Beschleuniger und Speicherringe, Teil 1

Beschleuniger und Speicherringe, Teil 1 Shaukat Khan, Universit¨at Hamburg, Sommersemester 2006 Dieses kurze Skript ist die Antwort auf die in der Vor...
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Beschleuniger und Speicherringe, Teil 1 Shaukat Khan, Universit¨at Hamburg, Sommersemester 2006 Dieses kurze Skript ist die Antwort auf die in der Vorlesung “Beschleuniger und Speicherringe, Teil 1” h¨aufig gestellte Frage: Wo finde ich das im Netz? Der Inhalt entspricht in wesentlichen Z¨ ugen dem Tafelaufschrieb der Vorlesung und erg¨anzt ihn. Allerdings kann auch das Skript noch Fehler enthalten. Auch wenn diese Fehler aus didaktischen Gr¨ unden eingestreut wurden und nat¨ urlich bekannt sind, werden entprechende Hinweise per Email ([email protected]) gerne entgegen genommen. Keinesfalls soll das Skript ein Lehrbuch ersetzen und es wird empfohlen, die angesprochenen Themen mit B¨ uchern, Artikeln aus Zeitschriften, Beschleuniger-Schulen sowie dem Internet zu vertiefen. Literaturhinweise sowie die in der Vorlesung gezeigten Folien sind unter http://www.desy.de/∼khan/lehre/beschleuniger-ss06 verf¨ ugbar.

1

Vorbemerkungen

1.1

Warum beschleunigen?

• Aufkl¨arung extrem kleiner Strukturen durch Beugungsexperimente. • Spektroskopie d.h. Anregung und Beobachtung des Zerfalls angeregter Zust¨ande. • Erzeugung von und Spektroskopie an instabilen Teilchen. • Erzeugung extremer Materiezust¨ande z.B. Quark-Gluonen-Plasma. • Technische Anwendung z.B. Implantation von Ionen in Halbleitern. • Medizinische Anwendung von Teilchenstrahlen z.B. Tumorbestrahlung. • Erzeugung von Synchrotronstrahlung: – Beugungsexperimente zur Strukturaufkl¨arung z.B. von Proteinen – Spektroskopie der Atomh¨ ulle – R¨ontgenmikroskopie – Technische Anwendungen z.B. R¨ontgen-Lithographie – Medizinische Anwendungen z.B. Koronar-Angiographie – weitere Sonderanwendungen z.B. Metrologie

1

1.2 1.2.1

Grundlegende Prinzipien Einheiten

In den g¨angigen Lehrb¨ uchern werden teils SI-, teils cgs-Einheiten verwendet. Hier seien SI-Einheiten gew¨ahlt. Eigenschaften von zu beschleunigenden Teilchen (Elektronen, Positronen, Protonen, Antiprotonen, leichte und schwere Ionen) sind • Masse m (z.B. Elektron 9.11 · 10−31 kg, Proton 1.67 · 10−27 kg) • Ladung q (Vielfaches der Elementarladung e = 1.60 · 10−19 C) • Spin bzw. magnetisches Moment µ • Kinetische Energie E oder Impuls p • evtl. Lebensdauer τ (radioaktive Strahlen, zuk¨ unftige µ+ µ− -Collider) Teilchenstr¨ome werden in A (bzw. mA oder µA) angegeben. In einem Elektronenspeicherring von 300 m Umfang sei z.B. der Strahlstrom I = 100 mA. Bei nahezu Lichtgeschwindigkeit (c = 2.998 · 108 m/s) betr¨agt die Umlaufzeit ca. 1 µs, die Umlaufsfrequenz f = 1 MHz. Die umlaufende Ladung ist I/f = Q = 10−7 C, die Zahl der Elektronen ist Q/e = 6.24 · 1011 . Es ist praktisch, die kinetische Energie nicht in J, sondern in eV (bzw. keV, MeV oder GeV) anzugeben, z.B. E = 1 GeV = 109 eV = 1.6 · 10−19 C · 109 J/C = 1.6 · 10−10 J.

(1)

Der 100-mA-Strahl in obigem Beispiel besitzt bei 1 GeV eine Gesamtenergie von 100 J. ¨ Die Teilchenmasse wird aufgrund der Masse-Energie-Aquivalenz oft in Energieeinheiten/c2 angegeben, z.B. 1 GeV/c2 = 109 J/C · 1.6 · 10−19 C/(3 · 108 m/s)2 = 1.78 · 10−27 kg

(2)

1 GeV/c = 109 J/C · 1.6 · 10−19 C/(3 · 108 m/s) = 5.34 · 10−19 kgm/s.

(3)

(z.B. Proton 938 MeV/c2 , Elektron 511 keV/c2 ). Bei hohen Geschwindigkeiten v ≈ c ist der Teilchenimpuls der kinetischen Energie ann¨ahernd proportional, so dass der Impuls in Energieeinheiten/c ausgedr¨ uckt werden kann:

Oft wird die Konvention c = 1 verwendet, so dass auch Masse und Impuls in eV angegeben werden. Die magnetische Flußdichte oder Induktion wird in Tesla (1 T = 1 Vs/m2 = 105 Gauss) gemessen. Entprechend wird das magnetische Moment (Energie pro Feldst¨arke) in eV/T, oder aber in Einheiten des Bohrschen Magnetons (µB = e¯ h/2me = 5.79 · 10−5 eV/T) bzw. des Kern-Magnetons (µN = e¯ h/2mp = 3.15 · 10−8 eV/T) angegeben.

2

1.2.2

Kr¨ afte zur Beschleunigung und Strahlfokussierung

Fast alle Vorg¨ange in Beschleunigern ergeben sich aus den Maxwellschen Gleichungen (James Clerk Maxwell 1831-1879). Im Prinzip stehen zur Beschleunigung folgende Kr¨afte zur Verf¨ ugung: ~ + q · (~v × B) ~ 1. Lorentzkraft: F~ = q · E ~ 2. Magnetisches Moment im inhomogenen B-Feld: F~ = µ · dB/dz ~ 3. Elektrisches Dipolmoment im inhomogenen E-Feld: F~ = d · dE/dz Da die magnetische Komponente der Lorentzkraft (Hendrik Antoon Lorentz 1853-1928, Nobelpreis 1902) ist stets senkrecht zur Teilchengeschwindigkeit ~v gerichtet ist, kann sie die kinetische Energie nicht ¨andern. Geladene Teilchen werden also durch elektrische Felder beschleunigt. Neutronen k¨onnen durch inhomogene B-Felder, neutrale Molek¨ ule durch inhomogene E-Felder beschleunigt werden. Zur F¨ uhrung und Fokussierung geladener Teilchen stehen beide Komponenten der Lorentzkraft zur Verf¨ ugung. Ein beschleunigtes Elektron mit v ≈ c erf¨ahrt durch ein leicht realisierbares Magnetfeld von B = 1 T dieselbe Kraft wie durch ein enorm hohes elektrisches Feld von E = 300 MV/m. Zur F¨ uhrung und Fokussierung werden daher i.d.R. Magnete verwendet. Es gibt aber Ausnahmen. Will man z.B. vermeiden, dass gegenl¨aufige Elektronen und Positronen gleicher Energie sich in einem gemeinsamen magnetischen F¨ uhrungsfeld begegnen, muss man sie mit elektrischen Feldern ablenken. 1.2.3

Spezielle Relativit¨ atstheorie

Beschleunigte Teilchen erreichen i.d.R. Geschwindigkeiten, bei denen relativistische Effekte nicht vernachl¨assigt werden k¨onnen. Oft ist sogar die extrem relativistische N¨aherung v ≈ c angebracht. Hier sei an die Lorentz-Transformation zwischen zwei Systemen erinnert, die sich mit konstanter Geschwindigkeit v relativ zueinander bewegen (hier v = vz ): x0 = x

y0 = y z 0 = γ(z − vt) t0 = γ(t − vz/c2 ) (4) √ mit der Abk¨ urzung γ = 1/ 1 − β 2 , wobei β = v/c ist. Gelegentlich werden folgende Beziehungen verwendet: γ2 =

1 1 − β2

inv.

−→

1 = 1 − β2 γ2

·γ 2

−→

γ 2 − β 2 γ 2 = 1.

(5)

Das Newtonsche Gesetz F~ = p~˙ = m · ~a gilt weiterhin, wenn die Masse eine Funktion der Geschwindigkeit ist: m = γ · m◦

und damit p~ = m · ~v = γ · m◦ · ~v ,

(6)

wobei m◦ die Ruhemasse im jeweiligen System ist. F¨ ur die Gesamtenergie eines Objekts gelten folgende Beziehungen: E = m,¸c2 = γ m◦ c2 = m◦ c2 + T, = 3

q

m2◦ c4 + p2 c2 =

c p, β

(7)

wobei T die kinetische Energie ist und der letzte Ausdruck nur f¨ ur β > 0 sinnvoll ist. Die Konvention c = 1 erlaubt es, Energie, Impuls und Masse in eV (bzw. GeV) auszudr¨ ucken und Faktoren c oder c2 wegzulassen, was im Folgenden geschehen soll. Die Gr¨oße E 2 − p~ 2 = m2◦

(8)

eine Invariante d.h. ihr Betrag ¨andert sich unter Lorentz-Transformationen nicht. Die Kollision zweier Teilchen, z.B. der Ruhemasse m1 und m2 , kann man in verschiedenen Koordinatensystemen betrachten. Von Interesse ist z.B. 1. das Laborsystem, in dem die Energie zur Beschleunigung aufgebracht werden muss: Teilchenenergien E10 und E20 , Impulse p01 und p02 2. das Schwerpunktssystem, in dem die Energiesumme gleich der Invarianten m◦ ist: Teilchenenergien E1 und E2 , Impulse p1 = −p2 (per def.) Durch geeignete Wahl der Koordinatenachsen verschwinden die anderen Impulskomponenten. Damit gilt f¨ ur das Quadrat der invarianten Masse m2◦ = (E1 +E2 )2 −0 = (E10 +E20 )2 −(p01 +p02 )2 = (m1 γ10 +m2 γ20 )2 −(m1 β10 γ10 +m2 β20 γ20 )2 (9) Zun¨achst seien fixed-target-Experimente betrachtet, bei denen ein Teilchen im Laborsystem ruht (β20 = 0, γ20 = 1). Die Ruhemassen der beiden Teilchen seien gleich (m1 = m2 ). Mit der Relation β 2 γ 2 = γ 2 − 1 gilt: 2

m2◦ = m21 (γ10 + 1)2 − m21 (γ10 − 1) = 2m21 (γ10 + 1) .

(10)

Die Erzeugung z.B. von Antiprotonen durch Beschuss ruhender Targetkerne mit Protonen (p+p → p+p+p+¯ p) erfordert beispielsweise m◦ = 4 mp , d.h. γ10 = 7 und damit eine kinetische Energie der Protonen von T ≈ 6 GeV. F¨ ur symmetrische Kollisionsexperimente (m1 = m2 , β10 = −β20 , γ10 = γ20 ) ist 2

2

m2◦ = 4 E10 = 4 E20 .

(11)

Beispiel: f¨ ur Kollisonsexperimente mit asymmetrischer Teilchenenergie (z.B. asymmetrische B-Mesonen-Fabriken bei SLAC/USA und KEK/Japan) und/oder unterschiedlicher Teilchenmasse (HERA bei DESY/Hamburg) ergibt sich in der N¨aherung E ≈ p f¨ ur ultrarelativistische Teilchen: 2

2

2

2

m2◦ = E10 + 2E10 E20 + E20 − p01 + 2p01 p02 − p02 ≈ 4 E1 E2 .

(12)

¯ Die B-Mesonen-Fabriken sind asymmetrische e+ e− -Collider, die B B-Paare u ¨ber die Υ(4S)-Resonanz produzieren, d.h. die Strahlenergien werden zu m◦ = 10.6 GeV kombiniert, also entweder zweimal 5.3 GeV oder z.B. 7 GeV mit 4 GeV.

4

Abbildung 1: Verschiedene Konfigurationen von Kollisionsexperimenten im Laborsystem, wobei die L¨ange der Pfeile schematisch die beteiligten Impulse darstellt.

2

Der Zoo der Teilchenbeschleuniger

Die Beschleunigung geladener Teilchen erfordert ein elektrisches Feld in deren Flugrichtung. Verschiedene Beschleunigertypen spiegeln die verschiedenen Arten wider, mit denen das elektrische Feld zur Verf¨ ugung gestellt wird: • Elektrostatische Beschleuniger – Einfache Ausnutzung der Potentialdifferenz: Cockroft-Walton-Generator, Marx-Generator, Van-de-Graaff-Generator – Zweifache Ausnutzung der Potentialdifferenz: Van-de-Graaff-Tandem • Elektrisches Feld durch zeitliche Magnetfeld¨anderung – Betatron, linearer Induktionsbeschleuniger • Beschleuniger mit hochfrequenten elektromagnetischen Wellen – Mehrere Strukturen hintereinander: Linearbeschleuniger, Radio Frequency Quadrupole (RFQ) – Mehrfacher Durchlauf derselben Struktur: Zyklotron, Mikrotron, Synchrotron • Exotische Konzepte z.B. Beschleunigung durch Laser – Inverser Freie-Elektronen-Laser, Plasmabeschleuniger Ein besonderes Tier im Zoo der Teilchenbeschleuniger ist der Speicherring, dessen Bauweise einem Synchrotron entspricht. In vielen Speicherringen wird auch beschleunigt, weil der eigentliche Beschleuinger nicht die erforderliche Endenergie erreicht. In Elektronenspeicherringen muss die durch Synchrotronstrahlung verlorene Energie durch Hochfrequenz-Resonatoren wieder zugef¨ uhrt werden. In Protonen- und Schwerionenspeicherringen sind diese Verluste vernachl¨assigbar, doch werden auch hier Hf-Resonatoren eingesetzt, um den Strahl zu kurzen Paketen zu b¨ undeln.

5

Abbildung 2: Erzeugung der Hochspannung f¨ ur elektrostatische Beschleuniger a) CockroftWalton-Generator (Greinacher-Schaltung) b) Marx-Generator (Entladung u ¨ ber Funkenstrecken) c) Van-de-Graaf-Generator (mechanischer Transport von Ladung).

2.1

Elektrostatische Beschleuniger

In einfachsten Fall werden geladene Teilchen durch ein statisches elektrisches Feld beschleunigt. Beim Cockroft-Walton-Generator (Sir John Cockroft 1897-1967, Ernest Walton 19031995) wird eine Beschleunigungsspannung im MV-Bereich durch eine sog. GreinacherSchaltung (Heinrich Greinacher 1880-1974) erzeugt, wie man sie z.B. in Fernsehger¨aten und zur Erzeugung von Hochspannung in Satelliten verwendet. Mit einem CockroftWalten-Generator wurde 1932 erstmals eine Kernreaktion mit einem Beschleuniger bewirkt (Nobelpreis 1951). Gelegentlich wird er auch heute noch als Vorbeschleuniger verwendet (z.B. Protonenquelle am PSI/Schweiz). Beim Marx-Generator (Erwin Otto Marx 1893-1980) werden parallelgeschaltete Kondensatoren aufgeladen und u ¨ber eine Funkenstrecke pl¨otzlich in Serie geschaltet, wobei f¨ ur kurze Zeit eine hohe Spannung und hoher Strom entsteht. Beim Van-de-Graaff-Generator (Robert Van de Graaff 1901-1967) entsteht die Hochspannung durch mechanischen Transport von elektrischer Ladung mit einem Band oder einer Kette. Bei Spannungen von 10 MV und mehr werden Entladungen durch ein Schutzgas (¨ ublicherweise SF6 ) unterdr¨ uckt. Van-de-Graaff-Beschleuniger werden oft in der Kernphysik eingesetzt. Wenn ein zun¨achst negativ geladenes Ion nach Durchlaufen der Beschleunigungsstrecke Elektronen abstreift (stripping-Folie oder -Gas), kann die Hochspannung ein weiteres mal ausgenutzt werden (sog. Tandem-Beschleuniger).

2.2

¨ Beschleunigung durch zeitliche Anderung des Magnetfelds

Das Induktionsgesetz lautet

6

I

~ r=− Ed~

Z

A

~˙ f~. Bd

(13)

F¨ ur eine Kreisbahn mit Radius R und einem vom Radius abh¨angigen Magnetfeld B(r) senkrecht auf der eingeschlossenen Fl¨ache gilt ˙ 2πRE = πR2 hBi

d.h.

R ˙ E = − hBi, 2

(14)

˙ die Anderung ¨ wobei hBi des u ¨ber die Fl¨ache gemittelten Magnetfelds ist. Beim Betatron wird das Magnetfeld zeitlich so variiert, dass (i) eine Beschleunigung durch Induktion entlang einer Kreisbahn stattfindet und (ii) der Bahnradius konstant bleibt. Aus der Gleichsetzung von Zentripetalkraft und Lorentzkraft mit v ⊥ B ergibt sich f¨ ur den Impuls p = eRBR , wobei BR das Magnetfeld bei r = R ist. Die zeitliche Ableitung des Impulses ist gleich der Kraft eE: 1 ˙ p˙ = eRB˙ R = eRhBi. 2

(15)

Nach B˙ R aufgel¨ost und integriert findet man 1 (16) BR = hBi + B◦ . 2 Diese nach Rolf Wider¨oe (1902-1996) benannte Bedingung besagt, dass das Feld auf der Kreisbahn gleich dem halben gemittelten Feld plus einem kostanten Feld B◦ ist. Das erste Betatron wurde 1940 gebaut (Donald Kerst 1911-1993) und beschleunigte Elektronen bis auf 2.3 GeV. Betatrons werden heute zur Strahlentherapie mit Elektronen verwendet.

2.3

Beschleunigung durch Hochfrequenz: Linearbeschleuniger

Beim wiederholten Durchlauf eines hochfrequenten elektrischen Wechselfelds zum richtigen Zeitpunkt k¨onnen im Prinzip beliebig hohe Teilchenenergien erreicht werden. Dies wird einerseits beim Linearbeschleuniger durch die wiederholte Anorndung gleichartiger Hf-Strukturen realisiert, bei Kreisbeschleunigern durch den wiederholten Durchlauf derselben Struktur. Der erste Linearbeschleuniger (vorgeschlagen 1924 von G. Ising, gebaut 1928 von Rolf Wider¨oe) kann als Abfolge elektrostatisch geladener R¨ohren mit abwechselnder Polarit¨at verstanden werden. Die Beschleunigung findet in den Spalten zwischen den R¨ohren statt. W¨ahrend sich die Teilchen in einer R¨ohre befinden, wird die Polung umgedreht, so dass eine vor dem Durchlauf anziehende R¨ohre nun abstoßend wirkt. Der Abstand von einem Spalt zum n¨achsten ist durch die halbe Hf-Periodendauer THf und die Teilchengeschwindigkeit vi in der R¨ohre i gegeben 1 1 ∆Li = THf vi = vi . (17) 2 2νHf Bis zur Entwickung des Klystrons und den Fortschritten der Radar-Technik im 2. Weltkrieg war die Hf-Frequenz νHf = 1/THf auf wenige MHz begrenzt. 7

Abbildung 3: Schematische Darstellung zylindrischer Wellenleiter a) einfaches Rohr mit vPh > c, keine Beschleunigung m¨oglich, b) Wellenleiter mit Irisblenden als mit vPh ≈ c als Elektronen-Linearbeschleuniger, c) mit ¨aquidistanten Driftr¨ohren f¨ ur relativistische Protonen mit geringen Geschwindigkeitszuwachs, d) mit Driftr¨ohren variabler L¨ange f¨ ur nicht-relativistische Protonen und schwere Ionen.

¨ Abbildung 4: Ubergang von einem Plattenkondensator mit konstantem Feld (a) u ¨ber ein hochfrequentes Wechselfeld (b) zu einem Hohlraumresonator (c). Bei heute u ¨blichen Frequenzen im GHz-Bereich folgt die elektrische Energie nicht mehr den metallischen Strukturen, sondern breitet sich vorwiegend im freien Raum aus, was einen Wechsel der Auschauung von aufgeladenen R¨ohren zu einem Wellenleiter erfordert. In einem zylindrischen Wellenleiter ist die Phasengeschwindigkeit einer elektromagnetischen Welle entlang der Achse vph > c, so dass ein geladenes Teilchen der Welle nicht folgen kann (vgl. Folien). Bei Elektronen-Linearbeschleunigern wird die Phasengeschwin¨ digkeit durch eine Anderung der Randbedingung mittels Irisblenden auf vph ≈ c herabgesetzt (disk-loaded waveguide, dt. Runzelr¨ohre!). F¨ ur Protonen und Ionen mit v  c gen¨ ugt das nicht, sondern hier wird das elektrische Feld bei falscher Phasenlage durch sog. Driftr¨ohren abgeschirmt, w¨ahrend die Beschleunigung zu den phasenrichtigen Zeitpunkten in den Spalten stattfindet (Alvarez-Struktur, Luis Alvarez 1911-1988, Nobelpreis 1968). Beschleunigende Schwingungsmoden in Wellenleitern besitzen ein elektrisches Feld in longitudinaler Richtung und heißen TMij -Moden (transversal magnetisch, azimuthale Knotenzahl i, radiale Knotenzahl j), bei stehenden Wellen TMijk (longitudinale Knotenzahl k). In zylindrischen Hohlraum-Resonatoren (sog. pillbox cavity als Beispiel f¨ ur einen extrem kurzen Linearbeschleuniger) wird i.d.R. die TM010 -Mode verwendet mit Ez (t) = E◦ eiωt J◦ (ωr/c) , 8

(18)

Abbildung 5: Schematische Darstellung verschiedener Kreisbeschleuniger: a) Betatron, b) Zyklotron, c) Mikrotron, d) Synchrotron. Die graue Fl¨ache wird jeweils von einem magnetischen Feld ausgef¨ ullt. wobei J◦ die Besselfunktion 1. Art der Ordnung null. Ein radialer Knoten J(ωR/c ≈ 2.405) = 0 verkn¨ upft den Radius R der metallischen Wand mit der Kreisfrequenz ω (vgl. ¨ Folien zum Ubergang von einem Plattenkondensator zu einen zylindrischen Hohlraumresonator).

2.4

Beschleunigung durch Hochfrequenz: Kreisbeschleuniger

Bei Kreisbeschleunigern wird dieselbe Beschleunigungsstruktur mehrmals ausgenutzt, was ur zuk¨ unftige Elektronenbeschleuniger (Kollisionsmaschi¨okonomisch sinnvoll erscheint. F¨ nen und Synchrotronenstrahlungsquellen) zeichnet sich jedoch eine Renaissance der Linerabeschleuniger ab, denn: • Die durch Synchrotronstrahlung abgegebene Leistung ist proportional zu E 4 /R, so dass eine weitere Erh¨ohung der Energie E eine enorme Vergr¨oßerung des Bahnradius R erfordern w¨ urde. • Strahleigenschaften wie transversale Gr¨oße und Energiebreite ergeben sich beim Speicherring aus einem Gleichgewicht von Aufheizung und D¨ampfung durch Synchrotronstrahlung. Beim Linearbeschleuniger ist die Strahlqualit¨at durch die Eigenschaften der Quelle gegeben und kann die im Speicherring erreichbaren Parameter u ¨bertreffen. F¨ ur ein Teilchen (Ladung q, Masse m = m◦ γ, Geschwindigkeit v) auf einer Kreisbahn mit Radius r im Magnetfeld B ⊥ v gilt mv 2 = qvB r

1 qB qB qB = = = r mv p m◦ γ β c

(19)

Die Frequenz ωHf einer zur Beschleunigung genutzten Hf-Struktur muß ein ganzzahliges Vielfaches h der Umlaufsfrequenz sein: ωHf = 2π fHf = h

9

qB 2π v =h . 2π r m◦ γ

(20)

2.4.1

Mikrotron

Beim Mikrotron ¨andert sich γ = E/(m◦ c2 ) bei jedem Umlauf um eine ganze Zahl (mindestens h = 1), was nur mit Elektronen (m◦ = 511 keV/c2 ) erreichbar ist. Elektronenpakete folgen einander im zeitlichen Abstand ∆t =

2πm◦ γ 2π∆E h = = , fHf qB qBc2

(21)

wobei ∆E der Energiegewinn bei einem Durchlauf der Hf-Struktur ist. Da die HfFrequenz konstant ist, folgen die Elektronenpakete kontinuierlich aufeinander, was insbesondere f¨ ur Koinzidenzexperimente von Interesse ist. Synonyme f¨ ur “kontinuierlich“ in diesem Sinne sind: Dauerstrich, DC (direkt current) oder CW (continuous wave). Das klassische Zyklotron mit γ ≈ 1 und konstanter Hochfrequenz ist auf schwere Teilchen (Protonen, Ionen) bei niedriger Energie begrenzt, die sich in einem konstanten Magnetfeld B unabh¨angig von der Geschwindigkeit v oder der Energie mit konstanter Frequenz (der sog. Zyklotronfrequenz) ωz = 2π

v q = B 2πR m

(22)

bewegen, solange m ≈ m◦ gilt. Um h¨ohere Energien zu erreichen bietet sich an, die Hochfrequenz ωHf ∼ 1/γ zu variieren. Ein solches Synchro-Zyklotron liefert allerdings keinen kontinuierlichen Strahl. Aus der h¨oheren Energie und der zwangsl¨aufig l¨angeren Bahn ergibt sich die Notwendigkeit, den Strahl zu fokussieren. Dies kann mit Hilfe der “schwachen“ Fokussierung geschehen, die horizontal und vertikal simultan wirkt. Horizontal ergibt sich ein rein geometrische Fokussiereffekt aus der Tatsache, dass versetzte Kreisb¨ogen gleichen Durchmessers einander n¨ahern. Vertikal bewirkt eine Feldverringerung mit zunehmendem Radius eine Feldform, die abweichende Teilchen auf die Mittelebene lenkt. Die Fokussierbedingung l¨aßt sich durch den Feldindex n ≡ −(∂B/B)/(∂r/r) und die Bedingung 0 < n < 1 ausdr¨ ucken. Ein kontinuierlicher Strahl l¨aßt sich mit dem Isochron-Zyklotron erreichen, bei dem die Hochfrequenz konstant gehalten wird, das Magnetfeld aber ∼ γ mit zunehmendem Radius steigt. Da dies vertikal defokussierd wirkt, ist ein neues Fokussierschema erforderlich, die “starke“ Fokussierung, bei der das Magnetfeld sowohl vom Radius als auch vom Azimutalwinkel abh¨angt B = B(r, ϕ). Isochron-Zyklotrons bestehen aus (manchmal spiralf¨ormigen) Sektoren mit abwechselnd hohem Feld (“hill“ oder “ridge“) und niedrigem Feld (“valley“). 2.4.2

Synchrotron

W¨ahrend beim Mikrotron und Zyklotron der Materialaufwand mit der dritten Potenz des ¨außeren Radius steigt, ist beim Synchrotron der Bahnradius konstant, so dass wesentlich h¨ohere Strahlenergien mit vertretbarem Aufwand erreichbar sind. Bei konstanter Hf-Frequenz steigt beim Beschleunigungsvorgang das Magnetfeld synchron mit βγ (daher der Name). Der Strahl ist daher nicht kontinuierlich. Damit die Hf-Frequenz ein ganzzahliges Vielfaches der Umlauffrequenz ist, muss das Magnetfeld auch ∼ 1/γ sein, was bei 10

Elektronensynchrotrons mit β ≈ 1 erf¨ ullt ist. Bei Synchrotrons, in die Protonen oder Ionen mit m¨aßiger Energie eingeschossen werden, muss zus¨atzlich die Hochfrequenz zeitlich variiert werden.

3

Synchrotronstrahlung

Synchrotronstrahlung bewirkt bei Elektronenbeschleunigern und -speicherringen einerseits Energieverluste, hat sich aber andererseits als hervorragende Quelle f¨ ur elektronmagnetische Strahlung in der Physik, Biologie, Medizin, Materialforschung etc. bew¨ahrt. Zu ihren positiven Eigenschaften geh¨oren hohe Leistung, geringe Quellgr¨oße und Divergenz, durchstimmbares Spektrum, variable Polarisation, gepulste Zeitstruktur, Stabilit¨at und Berechenbarkeit aus first principles (Eignung als Eichnormal). Weniger g¨ unstig z.B. im Vergleich zu heutigen Lasern ist die mangelnde Koh¨arenz und relativ große Pulsdauer. Das Gleichgewicht von Aufheizung aufgrund der stochastichen Natur der Synchrotronstrahlung und D¨ampfungseffekten bestimmt die Pulsdauer, die transversale (insbesondere die horizontale) Strahlgr¨oße und Divergenz sowie die Energieunsch¨arfe eines Elektronenstrahls in einem Speicherring. Synchrotronstrahlungsquellen bilden aufgrund der hohen Zahl existierender oder projektierter Anlagen sowie ihrer weitgef¨acherten wissenschaftlichen Anwendungen eine wichtige Klasse von Elektronen-Speicherringen. Die folgende Einteilung hat sich etabliert: • 1. Generation: parasit¨are Nutzung der Synchrotronstrahlung an Elektronenspeicherringen f¨ ur die Kern- und Teilchenphysik. • 2. Generation: Elektronenspeicherringe kleiner Emittanz (s. lineare Teilchenoptik), die ausschließlich zur Produktion von Strahlung betrieben werden. • 3. Generation: Elektronen- oder Positronenspeicherringe mit noch kleinerer Emittanz und m¨oglichst vielen geraden Strecken zur Aufnahme von Wigglern und Undulatoren (s.u.). • 4. (zuk¨ unftige) Generation: diskutiert u.a. werden Speicherringe mit großem Umfang und noch kleinerer Emittanz. Mit der Demonstration des SASE-Prinzips (s.u.) bei kleinen Wellenl¨angen (80 nm, TTF/DESY im Jahr 2000) scheint es jedoch, dass eine Kombination von Linearbeschleuniger und Freie-Elektronen-Laser (FEL) eine dominante Rolle als zuk¨ unftige Strahlungsquellen spielen werden. Eine wesentliche Kenngr¨oße von Synchrotronstrahlungsquellen ist die sogenannte Brillianz (oder brightness):

B =

Photonen pro Zeiteinheit Quellgr¨osse · Winkeldivergenz · Energieintervall

(23)

wobei als Breite des Energieintervalls ein bestimmter Bruchteil (meist 0.1% ) der zentralen Energie des Intervalls gew¨ahlt wird. 11

Einschub: Bei Kollisionsmaschinen f¨ ur Experimente der Elementarteilchenphysik ist eine entscheidende Kenngr¨oße die Luminosit¨at L=

3.1 3.1.1

Reaktionsrate . Wirkungsquerschnitt der jeweiligen Reaktion

(24)

Strahlung aus Dipolmagneten Leistung

Synchrotronstrahlung entsteht – ebenso wie die Strahlung eines Hertzschen Dipols oder die Bremsstrahlung in der Anode einer R¨ontgenr¨ohre – durch die Beschleunigung von Ladungen. Bei der Synchrotronstrahlung ist dies eine Kreisbeschleunigung aufgrund der Ablenkung von Elektronen in Magnetfeldern. Die Ursache der Strahlung ist stets die ¨ Tatsache, dass sich bei Anderung des Bewegungszustandes einer Ladung ihr Feld nicht instantan, sondern nur mit einer durch die Lichtgeschwindigkeit gegebenen Verz¨ogerung ¨andert. Wesentliche Aussagen lassen sich im Rahmen der klassischen Elektrodynamik mit Hilfe der Li´enard-Wiechert-Potentiale (Alfred Marie Li´enard 1869-1958, Emil Wiechert 1861-1928) ableiten, so etwa die insgesamt abgestrahlte Leistung (bei konstantem Bahnradius R) E4 e2 c Ps = 6π◦ (m◦ c2 )4 R2

(25)

Die quantenmechanische Rechnung weicht hiervon typischerweise um nur 10−6 ab. Aufgrund der Massenabh¨angigkeit ergibt sich zwischen Elektronen und Protonen gleicher Energie ein Faktor 1013 . F¨ ur die von einem Elektron pro Umlauf abgestrahlte Energie erh¨alt man bei festgelegtem Bahnradius ∆E =

I

Ps dt = Ps

2πR e2 E4 = c 3◦ (m◦ c2 )4 R

(26)

Der Energievelust in keV ist 88.5 E 4 /R, wenn die Energie in GeV/c2 und der Radius in m angegeben wird. Bei der Bewegung in einem konstant Magnetfeld B h¨angt der Bahnradius von der Energie ab. Mit 1/R = eB/p = ecB/E gilt dann Ps = 3.1.2

e4 c3 E2 B2 ≡ C E2 B2 . 2 4 6π0 (m0 c )

(27)

Winkelverteilung

Im Schwerpunktssystem der Elektronen besitzt die Synchrotronstrahlung die f¨ ur einen 2 Hertzschen Dipol typische Richtcharakteristik ∼ cos Θ. Die Winkelverteilung im Laborsystem kann abgesch¨atzt werden, indem man den Impuls eines “typischen“ Photons p~∗ , das senkrecht zur Beschleunigungsrichtung und senkrecht zur Flugrichtung der Elektronen emittiert wurde, ins Laborsystem transformiert: p⊥ = |~ p∗ | und pk ≈ βγ|~ p| 12

;

Θ ≈ tan Θ =

1 p⊥ ≈ pk γ

(28)

Obwohl die Winkelverteilung im Detail kompliziert ist und mit der Photonenergie ¨ variiert, kann f¨ ur viele Zwecke Θ = 1/γ als halber Offnungswinkel eines kegelf¨ormigen Strahlungsfeldes tangential zur Elektronenbahn angenommen werden. 3.1.3

Spektrale Breite

Die “typische” Breite des Strahlungsspektrums kann aus der zeitlichen Dauer der tangential zu einer Kreisbahn wahrgenommenen Strahlung abgesch¨atzt werden ωtyp ≈ 2π/∆t.

(29)

Angenommen, ein Beobachter nimmt Photonen wahr, solange der zur Elektronenbahn ¨ zentrische Strahlungskegel mit halbem Offnungswinkel 1/γ seine Position u ¨berstreicht. Die zeitliche Breite der Photonenverteilung entspricht der Zeitverz¨ogerung des Elektrons auf diesem Bahnst¨ uck gegen¨ uber dem ersten ausgesandten Photon:

∆t = tElektron − tPhoton = Mit Θ = 1/γ und βγ = 2R ∆t = c



 2RΘ 2R  2RΘ 2R sin Θ − = − Θ − Θ3 /6 + . . . βc c βc c

(30)

γ 2 − 1 ≈ γ − 1/(2γ) erh¨alt man

1 1 1 − + 3 βγ γ 6γ

!

2R ≈ c

γ − γ + 1/(2γ) 1 + 3 (γ − 1/(2γ))γ 6γ

!



4R , 3cγ 3

(31)

Die damit abgesch¨atzte Breite des Spektrums ist von der kritschen Frequenz ωc , die sich aus der exakten Berechnung ergibt, nicht weit entfernt: 3cγ 3 3πcγ 3 und ωc = (32) 2R 2R Die kritische Frequenz bzw. die zugeh¨orige kritische Energie ec = h ¯ ωc ist so definiert, dass sie das Leistungsspektrums in zwei gleichgroße Integrale teilt. Das Maximum des Spektrums liegt etwas unterhalb der kritischen Energie, die mittlere Photonenenergie betr¨agt hei = 0.31ec . Entlang eines Bogens von einem Radian emittiert ein Elektron im Mittel 20.6 · E[GeV] Photonen. ωtyp =

3.2 3.2.1

Wiggler und Undulatoren Feldverlauf im Wiggler oder Undulator

Die meisten Anwendungen der Synchrotronstrahlung verlangen eine hohe Photonenzahl pro Raumwinkel und Energieintervall, w¨ahrend die Strahlung von Ablenkmagneten in der horizontalen Ebene f¨acherartig verteilt ist und ein breites Spektrum besitzt. Der Photonenfluß l¨aßt sich steigern, wenn man viele abwechselnd gepolte Dipolmagnete hintereinander anordnet. Solche Anordnungen heißen “Wiggler“, wenn sich das Licht aus den verschiedenen B¨ogen inkoh¨arent addiert, bzw. “Undulatoren“, wenn die Interferenz zwischen Licht aus verschiedenen B¨ogen eine Rolle spielt. Im letzteren Fall erh¨alt man statt der

13

breiten spektralen Verteilung ein Linienspektrum. Gebr¨auchliche Bauformen f¨ ur Wiggler und Undulatoren sind: • Elektromagnete mit Eisenkernen, z.T. auch supraleitende Spulen • Permanentmagnete aus Seltenen-Erd-Legierungen (SmCo5 , NdFeB), • Hybrid-Strukturen aus Permanentmagneten und Eisenpolen. Das periodische Potential l¨aßt sich durch ϕ(s, z) = f (z) cos(ku s)

(33)

ausdr¨ ucken, wobei die Struktur in x beliebig ausgedehnt sei. Die Periodenl¨ange ist λu = 2π/ku . Die vertikale Abh¨angigkeit f (z) findet man mit der Laplace-Gleichung: d2 f (z) cos(ku s) − f (z) ku2 cos(ku s) = 0, dz 2 mit der L¨osung f (z) = A sinh(ku z), so dass ∇2 ϕ(s, z) = 0

ϕ(s, z) = A sinh(ku z) cos(ku s) ∂ϕ(s, z) ˜ cosh(ku z) cos(ku s) = B Bz (s, z) = ∂z ∂ϕ(s, z) ˜ sinh(ku z) sin(ku s) mit B ˜ ≡ ku A. Bs (s, z) = = −B ∂s

(34)

(35)

˜ bestimmen, wobei g/2 Aus dem Feld direkt am Magnetpol B0 = Bz (0, g/2) l¨aßt sich B die halbe H¨ohe des Magnetspalts (gap) ist: ˜= B

B0 . cosh (πg/λu )

(36)

Mit SmCo5 -Magneten erreicht man etwa B0 = 1 T, mit NdFeB bis zu 1.4 T. NdFeB ist jedoch empfindlicher gegen Strahlung und hohe Temperaturen. In Hybridbauweise k¨onnen 2 T (S¨attigung des Eisens) erreicht werden. 3.2.2

Bewegung eines Elektrons im W/U-Magnetfeld

Um die Eigenschaften von Wigglern und Undulatoren (W/U) zu verstehen, muß man die Bewegungsgleichungen eines Elektrons in dern Magnetfeld Feld herleiten. Unter den Annahmen z˙ = 0 und Bx = 0 f¨ uhrt die Lorentzkraft 











x¨ x˙ 0      ˙p~ = me γ   0  = e  0  ×  Bz  s¨ s˙ Bs

(37)

zu der Bewegungsgleichung in der horizontalen Ebene mit z = 0. x¨ = −s˙

e ˜ e ˜ e B cos(ku s) = −c B cos(wu t) Bz ≈ −c me γ me γ me γ

mit s˙ ≈ c und ωu = ku c = 2πc/λu . Zweimal integriert: 14

(38)

e ˜ sin(wu t) = −c eλu B ˜ sin(wu t) = −c K sin(wu t) B ω u me γ 2πcme γ γ ˜ λu e B K cos(ωu t), wobei K≡ . x = c ωu γ 2πme c

x˙ = −c

(39)

Die hier definierte Gr¨oße K = heißt “Undulatorparameter“ (engl. manchmal deflection parameter). Die maximale Auslenkung der Elektronenbahn in der Winkelkoordinate x0 ≈ ¨ x/c ˙ ist K/γ, so dass sich bei K = 1 die (vereinfachend angenommenen) 1/γ-Offnungskegel der Synchrotronstrahlung aus den verschiedenen B¨ogen der Bahn gerade ber¨ uhren. Etwas willk¨ urlich setzt man hier die Grenze zwischen Wiggler und Undulator: ˜ klein, flache B¨ogen, Interferenz) • K ≤ 1 Undulator (B ˜ • K > 1 Wiggler (B groß, weite B¨ogen, inkoh¨arente Addition) Um die Bewegung in x herzuleiten, war die N¨aherung s˙ ≈ c ausreichend. Will man die longitudinale Bewegung genauer betrachten, muß man genauer s˙ 2 = β 2 c2 − x˙ 2 schreiben. Mit β 2 = 1 − 1/γ 2 ist s˙ =

v u u ct1 −

1 x˙ 2 + γ2 c2

!

"

1 ≈c 1− 2

1 x˙ 2 + γ2 c2

!#

"

1 γ2 = c 1 − 2 1 + 2 x˙ 2 2γ c

!#

,

(40)

!# # "  1  1 − cos(2ω t) 1 u s˙ = c 1 − 2 1 + K 2 sin2 (ωu t) = c 1 − 2 1 + K 2 , 2γ 2γ 2

(41)

wobei die Wurzel nach (. . .) entwickelt wurde. Einsetzen von x˙ liefert: "

woraus sich eine mittlere longitudinale Elektronengeschwindigkeit von "

1 K2 β c = 1− 2 1+ 2γ 2 ∗

!#

c

(42)

mit einer Modulation ∼ cos(2ωu t) ablesen l¨aßt. Nochmals integriert: s = β ∗ ct +

cK 2 sin(2ωu t). 8ωu γ 2

(43)

In einem mit β ∗ c mitbewegten System eilt ein Elektron periodisch voraus oder bleibt zur¨ uck, und zwar mit der doppelten Frequenz der transversalen Schwingung. Zusammen mit x(t) (siehe oben) ergibt sich daraus eine “8“-f¨ormige Bahn, wobei die “8“ mit zunehmendem K breiter wird. 3.2.3

Die Strahlung eines Undulators

Abbildung 6 illustriert die Abstrahlung eines Undulators f¨ ur verschiedene F¨alle, wobei ¨ links x0 = dx/ds in Einheiten des halben Offnungskegels (1/γ) gegen die Position in Einheiten der Periodenl¨ange aufgetragen ist: 15

Abbildung 6: Schematische Darstellung der Bewegung von Elektronen (x0 als Funktion der longitudinalen Position) im Undulator und des von einem Beobachter wahrgenommenen elektrischen Feldes. Rechts das Undulatorspektrum, d.h. die Strahlungsintensit¨at als Funktion der Kreisfrequenz (bzw. Photonenenergie). • Bei kleinem K wird ein Beobachter auf der verl¨angerten Undulatorachse stets vom 1/γ-Kegel getroffen. Das wahrgenommene periodische elektrisches Feld (rot und blau dargestellt) entspricht einer Linie im Frequenzspektrum (vgl. Hertzscher Dipol). • Bei gr¨oßerem K trifft der 1/γ-Kegel den Beobachter periodisch. Die Fouriertransformierte des elektrischen Feldes zeigt geradzahlige Vielfache der Grundfrequenz (geradzahlige “Harmonische”). • Ist der Beobachter nicht auf der Undulatorachse, so ist das ±1/γ-Band, innerhalb dessen er getroffen wird, verschoben. Die Zeitintervalle, in denen ein Feld wahrgenommen wird, r¨ ucken paarweise zusammen. Im Spektrum treten nun auch ungeradzahlige Vielfache der Grundfrequenz auf. Diese idealisierte Darstellung entspricht dem tats¨achlich beobachteten Verhalten, auch ¨ wenn die Uberg¨ ange fließend sind, da der Strahlungskegel nicht scharf auf 1/γ begrenzt ist. Die Wellenl¨ange λ der ersten Undulator-Harmonischen erh¨alt man auch durch folgende Betrachtung: eine koh¨arente Addition elektromagnetischer Wellen erfordert Phasengleichheit, d.h. ein Elektron muss zwischen zwei aufeinanderfolgenden B¨ogen gerade um eine Wellenl¨ange gegen¨ uber dem Licht zur¨ uckbleiben. Die Bedingung lautet (vgl. Abbildung 7) 16

Abbildung 7: Im Undulator bleiben Elektronen pro Undulatorperiode λu gegen¨ uber dem abgestrahlten Licht (gestrichelt) um eine Wellenl¨ange λ zur¨ uck. Ein Beobachtungswinkel Θ zur Undulatorachse bewirkt eine Rotverschiebung.

K2 λu λ = λu − λu β c = λu (1 − β ) = 2 1 + 2γ 2 ∗



!

(44)

wobei β ∗ c die mittlere Elektronengeschwindigkeit (s. weiter oben) ist. Unter einem Beobachtungswinkel Θ 6= 0 verk¨ urzt sich die vom Elektron in Beobachtungsrichtung zur¨ uckgelegte Strecke, so dass die Differenz zunimmt (Rotverschiebung) "

(

K2 1 λ = λu − λu β c cos Θ ≈ λu 1 − 1 − 2 1 + 2γ 2 ! 2 λu K ≈ 1 + + γ 2 Θ2 , 2 2γ 2 ∗

#!

Θ2 1− 2

!)

(45)

wobei der Kosinus entwickelt und bei Ausmultiplizieren ein Term vernachl¨assigt wurde. Die Strahlung eines Undulators besteht also bei hinreichend kleinem K aus diskreten Linien, deren Breite mit der Dauer des Wellenzuges T = N λ/c = 2πN/ω◦ verkn¨ upft ist, wobei N die Zahl der Perioden des Magnetfeldes angibt. Das Fourierintegral der kastenf¨ormigen Amplitudenverteilung a ist A(ω) = √

a 2πT

Z

a sin [(ω − ω◦ )T /2] . e−i(ω−ω◦ )t dt = √ −T /2 2π (ω − ω◦ )T /2 T /2

(46)

Damit ergibt sich die Halbwertsbreite der Intensit¨at I(ω) = A2 (ω) zu

ω1/2 − ω◦ 0.9 ≈ . (47) ω◦ N Mit zunehmender Periodenzahl erh¨oht sich die Brillianz aufgrund der abnehmenden ¨ Linienbreite. Außerdem√wird der Offnungswinkel der Undulatorstrahlung in jeder Dimension kleiner (σx0 ,z 0 ∼ 1/ N ), so da die Brillianz insgesamt quadratisch mit N steigt. Verringert man den Magnetspalt eines Undulators, so steigt das Feld und damit der Parameter K mit der Konsequenz, dass - sich die Undulatorlinien zu niedriger Frequenz verschieben, - die h¨oheren Harmonischen ausgepr¨agter werden, 2

17

Abbildung 8: Bewegung von Elektronen gem¨aß der Pendelgleichung im Potenzial eines Lichtpulses. Aufgetragen ist die Energieabweichung in Einheiten der Ruhemasse gegen die Phase, wobei eine Periode des Lichts 2π entspricht. Links: Elektronen mit Startwert ∆γ =, wobei Energiegewinn und -verlust gleich groß sind. Rechts: Startwert ∆γ > 0, wobei im Durchschnitt Energie von den Elektronen an das Lichtfeld abgegeben wird. - die Einh¨ ullende der Linien dem Wigglerspektrum ¨ahnlich werden - und der Strahlungsf¨acher sich aufweitet. Im Grenzfall lassen sich die einzelnen Linien nicht mehr aufl¨osen und die Form des ¨ Spektrums geht in die eines Wigglers bzw. Ablenkmagneten u ist flie¨ber. Der Ubergang ßend und vollzieht sich nicht unbedingt bei dem willk¨ urlichen Wert von K = 1.

3.3

Freie-Elektronen-Laser

Freie-Elektronen-Laser (FEL) verst¨arken ein Lichtfeld, indem sie einem Elektronenstrahl Energie entziehen. Die Elektronen bewegen sich hierbei gemeinsam mit einer elektromagnetischen Welle (dem Licht) durch einen Undulator und ¨andern ihre Energie gem¨aß dE = −eEv⊥ ds, wobei E das transversale elektrische Feld und v⊥ die Transversalgeschwindigkeit der Elektronen ist. Die Bewegung eines Elektrons in einem mit dem Licht mitbewegten System (s. Abbildung 8) l¨aßt sich durch eine Pendelgleichung beschreiben (Details in Teil 2 der Vorlesung) Ψ00 (s) + Ω2 sin Ψ(s) = 0,

(48)

wobei Ψ die Phasenlage bez¨ uglich der Lichtwelle ist. Die andere Koordinate, in der sich das Elektron bewegt, ist ∆γ, die Abweichung von der Energie (in Einheiten der Ruhemasse), die gem¨aß der Resonanzbedingung K2 1 λ= 2 1+ 2γ 2

!

(49)

zur Wellenl¨ange λ paßt. Bei kleiner Verst¨arkung (low gain) wie im Fall eines SpeicherringFELs ergibt sich der Energie¨ ubertrag wie in der Abbildung f¨ ur den Startwert ∆γ > 0 skizziert. Starten die Elektronen mit ∆γ < 0, gewinnen sie Energie aus dem Lichtfeld (inverser FEL). Insgesamt folgt der Verst¨arkungsfaktor G(∆γ) ∼ dI/d(∆γ) der Ableitung der Strahlungsintensit¨at des Undulators (Madey-Theorem). 18

In einem Speicherring-FEL baut sich das Lichtfeld zwischen zwei Spiegeln u ¨ber viele Uml¨aufe der Elektronen auf. F¨ ur Wellenl¨angen im nm-Bereich gibt es jedoch keine Spiegel, so dass sich der FEL-Prozess mit einem einzigen Durchlauf durch den Undulator vollziehen muss (high gain). Dies ist beim SASE-Prinzip (self-amplified spontaneous emission) der Fall, nach dem auch der FEL bei DESY (der weltweit einzige, der im Ultaviolett betrieben wird – inzwischen bis 13 nm) funktioniert. In einem langen Undulator entsteht zun¨achst normale (“spontane”) Synchrotronstrahlung der Wellenl¨ange λ, deren Intensit¨at proportional zur Elektronenzahl n ist und in dessen Feld sich die Elektronen langsam zu Gruppen im Abstand von λ formieren. Diese Gruppen strahlen bei dieser Wellenl¨ange koh¨arent, die Intensit¨at ist proportional zu n2 , was ein enormer Gewinn gegen¨ uber der spontanen Strahlung ist. Da dieser Prozess einen hohen Spitzenstrom (d.h. kurze Elektronenpaketl¨angen) ben¨otigt, werden SASE-FELs mit Linearbeschleunigern betrieben. Statt mit spontaner Strahlung, die ein Zufallsprozess ist, k¨onnte man auch mit einem Laserpuls beginnen, mit dem man Pulsdauer und Strahlungsspektrum besser steuern k¨onnte. Dazu muß man aber die lange Laserwellenl¨ange (i.d.R. sichtbares Licht) in die gew¨ unschte kurze Wellenl¨ange “konvertieren”. Solche Verfahren (seeding) sind derzeit Gegenstand der Forschung.

4 4.1

Lineare Teilchenoptik Das Phasenraumkonzept

Die Bewegung jedes Teilchens in einem Teilchenstrahl ist zu einem gegebenen Zeitpunkt t durch drei Ort- und drei Impulskoordinaten bestimmt, die zusammen einen Vektor im sogenannten Phasenraum bilden: P~ (t) = {p1 (t), p2 (t), p3 (t), q1 (t), q2 (t), q3 (t)}

(50)

Vorerst soll die Betrachtung eines Koordinatenpaars P~ (t) = {p(t), q(t)} gen¨ ugen, weil in einem Beschleuniger die horizontale, vertikale und longitudinale Bewegungen von Teilchen weitgehend voneinander entkoppelt sind. Liouvillescher Satz (Joseph Liouville 1809-1882): Unter Einfluß von Kr¨aften, die aus einer Hamiltionfunktion abgeleitet werden k¨onnen, bewegen sich die Strahlteilchen derart, dass die lokale Dichte in der Phasenraumumgebung jedes Teilchens konstant bleibt (William Hamilton 1805-1865). Das Phasenraumvolumen verh¨alt sich wie eine inkompressible Fl¨ ussigkeit. Es muss also eine Hamiltonfunktion existieren, so dass ∂H = −p˙ und ∂q

∂H = q. ˙ ∂p

(51)

Ist die Hamiltonfunktion zeitunabh¨angig, so ist H gerade die Summe aus potentieller Energie V und kinetischer Energie T . Insbesondere gilt der Liouvillesche Satz in einem System, in dem nur konservative Kr¨afte wirken. Die lokale Dichte in einem Phasenraumvolumen soll also erhalten bleiben, d.h. dass genauso viele Teilchen pro Zeiteinheit das Volumen verlassen wie eintreten, bzw. das Oberfl¨achenintegral

19

Abbildung 9: Mitbewegtes Koordinatensystem (x, z, s), wobei s stets tangential zur Sollbahn ist.

∆p/p

z’

x’ x

φ

z

Abbildung 10: Horizontaler, vertikaler und longitudinaler Phasenraum. I

˙ P~ d~s

(52)

S

verschwindet. Anwenden des Gaußschen Satzes ergibt mit den Hamiltonschen Gleichungen I S

˙ P~ d~s =

I

U

~ · P~˙ dU = ∇

I

U

!

∂ q˙ ∂ p˙ + dU = ∂q ∂p

I

U

!

∂H ∂H − dU = 0. ∂p∂q ∂q∂p

(53)

F¨ ur einen stabilen Strahl gilt dies auch in der weiteren Umgebung. Ein instabiler oder angeregter Strahl kann jedoch “filamentieren“, d.h. lokal ist die Phasenraumdichte konstant, global nicht (vergleichen Sie ein Glas Bier mit einem Kubikmeter Bierschaum, was w¨are Ihnen lieber?). Beim Beschleunigungsvorgang oder bei Anwesenheit dissipativer Ph¨anomene wie etwa der Synchrotronstrahlung sind die Voraussetzungen des Liouvilleschen Satzen eigentlich nicht mehr gegeben, doch kann dies aus verschiedenen Gr¨ unden oft ignoriert werden – kleine St¨orungen, kurze Zeitr¨aume, Mittelung u ¨ber viele Teilchen. Die Teilchenbewegung in einem Beschleuniger oder Speicherring wird f¨ ur kleine Abweichungen um die Idealbahn beschrieben, und zwar in einem mit dem Strahl “mitbewegten“ Koordinatensystem, dessen Ursprung einem Idealteilchen folgt: 20

x

2 1

s 3 4

x’

x’

x’

2

x

1

3

x

x

4

Abbildung 11: Vier repr¨asentative Teilchentrajektorien in feldfreier Umgebung (“Driftstrecke”) an einer Strahltaille und ihre Darstellung im horizontalen Phasenraum. ~x◦ sei der Einheitsvektor horizontal senkrecht zur Bahn. ~z◦ sei der Einheitsvektor vertikal senkrecht zur Bahn. ~s◦ sei der Einheitsvektor tangential zur Bahn. Die Koordinate s beschreibt den Ort des Ursprungs des mitbewegten Systems entlang der Idealbahn, der sich mit der Geschwindigkeit v (oft ≈ c) bewegt. Es werden u ¨blicherweise folgende Phasenraumkoordinaten verwendet: • horizontal: x und x0 ≡ ∂x/∂s ≈ px /p • vertikal: z und z 0 ≡ ∂z/∂s ≈ pz /p • longitudinal: φ (Hf-Phase) und ∆p/p (oder ∆E/E, wobei p (E der Sollimpuls (die Sollenergie) und ∆p (∆E) die Abweichung davon ist. In der Regel kann die Teilchenverteilung in jeder Koordinate als normalverteilt angenommen werden. Die Teilchendichte z.B. im horizontalen Phasenraum ist dann x2 x02 N · exp − 2 − 2 ρ(x, x ) = 2π σx σx0 2σx 2σx0 0

21

!

,

(54)

wobei N die Gesamtzahl der Teilchen und σx die Standardabweichung in x ist, die man oft als “Strahlgr¨oße“ definiert (analog f¨ ur x0 ). Die Funktionen ±σx (s) bilden die “Einh¨ ullende“ des Strahls (manchmal “Enveloppe” genannt). Die konstante Phasenraumfl¨ache innerhalb einer Standardabweichung (in der fast 90% der Teilchen liegen) ist Ax = πεx ,

(55)

wobei ε die “horizontale Emittanz“ ist und die Einheit rad m besitzt (z.B. typisch einige 10−9 rad m bei Synchrotronstrahlungsquellen, die vertikale Emittanz ist i.d.R. 1-2 Gr¨oßenordnungen kleiner). Beim Beschleunigungsvorgang ist die Emittanz nicht konstant, sondern nimmt mit zunehmendem Teilchenimpuls ∼ βγ ab. Bei Linearbeschleunigern wird oft die normierte Emittanz ε/βγ angegeben. Das horizontale oder vertikale Phasenraum“volumens“ ist eine Ellipse, die f¨ ur einen bestimmten Ort entlang des Beschleunigers oder Speicherrings charakteristisch ist, jedoch von Ort zu Ort variiert. Besitzt der Stahl eine Taille oder einen Bauch, steht die Ellipse aufrecht, ansonsten ist sie geneigt. Dies wird anschaulich durch Betrachtung der Phasenraumpunkte (±σx , 0) und (0, ±σx0 ) in einer einer feldfreien Strecke (Driftstrecke, s. Abbildung 11). Die Teilchentrajektorien bilden ein B¨ undel auseinanderstrebender Geraden. Ausgehend von einer Taille wird x bzw. −x f¨ ur Teilchen mit x0 > 0 bzw. x0 < 0 stetig gr¨oßer, was die Notwendigkeit fokussierender Kr¨afte verdeutlicht.

4.2

Magnete zur Strahlfu ¨ hrung

~ durch ein In Bereichen, in denen die Stromdichte null ist, kann man das Magnetfeld H skalares Potential ausdr¨ ucken: ~ =0 ∇×H

~ = ∇ϕ . H (56) ~ durch ein skalares Potential Φ = µ◦ µr ϕ Ebenso kann man die magnetische Flußdichte B ~ = 0 der Laplace-Gleichung gen¨ darstellen, das wegen ∇B ugt: ~ = ∇Φ B

und

∇2 Φ = 0 .

(57)

Anmerkung zur Laplace-Gleichung: Numerisch angen¨ahert kann man schreiben !

1 Φ(∆x) − Φ(0) Φ(0) − Φ(−∆x) − ∆x ∆x ∆x ! 1 Φ(∆z) − Φ(0) Φ(0) − Φ(−∆z) + − ∆z ∆z ∆z ! 1 Φ(∆s) − Φ(0) Φ(0) − Φ(−∆s) − = 0. + ∆s ∆s ∆s

(58)

Nach Φ(0) aufgel¨ost folgt daraus Φ(0) =

1 {Φ(∆x) + Φ(−∆x) + Φ(∆z) + Φ(−∆z) + Φ(∆s) + Φ(−∆s)} , 6 22

(59)

Abbildung 12: Dipol-, Quadrupol- und Sextupolmagnet mit Integrationsweg zur BerechR ~ s werden nung des Magnetfelds als Funktion des Stroms. Die gestrichelten Anteile von Hd~ ~ ⊥ d~s). vernachl¨assigt (im Eisen wegen µr  1, die waagerechten Pfade wegen H d.h. bei einer skalaren Gr¨oße, die der Laplace-Gleichung gen¨ ugt, ist jeder Wert einfach das arithmetische Mittel der Nachbarwerte. Das kann man f¨ ur numerische L¨osungen der Laplace-Gleichung ausnutzen (z.B. Gauss-Seidel-Algorithmus). Die vertikale Komponente der magnetischen Flußdichte sei nun gegeben durch Bz (x, z) = Gz (x) + f (z), d.h. durch einen gew¨ unschten Verlauf Gz (x) in horizontaler Richtung (z.B. konstant f¨ ur Ablenkmagnete) und einen unbekannten Verlauf f (z) in vertikaler Richtung. Das Potential ist Φ(x, z) =

Z

Bz (x, z)dz = Gz (x)z +

Z

f (z)dz .

(60)

Die Verwendung der Laplace-Gleichung liefert einen Ausdruck f¨ ur f (z): d2 Gz (x) d2 Gz (x) df (z) z 2 d2 Gz (x) z + = 0 ; f (z) = − z dz = − . (61) dx2 dz dx2 2 dx2 Somit kann das Potential aus der vorgegebenen Funktion Gz (x) gem¨aß Z

∇2 Φ(x, z) =

z 3 d2 Gz (x) 6 dx2 berechnet werden, so dass (Bx , Bz ) = (dΦ/dx, dΦ/dz). Relevante F¨alle sind: Φ(x, z) = Gz (x)z −

(62)

Dipol : Gz (x) = B◦ Φ = B◦ z dBz x = gx Φ = gxz Quadrupol : Gz (x) = dx 3 1 d2 Bz 2 1 0 2 1 0 2 0z Sextupol : Gz (x) = g x Φ = g x z − g . (63) x = 2 dx2 2 2 6 Das Feld soll idealerweise senkrecht zu den Polen eines Eisemagneten verlaufen, d.h. ¨ die Oberfl¨ache der Pole soll einer Aquipotentiallinie (Φ = const.) folgen, z.B. parallel zur x-Achse f¨ ur Dipole oder hyperbolisch gem¨aß z(x) ∼ 1/gx f¨ ur Quadrupole. 23

Abbildung 13: Erzeugung eines Dipolfelds mit einem supraleitenden Magneten, links eine cos Θ-Stromverteilung, rechts eine N¨aherung mit schalenf¨ormig angeordneten Stromleitern. Das f¨ ur eine vorgegebene Magnetst¨ arke ben¨otigte Produkt aus Strom I und Zahl der H ~ Windungen n kann man mit Hd~s = nI absch¨atzen, indem man beliebig hohe Permeabilit¨at f¨ ur das Eisen annimmt. Damit tr¨agt nur der Luftspalt zum Integral bei und mit den in Abbildung 12 gezeigten Intergrationswegen findet man: h B◦ µ◦ R2 Quadrupol : nI = g 2µ◦ R3 0 g . Sextupol : nI = 6µ◦ Dipol : nI =

(64) (65) (66)

Mit konventionellen Magneten, bei denen Kupferleiter (oft mit K¨ uhlwasserkanal, also eigentlich Kupferrohre) um Eisenpole gewickelt werden, erreicht man Feldst¨arken von maximal 2 T. Das Eisen ist dann schon stark ges¨attigt und die Relation zwischen Feldst¨arke und Strom ist nicht mehr linear. Seit einigen Jahren werden insbesondere bei Protonenbeschleunigern (z.B. dem HERA-Protonenring bei DESY) auch supraleitende Luftspulen (d.h. ohne Eisenjoch) erfolgreich eingesetzt. Hier besteht weder das Problem des Ohmschen Widerstandes noch das der S¨attigung. Es gibt allerdings – neben technischen Herausforderungen – eine maximale Magnetfeldst¨arke, bei der ein Supraleiter in den normalleitenden Zustand u ¨bergeht. Das B-Feld einer Luftspule wird aus dem Spulenstrom ganz allgemein nach dem BiotSavart-Gesetz berechnet. F¨ ur den speziellen Fall einer zylinderf¨ormigen Verteilung von Str¨omen in und entgegen der Teilchenstrahlrichtung, die im Azimuthalwinkel Θ gem¨aß dI(Θ) = I◦ cos(mΘ)dΘ nach Multipolen entwickelt werden, kann man (“leicht”) zeigen, dass

24

(67)

µ◦ I◦ m−1 x , (68) 2Rm d.h. ein perfekter Dipolmagnet ergibt sich mit m = 1, ein Quadrupol mit m = 2 und ein Sextupol mit m = 3. So einfach und elegant dieser Sachverhalt ist, in der Praxis muss man die Multipolverteilung des Stroms durch geschickte Anordnung von Stromleitern ann¨ahern (s. Abbildung 13). Bz (x) =

4.3

Bewegungsgleichung im “mitbewegten“ System

~ = (Bx , Bz , 0) betrachtet, deren Komponenten Es werden nur transversale Magnetfelder B nach Multipolen entwickelt werden, z.B. f¨ ur Bz : dBz 1 d2 Bz 2 x+ x +... bzw. dx 2 dx2 e e dB e 1 d2 B 2 1 1 e Bz (x) = Bz◦ + x+ x + . . . = − k · x + m · x2 + . . . p p p dx p 2 dx2 R 2 Bz (x) = Bz◦ +

(69)

Der erste Term beschreibt ein Dipolfeld mit Biegeradius R, wobei 1/R = (e/p)Bz◦ aus der Gleichheit von Lorentzkraft und Zentripetalkraft folgt. 1 0.3 B [T] = R [m] p [GeV/c]

In praktischen Einheiten :

(70)

wobei der Faktor 0.3 von c [m/s]/109 herr¨ uhrt. Der zweite Term beschreibt ein Quadrupolfeld mit Fokussierst¨arke k, wobei das Minuszeichen einer Konvention entspricht: k > 0 f¨ ur horizontal defokussierende, vertikal fokussierende Quadrupole, k < 0 f¨ ur horizontal fokussierende, vertikal defokussierende Quadrupole. k [1/m2 ] =

In praktischen Einheiten :

0.3 g [T/m] , p [GeV/c]

(71)

Der dritte Term beschreibt ein Sextupolfeld der St¨arke m. Sextupolmagnete korrigieren die Fehlfokussierung von Teilchen, deren Impuls vom Sollimpuls p abweichen. In der linearen Optik beschr¨ankt man sich zun¨achst auf die ersten beiden Terme. Die von einem magnetischen Feld auf eine Ladung e ausge¨ ubte Kraft ist 



~ . F~ = e ~v × B

(72)

Mit ~¨r = F~ /m ergeben sich die Komponenten der Bewegungsgleichung: e e (r˙z Bs − r˙s Bz ) = − r˙s Bz m m e e = (r˙s Bx − r˙x Bs ) = r˙s Bx m m e (r˙x Bz − r˙z Bx ) , = m

r¨x = r¨z r¨s

25

(73)

wobei Terme mit Bs bei rein transversalen Feldern verschwinden. Ziel der folgenden Betrachtung ist es, den Teilchenvektor ~r = ~r◦ + x~x◦ + z~z◦ .

(74)

und seine Ableitungen durch Komponenten des mitbewegten Koordinatensystems auszudr¨ ucken und in die Bewegungsgleichung einzusetzen. Dabei ist zu beachten: • dϕ = (1/R) ds und damit ϕ˙ = (1/R) s. ˙ • Der Koordinatenursprung ~r◦ bewegt sich stets in Richtung von ~s◦ . d~r◦ = ds ~s◦ ~r˙◦ = s˙ ~s◦

(75)

• Bei horizontaler Drehung dϕ verschiebt sich ~x◦ in Richtung von ~s◦ . d~x◦ = dϕ~s◦

~x˙◦ = ϕ~ ˙ s◦

~x˙◦ = (1/R)s˙ ~s◦

(76)

• Bei horizontaler Drehung dϕ verschiebt sich ~s◦ in Richtung von −~x◦ . d~s◦ = −dϕ~x◦ ~s˙◦ = −ϕ~ ˙ x◦ ~s˙◦ = −(1/R)s˙ ~x◦

(77)

• Ohne vertikale Drehung ¨andert sich ~z◦ nicht (“flache Maschine“). d~z◦ = 0 ~z˙◦ = 0

(78)

Mit diesen Relationen ist die erste und zweite Ableitung von ~r: 



x ~s◦ ~r˙ = ~r˙◦ + x~ ˙ x◦ + x~x˙◦ + z~ ˙ z◦ = x~ ˙ x◦ + z~ ˙ z◦ + s˙ 1 + R x x x˙ ˙ s◦ + s¨~s◦ + s˙~s˙◦ + z¨~z◦ ~¨r = s¨~s◦ + s˙~s˙◦ + x¨~x◦ + x˙ ~x˙◦ + s~ R R R  2  s˙ x 2x˙ s˙ = x¨~x◦ − 1+ ~x◦ + z¨~z◦ + ~s◦ R R R

(79)

Longitudinale Geschwindigkeits¨anderungen d.h. Terme mit s¨ wurden vernachl¨assigt. Einsetzen in die beiden transversalen Komponenten der obigen Bewegungsgleichung liefert bereits die gew¨ unschten Bewegungsgleichungen im mitbewegten System x s˙ 2 1+ x¨ − R R 







e x = − s˙ 1 + Bz m  R x e s˙ 1 + z¨ = Bx . m R

(80)

Es sollen nur noch drei Modifikationen vorgenommen werden. Erstens werden die magnetischen Feldkomponenten durch ihre Multipolentwicklung ausgedr¨ uckt, und zwar beschr¨ankt auf vertikale Dipolfelder (horizontale Biegeradien) sowie Quadrupolfelder:

26



e 1 e Bz = v Bz = v − kx m p R e e Bx = v Bx = −vkz . m p



(81)

Zweitens, um die Teilchengeschwindigkeit v durch die Variable s˙ auszudr¨ ucken, muss in einem Dipolmagneten der Radius der Kurve ber¨ ucksichtigt werden, der bei horizontaler Ablage x vom Sollradius R abweicht: 



x R+x = s˙ 1 + (82) R R Drittens wird noch eine kosmetische Korrektur vorgenommen, da in der Beschleunigerphysik statt der zeitlichen Ableitung die Ableitung nach s u ¨blich ist: v = s˙

dx ds dx0 ds = x0 s˙ und x¨ = s˙ + x0 s¨ = x00 s˙ 2 ds dt ds dt Das alles in die Bewegungsgleichungen eingesetzt x˙ =

x s˙ 2 1+ x s˙ − R R 

00 2



z 00 s˙ 2



 

x 2 1 = −s˙ 1 + − kx R R   x 2 = −s˙ 2 1 + kz R 2

(¨ s = 0!)



(83)

(84)

und Vernachl¨assigung von Gliedern h¨oherer Ordnung in x oder z ergibt schließlich die endg¨ ultige Form der linearen Bewegungsgleichungen f¨ ur Teilchen in Dipol- und Quadrupolfeldern: !

1 − k(s) x(s) = 0 x (s) + 2 R (s) z 00 (s) + k(s)z(s) = 0 00

(85)

Hier wurde die s-Abh¨angigkeit aller Variablen explizit hingeschrieben. An einer bestimmten Stelle s ist meist nur R 6= 0 (reiner Dipol) oder k 6= 0 (reiner Quadrupol). Es gibt aber auch combined function-Magnete mit R 6= 0 und k 6= 0, die als Dipole mit geneigten Polschuhen realisiert werden. Ein feldfreier Abschnitt (Driftstrecke) ist durch k = 0 und R → ∞ gegeben. Es handelt sich bei den Bewegungsgleichungen um Differentialgleichungen vom Hill’schen Typ. W¨are k konstant, z.B. vertikal fokussierend, so w¨ urde ein Teilchen vertikal eine harmonische Schwingung vollf¨ uhren. Allerdings ist ein vertikal fokussierender Quadrupol stets horizontal defokusierend. Entweder u ¨ berwiegt horizontal die (nur schwach) fokussierende Wirkung des 1/R2 -Terms, was nur noch von historischem Interesse ist (z.B. Cosmotron 1952, Brookhaven National Lab), oder k muss gelegentlich das Vorzeichen wechseln, damit die Teilchenbahn in beiden Ebenen stabil ist. In jeder Ebene ergibt sich somit eine “ruckartige“ Schwingung mit st¨andig wechselnder Frequenz und Amplitude. Diese transversale Teilchenbewegung heißt Betatron-Oszillation. 27

4.4

Spezielle L¨ osungen der Bewegungsgleichung

a) Fokussierender Quadrupolmagnet: Die allgemeine L¨osung der vertikalen Bahngleichung f¨ ur konstantes k > 0 ist: z(s) = A cos Ω + B sin Ω mit Ω = q

q

z 0 (s) = − |k|A sin Ω + An der Stelle s = 0 ist

z(0) = A und z 0 (0) =

q

|k|B cos Ω

q

|k|s

(86)

q

bzw. B = z 0 (0)/ |k|

|k|B

(87)

Unter der Wurzel wurde |k| geschrieben, damit die folgenden Ausdr¨ ucke auch f¨ ur negatives k gelten. Nach dem Einsetzen der Konstanten A und B bietet sich folgende Matrixschreibweise an: z(s) z 0 (s)

!



=

√1 sin Ω

cos Ω q

|k|

− |k| sin Ω

cos Ω



z(0) z 0 (0)

·

!

(88)

b) Defokussierender Quadrupolmagnet: Die analoge L¨osung der horizontalen Bahngleichung, wieder f¨ ur k > 0 und ohne Biegewinkel, f¨ uhrt zu: x(s) x0 (s)



!

cosh Ω

= q |k| sinh Ω

√1 sinh Ω |k|

cosh Ω



x(0) x0 (0)

·

!

(89)

c) Schwache Fokussierung des Dipolmagneten: Die L¨osung im Dipol (endlicher Bahnradius R, Gradient k = 0) ist analog zum fokussierenden Quadrupol, wobei k durch 1/R2 ersetzt wird: x(s) x0 (s)

!

 



  

R sin Rs cos Rs     ·  = − R1 sin Rs cos Rs

x(0) x0 (0)

!

(90)

Ein Dipol wirkt also auch ohne Feldgradient horizontal fokussierend: zwei parallel zueinander versetzte Kreisb¨ogen n¨ahern sich einander an. Dieser Effekt heißt “schwache Fokussierung“, da f¨ ur typische Werte 1/R2  k ist. d) Kantenfokussierung des Dipolmagneten: Dipolmagnete werden oft aus gestapelten Blechen hergestellt, so dass die beiden Stirnfl¨achen parallel zueinander sind. Bei solchen “Rechteckmagneten“ treten Kanteneffekte auf, die beim “Sektormagneten“ (Stirnfl¨achen sind im Biegewinkel zueinander geneigt) nicht vorhanden sind. Sind die Fl¨achen um einen Winkel Ψ (= halber Biegewinkel beim Rechteckmagneten) gegen die Idealbahn geneigt, gelten folgende Gleichungen: x(s) x0 (s) z(s) z 0 (s)

! !

=

=

1 tan Ψ R

1 − tanRΨ 28

0 1 0 1

!

x(0) x0 (0)

·

!

·

z(0) z 0 (0)

! !

(91) (92)

Abbildung 14: Schwache Fokussierung im Dipolmagneten. ¨ Die geneigte Stirnfl¨ache bewirkt eine Anderung Wegstrecke im Feld um ∆ = x tan Ψ im Vergleich zum Sektormagneten, was horizontal zu einer Verringerung der schwachen Fokussierung um ∆/R f¨ uhrt. Vertikal ergibt sich ein fokussierender Effekt aus dem Randfeld. Bei z = 0 ist das Randfeld senkrecht zur Teilchenbahn. Mit zunehmendem z besitzt es eine zunehmende Komponente parallel und – im Gegensatz zum Sektormagneten – auch senkrecht zur Bahn. e) Driftstrecke: Im feldfreien Raum gilt die einfache Beziehung x(s) x0 (s)

!

=

1 s 0 1

!

·

x(0) x0 (0)

!

und ebenso in z

(93)

Damit sind alle wesentlichen linearen Elemente eines Beschleunigers genannt. Die allgemeine Struktur aller obigen Gleichungen, die Transformationen des Teilchenvektors ~ = (x, x0 , z, z 0 ) von s = 0 an eine andere Stelle des Beschleunigers beschreiben, ist X  

 ~ ~ X(s) = M · X(0) mit M =  

m11 m12 0 0 m21 m22 0 0 0 0 m33 m34 0 0 m43 m44



  , 

(94)

wobei M Transformations- oder Transfermatrix heißt und Untermatrizen f¨ ur die horizontale und vertikale Ebene enth¨alt. Bei einem Abschnitt, der aus mehreren Elementen besteht, entsteht die Transfermatrix des gesamten Abschnitts durch Matrizenmultiplikation. Beispiel: MRechteckdipol = Mhintere

Kante

· Mschwache

Fokussierung

· Mvordere

Kante .

(95)

Ein weiteres Beispiel: Multiplikation der Matrizen aller Elemente eines Speicherrings ergibt die Matrix f¨ ur einen vollen Umlauf (1-turn-Matrix). Die m¨ uhsame Aufgabe der Matrizenmultiplikation und Transformation von Teilchenvektoren erf¨ ullt i.d.R. ein Computerprogramm (tracking code).

4.5

Dispersion

Die bisherige Diskussion war auf Teilchen mit Sollimpuls p beschr¨ankt. H¨atte man bei der Ableitung der Bewegungsgleichungen einen davon abweichenden Impuls p (1 + ∆p/p) 29

ber¨ ucksichtigt, w¨are die horizontale Gleichung inhomogen geworden. Im Dipolmagneten mit Biegeradius R (und k = 0): 1 ∆p 1 x = 2 R R p 1 1 D 00 + 2 D = , R R x00 +

(96) (97)

d.h. die auf die Impulsabweichung normierte horizontale Abweichung D(s) = x(s)/(∆p/p) eines Teilchens von der Sollbahn erh¨alt man nach Division der Gleichung durch ∆p/p. D(s) heißt Dispersionsfunktion. Die Impulsunsch¨arfe von Teilchenstrahlen ist im Bereich von 0.1%, Impulsabweichungen z.B. durch Streuung an Restgasatomen, bei denen ein Teilchen nicht verloren geht, liegen bei wenigen Prozent des Sollimpulses. Der L¨osungsansatz lautet: 







s s + B sin +R D(s) = A cos R   R   s s 0 D (s) = −(A/R) sin + (B/R) cos R R

(98)

Mit den Anfangsbedingungen D(0) = A + R und D 0 (0) = B/R ist 











s s s D(s) = D(0) cos + D 0 (0)R sin + R 1 − cos R R R       s s s D(0) sin D 0 (s) = − + D 0 (0) cos + sin . R R R R



(99)

Es bietet sich an, die horizontale Untermatrix der Tranfermatrix um eine Zeile und Spalte zu erweitern: 

 

 

R sin Rs cos Rs x(s)       0  s s 1  x (s)  =  − sin cos  R R R ∆p/p 0 0 



h

 i   s  R   · sin Rs 

R 1 − cos 1



x(0) x0 (0)   ∆p/p

(100)

Die horizontale Verschiebung der Bahn eines impulsabweichenden Teilchens xD (s) = ¨ (∆p/p)D(s) bewirkt auch eine Anderung der Bahnl¨ange. Der wesentliche Effekt ist die ¨ Anderung der Bogenl¨ange in den Dipolen: ∆L = L − L◦ =

I

R + xD (s) ds − R

I

ds = ∆p/p

I

D(s) ds. R(s)

(101)

Der momentum compaction factor α mißt die relative L¨angen¨anderung eines Umlaufs um einen Speicherring pro relative Impulsabweichung: 1 ∆L/L◦ = α= ∆p/p L◦ 30

I

D(s) ds. R(s)

(102)

4.6

Allgemeine L¨ osung der Bewegungsgleichung

Die Bahngleichung mit ortsabh¨angiger Quadrupolst¨arke x00 (s) + k(s)x(s) = 0.

(103)

wird durch folgenden Ansatz erf¨ ullt: x(s) =

√ q ε β(s) cos µ mit µ ≡ Ψ(s) + φ

(104)

Im Matrizenformalismus ergab sich x(s) aus der Angabe eines Ausgangsvektors und weiterer Gr¨oßen wie z.B. St¨arke und L¨ange eines Quadrupolmagneten, aus denen Matrixelemente gebildet wurden. Dieselbe Information steckt implizit in den Gr¨oßen: ε: Wirkungsvariable, Einteilchen-Emittanz oder Courant-Snyder-Invariante (s-unabh¨angig). β(s): Amplituden- oder Beta-Funktion µ(s): Phase, bestehend aus Anfangsphase φ und Phasenvorschub Ψ(s). Wozu ist allgemeine L¨osung gut? Die Struktur der Gleichung l¨aßt die oszillatorische Teilchenbewegung erkennen, was man dem Produkt von Transfermatrizen nicht ansieht. Beta-Funktion und Phasenvorschub erlauben Aussagen u ¨ ber die Teilchenbewegung, auch wenn man die explizite Anfangsbedingung nicht kennt, was insbesondere f¨ ur die Beschreibung eines Teilchenstrahls als Ensemble vieler Teilchen wichtig wird. Um den Zusammenhang zwischen Beta-Funktion und Phasenvorschub zu sehen, muss die erste und zweite Ableitung von x(s) gebildet werden: √ q √ β0 q cos µ − ε β(s)Ψ0 sin µ ε x (s) = 2 β(s) √ √ 0 √ 00 √ ε β β − β 02 /2 β εβ 00 cos µ − √ Ψ0 sin µ x (s) = 2 β 2 β √ 0 q √ √ q εβ √ Ψ0 sin µ − ε βΨ02 cos µ − ε βΨ00 sin µ − 2 β 0

(105)

Damit der Ansatz f¨ ur alle Anfangsphasen gilt, m¨ ussen die sin- und cos-Terme jeweils die Bewegungsgleichung erf¨ ullen. F¨ ur die sin-Terme bedeutet dies q β0 (βΨ0 )0 √ Ψ0 + βΨ00 = 0 = √ β β



βΨ0 = c1



Ψ(s) =

Z

s 0

c1 d¯ s + c2 , β(¯ s)

(106)

wobei man die Integrationskonstanten zu c1 = 1 und c2 = 0 festgelegt. Eine kleine Beta-Funktion bewirkt also einen schnellen Phasenvorschub. Oft ist die Bewegung eines Teilchens im Phasenraum (x, x0 ) von Interesse. Um die Phase µ zu elimineren bildet man √ 0 βx αx x cos µ = √ √ sin µ = − √ − √ √ , (107) ε ε β ε β

31

wobei die gebr¨auchliche Abk¨ urzung α(s) ≡ −β 0 (s)/2 verwendet wurde. Ferner soll 2 γ(s) ≡ (1+α(s) )/β(s) definiert werden. β(s), α(s), γ(s) werden auch “Twiss-Parameter“ genannt. Aus sin2 µ + cos2 µ = 1 ergibt sich: q x2 α ε= + − √ x − β x0 β β

!2

= γ x2 + 2α x x0 + β x02

(108)

Dies ist die Gleichung einer Ellipse in (x, x0 ) mit folgenden Eigenschaften: • Die Form der Phasenellipse ist durch β(s), α(s), γ(s) gegeben. • Ist α(s) = 0, so steht die Phasenellipse aufrecht. • Die Fl¨ache der Phasenellipse ist konstant und √ agt πε. √ betr¨ • Die maximale Auslenkung im Ort ist x = ± ε √β. √ • Die maximale Auslenkung im Winkel ist x0 =√± ε γ. √ • Die Ellipse schneidet die Ortsachse in x = ± ε/√ γ.√ • Die Ellipse schneidet die Winkelachse in x0 = ± ε/ β. Eine analoge Betrachtung gilt im vertikalen Phasenraum (z, z 0 ), der seine eigenen Twiss-Parameter hat. Zu den Gr¨oßen β, α, γ, ε, D und D 0 geh¨ort stets ein Index x oder z, der hier aus Bequemlichkeit weggelassen wurde. Bei den Dispersionsfunktionen D und D 0 kann man die Ausrede gelten lassen, dass ja “flache“ Maschinen betrachtet werden, die – in einer idealen Welt – keine vertikale Dispersion haben. Der longitudinale Phasenraum – beschrieben durch die longitudinale Koordinate δ und die Impulsabweichung – wird gesondert behandelt. Im Unterschied zu den transversalen Koordinaten steht die longitudinale Phasenraumellipse immer aufrecht (wie bei αx,y = 0), außerdem ist die longitudinale Bewegung viel langsamer: in einem typischen Speicherring werden pro Umlauf ca. 10 transversale Betatron-Schwingungen ausgef¨ uhrt, w¨ahrend eine longitudinale Schwingung (sog. Synchrotron-Oszillation) etwa 100 Uml¨aufe ben¨otigt. Manchmal ist es von Vorteil, ein “normiertes Koordinatensystem“ (η, η 0 ) mit x ηx = √ εβ

und

ηx0

=x

0

s

β αx +√ ε εβ

(109)

zu verwenden. Die Kreisgleichung ηx2 + ηx02 = 1

(110)

ist der obigen Ellipsengleichung ¨aquivalent.

4.7

Transformation der optischen Funktionen

Transfermatrizen k¨onnen in der Form M=

C S C0 S0

!

(111)

mit “cosinus-” und “sinusartigen” Funktionen C und S geschrieben werden, wie man an den Matrizen f¨ ur Dipol, Quadrupol und Driftstrecke sieht (nicht jedoch an der Matrix f¨ ur die Kantenfokussierung, die eine N¨aherung darstellt). F¨ ur s = 0 ist detM = CS 0 − SC 0 = 32

1. Dies gilt allgemein, wenn man bedenkt, dass die Hill’sche Differentailgleichung f¨ ur jede Funktion separat erf¨ ullt ist (C 00 + kC = 0 und S 00 + kS = 0) und damit d (CS 0 − SC 0 ) = CS 00 + C 0 S 0 − S 0 C 0 − SC 00 = 0 . ds Die Phasenraumellipsen eines Teilchens sind an jeder Stelle fl¨achengleich: 0 2 02 0 2 ε = β0 x02 0 + 2α0 x0 x0 + γ0 x0 = β1 x1 + 2α1 x1 x1 + γ1 x1 .

(112)

(113)

Benutzt man die inverse Transfermatrix (unter Ausnutzung von detM = 1) x0 x00

!

=

C S C0 S0

!−1

x1 x01

!

=

S 0 −S −C 0 C

!

x1 x01

!

(114)

0 und vergleicht die Koeffizienten der x21 -, x02 1 - und x1 x1 -Terme der linken und rechten Ellipsengleichung miteinander, so erh¨alt man die Transformationsgleichungen f¨ ur die optischen Funktionen, hier in der kompakten Matrixform:



.





 



β1 C2 −2SC S2 β0     0 0 0 0    α1  =  −CC SC + S C −SS  ·  α0  γ1 C 02 −2S 0 C 0 S 02 γ0

(115)

Beispiel: Es ist wichtig, sich den Unterschied zwischen einer Teilchenbahn und einer Enveloppe klarzumachen. Besonders evident ist dies bei einer Strahltaille im feldfreien Raum. Hier ist mit α0 = 0 und der Transfermatrix f¨ ur Driftstrecken die Beta-Funktion β1 = β 0 + eine Parabel d.h. die Enveloppe σ = Teilchen nat¨ urlich auf Geraden bewegen.

4.8



s2 β0

(116)

εβ1 ist gekr¨ ummt, w¨ahrend sich individuelle

Die Periodizit¨ atsbedingung bei Speicherringen

Bevor man die optischen Funktionen mit obiger Matrix transformieren kann, m¨ ussen sie wenigstens an einem Punkt gegeben sein. Bei einer linearen Maschine h¨angen die optischen Funktionen von den Bedingungen an der Teilchenquelle ab. Bei einem Speicherring findet man nach einem Umlauf dieselben optischen Gegebenheiten vor, d.h. die optischen Funktionen transformieren sich in sich selbst: β0 = C 2 β0 − 2CSα0 + S 2 γ0 ,

u.s.w.

(117)

wobei C und S Elemente der Transfermatrix f¨ ur einen vollst¨andigen Umlauf sind. Eine solche Periodizit¨atsbedingung gilt auch f¨ ur identische Sektoren eines Speicherrings. F¨ ur den vereinfachten Fall α0 = 0 ergibt sich β0 = C 2 β0 +

S2 β0

;

33

β0 = √

S . 1 − C2

(118)

Die Herleitung des allgemeinen Falls, auf die hier verzichtet wird, erfordert die Ausnutzung weiterer Eigenschaften (s. n¨achster Abschnitt) der Matrixelemente: 2S 2 − C 2 − 2SC 0 − S 02 C − S0 = β0 2S 1 + α02 . = β0

β0 = √ α0 γ0

(119)

Damit sind die optischen Funktionen an der mit 0 indizierten Stelle bekannt und k¨onnen auch an jeder anderen Stelle der Magnetstruktur berechnet werden. F¨ ur die Dispersion D = x/(∆p/p), die sich ja wie eine Teilchenbahn transformiert, gilt D0 = m11 D0 + m12 D00 + m13 D00 = m21 D0 + m22 D00 + m23

(120)

und nach D und D 0 aufgel¨ost m21 m13 + m23 (1 − m11 ) 2 − m11 − m22 m12 D00 + m13 . = 1 − m11

D00 = D0

(121)

Als Beispiel f¨ ur die Berechnung optischer Funktionen ist in Abbildung 15 eine Magnetstruktur und in Abbildung 16 die daraus resultierenden optischen Funktionen gezeigt.

4.9

Allgemeine Form der Transfermatrizen

Die umgekehrte Aufgabe lautet, aus den an zwei Punkten 0 und 1 gegebenen optischen Funktionen sowie dem Phasenvorschub Ψ die Elemente der entsprechenden Transfermatrix zu bestimmen (auf die Ableitung soll hier verzichtet werden):  q 

M=

β1 (cos Ψ + α0 sin Ψ) β0 (α0 −α1 ) cos Ψ−(1+α0 α1 ) sin Ψ



β 0 β1

√ q

β0 β1 sin Ψ

β0 (cos Ψ β1

− α1 sin Ψ)



 .

(122)

Dass die Matrixelemente der unteren Reihe die Ableitung der oberen Elemente nach s sind, sieht man mit α = −β 0 /2 und Ψ0 = 1/β. Die oft verwendete Matrix f¨ ur einen vollst¨andigen Umlauf um einen Speicherring (β1 = β0 und α1 = α0 ) mit der zus¨atzlichen Vereinfachung α = 0 lautet damit Mu =

cos 2πQ β sin 2πQ 1 − β sin 2πQ cos 2πQ 34

!

.

(123)

Abbildung 15: Ausschnitt aus der Magnetstruktur eines Elektronenspeicherrings. Aus der Anordung und den Feldst¨arken von Dipol- und Quadrupolmagneten k¨onnen die optischen Funktionen bestimmt werden (s. n¨achste Abbildung). Der Phasenvorschub bei einem Umlauf ist Ψ = 2πQ, wobei Q Arbeitspunkt (oder tune) heißt. und die Zahl der Betatronschwingungen pro Umlauf angibt. Die nicht-diagonalen Elemente der Matrix h¨angen von den optischen Funktionen ab, w¨ahrend Q stets gleich ist (die Zahl der Schwingungen h¨angt nicht davon ab, wo man den Beginn eines Umlaufs definiert). Auch hier muß zwischen der horizontalen und vertikalen Ebene unterschieden werden d.h. es gibt zwei Arbeitspunkte Qx und Qz . W¨ahrend ein Teilchen mehrere (Gr¨oßenordnung 10) transversale Schwingungen pro Umlauf um einen Speicherring vollf¨ uhrt, liegt das longitudinale Analogon zum Arbeitspunkt bei Qs = 10−2 bis 10−3 liegt d.h. eine longitudinale Schwingung erfordert hunderte von Uml¨aufen.

4.10

Courant-Snyder-Invariante und Strahlemittanz

Wie bereits erw¨ahnt, sind die Teilchen im Strahl eines Beschleunigers oder Speicherrings in den Phasenraumkoordinaten in guter N¨aherung normalverteilt. Solange alle Teilchen denselben Impuls haben, bilden ihre Durchstoßpunkte durch die x-x0 -Ebene an einer bestimmten Stelle eines Speicherrings konzentrische Ellipsen. Denkt man sich ein Teilchen mit einer Phasenraumellipse, deren maximale Amplituden den Standardabweichungen der Verteilung σx und σx0 entspricht, so definiert die Courant-Snyder-Invariante εx dieses Teilchens die “horizontale Emittanz des Strahls“. Auch hierf¨ ur schreibt man oft εx , so dass sich die Unterscheidung von Strahl-Emittanz und Courant-Snyder-Invariante (“EinteilchenEmittanz”) nur aus dem Kontext ergibt. Analoges gilt f¨ ur die vertikale Emittanz. Die Funktionen σx (s) =

q

εx βx (s)

und 35

σz (s) =

q

εz βz (s)

(124)

Abbildung 16: Optische Funktionen (oben die Betafunktionen, unten die Dispersion) f¨ ur einen Sektor eines Elektronenspeicherrings (BESSY II in Berlin). werden “Einh¨ ullenden” (oder “Enveloppen”) genannt und sind ein Maß f¨ ur die Gr¨oße des Teilchenstrahls. F¨ ur impulsabweichende Teilchen und Dispersion 6= 0 sind die Phasenraumellipsen um ∆x = D∆p/p bzw. ∆x0 = D 0 ∆p/p verschoben, was den Strahl horizontal vergr¨oßert: σx =

q

2 εx βx (s) + D 2 (s)σ∆p/p ,

(125)

wobei σ∆p/p die Standardabweichung der als normalverteilt angenommenen Impulsabweichungen ist.

4.11

Feldfehler und optische Resonanzen

Die unvermeidbare Ungenauigkeit von magnetischen Feldern hat bei Ringbeschleunigern und Speicherringen weitreichende Konsequenzen. Man versucht daher, Feldfehler um ∆B/B < 10−4 zu erreichen. Aufstellungsfehler von Magneten liegen typischerweise bei wenigen Zehntel Millimetern. Ein Fehler ∆B in einem Dipolmagneten der L¨ange L f¨ uhrt zu einem unerw¨ unschten horizontalen Winkel (kick) von e ∆x0 = ∆BL, p

36

(126)

Abbildung 17: Arbeitspunkt-Diagramm mit Resonanzen bis zur zweiten (links), dritten (Mitte) und vierten Ordnung (rechts). den man bei kurzen Magneten durch eine lokale Winkel¨anderung in der Mitte des Magneten n¨ahern kann. Ein Teilchen auf der Sollbahn erh¨alt durch einen solchen Magneten eine (Einteilchen-)St¨oremittanz von ε = β∆x02 .

(127)

Der Feldfehler ist also umso st¨orender, je gr¨oßer die Beta-Funktion ist, je kleiner also √ die Ausdehnung der Phasenraumellipse εγ in der Winkelkoordinate ist. Bei mehrfachem Durchlauf werden sich die St¨orwinkel addieren, wenn der Phasenvorschub pro Umlauf ein Vielfaches von 2π ist. Ganzzahlige Arbeitspunkte Qx , Qy m¨ ussen also strikt vermieden werden. Es gibt allerdings eine Teilchenbahn, die von einem Dipolfehler nicht beeinflußt wird, wenn n¨amlich gilt: x x0 − ∆x0

.

!

= Mu

x x0

!

(128)

Diese Bahn definiert den gest¨orten Orbit d.h. die Sollbahn bei Anwesenheit des Feldfehlers. Setzt man die Matrix Mu f¨ ur einen Umlauf ein, so ergibt sich x=

β ∆x0 2 tan πQ

1 und x0 = ∆x0 . 2

(129)

St¨orwinkel aufgrund von Fehlaufstellungen oder Feldfehlern von Quadrupolmagneten addieren sich, wenn der Phasenvorschub pro Umlauf ein Vielfaches von π ist. Aufgrund von Quadrupolfehlern sind also auch halbzahlige Arbeitspunkte zu meiden. Allgemein gilt, dass ein Speicherring bei Arbeitspunkten mit mQx = p, nQz = p, mQx + nQz = p

(m, n, p = ganze Zahlen)

(130)

nicht betrieben werden kann. Man spricht hierbei von Resonanzen der Ordnung m oder n, bzw. von Koppelresonanzen der Ordnung m + n. Die St¨arke von Resonanzen nimmt mit zunehmender Ordnung rasch ab, so dass sie nur bis etwa zur 5. Ordnung zu ber¨ ucksichtigen sind.

37

Die verbotenen Bereiche sind im sogenannten Arbeitspunktdiagramm, in dem Qy gegen Qx aufgetragen ist, als waagerechte, senkrechte und diagonale Linien zu erkennen (s. Abbildung 16).

4.12

Chromatizit¨ at und Sextupole

Die Impulsabweichung in einem Teilchenstrahl ist in guter N¨aherung normalverteilt mit einer typischen Standardabweichung von σ∆p/p ≈ 10−3 . F¨ ur kleine Impulsabweichungen ∆p/p a¨ndert sich die Fokussierung durch einen Quadrupol der St¨arke k gem¨aß ∆k ≈ −

∆p k, p

(131)

d.h. ein Teilchen mit h¨oherem Impuls wird schw¨acher fokussiert. Im Folgenden soll gezeigt werden, wie sich dadurch der Arbeitspunkt ver¨andert. Hier gen¨ ugt es, die Spur der Transfermatrix f¨ ur einen vollen Umlauf SpurMu = 2 cos 2πQ.

(132)

zu betrachten. F¨ ur ein impulsabweichendes Teilchen gilt dagegen ˜ u = 2 cos 2π(Q + dQ), SpurM

(133)

˜ aus der urspr¨ wobei M unglichen Umlaufmatrix und einer Transfermatrix f¨ ur einen Quadrupol mit der St¨arke ∆k und infinitesimalen L¨ange ds entsteht: √ √ ! ! √1 sin cos ∆kds ∆kds 1 0 ∆k ˜u= √ √ √ M · Mu ≈ · Mu . (134) −∆kds 1 cos ∆kds − ∆k sin ∆kds Ausmultiplizieren der Matrizen und Bildung der Spur ergibt mit den N¨aherungen cos 2πdQ ≈ 1 und sin 2πdQ ≈ 2πdQ: 2 cos 2πQ − ∆kdsβ(s) sin 2πQ = 2 cos 2π(Q + dQ) (135) = 2 cos 2πQ cos 2πdQ − 2 sin 2πQ sin 2πdQ 1 − ∆kdsβ(s) = −2πdQ 2 1 ∆kβ(s)ds . dQ = 4π Dieser Zusammenhang erm¨oglicht, die Beta-Funktion (gemittelt u ¨ber einen Quadru¨ pol) zu messen, indem man die Quadrupolst¨arke ver¨andert und die Anderung des Arbeitspunkts (tune) beobachtet. Ein “spectral analyzer” zeigt Linien bei f◦ q und f◦ (1 − q), wobei f◦ die Umlaufsfrequenz und q der bruchzahlige Anteil des Arbeitspunkts ist. Der ganzzahlige Anteil bleibt unbeobachtet, zwischen q und (1 − q) entscheidet das Vorzeichen von ∆Q: wenn die Quadrupolst¨arke erh¨oht wird, steigt auch die tune-Frequenz. Einsetzen von ∆k = k ∆p/p, Integration u ¨ ber alle Quadrupolmagnete und Division durch ∆p/p liefert die sog. Chromatizit¨at 38

Abbildung 18: Schematische Darstellung der Fehlfokussierung durch Impulsabweichung (oben) und ihrer Korrektur durch einen Sextupolmagneten in einer Strecke mit Dispersion (unten).

ξx,z

1 ∆Qx,z ≡ =− ∆p/p 4π

I

k(s)βx,z (s)ds,

(136)

die zun¨achst bei den meisten Speicherringen nicht gering und negativ ist (typisch −50). Dies ist in zweifacher Weise sch¨adlich: • Impulsabweichende Teilchen k¨onnen auf Resonanzen treffen. • Bei negativer Chromatizit¨at tritt die sog. head-tail-Instabilit¨at auf. Aufgrund des zweiten Effekts, der eine Folge der elektromagnetischen Wechselwirkung zwischen dem Teilchenstrahl und der Kammerwand ist, wird eine kleine positive Chromatizit¨at (z.B. +1) angestrebt. Dies erreicht man durch Sextupolmagnete an Positionen mit Dispersion D(s) 6= 0 (siehe auch Abbildung 18). Sextupole kann man als ortsabh¨angige Quadrupole der St¨arke ks = m · x = m · D(s)

∆p p

(137)

beschreiben. Mit ihnen ergibt sich eine einstellbare Gesamtchromatizit¨at von I

1 ξx,z = (m(s)D(s) − k(s)) βx,z (s)ds . (138) 4π Mit der Einf¨ uhrung von Feldern, die quadratisch in x und z ansteigen, verl¨aßt man das Terrain der linearen Optik. So gibt es f¨ ur einen Sextupolmagneten keine Transfermatrix. Statt dessen wird seine Wirkung durch Winkel¨anderungen (kicks) in der Magnetmitte angen¨ahert: 39

1 (139) ∆x0 = m l (x2 − z 2 ) und ∆z 0 = m l x z, 2 wobei l die effektive L¨ange des Magneten ist. Durch nichtlineare Felder werden Betatronschwingung mit zunehmender Amplitude anharmonisch, so dass Teilchenbahnen, die wenige Zentimeter neben der Sollbahn liegen, nicht mehr stabil sind. Der Bereich stabiler Trajektorien heißt “dynamische Apertur“. Je kleiner die dynamische Apertur eines Speicherrings ist, desto gr¨oßer ist die Rate von Teilchen, die nach St¨ossen mit Restgasmolek¨ ulen oder untereinander verloren gehen d.h. desto geringer ist die Lebensdauer des gespeicherten Strahls. Man versucht daher, den sch¨adlichen Einfluß der Sextupole durch • m¨oglichst gleichm¨assige Verteilung der “chromatischen“ Sextupole • sog. “harmonische“ Sextupolmagnete in dispersionsfreien Strecken zu minimieren. Letztere a¨ndern die eingestellte Chromatizit¨at nicht, k¨onnen aber die anharmonischen Anteile der Teilchenbahnen verringern. Man versucht, die dynamische Apertur durch Simulation zu bestimmen, indem man Teilchenbahnen verschiedener Anfangsbedingungen mittels Transfermatrizen und Sextupolkicks u ¨ber viele Uml¨aufe berechnet (tracking). Bei Elektron/Positronmaschinen, die aufgrund der Synchrotronstrahlung u ugen, kann man eine Teilchenbahn nach ∼ 103 ¨ber einen D¨ampfungsmechanismus verf¨ Uml¨aufen als stabil oder instabil einstufen. F¨ ur Protonen- oder Schwerionen-Speicherringe 5 werden oft mehr als 10 Uml¨aufe simuliert, da eine Trajektorie u ¨ber lange Zeit stabil erscheinen und schließlich doch noch instabil werden kann.

4.13

Gebr¨ auchliche Magnetstrukturen

Die meisten Beschleuniger und Speicherringe sind aus getrennten Dipol- und Quadrupolmagneten mit dazwischenliegenden Driftstrecken aufgebaut. Grundtypen der im Detail sehr verschiedenen Magnetanordnungen (lattices) sind z.B. die FODO-Struktur f¨ ur einen m¨oglichst einfachen Strahltransport und der Achromat f¨ ur Synchrotronstrahlungsquellen. 4.13.1

Die FODO-Struktur

Da horizontal fokussierende Quadrupolmagnete vertikal defokussieren (und umgekehrt), m¨ ussen sie mit wechselnder Polarit¨at vorhanden sein, dh. mindestens ein Dublett oder, noch besser, ein Triplett. F¨ ur einfache Synchrotrons oder z.B. zum Strahltransport zwischen zwei Wechselwirkungszonen in Kollisions-Speicherringen wird oft die FODO-Struktur mit einem fokussierenden (F), einem defokussierenden (D) Magneten und dazwischen liegenden Driftstrecken (O) verwendet. Die Gesamtmatrix f¨ ur zwei Quadrupole der L¨ange l und St¨arke k1 und k2 und einer Driftstrecke L berechnet sich aus M=

1 0 −k2 l 1

!

1 L 0 1

!

1 0 −k1 l 1

!

,

(140)

wobei die N¨aherung f¨ ur “d¨ unne Linsen” verwendet wurde. Der Strahl bleibt fokussiert, wenn f¨ ur die Gesamtmatrix SpurM < 2 gilt, wie man z.B. aus der obigen Umlaufmatrix erkennt (das kann man nat¨ urlich auch allgemein zeigen).

40

4.13.2

Das Mini-β-Prinzip

Um m¨oglichst eng geb¨ undete Teilchenpakete zur Kollision zu bringen, geht man im Bereich der Wechselwirkungszone einer Kollisionsmaschine von der FODO-Struktur ab und verkleinert die Beta-Funktion mit starken Quadrupolmagneten auf wenige Zentimeter. Je kleiner die Beta-Funktion am Ort einer Strahltaille, desto schneller steigt sie an (β(s) = β(0) + s2 /β(0), siehe weiter oben). Will man das Anwachsen der Beta-Funktion begrenzen, so m¨ ussen die fokussierenden Elemente nahe an die Strahltaille herangebracht werden. Dazu werden oft Quadrupole in den Teilchendetektor, der den Wechselwirkungspunkt umgibt, integriert wobei Quadrupolfeld und das Magnetfeld des Detektors sorgf¨altig gegeneinander abgeschirmt werden m¨ ussen. 4.13.3

Achromate

Moderne Synchrotronstrahlungsquellen bestehen in der Regel aus periodischen Strukturen, wobei sich achromatische Magnetanordnungen und Driftstrecken von mehreren Metern L¨ange abwechseln. Die Driftstrecken sind f¨ ur Wiggler und Undulatoren vorgesehen und sollen dispersionsfrei sein (daher “achromatische” Magnetgruppen). Der einfachste Achromat ist die “Chasman-Green”-Struktur mit zwei Dipolen, und einem dazwischen liegenden horizontal fokussienden Quadrupol (optisches Analogon: zwei Prismen und eine Sammellinse). Vervollst¨andigt wird die Struktur durch je ein QuadrupolDublett vor dem ersten und nach dem zweiten Dipol. Weitere Quadrupole zwischen den Dipolen erh¨ohen die Flexibilit¨at der Struktur. Magnetanordnungen dieser Art heißen Double-bend-Achromaten (z.B. BESSY-II in Berlin). Daneben sind auch Triple-bendAchromaten mit drei Dipolen gebr¨auchlich (z.B. Advanced Light Source in Berkeley).

4.14

Lokale Orbitbeulen und Injektion

Oft ist es erforderlich, an bestimmten Stellen eines Beschleunigers oder Speicherrings den Strahl in definierter Weise zu verschieben, ohne dass sich die Strahllage in der gesamten Maschine ¨andert. Eine solche lokale Verschiebung (“Orbitbeule“, bump) erfordert zwei bis vier Korrektur-Dipolmagnete: • Orbitbeulen mit zwei Magneten haben den Nachteil, dass der Phasenvorschub der Betatron-Schwingung π sein muss, was sich nicht gut einhalten l¨aßt. • Orbitbeulen mit drei Magneten lassen sich bei beliebigem Phasenvorschub abgleichen. Jedoch h¨angen Ort und Winkel (z.B. x und x0 ) innerhalb der Beule voneinander ab. • Orbitbeulen mit vier Magneten gestatten es, Ort und Winkel unabh¨angig voneinander einzustellen. Eine abgeglichene Beule mit nur zwei Korrekturmagneten wird beschrieben durch (wobei Ψ = π in die allgemeine Form der Transfermatrizen eingesetzt wurde)

41

Abbildung 19: Injektion in einen Speicherring (Draufsicht oben, Phasenraum unten). (a) Gespeicherter Strahl auf der Sollbahn. (b) Injektion, wobei eine Orbitbeule den gespeicherten Strahl nahe an das Septum bringt. (c) Phasenraumellipse des injizierten Strahl, der beim 5. Umlauf auf das Septum treffen w¨ urde. (d) Orbitbeule zur¨ uckgezogen.

  

q

− ββ21 α1 −α2 −√ β 1 β2

0 − q

q

β2 β1



 ·

0 φ1

!

+

0 φ2

!

=

0 0

!

,

(141)

woraus die Relation φ2 = β1 /β2 φ1 f¨ ur die beiden Ablenkwinkel folgt. Analog lassen sich Beziehungen f¨ ur Orbitbeulen mit drei oder vier Magneten aufstellen, die jedoch weniger un¨ ubersichtlich sind und hier nicht dargestellt werden sollen. Eine wichtige Anwendung f¨ ur eine lokale Orbitbeule ist die Injektion von Teilchen aus einem Beschleuniger in einen Speicherring. Dabei wird in der Regel mit mehreren “Sch¨ ussen“ injiziert, um die gew¨ unschte Intensit¨at zu erreichen. Es gilt jedoch die Grundregel, dass man in ein bereits gef¨ ulltes Phasenraumvolumen nicht nochmals injizieren kann. Der Magnet, der die neuen Teilchen auf die Sollbahn lenkt, w¨ urde die bereits gespeicherten Teilchen auslenken. Die Abbilding zeigt ein typisches Injektionsschema mit einer variablen Orbitbeule. Da sich die Beule u ¨ber wenige Umlaufszeiten (z.B. 300 m Umfang entspricht 1 µs) ¨andern muß, werden eisenlose (sog. Kicker-)Magnete mit einer oder wenigen Windungen und daher geringer Induktivit¨at verwendet. Der erforderliche Strompuls von einigen 1000 A wird durch Entladung von Kondensatoren u ¨ ber einen schnellen Schalter (Thyratron) erzeugt.

5

Longitudinale Strahldynamik

Zur longitudinalen Strahldynamik geh¨ort neben dem reinen Beschleunigungsvorgang die Zuf¨ uhrung von Energie, die bei e± -Speicherringen durch Synchrotronstrahlung dissipert wird. Auch wenn bei Protronen-Speicherringen die Synchrotronstrahlung vernachl¨assigbar ist, werdern dort Hohlraumresonatoren eingesetzt, um kurze Teilchenpakete zu erzeugen (Phasenfokussierung). Die u ¨blichen Koordinaten des longitudinalen Phasenraums sind: 42

• Absolute oder relative Abweichung von Energie, Impuls oder Lorentz-Faktor ∆E, ∆p oder ∆γ (bzw. ∆E/E, ∆p/p oder ∆γ/γ) • Phasenabweichung ∆Ψ im Hf-Feld, zeitliche Abweichung ∆t = ∆Ψ/ωHf oder longitudinaler Ort ∆s = βc∆t. Die Phasenfokussierung in Ringbeschleunigern Speicherringen setzt ein oszillatorisches Hf-Feld sowie Laufzeitunterschiede voraus, wobei es zwei gegenl¨aufige Effekte gibt: 1. Ein Teilchen mit Energie¨ uberschuß gegen¨ uber einem “Sollteilchen“ eilt nach einem Umlauf voraus, weil es schneller ist (gilt f¨ ur schwere Teilchen geringer Energie). 2. Ein Teilchen mit Energie¨ uberschuß bleibt zur¨ uck, weil es auf einer l¨angeren Dispersionsbahn l¨auft (gilt f¨ ur hochenergetische Protonen oder Elektronen). In beiden F¨allen muss die Hf-Phase so gew¨ahlt werden, dass ein solches Teilchen eine geringere Beschleunigung erf¨ahrt als ein Sollteilchen, d.h. im ersten Fall ist die zeitliche Ableitung des Feldes > 0 und im zweiten Fall < 0. Alle Teilchen oszillieren um die Sollphase und Sollenergie. Im longitudinalen Phasenraumbild beschreiben sie (bei kleinen Abweichungen) Ellipsen, die im Gegensatz zum transversalen Phasenraum stets aufrecht stehen. Die Periode dieser sogenannten SynchrotronOszillation entspricht typischerweise > 102 Uml¨aufen um den Speicherring, sie ist ca. drei Gr¨oßenordnungen langsamer als die Betatron-Oszillation. Bei Elektronen (oder Positronen) hat die Synchrotronstrahlung einen d¨ampfenden Effekt mit einer typischen D¨ampfungszeit von 104 Umlaufszeiten, d.h. die Ellipse wird langsam kleiner. In Linearbeschleunigern sind die dispersiven Laufzeitunterschiede vernachl¨assigbar, wenn sie nicht durch spezielle Dipolmagnete erzwungen werden (in sogenannten BunchKompressoren).

5.1

Bewegungsgleichung im longitudinalen Phasenraum

Die Energiebilanz eines Elektrons, das pro Umlauf die Energie W durch Strahlung verliert, und anschließend einen Hohlraumresonator passiert, ist E = eU0 sin Ψ − W ,

(142)

wobei U0 ist die Amplitude, Ψ die Phase der Hf-Schwingung zur Zeit des Durchflugs ist. Man kann sich ein Teilchen mit “Sollphase” Ψ0 und “Sollenergie” E0 denken, das die Energie W0 verliert. Die Bilanzdifferenz zwischen einem beliebigen Elektron und diesem Sollteilchen ist

∆E = eU0 (sin Ψ − sin Ψ0 ) − W + W0 = eU0 (sin Ψ − sin Ψ0 ) −

dW ∆E, dE

(143)

wobei die Energieabh¨angigkeit der Abstrahlung linearisiert wurde. F¨ ur kleine Abweichungen von der Sollphase (Ψ = Ψ0 + ∆Ψ) gilt sin(Ψ0 + ∆Ψ) − sin Ψ0 = sin Ψ0 cos ∆Ψ + sin ∆Ψ cos Ψ0 − sin Ψ0 ≈ ∆Ψ cos Ψ0 . 43

(144)

Abbildung 20: Numerisch berechnete Elektronenbewegung im longitudinalen Phasenraum (Hf-Phase gegen relative Energieabweichung). Jeder Punkt entspricht einem Speicherringumlauf, wobei die Punkte f¨ ur die Dauer einer Synchrotronperiode (definiert bei kleiner Amplitude) mit einer Linie verbunden sind. Offensichtlich wird die Bewegung wird mit zunehmender Amplitude langsamer. Die Energieakzeptanz betr¨agt ca. 3%. Die Ableitung der Energie¨anderung nach der Zeit kann als Division durch die Umlaufzeit T0 geschrieben werden, solange sich ∆E bei einem Umlauf nur wenig a¨ndert (eine Synchrotronschwingung dauert mehrere hundert Uml¨aufe): ∆E eU0 cos Ψ0 1 dW ∆E˙ ≈ = ∆Ψ − ∆E (145) T0 T0 T0 dE Die Phasendifferenz kann man als Zeitdifferenz ∆T in Einheiten der Hf-Periode THf oder der Umlaufzeit ausdr¨ ucken: ∆Ψ = 2π

T0 ∆T ∆T ∆T = 2π = 2π q , THf THf T0 T0

(146)

wobei q = T0 /THf die sogenannte Harmonischenzahl des Rings ist. Die Harmonischenzahl gibt an, wieviele Teilchenpakete in einem Ring gespeichert werden k¨onnen. Die relative Zeitdifferenz h¨angt wiederum mit der relativen Impuls- bzw. Energiedifferenz zusammen: ∆T 1 ∆Ψ = 2π q = 2π q α − 2 T0 γ

!

∆p 2π q 1 = 2 α− 2 p0 β γ

!

∆E , E0

(147)

wobei α der bereits bekannte momentum compaction factor ist. Der Faktor −1/γ 2 beschreibt die Verk¨ urzung der Umlaufzeit aufgrund der Geschwindigkeitszunahme. Bei hoch-relativistischen Teilchen ist dieser Term irrelevant. Werden schwere Teilchen zB. Protonen beschleunigt, so u ¨berwiegt zun¨achst der zweite Term (“below transition“) und

44

bei h¨oherer Energie der erste Term (“above transition“). Bei der letzten Umformung wurde ∆E/E = β 2 ∆p/p (ohne Herleitung) verwendet. Wieder soll die erste Ableitung als Division durch T0 geschrieben werden: ˙ = 2π q α − 1 ∆Ψ T0 β 2 γ2

!

∆E . E0

(148)

Setzt man dies in die Ableitung der obigen Gleichung f¨ ur ∆E˙ eU0 cos Ψ0 ˙ 1 dW ˙ ∆Ψ − ∆E (149) T0 T0 dE ein, so erh¨alt man als Endergebnis eine Differentialgleichung, deren L¨osung eine ged¨ampfte harmonische Schwingung beschreibt: √ 2 2 ∆E¨ + 2as ∆E˙ + Ω2 ∆E = 0 ; ∆E(t) = ∆E0 e−as t ei Ω −as t (150) ∆E¨ =

mit den Abk¨ urzungen 1 Ω= T0

v u u 2πeU0 q cos Ψ0 t−

β 2E

0

1 α− 2 γ

!

und as =

1 dW . 2T0 dE

(151)

¨ Unterhalb der Ubergangsenergie (transition energy mit α < 1/γ 2 ) muss f¨ ur eine stabile ¨ Schwingung cos Ψ0 > 0, oberhalb cos Ψ < 0 gelten. Das Kreuzen der Ubergangsenergie ist kritisch und erfordert einen Sprung der Hf-Phase. Die D¨ampfung ist eine Folge der Tatsache, dass der Energiebedarf des Elektrons zur Deckung der abgestrahlten Verluste mit der Teilchenenergie zunimmt. Eine analoge Differentialgleichung findet man f¨ ur die Phasenraumkoordinate ∆Ψ, so dass die Bewegung im Phasenraumbild bei kleinen Auslenkungen einer Ellipse entspricht, die durch D¨ampfung allm¨ahlich kleiner wird. F¨ ur Protonen ist W = 0, d.h. sin Ψ0 = 0, und der D¨ampfungsterm existiert nicht.

5.2

Die Separatrix

Fragt man nach der Grenze des stabilen Phasenraumbereichs (der sogenannten “Separatrix”), muß die Beschr¨ankung auf kleine Auslenkungen aufgegeben werden. Zur Vereinfachung soll jetzt von der D¨ampfung abgesehen werden: !

 1 eU0  ˙ = 2π q ∆E. sin(Ψ0 + ∆Ψ) − sin Ψ0 und ∆Ψ α − ∆E˙ = T0 β 2 T0 E 0 γ2

(152)

Die daraus resultierende Bewegungsgleichung ist nichtlinear und muß numerisch gel¨ost werden (z.B. wie in Abbildung 20 nach dem Runge-Kutta-Verfahren). Um den stabilen Phasenbereich zu bestimmen, multipliziert man die beiden Gleichungen kreuzweise und integriert u ¨ber die Zeit:

45

˙ |2∆E∆ {z E} = d (∆E)2 dt

(∆E)

2

β 2 eU0 E0  

πq α −

= −

1 γ2



˙ sin Ψ0 ˙ sin(Ψ0 + ∆Ψ) −∆Ψ ∆Ψ

|

β 2 eU0 E0  

πq α −

T = −V + H

1 γ2



{z

d cos(Ψ0 +∆Ψ) − dt

}





cos(Ψ0 + ∆Ψ) + ∆Ψ sin Ψ0 + H (153)

Die letzte Zeile weist auf die Interpretation der Integrationskonstante als Hamiltonfunktion hin, w¨ahrend der erste Term der rechten Seite der potentiellen Energie als Funktion von ∆Ψ entspricht. Die Minima und Maxima des Potentials bei ∆E = 0 ergeben sich aus  β 2 eU0 E0  dV  − sin(Ψ0 + ∆Ψ) + sin Ψ0 = 0  = d(∆Ψ) πq α − γ12

(154)

zu ∆Ψ = 0 (Minimum, stabiler Fixpunkt) und ∆Ψ = π − 2Ψ0 (Maximum, instabiler Fixpunkt). Die Gleichung f¨ ur die Separatrix erh¨alt man durch Bestimmung von H f¨ ur den instabilen Fixpunkt und Einsetzen in T + V − H = 0. Sie lautet (∆E)2 +

β 2 eU0 E0  

πq α −

1 γ2





cos(Ψ0 + ∆Ψ) + cos Ψ0 + (∆Ψ − π + 2Ψ0 ) sin Ψ0 = 0 ,

(155)

woraus sich auch die Grenze des stabilen Energiebereich ablesen l¨aßt, die mit der Wurzel der Hf-Spannung U0 skaliert. Je weiter die Hf-Spannung u ¨ber dem notwendingen Mini¨ mum zur Deckung der Strahlungsverluste W liegt (Uberspannungsfaktor U0 /W ), desto gr¨oßer ist die Energieakzeptanz. Auch wenn die nat¨ urliche Energiebreite von Elektronenspeicherringen i.d.R. nur ∼ 10−3 ist, sollte die Energieakzeptanz im Prozentbereich liegen. Die Lebensdauer eines gespeicherten Elektronenstrahls h¨angt entscheidend davon ab, bis zu welcher Energieabweichung Teilchen nach Stoßprozessen noch eingefangen werden: • Durch Bremsstrahlung an den Kernen (und in geringerem Maße auch an H¨ ullenelektronen) von Restgasatomen erleiden Teilchen Energieverluste. • Beim Touschek-Effekt streuen Teilchen aneinander, wobei ein Teil des Transversalimpulses der Betatronbewegung in longitudinalen Impuls verwandelt wird. Bei diesem Prozeß verliert ein Teilchen Energie, w¨ahrend der Stoßpartner etwa gleichviel Energie gewinnt. Eine Vergr¨oßerung der Energieakzeptanz durch Erh¨ohung der Hf-Spannung ist allerdings nur m¨oglich, solange die Teilchen nicht dominant durch die tranversale Auslenkung aufgrund von Dispersion an der Vakuumkammer oder der dynamischen Apertur verlorengehen.

46

5.3

D¨ ampfung durch Synchrotronstrahlung

Eine angenehme Begleiterscheinung der Synchrotronstrahlung ist, dass sie die Synchrotronund Betatron-Bewegung von Elektronen in einem Speicherring d¨ampft. Die Bewegungsgleichung f¨ ur die Bewegung im longitudinalen Phasenraum enthielt eine D¨ampfungskonstante 1 dW , (156) 2T0 dE die nun berechnet werden soll. Eine Energieabweichung ¨andert die abgestrahlte Leistung eines Elektrons in dreifacher Weise: • durch die direkte Energieabh¨angigkeit dW/dE, ¨ • durch Anderung des Bahnradius in den Dipolmagneten, • durch Abstrahlung auf der Dispersionsbahn in den Quadrupolen. Bei heutigen Speicherringen mit getrenten Dipol- und Quadrupolmagneten k¨onnen die mit der Dispersionsbahn verbundenen Effekte vernachl¨assigt werden. Dann ist as =

I

I

I

Ps 2W0 dW dPs ≈ dt = 2CEB 2 dt = 2 dt = . dE dE E E Die longitudinale D¨ampfungskonstante wird u ¨ blichersweise in der Form

(157)

W0 (2 + D) (158) 2T0 E geschrieben, wobei die Dispersionseffekte pauschal in der Gr¨oße D  1, die hier nicht berechnet werden soll, enthalten sind. Die D¨ampfungskonstanten der Betatronbewegung haben eine ganz ¨ahnliche Form: as =

ax =

W0 (1 − D) 2T0 E

und

az =

W0 . 2T0 E

(159)

¨ Die Summe der D¨ampfungskonstanten ist von D unabh¨angig, d.h. durch Anderung der Teilchenoptik kann man die horizontale gegen die longitudinale D¨ampfung verschieben, doch die Summe ist invariant. Dies ist das “Robinson-Theorem“. Die transversalen D¨ampfungskonstanten sollen an dieser Stelle nicht berechnet werden. Der Mechanismus besteht darin, dass ein Elektron bei der Emission eines Photons tangential zu seiner Bahn einen Impuls verliert, der sich aus einer longitudinalen und einer transversalen Komponente zusammensetzt. Da durch Hohlraumresonatoren nur die longitudinale Komponente restauriert wird, geht Transversalimpuls verloren und die BetatronOszillation wird ged¨ampft.

5.4

Aufheizung durch Synchrotronstrahlung

Bei Protonen und schweren Ionen ist die Strahlemittanz durch ihre Erzeugung und Beschleunigung festgelegt. Sie verschlechtert sich allenfalls durch Streuung am Restgas und kann nur durch “K¨ uhlen” verkleinert werden (stochastische K¨ uhlung, Elektronen-K¨ uhlung).

47

Abbildung 21: Zur Entstehung der horizontalen Emittanz: Beim Energieverlust durch Synchrotronstrahlung (Pos. 1) ¨andert sich in dispersiven Strecken die Sollbahn des Elektrons, um die es nun eine Betatron-Oszillation beschreibt (weitere Uml¨aufe Pos. 2-5). Die Gr¨oße der so enstandenen Ellipse h¨angt von der Energie des abgestrahlten Quants ab. Wieso besitzt aber ein Elektronenpaket in einem Speicherring trotz Synchrotronstrahlungsd¨ampfung eine endliche Ausdehnung? Eine naheliegende Vermutung w¨are die CoulombAbstoßung der Elektronen. Wesentlich wichtiger ist jedoch die Tatsache, dass die Synchrotronstrahlung ein breites Spektrum besitzt und die Photonenemission ein Zufallsprozeß ist, der dem Elektronenstrahl eine “nat¨ urliche“ Energieunsch¨arfe aufpr¨agt. Daraus ergibt sich mit der longitudinalen Phasenraumdynamik die nat¨ urliche L¨ange der Elektronenpakete. Durch Energieverluste in Strecken mit Dispersion werden Betatron-Oszillationen angeregt (s. Abbildung 21), die f¨ ur die horizontale Emittanz verantwortlich sind, w¨ahrend die vertikale Emittanz ein gewisser Bruchteil (sog. Kopplung, typisch 10−2 ) der horizontalen Emittanz ist und durch Feld- und Aufstellungsfehler der optischen Elemente entsteht. Der Ausdruck f¨ ur die horizontale Emittanz sei ohne Ableitung angegeben: εx = mit den Abk¨ urzungen

Cγ =

Cγ γ 2 hH(s)/R3 i · 1−D h1/R2 i

55¯ h √ = 3.83 · 10−13 m und H = γ D 2 + 2α D D 0 + β D 02 , 32 3m0 c

(160)

(161)

wobei die optischen Funktionen (α, β, γ) sowie die Dispersion D und ihre Ableitung Funktionen des Ortes s sind, und die Mittelung h. . .i nur u ¨ber die Dipolmagnete vorgenommen werden muss. Insbesondere im Hinblick auf Synchrotronstrahlungsquellen ist folgende Betrachtung interessant, mit der man die minimale Emittanz f¨ ur einen Speicherring absch¨atzen kann. 48

Dazu sei angenommen, der Speicherring bestehe aus einer Abfolge von Achromaten, so dass am Anfang eines Dipolmagneten die optischen Funktionen α0 , β0 , γ0 , D0 = 0, D00 = 0 sind. Aus der linearen Optik ist bekannt, wie sich diese Funktionen im weiteren Verlauf entwickeln: 

D(s) = R 1 − cos

s R





s s ≈ R R β(s) = β0 − 2α0 s + γ0 s2 α(s) = α0 − γ0 s γ(s) = γ0 ,

s2 2R

D 0 (s) = sin

(162)

wobei der Dipol wie eine Driftstrecke behandelt wurde (schwache Fokussierung und Kanteneffekt vernachl¨assigt). Bildet man nun die Gr¨oße H(s), so erh¨alt man die horizontale Emittanz durch Mittelung u ¨ber die L¨ange L eines Dipolmagneten γ2 εx = C γ LR

Z

L 0

H(s)ds = Cγ γ

2



L R

3

!

β0 γ 0 L α0 − + , 20 4 3L

(163)

wobei alle Dipole als identisch und D ≈ 0 angenommen wurde. Die Emittanz nimmt also mit der 3. Potenz des Ablenkwinkels L/R zu, bzw. mit der 3. Potenz der Zahl der Dipole 2πR/L ab. Ferner lassen sich Werte f¨ ur β0 und α0 bestimmen, mit denen die Emittanz minimal wird, doch weichen reale Speicherringe stets von einem solchen Idealbild ab, da neben der Emittanz andere Gr¨oßen zu beachten sind. Insbesondere darf die Chromatizit¨at nicht zu groß werden, da deren Kompensation Sextupole erfordert, die durch ihr nichtlineares Feld die Strahllebensdauer negativ beeinflussen.

49