesem Fall richtet sich die Pflicht des Käufers zur Rückgabe der missbilligten Kaufsache nach den §§ 346 ff. Gerade diese den Interessen der Parteien besser gerecht werdenden Rückabwicklungsvorschriften sprechen für eine Einordnung des „Missbilligungsrechts“ als Rücktrittsrecht. Denn der Fall der Rückgabe der Kaufsache wegen subjektiver Missbilligung durch den Käufer kann im Ergebnis in Bezug auf den Käufer nicht günstiger behandelt werden als der Fall der Rückgabe wegen Vorliegen eines Sachmangels und Fehlschlagen der Nacherfüllung19. Die Position des Verkäufers ist bei Annahme eines Rücktrittsrechts des Käufers im Hinblick auf die Haftung wegen Verschlechterung oder Untergangs der Sache besser als bei Vorliegen einer auflösenden Bedingung. Das Risiko des zufälligen Untergangs liegt nach neuem Schuldrecht beim vertraglichen Rücktrittsrecht nicht uneingeschränkt beim Verkäufer (vgl § 346 Abs 2 und 3). Das Gleiche gilt für das Risiko der zufälligen Beschädigung. Nach neuem Rücktrittsrecht besteht auch bei einem zufälligen Untergang grundsätzlich eine Wertersatzpflicht des Käufers (§ 346 Abs 2)20. Ein vom Käufer verschuldeter Verlust der Sache lässt das Recht des Käufers, sich durch Erklärung der Missbilligung vom Vertrag zu lösen, zwar ebensowenig entfallen wie eine vom Käufer verschuldete erhebliche Beschädigung der Sache, der Käufer muss in diesen Fällen aber gem § 346 Abs 2 Wertersatz leisten. c) Missbilligung durch Rückgabe der unversehrten Sache. Stärker als bei Vereinbarung eines 7 Rücktrittsrechts ist die Position des Verkäufers, wenn die Aufhebung des Kaufs nicht von der einfachen Erklärung der Missbilligung durch den Käufer abhängig gemacht wird, sondern die Rückgabe der unversehrten Kaufsache (wie beim sog Konditionsgeschäft21) voraussetzt. In diesem Fall ist die Rückgabe der Sache die auflösende Bedingung des Kaufvertrags. Das Risiko des zufälligen Verlusts der Sache liegt hier gem § 446 ab Übergabe in vollem Umfang beim Käufer. Dieser Grundsatz folgt daraus, dass die fristgerechte Rückgabe der unversehrten Sache Bestandteil der auflösenden Bedingung ist. Eine Ausnahme greift aber dann ein, wenn der Untergang auf einem Mangel der Sache beruht. ¨ bereignung III. Kauf auf Probe und Eigentumsvorbehalt/U Die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts ist trotz der Einordnung des Kaufs auf Probe als 8 aufschiebend bedingter Kaufvertrag ohne weiteres möglich22. Der unbedingte Abschluss des Kaufvertrags ist für die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts zwar typisch, aber nicht notwendig. Auch beim Kauf auf Probe kann im Kaufvertrag vereinbart werden oder der Verkäufer spätestens bei Übergabe erklären, dass das Eigentum an der verkauften (beweglichen) Sache erst bei Zahlung des Kaufpreises übergehen soll und nicht etwa schon mit Billigung der Sache durch den Käufer. Erklärt der Käufer in einem solchen Fall die Billigung, so richtet sich der Eigentumsübergang nach § 449. Das Eigentum geht also erst mit vollständiger Zahlung des Kaufpreises über. Durch die Übergabe zur Probe geht das Eigentum ohnehin nicht auf den Käufer über, sie ist aber Voraussetzung für eine Billigung durch Schweigen23. Da der Käufer aufgrund der Übergabe zur Probe schon unmittelbarer Besitzer ist, genügt gem § 929 Satz 2 für den Eigentumsübergang die Einigung. Es kann bei Fehlen einer besonderen Vereinbarung aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Verkäufer mit der Übergabe zur Probe eine konkludente Einigungserklärung abgibt. Die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts weicht daher in der Regel im Ergebnis nicht von der gewöhnlichen Abwicklung des Kaufs auf Probe ab. IV. Widerrufsrecht des Verbrauchers beim Kauf auf Probe

16 RG WarnR 1921 Nr 43; Staud/Beckmann § 446 Rz 14; Larenz, SchuldR II/1, § 42 II a, S 99 f; iE auch Erman/Grunewald § 446 Rz 4; Jauernig/Berger § 446 Rz 5. 17 Vgl dazu unten Rz 21; Flume, AllgTeil II, § 40, 2 d, S 728 f. 18 Vgl Motive II S 334; MünchKomm/Westermann Rz 3; Bamberger/Roth/Faust Rz 6. 19 Vgl zur Gleichbehandlung des „pactum displicentiae“ u der Wandelung (actio redhibitoria) nach römischem Recht Flume, GesSchr I, 1988, S 229, 242 = Festschr für Kaser, 1976, S 309, 326; Peters, Die

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Rücktrittsvorbehalte des römischen KaufR, 1973, S 84 ff. Pal/Heinrichs § 346 Rz 9; Erman/Bezzenberger § 346 Rz 1; MünchKomm/Gaier § 346 Rz 35; Bamberger/ Roth/Grothe § 346 Rz 37. Vgl dazu Karlsruhe DB 1971, 1410 = BB 1971, 1123; Staud/Beckmann Rz 174 vor §§ 433 ff; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, 1982, S 203, 205 f. Staud/Mader Rz 3; Walter, KaufR S 595; aA Serick, EV I, S 75 Fn 4. Vgl dazu § 455 Rz 6, 7.

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Auch der Kauf auf Probe ist bei Beteiligung eines Verbrauchers ein Verbrauchervertrag im Sinne 9 des § 355 Abs 1. Der Verbraucher kann also, wenn ihm kraft Gesetzes ein Widerrufsrecht zusteht,

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eine auf Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung widerrufen (§ 355 Abs 1 Satz 1). Bis zum Eintritt der Bedingung durch Billigung besteht dafür kein praktisches Bedürfnis, weil der endgültige Vertragsschluss ohnehin bei Fehlen einer abweichenden Vereinbarung im Belieben des Käufers steht oder von bestimmten Voraussetzungen abhängt. Daher beginnt die zweiwöchige Widerrufsfrist des § 355 Abs 1 Satz 1 erst ab Bindung des Verbrauchers an den Kaufvertrag durch Billigung24. Vgl zu den Einzelheiten § 455 Rz 5 ff.

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1. Begriffe und Auslegung. Ob ein Kauf auf Probe vorliegt, hängt nicht von dem Gebrauch gerade dieser Wendung ab, sondern ist durch Auslegung zu ermitteln. Die Ausdrücke „zur Probe“, „auf Probe“, „auf Besicht“, „als Probe“, „unter Vorbehalt der Musterkonvenienz“25, „unter Vorbehalt einer Ankaufsuntersuchung“26, „zum Probeeinsatz für eine Woche“27, auf „Gutbefund der ersten Ladung“28 sind für sich allein betrachtet nicht eindeutig29. Es kommt darauf an, ob der Käufer einen bereits geschlossenen, aber noch nicht wirksam gewordenen Vertrag durch seine Billigung für verbindlich erklären kann. Ein Kauf auf Probe liegt beispielsweise dann vor, wenn der Kauf mit der Bedingung vereinbart wird, dass der Käufer nach Besichtigung der Ware mitteilt, was er von ihr gebrauchen könne30. Beim Kauf „auf acht Wochen zur Probe“ handelt es sich um einen Kauf auf Probe mit Vereinbarung einer Gebrauchsfrist, nach deren Ablauf vom Verkäufer eine Billigungsfrist gesetzt werden kann31. – Vgl zur Unterscheidung zwischen Gebrauchsfrist und Billigungsfrist § 455 Rz 1, 2. – Ebenso kann mit der Klausel „Zahlung nach Wareneingang und Gutbefund“ bei einer überholungsbedürftigen Sache ein Kauf auf Probe vereinbart sein32. Beim Kauf einer Landmaschine „auf Feldprobe“ handelt es sich um einen Kauf auf Probe, wenn der Käufer nach der Probe frei entscheiden kann33. Wird beim Kauf eines Tieres (zB eines Pferdes) eine Ankaufsuntersuchung vereinbart, so liegt ein Kauf auf Probe vor, wenn Einigkeit über die Vertragsbestandteile erzielt und der Vertrag noch nicht durch Übergabe und Kaufpreiszahlung vollzogen wurde34. Vgl zur Billigung im Falle einer Ankaufsuntersuchung Rz 15.

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2. Konkludente Vereinbarung eines Kaufs auf Probe. Bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung kann die Klausel „auf Probe“ als stillschweigend vereinbart gelten, wenn der endgültige Entschluss des Käufers nach den Umständen erst nach Besichtigung/Probe der verkauften Sache erwartet werden kann35. Hier geht es um Fälle, in denen ein Kaufvertrag über eine oder mehrere Sachen abgeschlossen wurde, bevor die Sachen besichtigt wurden. Ein solcher Kaufvertrag kann aber auch so auszulegen sein, dass der Käufer von vornherein gebunden ist und ihm in Bezug auf die Auswahl der Sachen ein Wahlrecht zusteht. Wenn, wie in einem Fall des KG36, vereinbart wird, dass der Käufer einen Gesamtkaufpreis zahlt und sich später mehrere, noch nicht näher bestimmte Möbelstücke im Gesamtwert des gezahlten Kaufpreises aus dem Sortiment des Verkäufers aussuchen soll, ist das entgegen der Ansicht des KG nicht als Kauf auf Probe, sondern so zu verstehen, dass der Käufer aus dem Sortiment Gegenstände nach Besichtigung auswählen kann. Er bleibt aber an die Rahmenvereinbarung gebunden, ist also zur Abnahme von Möbeln seiner Wahl zu dem vereinbarten Gesamtpreis verpflichtet und kann sich – auch insoweit abweichend von der Entscheidung des KG – nicht durch Missbilligung der vorrätigen Möbel einseitig vom Kaufvertrag lösen.

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Die Annahme eines Kaufs auf Probe kommt ferner auch dann in Betracht, wenn dem Käufer – wie insbesondere im Versandhandel üblich – ein Rückgaberecht eingeräumt wird37. Die Rechtsfolgen einer Nichtrückgabe bei einem befristeten Rückgaberecht richten sich nach § 455.

24 BGH NJW-RR 2004, 1058, 1059; Pal/Weidenkaff Rz 13. 25 RGZ 137, 297, 298 f. 26 Köln NJW-RR 1995, 113. 27 BGHZ 119, 35. 28 Hamm BB 1995, 1925. 29 RG JW 1912, 28; Erman/Grunewald Rz 3; Münch Komm/Westermann Rz 3; Staud/Mader Rz 12; Bamberger/Roth/Faust Rz 2; AnwKomm/Büdenbender §§ 454, 455 Rz 4. 30 RG LZ 1927, 621, 622. Vgl auch LG Saarbrücken NJW-RR 1996, 953 f; Erman/Grunewald Rz 3; Staud/Mader Rz 12. 31 Hamburg Recht 1908 Nr 3776. 32 Düsseldorf BB 1973, 1372; MünchKomm/Westermann Rz 3 f; Staud/Mader Rz 12. 33 Schleswig NJW-RR 2000, 1656; Erman/Grunewald Rz 3; MünchKomm/Westermann Rz 4; Staud/Mader Rz 9; Bamberger/Roth/Faust Rz 3.

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34 Köln NJW-RR 1995, 113 f; vgl auch Pal/Weidenkaff Rz 3; Staud/Mader Rz 9; Bamberger/Roth/Faust Rz 3. 35 KG NJW 1974, 1954; MünchKomm/Westermann Rz 3; Staud/Mader Rz 12; Reichel HansRZ 1921, 732. 36 NJW 1974, 1954. Im Fall des KG waren mehrere Möbelstücke zum Gesamtkaufpreis von 7.500 DM ohne vorherige Besichtigung u Auswahl sowie ohne Angabe der Einzelpreise verkauft worden. Dem Käufer sagten die ihm später vom Verkäufer vorgeschlagenen Möbelstücke bzw die dafür vorgesehenen Einzelpreise nicht zu. Nach Ansicht des KG lag ein konkludenter Kauf auf Probe vor; der Käufer habe die Möbelstücke missbilligt u könne daher nach § 812 Rückzahlung des im Voraus gezahlten Gesamtpreises verlangen. 37 Bamberg NJW 1987, 1644.

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V. Voraussetzungen des Kaufs auf Probe

Titel 1: Kauf (Kauf auf Probe)

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§ 454

3. Entscheidungsfreiheit des Käufers – freies Belieben. Die Billigung oder Missbilligung steht beim 13 Kauf auf Probe grundsätzlich „im Belieben des Käufers“, Abs 1 Satz 1. Die Billigung hängt nicht von der Vornahme einer tatsächlichen Prüfung oder Besichtigung ab38. Die Angabe von Gründen ist ebenfalls nicht erforderlich. Der Käufer kann die Billigung grundsätzlich auch dann versagen, wenn die Sache völlig mangelfrei ist und einem übergebenen Muster entspricht39. Das Versagen der Billigung ohne zureichenden Grund ist grundsätzlich auch nicht treuwidrig40. Der Kauf auf Probe ist eben bei Fehlen einer abweichenden Vereinbarung ein „Kauf auf Belieben“41. Die Entscheidungsfreiheit nach Maßgabe des Abs 1 Satz 1 besteht auch dann, wenn der Kauf entgegen Abs 1 Satz 2 nicht von der aufschiebenden Bedingung der Billigung, sondern von der auflösenden Bedingung der Missbilligung oder Rückgabe abhängig gemacht wird. Entsprechendes gilt bei Einräumung eines Rücktrittsrechts für den Fall der Missbilligung42. 4. Einschränkung des freien Beliebens. – a) „Erprobungskauf“/„Prüfungskauf“. Im Rahmen der 14 Vertragsfreiheit kann das freie Belieben des Käufers beim Kauf auf Probe durch Festlegung objektiver Kriterien (zB Eignung für einen bestimmten Zweck) eingeschränkt werden. Der Käufer ist dann bei Vorliegen dieser Kriterien zur Billigung verpflichtet43. Möglich ist auch, dass nach der Vereinbarung der Parteien die aufschiebende Bedingung schon unmittelbar mit Vorliegen der festgelegten Kriterien44 oder deren Feststellung durch ein Schiedsgericht45 eintreten soll. Die für diese von der gesetzlichen Regelung des § 454 abweichenden Gestaltungen zum Teil verwendeten Begriffe „Erprobungskauf“ oder „Prüfungskauf“46 sind zwar einerseits nicht falsch, sie führen aber bei der Lösung von Einzelproblemen nicht weiter, sondern eher zu Missverständnissen. Denn allein die Verwendung dieser Begriffe beantwortet nicht die Frage, inwieweit die §§ 454, 455 trotz Einschränkung des freien Beliebens anwendbar sind. Hier kann ohne weiteres von einem Kauf auf Probe gesprochen werden, bei dem das freie Belieben im Sinne des § 454 Abs 1 Satz 1 eingeschränkt ist. b) Einzelfälle – insbesondere Ankaufsuntersuchung. Wird beim Kauf von Tieren – insbesondere 15 beim Kauf von Pferden – eine Ankaufsuntersuchung vereinbart und der Kaufvertrag weder durch Übergabe des Tieres noch durch Zahlung des Kaufpreises vollzogen, so liegt ein Kauf auf Probe vor, bei dem das freie Belieben des Käufers im Sinne des § 454 Abs 1 bezüglich der Billigung eingeschränkt ist47. Gibt das ärztliche Untersuchungsergebnis zu Zweifeln an der Eignung des Tieres Anlass, so kann der Käufer die Billigung ablehnen48. Das gilt auch dann, wenn anschließend ein vom Verkäufer beauftragter Tierarzt eine uneingeschränkte Tauglichkeit feststellt49. Auf einen Streit über die Tauglichkeit des Tieres muss sich der Käufer beim Kauf auf Probe nicht einlassen. Da beim Kauf auf Probe die Billigung grundsätzlich im freien Belieben des Käufers steht, kann bei Fehlen einer besonderen Vereinbarung der Käufer den Tierarzt auswählen und beauftragen50. Stellt der Tierarzt keine Mängel fest, so ist der Käufer nach Treu und Glauben zur Billigung verpflichtet. Unterlässt der Käufer in einem solchen Fall die Billigung, so gilt die aufschiebende Bedingung gem § 162 Abs 1 als eingetreten51. Die für den Tierkauf mit Ankaufsuntersuchung dargelegten Grundsätze gelten entsprechend, wenn eine Sache unter dem Vorbehalt einer Prüfung durch einen Sachverständigen (zB Verkauf eines PKW unter Vorbehalt einer Begutachtung durch Vertragswerkstatt oder TÜV-Ingenieur) verkauft wird. VI. Abgrenzung zu anderen Vertragstypen 1. Kauf nach Probe. Ein Kauf auf Probe im Sinne des § 454 ist zu unterscheiden von einem Kauf 16 nach Probe oder nach Besichtigung in dem Sinne, dass erst nach der Erprobung oder Besichtigung der Kaufvertrag unbedingt abgeschlossen wird und der Verkäufer für die bei der Probe oder Besichtigung ohne Weiteres erkennbaren Mängel nicht haften soll52. Vgl zum Kauf nach Probe im Sinne des § 494 aF Soergel/12/U Huber § 494 Rz 1 ff.

38 RGZ 104, 275, 276; Breslau Recht 1903 Nr 2915. 39 RGZ 137, 297, 298: „völlig in ihrem freien Belieben“ (auf Probe verkauft worden war Apfelwein); MünchKomm/Westermann Rz 4; Staud/Mader Rz 24. 40 RGZ 137, 297, 298; Staud/Mader Rz 25. 41 Vgl Larenz, SchuldR II/1, § 44 I, S 143; Staud/Mader Rz 24. 42 Vgl oben Rz 6. 43 Vgl Köln NJW-RR 1995, 113, 114 (Ankaufsuntersuchung beim Pferdekauf). 44 Vgl dazu BGH WM 1970, 877, 878 (Kauf unter der auflösenden Bedingung der Nichteignung der Maschinen zur Verwendung für Verschäumungsarbeiten an einer Pipeline).

45 Hamburg OLGE 36, 111 (Feststellung der Mangelfreiheit durch Schiedsgericht; im Ergebnis lehnte das OLG einen Kauf auf Besicht ab). 46 Vgl dazu Staud/Mader Rz 26; Bamberger/Roth/ Faust Rz 3. 47 Köln NJW-RR 1995, 113, 114. 48 Köln NJW-RR 1995, 113, 114. Im Fall des OLG Köln sollte die Tauglichkeit als Reit- u Dressurpferd festgestellt werden. 49 Köln NJW-RR 1995, 113, 114. 50 In der Tendenz auch Köln NJW-RR 1995, 113, 114. 51 Köln NJW-RR 1995, 113, 114. 52 RG JW 1906, 549 f („wie besehen“); vgl dazu MünchKomm/Westermann Rz 3 vor § 454. 53 RGZ 104, 275, 276 f; vgl dazu Staud/Mader Rz 7.

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2. Weitere Vertragsarten – insbesondere festes Angebot, Konditionskauf und Umtauschberechti- 17 gung. Abzugrenzen ist der Kauf auf Probe oder Besichtigung ferner von einem festen Kaufangebot53,

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vom Konditionskauf (Rückgaberecht des Käufers bezüglich nicht weiterveräußerter Ware) und auch von einem Spezifikationskauf im Sinne des HGB § 37554. Der Kauf mit Umtauschberechtigung55 ist wie der Kauf auf Analysenausfall56 in der Regel kein Kauf auf Probe. Entscheidend sind auch hier die Umstände des Einzelfalls57. Beim Erwerb des Aufführungsrechtes an Filmen hat die Klausel „nach Besicht“ die Wirkung, dass der Erwerber sofort nach Fertigstellung des Films oder Aufforderung zur Festsetzung von Vorspielterminen entscheiden muss, ob er die Filme ansehen will oder nicht. Besichtigt er sie nicht, so gilt der Kauf als unbedingt abgeschlossen58. VII. Pflichten des Verka¨ufers 18

1. Pflicht zur Gestattung der Besichtigung/Probe. Da der Kaufvertrag durch die Billigung des Käufers aufschiebend bedingt ist, besteht bis zu diesem Zeitpunkt weder eine Pflicht des Käufers zur Kaufpreiszahlung (§ 433 Abs 2) noch eine Pflicht des Verkäufers im Sinne des § 433 Abs 1 Satz 1 zur Verschaffung von Besitz und Eigentum59. Ob der Verkäufer dem Käufer die Sache zum Zwecke der Probe übergeben oder sogar liefern muss, hängt von der Vereinbarung im Einzelfall oder der Verkehrssitte ab. Gerade wegen der bis zur Billigung nicht bestehenden Verpflichtung des Verkäufers aus § 433 Abs 1 Satz 1 ordnet § 454 Abs 2 an, dass der Verkäufer dem Käufer die Untersuchung der Ware zu gestatten hat. Nach § 269 Abs 1, Abs 2 ist diese Pflicht grundsätzlich am Wohnsitz oder dem Ort der Niederlassung des Verkäufers zu erfüllen60. Die Untersuchung hat also nach der gesetzlichen Regelung beim Verkäufer zu erfolgen. Aus dem Vertrag oder der Verkehrssitte kann sich allerdings ergeben, dass der Verkäufer dem Käufer die Ware zum Zweck der Untersuchung oder Erprobung zu übergeben hat61. Insoweit gelten beim Kauf auf Probe im Prinzip dieselben Regeln wie beim gewöhnlichen Kauf.

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2. Verletzung der Überlassungspflicht – Verzug. Kommt der Verkäufer mit seiner Verpflichtung, dem Käufer die Untersuchung oder Erprobung der Ware durch Übergabe oder Gestattung zu ermöglichen, in Verzug, so greifen die allgemeinen Vorschriften der §§ 280 ff ein62. Stattdessen kann der Käufer gem § 162 auch verlangen, so behandelt zu werden, als sei infolge seiner Billigung die aufschiebende Bedingung gem § 454 Abs 1 Satz 2 eingetreten63. Der Verkäufer muss dem Käufer gem § 433 Abs 1 Besitz und Eigentum verschaffen. Da die Billigung grundsätzlich im freien Belieben des Käufers steht, kann er die Billigung auch ohne vorherige Besichtigung oder Probe aussprechen64. Der Verkäufer kann bei Verletzung seiner Überlassungspflicht gegenüber einem Anspruch aus § 433 Abs 1 und einem darauf beruhenden Schadensersatzanspruch des Käufers statt der Leistung (§§ 280 Abs 1, Abs 3, 281 Abs 1) grundsätzlich nicht geltend machen, dass der Käufer die Ware im Falle der Überlassung zur Probe wegen Mangelhaftigkeit nicht gebilligt hätte65. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Ware in einem völlig unbrauchbaren Zustand ist, so dass eine Billigung des Käufers als ausgeschlossen angesehen werden konnte66. Die für den Verzug (§§ 281 Abs 2, 286) des Verkäufers mit der Überlassungsverpflichtung dargelegten Grundsätze gelten auch für die Erfüllungsverweigerung des Verkäufers67. Da der Verkäufer aufgrund der im Kaufvertrag unter aufschiebender Bedingung übernommenen Leistungspflicht bereits ab Vertragsschluss und nicht erst ab Billigung durch den Käufer zur Obhut über die Kaufsache verpflichtet ist, besteht bei einer vom Verkäufer zu vertretenden Zerstörung oder Beschädigung ein Anspruch des Käufers aus §§ 280 Abs 1, Abs 3, 283 bzw aus positiver Vertragsverletzung (§ 280 Abs 1) auf Ersatz des Schadens, den er dadurch erlitten hat, dass ihm die Sache nicht bzw nicht unversehrt zur Untersuchung oder Erprobung überlassen worden ist. VIII. Haftung des Ka¨ufers 1. Gefahrtragung. Die Gefahr des zufälligen Untergangs der auf Probe gekauften Sache geht erst mit der Billigung und nicht schon mit der Übergabe auf den Käufer über68. Dies folgt daraus, dass die Billigung und damit das Zustandekommen des Kaufs im freien Belieben des Käufers steht69. Daher kann der zufällige Untergang der Kaufsache beim Kauf auf Probe nicht zu einer Bindung des Käufers 54 55 56 57 58 59 60 61 62

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Vgl dazu KG NJW 1974, 1954. Vgl § 456 Rz 19, 20. Hamburg HansGZ 1923 H 209 f. Vgl zB wegen der Umtauschfrist beim Kauf eines Kraftwagens BGH BB 1963, 1237. Hamburg HansRGZ 1929 B 141 f. RGZ 94, 285, 287 besagt nichts Gegenteiliges. Staud/Mader Rz 15; Bamberger/Roth/Faust Rz 7. BGHZ 119, 35, 39; Hamm BB 1995, 1925; Schleswig NJW-RR 2000, 1656; Köln NJW-RR 1996, 499, 500; AG Delmenhorst NJW-RR 1994, 823. Hamburg OLGE 20, 183; Hamm BB 1995, 1925, 1926; vgl Pal/Weidenkaff Rz 11; Erman/Grunewald

63 64 65 66 67 68 69

Rz 6; MünchKomm/Westermann Rz 6; Staud/Mader Rz 18. RGZ 93, 254, 255: Gattungskauf; vgl Erman/Grunewald Rz 6; Staud/Mader Rz 18. Vgl Rz 13. RGZ 94, 285, 287 = JW 1919, 377 (mAnm Plum); Pal/Weidenkaff Rz 11; Bamberger/Roth/Faust Rz 7. Plum JW 1919, 377. Hamm BB 1995, 1925, 1926. Motive II S 334; BGH NJW 1975, 776, 777 f; Pal/ Weidenkaff Rz 11; Erman/Grunewald Rz 7; Münch Komm/Westermann Rz 7; Staud/Mader Rz 21. Vgl Rz 13.

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an den Kaufvertrag führen70. Bei Vereinbarung eines Rücktrittsvorbehalts kann sich aber uU gem § 346 Abs 2, Abs 3 eine Wertersatzverpflichtung des rücktrittsberechtigten Käufers auch bei zufälligen Verschlechterungen/Zerstörungen ergeben71. 2. Obhutspflicht des Käufers – zu vertretende Beschädigung. Bis zum Eintritt der aufschiebenden 21 Bedingung durch Billigung besteht zwar noch kein wirksamer Kaufvertrag mit den Pflichten aus § 433, gleichwohl besteht ab Vereinbarung eines Kaufs auf Probe ein Vertragsverhältnis mit Rechten und Pflichten auch für den Käufer72. So wie der Käufer aus diesem Vertrag die Gestattung der Probe oder darüber hinaus die Übergabe der Sache zu diesem Zwecke vom Verkäufer fordern kann, so ist er ihm gegenüber zum sorgfältigen Umgang mit der Sache73 und im Falle der Nichtbilligung zur Rückgabe verpflichtet74. Bei Verletzung dieser Obhutspflicht haftet der Käufer wegen positiver Vertragsverletzung aus § 280 Abs 175 und nicht wegen eines vorvertraglichen Verschuldens aus culpa in contrahendo (§§ 280 Abs 1, 241 Abs 2, 311 Abs 2 Nr 1)76. Der BGH77 musste sich in dem von ihm entschiedenen Fall in Bezug auf die konkrete Anspruchsgrundlage nicht festlegen, weil der Anspruch ohnehin verjährt war78. Für Verschulden von Dritten, denen der Käufer die Sache überlassen oder die Benutzung gestattet hat, haftet er gem § 278. Neben dem Anspruch aus § 280 Abs 1 besteht im Falle der Beschädigung/Zerstörung auch ein Anspruch aus § 823 Abs 1. 3. Verjährung von Schadensersatzansprüchen des Verkäufers. Sowohl der Anspruch des Verkäufers 22 aus § 280 Abs 1 (positive Vertragsverletzung)79 als auch der Anspruch aus § 823 Abs 1 wegen Beschädigung/Zerstörung der Sache unterliegen nicht der dreijährigen Regelverjährung des § 195, sondern analog §§ 548, 606, 1057 einer kurzen sechsmonatigen Verjährung80. Der Rechtfertigungsgrund für diese Analogie besteht darin, dass zum einen die Überlassung bis zur Billigung unentgeltlich erfolgt und zum anderen eine rasche Feststellung und Abwicklung von Schadensersatzansprüchen deshalb geboten ist, weil die Sache innerhalb eines kurzen Zeitraums in der Obhut verschiedener Personen stehen kann und deshalb – wie insbesondere bei Beendigung eines Mietverhältnisses mit Neuvermietung – die Schadensfeststellung mit fortschreitendem Zeitablauf schwieriger wird81. Sieht man entgegen der hier vertretenen Auffassung82 eine culpa in contrahendo als Anspruchsgrundlage an, so gilt für die Frage der Verjährung Entsprechendes83. 4. Die Rückgabepflicht des Käufers – Leistungsort. Wurde dem Käufer die Sache zum Zwecke der 23 Probe vom Verkäufer übergeben, so muss er sie im Falle der Missbilligung zurückgeben. Rechtsgrund für diese Rückgabepflicht ist die vertragliche Vereinbarung über den Kauf auf Probe und nicht § 81284. Fehlt eine besondere Vereinbarung über den Rückgabeort, so ergibt sich in der Regel aus den Umständen (§ 269 Abs 1), dass sie dort zurückzugeben ist, wo der Käufer sie vom Verkäufer erhalten hat. Wurde dem Käufer die Sache vom Verkäufer zugesandt, so muss der Käufer sie im Falle der Missbilligung im Zweifel auf eigene Kosten an den Verkäufer zurücksenden85. Hat der Verkäufer die Sache beim Käufer angeliefert, so muss der Verkäufer im Fall der Missbilligung für die Abholung beim Käufer sorgen. Der Käufer muss die Sache nur bereitstellen. Eine Rücksendung kann hier bei Fehlen einer besonderen Vereinbarung vom Käufer nur bei Kostenübernahme durch den Verkäufer verlangt werden. Für die Verjährung des Rückgabeanspruchs gelten die allgemeinen Vorschriften (§§ 195, 197, 199), es sei denn, die Nichtrückgabe beruht auf einer Zerstörung der Sache, so dass anstelle der Rückgabepflicht ein Schadensersatzanspruch mit kurzer Verjährung besteht86. IX. Anspruch des Verka¨ufers auf Nutzungsentscha¨digung

70 Vgl BGH NJW 1975, 776, 777 f. 71 Pal/Heinrichs § 346 Rz 9; Erman/Bezzenberger § 346 Rz 1; MünchKomm/Gaier § 346 Rz 35; Bamberger/ Roth/Grothe § 346 Rz 37. 72 Vgl Rz 18, 19. 73 BGHZ 119, 35, 39 f. Im Fall des BGH wurde ein Gabelstapler dem Käufer „zum Probeeinsatz für ca 1 Woche“ übergeben. Beim Einsatz auf dem Betriebsgelände des Käufers wurde ein etwa 30 cm aus dem Boden ragendes Fundament übersehen, so dass der Gabelstapler umkippte u stark beschädigt wurde. 74 Vgl zum Ort der Rückgabe Rz 23. 75 RGZ 104, 275, 278 (für Pflichtverletzung des Verkäufers); offengelassen in BGHZ 119, 35, 37 ff; ebenso Pal/Weidenkaff Rz 13; Erman/Grunewald Rz 7; Staud/Mader Rz 17: § 280 Abs 1, allerdings ohne Festlegung, ob positive Vertragsverletzung oder culpa in contrahendo.

76 So aber Larenz, SchuldR II/1, § 44 I, S 144 f. 77 BGHZ 119, 35, 37 ff. 78 Vgl zur Verjährung des Schadensersatzanspruchs Rz 22. 79 Vgl dazu Rz 21. 80 BGHZ 119, 35, 38 ff. 81 BGHZ 119, 35, 40; zust Erman/Grunewald Rz 7; Staud/Mader Rz 17. 82 Vgl Rz 21. 83 BGHZ 119, 35, 38 ff. 84 Erman/Grunewald Rz 7; MünchKomm/Westermann Rz 10; aA Bamberger/Roth/Faust Rz 9; Anw Komm/Büdenbender §§ 454, 455 Rz 10: Rückgewähranspruch sowohl aus Vertrag als auch aus § 812. 85 MünchKomm/Westermann Rz 10; Staud/Mader Rz 32. 86 Vgl Rz 21, 22.

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1. Keine Entschädigung für Nutzung während der Probezeit. Es gehört beim Kauf auf Probe 24 grundsätzlich zum Risiko des Verkäufers, dass der Käufer die Sache nach der Probefrist zurückgibt

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und für die Dauer der Probe/Nutzung kein Entgelt zahlen muss87. Die mit einer vorübergehenden Nutzung durch den Käufer einhergehenden Wertminderungen beruhen auf dem Wesen des Kaufs auf Probe und sind daher im Falle der Missbilligung durch den Käufer vom Verkäufer zu tragen, sofern eine Nutzungsentschädigung nicht besonders vereinbart wurde. Dies gilt auch dann, wenn der Käufer die Sache – zB beim „Kauf auf Feldprobe“ – extensiv nutzt, um die Verwendungsfähigkeit und Belastbarkeit zu testen88. Es ist hier Sache des Verkäufers, für den Fall der Missbilligung eine Nutzungsentschädigung zu vereinbaren89. Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie im Fall des OLG Schleswig90 – der Umfang der Nutzung anhand eines Zählinstruments für Stücke, Kilometer, Betriebsstunden oder sonstige Messeinheiten festgestellt werden kann. Im Übrigen kann der Verkäufer die Probefrist kurz bemessen, um entschädigungslose Nutzungen zu verhindern. 25

Täuscht der Käufer allerdings beim Kauf auf Probe ein Kaufinteresse vor, um die Sache in Wirklichkeit kostenfrei „auszuleihen“, so schuldet er im Rahmen der ihn dann treffenden Schadensersatzhaftung aus culpa in contrahendo eine verkehrsübliche Nutzungsentschädigung. Ein solcher Anspruch besteht auch dann, wenn der Käufer von vornherein erkennen musste, dass er zum Ankauf wirtschaftlich oder aus sonstigen Gründen nicht in der Lage ist. Nutzt der Käufer die Sache nach Missbilligung weiter, so haftet er als bösgläubiger Bereicherungsschuldner auf Herausgabe von Nutzungen sowie aus § 280 Abs 1 auf Schadensersatz. Denn ab Missbilligung fehlt der Rechtsgrund für die weitere Nutzung auf Probe. Eine konkludente Rücknahme einer ausdrücklichen Missbilligung ist in der Weiternutzung aber in der Regel nicht zu sehen91. Die Weiterbenutzung begründet allerdings, wie schon gesagt, eine Bereicherungs- und Schadensersatzhaftung92.

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2. Nutzungsentschädigung bei Rücktrittsvorbehalt. Anders als beim Kauf auf Probe im technischen Sinn mit Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung (§ 454 Abs 1 Satz 2)93 besteht beim Kaufvertrag mit Rücktrittsvorbehalt eine Verpflichtung des Käufers zur Nutzungsvergütung. Hier ist der Käufer gem § 346 Abs 1, Abs 2 Nr 1 verpflichtet, gezogene Nutzungen herauszugeben bzw, soweit deren Herausgabe ausgeschlossen ist, eine Nutzungsentschädigung zu zahlen94. Im Zweifel liegt allerdings kein Rücktrittsvorbehalt, sondern eine aufschiebende Bedingung vor95. X. Die Billigung 1. Billigungserklärung. Die Billigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung96. Der auf Eintritt der aufschiebenden Bedingung gerichtete Wille des Käufers muss dem Verkäufer gegenüber zweifelsfrei zum Ausdruck kommen. Die Billigung kann selbstverständlich auch durch eine schlüssige Handlung erfolgen (§ 151)97. Die Regelung des § 455 Satz 2 – Billigung durch Schweigen bei Ablauf einer Billigungsfrist – stellt einen Sonderfall dar98. Die Billigung ist auch dann wirksam, wenn der Käufer weder eine Besichtigung noch eine Probe durchgeführt hat99. Auch bei formbedürftigen Verträgen kann die Billigung formfrei erklärt werden100. Die Zwecke einer Formvorschrift werden dadurch gewahrt, dass der Vertrag über den Kauf auf Probe formgültig abgeschlossen werden muss. Beim Kauf eines Grundstücks auf Probe ist damit der Abschluss des Kaufvertrags, nicht aber die Billigungserklärung des Käufers gem § 311b Abs 1 Satz 1 formbedürftig. Insoweit besteht kein Unterschied zum Wiederkauf (vgl § 456 Abs 1 Satz 2) und zum Vorkauf (vgl § 464 Abs 1 Satz 2). Darüber hinaus folgt die Formfreiheit der Billigungserklärung des Käufers auch aus § 455 Satz 2, wonach die Billigung bei Bestehen einer Billigungsfrist auch durch Schweigen erfolgen kann101.

87 BGH NJW 1990, 450, 451; Celle BB 1960, 306; Schleswig NJW-RR 2000, 1656; Pal/Weidenkaff Rz 12; Erman/Grunewald Rz 7; MünchKomm/Westermann Rz 7; Staud/Mader Rz 17. 88 Schleswig NJW-RR 2000, 1656. Im Fall des OLG Schleswig hatte der Käufer mit der auf „Feldprobe“ überlassenen Grünfutter- u Strohpresse bis zur Missbilligung 3831 Großballen gepresst. 89 Im Fall des OLG Celle (BB 1960, 306) war ein Mähdrescher auf Probe gekauft u nach dem Probeeinsatz auf den Feldern des Käufers von diesem nicht gebilligt worden. Das OLG wies die Klage auf Nutzungsentschädigung ab u verwies dabei auch auf eine Stellungnahme der Landwirtschaftskammer, wonach die Verkäufer von Landmaschinen beim Verkauf auf Feldprobe für den Fall der Nichtabnahme der Maschine gewöhnlich eine Abnutzungsgebühr verlangen. 90 NJW-RR 2000, 1656.

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91 Vgl Frankfurt/M ZHR 38 (1891), 199 (Nr 194); MünchKomm/Westermann Rz 10; Staud/Mader Rz 32. 92 Frankfurt/M ZHR 38 (1891), 199 (Nr 194). 93 Vgl dazu Rz 24, 25. 94 AA Soergel12/U Huber § 495 aF Rz 12 zur Rechtslage nach altem Schuldrecht. 95 Vgl Rz 1. 96 RGZ 137, 297, 300; Hamburg SeuffA 72 Nr 156; Pal/Weidenkaff Rz 9; Erman/Grunewald Rz 5; Staud/Mader Rz 23; Bamberger/Roth/Faust Rz 8; aA MünchKomm/Westermann Rz 8 (keine „vollgültige Willenserklärung“). 97 RGZ 137, 297, 300. 98 Vgl dazu § 455 Rz 6, 7. 99 RGZ 94, 285, 287. 100 Erman/Grunewald Rz 5; Staud/Mader Rz 23; Bamberger/Roth/Faust Rz 8; Flume, AllgTeil II, § 38, 2 d, S 687; Larenz/Wolf, AllgTeil, § 50 Rz 18; aA Medicus, AllgTeil, Rz 831. 101 Vgl zur Billigung durch Schweigen § 455 Rz 6, 7.

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§§ 454, 455

Titel 1: Kauf (Kauf auf Probe)

2. Auswirkung der Billigung auf Gewährleistungsansprüche. Inwieweit durch eine Billigung et- 28 waige Gewährleistungsansprüche des Käufers ausgeschlossen werden, bestimmt sich nach § 442. Da erst der Eintritt der aufschiebenden Bedingung durch Billigung des Käufers der für die Wirksamkeit des Kaufvertrages entscheidende Zeitpunkt ist, entfallen Gewährleistungsansprüche wegen Mängel, von denen der Käufer bis zur Billigung Kenntnis erlangt (§ 442 Abs 1 Satz 1)102. Der Zeitpunkt der Vereinbarung über den Kauf auf Probe ist hierfür nicht maßgebend103. Ist dem Käufer zum Zeitpunkt der Billigung ein Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen, so entfallen Gewährleistungsansprüche nach § 442 Abs 1 Satz 2, sofern nicht der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit übernommen hat104. Die Verjährung der Gewährleistungsansprüche beginnt nicht mit der Überlassung der Sache zur Probe, sondern erst mit der Billigung, dh mit Zugang der entsprechenden Erklärung des Käufers beim Verkäufer105. Denn erst zu diesem Zeitpunkt entstehen die Gewährleistungsrechte. Der Verjährungsbeginn setzt grundsätzlich die Entstehung des jeweiligen Gewährleistungsanspruchs voraus106. Im Falle der Billigung durch Schweigen beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf der Billigungsfrist im Sinne des § 455. XI. Beweislast In Bezug auf die Beweislast gelten die allgemeinen Regeln, nach denen jede Partei die Tatsachen der 29 für sie günstigen Norm beweisen muss107. So trägt beim Kauf auf Probe der Käufer, der einen Anspruch auf Überlassung der Sache zum Zwecke der Durchführung einer Probe geltend macht, die Beweislast dafür, dass eine dahingehende Vereinbarung getroffen wurde. Verlangt dagegen der Verkäufer gem § 433 Abs 2 die Zahlung des Kaufpreises, so muss er das Vorliegen eines wirksamen Kaufvertrags und damit beim Kauf auf Probe den Eintritt der Bedingung durch Billigungserklärung des Käufers beweisen108. Die Billigung ist insoweit für den Verkäufer ein günstiger Tatbestand. Es gilt hier die Beweislastregel, die allgemein bei Verträgen mit aufschiebenden Bedingungen eingreift109. Anders ist die Beweislastverteilung, wenn der Käufer die Übereignung nach § 433 Abs 1 Satz 1 verlangt. Hier ist der Eintritt der Bedingung durch Billigung ein für den Käufer günstiger Tatbestand, den er beweisen muss.

§ 455 Billigungsfrist Die Billigung eines auf Probe oder auf Besichtigung gekauften Gegenstandes kann nur innerhalb der vereinbarten Frist und in Ermangelung einer solchen nur bis zum Ablauf einer dem Käufer von dem Verkäufer bestimmten angemessenen Frist erklärt werden. War die Sache dem Käufer zum Zwecke der Probe oder der Besichtigung übergeben, so gilt sein Schweigen als Billigung. ¨ BERSICHT U I. Inhalt und Zweck – Unterschied zwischen Billigungsfrist und Probefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 2

2. Übergabe iSd § 455 Satz 2 . . . . . . . 7 3. Konkludente Billigung bei fehlender Billigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

II. Ausdrückliche und konkludente Vereinbarung einer Billigungsfrist – Abgrenzung zur Probefrist . . . . . . . 3, 4

V. Wahrung der Frist durch Käufer . . . 9, 10 1. Zugang und Fristverlängerung . . . . 9 2. Unangemessen kurze Frist. . . . . . . . 10

III. Billigung bei nicht übergebener Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

VI. Analoge Anwendung des § 455 bei auflösender Bedingung oder Rücktrittsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

IV. Billigung bei übergebener Sache . . . 6–8 1. Billigung durch Schweigen . . . . . . . 6

102 Vgl RGZ 94, 285, 287. Im Fall des RG waren 500 Kisten norwegische Sardinen, teils in Öl, teils in Bouillon, Marke „Walroß“, auf Besicht verkauft worden. 103 Vgl RGZ 94, 285, 287. 104 Vgl RGZ 94, 285, 287; RG JW 1912, 858; MünchKomm/Westermann Rz 9. 105 Pal/Weidenkaff § 438 Rz 13; MünchKomm/Westermann Rz 9; Bamberger/Roth/Faust Rz 8. 106 BGH NJW 1999, 2884, 2886; Pal/Weidenkaff § 438 Rz 13.

107 Vgl Pal/Weidenkaff Rz 2; Erman/Grunewald Rz 8; MünchKomm/Westermann Rz 8; Staud/Mader Rz 28; Bamberger/Roth/Faust Rz 10. 108 ROHG 4, 127, 129 f; 12, 201; 202; Bamberg NJW 1987, 1644; Frankfurt/M OLGR 1994, 253; AG Delmenhorst NJW-RR 1994, 823 f. 109 BGH NJW 1985, 497; NJW 2002, 2862, 2863; vgl Pal/Heinrichs Rz 14 vor § 158; Soergel/Wolf Rz 40 f vor § 158; MünchKomm/Westermann § 158 Rz 49; Baumgärtel/Laumen/Prütting/Laumen, Beweislast, 20073, § 158 Rz 4 ff.

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VII. Beweislast für Billigung . . . . . . . . . 12

§ 455

Abschnitt 8: Einzelne Schuldverha¨ltnisse

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I. Inhalt und Zweck – Unterschied zwischen Billigungsfrist und Probefrist 1

Grundlegend für das Verständnis der praktisch bedeutsamen Vorschrift ist die Unterscheidung zwischen Billigungsfrist und Probefrist (Gebrauchsfrist). § 455 regelt nur die Billigungsfrist, also die Frist, innerhalb derer vom Käufer eine endgültige Kaufentscheidung mitgeteilt werden muss. Daher lautet die Überschrift zu § 455 auch „Billigungsfrist“ und nicht „Probefrist“. Beide Fristen können zwar identisch sein, bei Fehlen einer ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarung ist aber nicht anzunehmen, dass mit der Probefrist zugleich auch die Billigungsfrist endet1. Die Formulierung „eine Woche zur Probe“ stellt im Zweifel keine Billigungsfrist (Deliberationsfrist) dar2.

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Der Zweck des Satzes 1 besteht darin, die Dauer der Bindung des Verkäufers an den Kauf auf Probe nicht dem freien Belieben des Käufers zu überlassen3. Die Entscheidungsfreiheit des Käufers soll in zeitlicher Hinsicht begrenzt werden. Wenn nicht bereits die Vereinbarung über den Kauf auf Probe neben der Probefrist eine Billigungsfrist enthält, kann der Verkäufer dem Käufer eine angemessene Frist für die Erklärung der Billigung setzen4. Hinsichtlich der Rechtsfolgen des Verstreichens der Billigungsfrist ohne Zugang einer Erklärung des Käufers unterscheidet das Gesetz danach, ob die Sache sich (noch) beim Verkäufer befindet5 oder ob sie dem Käufer bereits übergeben worden ist6.

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Unproblematisch sind Verträge über einen Kauf auf Probe, die neben einer Probefrist zugleich einen Zeitpunkt festlegen, bis zu dem die Billigung erfolgen muss. Es wird hier neben der Probefrist eine Erklärungsfrist (Billigungsfrist) gesondert vereinbart. Selbstverständlich kann die Billigungsfrist mit der Probefrist übereinstimmen. Dies ist der Fall, wenn nach der Parteivereinbarung die Erklärung des Käufers spätestens mit Ablauf der Probefrist erfolgen muss. Der Käufer kann also hier die Probefrist nicht bis zur „letzten Minute“ für die Probe nutzen, weil die Mitteilung noch innerhalb dieser wirksam werden, dh dem Verkäufer auch zugehen muss7. Die Probefrist ist daher hier in Wirklichkeit kürzer als die zugleich vereinbarte Billigungsfrist. Der Vertrag kann vorsehen, dass die Billigung innerhalb einer bestimmten Frist nach Ablauf der Probefrist erfolgen muss. Die Billigung kann in diesem Fall auch schon während der Probefrist erfolgen.

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Problematisch ist der Fall, in dem die Parteien nur eine Probefrist vereinbart haben und für die Billigung keine besondere Frist vorgesehen ist. Hier stellt die Bestimmung einer Probefrist (Gebrauchsfrist) grundsätzlich keine konkludente Vereinbarung einer Billigungsfrist dar. Die Billigung muss also nicht bis zum Ablauf der Probefrist erfolgen8. Der Käufer kann die volle Frist für die Probe verwenden. So stellt beim Kauf einer Maschine die Vereinbarung „auf acht Wochen zur Probe“ keine Vereinbarung einer Billigungsfrist dar9. Die Frist für die Mitteilung der Billigung muss vielmehr grundsätzlich neben der Probefrist besonders vereinbart oder vom Verkäufer gesetzt werden10. Auch die Annahme einer konkludent vereinbarten angemessenen Billigungsfrist – zB eines angemessenen Zeitraums nach Ablauf der Probefrist – ist in der Regel nicht möglich. Dies liefe auf eine reine Fiktion hinaus, die mit der Funktion der Billigungsfrist nicht vereinbar wäre. Denn die Rechtsfolgen des Satzes 1 (Ausschluss der Billigung mit Fristablauf) und des Satzes 2 (Billigung durch Schweigen) sind nur gerechtfertigt, wenn der Käufer eindeutig erkennen kann, dass nicht nur für die Probe, sondern auch für die Billigung und damit für das endgültige Wirksamwerden des Kaufvertrags eine Ausschlussfrist läuft. Aus den Umständen des Einzelfalls und insbesondere aus einem Handelsbrauch kann sich aber ergeben, dass die Probefrist zugleich auch als Billigungsfrist anzusehen ist11. Durch die strikte Trennung zwischen Probefrist und Billigungsfrist werden die Interessen des Verkäufers letztlich deshalb nicht beeinträchtigt, weil er sich bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung unschwer durch Setzen einer angemessenen Billigungsfrist Klarheit verschaffen kann.

1 Vgl Rz 4. 2 Vgl Rz 4. 3 Motive II S 335; MünchKomm/Westermann Rz 1; Staud/Mader Rz 1; Bamberger/Roth/Faust Rz 1. 4 Motive II S 335; Erman/Grunewald Rz 2; Münch Komm/Westermann Rz 1; Staud/Mader Rz 1; Bamberger/Roth/Faust Rz 1. 5 Vgl Rz 5. 6 Vgl Rz 6–8. 7 Vgl dazu Rz 9. 8 München Recht 1901 Nr 886; Hamburg Recht 1908 Nr 3776; MünchKomm/Westermann Rz 1; vgl auch Erman/Grunewald Rz 2; Staud/Mader Rz 4. 9 Hamburg Recht 1908 Nr 3776. Ebenso München Recht 1901 Nr 886 („8 Tage lang zur Probe“ beim

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Kauf einer Schreibmaschine keine Überlegungs-, sondern Gebrauchsfrist). 10 Köln NJW-RR 1996, 499, 500. Im Fall des OLG Köln wurde nach Beweisaufnahme angenommen, dass die Billigung des auf Probe gekauften Testkoffers aufgrund einer mündlichen Vereinbarung innerhalb der Probefrist erfolgen musste. Die Billigungsfrist stimmt hier also mit der Probefrist überein. 11 Hamburg SeuffA 72 Nr 156: „Verkauf auf morgige Besicht“. Nach Ansicht des OLG lief auch die Billigungsfrist am folgenden Tage ab, weil der Begriff „auf Besicht“ in dieser Hinsicht ein feststehender Ausdruck des Geschäfts- u Rechtslebens sei.

Wertenbruch

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II. Ausdru¨ckliche und konkludente Vereinbarung einer Billigungsfrist – Abgrenzung zur Probefrist