Arbeitsgemeinschaft (AG) BGB Allgemeiner Teil AG BGB-AT VI

Daniela Pfau Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Raum: 2013 [email protected]

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Fall 1: Schadensrecht, Deliktsrecht Rentner R beauftragt den Maler M sein Haus neu zu streichen. M kommt am nächsten Tag mit seinem Lehrling L und fängt an das Gerüst aufzubauen. Als L nicht aufpasst und stolpert, stößt er einen Farbeimer auf den unter dem Gerüst parkenden Pkw des R. An diesem entsteht ein Schaden an der Windschutzscheibe in Höhe von 1000 €.

Kann R von M den Schaden ersetzt verlangen?

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Schadensrecht, Deliktsrecht

A. Vertragliche Ansprüche Anspruch R gegen M auf Zahlung von 1000 € gem. §§280 I, 241 II BGB §280 I BGB ist immer Ausgangspunkt der Überlegungen, • wenn vertraglicher Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung im Raum steht. • Gilt für alle Verträge. • Immer einschlägig, soweit keine spezielleren Sonderregelungen bestehen. • Voraussetzungen: 1. Wirksames Schuldverhältnis 2. Pflichtverletzung 3. Vertretenmüssen 4. Schaden

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Schadensrecht, Deliktsrecht I. Anspruch entstanden 1. Wirksames Schuldverhältnis Werkvertrag zwischen M und R gem. §631 BGB: geschuldet wird der Erfolg (+) 2. Pflichtverletzung §280 I BGB Hauptpflichtverletzung (jeweiliger Vertrag) Nebenpflichtverletzung (§241 II BGB) Hier: Nebenpflicht zum sorgsamen Umgang mit Gütern des Vertragspartners verletzt  PV i.S.d. §241 II BGB (+) Aber: nicht M hat Pflicht verletzt, sondern Lehrling L Zurechnung des Handelns des L? §278 BGB, Zurechnungsnorm

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Schadensrecht, Deliktsrecht • •

gesetzl. Vertreter (-) Erfüllungsgehilfe = wer mit Wissen und Wollen im Pflichtenkreis des Geschäftsherrn tätig wird hier: L (+) als Angestellter des M dessen Erfüllungsgehilfe

3. Vertretenmüssen, §280 I 2 BGB Wird grundsätzlich vermutet Bei §278 BGB wird Vertretenmüssen des L dem M zugerechnet Hier: L passt nicht auf und stolpert = Fahrlässigkeit (+) 4. Schaden Naturalrestitution (§249 I BGB) bzw. Schadensersatz in Geld (§249 II BGB)

II. Ergebnis R hat gegen M einen Anspruch nach §§280 I, 241 II BGB auf Zahlung von 1000 €. 5

Schadensrecht, Deliktsrecht B. Vertragsähnliche und Dingliche Ansprüche (-)

C. Deliktische Ansprüche? I. Anspruch R gegen M auf Zahlung von 1000 € gem.§823 I BGB 1. Rechtsgutsverletzung 2. Verletzungshandlung 3. Haftungsbegründende Kausalität 4. Rechtswidrigkeit 5. Verschulden 6. Schaden 7. Haftungsausfüllende Kausalität

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Schadensrecht, Deliktsrecht

1. Rechtsgutsverletzung des M? (-), da L gehandelt hat Bei deliktischen Ansprüchen nur Haftung für eigenes Verschulden §278 BGB nicht anwendbar Grund: Sonderverbindung zwischen Vertragspartnern fehlt im Deliktsrecht 2. Ergebnis Kein Anspruch des R gegen M aus §823 I BGB

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Schadensrecht, Deliktsrecht

II. Anspruch R gegen M auf Zahlung von 1000 € gem.§831 I 1 BGB • • •

Keine Zurechnung fremden Verschuldens Haftung für eigenes Fehlverhalten beim Einsatz von Hilfspersonen Voraussetzungen: 1. Bestellung eines Verrichtungsgehilfen 2. Verrichtungsgehilfe fügt Drittem widerrechtlich Schaden zu 3. Handeln im Rahmen der übertragenen Verrichtung  zwei Vermutungen: Geschäftsherr hat seine Aufsichtspflicht schuldhaft verletzt Ursächlicher Zusammenhang zwischen PV und Schaden

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Schadensrecht, Deliktsrecht 1. Bestellung eines Verrichtungsgehilfen = wer eine bestimmte ihm übertragene Aufgabe weisungsgebunden und in gewisser sozialen Abhängigkeit für einen anderen ausführt. Hier: L als Lehrling (+) 2. Verrichtungsgehilfe muss Drittem widerrechtlich einen Schaden zufügen Rechtswidrige Handlung des L §823 I BGB a) Rechtsgutsverletzung (+) Eigentumsverletzung des R b) Verletzungshandlung (+) Umstoßen des Eimers c) Haftungsbegründende Kausalität (+) d) Rechtswidrigkeit (+) e) Verschulden (+) fahrlässiges Handeln des L f) Schaden (+) g) Haftungsausfüllende Kausalität (+)

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Schadensrecht, Deliktsrecht 3. Handeln im Rahmen der übertragenen Verrichtung (+) 4. Eigenes Verschulden des Geschäftsherrn Wird vermutet, es sei denn Geschäftsherr kann sich gem. §831 I 2 BGB exkulpieren Hier: keine Anhaltspunkte für Exkulpationsmöglichkeit 5. Schaden (+) s.o. 6. Ergebnis R hat gegen M einen Anspruch nach §831 I 1 BGB auf Zahlung von 1000 €.

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Fall 2: Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis A, der in den Urlaub fliegt, leiht dem B seinen Pkw für 10 Tage. B, der knapp bei Kasse ist, trifft am Abend in einer Kneipe den C und bietet ihm den Pkw zu einem günstigen Preis an. C sieht hierin ein gutes Geschäft und willigt ein, obwohl er weiß, dass sich der B ein solches Auto niemals leisten kann. Auf dem Weg nach Hause kommt C in einer rutschigen Kurve aufgrund zu hoher Geschwindigkeit von der Fahrbahn ab. An dem Auto entsteht durch den Unfall ein Schaden von 2000 €. Als A von dem Unfall erfährt, verlangt er von C den Ersatz der Reparaturkosten. Zu Recht?

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Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

I. Vertragliche Ansprüche? Kein Vertragsverhältnis zwischen A und C II. Vertragsähnliche Ansprüche? Keine Geschäftsführung durch C im Interesse des A III. Dingliche Ansprüche • §§987 – 993 BGB begründen ein gesetzliches Schuldverhältnis • Ansprüche sind schuldrechtlicher Natur und regeln das Verhältnis des Eigentümers zum nichtberechtigten Besitzer • Voraussetzung all dieser Ansprüche ist die Vindikationslage bei Tatbestandsverwirklichung: 1. Anspruchsteller ist Eigentümer 2. Anspruchsgegner ist Besitzer 3. Anspruchsgegner hat kein Recht zum Besitz

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Eigentümer-Besitzer-Verhältnis Anspruch A gegen C auf Zahlung von 2000 € gem.§§990 I 1, 989 BGB 1. Vindikationslage a) Anspruchsteller (A) ist Eigentümer • A ursprünglicher Eigentümer • Verlust des Eigentums an B? (-) mangels Übereignung des PKW • Verlust des Eigentums durch Übereignung des B an C? Übereignung in Erfüllung des KV gem. §929 S.1 BGB (1) Einigung §929 S.1 BGB (+) (2) Übergabe (+) tatsächliche Herrschaft bei C auf Veranlassung von B vollständiger Verlust des Besitzes bei B

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Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (3) Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe (+) (4) Eigentümer bzw. Berechtigung B war nicht Eigentümer und nicht berechtigt, den PKW zu veräußern (5) Gutgläubiger Erwerb? §932 I BGB: Gutgläubigkeit bzgl. der Eigentümerstellung des Veräußerers (B)  fehlende Berechtigung ist nicht bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt, vgl. §932 II BGB Hier: Zweifel bei C  Nachprüfung erforderlich  kein Eigentumserwerb des C Zwischenergebnis: A ist nach wie vor Eigentümer des PKW

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Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

b) Anspruchsgegner (C) ist Besitzer C ist unmittelbarer Besitzer (= tatsächliche Herrschaftsmacht) des PKW. c) Anspruchsgegner (C) hat kein Recht zum Besitz (+)

2. Fehlender guter Glaube beim Besitzerwerb, §§ 989, 990 BGB C hatte keinen guten Glauben bzgl. des Besitzrechts des B bei Erwerb des Besitzes. 3. Verschulden, §§ 990 S.1, 989 BGB (+) C hat den Untergang des PKW zu vertreten, da er zu schnell in die Kurve fuhr. 4. Schaden (+) Schaden am PKW i.H.v. 2000 € 5. Ergebnis A hat gegen C einen Anspruch auf Ersatz der 2000 €.

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Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

IV. Deliktrechtliche Ansprüche Anspruch A gegen C auf Zahlung von 2000 € gem. §823 II BGB i.V.m. §3 StVO 1. Anspruch grundsätzlich gegeben (+) 2. Sperrwirkung bei EBV § 993 I HS. 2 BGB  keine Anwendung der §§823 ff. BGB Ausnahme: Nur im Falle des § 992 BGB, wenn Besitzer den Besitz durch Straftat oder verbotene Eigenmacht erlangt hat.

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Fall 3: Geschäftsführung ohne Auftrag A entdeckt, dass bei seinem in den Skiurlaub verreisten Nachbarn N ein umgestürzter Baum die Fensterscheibe an der Terrasse eingeschlagen hat. Um Wasser- und Kälteschäden durch eindringende Feuchtigkeit an der Einrichtung und dem Gebäude zu verhindern, setzt A am nächsten Tag eine neue Scheibe ein. A verlangt von N nach dessen Rückkehr € 200,- für die Scheibe. Zu Recht?

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Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers bei berechtigter echter GoA aus §§683 S.1, 670, 677 BGB 1. Geschäftsbesorgung, § 677 BGB 2. Für einen anderen, § 677 BGB a) Objektives Element: fremdes Geschäft b) Subjektives Element: Fremdgeschäftsführungswille, §687 I BGB 3. Kein Auftrag, §677 BGB 4. Berechtigung zur Geschäftsführung a) Interesse des Geschäftsherrn, §683 S.1 BGB UND b) Wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn§683 S.1 BGB 5. Rechtsfolge des §§683, 670 BGB Aufwendungsersatz

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Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) I. Vertragliche Ansprüche (-) II. Vertragsähnliche Ansprüche? Anspruch A gegen N auf Aufwendungsersatz i.H.v. 200 € gem. §§677, 683 S.1, 670 BGB 1. Geschäftsbesorgung, § 677 BGB = jede rechtsgeschäftliche oder tatsächliche Tätigkeit NICHT: bloßes Unterlassen, Dulden, Gewährenlassen Hier: Einsetzen der Scheibe = Geschäftsbesorgung

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Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) 2. Für einen anderen, § 677 BGB a) Objektives Element: fremdes Geschäft = Geschäft fällt (zumindest auch) in den Interessen- bzw. Pflichtenkreis eines anderen. Hier: Einbau der Scheibe diente dazu, weitere Schäden zu vermeiden.  Interessenkreis des Eigentümers N b) Subjektives Element: Fremdgeschäftsführungswille,§687 I BGB Wird bei objektiv fremden Geschäft vermutet 3. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung, § 677 BGB Hier: (+)

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Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) 4. Berechtigung zur Geschäftsführung a) Geschäftsführung im Interesse des Geschäftsherrn, §683 S.1 BGB = wenn Geschäft objektiv nützlich Hier: Weitere Schäden werden abgewendet, daher (+). Und b) Geschäftsführung dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprechend, §683 S.1 BGB aa) Wirklicher Wille? Hier: N war abwesend, wirklicher Wille nicht bekannt. bb) Mutmaßlicher Wille? = Wille, den Geschäftsherr im Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführung bei objektiver Betrachtung mutmaßlich geäußert hätte. Hier: Auch N hätte die Scheibe bei Anwesenheit gewechselt und es wären ihm Kosten entstanden. 21

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) 5. Rechtsfolge des §683 BGB Ersatz der Aufwendungen wie Beauftragter nach §670 BGB • Bewusste und freiwillige Vermögensopfer im Rahmen der Geschäftsführung • Soweit Geschäftsführer die Aufwendungen den Umständen nach für erforderlich halten darf Hier: (+) 6. Ergebnis A kann von N gem. §§677, 683, 670 BGB Ersatz seiner Aufwendungen i.H.v. 200 € verlangen.

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Fall 4: Leistungskondiktion A feiert kräftig beim Italiener. Weil A innerhalb kürzester Zeit mehrere Gläser Grappa zu sich genommen hat, weiß er bereits um 17 Uhr nicht mehr, wie er heißt, geschweige denn, wo er sich gerade befindet. Der 5-jährige Sohn S des Lokalbesitzers ist fasziniert von dem I-Phone des A und fragt höflich, ob er es sich mal anschauen könnte. Bestens gelaunt lallt A, dass S das Smartphone gerne behalten könne und händigt es aus. S bedankt sich hocherfreut und nimmt das Telefon entgegen. Als A am nächsten Morgen wieder ausgenüchtert ist, möchte er sein I-Phone von S wieder zurück.

Zu Recht?

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Leistungskondiktion I. Vertragliche Ansprüche (-) II. Vertragsähnliche Ansprüche (-) III. Dingliche Ansprüche Anspruch A gegen S auf Herausgabe des I-Phones gem. §985 BGB 1. S ist Besitzer (+) 2. A ist Eigentümer a) A ursprünglicher Eigentümer b) Eigentumsverlust durch Übereignung an S gem. §929 S.1 BGB Einigung zwei korrespondierende WE WE des A gem. §105 II BGB nichtig WE des S gem. §105 I BGB nichtig 3. S ohne Recht zum Besitz (+) 4. Ergebnis S muss A das I-Phone gem. §985 BGB herausgeben. 24

Leistungskondiktion IV. Deliktische Ansprüche (-) V. Bereicherungsrechtliche Ansprüche Anspruch A gegen S auf Herausgabe des I-Phones gem. §812 I 1 Alt.1 BGB 1. Etwas erlangt Besitz am I-Phone 2. Durch Leistung des A (+) 3. Ohne rechtlichen Grund Schenkungsvertrag gem. §516 BGB  zwei übereinstimmende WE  WE des A gem. §105 II BGB nichtig WE des S gem. §105 I BGB nichtig 4. Ergebnis S muss A das I-Phone gem. §812 I 1 Alt.1 BGB herausgeben.

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