(Teil I) (Teil II) und

Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln zu den Richtlinien für die Sexualerziehung in Nor...
Author: Ute Hochberg
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Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln zu den Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen (Teil I)

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Hinweise zu den Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln zu den Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen (Teil II)

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Inhaltsverzeichnis Teil I Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln zu den Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen

Seite Vorwort des Kölner Erzbischofs

8 9

2.1. 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6

Zur Situation der Sexualerziehung Grundlegungen Christliches Menschenbild und Sexualerziehung Die Güte der Schöpfung Der Mensch als Kreatur: Gottes Ebenbild Sexualität als grundlegendes Daseinsprinzip Sexualität und Lebensform der Liebe Christlich verstandenes Ethos der Sexualität Literaturhinweise

2.2 2.2.1 4.1.1 2.2.3 2.2.4

Aspekte moralischer Erziehung Moralische Erziehung Religiöse Bildung und Sexualerziehung Religiöse und moralische Entwicklung Literaturhinweise

22 22 23 25 28

3. 3.1 3.2 3.3

Aufgaben Die Aufgabe der Eltern Die Aufgabe der Lehrerinnen und Lehrer Die Aufgabe der Schule

29 29 29 30

4. 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4

Konkretisierungen Sexualerziehung in der Primarstufe Pädagogischen Situation Ziele Sexualerziehung in den Jahrgangsstufen 1/2 und 3/4 Literaturhinweise

32 32 32 33 34 34

4.2 4.2.1. 4.2.1.1 4.2.1.2 4.2.2 4.2.2.1 4.2.2.2 4.2.3

Sexualerziehung in der Sekundarstufe I Jahrgangsstufen 5/6 Entwicklungspsychologische Aspekte Ziele und didaktisch-methodische Überlegungen Jahrgangsstufen 8/9 Entwicklungspsychologische Aspekte Ziele und didaktisch-methodische Überlegungen Literaturhinweise

35 35 35 36 37 37 39 41

1.

2.

10 10 10 11 13 14 17 20

4

4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5

Sexualerziehung in der Sekundarstufe II Entwicklungspsychologische Aspekte Ziele und didaktisch-methodische Überlegungen Jahrgangsstufe 11 Jahrgangsstufe 12 Jahrgangsstufe 13

43 43 43 46 46 47

Teil II Hinweise zu den Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln zu den Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen

Seite 5.

Vorwort

49

6. 6.1

Thesen Christliches Menschenbild und Sexualerziehung

49 49

6.2

Aspekte moralischer Erziehung an Katholischen Freien Schulen

51

7. 7.1.

Anregungen für die schulische Praxis Primarstufe

54 54

7.1.1

Klassen 1/2

55

7.1.2

Klassen 3/4

58

7.2 7.2.1 7.2.2

Sekundarstufe I Klassen 5/6 Klassen 8/9

62 62 73

7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.2.1 7.3.2.2 7.3.2.3

Sekundarstufe II Methodische Hinweise Hinweise zum Fachunterricht in den Jgst. 11-13 Stufe 11 Stufe 12 Stufe 13

81 81 83 83 85 88

8. 8.1 8.2

Beratungsstellen im Erzbistum Köln Beratungsstellen esperanza Beratungsstellen für Eltern, Kinder und Jugendliche (Erziehungs- und Familienberatung) Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen

90 90 92

8.3

94

5

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Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln zu den Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen (Teil I)

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VORWORT

Zum 01. August 2000 hat das damalige Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen die novellierten „Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen“ für die öffentlichen Schulen in Kraft gesetzt. Für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln sind daraufhin die nachfolgenden Ausführungsbestimmungen zu den Sexualkunderichtlinien (Teil I) entwickelt worden. Sie geben der schulischen Sexualerziehung an unseren Schulen die notwendige christliche Orientierung. Weitere Hilfestellungen werden den Schulen in den Hinweisen zu den Ausführungsbestimmungen (Teil II) durch didaktischmethodische Anregungen gegeben. Die Implementation der Ausführungsbestimmungen an den Schulen wird die Hauptabteilung Schule/Hochschule des Erzbischöflichen Generalvikariates Köln in Zusammenarbeit mit dem Institut für Lehrerfortbildung in Mülheim/Ruhr durch geeignete Fortbildungsmaßnahmen unterstützen. Wir danken der Kommission der Hauptabteilung Schule/Hochschule für die intensiven Vorarbeiten. Vor allem danken wir aber den Lehrerinnen und Lehrern und den Eltern, die sich in christlicher Verantwortung gemeinschaftlich der Aufgabe stellen, Kindern und Jugendlichen einen Lebensweg zu verantwortlich lebenden und handelnden Christen zu weisen. Die Ausführungsbestimmungen treten zusammen mit den Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen an den Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln zum 01.04.2003 in Kraft. Köln, im März 2003

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1. Zur Situation der Sexualerziehung Seit dem ersten Erlass zur Sexualerziehung aus dem Jahre 1974 zählt die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen zu den obligatorischen Erziehungs- und Bildungsaufgaben der Schulen. Damals kamen Fragen der Sexualität und der Sexualerziehung in Kirche, Staat und Gesellschaft große Aufmerksamkeit zu, die sich in öffentlichen Diskussionen, aber auch in zahlreichen Publikationen der Bezugswissenschaften sowie in Leitwörtern und Hirtenbriefen der Kirche niederschlugen. Die Liberalisierung des Sexualverhaltens und der Darstellung von Sexualität hat sich in unserer Gesellschaft seither erheblich weiterentwickelt. Sexualität ist häufig genug zu einer Ware geworden, die als Grundlage einer Beziehungsmöglichkeit ohne personalen Bezug dargestellt wird. Instrumentalisierung und Banalisierung der Sexualität sind in Werbung und Medien vielfach zu beobachten. Der postmoderne Pluralismus sexueller Lebensformen, der gesellschaftliche Prozess der Normenverschiebung und –auflösung, die Kommerzialisierung der Sexualität und die in Medien verbreitete „Tyrannei der Intimität“ trifft auf Kinder und Jugendliche, bei denen die körperliche Reifung immer früher einsetzt, die einen im Wesentlichen ungehinderten Zugang zum Medienangebot haben und oft genug der „sexualisierten Öffentlichkeit“ unvorbereitet und ungeschützt ausgesetzt sind. Eine ebenso kind- wie wertorientierte Sexualerziehung durch Elternhaus und Schule ist deshalb notwendig. Sie vermittelt den Heranwachsenden entwicklungsgemäß Kenntnisse, gibt Wertund Lebensorientierung, räumt Möglichkeiten zum Dialog und zum persönlichen Gespräch ein und hilft so, zu einer verantwortungsbewussten Persönlichkeit in Kirche, Staat, Gesellschaft und persönlicher Lebensgestaltung heranzureifen. Die schulische Sexualerziehung ergänzt die Erziehung der Eltern und kann mit den ihr eigenen Voraussetzungen und Möglichkeiten spezifische Schwerpunkte entwickeln. Sexualerziehung bedarf einer intensiven Vorbereitung durch die Kollegien und einer beständigen reflektierenden Evaluation im Hinblick auf die jeweilige Schülerschaft. An Katholischen Freien Schulen findet die Erziehung von Elternhaus und Schule auf der gemeinsamen Grundlage und in Verantwortung vor der Frohen Botschaft Jesu Christi statt. Die staatlichen „Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen“ aus dem Jahre 2000 stellen eine grundlegende Novellierung der vorhergehenden Richtlinien dar und geben der schulischen Sexualerziehung eine grundsätzlich zeitgemäße didaktische und methodische Orientierung. Sie werden im Folgenden für die Sexualerziehung an den Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln im Hinblick auf den spezifischen Erziehungsund Bildungsauftrag spezifiziert.

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2. Grundlegungen 2.1. Christliches Menschenbild und Sexualerziehung Sexualität ist eine Grundgegebenheit des menschlichen Lebens. Sie erweist sich nicht nur als ein biologisches Faktum, sondern prägt den Menschen in seinem ganzen Personsein. Sie erregt sein Fühlen, sie fordert sein Denken heraus und drückt sich in seinem Handeln aus. Dabei bindet sie den einzelnen in ein Geflecht von Beziehungen ein, die er selbst gestalten kann und von denen er selbst wiederum je schon geprägt ist. So erweist sich Sexualität als ein Prinzip menschlichen Daseins, das nach entsprechender existentieller Deutung und ethischer Orientierung verlangt. Der Sexualität ist eine ursprüngliche Wahrheit eigen; diese erschließt sich dort, wo Sexualität verantwortet gelebt und innerlich frei erlebt werden kann - beide Momente sind unaustauschbar miteinander verknüpft. Die Entdeckung dieser Wahrheit ist dem Menschen in seiner individuellen als auch in seiner kulturellen Geschichte aufgegeben. Sexualerziehung ist daher konstitutiver Bestandteil der Gesamterziehung, die in natürlicher Weise originäres Recht und unabdingbare Pflicht der Eltern ist. In subsidiärer Weise ergänzt die Schule den elterlichen Erziehungsauftrag im Rahmen der verfassungsmäßigen Grundordnung von Land und Bund. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen begreifen den gesetzlichen Erziehungsauftrag „in Verantwortung vor Gott und den Menschen“ (Präambel). Die Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen legt als vornehmstes Ziel der Erziehung fest, „Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken“ (Art. 7 Abs. 1). Auch wenn die Verfassung kein Gottesverständnis im Sinne einer bestimmten Religion oder Weltanschauung vorschreiben kann, so beinhaltet die vor Gott begriffene Verantwortung, dass alles Leben nicht vom Menschen geschaffenes, sondern empfangenes Leben darstellt, dessen Bewahrung und Entfaltung Inhalt seines Gestaltungsauftrags ist. Verantwortung vor Gott und den Menschen sowie Achtung vor der Schöpfung sind inhaltlich korrelierende Momente dessen, was mit der sittlichen Verantwortung des Menschen zugleich dessen Würde ausmacht. Sexualerziehung als Teil der Gesamterziehung ist von diesem umfassenden Horizont her zu verstehen und auszulegen. 2.1.1. Die Güte der Schöpfung „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut“ (Gen 1, 31). Sexualität hat ihren ursprünglichen Ort im Beziehungsgefüge der ‚guten Schöpfung’. Gott erhält diese Güte auch über die Sünde des Menschen hinaus. Der Mensch soll Mit-Schöpfer sein an der Gutheit von Gottes Schöpfung. Jede Rede vom christlichen Menschenbild hat ihren Anfang zu nehmen beim schöpferischen Wort Gottes, durch das er alle begegnende Wirklichkeit in ihr Sein ruft. „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“ (Gen 1,1) - so beginnt der Teil der Heiligen Schrift, den die christliche mit der jüdischen Glaubensgemeinschaft teilt. Licht und Finsternis, das Firmament, die Gestirne, das Pflanzenkleid der Erde, alle Tiere sowie den Menschen schafft Gott, indem er spricht: „Es werde!“ Den Lebewesen erteilt er den Segen der Fortpflanzung (Gen 1, 22.28), damit sie ihre Gattung aus den jeweils geschaffenen Urpaaren in der nun anbrechenden

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Geschichte selbst erhalten und vermehren können. Dann teilt er ihnen, Menschen wie Tieren, je unterschiedliche pflanzliche Nahrung zu (Gen 1, 29 f), um abschließend sein gesamtes Schöpfungswerk zu betrachten und als „sehr gut“ zu befinden. „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut“ - lautet die biblische Ursprungsstelle (Gen 1, 31), von der aus die Rede von der ‚Güte der Schöpfung’ und von der ‚kreatürlichen Würde’ alles Seienden ihren Ausgang nimmt. Die Überzeugung von der Güte der Schöpfung und kreatürlichen Würde bedeutet gerade keine Verabsolutierung geschaffener Größen. Der Schöpfungsbericht von Gen 1 bringt vielmehr die Bedeutung von gut“ in Relationen zum Ausdruck, in einem Beziehungsgefüge, welches als Ganzes den schöpfungsmäßigen Ursprung bekundet. Sie lässt den Menschen der Existenz von Grenzen ‚gewahr’ werden, die er nicht ohne wesensmäßige Veränderung des Bildes von sich selbst überschreiten kann. Durch deren Überschreitung verliert er das Bewusstsein, Teil der Schöpfung zu sein. In dem Maße, in dem er sich von seinem Ursprung trennt, wird er sich selbst fremd. Dies führt die biblische Erzählung vom Sündenfall in den existentiellen Konsequenzen eindringlich vor Augen. Wo der Mensch sich von seinem Schöpfer trennt, entfremdet er sich von sich selbst. ‚Selbstentfremdung’ ist für die Bibel ein ursprünglicher Ausdruck für ‚Sünde’. Gott ruft durch sein schöpferisches Wort nicht nur alles ins Sein, er erhält auch alles Geschaffene in seinem Sein. Daher trägt das biblische Lebensgefühl von der prinzipiellen Schöpfungsgüte aller Dinge über den Sündenfall hinaus, wenn sich die ursprüngliche paradiesische Friedensordnung zu einer geschichtlichen Ordnung umwandelt, welche die Kennzeichen von Gewalt beinhaltet. Die grundsätzliche Güte der geschaffenen Welt aber bildet das existentielle Fundament, auf dem es überhaupt nur möglich ist, ein Leben wirklich zu führen. Gott lässt nur eine begrenzte Korrumpierung der Schöpfung durch die menschliche Gewalttat zu, sowohl qualitativ wie zeitlich. Finsternis und Urflut (Gen 1, 2) brechen sogar bei der Sintflut nicht in die Schöpfungsordnung ein und werden es auch künftig nie tun - das garantiert der Schöpfergott dem Noah (Gen 8, 21 - 9, 17) so gut wie dem Hiob (Hi 38-41). Gott garantiert die Güte der Schöpfung, auch wenn der Mensch seine Grenzen überschreitet. Die Geschichte, in der wir unser Leben zu führen haben und zu gestalten gerufen sind, begreift die Bibel ganz elementar im Horizont des Schöpfungsgedankens, d.h. zwischen Schöpfung und Neuschöpfung, zwischen Ursprung und Ziel. Grundlage des christlichen Menschenbildes ist also das Lebensgefühl einer von Gott in der Geschichte je neu bewahrten ‚kreatürlichen Würde’. Gott schafft nicht nur ‚ex nihilo’. Gott erhält auch das Geschaffene unaufhörlich im Dasein (vgl. Ps 104). ‚Creatio ex nihilo’ und ‚creatio continua’ sind bis heute hin die Spannungspole einer Theologie der Schöpfung, innerhalb derer das Verhältnis des Schöpfers zu seiner guten, weil von ihm ins Dasein gerufenen Schöpfung bestimmt wird. An der ‚kreatürlichen Würde’, wie man heute die Überzeugung von der Güte der Schöpfung prononcierter zum Ausdruck bringt, hat der Mensch nicht nur passiven Anteil, sondern auch aktiven, ‚mit-schöpferischen’ - kon-kreatorischen - Anteil. 2.1.2. Der Mensch als Kreatur: Gottes Ebenbild „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild“ (Gen 1, 27). Die Gottebenbildlichkeit des Menschen bedeutet eine Verantwortung, die er in Entsprechung zu Gott und seinem schöpferischen Wirken auszuüben hat. Diese Berufung verleiht dem Menschen eine besondere Würde. Die Begründung der Menschenwürde im Schöpfungsglauben erschließt menschliche Sexualität in ihrer spezifischen Intimität und Verletzbarkeit. Christliche Sexualethik kann hierin gegenüber dem begrenzten Rahmen, wie er dem Staat aufgrund seiner weltanschaulichen Neutralität geboten ist, eine tiefergehende Orientierung vermitteln.

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So wie Gen 1, 31 die biblische Kernstelle für die Überzeugung von der grundsätzlichen Seinsbzw. Schöpfungsgüte alles Seienden sowie der Schöpfung als Ganzes darstellt, so sind die Verse Gen 1, 26-28 die maßgebende biblische Berufungsinstanz für die besondere Stellung des Menschen in der Schöpfung: „Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar, und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.“ Die Gottebenbildlichkeit ist für die Bibel das den Menschen auszeichnende Kennzeichen schlechthin. Sie unterscheidet den Menschen von allen anderen Schöpfungen Gottes, sie gilt universal für alle Menschen. Obgleich die Gottebenbildlichkeit den Menschen aus dem Kreis der übrigen Geschöpfe hervorhebt, vergöttlicht sie ihn nicht und negiert nicht seine Kreatürlichkeit. Der Mensch bleibt auch als gottebenbildliches Wesen Geschöpf - Kreatur, wodurch einerseits seine Wesensverschiedenheit vom Schöpfer, andererseits zugleich seine bleibende Zugehörigkeit zur guten Schöpfung ausgedrückt ist. Durch die Gottebenbildlichkeit wird der Mensch nicht zum ‚anderen Gott’. Die Würde der Gottebenbildlichkeit ist kein Titel für generelle Besitz- und Herrschaftsansprüche, sie ist die seinsmäßige Grundlage für Verantwortung und von solcher Bedeutung, dass sie mit keiner Aufgabenerfüllung je abgegolten sein könnte - sie ist eine in Entsprechung zu Gott und seinem schöpferischen Wirken auszuübende Verantwortung. Zu Recht hat man daher in der weiteren Auslegungsgeschichte von der Gottebenbildlichkeit her die besondere Würde des Menschen verstanden. ‚Würde haben’ ist unverdiente Mitgift, die jedem Menschen vorab aller Leistungsfähigkeit mit seiner Existenz verliehen ist, weder verdienbares noch weggebbares Geschenk der Gottebenbildlichkeit. Ihr Gehalt ist mit der Evidenz der sittlichen Grunderfahrung gegeben, unvertretbar in einer unabdingbaren Verantwortung zu stehen. Für die ‚Würde’ kann es somit kein Äquivalent etwa im Sinne besonderer Leistungen, Vorzüge oder geistiger Fähigkeiten wie Selbst- und Zukunftsbewusstsein geben. Sie ist, wie Immanuel Kant sagt, ein „absoluter innerer Wert“. Auch derjenige, der es gelernt hätte, sich selbst in seiner Würde zu schätzen, stünde nur je wieder an einem Neuanfang. Er wüsste lediglich in dankbarer Demut um diesen Neuanfang, hätte aber keinen ‚Mehrwert’ im Sinne eines Platzvorteils, der es ihm erlaubte, seine Ansprüche mit höherer Dignität aufzuladen und als größeren ‚Lebenswert’ gegenüber anderen durchzusetzen. Wer sich in seiner besonderen Würde der Gottebenbildlichkeit wirklich zu schätzen gelernt hat, wird umgekehrt danach streben, sich selbst zurückzunehmen und dem anderen Raum zu geben, dass er sein Leben als ‚Dasein um seiner selbst willen’ - wie man ebenso ‚Würde’ umschreiben kann - führen und es erlernen kann, sich selbst zu schätzen. In diesem Sinne ist das ‚Prinzip Menschenwürde’ das pädagogische Prinzip schlechthin. Gerade Sexualerziehung kann nur in dem Maße ihr Ziel, Kinder und Jugendliche zu „sinnbestimmtem und wertorientiertem Urteilen und Handeln“ auf der Basis von gesicherten Kenntnissen zu führen, erreichen, als sie für dieses ‚Prinzip Menschenwürde’ sensibel wird. Die Rede von der ‚Unantastbarkeit’ der Menschenwürde bringt ja gerade ex negativo die spezifische Verletzbarkeit des Menschen als Ebenbild Gottes zum Ausdruck. Die Entdeckung des ‚Prinzips Menschenwürde’ im Bereich der Sexualität beinhaltet immer auch die Entwicklung eines wachen Bewusstseins für die besonderen Verletzbarkeiten, die hierbei möglich sind. Respekt und Toleranz sind ohne Zweifel das A und O verantwortungsvollen

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Handelns und Verhaltens im Hinblick auf die Würde des anderen. Sie sind jedoch in der Hinsicht eine zu ‚dünne’ Basis, dass sie die Würde nur im Horizont der Rechtsethik eines religiös und weltanschaulich neutralen Staates zur Sprache bringen können. So unhintergehbar und notwendig diese Basis ist, reicht sie dennoch nicht aus, um das ‚Prinzip Menschenwürde’ in den existentiellen Dimensionen von Sexualität mit solcher Sensibilität zur Geltung zu bringen, dass man auch der spezifischen Verletzlichkeiten im Umgang mit ‚Intimität’ im vollen Sinne des Wortes gewahr werden kann. Nur dann, wenn man vom absoluten inneren Wert der Menschenwürde ausgeht, vermag man zu ermessen, was ‚Intimität’ bedeutet. Nur dann, wenn man die Menschenwürde im Horizont der Gottebenbildlichkeit begreift, verspürt man, welche Verantwortung hierin gegeben ist. Nur dann aber, wenn man die Gottebenbildlichkeit im biblischen Schöpfungskontext versteht, vermag man auch die spezifischen Relationen der Würde des als Mann und Frau geschaffenen Menschen zu erkennen. Es ist ganz entscheidend für ein sexualpädagogisches Konzept, welches sich den Impulsen der biblischen Offenbarungsgeschichte verpflichtet weiß, dass die besondere Würde der Gottebenbildlichkeit des Menschen auf den allgemeinen Horizont der ‚Würde der Kreatur’, der ‚Güte der Schöpfung’ bezogen bleibt. Im Horizont der allgemeinen Schöpfungsgüte bringt die Bibel die Mitgeschöpflichkeit des Menschen zur Sprache, die er als Gottes Ebenbild auf Erden entsprechend seinem Vorbild zu gestalten hat, d. h. auch und gerade die Mitgeschöpflichkeit des als Mann und Frau geschaffenen Menschen. 2.1.3. Sexualität als grundlegendes Daseinsprinzip „Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1, 27). Das Mann- und Frau-Sein ist eine grundlegende Dimension der dialogischen Existenz des Menschen; Sexualität vermittelt Lebenssinn. Das „Ein-Fleisch-Werden“, von dem die Bibel spricht (Gen 2, 24), bedeutet das Einswerden in der Gemeinschaft des Lebens und der Liebe von Mann und Frau. Im Zusammenwachsen und Einander-Ähnlich-Werden „erkennen“ sich Mann und Frau wechselseitig. Einander erkennen in Form ganzheitlicher Begegnung bedeutet auch Abgrenzung von bloßem Gebrauchen des anderen und Befreiung der Sexualität von Konsumzwang. „Männlich, weiblich schuf er sie“ - so übersetzt Martin Buber die Schlüsselstelle von Gen 1, 27. Damit ist in unübersehbarer Weise mehr gemeint als „sexuelle Orientierung“. Die Redeweise von der „sexuellen Orientierung“ lässt die Sexualität des Menschen wie ein abgespaltener, humanwissenschaftlich erforschbarer und beschreibbarer Teil seiner Körperlichkeit erscheinen. „Männlich, weiblich schuf er sie“ - die Übersetzung macht deutlich, dass die Sexualität des Menschen als grundlegendes Daseinsprinzip zu verstehen ist. Damit ist auch mehr gesagt als die bloße Leibhaftigkeit, in der der Mensch als Wesen dieser Erde lebt. Das Männlich- und Weiblich-Sein gehört zu den primären Spezifika der dialogischen Existenz des Menschen, kraft der er Gott und seinem schöpferischen Wort zu antworten und zu entsprechen vermag – christlich gesprochen dem Geheimnis des inneren Lebens Gottes selbst. Dialog aber beinhaltet immer das Geschehen von gegenseitigem Sich-Erschließen und SichErschließen-Lassen, Erkennen und Sich-Erkennen-Lassen. Das Männlich- und Weiblich-Sein ist von Anbeginn an in die Gottesbeziehung des Menschen hineingenommen, es ist wesenhaftes Moment der dialogischen Existenz, in der sich Menschen das schöpferische WORT einander erschließen und interpretieren. Daher ist die Aussage, dass Sexualität eine Lebenskraft darstellt, „die in allen Phasen des menschlichen Lebens körperlich, geistig-seelisch und sozial wirksam wird“ (Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen), noch nicht stark genug,

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um die wirkliche ‚erkenntnisstiftende Kraft’, die ihr eigen ist, zum Ausdruck zu bringen. ‚Erkenntnisstiftende Kraft’ meint die Vermittlung von Lebenssinn, die Erschließung der sozialen, psychologischen und religiösen Dimensionen von Sexualität in ihrer existentiellen Bedeutung für den Menschen. In diesem Licht ist auch die zentrale Aussage der Bibel vom Ein-Fleisch-Werden zu verstehen, in der für Jesus selbst der ursprüngliche Schöpfungssinn der Ehe von Mann und Frau grundgelegt ist: „Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch“ (Gen 2, 24; vgl. Mt 19, 4-6, Mk 10, 6-9). Das Ein-Fleisch-Werden ist im Verständnis der Bibel keineswegs auf die unmittelbare Geschlechtergemeinschaft beschränkt, sondern meint das Zusammenwachsen und Einander-Ähnlich-Werden von Mann und Frau. Daher spricht die Bibel auch vom ‚Erkennen’, nicht in einem kognitiven Sinne verstanden, sondern als Beschenkt-Werden. Diese erkenntnisstiftende Kraft lässt den Menschen sich selbst überschreiten, er verlässt seine bisherigen Bindungen, er vermag sogar auch die bisherigen Geschlechterrollen und geschlechtstypischen Erwartungen zu überwinden - der Mann verlässt die Elternehe und bindet sich an seine Frau. Das Ein-Fleisch-Werden meint das Ganze einer Gemeinschaft des Lebens und der Liebe von Mann und Frau. Dieser Gemeinschaft kommt eine Würde zu, die die kreatürliche Würde in einer Weise untrennbar mit der Würde der Gottebenbildlichkeit vereint, wie dies von keiner anderen Form menschlicher Gemeinschaft erreicht werden kann. Für die Bibel kommt daher in diesem Einswerden die Ursprungsschöpfung zu ihrer Vollendung. Die das schöpferische „Wort“ erschließende Kraft der menschlichen Sexualität ist also ganz elementar an die Zweigeschlechtlichkeit des Männlich- und Weiblich-Seins geknüpft. Das Männlich- und Weiblich-Sein ist ein unhintergehbares dialogisches Differenzprinzip; es ist daher nicht diskriminatorisch, weil nur durch diese ‚Differenz’ die Sensibilität entstehen kann, mittels derer man der Würde des einzelnen Menschen in den spezifischen Relationen seines Daseins gerecht zu werden vermag. Eine Nivellierung der Sexualität im Sinne einer prinzipiellen ‚Gleich-Gültigkeit’ der ‚sexuellen Lebensweisen’ beraubt die menschliche Sexualität um das Spezifikum ihrer konkret-erschließenden Erkenntniskraft. Dem Ein-FleischWerden von Mann und Frau ist somit eine Tiefendimension eigen, die über das Erleben dieser Einheit hinausgeht. Es ist eher ein konkret-leibhaftes Ähnlichwerden, in dem sie gemeinsam als Bild Gottes dem Urbild entsprechen. Nicht ohne Grund verwendet die Theologie zur Bezeichnung dieser sich hierin ereignenden Erfüllung und Vollendung das Wort ‚consummatio’, was geradezu ein ‚Einverleiben’ der im göttlichen „Wort“ gemeinsam zuteilgewordenen Liebe bedeutet. Gerade unter diesem Aspekt erweist sich die erkenntnisstiftende Kraft der Sexualität als eine erkenntniskritische Größe ersten Ranges. Wenn in der modernen Welt des Konsums die Sexualität selbst unter Konsumzwang geraten ist, so gilt es zunächst zu erkennen, dass Konsum in dieser Form nichts anderes als eine künstlich erzeugte Begierde nach der Perfektionierung des eigenen Ichs ist. Die biblische Sicht der Bedeutung des Männlich- und Weiblich-Seins bietet demgegenüber nicht nur die notwendige Distanz, sondern auch die primäre pädagogische Perspektive. 2.1.4. Sexualität und Lebensform der Liebe Als existentielles Daseinsprinzip ist Sexualität auf eine Lebensform verwiesen, die um ihrer selbst willen Sinn hat. Ehe und Familie sind ursprüngliche Formen gemeinschaftlichen Lebens und in dieser Weise unersetzbar. Jeder Mensch ist Glied einer Generation, in die er hineingeboren wird; jede Generation gleich welchen Status aber ist familiär begründet. Die

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Ehe ist in besonderer Weise eine unaustauschbare Lebensform, da sie auf einer Freiheit gründet, die beide Partner einander übereignet haben und die keiner von ihnen für sich alleine haben kann. Sie ist die dem dialogischen Vermögen der Liebe adäquate Form. Daher ist auch das Besondere des Ehesakraments die gegenseitige Heiligung von Mann und Frau in der Kraft des Bundes Christi mit seiner Kirche. Sexualität und Lebensform verbinden, bedeutet: lernen zu lieben. Solche Liebe erfährt ihre verwandelnde Kraft aus der Fülle des Ursprungs in Gott. Die Berufung zur Liebe gilt für alle Menschen gleich welchen Lebensstandes, sie kann Menschen dazu herausfordern, in freiwilligem Verzicht auf Ehe und Familie ihrer dialogischen Existenz Ausdruck zu verleihen. Sexualität bestimmt - männlich/ weiblich - das Ganze des menschlichen Lebens. Sie kann nur dort gelingen, wo sie in einer ihrer Dignität entsprechenden Form gelebt werden kann, d.h. in einer Lebensform, die selbst ohne Äquivalent ist. Eine solche Lebensform ist die auf Ehe gegründete Familie. Sie ist unersetzbar, d. h. nicht aufgrund bestimmter Funktionen, Leistungen oder Qualitäten gegen andere Lebensformen austauschbar. Ehe und Familie sind, wie Papst Johannes Paul II. formuliert, ursprüngliche und grundlegende Formen, ‚in Gemeinsamkeit’ zu leben. Die Familie ist in dem Sinne grundlegend, dass sie gewissermaßen den existentiellen Hintergrund eines jeden Menschen darstellt, „die erste menschliche Umgebung, wo der ‘innere Mensch’ Gestalt annimmt“. Umgekehrt ist der personalen Ordnung nach die Gemeinsamkeit (communio) von Mann und Frau der Ursprung aller familiären Gemeinschaft (communitas). Aufgrund dieser Einheit sind Ehe und Familie ursprüngliche und grundlegende Formen gemeinschaftlichen Leben: sie stehen unter dem Schutz der staatlichen Ordnung. Ehe und Familie sind zwei Wirklichkeiten, die zwar einander gegenseitig bedingen, die aber nicht ineinander aufgehen dürfen. Dem Ein-Fleisch-Werden von Mann und Frau entspricht die Ehe als Lebensform insofern, als sie nicht bloß die Summe zweier individueller Freiheiten und entsprechender Rechte ist. Sie stellt vielmehr eine Lebenswirklichkeit dar, die nur in und durch Gemeinschaft ‚ist’, d.h. durch das Eingehen aufeinander und das Zusammenleben miteinander. Die Ehe begründet gleichsam eine überindividuelle Biographie für den einzelnen Menschen. Ehe vermittelt Anteil an einer Lebenswirklichkeit, die keiner der beiden Partner für sich alleine und für sich selbst hat. Sie eröffnet eine Erweiterung der Lebensperspektive, zu der niemand von sich selbst her und alleine fähig ist, die vielmehr erst durch diese Lebensgemeinschaft gegeben ist. Freiheit, die man nur zusammen haben und verwirklichen kann, ist ihrem Wesen nach Gemeinschaftsfreiheit. In diesem Sinne hat die Ehe als Institution von Gemeinschaftsfreiheit auch Selbstzweckcharakter, eine Würde eigener Art. Denn es ist eine Gemeinschaft des Lebens und der Liebe, die nicht als besonderer Teil oder Bereich der einzelnen Partner ausgrenzbar ist, sondern alle Bezüge der Lebensführung betrifft. Weil sie ihre Wirklichkeit im Ganzen des menschlichen Lebens hat, ist sie notwendig auf Dauer bezogen. Diese Dauerhaftigkeit meint nicht einfach einen langen Zeitabschnitt der linearen Zeit, sondern die Ganzheit des menschlichen Daseins. Denn die eheliche Gemeinschaft beruht darauf, dass sich die Eheleute einander schenken und annehmen (vgl. 2. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution "Gaudium et spes", Nr. 48). Diese Freiheit ist konstitutiv für das christliche Menschenbild, nur eine in solcher Freiheit zu gestaltende Sexualität kann Richtmaß christlicher Sexualerziehung sein. Wo menschliche Sexualität in der Ehe als ursprünglicher Form von Gemeinschaftsfreiheit gelebt wird, dort vermag sie auch Glaubenserkenntnis zu stiften, d. h. eine erkenntnisstiftende Kraft zu entfalten, die über den Horizont natürlicher Phänomene hinausgeht, die vielmehr alles, was den lebendigen Gehalt dieser Gemeinschaft ausmacht, auf Gott hin erschließt. Diese Kraft ist ihr nicht von sich aus zu eigen, sondern verdankt sich der Gnade des sich seinem Volk

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mitteilenden Gottes. Es ist der sich in der Geschichte offenbarende Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der das Ein-Fleisch-Werden von Mann und Frau zum realen Zeichen seines Bundes mit Israel werden lässt. Seine unverbrüchliche Treue ist es, welche die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau in der Ehe zu einer Realität des Glaubens hin öffnet. In der Begegnung mit dem fleischgewordenen Wort Gottes im Neuen Bund deutet Paulus diese Realität auf die untrennbare Beziehung zwischen Christus und seiner Kirche hin (vgl. Eph 5, 32). Das Besondere des Sakraments der Ehe aber ist die gegenseitige Heiligung von Mann und Frau in der Kraft des Bundes Christi mit seiner Kirche. Diese Heiligung, zu der jeder Glaubende berufen ist, meint keine Verklärung des ehelichen Lebens, sondern die gemeinsame Bereitschaft, das fleischgewordene Wort Gottes im eigenen Selbst, im Du des anderen und im Wir der Gemeinschaft, d. h. in allen Sinndimensionen des Männlich- und Weiblich-Seins wohnen zu lassen. Es ist das lebenslange Lernen zu lieben. Hierin liegt die eigentliche und innere Klammer zwischen Sexualität und Lebensform. Liebe will gelernt sein. In einem seiner „Briefe an einen jungen Dichter“ schreibt R. M. Rilke: „Liebe ist schwer. Liebhaben von Mensch zu Mensch: Das ist vielleicht das Schwerste, was uns aufgegeben ist, das Äußerste, die letzte Probe und Prüfung, die Arbeit, für die alle andere Arbeit nur Vorbereitung ist. Darum kennen junge Menschen, die Anfänger in allem sind, die Liebe noch nicht: Sie müssen sie lernen. Mit dem ganzen Wesen, mit allen Kräften, versammelt um ihr einsames, banges, aufwärts schlagendes Herz, müssen sie lieben lernen. Es ist die schwerste, wie auch nie endende Aufgabe des Lebens.“ In der Bewältigung dieser Lebensaufgabe aber stehen wir nicht allein, sondern „die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist“ (Röm 5, 5). Es ist eine Grundaussage des christlichen Menschenbildes. Diese Liebe ist ihrem Ursprung nach von Gott und doch ganz und gar menschlich, wo immer sie sich wahrhaft äußert. Männlich und weiblich in der Lebensform der Ehe zu sein, bedeutet zunächst einmal, die Liebe von ihrer Wurzel her kennen zu lernen. Nur so lässt sich heute glaubhaft und authentisch wieder von ‚Liebe’ reden, ohne den Blick dafür zu verlieren, dass gerade das Schönste und Kostbarste vom Menschen zum Grausamsten und Niedersten pervertiert werden kann. Die Liebe ist nach dem Zeugnis der Schrift das vollkommene Leben Gottes selbst. „Gott ist der ewig Liebende“ (1 Joh 4, 8): Die Liebe ist also zuerst das ganz und gar göttliche Verhalten selbst. Sie ist die Wurzel unseres eigenen Liebenkönnens. Liebe ist nicht ein fernes Ideal, sondern eine Berufung und Befähigung: eine Gnade. Lieben kann wahrhaft nur der, der in der Gnade Gottes ist. Lieben heißt, in der Gnade sein, es ist vorab aller Leistung und allen sittlichen Anspruchs Geschenk. Nichts verdient unter Menschen den Namen Liebe, was nicht von Gott kommt und auf Gott hingeordnet ist. Wenn uns im anderen Menschen nicht Gott begegnet, wenn man den Partner nicht mit einer Liebe lieben kann, die von viel weiter herkommt als sein endliches Liebesvermögen, „wenn also das, was in unseren Begegnungen den erhabenen Namen Liebe tragen darf, nicht von Gott kommt und zu Gott geht, wird es sich nicht verlohnen, das Abenteuer zu bestehen, denn es wird den Menschen weder seines Kerkers noch seiner Einsamkeit entledigen“ (H. U. v. Balthasar). Liebe ist ihrem Ursprung nach von Gott, gnadenhaftes Geliebtwerden und Liebenkönnen, doch Liebe dieser Art ist dem Menschen nicht äußerlich und fremd. Sie erfasst auch nicht etwa bloß den Geist, um die Kräfte des Leibes und der Seele auszuschalten, sondern ergreift den ganzen Menschen; sie verdächtigt weder den Leib und seine Lust noch das Gefühl. In ihr haben sexuelles Erfüllen ebenso wie das freie Spiel des Eros ihre volle Berechtigung. Nichts jedoch widerspricht ihrem Wesen so sehr wie jede egoistische Loslösung und Trennung aus dem Lebensganzen sich schenkender Liebe. Liebe nämlich lebt nicht aus der menschlichen Bedürftigkeit, sondern aus der Fülle ihres Ursprungs in Gott. Wie solche Liebe gelingt, beschreibt Paulus in seinem Hohen Lied der Liebe (1 Kor 13). Diese Liebe, von der er hier

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spricht, tut all das, was ‚man’ für gewöhnlich nicht tut; sie ist göttlichen Ursprungs und doch so menschlich, wie sonst nichts menschlich ist. Sie ist so sehr von Gott, dass kein Mensch ihrer von sich aus fähig wäre, und ist doch so menschlich, dass kein Mensch menschlicher und liebenswürdiger sein kann als durch diese Liebe von Gott her. Liebe verwandelt den Menschen durch und durch, nicht indem sie ausklammert, sondern indem sie alles durchdringt - gerade dies jedoch kann ein sehr schmerzlicher und harter Prozess sein, es ist in jedem Fall ein lebenslanger Lernprozess. Es ist ein Lernprozess für diejenigen, die in der Lebensform der Ehe zur gegenseitigen Heiligung berufen sind, genauso aber auch für diejenigen, die auf Ehe und Familie frei verzichten. Das Mann- und Frau-Sein ist ohne Zweifel das grundlegende Moment menschlicher Beziehungsfähigkeit. Dies bedeutet aber keineswegs, dass die dialogische Existenz des Menschen nur in der Form des Verheiratetseins realisiert werden könnte und alle Formen des ‚Alleinseins’ demgegenüber defizitär wären. Freiheit ist das dialogische Vermögen der Liebe; gerade um dieser Liebe willen können Menschen dazu berufen sein, in anderen Lebensformen die unbedingte, d. h. durch keine endliche Größe bedingte Wurzel dieser Freiheit zu bezeugen und ihr Ausdruck zu verleihen. Sie sind darin in einer besonderen Weise beziehungsfähig, sei es, dass sie durch die Formen freiwilliger Ehelosigkeit in Priestertum oder Ordensstand die Liebe Christi je neu den Menschen nahe bringen, sei es, dass sie durch die Freundschaftsliebe zu Interpreten der Gottesliebe selbst werden. Die Berufung zur Liebe gilt für alle Menschen, die maßgebende Form kann im letzten nur die Liebe selbst sein. 2.1.5. Christlich verstandenes Ethos der Sexualität Liebe und Verantwortung gehören an der Wurzel zusammen. Sexualität bedarf der Gestaltung durch eine Liebe, die sich verantwortlich weiß für den anderen, die eigene Person und für das Wohl der sich entwickelnden Gemeinschaft. Die existentiell bedeutsamen Einsichten, die für den Sinn menschlicher Sexualität konstitutiv sind, geben hierbei die Orientierung für die Formulierung notwendiger Grenzen und Regeln. Sexualität soll authentischer Ausdruck von Liebe sein, daher müssen Handlung und innere Haltung einander entsprechen. Die Achtung der Intimität des anderen ist hierbei unabdingbar. Zur Gestaltung der Sexualität gehört auch der verantwortete Umgang mit der Fruchtbarkeit. Dies verlangt ein Gespür für den Zusammenhang von Liebe und Weitergabe des Lebens, in dem sich die Tiefendimension von Gottes guter Schöpfung in ihrer Wahrheit bekundet. Bereits im Verhältnis zur eigenen Sexualität setzt der lebenslange Lernprozess der Liebe an. Sexualität soll ganzmenschlich sein, Mann und Frau je in ihrer Eigenart ganzheitlich prägen: Nur so kann sie Sprache der Liebe sein. Wo Sexualität nicht ins Ganze der Persönlichkeit integriert werden kann, bleibt die Persönlichkeit zeitlebens unerfüllt, und entsprechende Schwierigkeiten in Ehe wie auch in Ehelosigkeit sind unvermeidlich. Niemand kann geben, was er nicht hat. Nur wer sich ein Stück weit selbst ‚hat’, vermag sich auch hinzugeben. Richtiger, vom Egoismus freier Selbstbesitz und Hingabefähigkeit sind aber geradezu die unabdingbaren Voraussetzungen der Liebesfähigkeit. Selbstliebe, wie sie vom Liebesgebot her geschuldet ist, ist der lebenslange Prozess der Annahme seiner selbst, sie ist zugleich die Basis von Partnerschaftlichkeit. Christlich verstandenes Ethos der Sexualität beinhaltet von dieser Basis her die Verantwortung für den ganzen Menschen, dem man sexuell begegnet, sowie die Pflicht, ihm keinen Schaden zuzufügen. Als inneres Moment der Liebe gehört Verantwortung von vorneherein zu einer

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partnerschaftlichen Liebesbeziehung dazu. Liebe und Verantwortung lassen sich deshalb nicht voneinander trennen. Wer liebt, ist für den verantwortlich, den er liebt, und er ist für seine eigene Liebe verantwortlich. Verantwortlich für die Person des anderen, weil er sie mit seinem Dasein verbindet und bindet zugleich; verantwortlich für seine eigene Liebe, indem er sich fragen muss, ob seine Liebe wirklich so echt und tief ist, dass sie nicht in Gefahr ist, die Hoffnungen und Erwartungen des anderen zu enttäuschen, ob sie so ‚wahr’ gemeint ist, dass sich der andere auf sie verlassen kann und wirklich dadurch zu einer größeren Seinsfülle gelangen kann, statt an seiner Seele Schaden zu nehmen. Derjenige, der sich dieser doppelten Verantwortung bewusst ist, kann erst den wahren Wert der Person ermessen und die Aufgabe erahnen, zu der er berufen ist: Sorge für das Wohl eines anderen und für die Fülle seines Daseins zu tragen. In diesem Zusammenhang formuliert Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben „Familiaris consortio" in grundsätzlicher Weise ein christlich verstandenes Ethos der Sexualität: „Die Liebe ist ... die grundlegende und naturgemäße Berufung jedes Menschen. Als Geist im Fleisch, das heißt als Seele, die sich im Leib ausdrückt, und als Leib, der von einem unsterblichen Geist durchlebt wird, ist der Mensch in dieser geeinten Ganzheit zur Liebe berufen. Die Liebe schließt auch den menschlichen Leib ein, und der Leib nimmt an der geistigen Liebe teil. ... Infolgedessen ist die Sexualität, in welcher sich Mann und Frau durch die den Eheleuten eigenen und vorbehaltenen Akten vorbehaltlos einander schenken und annehmen, keineswegs etwas rein Biologisches, sondern betrifft den innersten Kern der menschlichen Person als solcher. Auf wahrhaft menschliche Weise wird sie nur vollzogen, wenn sie in jene Liebe integriert ist, mit der Mann und Frau sich bis zum Tod vorbehaltlos einander verpflichten. Die leibliche Ganzhingabe wäre eine Lüge, wenn sie nicht Zeichen und Frucht personaler Ganzhingabe wäre, welche die Person, auch in ihrer zeitlichen Dimension, mit einschließt" (Nr. 11). Verantwortlich gestaltete Sexualität beinhaltet mit wachsender Sinnerfahrung und Wertorientierung eine Anerkennung von Grenzen, die in Form einer Kriteriologie weiter spezifiziert werden können. Christliche Sexualethik, so formuliert D. Mieth treffend, versucht „zunächst nichts anderes, als die von der Offenbarung erschlossene, aber menschlicher Einsicht offenstehende Erfahrung im Bereich des Handelns zur heutigen Erfahrung zu vermitteln. Wenn man dabei die Konstanten betrachtet, so kann man sagen, dass sich die kirchliche Sexualmoral gegen eine Verteufelung und gegen eine Vergötzung der Sexualität zu wehren verstanden hat. Daraus resultiert, dass Chancen und Gefährdungen der Sexualität gesehen werden. Mit der Einsicht in diese Zweideutigkeit verbinden sich zugleich einige Faustregeln.“ Gerade in der konkret gelebten Sittlichkeit stößt der Mensch nur zu oft auf seine Ohnmacht und Gebrochenheit, er erfährt nur zu oft, wie er darin unter dem Einfluss von eigenen Interessen und fremden Erwartungen, unter dem Druck kollektiver Leitbilder oder unbefragter gängiger Praxis, unter dem Gewicht der öffentlichen Meinung steht und befangen ist durch vielerlei Täuschung, durch Pragmatismus oder schuldhafte Verblendung. Ein hilfreicher Ansatzpunkt zur Findung von Regeln und Grenzen ist die Tatsache, dass Handlung und innere Haltung in Entsprechung zueinander stehen müssen, soll Sexualität authentischer Ausdruck von Liebe sein. Die Würzburger Synode hat in diesem Zusammenhang von einer Stufenleiter der Zärtlichkeit gesprochen: „ Im Vorraum der vollen sexuellen Gemeinschaft gibt es ein breites Spektrum sexueller, das heißt aus der geschlechtlichen Bestimmtheit des ganzen Menschen erwachsender Beziehungen unterschiedlicher Intensität und Ausdruckformen, auch eine Stufenleiter der Zärtlichkeit. Diese Beziehungen gelten als gut und richtig, solange sie Ausdruck der Vorläufigkeit sind und nicht intensiver gestaltet werden, als es

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dem Grad der zwischen den Partnern bestehenden personalen Bindung und der daraus resultierenden Vertrautheit entspricht. Volle geschlechtliche Beziehungen freilich haben ihren Ort in der Ehe.“ Wenn der Mensch eine Einheit von Leib und Seele ist, so kann es auch im Geschlechtlichen keine Aufspaltung zwischen einem ‚Außen’ und einem ‚Innen’ geben, ohne den ganzen Menschen in seinem ‚Entsprechen’ Gott gegenüber zu gefährden. In diesem Sinne ist auch die Einübung einer Haltung der Achtung gegenüber der Intimität des anderen, das Hinhören-Können auf den seelischen ‚Takt’ des anderen, - also all das, was man mit richtig verstandener ‚Keuschheit’ meint - unabdingbar. Damit dies gelingen kann, ist es unerlässlich, dass junge Menschen Selbstbeherrschung und Enthaltsamkeit erlernen. Diese Haltungen sind nicht Ausdruck einer negativen Sicht der Sexualität, sondern dienen ihrer authentischen Verwirklichung. Die Fähigkeit, warten zu können und Verzicht zu üben, ist daher um der Liebe willen notwendig. Denn die Sexualität steht im Dienst der Liebe und nicht die Liebe im Dienst der Sexualität. Zu einem christlich verstandenen Ethos der Sexualität gehört auch der verantwortliche Umgang mit der Fruchtbarkeit. Verantwortete Elternschaft ist mehr als eine Frage der Empfängnisregelung. Sie beinhaltet zunächst die Pflicht der Eheleute, im Gewissen zu einer gemeinsamen Entscheidung über die Zahl der Kinder und die zeitlichen Abstände zwischen den Geburten zu gelangen. Als Kriterien hat die Pastoralkonstitution des II. Vatikanischen Konzils „Gaudium et spes“ (Nr. 50) dazu formuliert: - das eigene Wohl der Partner achten, - das Wohl der Kinder, der schon geborenen oder zu erwartenden, achten, - die materiellen Verhältnisse der Zeit und ihres Lebens einbeziehen, - die geistigen und kulturellen Gegebenheiten der Zeit und ihres Lebens erkennen, - das Wohl der eigenen Gesamtfamilie, der Gesellschaft und der Kirche berücksichtigen. Diese Vorgaben des Konzils werden von Papst Paul VI. in seiner Enzyklika „Humanae vitae“ sowie von Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben „Familiaris consortio“ weitergeführt. Beide Schreiben weisen darauf hin, „dass die beiden entscheidenden Sinngehalte, die liebende Vereinigung und die Fortpflanzung, untrennbar miteinander verbunden sind und deshalb jeder Akt für die Weitergabe des Lebens offen bleiben muss" (Katholischer Erwachsenen-Katechismus, 369). Der Mensch darf diese Verknüpfung nicht eigenmächtig lösen. Daher verbieten sich einerseits alle Handlungen, die den Sinngehalt der Fortpflanzung ausklammern, indem sie den ehelichen Akt unfruchtbar machen. Andererseits verbieten sich aber ebenso alle Handlungen, die die Fortpflanzung vom Akt der liebenden Vereinigung (beispielsweise durch die In-vitro-Befruchtung) trennen. Mit der Lehre von der verantworteten Elternschaft will die Kirche deutlich machen, dass gelebte Sexualität immer auch Ausdruck schöpferischen Menschseins ist. Es entspricht menschlicher Grunderfahrung, dass Fruchtbarkeit ein Mitwirken mit dem Schöpfer und seiner Schöpfung ist. In der Weitergabe des Lebens tritt unverrechenbar Neues in die Welt ein. Fruchtbarkeit ist daher keine bloße Frage der Kinderzahl, sondern rührt an die tiefsten Geschehnisse menschlichen Lebens. Eine gewissensbestimmte Gestaltung dieser Geschehnisse kann nur gelingen, wenn man ein Gespür für die kreatürliche Würde des ganzen Zusammenhangs der Weitergabe des Lebens entwickelt. Elternschaft, Fruchtbarkeit, Schwangerschaft, Geburt im Sinne des einzigartigen Neuanfangs in der Geburt eines Menschen haben teil an der Unantastbarkeit des Ursprungs menschlichen Daseins in Gott. Mit dem Eindringen technischer Handlungsweisen in elementarste Lebenszusammenhänge spüren wir heute mehr denn je deren Verletzbarkeit. Wenn heutzutage gesagt wird, dass mit der Einführung der sogenannten ‚Reproduktionsmedizin’, d.h. der künstlichen Befruchtung außerhalb des Mutterleibes, der Rubikon überschritten sei, wodurch gerade das frühe

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menschliche Leben Praktiken ausgesetzt werde, die der Menschenwürde widersprechen, so zeigt dies, dass es schöpfungsmäßige Grenzen gibt, die der Mensch nicht überschreiten soll. Leben ist ein Geschenk, dies muss bei der Weitergabe des Lebens auch in der Offenheit ehelicher Liebe zum Ausdruck kommen, d.h. im gegenseitigen Bejahen der Partner in der ganzen Wirklichkeit des Männlich- und Weiblich-Seins. Wieweit man bereit ist, sich von dieser je anderen Wirklichkeit innerlich anrühren zu lassen, ist die subtilste Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Liebe und Lieblosigkeit im Bereich intimster menschlicher Beziehungen. Die beiden Sinngehalte von Fruchtbarkeit und liebender Vereinigung als untrennbar im Handeln zu respektieren, ist auch eine Wegweisung, wie man im Hinblick auf die Gestaltung ehelichen Lebens sich in seinem wirklichen und wahrhaften Wollen gegenseitig und darin zugleich von Gott erkannt sein lassen kann. Christliche Sexualpädagogik hat Maß zu nehmen am Gottes- und Menschenbild unseres Glaubens. ‚Gelungenes Menschsein’, so heißt es in den Leitlinien zur Jugendpastoral, „lässt sich nach christlicher Überzeugung nie nur aus den sozialen Bedingungen der jeweiligen Zeit und den entsprechenden weltanschaulichen Sinndeutungen ableiten. Der Sinn des Lebens erwächst vielmehr aus der Vorgabe Gottes schöpferischer Liebe: Der Mensch ist nach dem Bild Gottes geschaffen. So wie der Dreifaltige Gott in Liebe gelebte Beziehung und darin ‘Leben in Fülle’ ist, so verwirklicht sich die Gottebenbildlichkeit des Menschen vor allem in lebenserfüllender Begegnung und Gemeinschaft. Das gilt für seine Beziehung zu Gott, zu den Mitmenschen, zur Schöpfung und zu sich selbst. Wenn der Mensch in dieser vierfachen Beziehung leben lernt, kann er sich zu dem Bild entwickeln, dessen Urbild der Schöpfer ist.“

2.1.6

Literaturhinweise

Arbeitsgemeinschaft der (Münsterschwarzach 1998)

Jugendpastoral

der

Orden

(Hg.),

In

Beziehung

leben

Brief der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz an die Verantwortlichen in der kirchlichen Jugendarbeit zu einigen Fragen der Sexualität und der Sexualpädagogik, hrsg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Arbeitshilfen 148, September 1999. Gärtner, St., Zwischenbilanz. Eine Auswertung zum Dialog um den Sexualitätsbrief der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz (Diskussion – Praxis – Dokumentation Bd. 5. Düsseldorf 2000) Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, Arbeitspapier „Sinn und Gestaltung menschlicher Sexualität“, Offizielle Gesamtausgabe II, Freiburg i. Br. 1977, 163-183. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris Consortio über die Aufgaben der christlichen Familie in der Welt von heute (15. Dezember 1981), hrsg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 33. Johannes Paul II., Brief an die Familien (2. Februar 1994), hrsg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 112.

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Mieth, D., Christliche Sexualethik, in: W. Ernst (Hrsg.), Grundlagen und Probleme der heutigen Moraltheologie, Würzburg 1989, 247-269. Päpstlicher Rat für die Familie, Menschliche Sexualität: Wahrheit und Bedeutung. Orientierungshilfen für die Erziehung in der Familie (8. Dezember 1995). Die Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe (13. Mai 1996), hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 127. Pastoralkonstitution „Die Kirche in der Welt von heute“ (Gaudium et spes), in: K. Rahner/ H. Vorgrimler (Hrsg.), Kleines Konzilskompendium, Freiburg i. Br. 1966, Nr.47-52. Paul VI., Enzyklika Humanae vitae vom 25. Juli 1968 Piegsa, J., Ehe als Sakrament – Familie als „Hauskirche“. Das christliche Verständnis von Ehe und Familie in den Herausforderungen unserer Zeit, St. Ottilien 2001.

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2.2. Aspekte moralischer Erziehung 2.2.1.

Moralische Erziehung

Sexualerziehung ist im Anspruch des Kindes auf moralische Erziehung begründet. An Katholischen Freien Schulen erziehen Elternhaus und Schule im gemeinsamen Glauben an die Frohe Botschaft Jesu Christi. Das Wechselverhältnis von Erziehung und Pädagogik zu Moral und Ethik hat sich in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend verändert. Ist man in der Vergangenheit häufig davon ausgegangen, dass die Moral der Erziehung und die Ethik der Pädagogik die Ziele vorgeben, so wird heute das Primat der Moral vor der Erziehung und des Wissens vor dem Unterricht bezweifelt: Die genannten normativen Zusammenhänge sind vor dem Hintergrund einer demokratischen Staats- und pluralistischen Gesellschaftsordnung kaum zu rechtfertigen und wissenschaftstheoretisch zu legitimieren. Werteerziehung ist deshalb trotz ihrer Festschreibung in Gesetzen und Richtlinien eines der schwierigen Felder schulischen und unterrichtlichen Agierens. Zu beobachten ist, dass erzieherische Interventionen seitens der Gesellschaft von der Schule immer dann verstärkt eingefordert werden, wenn Krisensymptome in Staat und Gesellschaft wahrgenommen werden: Wo soziale Kontrolle und negative Sanktionen nicht ausreichen, soll Moral für die gewünschte Handlungskoordinierung sorgen, wenn nicht gar Kontrolle und Sanktion ersetzen. Im Unterschied zur öffentlichen Wertediskussion, deren gesetzliche Konkretisierungen und den gesellschaftlichen Erwartungen an das Alltagsverhalten der Bürgerinnen und Bürger bleibt schulische Erziehung der Ermöglichung von Bildung der je einzelnen Person verpflichtet. Schule bedarf so auch der Freiheit eines geschützten pädagogischen Raumes. Die schwierige Legitimation von Werten und Pädagogik in der öffentlichen Erziehung ist zuletzt in den Diskussionen um das sog. ‚Kruzifix-Urteil’ des Bundesverfassungsgerichtes, die Einführung des Unterrichtsfaches ‚Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde’ (LER) und den Umgang mit muslimischen Kindern offensichtlich geworden: Ein gesellschaftlicher Wertekonsens, auf den die pädagogische Arbeit zurückgreifen und auf den hin sie erziehen könnte, scheint - bis auf den Grundrechtskatalog - nicht mehr konstituierbar. An deren Stelle treten Wertepluralität und eine ‚Pädagogik der Vielfalt’, die die Organisation von Lernprozessen mit einer gewollten Vielfalt von Referenzen des Lernens ins Zentrum pädagogischer Überlegungen und Handlungen rücken. Unstrittig ist, dass in Fragen der Werteerziehung das Verhältnis von Pädagogik, Ethik und Religion grundsätzlich berührt wird. Hierbei wird man im erzieherischen Zusammenhang an Grenzen stoßen. Ethische Gesamtkonzepte haben auch ohne religiöse Grundlegung ihre Berechtigung, aber sie helfen nicht bei der Bewältigung von menschlichen Kontingenzerfahrungen. Andererseits sind ethische Fragen im Kontext religiösen Selbstverständnisses nur eine von vielen Fragestellungen, deren zentrale vielmehr die nach dem Verhältnis von Gott und Mensch und dessen lebenspraktische Umsetzung ist – eine vorschnelle Instrumentalisierung des ethischerzieherischen Gehaltes von Religion verbietet sich von daher. Schließlich kommen ethische Entwürfe bei der Bestimmung dessen, was die Moralität des Handelns ausmacht, nicht ohne eine inhaltliche Präzisierung dessen aus, was sie unter ‚einem gelingenden menschlichen Leben’ verstehen; sie bleiben so von weltanschaulichen Prämissen abhängig und im Aufwerfen der Sinnfrage dem Religiösen eng verbunden. An Katholischen Freien Schulen darf grundsätzlich von einem Konsens der Kollegien und Elternhäuser in Fragen der allgemeinen und religiösen Erziehungsgrundsätze ausgegangen

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werden: „Die Katholischen Schulen in freier Trägerschaft wollen den Schülern helfen, (...) den Sinn für Werte zu entwickeln, ein Leben aus dem Glauben zu führen und sich in der Welt als Christ zu verhalten (und) sich in Verantwortung für Kirche und Welt einzusetzen“ (Grundordnung Art.2 Abs.1). Verbindliche Grundlage hierfür ist die Lehre der Kirche, wie sie sich in den Dokumenten des 2. Vatikanischen Konzils (besonders in der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“), der Enzyklika „Humanae vitae“ von Paul VI. und im Apostolischen Schreiben Papst Johannes Pauls II. „Familiaris consortio“ niederschlägt. Dieser Auftrag ist in eine Welt zunehmend säkularer und wachsender Pluralität hineingestellt, die sich zugleich spürbar in eine interkulturelle und interreligiöse umgestaltet. Kennzeichnend für die Begründung von Pädagogik und Religion an Katholischen Freien Schulen ist, dass sie den Menschen als Ganzen und die Welt als Ganze erschließen helfen, also das Allgemeine und die menschliche Gesamtpraxis thematisieren. Neben den zahlreichen religiösen Objektivationen ist dabei der Blick auf das je einzelne Kind konstitutiv. Sexualerziehung an Katholischen Freien Schulen ist so integraler Bestandteil des allgemeinen schulischen Erziehungsauftrages, an ihr werden exemplarisch die Besonderheiten christlicher Bildung und Erziehung deutlich. An der schulischen Erziehung wird die dreifache Aufgabe christlicher Erziehung deutlich: Sie ist zunächst Ermöglichung von Glaubenserfahrung des je Einzelnen in Anbetracht der Frohen Botschaft und in der Nachfolge Jesu Christi, sodann Hinführung zu Teilhabe an und Verantwortung in der Kirche, schließlich Realisierung eines gesellschaftlichen Mitwirkungsauftrages. Moralische Erziehung ist dabei nicht allein als Präsentation und Vermittlung von - insbesondere geltenden - Normen zu verstehen, sondern als Ausbildung einer moralischen Urteilsfähigkeit. Dabei ergibt sich eine Situation, die man als pädagogisches Paradoxon bezeichnet hat und die im Bildungsbegriff selbst angelegt ist: Ziel pädagogischen Handelns ist die Herausbildung sittlicher Einsicht und Haltung, einer Einheit von Wissen, Werten und Handeln - nicht allein von Argumentationskorrektheit und –gewandtheit in ethischen Fragestellungen -, die vom Heranwachsenden im Bildungsprozess selbsttätig, also freiwillig geleistet werden soll. Moralische Selbstbestimmung im Sinne von Bildung und Moralität ist deshalb nur dann möglich, wenn „der Mensch in seinem Personsein durch ein transzendentes Apriori bestimmt ist“ (Heitger), das interpersonale dialogische Erziehung ebenso ermöglicht wie den intrapersonalen Dialog als Kern eines selbstbildenden Erziehungsprozesses. 2.2.2

Religiöse Bildung und Sexualerziehung

Sexualerziehung ist integraler Bestandteil der Gesamterziehung von Elternhaus und Schule. Sie ist ein substantieller Beitrag zur religiösen und moralischen Bildung der Heranwachsenden. Bildung ist eine nicht delegierbare Leistung des je einzelnen Menschen: Es ist der lernende, reflektierende und fühlende, seine Umwelt gestaltende und handelnde Schüler, der sich im Bildungsprozess selbsttätig zu einer sittlich selbstbestimmten Persönlichkeit heranbildet. Kirche und Schule kommt dabei die wichtige Aufgabe zu, diesen Selbstbildungsprozess anzuregen und Hilfestellungen zu geben: „Pädagogische Führung muss entschieden sein, ohne zu zwingen; sie soll Falsches und Unrechtes beim Namen nennen, ohne zu bevormunden; sie soll werten und urteilen, ohne zu verletzen und zu verurteilen. Sie soll fordern, ohne zu herrschen, sie muss das Sollen zur Geltung bringen, ohne ‚normativ’ zu sein“. (Heitger) Die moralische Entwicklung ist integraler Bestandteil dieses Bildungsprozesses. Sie vollzieht sich sowohl in der fachlichen und affektiven Auseinandersetzung mit den einzelnen Lerninhalten als

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auch in allen Dimensionen des sozialen Umgangs am Lernort Schule, sie vollzieht sich ebenso im Dialog mit den Eltern und Gleichaltrigen, mit dem Leben der Kirche und der Vielzahl der Medien. Gelingt es dem Schüler, zentrale moralische Wertsetzungen wie Gerechtigkeit, Verantwortung, Mäßigung, Redlichkeit, Solidarität und Empathie in seine Persönlichkeitsentwicklung zu integrieren, so hat er damit zugleich die Grundlagen einer eigenständigen und verantwortungsvollen Sexualmoral geschaffen. Im Bildungsprozess ist Sexualmoral deshalb keine ‚selbstständige Disziplin’ der Moral, die von außen an einen zuvor auf anderen Wegen moralisierten Menschen herangetragen wird, sondern nur integrativ zu präsentieren und zu entwickeln. Durch die besondere Relevanz der Sexualität für den Menschen erhält die Sexualerziehung im Kontext der gesamten moralischen Erziehung ein bedeutendes pädagogisches Gewicht, das im erzieherischen Tun von Elternhaus und Schule angemessen berücksichtigt werden muss. Religiöse Bildung vollzieht sich im Blickwinkel der Erlösung und im Hinblick auf den je einzelnen Heranwachsenden, der in Christus zur Freiheit berufen und dessen Individualität und Intimität jederzeit zu achten ist. Bildung, die auf die Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit abzielt, und Religiosität, die eine freie persönliche Bindung in der Gottesbegegnung darstellt, bedingen einander: In der Annahme des Glaubens und in der Anerkennung von Letztgültigem ist moralische Urteilsfähigkeit grundgelegt. Im religiösen Bildungsprozess werden die Heranwachsenden von Elternhaus und Schule mit jenen Kategorien konfrontiert, die in Anbetracht der Frohen Botschaft Jesu Christi auf ein vollgültiges Menschsein hinzielen. Gegenseitige Achtung und Zuneigung kennzeichnen so die dialogische Struktur von Erziehung und Bildung. Religiöse Erziehung entspringt dem Auftrag des Evangeliums und ist grundgelegt in der anthropologisch aufgewiesenen Offenheit der Menschen auf Gott hin. Christliche Erziehung bedeutet, dass Glaubende aus dem Glauben und im Glauben erziehen, nicht aber zum Glauben, im Wissen, dass Glauben-Können der Gnade Gottes bedarf. Christliche Erziehung zielt so darauf, den Heranwachsenden ein religiöses ‚Leben in Fülle’ zu ermöglichen. Die Sexualerziehung ist eingebettet in diesen pädagogischen Kontext und nimmt in ihrer dialogischen Anlage wechselseitig den ganzen Menschen in den Blick. Sie wird stetig bemüht sein, in Elternhaus und Schule in ihren erzieherischen Methoden und Entscheidungen, in Didaktik und Methodik des Unterrichts den Charakter der menschlichen Begegnung und des Gespräches zu bewahren. Für den Erziehenden ist es wichtig zu beachten, dass religiöse Entwicklung immer wieder mit der Trennung von zuvor als gültig angenommenen Gottesbildern einhergeht und mit Krisen und Absetzbewegungen verbunden ist. Religiöse Bildung ist ohne religiöses Sachwissen nicht möglich, versteht sich indes nicht als allmähliche Kumulierung religiöser Inhalte, sondern lässt zu, dass religiöse Inhalte für den Einzelnen auch andere Bedeutungen und Bewertungen erhalten können. Religiöse Bildung braucht Zeit, sie betrifft den Menschen als Ganzen, seine Emotionen und sein Denken, sie bedarf deshalb der Gelassenheit und des Großmuts der Erziehenden. Unabdingbar ist eine dialogische Grundstruktur: Fehlender religiöser Diskurs, gar religiöser Zwang sind hinderlich für eine religiöse Entwicklung auf Gott hin. Religiöse Erziehung widersteht zugleich dem Eindruck der Beliebigkeit: Kirche und Schulen schulden den Schülern das Angebot, in ihr Heranwachsen auch die Frohe Botschaft Jesu Christi hineinnehmen zu können. Die Schüler wiederum sind um ihrer selbst willen gehalten, sich mit dieser Seite ihrer Selbstbildung ernsthaft zu beschäftigen.

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2.2.3.

Religiöse und moralische Entwicklung

Die Schulzeit - vom Erstklässler zum Studenten - ist für die Heranwachsenden eine Zeit anhaltender Entwicklungsschübe, in der sich das religiöse Bewusstsein und die moralische Urteilskraft grundsätzlich verändern. Sexualerziehung hat diese entwicklungspsychologischen Erkenntnisse angemessen zu berücksichtigen. Für ein angemessenes Verständnis der jeweiligen Situation des Heranwachsenden im fortlaufenden Prozess der Entwicklung sind für die Erziehenden entwicklungspsychologische Kenntnisse über die verschiedenen Stufen der kognitiven, religiösen und moralischen Entwicklung, ihre spezifischen Inhalte, Wahrnehmungs- und Urteilsmuster sowie ihre Krisen nützlich und unabdingbar. Dabei sind die Ergebnisse der pädagogischen Entwicklungspsychologie zur religiösen und moralischen Entwicklung für den hier ausgeführten Kontext besonders aufschlussreich. Die Betrachtung entwicklungspsychologischer Erkenntnisse bezog sich lange Zeit vor allem auf die Frage nach der religiösen Sozialisation. Die Rezeption der Forschungen J. Piagets und die Arbeiten L. Kohlbergs machten dann deutlich, dass religiöse und moralische Entwicklung weder nur biologisch noch hauptsächlich als eine Form sozialen Lernens aufgefasst werden kann. Vielmehr vollziehen sich Aneignung und persönliche Ausgestaltung von religiösen und ethischen ‚Inhalten’ in sich wandelnden unterschiedlichen Strukturen. F.Oser und A.Bucher haben zuletzt, diesem Ansatz folgend, ein Stufenschema religiöser Entwicklung erarbeitet, das religiöse Reife- und Lernprozesse zu verstehen hilft. Ein schulpädagogisch bedeutendes Ergebnis ist, dass die Entwicklungsstufen der Reihe nach durchlaufen werden (müssen) und je nach familiärem und sozialem Bedingungsgefüge und persönlichen Voraussetzungen individuell realisiert werden:

Stufe 1

Stufe 2

Stufe 3

Orientierung an einem Letztgültigen (Gott), das direkt „macht“, direkt in die Welt eingreift, den Menschen straft, belohnt, ihn leitet und und führt, ihm Sinn und Vertrauen gibt und alles erschafft. Der Mensch muss aber dafür richtig reagieren; er ist eher reaktiv. Das Letztgültige hingegen, sei es in einem gütigen oder strafenden Sinn, ist aktiv und fähig, selbst Artefakte hervorzubringen. (Artifizialismus, Deus-ex-machina-Stufe) Orientierung an einer Sicht, die es dem Menschen ermöglicht, das Letztgültige (Gott) zu beeinflussen und dadurch für sich in Anspruch zu nehmen. Er muss etwas tun, um dafür in gleichem Maße die göttliche Gunst zu erhalten oder – nach Verfehlungen – mögliche Sanktionen zu mildern. Der Mensch pflegt mit dem Letztgültigen auf der Basis bipolarer Reziprozität gleichsam ein Do-ut-desVerhältnis, das emotional positiv oder negativ besetzt sein kann. (Do-ut-desStufe) Orientierung an der Vorstellung, dass der Mensch für sein Leben nur eigene Verantwortung hat und alle Entscheidungen selber fällt. Dem Letztgültigen (Gott) wird ein anderer, von der Welt getrennter Verantwortungsbereich zugeschrieben. Es handelt sich dabei um eine Art Zwei-Reiche-Lehre; ein Gleichgewicht zwischen dem, „was Gottes und was des Menschen ist“, wird hergestellt. Beginnender Atheismus steht oft einer „orthodoxistischen“ Ausprägung des Urteils gegenüber. (Deismus-Stufe).

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Stufe 4

Stufe 5

Orientierung an Verantwortung und Freiheit des Menschen, die nun aber als etwas immer schon Vorgegebenes erfahren werden. Das Letztgültige (Gott) wird als transzendentaler Grund gesehen, der a priori die Bedingungen der Möglichkeit für menschliche Begegnungen, für die Freiheit und für die menschliche Soziabilität schafft. Oft wird auch ein Plan angenommen, gemäß dem sich der Mensch „gesetzesmäßig“ auf ein Besseres, Vollkommeneres hin entwickelt. (Stufe des Apriori und der Korrelation). Orientierung an einer interaktiven Dynamik, in welcher das Unbedingte und Letztgültige (Gott) stets und schon immer aufscheint. Dort, wo der Mensch verantwortlich an der Gemeinschaft teilnimmt und teilhat, wird Transzendenz erfahren. Das Planmäßige ist in der Dynamik dieser Interaktion aufgehoben, ebenso das positive Gesetz in der menschlichen Kommunikation, in welcher das Ultimate stets vermittelt ist. Keine äußere Sicherheit oder Organisation mehr kann Religiosität und Moralität garantieren. Religiosität ist immer universal gedacht, als ein Bezug, der andere Völker und Religionen miteinschließt. (Orientierung an religiöser Autonomie durch unbedingte Intersubjektivität)

(vgl. Oser/Bucher, a.O., 257)

Die Stufen der Religiosität haben eine eigene Entwicklungslogik: Die „von Stufe zu Stufe wachsende integrative Beziehung (...), das gleichzeitig wachsende autonome Handeln verbunden mit der Erfahrung einer je tieferen Bindung“ (Oser). In Stufe 1 sind die von Gott bestimmten Dinge dem Menschen unerklärlich. Diese einseitige Interaktion entspricht der Abhängigkeit, die ein Kind seinen Eltern gegenüber erfährt. In Stufe 2 verändert sich der Interaktionismus: Die Reaktion des Letztgültigen ist nicht mehr unbegreiflich und wird beeinflussbar, das Subjekt wird ‚autonomer’. In Stufe 3 werden die Bereiche Mensch – Gott getrennt, ‚Zuständigkeitsbereiche’ definiert. Oftmals entwickeln sich auf dieser Stufe dezidiert atheistische Haltungen, die sich zumeist auf ein Gottesbild überwundener Stufen beziehen. Diese Phase lässt sich als ‚Abnabelungsprozess’ deuten: Bisherige Autoritäten werden grundsätzlich in Frage gestellt, eigene Kompetenz wird entwickelt. Auf Stufe 4 wird das Göttliche wiederum in Sein und Dasein des Menschen integriert, ohne dass Autonomie und Freiheit eingegrenzt werden. Es wird möglich, im eigenen Leben einen Heilsplan Gottes wahrzunehmen. In Stufe 5 ist die Interaktion der Menschen von der mit dem Letztgültigen nicht mehr zu trennen: Wenn Gott auch im Alltag zum Ereignis werden kann, eignen auch profanen Situationen Elemente des Heiligen an, Offenbarung und persönliche Erfahrung integrieren sich. Das von Oser und Bucher entwickelte Stufenschema religiöser Entwicklung beschreibt so Stadien eines religiösen Reifeprozesses, der vom noch kindlichen Erstklässler häufig der ersten Stufe über die Pubertäts- und Reifejahre bis zum erwachsenen Abiturienten etwa der vierten Stufe reichen kann. Entwicklungen vollziehen sich jedoch grundsätzlich individuell, Langzeituntersuchungen belegen, dass Progressionen und Regressionen im weiteren Lebensweg eintreten können. Fowler hat in seinen Untersuchungen darauf hingewiesen, dass die der Reihenfolge inhärente Normativität des Stufenschemas dem gleicht, was Kohlberg für das Stufenschema des moralischen Urteils postuliert. Auch Kohlbergs Stufenmodell der moralischen Entwicklung kennt eine innere Dynamik, nach der auf jeder Strukturstufe des moralischen Denkens adäquatere moralische Entscheidungen getroffen werden als auf der vorhergehenden.

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Niveau A: Präkonventionelles Niveau Stufe 1 - Die heteronome Stufe: Regeln werden als absolute Vorgaben aufgefasst, gut ist der blinde Gehorsam gegenüber Vorschriften und gegenüber Autorität, Strafen zu vermeiden und anderen kein körperliches Leid zuzufügen. Stufe 2 - Die Stufe des Individualismus, des Zweck-Mittel-Denkens und des Austausches: Gut ist es, eigenen und anderen Bedürfnissen zu dienen und im Sinne des konkreten Austausches fair miteinander umzugehen.

Niveau B: Konventionelles Niveau Stufe 3 - Die Stufe gegenseitiger interpersoneller Erwartungen, Beziehungen und interpersoneller Konformität: Gut ist es, eine gute (nette) Rolle zu spielen, sich um andere und Empfindungen anderer zu kümmern, sich Partnern gegenüber loyal und zuverlässig zu verhalten, und bereit sein, Regeln einzuhalten und Erwartungen gerecht zu werden. Stufe 4 – Die Stufe des sozialen Systems und des Gewissens: Gut ist es, seine Pflicht in der Gesellschaft zu erfüllen, die soziale Ordnung aufrechtzuerhalten und für die Wohlfahrt der Gesellschaft oder Gemeinde Sorge zu tragen. Niveau C: Postkonventionelles und prinzipienorientiertes Niveau Stufe 5 – Die Stufe des Sozialvertrages oder des Nutzens für alle: Das moralisch Richtige unterstützt die Grundrechte, Werte und gesetzmäßigen Verträge einer Gesellschaft, auch wenn sie mit den konkreten Regeln eines gesellschaftlichen Subsystems in Konflikt geraten. Stufe 6 – Die Stufe universeller ethischer Prinzipien: Universelle ethische Prinzipien, denen die ganze Menschheit folgen sollte. Spezielle Gesetze oder soziale Übereinkünfte sind in der Regel gültig, weil sie auf solchen Prinzipien beruhen. Wenn bestimmte Gesetze ein solches Prinzip verletzen, wird dem Prinzip gegenüber dem Gesetz Vorrang eingeräumt. Die hier gemeinten Prinzipien basieren auf dem universellen Prinzip der Gerechtigkeit.

Die moralische Entwicklung vollzieht sich nach Kohlberg parallel zur kognitiven Entwicklung des Kindes. Bei den verschiedenen Stufen handelt es sich um qualitativ verschiedene Denkweisen, sie bilden eine invariante Abfolge. Die Stufen sind zugleich hierarchische Integrationen: die Individuen begreifen alle Stufen unter ihrer eigenen und nicht mehr als eine über ihrer eigenen Stufe. Kohlberg konnte durch empirische Untersuchungen nachweisen, dass Heranwachsende im Verlaufe ihrer Schulzeit im späten Jugendalter die fünfte Stufe des moralischen Denkens erreichen können. Neuere Beiträge haben Kohlbergs Stufenschema an verschiedenen Stellen korrigiert und erweitert. Für unseren Zusammenhang bedeutend ist, dass die Entwicklung des moralischen Urteils nicht geschlechtsneutral verläuft. Jungen und Mädchen unterscheiden sich sowohl hinsichtlich des Alters, in welchem die verschiedenen Stufen durchlaufen werden, als auch hinsichtlich des Inhaltes dieser Stufen: Männliche Jugendliche und Erwachsene haben offenbar den Schwerpunkt ihrer Urteilsbildung auf der vierten Stufe (Autorität und Ordnung), weibliche bevorzugen die dritte Stufe (interpersonelle Beziehungen) und die fünfte Stufe (Sozialer Vertrag). Bedeutend ist im Weiteren, dass bei einer signifikant hohen Anzahl von Befragten (etwa 33%) entweder das Überspringen einer Stufe oder auch ein Regredieren auf ein bereits überwundenes Niveau festgestellt werden konnte. Kennzeichnend für die Entwicklung während der dreizehnjährigen Schulzeit ist, dass von

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einem kontinuierlichen moralischen Reifeprozess ausgegangen werden kann: Die Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit führt in der Regel von einer heteronomen Moral bei Kindern und Jugendlichen (Orientierung an Eltern, den ‚Großen’, der Peergroup) zu einer postkonventionellen Moral bei jungen Erwachsenen (Orientierung an grundsätzlichen Werten). In welchem Alter die Stufe des postkonventionellen Niveaus tatsächlich erreicht wird und ob eine solche Perspektive überhaupt in den Blick des Heranwachsenden gerät, hängt entscheidend davon ab, inwieweit die Beziehung zu den Erwachsenen wie zu den Gleichaltrigen durch Zuwendung und Gegenseitigkeit geprägt ist. Die Entwicklungspsychologie weist so darauf hin, dass schon ältere Schülerinnen und Schüler befähigt sind, unter Berufung auf übergeordnete moralische Grundsätze den konventionellen Horizont zu übersteigen und in ‚Selbstbindung durch Einsicht’ zu realisieren. Moralische Reifung ist folglich nicht das Ergebnis von Konditionierung, Internalisierung oder Triebüberformung, sondern setzt im erzieherischen Dialog die Erfahrung von Gegenseitigkeit und Empathie, von Zusammenarbeit und Dialogbereitschaft voraus. Letztlich geht es im erzieherischen Handeln darum, die Prinzipien der Gerechtigkeit, der Nächsten- und Gottesliebe lebenswirklich werden zu lassen: eine gottgewollte Befreiung des Menschen zum Guten.

2.2.4. Literaturhinweise: Deutsche Bischofskonferenz (Hg.), Katholischer Erwachsenenkatechismus, Band II: Leben aus dem Glauben (Bonn 1995) Grundordnung für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln, Erlass Nr. 150 des Kölner Erzbischofs vom 10.05.1985 Kongregation für das Katholische Bildungswesen, der katholische Lehrer – Zeuge des Glaubens in der Schule (Rom 1982) Fowler, J.W., Stufen des Glaubens (1981. dt. Gütersloh 1991) Mokrosch, R., Gewissen und Adoleszenz. Christliche Gewissensbildung im Jugendalter (Weinheim 1996) Oser, F., Bucher, A., (Hg.), Konvergenz von Religiosität und Freiheit, in: Zeitschrift für Pädagogik 38 (1992) 253 ff Regenbrecht, A. u.a. (Hg.), Moralische Erziehung im Fachunterricht (Münstersche Gespräche zu Themen der wissenschaftlichen Pädagogik Bd. 7. Münster 1990) Schilmöller R. u.a. (Hg.), Ethik als Unterricht (Münstersche Gespräche zu Themen der wissenschaftlichen Pädagogik Bd. 17. Münster 2000) Schmitt, R., Moralische Entwicklung und Erziehung, in: L. Roth, Pädagogik (München 1991)

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3. Aufgaben 3.1. Die Aufgabe der Eltern Die Erziehung der Kinder ist wesentlich Recht und Pflicht der Eltern. Die Katholische Freie Schule unterstützt und ergänzt diese Erziehung im Rahmen ihres Erziehungs- und Bildungsauftrages. Die „Grundordnung für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln“ legt ein umfassendes Zusammenwirkungsgebot in der gemeinsamen Erziehung der Kinder zwischen Elternhaus und Schule fest. Im Unterschied zur Situation an den öffentlichen Schulen besteht diese Erziehungsgemeinschaft wesentlich in der Gleichartigkeit des Glaubens- und Wertefundamentes sowie im Konsens über „eine umfassende religiöse Erziehung“ der Kinder (Art. 3 Abs. 1 GrO). Dieser Erziehungskonsens wird im Besonderen in der Sexualerziehung der Kinder wirksam und bedarf demgemäß einer entsprechenden inhaltlichen und organisatorischen Absicherung. Eltern schenken ihren Kindern Liebe, Fürsorge und Geborgenheit, machen sie vertraut mit dem Glauben der Kirche, schulden ihnen aber auch eine helfende und sinnvermittelnde Autorität, damit die Kinder schrittweise in die Lage kommen, ihre zukünftigen Aufgaben in Familie, Gesellschaft und Kirche wahrzunehmen und ihr Leben gelingen zu lassen. Teil dieses Erziehungsauftrages der Eltern ist insbesondere auch die Gewissenserziehung und -bildung. Eltern, Kirche und Katholische Freie Schule stehen in der heutigen Situation, in der sich veränderte Einstellungen zu Liebe, Sexualität und Ehe entwickeln, gemeinsam vor diesem Erziehungsauftrag. Ihre Aufgabe ist es im Besonderen, im Sinne des Evangeliums die Geschlechtlichkeit des Menschen und die Beziehung der Geschlechter zueinander so zu deuten, dass sie sich als gute und menschenfreundliche Sexual- und Ehemoral erweisen. Die Erziehung hat jene Werte einzuschließen, die in den Sinnbezügen menschlicher Geschlechtlichkeit angelegt sind und zum Ausdruck kommen. Die Sexualerziehung der Kinder findet zunächst und vor allem in der Intimität des Familienlebens statt; diese Intimsphäre ist grundsätzlich zu schützen und zu bewahren. In der Sexualerziehung ihrer heranwachsenden Kinder werden die Eltern jedoch auch bezüglich ihrer eigenen Sexualität befragt und erleben sich als Suchende. Gerade in schwierigen Entwicklungsphasen ihrer Kinder werden sie deshalb pädagogische Hilfestellungen von der Schule erwarten dürfen. Der Konsens in den Erziehungszielen, der Respekt vor der je individuellen Erziehungssituation und die Bewahrung und Kräftigung des erzieherischen Dialoges zwischen Schülern, Eltern und Lehrkräften sind deshalb unabdingbare Grundelemente der gemeinsamen Erziehungsverantwortung von Elternhaus und Schule. Jede Schule wird die dazu notwendigen organisatorischen Strukturen entwickeln.

3.2. Die Aufgabe der Lehrerinnen und Lehrer Der Lehrer bringt seine professionellen Fähigkeiten und Fertigkeiten in die gemeinsame Erziehung von Elternhaus und Schule ein, wobei er sich auch der eigenen Grenzen im erzieherischen Handeln bewusst ist.

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Die Sexualerziehung ist im Zusammenwirken mit der religiösen Erziehung der Kinder und Jugendlichen derjenige Bereich schulischen Wirkens, der über die spezifischen Ausbildungsordnungen der verschiedenen Schulformen hinausweist und deshalb einer besonderen pädagogischen Ausgestaltung bedarf. Neben dem in diesem Bereich besonders wirksamen Generationenkonflikt und dem wechselseitig relevanten Nähe-Distanz-Problem zwischen Schüler und Lehrer ist auch die Glaubwürdigkeit des Lehrers als erziehender Christ in der Erziehungsgemeinschaft mit den Eltern besonders gefordert und stellt eine zusätzliche Erziehungskategorie der Katholischen Freien Schulen dar. Hinzu kommt eine mögliche Rollendiffusion für den Lehrer. Er hat sowohl vertrauensvoll zu beraten als auch zu beurteilen. Zur Vorbereitung auf eine implizite (im Unterricht sich zufällig ergebende oder implizit enthaltene) wie explizite (in Form des Sexualkundeunterrichts) Sexualerziehung wird der Lehrer sich deshalb über Aufgabe und Wirksamkeit seiner eigenen Person im Kontext der Sexualerziehung an einer christlichen Schule bewusst werden müssen: im Besonderen über die Vorbildhaftigkeit als Erzieher, über die Widersprüchlichkeiten der eigenen Person und der Rolle als Privatperson und Lehrer, über die von ihm intendierte und gelebte Geschlechterrolle, über vermeintliche oder tatsächliche Konflikte mit der Lehrmeinung der Kirche, über die erzieherische Aufgabe angesichts des Auftrages des Evangeliums. Leicht kann so das Gefühl einer pädagogischen Überforderung entstehen. Der Lehrer wird sich in dieser Situation bewusst werden dürfen, mit welchen Schwerpunkten und Eingrenzungen er diese Aufgabe ausgestaltet. Im religiösen Sinne teilt er mit seinen Schülern Unvollendetheit und Erlösungsbedürftigkeit; so kann er auch die eigene Begrenztheit im pädagogischen Vollzug bejahen. Die Bewusstwerdung der eigenen Grenzen in religiöser, pädagogischer und fachlicher Hinsicht stellt zugleich eine konstruktive Zugangsmöglichkeit zu Gestaltung und Teilhabe an der Sexualerziehung der Schule dar. Jeder Lehrer kann so einerseits seine besonderen unterrichtsfachlichen und pädagogischen Kompetenzen in die Planung und Durchführung der Sexualkundeerziehung im Allgemeinen und des diesbezüglichen Fachunterrichts im Besonderen einbringen und sich durch Weiterbildung neue Zugänge eröffnen, andererseits kann die Schule zu notwendigen und sinnvollen Aufgabenstellungen gezielt externen Sachverstand hinzuziehen.

3.3.

Die Aufgabe der Schule

Jede Schule soll in ihrem Schulprogramm ein auf die jeweilige pädagogische Situation der Schule abgestimmtes Konzept der Sexualerziehung darlegen. Die Zusammenarbeit mit den Eltern soll dabei besonders berücksichtigt werden. Jede Schule soll die für ihre Schule und Schulform angemessenen organisatorischen Rahmenbedingungen und innere Struktur der Sexualerziehung entwickeln und als Teil des Schulprogramms definieren. Über die in den staatlichen Richtlinien für die Sexualerziehung festgeschriebene Informationspflicht der Eltern (8f) hinaus sollen im Hinblick auf die Erziehungspartnerschaft und die dialogische Struktur des Miteinanders von Elternhaus und Schule auch die beidseitigen Aufgaben abgestimmt und Einvernehmen über inhaltliche und didaktisch-methodische Aspekte herbeigeführt werden. Dabei ist es sinnvoll, besondere Anforderungsprofile an die Struktur von Elternabenden, Projekttagen und Fachunterricht zu entwickeln. Dem Lehrerkollegium kommt in diesen Fragen eine besondere fachliche Verantwortung zu: Die pädagogische und unterrichtsfachliche Gestaltung sowie die abgestimmte Hinzuziehung außerschulischer Fachkompetenz muss vor allem in

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Lehrerkonferenzen entwickelt und stetig fortgeschrieben werden. Die Schüler sollen ihrem Reifegrad angemessen gehört und in die Planungen einbezogen werden. Den Richtlinien zur Sexualerziehung gemäß müssen Absprachen mit den Eltern über Inhalte und Form der Sexualerziehung erfolgen. Aus dem Blickwinkel einer verantwortlichen Erziehungsarbeit ist dies unerlässlich. Die Eltern haben im Hinblick auf ihre besondere Erziehungsverantwortung einen Anspruch darauf, dass die Schule ihre Erziehungswege darlegt und mit ihnen abstimmt. Daneben kann die Schule eine wertvolle Ergänzung der elterlichen Erziehung darstellen, sei es, dass sie Defizite elterlicher Erziehung ausgleicht, sei es, dass Eltern und Schule sich auf ein komplementäres Erziehungs- und Bildungshandeln verständigen. Entscheidend ist, dass den Heranwachsenden die ihnen zustehende Erziehung möglichst umfassend zuteil wird. Für die Gestaltung der Elternabende ergibt sich daraus, dass die Eltern rechtzeitig über die Intentionen der Arbeit und das vorgesehene Zeit- und Organisationsraster der Sexualerziehung informiert werden, Gelegenheit erhalten, ihre Erwartungen und ihre Befürchtungen zu formulieren. Dazu müssen aktivierende Formen des Meinungsaustausches von Lehrern und Eltern gefunden werden, über die Themen und die vorgesehenen Unterrichtsmethoden informiert werden und Gelegenheit erhalten, diese exemplarisch zur Kenntnis zu nehmen, über die schulischerseits zuständigen Lehrer sowie über mögliche externe Referenten und deren Themenangebote unterrichtet werden. Ziel des Elternabende ist es, das Vertrauen der Eltern zu gewinnen und die gemeinsame Erziehungsverantwortung deutlich werden zu lassen. Sollten die Eltern dies wünschen, können von der Schule für die Eltern zu einzelnen Sachfragen auch weitere Gesprächs- und Informationsabende, ggf. unter Hinzuziehung von externen Fachleuten und Beratungsstellen, angeboten werden. Die Schulen sind gehalten, im Schulprogramm grundsätzliche Festlegungen zur Ausgestaltung der Sexualerziehung an ihrer Schule zu treffen. Zu folgenden Aspekten sollen dabei nähere Angaben gemacht werden: -

Konzeption der Sexualerziehung (Jahrgangsstufen, Projekte, fächerübergreifender Unterricht, fachunterrichtliche Einbindung, Zeitvolumen), Formen und Inhalte der Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule, Inhalte und Methoden des Sexualkundeunterrichtes in den Jahrgangsstufen, Formen und Inhalte der Zusammenarbeit mit außerschulischen Beratern und Institutionen.

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4. Konkretisierungen Die Richtlinien für den Unterricht der verschiedenen Schulformen definieren Erziehungsziele, die für den Fachunterricht und das Schulleben Geltung haben. Fachliche Untersuchungen und praktische Erfahrung legen die Vermutung nahe, dass jenseits der pädagogischen Begegnung von Lehrer und Schüler der Beitrag der verschiedenen Unterrichtsfächer zur Erziehungsleistung im Hinblick auf die Lerninhalte unterschiedlich ist. Unstreitig ist, dass sich der Fachunterricht im Kontext der Werteerziehung dem ganzheitlichen Erziehungsauftrag und damit verbunden einem hohen didaktischen Anforderungsprofil stellen muss. Der Auftrag der Sexualerziehung verlangt deshalb besondere Aufmerksamkeit und Variabilität bezüglich der Gestaltung der Lernprozesse (vgl. Richtlinien, 9f). An vielen Schulen sind, neben der traditionellen Zuordnung der Sexualerziehung zu den Fächern Biologie und Religion, bereits fächerübergreifende Konzepte und Projekte erfolgreich erprobt worden. Zahlreiche Schulen haben zudem gute Erfahrungen mit der Hinzuziehung von außerschulischen Beratern und Einrichtungen zu allgemeinen oder spezifischen Fragen der Sexualerziehung gemacht. Beide Wege dienen der Ermöglichung ganzheitlichen Lernens. Die nachfolgenden Konkretisierungen geben grundsätzliche Hinweise zur Umsetzung der Sexualerziehung in den Stufen des allgemeinbildenden Schulwesens. Sie gehen dabei von einer Darstellung der entwicklungspsychologischen Ausgangssituation aus, formulieren altersgemäße Ziele der Sexualerziehung und geben methodische und didaktische Anregungen. Bei einer ganzheitlich ausgestalteten Sexualerziehung sind Wissensvermittlung, Vermittlung und Adaption christlicher Werte, Entwicklung einer entsprechenden Handlungskompetenz und Reflexion gleichwertige Zielvorgaben. Dieser Zielvorgabe müssen die methodischen Entscheidungen und Gestaltungsgrundsätze entsprechen. Wichtig ist es, die pädagogische Orientierung nicht ausschließlich als Wissensvermittlung auszulegen, sondern auch Raum und Gelegenheit zur persönlichen Auseinandersetzung zu geben.

4.1.

Sexualerziehung in der Primarstufe

4.1.1. Pädagogischen Situation Sexualerziehung als Teil der Gesamterziehung ist auch in der Grundschule auf sinnbestimmtes und wertorientiertes Urteilen und Handeln auf der Basis von gesicherten Kenntnissen hin angelegt. Sie kann dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche ihren inneren Impulsen und äußeren Bedingungen nicht hilflos ausgeliefert sind, sondern dass sie ihre Möglichkeiten erkennen, sich selbst zu verändern und Beziehungen zu gestalten. Da es bei der Sexualerziehung nicht primär um Wissensvermittlung, sondern wesentlich auch um Einblicknahme und Annahme von Werten und Haltungen geht, sollte Sexualerziehung ein die Grundschulzeit begleitendes Thema sein. Im Hinblick auf die Sexualerziehung erfordert dies eine enge Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule: Kinder werden in dieser Entwicklungsphase durch unterschiedliche Wertvorstellungen der Erziehenden verunsichert, da sie noch nicht in der Lage sind, Wertungen und Haltungen differenzierter zu betrachten. Bevor Kinder eingeschult werden, haben sie schon eine bemerkenswerte körperliche und geistige Entwicklung durchlaufen. All ihre Fähigkeiten müssen während der Grundschulzeit gefördert und weiterentwickelt werden. Die körperliche und geistige Entwicklung unterscheidet sich in den einzelnen Jahrgängen der Primarstufe erheblich. Deshalb erfordern die Klassen 1 und 2 und die Klassen 3 und 4 eine differenzierte Betrachtungsweise. Zu Beginn der

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Grundschulzeit sind die Kinder in der Bewertung und Beurteilung von Situationen noch wesentlich an Gehorsam, Belohnung und Strafe orientiert und so mit der Autorität der Erwachsenen eng verbunden. Deren Wertungen und Einstellungen werden weitgehend übernommen. Zunehmend entwickelt sich jedoch ein Bewusstsein dafür, dass moralisches Handeln mit Gegenseitigkeit zu tun hat und dass eigenes Handeln im Zusammenhang mit anderen zu sehen ist. Ein Problem in der Grundschule besteht darin, dass es im Hinblick auf den Wissens- und Entwicklungsstand der Kinder keine homogenen Gruppen gibt. Die Kinder sind zudem geprägt durch unterschiedliche Erfahrungen in ihrer Umwelt (Familie, gesellschaftliche Einflüsse, Medienerfahrung). Der Umgang mit dieser Differenziertheit stellt den Lehrer vor schwierige Aufgaben. Er soll die Kinder zu gemeinsamen Gesprächen führen, ihnen helfen, eigene, verantwortbare Haltungen zu finden und ihnen den Erwerb sachlichen Wissens zu den Fragen menschlicher Sexualität zu ermöglichen. Schon früh werden entscheidende Weichen gestellt, wieweit den Kindern später ein offenes Sprechen über Sexualität möglich ist. Die Kinder müssen deshalb eine Atmosphäre erfahren, in der sie über alles reden dürfen, in der ihre Fragen ernst genommen werden und in der sie ihrem Alter und ihren Fragen entsprechend Antworten erhalten. Sexualerziehung stellt sich so auch nicht als ein klar umrissenes Unterrichtsfach dar wie beispielsweise Sport, Sachunterricht o.a.. Sie sollte auch nicht an ein einziges Fach gebunden werden, vielmehr ist sie als ein Erziehungsprozess anzusehen, der ein offenes Klima in der Klasse und einfühlsame Lehrpersonen erfordert, der auch an aktuelle Situationen im Lebensalltag der Kinder anknüpft und offen ist für Fragen und Stimmungen. Wegen der unterschiedlichen persönlichen und gesellschaftlichen Bedingungen sind Absprachen bezüglich der zu erreichenden Qualifikationen in den jeweiligen Stufen unerlässlich. Die enge Zusammenarbeit mit den Eltern ist daher notwendig: Vor allem der Austausch von Eltern und Lehrern über den Entwicklungs- und Wissensstand der Kinder ist von großer Bedeutung. Eine Absprache über Inhalte, Medien und Methoden ist wichtig, damit Eltern ihren Erziehungsauftrag zu Hause wahrnehmen können und die Schule andererseits der elterlichen Erziehung nicht entgegensteht, sondern sie ergänzt. Aufgrund der eigenen Betroffenheit fällt Eltern und Lehrern das Sprechen über Sexualität häufig nicht leicht. Deshalb kann Offenheit und Vertrauen in Gesprächen nicht einfach vorausgesetzt werden. Ein gewinnbringender Elternabend muss so sorgfältig geplant werden. Der Einstieg in einen solchen Elternabend kann durch externe Referenten (Ärztin, Sozialpädagogin, Vertreter von Beratungsstellen) erleichtert werden und bietet zudem eine gute Möglichkeit, zusätzlich sachkundige Informationen zu vermitteln. 4.1.2. Ziele Die Schüler •

sprechen offen und in gegenseitigem Respekt über Sexualität.



haben grundlegende Kenntnisse von den Sexualorganen des Mannes und der Frau und deren Funktion.



kennen geschlechtsspezifisch differenziertes Verhalten und können es reflektieren.

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wissen, dass menschliche Sexualität sich im Zusammenspiel von Geschlechtlichkeit und Gefühl realisiert und daher auf Partnerschaft angelegt ist.



wissen, dass als erstrebenswerte Lebensform partnerschaftlicher Geschlechtlichkeit und Liebe die christliche Ehe gilt.



können in dem Kind, das in die Familie hineingeboren wird, die Erfüllung des Schöpfungsauftrages zur Weitergabe des Lebens erkennen.

4.1.3. Sexualerziehung in den Jahrgangsstufen 1/2 und 3/4 Schüler der ersten und zweiten Jahrgangsstufe gehen in aller Regel noch recht unbefangen mit ihren Erfahrungen, Empfindungen und Ängsten um. Sie äußern sich oft sehr frei und spontan. Bei der Unterrichtsplanung ist ihr (sehr) unterschiedliches Faktenwissen, ihre (sehr) verschiedenen Erfahrungen im Umgang mit der Thematik ‚Sexualität des Menschen’ zu bedenken. Die Lehrer müssen sich in ihrem Unterricht in Absprache mit den Eltern am Problembewusstsein der Schülerinnen und Schüler orientieren. In den Jahrgangsstufen 3 und 4 entwickeln die Mädchen gegenüber den Jungen einen deutlichen körperlichen Entwicklungsvorsprung. Die Koedukation kann in bestimmten Situationen eine Barriere bedeuten und Offenheit und Gesprächsbereitschaft hemmen. Eine äußere Differenzierung in geschlechtshomogene Gruppen kann deshalb zuweilen angebracht sein. Auch das Hinzuziehen von ‚Fachleuten’ (Ärzte, Vertreter von Beratungsstellen ) kann sinnvoll sein. Ebenso gilt aber auch hier, dass die Zusammenarbeit mit den Eltern die Voraussetzung für eine sinnvolle Sexualerziehung ist. 4.1.4. Literaturhinweise Gesundheitsförderung & Gesundheitserziehung in der Schule, Sexualerziehung in der Grundschule, Eva Somrei, Ärztekammer Nordrhein, Düsseldorf AOK Rheinland, Düsseldorf, 2000 Sexualerziehung von Anfang an! Petra Milhoffer (Hg.) Arbeitskreis Grundschule 1995, Frankfurt am Main Religion in der Grundschule, Friedrich Schweitzer, Gabriele Faust-Siehl (Hg.) Arbeitskreis Grundschule 1995, Frankfurt am Main Sexualunterricht in der Grundschule, Norbert Kluge, Klinkhardt 1996, Bad Heilbrunn

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4.2. Sexualerziehung in der Sekundarstufe I 4.2.1. Jahrgangsstufen 5/6 4.2.1.1. Entwicklungspsychologische Aspekte Mit dem Übergang von der Grundschule in weiterführende Schulen ändert sich für die Kinder nicht nur die Schulform, sondern es beginnt das ‚Ende der Kindheit’. Bei den Mädchen setzen häufig schon in der 5. Klasse, in der Regel in der 6. Klasse die Pubertät und damit verbunden körperliche und Verhaltensänderungen ein. Zwar erreichen die Jungen in der Regel erst später die Pubertätsphase, die Pubertät der Mädchen bewirkt jedoch eine nachdrückliche Veränderung der kommunikativen Gesamtsituation in den Klassen. Bei den Mädchen zwischen acht und elf Jahren bewirkt die Beobachtung erster körperlicher Veränderungen bei sich selbst oder anderen Mädchen eine erhöhte Sensibilisierung für körperliche Entwicklungen und die damit verbundene Fragen. Sie möchten daher deutlich mehr über Sexualität wissen als gleichaltrige Jungen (über Themen wie: Schwangerschaft, Schwanger-Werden, Aids, Geschlechtskrankheiten, Heiraten usw.). Die genannten Themen machen deutlich, dass Mädchen von ihren Fragen her keine Kinder mehr sind und deshalb eine Sexualaufklärung dringend geboten ist. Spätestens mit dem Auftreten der ersten Regelblutung bei vielen Mädchen dieses Alters verbietet sich ein häusliches und schulisches Ignorieren der Thematik. Durch eine altersgemäße Beantwortung von Fragen wird einiges an Verunsicherung aufgefangen werden, die durch die körperlichen und emotionalen Veränderungen hervorgerufen werden. Gleichzeitig ist aber auch zu beobachten, dass Mädchen in dieser Altersphase in der Klasse z.T. sehr selbstbewusst auftreten, nicht nur weil sie in ihrer Entwicklung den Jungen voraus sind, sondern weil sie auch in ihrer Sozialkompetenz deutliche Fortschritte gemacht haben. Damit einher geht die Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit, die mit diesem pubertären Entwicklungsschub das konventionelle Niveau erreicht. Auch das religiöse Bewusstsein verändert sich in dieser Zeit rasch und lässt das kindliche Gottesbild hinter sich. Bei den Jungen dieser Altersphase sind in der Regel noch keine körperlichen Veränderungen zu beobachten. Sie sind Jungen, die sich noch nicht als Problem und Aufgabe erfahren und wegen ihres hohen Bewegungsdranges auffallen. Wenn sie deshalb meist nur mit anderen Jungen spielen, so bedeutet dies aber nicht, dass nicht doch Interesse an den Mädchen vorhanden wäre. Über 50% der elf- bis vierzehnjährigen Jungen waren schon einmal verliebt und manche der Rüpeleien auf dem Schulhof oder im Klassenraum sind sicher auch als Formen der ‚Annäherung durch Aggression’ zu verstehen. Während Mädchen und Jungen in den Klassen in der Regel geschlechtsgetrennt sitzen wollen und meist geschlechtshomogene (Spiel-)Gruppen bilden, bieten solche Aktionen die Möglichkeit einer Annäherung. Insgesamt lässt sich festhalten, dass in dieser Stufe in vielen Bereichen eine soziale Trennung zwischen Jungen und Mädchen eintritt, aber auch noch gemeinsame Interessen vorhanden sind. Deshalb ist bei vielen von Erwachsenen organisierten Spielen und Aktionen eine Zusammenarbeit von Jungen und Mädchen meist problemlos möglich. So erscheint es sinnvoll, dies mit Jungen und Mädchen gemeinsam zu besprechen, was beide gemeinsam angeht: z.B. den Umgang im Alltag miteinander auch im Hinblick auf die bei manchem einsetzenden körperlichen Veränderungen. Bei anderen Themen, z.B. Intimhygiene bei Mädchen und Jungen, ist eine Geschlechtertrennung dagegen sinnvoll. Es ist grundsätzlich zu beachten, dass sich je nach der Zusammensetzung der Klasse und den sozialen Rahmenbedingungen deutliche Unterschiede ergeben können.

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4.2.1.2. Ziele und didaktisch-methodische Überlegungen Auf Grund der entwicklungspsychologischen Situation der Kinder in der 5./6. Jahrgangsstufe ‚am Ende der Kindheit’ lassen sich folgende Ziele einer gefühlsbejahenden und normenreflektierenden Sexualerziehung nennen: • • • • • • • • • • •

• • • • • • • • • • • •

Über Bedürfnisse, Fragen und Wünsche sprechen können und ernstgenommen werden, angemessen über Sexualität sprechen können – mit Gleichaltrigen und Erwachsenen, Körperfunktionen und Sexualorgane kennen, korrekt benennen können und deren Funktion verstehen, den eigenen Körper annehmen („Schönheit“, „Stärke“) und ein positives Körpergefühl entwickeln, „Junge-Sein“ und „Mädchen-Sein“ als grundsätzliches Bestimmt-Sein verstehen und als positive Lebensäußerung annehmen, Gefühle zeigen, zulassen, unterscheiden und angemessen damit umgehen, Bedürfnisse bei sich selbst und anderen wahrnehmen und artikulieren – und sich selbst und gegenseitig darin ernstnehmen, Nein-Sagen und Grenzen-Setzen lernen, Respekt und Einfühlsamkeit für die Empfindungen anderer entwickeln, Regeln für das soziale Miteinander in der Klasse entwickeln und vereinbaren, mit Selbstbewusstsein Werte wie Vertrauen, Verbindlichkeit, Ehrlichkeit, Verantwortlichkeit, Partnerschaftlichkeit als Gestaltungsmerkmale von Freundschaft und Liebe bejahen und in die Beziehungen einbringen, gegenseitige Zuneigung und Liebe als den Rahmen in den Blick nehmen, in dem menschliche Sexualität ihren eigentlichen Reichtum entfaltet, Ehe und Familie als von der Gesellschaft und der Kirche gesehener Rahmen von Sexualität und Fortpflanzung verstehen, über homosexuelle Orientierungen und Lebensgemeinschaften informiert sein, Risiken und Gefahren von Sexualität erkennen können und verantwortlich damit umgehen lernen, geschlechtsbezogene Verhaltensnormen (Geschlechtsrollen) (er-)kennen und überdenken, Darstellungen und Erscheinungsformen von ‚veröffentlichter Sexualität’ einordnen (wenn es von Schülern thematisiert wird), Moden und Gruppenzwänge hinterfragen, einige Formen der Kommerzialisierung von Sexualität kennen und kritisch befragen, den Wert und die Würde des menschlichen Lebens von Anfang an erkennen, von erwachsenen Christen in der krisenhaft erfahrenen Veränderung ihres Gottesbildes ernst genommen und begleitet werden, in der ersten Ausgestaltung eines eigenen und selbst verantworteten sozialen Raumes von Christen wohlwollende und kritische Unterweisung erfahren, in der eigenen Verunsicherung Respekt vor der Würde des eigenen Ich und der Würde des Nächsten bewahren.

Auswahl, Schwerpunkte und Intensität der anvisierten Lernziele variieren je nach Lerngruppe. Entsprechend den o.g. Zielen könnten folgende Themen bearbeitet werden: Körperfunktionen und körperliche Veränderung bei Jungen und Mädchen Hygiene der Geschlechtsorgane bei Jungen und Mädchen

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-

Veränderung des Rollenverständnisses bei der Entwicklung vom Jungen zum Mann Veränderung des Rollenverständnisses bei der Entwicklung vom Mädchen zur Frau Normen des Umgangs von Mädchen und Jungen miteinander jetzt und später Christliches Menschenbild und der Umgang von Jungen und Mädchen miteinander Selbstbild und Fremdbild bei Jungen und Mädchen Gefühle in der Selbst- und Fremdwahrnehmung Kommunikation über Sexualität in der Peergroup und mit Erwachsenen Konstruktiver Umgang mit Konflikten zwischen Jungen und Mädchen ‚Meine neue Welt’: Wer und was war und ist mir wichtig?

Entsprechend dem unterschiedlichen Entwicklungsstand von Kindern in der 5./6. Jahrgangsstufe kann es nicht darum gehen, die genannten Themenbereiche erschöpfend zu bearbeiten. Eher sind wichtige Grundlagen grundsätzlich anzugehen und die für die Lerngruppe sich daraus ergebende Fragen zu bearbeiten. So kann sichergestellt werden, dass die für die Mehrzahl der Kinder wichtigen Fragen beantwortet werden, ohne jedoch die Schüler mit für sie noch nicht relevanten Informationen zu belasten. Durch die Wahl des Unterrichtskonzeptes und die Methodenwahl muss dabei sichergestellt werden, dass eine offene Gesprächsatmosphäre entstehen und so jeder auch offene Fragen stellen kann. Die genannten Ziele, Ausdruck einer auf Ganzheitlichkeit bedachten Sexualerziehung, lassen sich kaum in einem Sexualunterricht auf der Grundlage nur eines Faches erreichen. Im Vordergrund steht nicht allein die Wissensvermittlung, sondern auch die kritische (Selbst-) Reflexion und der Ausblick auf verantwortliches Handeln. Ziel sollte es sein, vor dem Hintergrund des christlichen Menschheitsbildes ein von Verantwortung geprägtes Verhaltensrepertoire zu entwickeln. Dies ist vor allem möglich in einer – in den Fächern z.T. vorbereiteten – längeren Phase fachübergreifenden Arbeitens. Sinnvoll sein können auch „Tage der Orientierung“ für die Jahrgangsstufe 6 ( in Ausnahmefällen auch Ende 5), die als Projekte angelegt sind, zwei bis drei Tage dauern können und nicht durch einen 45-Minuten-Rhythmus bestimmt werden. Die Vertrautheit der Schüler im Klassenverband kann eine große Chance sein, ebenso die Arbeit mit einem Lehrer aus der Klassenkonferenz im Teamteaching. Die begleitenden Lehrkräfte sollten möglichst eine entsprechende Fortbildung im Hinblick auf die personenorientierten Methoden absolviert haben. Darüber hinaus kann es hilfreich sein, externe Fachleute z.B. aus Beratungsstellen als Unterstützung der Kollegen in die Leitung und Durchführung dieser Tage der Orientierung einzubeziehen. Denkbar ist auch, dass zu einzelnen Themen diese Fachleute thematische Workshops für die Schüler anbieten.

4.2.2.

Jahrgangsstufen 8/9

4.2.2.1. Entwicklungspsychologische Aspekte Im Kontext einer ganzheitlich orientierten Sexualerziehung ist zu berücksichtigen, dass die Jugendlichen in der Jahrgangsstufe 8 oder 9 intensiv damit befasst sind, sich (zumindest gedanklich) von ihrem Elternhaus zu lösen, sich eine eigene, unabhängige Meinung zu bilden und auch einen gewissen eigenen Lebensstil zu entfalten. Dabei ergeben sich gerade in den Jahrgangsstufen 8 und 9 infolge von Springern und Sitzenbleibern sehr große Altersunterschiede in den Lerngruppen (bis zu 3 Jahren), was aufgrund der Pubertät von erheblichen Auswirkungen auf die pädagogische Gesamtsituation ist. Der so oft zeitversetzt einsetzende Ablöseprozess führt zu Fragen, die die Heranwachsenden primär nicht mit dem Elternhaus besprechen, sondern eher mit der Gruppe der Gleichaltrigen (Peergroup) oder mit

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anderen selbstgewählten Bezugspersonen. Dieser neue soziale Kontext ist unübersehbar und muss deshalb Niederschlag in den Zielen, Wegen und Themen der Sexualerziehung finden. Die Mehrzahl der Mädchen ist in ihrer körperlichen Entwicklung schon weit fortgeschritten, manche erscheinen schon als ‚junge, selbstbewusste Frauen’, die großen Wert auf ihr Äußeres legen und über ein relativ großes Spektrum an sozialen Verhaltensweisen verfügen. Tatsächlich sind 41% der Mädchen im Alter von vierzehn bis siebzehn Jahren in einer mehr oder weniger festen Partnerschaft und verfügen über einen entsprechenden Erfahrungshintergrund, worauf u.a. auch die zunehmende Zahl immer früher einsetzender Schwangerschaften hinweist. In den folgenden Jahrgangsstufen steigen die Prozentwerte der Mädchen mit entsprechenden Erfahrungen deutlich an: Für die Mehrzahl der Mädchen stellt sich so die Fragen zu Liebe, Sexualität, Partnerschaft vor dem ganz konkreten Hintergrund persönlichen Lebens. Diese betreffen sowohl die eigene Rolle als Mädchen, die Rolle des möglichen Partners, als auch Fragen nach den Grenzen, die sie sich selbst und einem Partner setzen wollen und sollen. In der Aussprache über solche Themen fällt in der Regel nicht nur die im Vergleich zu den Jungen größere soziale Kompetenz der Mädchen auf, sondern auch ihre vergleichsweise große Fähigkeit und Bereitschaft, über persönliche Themen zu sprechen. Dabei mag die Tatsache eine große Rolle spielen, dass Mädchen häufig eine ‚beste Freundin’ haben, die als Gesprächspartnerin zur Verfügung steht und als Austauschpartnerin auch für intime Fragen angenommen wird. Die meist größere soziale Sensibilität und der andere Erfahrungshorizont der Mädchen beeinflusst auch die Fähigkeit der Reflexion über Normen des Verhaltens im Kontext von Liebe, Sexualität und Partnerschaft. Manche von ihnen sind schon in der Lage, ausgehend von konkreten Fallbeispielen, sich mit der Frage ‚ethisch gut – weniger gut’ auseinander zu setzen und auch Meinungen zu äußern, die nicht der Meinung der Peergroup entsprechen. Dabei ist im Laufe der Jahrgangsstufen 8 und 9 ein deutlicher Zuwachs an selbstständiger Urteilsfähigkeit zu beobachten: Zum einen äußert sich das gestiegene SelbstBewusstsein in einer Weiterentwicklung des Gottes-Bildes, das nicht selten auch atheistisch ausgeprägt wird, zum anderen sind Mädchen in diesem Alter durchaus schon in der Lage, aus eigenem Antrieb und mit selbstständiger Urteilskraft soziales Leben in ihrem Umfeld zu gestalten. Die Mehrzahl der Jungen im Alter von dreizehn bis fünfzehn Jahren steckt mitten im Prozess der körperlichen Veränderungen, dies äußert sich in einer starken Verunsicherung. Manche versuchen, dies durch besonderes ‚Coolsein’ zu überspielen, z.B. in besonders pauschalen, große Erfahrung signalisierenden bzw. bisweilen vortäuschenden Äußerungen. Dies kann nicht allein auf geringere Vorerfahrungen zurückgehen. Denn ähnlich wie bei den Mädchen geben nur 37% der vierzehnjährigen Jungen an, keine Erfahrungen mit Zärtlichkeiten gehabt zu haben. Allerdings steht den Jungen offensichtlich seltener ein Partner für intensive und intime Fragen berührende Gespräche zur Verfügung. Ferner gehört es – jedenfalls nach dem Verständnis mancher Jugendlicher – nicht zum ‚männlichen’ Verhaltensrepertoire, über Fragen der persönlichen ‚Unsicherheit’ zu sprechen. Dabei ist aber allen Jungen ihre Verletzlichkeit bewusst und wird als Befürchtung sehr wohl geäußert. Diese und andere Faktoren führen offensichtlich häufig zu den großen Schwierigkeiten von Jungen, zu Fragen von Liebe, Sexualität, Partnerschaft differenziert Stellung zu nehmen und sich auf ein offenes Gespräch einzulassen. In Gruppen von Mädchen und Jungen äußert sich dies auch häufig darin, dass kein Gespräch zustande kommt bzw. sich die Mädchen über die fehlenden Redebeiträge der Jungen beklagen. Deshalb ist für die Jungen ein wichtiges Ziel der Sexualerziehung, die Sprachfähigkeit in diesem Themenfeld zu entwickeln. Eher selten äußern sich Jungen öffentlich zu ethischen Fragen im Kontext von Liebe, Sexualität, Partnerschaft, und wenn, dann in der Regel von konkreten Beispielen ausgehend. Auch für sie ist der Druck der ‚öffentlichen’

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Meinung bzw. der Peergroup sehr stark, seltener werden davon abweichende Meinungen vertreten, vor allem nicht in Gruppen. 4.2.2.2. Ziele und didaktisch-methodische Überlegungen Didaktisch ist es notwendig, von der jeweiligen Betroffenheit und dem aktuellen Interesse der Schüler auszugehen. Durch einen entsprechenden methodischen Einstieg können vertrauensvolle Gespräche zwischen Mädchen und Jungen angeregt und durch geeignete Übungen eine vertrauensvolle Atmosphäre geschaffen werden. So können Sprachlosigkeit und Negativterminologie der Jugendlichen im Themenbereich Sexualität überwunden, reflektiert und deren Sprachkompetenz gefördert werden. Im Vordergrund sollte das aktive Lernen stehen. Besonders wichtig sind der Austausch und die Reflexion in der Peergroup, die immer wieder auch geschlechtshomogen sein sollte – ein Schonraum und eine Herausforderung sowohl für Mädchen als auch für Jungen. Darüber hinaus sollten die Wissensvermittlung im Bereich der medizinischen und biologischen Fakten und die Behandlung der ethisch-religiösen Fragestellungen gewährleistet sein, die die Grundlage für eine vertiefte ganzheitliche Reflexion und die Herausbildung einer selbstverantworteten Werthaltung bilden. Ausgehend von den Fragen, Wünschen und Bedürfnissen der Jugendlichen ist eine Zielsetzung von Bedeutung, die über die reine Sexualaufklärung hinausgeht und eine verantwortliche Verhaltenskompetenz anstrebt. Darunter zu fassen wäre,

• • • • • • • • • • • • • •

dass Mädchen und Jungen ihre Bedürfnisse und Gefühle artikulieren können und sich gegenseitig darin ernstnehmen, dass Mädchen und Jungen ein positives Körpergefühl entwickeln, dass Jugendliche eine Sprache finden, in der sie ganzheitlich ‚mit allen Sinnen’ Sexualität und Erotik wertschätzend zum Ausdruck bringen, dass Mädchen und Jungen sich mit ihrer Geschlechterrolle auseinandersetzen und ihre Identität als Frau und Mann finden, dass Mädchen und Jungen Fruchtbarkeit positiv und sinnstiftend wahrnehmen und bejahen, dass Mädchen und Jungen die Qualität ihres partnerschaftlichen Zusammenseins auch im Hinblick auf eine mögliche Zeugung von Kindern bestimmen, dass sie unterschiedliche Wertvorstellungen – auch anderer Kulturen – respektieren, sich damit auseinandersetzen und zu einer eigenen Wertehaltung finden, dass sie mit Selbstbewusstsein die ihnen wichtigen Werte wie Vertrauen, Treue, Verantwortung, Partnerschaftlichkeit in ihr Beziehungsleben einbringen, dass sie zu einer selbstbestimmten und verantwortlichen Gestaltung von Sexualität finden, dass sie erkennen, dass menschliche Sexualität nur in gegenseitiger Liebe ihren eigentlichen Reichtum entfaltet, dass sie um die Notwendigkeit der Enthaltsamkeit für das Wachstum echter Liebe wissen, dass sie erkennen, dass volle geschlechtliche Gemeinschaft ihren legitimen Platz nur in der Ehe hat, dass sie Methoden der Empfängnisregelung und ihre Wirkweise kennen und fähig sind, auf der Basis der Lehre der Kirche verantwortliche Entscheidungen zu treffen, dass sie ein Problembewusstsein für ungewollte Schwangerschaften entwickeln,

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• • • • •

dass sie lernen, mit Konflikten kommunikativ und konstruktiv umzugehen, dass sie den Wert und die Würde des menschlichen Lebens von Anfang an achten, dass sie befähigt werden, ihre persönlichen Reifeprozesse auch als sozialen Gestaltungsauftrag zu begreifen und zu gestalten, dass sie befähigt werden, Hilfsbedürftigkeit zu erkennen, Hilfe zu suchen, diese anzunehmen, aber auch selber Hilfe zu geben. dass sie die Absetzbewegung von ihren kindlichen Gottes- und Weltvorstellungen als Auftrag zu neuer Gottessuche und Weltgestaltung begreifen.

Der vorgestellte Zielkatalog dient der Orientierung. Selbstverständlich ist, dass die Ziele in sehr unterschiedlicher Qualität realisiert werden. Mögliche Themen können demnach sein: Über die Schwierigkeit, angemessen über Sexualität zu sprechen Zum Rollenverständnis von Mädchen und Jungen Erste Partnersuche Verliebtheit als neue soziale Situation – von der Peergroup zur Zweierbeziehung Verantwortliches Verhalten beim Knüpfen und Lösen von Beziehungen Selbstbehauptung/Selbstverwirklichung – Anpassung in der Partnerschaft Die Bedeutung körperlicher Merkmale/Schönheit Zur Ambivalenz von Zärtlichkeit Grenzen erfahren und setzen Selbstbestimmung und sexualisierte Gewalt Verantwortlicher Umgang mit sexuellen Erfahrungen in Relation zu gesellschaftlichen und christlichen Wertvorstellungen Orientierung im Spektrum möglicher Sexualverhaltensweisen von Jugendlichen Zur Prävention von Geschlechtskrankheiten Gewissenskonflikte im Kontext von Partnerschaft und sexuellen Erfahrungen Das Bild von Frau und Mann in der Bibel und im heutigen christlichen Menschenverständnis Empfängnisverhütung und Schwangerschaft gemäß den Normen der Kirche im Spannungsverhältnis von persönlicher Verhaltenskompetenz, gesellschaftlichen Normen und christlichen Wertvorstellungen Beziehungen zu Gott in meinem Leben: Brüche und Anfänge Veränderungen meiner Religiosität Konflikte mit den Normen von Christentum und Kirche Was kann ich, was will ich selbst entscheiden? Während es auf der einen Seite sinnvoll ist, Raum für ein ungestörtes Gespräch unter Jungen und Mädchen zu geben, ist es andererseits auch erforderlich, sich mit den Jugendlichen des jeweils anderen Geschlechts auseinander zu setzen. Für reine Mädchen- bzw. Jungenschulen könnte es eine Chance sein, Sexualerziehung – ggf. auch in Form von Projekten - gemeinsam durchzuführen. Die Klassen sollten dabei von Lehrern begleitet werden, die möglichst eine entsprechende Fortbildung absolviert haben und zur Zeit der Durchführung nicht zum jeweiligen Klassenkollegium der Lerngruppe gehören. Letzteres kann sich insofern als hilfreich herausstellen, als dass es für die Schüler schwierig sein kann, sich in Anwesenheit eines Lehrers, der sie im normalen Schulalltag als Fach- oder Klassenlehrer beurteilt, zu öffnen. Darüber hinaus empfiehlt es sich, externe Fachleute z.B. aus Beratungsstellen als Unterstützung der Kollegen in der Leitung und Durchführung des Projektes hinzuzuziehen. Diese Institutionen, wie Esperanza, können die Unterrichtsreihen und Projekte auch in der Planung und Koordination fachlich begleiten und z.T. eigenverantwortlich thematische Workshops für die Jugendlichen anbieten.

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4.2.3. Literaturhinweise Berenike-Schmidt, Renate; Schetsche, Michael; Jugendsexualität und Schulalltag, Reihe Schule und Gesellschaft, Bd. 17, Leske + Buderich, Opladen 1998 Milhofer, Petra; Krettmann, Ulrike; Gluszcynski, Andreas: Sexualerziehung die ankommt...; Ein Leitfaden für Schule und außerschulische Jugendarbeit zur Sexualerziehung von Mädchen und Jungen der 3.-6. Klasse, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA), Köln 1999 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BgzA): Sexualität und Kontrazeption aus der Sicht der Jugendlichen und ihrer Eltern (Kurzzusammenfassung der Endergebnisse) 1996 Eine Wiederholungsbefragung zur obigen Untersuchung liegt inzwischen vor: Jugendsexualität: Wiederholungsbefragung von 14-17-jährigen und ihren Eltern; Ergebnisse der Repräsentativbefragung aus 2001 (2001) Landesinstitut Schleswig-Holstein für Praxis und Theorie der Schule (IPTS): Sexualpädagogik + Aids-Prävention mit Methoden des lebendigen Lernens (1994); (zu bestellen bei: Druckerei Joost, Kronshagen, Tel.: 0431/542231, € 23,-) Uwe Sielert et al.: Sexualpädagogische Materialien für die Jugendarbeit in Freizeit und Schule, Beltz Verlag, Weinheim und Basel, 1993 Valtl, Karlheinz; Sexualpädagogik in der Schule: Didaktische Analysen und Materialien für die Praxis. Beltz Verlag, Weinheim und Basel, 1998

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4.3. Sexualerziehung in der Sekundarstufe II 4.3.1. Entwicklungspsychologische Aspekte Der bereits in den Jahrgangsstufen 8 und 9 stattfindende Prozess der Ablösung vom Elternhaus ist in der Sekundarstufe II deutlich vorangeschritten und zeigt sich beispielsweise in der zunehmend selbstgesteuerten Freizeitgestaltung der 17- bis über 20jährigen Schüler. Private Tätigkeiten umfassen zwar weiterhin die Pflege sportlicher, gestaltungsmäßiger oder musikalischer Hobbys, soweit diese (z.B. aus Desinteresse) nicht schon wieder vernachlässigt werden. Allerdings nehmen unterhaltsame Aktivitäten immer mehr zu (Kino-, Disco- und Kneipenbesuche), die eine zunächst unreflektierte Konfrontation mit stereotypen Verhaltensweisen klischeehafter Idole einschließen. Die Peergroups entsprechen in diesem Alter den Cliquen mit ähnlicher Interessenslage (Milieus) der jeweils zugehörigen Jugendlichen, mitunter auch mit gleicher Faszination für eine spezielle Kultbewegung, z.B. für die Hip-Hop-Antikultur. Mädchen und Jungen versuchen gleichermaßen ihr Selbstverständnis durch ihr Erscheinungsbild kundzutun. Die Differenz zwischen sexueller Reife und erwachsener Selbstständigkeit ist zu Beginn der Stufe 11 zwar kleiner geworden und schrumpft innerhalb der Oberstufe weiter. Noch immer besteht aber eine, nicht zuletzt in der sozialen Situation der Schüler bedingte, Unselbstständigkeit und eine erhebliche Diskrepanz zwischen körperlicher und sozialer Reife. Dies gilt vor allem für die Jungen. Sexuelle Erfahrungen aus der Pubertät, wie die Bedeutung erotischer Gefühle oder das Gelingen bzw. Misslingen freundschaftlicher und partnerschaftlicher Beziehungen erzeugen Nachdenklichkeit. Es wächst die Entschlossenheit, sich selbst zu bewähren. Wenn auch eine große Zahl der Mädchen und Jungen erste Erfahrungen mit Geschlechtsverkehr haben, so haben andererseits viele Schülerinnen und Schüler kaum bzw. gar keine sexuelle Erfahrung mit dem anderen Geschlecht. Fehlende oder misslungene Partnerschaften werden von den meisten auf Grund sozialen Drucks als Defizit empfunden. Für einzelne betroffene Mädchen, die gewollt oder ungewollt eine Schwangerschaft durchgestanden oder abgebrochen haben, und für Mädchen und Jungen mit homosexuellen Neigungen kann eine ähnlich belastende Situation entstanden sein. Viele glauben sich deswegen außerhalb der ‚Norm’ zu bewegen und haben Ängste, darüber zu sprechen. Trotzdem entwickeln einzelne den Mut zur Offenbarung ihrer Situation, z.B. in Form eines Coming-outs. In religiös-moralischer Hinsicht schwanken fast alle in ihren Überzeugungen. Einzelne glauben noch, selbst die Welt verändern zu können. Die meisten orientieren sich einerseits grundsätzlich an der - mitunter atheistischen - Vorstellung, dass der Mensch für sein Leben selbst die alleinige Verantwortung trägt, gelangen andererseits aber auch zu der Überzeugung, dass die Verantwortung und Freiheit des Menschen göttlichen Ursprunges sind: Prozesse, die auch eine Reifung des religiösen Bewusstseins verdeutlichen. 4.3.2. Ziele und didaktisch-methodische Überlegungen In der Sekundarstufe II kommt es weiterhin darauf an, im Prozess wachsender Reife neue Erfahrungen machen zu können und die Gefahr von belastenden sexuellen Erfahrungen zu verringern. Dabei geht es weniger um Zuwachs an Wissen, als vielmehr um Vertiefung und in besonderer Weise um Reflexion von Voraussetzungen, Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen der Entfaltung menschlicher Sexualität. Zentrale Fragestellungen sind: •

Welche Rolle spiele ich in dem Prozess der Ich- und Wir-Findung?

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• •

Wie gestalte ich als Individuum verantwortungsvoll Beziehungen mit anderen Individuen? Wie bestimme ich Grenzen und Möglichkeiten persönlichkeitsgebundenen Verhaltens?

Die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit innerhalb des jeweiligen sozialen Verbandes spielt dabei die entscheidende Rolle. Dies impliziert Behutsamkeit im Umgang mit Fragen der Sexualität. Sowohl im Unterricht als auch in Projektphasen befinden sich die Jugendlichen in ihrer Rolle als Schüler, die ein Recht darauf haben, Zeitpunkte und die jeweilige Art und Weise einer Auseinandersetzung mit Sexualität selbst zu bestimmen. Deshalb sind die Lehrer herausgefordert zu überlegen, auf welchem Weg die Schüler erreichbar sind, indem Methoden und Sozialformen in Orientierung am altersgemäßen Leistungsvermögen der Jugendlichen angeboten werden. So zum Beispiel in Form einer sozialpraktischen Aufgabe. Die Thematisierung von Identität erfordert Respekt vor dem Schamgefühl eines jeden Einzelnen. Deshalb muss situativ besonders sorgfältig geprüft werden, inwieweit sexuelle Themen, vor allem sexueller Missbrauch und sexuelle Gewalt, explizit zur Sprache kommen können oder sogar müssen. Äußerungen von Zärtlichkeit hingegen können generell thematisiert werden. Besondere Vorsicht ist vor der Thematisierung individueller Sexualität geboten, der Respekt vor der Intimsphäre der Jugendlichen hat Vorrang gegenüber anvisierten und von der Sache her gewünschten Äußerungen der Schülerinnen und Schüler zu Fragen der Sexualität. Der jeweiligen Situation entsprechend, müssen die Lehrer methodisch flexibel agieren und reagieren. Sie handeln in Verantwortung für das Wohl und zum Schutz der Betroffenen, denen sie Möglichkeiten zur Frustrationsbewältigung (z.B. aus Gründen nicht ausgelebter Sexualität) wie zur Ich-Stärkung vermitteln müssen. Tolerant geführte Reflexionen unterschiedlicher Lebensweisen, z.B. des entschiedenen Rückzuges in die Einsamkeit, können angstlindernd wirksam sein. Ggf. sollten Schulpsychologen, Schulpfarrer und andere Fachkräfte hinzugezogen werden. Bedeutend kann zudem sein, sozial oder religiös begründete ‚alternative’ Wege als Chance aufzuzeigen. Vor dem Hintergrund der Schülersituation soll eine auf der Grundlage moralischen Bewusstseins entwickelte Orientierungshilfe zur Ich-Findung des jungen Menschen in interpersonaler Beziehungsmöglichkeit angeboten werden. Dabei sind folgende Qualifikationen ausschlaggebend: 1. Der Prozess der Identitätsfindung soll weiterentwickelt werden mit der Perspektive, seine eigene Rolle mit Rücksicht auf Rolleninteressen Anderer einzunehmen und im Hinblick auf die Aufrechterhaltung einer gemeinschaftlichen Ordnung rechtfertigen zu können. 2. Als selbstverständlich erachtete Lebensweisen sollen differenziert auf die ihnen zugrunde liegenden Normen und auf ihre Verantwortbarkeit hin geprüft und ggf. modifiziert und selbstbewusst weiterverfolgt werden. 3. Im Prozess des religiösen Reifens soll die individuelle Persönlichkeit als Ebenbild Gottes im Sinne des christlichen Menschenbildes und in Abgrenzung zu fragwürdigen gesellschaftlichen Leitbildern verstanden werden. 4. Eigene Entscheidungen, Haltungen und Handlungen werden im Prozess der Gewissensbildung reflektiert. Hierbei geht es um das differenzierte Suchen und Herausfinden des moralisch Richtigen. 5. Im Umgang miteinander, auch mit dem ungeborenen Leben, soll sich der Respekt vor der eigenen Würde und der Würde des Nächsten erweisen. 6. Eigenes Verhalten soll vertiefend reflektiert werden zugunsten einer differenzierten Sicht gelingender oder misslingender Lebensentwürfe vor dem Hintergrund verbindlicher Grundrechte und christlicher Werte. 7. Die eigene existentielle Identität soll ins Bewusstsein treten und reflektiert werden.

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Methodische Hinweise Die generell ausschlaggebende didaktische Frage an den Lehrer nach der Form und nach der Art und Weise der Thematisierung stellt sich für Fragestellungen im Bereich der Sexualität wegen der notwendigen diskreten Arbeitsatmosphäre besonders dringlich. Fachunterricht Sexualerziehung kann innerhalb von solchen Unterrichtsprozessen begleitend stattfinden, in denen je nach Situation die in den Unterrichtsinhalten enthaltene Sexualkundethematik reflektiert werden kann. Hierbei eignen sich konventionelle Unterrichtsmethoden (LehrerSchüler-Gespräch, Textanalysen, Erörterungen) nur noch in beschränktem Maße, unkonventionelle Vorgehens- und Arbeitsweisen hingegen ermöglichen konstruktive Arbeit. Hierzu gehört der freiwillige Austausch zwischen persönlich ausgewählten Mitschülerinnen und Mitschülern, ohne dass ihre Gespräche und Selbsteinschätzungen sowie die Resultate der hierbei erfolgten Fremd- und Eigenwahrnehmung und der dabei erforschten individuellen Beziehungsgeflechte in einem Plenum veröffentlicht werden. Außerdem eignen sich Inszenierungen spezifischer Kommunikationssituationen sowie bildnerische und gestaltorientierte Selbstdarstellungen. Fächerverbindender Unterricht Fächerverbindende Arbeitsformen, ebenfalls bei Einsatz unkonventioneller Methoden, eignen sich besonders wegen der Möglichkeit einer breit gegliederten Auseinandersetzung mit einem herausfordernden Thema, z.B. „Der Kampf der Geschlechter“ in Stufe 12, das in den Fächern Biologie, Kunst und Deutsch parallel behandelt werden könnte, um die ganzheitliche Bedeutung der zugrundeliegenden Problematik erfahrbar zu machen. Thematisch orientierter Projekttag Möglichkeiten ganzheitlicher Auseinandersetzung mit Fragen der Sexualität bieten sich besonders für spezielle themengebundene fächerübergreifende Projekttage an. Gedacht wird z.B. an differenziert angebotene Workshops, deren jeweilige thematische Aspekte vorher im Unterricht der beteiligten Fächer entwickelt werden könnten. Die Zusammenarbeit mit Sexualkundeexperten von autorisierten Beratungsstellen bietet sich an. Überlegungen zur Struktur eines solchen Projekttages und zum Einsatz einer erlebnisreichen und sozialpraktischen Methodik könnten mit den Schülerinnen und Schülern, mit den beteiligten Kollegen innerhalb von Fachkonferenzen und mit den eingeladenen Experten zusammen erfolgen. Stufenbezogene Überlegungen Die stufenbezogen vorgeschlagenen Themen beziehen sich auf Möglichkeiten des regulären Unterrichts, können aber auch fächerverbindend und in Form eines Projekttages behandelt werden. Bei Schulformen mit 12-jähriger Schulzeit müsste versucht werden, Gesichtspunkte für die Stufe 13 vorher in die Überlegungen miteinzubeziehen. 4.3.3. Jahrgangsstufe 11 Nach Auflösung der Klassenverbände und der damit verbundenen Unterrichtsstrukturen sind die Schüler nun auf Grund des Kurs- und/oder des Kollegsystems herausgefordert, ihren Teil zum Gelingen des Unterrichts in mehreren neuen Kursen beizusteuern. Durch das Aufeinandertreffen introvertierter und extrovertierter Charaktere, wegen des vielfältigen

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Nebeneinanders individueller Persönlichkeiten, wegen des - umfangmäßig mitunter unausgeglichenen - Verhältnisses von Mädchen und Jungen und wegen unterschiedlich akzentuierter Lern- und Leistungsfähigkeiten und -interessen jedes Einzelnen erfordert dies eine erneute Legitimation seines eigenen Verhaltens innerhalb der neuen Gruppenverbände. Eine selbstkritische Reflexion schließt eine begründete Einschätzung des eigenen Verhaltens ein, die zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Rollenbild führen kann. Diese Sensibilität kann auch mit Bezug auf die staatlichen Richtlinien (vgl. Abschnitt 5.2., „Geschlechterrollen") eine Basis zur Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischem Rollenverhalten bilden. Dies ist möglich, wenn sich die Schülerinnen und Schüler sowohl mit den von außen an sie herangetragenen Rollenerwartungen als auch mit ihren selbst entwickelten Rollenbildern beschäftigen und sich dementsprechend im Sinne der Qualifikationen 1 und 2 in einem reflektierten Rollenbewusstsein zugunsten mitmenschlicher Gemeinschaft verhalten. 4.3.4. Jahrgangsstufe 12 Im zeitlichen Verlauf der Stufe 12 werden die meisten Schülerinnen und Schüler volljährig. Sie sind wahlberechtigt und tragen dementsprechend mehr Verantwortung, die als Parameter für das eigene situative und zukunftsrelevante Handeln unübersehbar gefordert wird. Berufliche und private Orientierungen, aber auch die Skepsis gegenüber scheinbar mustergültigen Konzeptionen für die Gestaltung des Lebens, auch des ungeborenen, verdichten sich. Wegen des entwicklungspsychologisch bedingten intensiven Interesses junger Erwachsener an ihrer eigenen innerlichen und erscheinungsmäßigen Identität und wegen des gleichzeitigen Interesses an Partnerschaft finden sich hier zahlreiche Bezüge zu den staatlichen Richtlinien (5.4 „Sexuelle Orientierung und Identität“, 5.5 „Körper und Sexualität“, 5.3: „Familie und andere Formen des Zusammenlebens“, 5.6 „Empfängnisverhütung“). Angesichts des mitunter verantwortungslosen Umganges mit Schwangerschaften und der allseits präsenten Exzesse klischeehafter Erotik können situationsbedingt auch die Abschnitte 5.7 („Schwangerschaftskonflikte und Kinderlosigkeit“) und 5.8 („sexueller Missbrauch und sexuelle Gewalt“) der Richtlinien von Belang sein, wobei der zuletzt genannte Themenaspekt sehr vorsichtig behandelt werden muss. Auf der Grundlage der o.g. Qualifikationen 3, 4 und 5 müsste deutlich werden, dass •

• • • •



ein Bewusstsein über seine eigene wesensmäßige Identität und über diejenige anderer, auch über die des ungeborenen Lebens, Voraussetzung für eigenverantwortliche Lebensgestaltung und für die Bildung eines Sinnhorizontes im Sinne der Grundlegung einer sozialen Ordnung ist. die ganzheitliche, einmalige Personalität des Menschen, dessen Sexualität von Gott gewollt ist, dem Leben einen Sinn verleiht. Sexualität mit den ihr zugehörigen Chancen und Gefährdungen zur Freiheit des Menschen gehört. zärtliche Begegnung die Lebendigkeit der beteiligten Menschen ermöglicht. Treue Folgendes bedeuten kann: gegenseitige Hochschätzung, uneingeschränktes Gefühl der Liebe, Kraft, die die Gestaltung der Liebe bewegt, Erweiterung des Lebensund Erlebensraumes, in dem Erwarten und Geben eine untrennbare Verbindung miteinander eingehen. die ehelich/familiäre Lebensform im Sinne positiver Lebensgestaltung für Eltern und ihre Kinder erstrebenswert ist.

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• •

zölibatäres Leben ein sinnvoller Lebensentwurf sein kann. nicht eheliche Formen sozialen Zusammenlebens sinnvoll sein können.

4.3.5. Jahrgangsstufe 13 Das Missverhältnis von bereits erworbenen Qualifikationen und der außerhalb von Schule präsenten Realität führt zunächst zur Erkenntnis der gravierenden Diskrepanz zwischen verschiedenen Lebenswelten des Schülers, zur Verunsicherung und zur Gefährdung des eigenen Lebensentwurfs. Dem postmodernen Pluralismus sexueller Formen, dem Prozess der Normenverschiebung und -auflösung, der Kommerzialisierung von Sexualität und der durch die Medien verbreiteten Tyrannei der Intimität und der so bedingten Entwürdigung des Menschen soll entgegengewirkt werden. Der sexuellen Orientierungslosigkeit kann dadurch begegnet werden, dass dem Verlangen der Schülerinnen und Schüler nach affektbetonten Äußerungen als wichtige Lebenserfahrung und als Ausdruck sexueller Empfindungen entsprochen wird: Wer sich selbst vertraut, kann anderen Vertrauen schenken. Voraussetzung zur Relativierung der bestehenden Missverhältnisse ist der Respekt vor der persönlichen Intimsphäre. In Verbindung mit den 11er- und 12er- Qualifikationen soll eine vertiefende Reflexion des eigenen Verhaltens auf einer Metaebene zugunsten der Qualifikationen 6 und 7 erfolgen. Diese bewusst zuletzt angeführten Qualifikationen (Reflexion verantwortungsbewussten Verhaltens und der existentiellen Identität) implizieren das vorhandene menschliche Vermögen, sich selbst als göttliches Geschöpf zu transzendieren, um seine persönliche gestaltungsmäßige Kreativität zu entfalten. Diese Befähigung korreliert mit einer „Orientierung an religiöser Autonomie durch unbedingte Intersubjektivität“ (Oser/Bucher) und kann als Bestätigung eines komplexen Reifungsprozesses verstanden werden.

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Hinweise zu den Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln zu den Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen (Teil II)

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5. Vorwort Joachim Kardinal Meisner hat am 1.4.2003 die Ausführungsbestimmungen für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln (Teil I: Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln zu den Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen) in Kraft gesetzt. Diese Bestimmungen begründen die schulische Sexualerziehung in christlicher Verantwortung und geben Orientierung bei deren praktischer Gestaltung. Die nachfolgenden Hinweise (Teil II: Hinweise zu den Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln zu den Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen) geben weitere Anregungen und Hilfestellungen. Am Anfang steht eine thesenartige Zusammenfassung der Ausführungsbestimmungen. Diese Thesen können insbesondere im Rahmen thematischer Einführungsveranstaltungen in der Lehrerund/oder Elternschaft herangezogen werden. Es folgen Anregungen zur didaktischmethodischen Umsetzung der Sexualerziehung in den verschiedenen Jahrgangsstufen. Sie können als Bausteine zur konkreten Ausgestaltung der Sexualerziehung verwandt werden. Zugleich bieten die Hinweise Impulse für die Schulprogrammdiskussion vor Ort. Am Schluss sind Listen geeigneter Beratungsstellen im Erzbistum Köln aufgeführt.

Köln, 2.4.2003

Prälat Gerd Bachner Leiter der Hauptabteilung Schule/Hochschule

6. Thesen 6.1. Christliches Menschenbild und Sexualerziehung Sexualität ist eine Grundgegebenheit des menschlichen Lebens. Ihr ist eine ursprüngliche Wahrheit eigen, die sich überall dort erschließt, wo Sexualität verantwortlich gelebt und innerlich frei erlebt werden kann. Sexualerziehung ist daher konstitutiver Bestandteil der Gesamterziehung, bei der die Schule in subsidiärer Weise den elterlichen Erziehungsauftrag ergänzt.

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1. Die Schöpfung ist gottgewollt und gut. „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut“ (Gen. 1,31). Sexualität hat ihren ursprünglichen Ort im Beziehungsgefüge der von Gott gewollten „guten Schöpfung“. Gott erhält diese Güte der Schöpfung auch über die Sünde des Menschen hinaus. Der Mensch soll Mitschöpfer sein an der Gutheit von Gottes Schöpfung. 2. Der Mensch besitzt als Gottesebenbild eine unabdingbare Würde. „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild“ (Gen. 1,27). Die Gottesebenbildlichkeit des Menschen bedeutet eine Verantwortung, die der Mensch in Entsprechung zu Gott und seinem schöpferischen Wirken ausüben darf. Diese Berufung verleiht dem Menschen eine besondere Würde. Die Begründung der Menschenwürde im Schöpfungsglauben erschließt menschliche Sexualität in ihrer spezifischen Intimität und Verletzbarkeit. Christliche Sexualethik kann deshalb gegenüber dem begrenzten Raum, der dem Staat aufgrund seiner weltanschaulichen Neutralität geboten ist, eine tiefer gehende Orientierung vermitteln. 3. Als Mann und Frau hat der Mensch Anteil an Gottes Schöpferkraft und erlangt darin seine besondere Gottesebenbildlichkeit. „Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27). Die Sexualität des Menschen als Mann- und Frausein ist ein grundlegendes Daseinsprinzip: zugleich auch die grundlegende Dimension der dialogischen Existenz des Menschen. Sexualität vermittelt so Lebenssinn. Das „EinFleisch-Werden“, von dem die Bibel spricht (Gen. 2,24), meint das Ganze einer Gemeinschaft des Lebens und der Liebe von Mann und Frau und entspricht so der Gottesebenbildlichkeit im Besonderen. Im Zusammenwachsen und Einander-ÄhnlichWerden „erkennen“ sich Mann und Frau wechselseitig; dies bedeutet zugleich die Abgrenzung vom bloßen Gebrauchen des Anderen und vom Konsumzwang. 4. Ehe und Familie als Lebensgemeinschaft kommt deshalb eine besondere Würde zu. Als existentielles Daseinsprinzip wird Sexualität so in die Lebensform von Ehe und Familie verwiesen, die um ihrer selbst willen Sinn hat. Sie sind ursprüngliche Formen, in Gemeinschaft zu leben, und in dieser Form unersetzbar.. Die Ehe ist in besonderer Weise eine unaustauschbare Lebensform. Sie gründet auf einer Freiheit, die beide Partner nur gemeinsam haben und die keiner für sich alleine besitzt. Ehe ist die dem dialogischen Vermögen der Liebe adäquate Lebensform. Daher ist auch das Besondere des Ehesakramentes die gegenseitige Heiligung von Mann und Frau. Sexualität und Lebensform verbinden, bedeutet: zu lieben lernen. Die eheliche Liebe erfährt so ihren Ursprung, ihre Kraft und ihr Ziel in der Teilhabe an Gottes unendlicher Güte und Schöpfungskraft. 5. Sexualität ist konstitutiv für diese Gemeinschaft. Sie wird in Liebe und Verantwortung entfaltet, Haltung und Handlung sollen einander entsprechen. Liebe und Verantwortung haben denselben Ursprung. Sexualität bedarf der Gestaltung durch eine Liebe, die sich verantwortlich weiß für den Anderen, die eigene Person und für das Wohl der sich entwickelnden Gemeinschaft. Als Kategorien dafür dürfen gelten: das jeweilige Wohl der Partner achten, das Wohl der Kinder, der schon geborenen oder zu erwartenden achten, die materiellen Verhältnisse der Zeit und ihres Lebens einbeziehen, die geistigen und kulturellen Gegebenheiten der Zeit und ihres Lebens erkennen,

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das Wohl der eigenen Gesamtfamilie, der Gesellschaft und der Kirche berücksichtigen. Die existentiell bedeutsamen Einsichten, die für den Sinn menschlicher Sexualität konstitutiv sind, geben hierbei die Orientierung für die Formulierung notwendiger Grenzen und Regeln. Sexualität soll authentischer Ausdruck von Liebe sein. Daher müssen Handlung und innere Haltung einander entsprechen. Die Achtung der Intimität des Anderen ist hierbei unabdingbar. Zur Gestaltung der Sexualität gilt auch der verantwortete Umgang mit der Fruchtbarkeit. Dies verlangt ein Gespür für den Zusammenhang von Liebe, Verantwortung und Weitergabe des Lebens. -

6. Christliche Sexualpädagogik hat so Maß zu nehmen am Gottes- und Menschenbild unseres Glaubens. Der Mensch ist nach dem Bilde Gottes geschaffen. So wie der Dreifaltige Gott in Liebe gelebte Beziehung und darin „Leben in Fülle“ ist, so verwirklicht sich die Gottesebenbildlichkeit des Menschen vor allem in der lebenserfüllenden Begegnung und Gemeinschaft zwischen Mann und Frau. Das gilt für eine Beziehung zu Gott, zu den Mitmenschen, zur Schöpfung und zu sich selbst. Wenn der Mensch in dieser vierfachen Beziehung leben lernt, kann er sich zu dem Bild entwickeln, dessen Urbild der Schöpfer selbst ist. 6.2. Aspekte moralischer Erziehung an Katholischen Freien Schulen 1. Im Unterschied zum öffentlichen Schulwesen können die Katholischen Freien Schulen auf ein gemeinsames Wertefundament von Elternhaus und Schule zurückgreifen. Werteerziehung ist trotz ihrer Festschreibung in Gesetzen und Richtlinien eines der schwierigsten Felder schulischer Erziehung und unterrichtlichen Agierens. Verbindliche Werte sind im öffentlichen Schulwesen nicht vorgebbar, da ein gesellschaftlicher Wertekonsens nicht herstellbar ist. An Katholischen Freien Schulen darf dagegen grundsätzlich von einem Konsens der Kollegien und Elternhäuser in Fragen der allgemeinen und religiösen Erziehungsgrundsätze ausgegangen werden. Erziehung an Katholischen Freien Schulen hat als Leitidee den in Kirche und Staat ‚verantwortlich lebenden und handelnden Christen’ zum Ziel. 2. Moralische Erziehung ist an Katholischen Freien Schulen Bestandteil der ganzheitlich-religiösen Bildung der Heranwachsenden. Es liegt in der Verantwortung der Erziehenden, Anregungen und Hilfestellungen zu diesem Selbstbildungsprozess zu geben. Moralische Bildung ist Bestandteil des gesamten persönlichen Bildungsprozesses des je einzelnen Heranwachsenden. Religiöse Bildung vollzieht sich in Achtung vor dem in Christus zur Freiheit berufenen Menschen, dessen Individualität und Intimität jederzeit zu achten ist. Erziehung insgesamt, auch religiöse, bedarf deshalb einer dialogischen Grundstruktur. Zugleich widersteht sie dem Eindruck der Beliebigkeit: Kirche und Schule schulden den Kindern das Angebot, in ihr Heranwachsen auch die Frohe Botschaft Jesu Christi hineinnehmen zu können. Die Schülerinnen und Schüler sind zugleich um ihrer selbst willen gehalten, sich mit dieser Seite ihrer Selbstbildung ernsthaft zu beschäftigen.

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3. Die Schulzeit ist für die Heranwachsenden eine Zeit anhaltender Entwicklungsschübe, in der sich das religiöse Bewusstsein und die moralische Urteilskraft schrittweise entwickeln. Aneignung und Ausgestaltung von religiösen und ethischen ‚Inhalten’ vollziehen sich in strukturierten Entwicklungsschritten. Parallel zur kognitiven Entwicklung durchläuft das Kind bis in das Erwachsenenalter hinein einen stufenweise sich entwickelnden religiösen Reifeprozess (Stufenschema der religiösen Entwicklung), der in allen Lebensphasen grundsätzlich variabel bleibt. Eine parallele Systematik hat die Erziehungswissenschaft für die Entwicklung der moralischen Urteilskompetenz festgestellt, die auch geschlechtsspezifische Unterschiede aufweist. Unterricht und Erziehung haben dieses entwicklungspsychologische Bedingungsgefüge zu berücksichtigen, wollen sie den Heranwachsenden wie den Erziehungszielen im Rahmen der Sexualerziehung gerecht werden. 4. Elternhaus, Kirche und Schule gehen auch in der Sexualerziehung eine Erziehungspartnerschaft ein. Sexualerziehung findet zunächst in der Intimität und Geborgenheit des Elternhauses statt und hat dort ihren natürlichen Ort. Die Eltern begleiten in angemessener Weise die Entwicklung ihrer Kinder und nehmen, wenn das Gespräch mit den Heranwachsenden in der Phase der Ablösung vom Elternhaus durch außerfamiliäre Faktoren beeinflusst wird, die Unterstützung von Kirche und Schule an. Die Schule soll mit den ihr eigenen Mitteln und Wegen diese elterliche Sexualerziehung unterstützen, um im Sinne des Evangeliums die Geschlechtlichkeit des Menschen und die Beziehung der Geschlechter zueinander als gute und menschenfreundliche Sexualmoral zu erweisen. Der Konsens in den Erziehungszielen, der Respekt vor der je individuellen Erziehungssituation und die Bewahrung und Kräftigung des erzieherischen Dialoges sind unabdingbare Elemente einer gemeinsamen Erziehungsverantwortung. 5. Durch die Wahl der Methoden, der Gesprächs- und Arbeitsformen und durch die Moderation der Lehrerin/ des Lehrers ist sicherzustellen, dass in den Klassen eine vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre herrscht. Die Individualität und die Intimsphäre der Schülerinnen und Schüler sollen in jedem Fall beachtet werden. Bei jeder Thematik ist zu fragen, welche Form der Vermittlung angemessen und welcher Teilnahmemodus den Personen und dem zu behandelnden Gegenstand am besten dient. Die Schulklasse als „Zwangsgemeinschaft“ ist angesichts der Heterogenität der Klasse, der unterschiedlichen Entwicklungsstadien, der verschiedenen Voraussetzungen im Elternhaus nicht für jedes Thema der geeignete Ort. Es sollten vielfältige Formen gefunden werden (Arbeitsgemeinschaften, Sprechstunden, Teilgruppen der Schulklasse...), die für alle zu jeder Zeit fakultativ offen stehen. 6. Jede Schule soll in ihrem Schulprogramm ein auf die jeweilige pädagogische Situation der Schule abgestimmtes Konzept der Sexualerziehung darlegen. Es ist sinnvoll, in Anbetracht der unterschiedlichen Schulformen ein je individuales schulspezifisches Konzept zu entwickeln. Seitens des Schulträgers werden dabei besondere Anforderungsprofile für die Vorgaben des Schulprogramms entwickelt (Zeitvorgaben, Didaktik, Methodik, externe Berater/innen etc.). Besonders berücksichtigt werden sollen Formen und Inhalte der Informationen an die Eltern und die Festlegung von deren Mitwirkungsmöglichkeiten.

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7. Der Schulträger unterstützt die Arbeit der Schulen durch die Veröffentlichung von methodisch-didaktischen Hinweisen sowie durch Lehrerfortbildungsmaßnahmen. Der Schulträger sieht sich schließlich in der Verantwortung, den Schulen auch Hinweise für die Ausgestaltung der Sexualerziehung in den verschiedenen Jahrgangsstufen zu geben. Dazu liegen die „Hinweise zu den Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs zu den staatlichen Richtlinien für Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen an den katholischen Schulen des Erzbistums Köln“ vor, die für die verschiedenen Altersstufen jeweils eine kurze Darlegung der entwicklungspsychologischen Aspekte, methodischdidaktischen Hinweisen und unterrichtspraktischen Anregungen enthalten. Die Inkraftsetzung der ‚Ausführungsbestimmungen’ wird von Lehrerfortbildungsmaßnahmen begleitet werden.

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7.

Anregungen für die schulische Praxis

7.1. Primarstufe Die im Folgenden zusammengestellten Themen zur Sexualerziehung im Fach Sachunterricht und die daneben aufgeführten Schwerpunktthemen in anderen Fächern sind als Vorschläge zu verstehen. Sexualerziehung ist, wie jede Erziehung, ein das Kind begleitender Prozess, der die ganze Person im Blick hat. Sie darf daher nicht auf die Wissensvermittlung allein und auf ein einziges Fach beschränkt bleiben. Eine Vernetzung mit anderen Unterrichtsfächern ist unabdingbar, da die Schülerinnen und Schüler in allem Tun auch immer geschlechtsbestimmt fühlen, denken und handeln. Dem Religionsunterricht fällt eine besondere Rolle zu, da gerade hier deutlich gemacht wird, dass Sexualität zum Menschsein gehört, also von Gott gewollt ist. Er vermittelt Werte und Haltungen, die unserem Handeln eine Richtung geben können. Die Bearbeitung der inhaltlichen Schwerpunkte der einzelnen Jahrgänge sollte ‚spiralförmig’ angelegt sein. Es scheint sinnvoll, einen Katalog mit Mindestanforderungen innerhalb der jeweiligen Schule verbindlich festzulegen und auch methodische Vorgehensweisen im Hinblick auf den gesamten Erziehungsprozess zu reflektieren.

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7.1.1. Klassen 1/2 Themen im Sachunterricht

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• •



• •

Themen in anderen Fächern

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen

Freundschaft Gefühle haben – Gefühle zeigen (Freude -Wut – Ärger usw.) Gemeinsame Unternehmungen Gemeinsame Feiern

Religion: David und Jonathan Ruth und Naomi Das besondere Verhältnis Jesu zu Petrus und Johannes Wie gehe ich mit Menschen um, die anders sind?

Männlich- und Weiblich-Sein als primäre Spezifika der dialogischen Existenz des Menschen. Dialog als Geschehen von gegenseitigem Sich-Erschließen und Sich-ErschließenLassen.

Kinder dieser Alterstufe besitzen in der Regel die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, allerdings ist moralisches Urteilen wesentlich an Strafe und Gehorsam orientiert, verbunden an der Autorität der Erwachsenen (Lehrer-Eltern; Stufe 1 nach Oser/Bucher u. Kohlberg).

Junge und Mädchen – Rollenverhalten – Mit wem spiele ich? Jungenspiele – Mädchenspiele Jungenkleidung – Mädchenkleidung

Sprache: Konfliktgeschichten – Rollenspiele

Die Einmaligkeit der Person und das eigene geschlechtsspezifische Verhalten wahrnehmen und offen werden für die Andersartigkeit der anderen.

Werbung für Kinderkleidung

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Überlegen, warum Menschen nicht einsam und allein bleiben wollen. Erwartungen an Freundschaft formulieren Die spezifische Klassensituation und und den eigenen Anteil bedenken. die einsetzende Gruppenbildung sollten reflektiert werden: Bereits bestehende In der Zweier- oder Gruppenfreundschaft Freundschaften (Kindergarten, Nachbarschaft), neu Hinzugekommene, die Augen nicht für die anderen verschließen. Randgruppen, Integration ausländischer Kinder.

Nicht altersgemäße Verhaltensweisen thematisieren.

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Themen im Sachunterricht



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Themen in anderen Fächern

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen

Wir leben in verschiedenen Beziehungen: Familie alleinerziehende Mütter und Väter Zweit- und „Patchworkfamilien“ Schule Gemeinde

Religion: Ich habe jemanden, der für mich sorgt. Sorge Jesu um das Wohl des Einzelnen und das friedvolle Zusammenleben der Menschen.

Ehe und Familie als ursprüngliche und Die Vorstellung, dass unrechtes grundlegende Formen, in Gemeinschaft zu Verhalten automatisch bestraft und leben rechtes Verhalten automatisch belohnt wird, herrscht vor. (Stufe 1) Einsicht gewinnen, dass Menschen vom ersten Augenblick ihres Daseins an auf andere Menschen angewiesen sind. Wirksamer als verbale Aufforderungen Erkennen, dass erst die Mitarbeit und ist die Art und Weise des Umgehens Hilfe aller ein Zusammenleben ermöglicht mit Schuld und Vergebung innerhalb und dass die Durchsetzung eigener der Klassengemeinschaft. Das Beispiel Wünsche auf Kosten anderer Ursache für der Lehrerin und des Lehrers ist für die Zank und Streit werden kann. Kinder richtungweisend. Begreifen, dass Vergebungsbereitschaft Zusammenleben ermöglicht.

Unterschiede der Geschlechter primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale grundlegende Kenntnisse über Mutterschaft Körperpflege Hygiene

Religion: Von der Einmaligkeit des Menschen und der Fürsorge Gottes

Die „Güte der Schöpfung“ verleiht dem Menschen seine „kreatürliche Würde“.

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen

Das Mann- und Frau-Sein ist grundlegende Dimension des Menschen.

Sprache: Angemessene Sprache benutzen Erkennen, dass die Menschen durch Umgang mit Schimpfwörtern Geschlecht, Familien-, Volks- und Religionszugehörigkeit mit bestimmten Vorgaben konfrontiert sind, die teilweise mindestens bejaht werden müssen. Würde von Vater- und Mutterschaft erkennen.

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Den menschlichen Körper als gottgeschaffen verantwortungsbewusst bewahren. „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Verherrlicht also Gott in eurem Leib.“ (1 Kor 6,19.20). Angemessen über geschlechtliche Dinge sprechen können. Kunst – Musik – Sport: ergänzend einbeziehen

Beide Schuljahre und alle Fächer durchziehende Unterrichtsprinzipen: • • • • • • •

„Prinzip Menschenwürde“: die spezifische Vom Umgang miteinander in Unterricht Verletzbarkeit des Menschen als Ebenbild und Pausen wird es abhängen, wie groß Gottes einerseits das Vertrauen ist, sich als unwissend in sexuellen Dingen zeigen Nein sagen dürfen Verantwortung für die eigene Würde und zu dürfen, und wie einfühlsam und Nein sagen lernen die des anderen sehen und wahrnehmen respektvoll andererseits die eigene Grenzen setzen lernen lernen. „Wissenden“ Informationslücken Grenzen der anderen respektieren lernen schließen helfen. In keinem Unterricht angemessen über sexuelle Themen sprechen sollte es zu Bloßstellungen von auf reale Gefahren ( Missbrauch, sexuelle Gewalt) in Schülerinnen und Schülern durch angemessener Form aufmerksam machen Mitschülerinnen und Mitschüler oder Schutzmaßnahmen vor Infektionen allgemein durch Lehrerinnen und Lehrer kommen. thematisieren (Unfall auf dem Schulhof, Behandlung von Wunden)

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7.1.2. Klassen 3/4 Themen im Sachunterricht

• •



Bedürfnis nach Zärtlichkeit und Liebe Umgang mit Konflikten - Kann ich mich behaupten? Muss ich Rücksicht nehmen? Achtung vor dem Schamgefühl anderer

Themen in anderen Fächern

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen

Lieben-Lernen ein Leben lang Religion: Eigene und fremde Erwartungen „Prinzip Menschenwürde“: die und Hoffnungen kennen lernen spezifische Verletzbarkeit des Menschen als Ebenbild Gottes Sprache: Freundschaftsgeschichten lesen Das Bedürfnis nach Angenommensein und und schreiben -Freundschaften Liebe als „Folge der göttlichen Liebe“ beschreiben einschätzen, die Verschiedenheit und Was macht eine Freundschaft Angemessenheit der Ausdrucksformen der aus? Freundschaft, Zuneigung, Zärtlichkeit und Liebe in der Beziehung zu Eltern, Religion: Erfahrungen mit Leid Verwandten, Freunden kennen lernen. Freundschaft und Liebe machen auch – Umgang mit Leid verletzbar. Menschliche Beziehungen gelingen nicht störungsfrei. Der Freund darf sich dem Freund nicht bedingungslos ausliefern. Sich bewusst werden, dass die Wirklichkeit mehrdimensional ist und unterschiedlich gesehen werden kann. Das Schamgefühl als Bereicherung erkennen.

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen Etwa im Alter von 7-8 kann Stufe 2 erreicht werden: Moral hat wesentlich mit Gegenseitigkeit zu tun. (z.B. das Quälen von Tieren wird deshalb verworfen, weil man selbst auch nicht gequält werden will und nicht ( vgl. Stufe 1), weil die Erwachsenen es so wollen).

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Jungen und Mädchen Sprache: Geschlechtsspezifische Geschlechter und Rollen in der Werbung Merkmale benennen Berufe der Eltern Rollenverhalten früher und heute

Sexualität als grundlegendes Daseinsprinzip „Prinzip Menschenwürde“: die spezifische Verletzbarkeit des Menschen als Ebenbild Gottes

Religion: Streit und Versöhnung, Schuld und Vergebung Zehn Gebote Gottes unwiderrufliches Interesse am Menschen – Versöhnungsangebot Gottes

Gemeinschaftsfreiheit und das Vermögen zu Bindung und Liebe Verantwortung für den ganzen Menschen: Liebe und Verantwortung lassen sich deshalb nicht voneinander trennen. Findung von Regeln und Grenzen

Beziehungen können gelingen oder auch scheitern Zusammenleben in Beziehungen bedarf bestimmter Regeln Fragen zu unterschiedlichen sexuellen Orientierungen nicht verweigern*

Das Rollenverhalten sollte nicht zu plakativ beschrieben werden. Auch scheinbar „Unzeitgemäßes“ hat Anspruch auf Akzeptanz. Ferner ist auf die äußerst differenzierte individuelle Ausprägung zu achten. Sie sollte Die Instrumentalisierung und Manipu- respektiert und gefördert werden. lierung der Geschlechter in der Werbung erkennen. Sich des unterschiedlichen Verhaltens von Jungen und Mädchen bewusst werden und Eigenheiten zulassen, statt Gleichmacherei anzustreben. Berufe auf ihre Affinität zu den Geschlechtern prüfen und eine Offenheit zulassen..

Regeln, Erwartungen und Haltungen benennen, die auch für das Gelingen von Freundschaft gelten.

Stufe 3 stellt sich meist erst gegen Ende der Grundschulzeit ein: Eigenverantwortung ja – aber moralische Standards von Peergruppen bekommen Gewicht. Es ist davon auszugehen, dass einige Kinder bereits schmerzhafte Erfahrungen mit scheiternden Beziehungen und Ehen gemacht haben. Hier ist Einfühlungsvermögen und großes Taktgefühl der Lehrenden notwendig.

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Themen im Sachunterricht



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ZeugungSchwangerschaft – Geburt Bedürfnisse eines Säuglings Entwicklung zum Erwachsenenalter – geschlechtliche Reifung

Themen in anderen Fächern

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen

Religion: Einmaligkeit als Gabe und Aufgabe Gott: Schöpfer der Welt Einstellung zur Schöpfung: Staunen, Ehrfurcht, Demut, Dankbarkeit, Verehrung Fruchtbarkeit als Mitwirken an der Schöpfung

Güte der Schöpfung Fruchtbarkeit als Mitwirken an der Schöpfung

Fragen zur Empfängnisverhütung in angemessener Form aufgreifen, wenn erforderlich* Fragen zum Themenbereich Schwangerschaftskonflikt –Kinderlosigkeit, wenn erforderlich*

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen

Die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten als Geschenk des Schöpfergottes verstehen und lernen, damit umzugehen.

Leben ist Geschenk In Anbetracht der frühen GeschlechtsFruchtbarkeit ist Mitwirken mit dem reife (12 Jahre bei Mädchen) und der Schöpfer und an seiner Schöpfung zunehmenden Teenagerschwangerschaften ist zu erwägen, ob nach Es soll deutlich werden, dass die volle Absprache mit den Eltern schon jetzt geschlechtliche Gemeinschaft und die Kontakte zu kirchlichen Beratungsdamit verbundene Möglichkeit der stellen geknüpft werden sollten. In Zeugung neuen Lebens nach kirchlicher jedem Fall ist sehr behutsam eine Lehre der Ehe vorbehalten ist. Güterabwägung erforderlich. Die Aussagen zu Empfängnisverhütung und Schwangerschaftskonflikt sollen nicht außerhalb des Kontextes der kirchlichen Sexualmoral behandelt werden.

Kunst – Musik – Sport: ergänzend einbeziehen

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Beide Schuljahre und alle Fächer durchziehende Unterrichtsprinzipen: • • • • • • • •

Nein sagen dürfen Nein sagen lernen eigene Grenzen setzen lernen Grenzen der anderen respektieren lernen über sexuelle Themen angemessen sprechen lernen sexuellen Missbrauch und sexuelle Gewalt in angemessener Form thematisieren Erste-Hilfe-Maßnahmen (anbieten eines Erste-HilfeKurses für Kinder) Schutzmaßnahmen vor Infektionen

Gottesebenbildlichkeit bedingt die Würde des Menschen Sexualität als authentischer Ausdruck von Liebe, geprägt von Achtung der Intimität des anderen. Die Entfaltung von Sexualität und Liebe, die Integration der Sexualtät in die Mitte der Person ist, wie alle menschliche Entwicklung, ein Prozess, der auch Abstand und Selbstentfaltung braucht. Es sollte deutlich werden, dass hier, wie in anderen Bereichen, die körperliche Reifung und Bereitschaft allein nicht ausreichen.

*Kein Wissen aufzwingen, das nicht im Fragehorizont der Schülerinnen und Schüler steht!

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7.2. Sekundarstufe I 7.2.1. Klassen 5/6 Das im Folgenden skizzierte Konzept für eine Unterrichtssequenz (Vorschlag: Tage der Orientrierung) geht von Klassen mit Jungen und Mädchen aus, betreut durch eine Lehrerin und einen Lehrer als Team. Auch in reinen Jungen- oder Mädchenklassen lassen sich ebenfalls viele der vorgeschlagenen Arbeitsphasen durchführen. Eine Betreuung durch ein Team, bestehend aus einer Lehrerin und einem Lehrer, entfällt dann, aber die Kooperation von zwei Lehrerinnen (bei Mädchen) bzw. zwei Lehrern (bei Jungen) ist anzuraten. Zum Unterricht im Vorfeld: Das Lehrer-Team sollte überlegen, welche Themenfelder in den einzelnen Fächern vorbereitend für diese Sequenz im Unterricht behandelt werden können, ohne jedoch vom zentralen Inhalt etwas wegzunehmen. Je nach Fach sind hier verschiedene Themen denkbar. Im Fach Deutsch könnte dies sein: Gefühle beschreiben, sich in andere Menschen, in andere Rollen hineinzuversetzen. Im Fach Politik könnte es um das Zusammenleben von Menschen gehen, um das Leben in Gruppen und um Gruppenrollen. Im Fach Religion bietet sich die Behandlung von Werten und Normen an: Was ist mir wichtig, was ist den anderen wichtig? Im Fach Biologie könnte der Zugang über das Thema „Geburt eines Kindes“ erreicht werden, ebenso denkbar ist der Zugang aber auch über das Thema „Bau der inneren Organe und der Geschlechtsorgane“. In jedem Fall werden Absprachen und Zusammenarbeit mit dem Biologieunterricht vorausgesetzt. Die Fakten, die dieses Fach zu liefern hat, sind nicht durch eine Lehrkraft mit anderer Fakultas in gleicher Kompetenz zu erarbeiten. Im Fach Kunst könnte die Auseinandersetzung mit dem Bild des Menschen in der Werbung oder das Malen eines Selbstportraits oder eines eigenen Wappens o.ä. zur Auseinandersetzung mit der Frage führen: Wer bin ich, wer will ich sein? Zur unmittelbaren Vorbereitung: Die gemeinsame Vorbereitung im Team der Lehrer der Jahrgangsstufe ist sehr wichtig. Dort werden wichtige Rahmenbedingungen festgelegt und im Kontakt eventuell mit externen Fachleuten (z.B. Caritas-/esperanza-Beratungsstellen) überlegt, inwieweit eine Einbeziehung von externen Beratern sinnvoll und möglich ist. Wichtig ist auch die Information und Einbeziehung der Eltern im Rahmen des vorgeschriebenen Elternabends. Denkbar ist auch, die Schülervertreter der Jahrgangsstufe in die Vorbereitung mit einzubeziehen. Auf ein Vortreffen mit den Lerngruppen / Klassen von etwa 3 Unterrichtsstunden sollte nicht verzichtet werden. So lassen sich erste Themenwünsche der Schüler erkennen – und die Themenschwerpunkte besser vorbereiten.

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Allgemeine Vorbemerkungen zur Durchführung: Nach einer Phase der Einstimmung auf das neue Thema und auf die etwas anderen Methoden der Arbeit wird es wichtig sein, zunächst in geschlechtshomogenen Gruppen (Jungen / Mädchen) im Prinzip das folgende Thema zu bearbeiten: Mein Körper verändert sich – was bedeutet dies für mich und für meinen Umgang mit meinen Klassenkameraden? Dieses Thema lässt sich nur in Kommunikation und damit auch in der Einübung von Partnerschaft sinnvoll bearbeiten. Deshalb sind die Schüler an Methoden heranzuführen, die einen vertrauensvollen Rahmen für Gespräche bieten, die im entsprechend geschützten Raum im Laufe der Zeit immer offener werden können, die aber stets die Würde und die Intimsphäre des anderen respektieren. Auch die Lehrerin/ der Lehrer muss respektieren, dass Schülerinnen oder Schüler sich im Plenum nicht äußern möchten. Hier ist großes Feingefühl gefordert. Eine entsprechende Arbeitseinheit kann in einer Abfolge von Einzelarbeit – Partnerarbeit – Kleingruppenarbeit bestehen und/oder in methodisch gestalteten Gesprächsrunden in geschlechtshomogenen Gruppen. Verschiedene Übungen bis hin zum Rollenspiel können als Erlebnisräume Einstellungen erfahrbar und bewusst machen. Zur kognitiven Auseinandersetzung können Arbeitsblätter, Einzelarbeit, Partnerarbeit, Kleingruppenarbeit und Diskussionen im Plenum eingesetzt werden. Während der gesamten Tage sollte ausreichend Raum für Rückmeldungen an die begleitenden Lehrer sein. Am Ende sollte eine Abschlussrunde mit der Möglichkeit für jeden Beteiligten stehen, ein persönliches Ergebnis zu formulieren. Eine Nachbereitung kann in Form einer Runde „Klärung von offenen Fragen“ nach drei bis vier Tagen zusammen mit den betreuenden Lehrern erfolgen (2 Unterrichtsstunden).

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Exemplarische Umsetzung mit Erläuterungen (z.T. in Stichworten) Die folgenden Ausführungen sind als Anregungen gedacht – zur Illustration der vorgenannten Überlegungen und der Ausführungsbestimmungen für die Katholische Freien Schulen (Teil I). Dementsprechend sind Zeitraster und Themenfolge auf die jeweilige Gruppe abzustimmen. Thema / Methode

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen Die Mehrzahl der Schüler befindet sich nach Oser auf der Stufe 2 (O 2) der 1. Abschnitt : Die Schülerinnen und Schüler sollen religiösen Entwicklung („Ich gebe, dass du Das bin ich – so fühle ich mich Einstieg: Wie beim Beginn eines jeden neuen erkennen, dass ihre äußere Gestalt mir gibst), je nach Entwicklungsstand sind Themas brauchen Kinder die Gelegenheit zur (Geschlecht, Körpergröße, Größe der Hände wenige auf dem Weg, diese zu überwinden. Einstimmung. Denkbar sind hier kleine Übungen und Füße) zu den Vorgegebenheiten gehört, In der Regel haben Schüler der Klasse 6 die zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Die die sie annehmen und mit ganzer Person Stufe 2 (K 2) oder 3 (K 3) nach Kohlberg Kinder können sich beispielsweise nach verschiebejahen sollen. erreicht: denen Kriterien in Kleingruppen zusammenfinden: Zum anderen sollte deutlich werden, wie K 2: Stufe des Individualismus – des Zwecknach Kleidung, nach Schuhart, nach Körpergröße, zufällige, äußerliche, veränderbare Merkmale Mittel-Denkens und des Austausches nach Geschlecht... Damit bekommen sie (Schuhe, Frisur, Kleidung etc.) Menschen K 3: Die Stufe gegenseitiger Gelegenheit, sich je nach Eigenart und Kriterium einordnen und gegen ihren Willen festlegen interpersoneller Erwartungen, Beziehungen in variierenden Gruppen wiederzufinden. (Diese können. und interpersoneller Konformität. können sich geschlechtsgemischt oder geschlechtshomogen ergeben). Die Kinder sollen wahrnehmen, dass Es ist auf Diskretion und Sensibilität zu Vertiefung: Entwicklung und Veränderungen zum achten. Unzufriedenheit mit dem eigenen In geschlechtshomogenen Gruppen körperliche und Menschen gehören (vor allem, wenn man Äußeren und daraus resultierende seelische Veränderungen benennen. größere Zeiträume – seit der Geburt – Verunsicherung und Überempfindlichkeit Eine Frage könnte sein: Wer ist im letzten Jahr sehr bedenkt). Sie sollen die vorübergehenden sind in dieser Altersstufe besonders hoch. deutlich gewachsen? Damit könnte auf körperliche Veränderungen (Pickel, unausgeglichene Gleichzeitig muss deutlich werden, dass ein Veränderungen und auf die beginnende Pubertät Proportionen, Stimmungsschwankungen etc) offenes Gespräch darüber zu einer hingewiesen werden. von bleibenden Veränderungen unterscheiEntkrampfung in dieser Frage beitragen Dann kann die Frage in den Raum gestellt werden: den können und sich der Tatsache bewusst kann. Etwas verändert sich bei Jungen und Mädchen – werden, dass derartige Veränderungen Der Markenfetischismus bei Kleidung und was ist das? Welche Fragen stellen sich dabei? Irritationen und Ängste auslösen können. sonstigen Konsumgütern könnte hier angesprochen werden.

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Gemäß neueren Forschungsergebnissen setzt die Geschlechtsreife zwar zunehmend früher ein, dennoch müssen die Lehrenden nach wie vor – auch in geschlechtshomogenen Gruppen – mit sehr heterogenen körperlichen und seelischen Entwicklungsstadien rechnen.

Sammeln von Beobachtungen oder Fragen in Partnerarbeit auf Karteikarten (Anonymisierung!). Durch Sortieren können die Kinder die für sie wichtigen Themenfelder herausfinden – und dies kann die Grundlage für eine Planung der Unterrichtssequenz sein. So sehe ich mich Einstieg: (z.B. Bildung von Gruppen nach verschiedenen Zuordnungen) Welches Tier, welche Farbe, welches Musikinstrument gibt am besten meine Selbstwahrnehmung, meine Wunschvorstellung oder meine Stimmungslage wieder? Geschlechtshomogene Gruppe: Einzelarbeit/Partnerarbeit: Brainstorming über herausragende Eigenschaften von anderen (oder eigene) – und wie diese in Symbolen z.B. in Wappen dargestellt werden könnten. – Aussprache in der Gruppe.

Sexualität als grundlegendes Daseinsprinzip, Gut ist es..... eigenen und anderen Bedürfnissen zu dialogische Existenz dienen (Stufe K 2) Sexualität: ganzheitlich Die Kinder sollen durch Reden in Symbolen über eigene hervorstechende Eigenschaften oder über eigene Wunschbilder nachdenken und – wenn sie es wünschen – darüber sprechen.

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Thema / Methode

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen

So sind meine Gefühle in verschiedenen Situationen: Geschlechtshomogene Gruppe: Brainstorming über Gefühle, die Menschen haben. Einzel-/Partnerarbeit: jeder sammelt zu einigen typischen Gefühlen jeweils charakteristische Situationen, Darstellung von ausgewählten typischen Situationen z.B. als Standbild – Erraten der dargestellten Gefühle - Aussprache.

Liebe als Basis von Partnerschaftlichkeit

So erkenne ich Gefühle bei anderen: Geschlechtshomogene Gruppe: GefühleTombola: In Dreiergruppen spielt jeweils ein Kind den anderen durch Körperhaltung im Sitzen, in der Bewegung ... ein Gefühl vor, das er / sie zuvor aus einem „Gefühletopf“ blind gezogen hat. Die anderen raten und tauschen sich darüber aus, wie gut man an der Körpersprache die Gefühle eines Menschen abschätzen kann.

Liebe und Verantwortung

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen

Die Kinder sollen erkennen, dass und wie seelische Empfindungen körperlich vermittelt werden. Sie sollen verstehen lernen, dass sie sich durch Zeigen von Gefühlen anderen gegenüber verständlich, aber auch verletzlich machen. Deshalb ist abzuwägen, in welchen Situationen welche Gefühle zu zeigen oder zu verbergen sind. Das Zeigen von Gefühlen kann auch als Mittel oder gar als „Waffe“ eingesetzt werden.

Die Schülerinnen und Schüler sollen wahrnehmen, dass der Körper Spiegel der Seele sein kann, dass aber auch Gefühle (auf Kommando) vorgespielt und vorgetäuscht werden können.

... sich um andere und deren Empfindungen kümmern, sich Partner gegenüber loyal und zuverlässig verhalten. (Stufe K 3)

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Thema / Methode

So können wir gut miteinander – auch über Gefühle - sprechen: geschlechtshomogene Gruppe: Übungen in den Dreier-Gruppen (s.o.): Gespräch im Rollenspiel (2 Kinder) zu Themen (nicht nur, aber auch im Bereich der Sexualität) nach einer Auswahl von Themen (z.B.: Du lässt mich nie mitspielen!). Es werden verschiedene Varianten von den drei Kindern ausprobiert. Sammeln von Erfahrungen, die zu positiven Ergebnissen führen. In Partnerarbeit: Situationen bedenken, in denen ich nicht über meine Gefühle sprechen will. In Einzelarbeit: Mit der Person kann/will ich über meine Gefühle sprechen, mit der nicht.

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen

Die Kinder sollen erkennen, dass sie durch das Reden über Gefühle sehr viel differenzierter seelische Befindlichkeiten ausdrücken können als durch bloße Körpersprache. Sie sollen über die Bedeutung des Redens über Gefühle für Argumentation und Zielrichtung der Kommunikation nachdenken. Sie sollen Voraussetzungen für ein Gespräch über Gefühle nennen und bedenken, wie Vertrauen und Gefühlsoffenheit miteinander korrespondieren (Ich kann und will nicht mit jedem Gesprächspartner über jedes meiner Gefühle sprechen.).

Unverzichtbar ist die Akzeptanz von Schülerinnen und Schülern, die zum Thema nicht öffentlich reden wollen. Es sollten nur Wortmeldungen angenommen und nicht verlangt werden.

Darüber haben wir bisher gearbeitet – und das sind unsere Ergebnisse: Die Gruppe der Jungen und die der Mädchen stellen – in Auswahl – einige ihrer Ergebnisse vor (z.B. Ausstellung der Wappen, falls einige gemalt wurden, wenige Standbilder), Austausch über die „Regeln für ein gutes Gespräch“ Rückblickrunde unter Wahrung der Intimität (Blitzlicht): Das ist mein wichtigster Eindruck, meine wichtigste Erfahrung vom heutigen Tag.

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Thema / Methode

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen

Dies Die Diesollen Die Kinder sollen erkennen, dass auf allen 2. Abschnitt: Gebieten – auch und gerade im Bereich der So bin ich – so wird mein Körper einmal sein! Einstieg: (ganze Klasse) einige (4-7) räumliche Sexualität – sehr verschiedene Meinungen Meinungsbilder (es wird eine Aussage mitgeteilt existieren, die einander auch widersprechen können, sei es aus Unkenntnis oder bewusst und die Kinder stellen sich entlang einer verfälschend, ungenau, pauschalisierend, gedachten Linie auf. Dabei bedeutet das eine tendenziös, ungesichert, subjektiv oder der Ende: Ich stimme der Aussage voll zu. Das Erwartung eines Einzelnen oder einer Gruppe andere bedeutet: Ich stimme dieser Aussage in entgegenkommend. keiner Weise zu.) Die Kinder können jede Position zwischen den beiden Extremen wählen. Es werden bewusst sehr pauschale und auch falsche oder nur teilweise richtige Aussagen genannt, um sehr verschiedene persönliche Aussagen zu ermöglichen(z. B.: Alle Jungen sind größer als Mädchen, Frauen sind kleiner als Männer...). Einzelne Kinder – die möchten – können begründen, weshalb sie diesen „Standpunkt“ = Aussage gewählt haben. Aus Jungen werden Männer – aus Mädchen werden Frauen: Sexualit Der Blick auf das eigene Geschlecht: geschlechtshomogene Kleingruppen (ca. 4 Kinder) (Mädchen / Jungen): Dabei D. Veränderungen im Äußeren (biologische Fakten werden vorausgesetzt oder über ein Arbeitspapier zur Erinnerung vorgelegt) Dabei können bei

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen Bei der Vielfalt der Standpunkte und Meinungen ist darauf zu achten, dass nicht der Eindruck völliger Beliebigkeit zurück bleibt.

Sexualität als grundlegendes Daseinsprinzip, .. eigenen und anderen Bedürfnissen dienen dialogische Existenz und im Sinne des konkreten Austauschs fair miteinander umgehen. (Stufe K 2) Ganzmenschlichkeit, Selbstliebe als Basis von Partnerschaftlichkeit Die Schülerinnen und Schüler sollen erkennen, dass sich nicht nur im Bereich der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale Veränderungen vollziehen, die im

Schlankheitswahn, Körperkult, Essstörungen sollten mitbedacht werden.

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Mädchen Themen wie Menstruation, Hygiene, ...., bei Jungen Themen wie Hygiene, Samenerguss, Selbstbefriedigung etc. angesprochen werden. Das Äußere wird wichtig. Der Blick in den Spiegel irritiert. Jeder erkennt Makel und eigene Vorzüge. Mädchen kaschieren durch Make-up. Die Disproportionalität stört. Unzufriedenheit mit der eigenen Entwicklung: Ich möchte lieber eine andere Haarfarbe, eine andere Hautfarbe, eine andere Figur haben. Kleidung und Akzeptanz durch das eigene und zunehmen durch das andere Geschlecht werden wichtiger.

Großen und Ganzen geschlechtsspezifisch einzuordnen sind und die den einzelnen Menschen prägen. Sie sollen unterscheiden lernen zwischen dem, was vorgegeben ist und dem, was durch eigene Einstellungen die Individualität der Person ausmacht. Sie sollen bedenken, dass gerade in dieser Zeit die Entwicklungsunterschiede besonders stark sind und dass körperliche Merkmale weder Grund zur Prahlerei noch zur Scham sind.

Eigenschaften prägen sich aus: was ist „typisch männlich, typisch weiblich“? Vorsicht vor pauschalen Urteilen ! Aus Jungen werden Männer – aus Mädchen werden Frauen: Der Blick auf das andere Geschlecht: ie Kinde Ausstellung der Ergebnisse der Kleingruppenarbeit der vorhergehenden Phase (soweit die Betroffenen dies zulassen). Informeller Austausch im Plenum: Was sind wichtige /typische Eigenschaften von Jungen / Mädchen?

.. eigenen und anderen Bedürfnissen dienen und im Sinne des konkreten Austauschs fair miteinander umgehen. (Stufe K 2) Die Kinder sollen die geschlechtsspezifischen Eigenschaften wahrnehmen und nicht zu nivellieren versuchen, sondern als Bereicherung für das jeweils andere Geschlecht erkennen.

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Thema / Methode

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen

Das bin ich jetzt – so will ich einmal sein! Einstieg Kleingruppen (2-4 Kinder) erstellen Collagen zum Thema „Männer – Frauen“. Diese werden nach Fertigstellung ausgestellt und kurz im Plenum erläutert.

Die Kinder sollen erkennen, dass Medien verschiedene Identifikationsangebote für die Heranwachsenden bieten. Sie sollen überlegen, welche Arten von Menschen in den Medien verzerrt, selten oder gar nicht vorkommen.

Jungen sind doof – Mädchen sind zickig

dialogische Existenz

Arbeit in geschlechtshomogenen Gruppen: Brainstorming der Jungen in Partnerarbeit: Mädchen sind ... Austausch im Plenum der Jungen; Brainstorming der Mädchen in Partnerarbeit: Jungen sind ... Austausch im Plenum der Mädchen Brainstorming wie oben, aber über das jeweils eigene Geschlecht – danach Austausch in Jungen/Mädchenplenum. Mädchen erhalten die Unterlagen der Jungen und umgekehrt – Diskussion der Ergebnisse im Vergleich zu den eigenen Aussagen. Pubertät ist wenn ....

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen

...fair miteinander umgehen (Stufe K 2)

Die Kinder sollen die Unterschiede in der eigenen und in der Fremdwahrnehmung erkennen. Sie sollen prüfen, welche Beobachtungen zutreffen und welche überzeichnet sind. Bei den zutreffenden Beobachtungen sollen sie überlegen, ob sie diese Eigenschaften mit Überzeugung pflegen oder sie korrigieren wollen.

Die Kinder sollen erkennen, dass zwischen der Geschlechtsreife und der Reifung zu einer geschlechtshomogene Gruppen: Partnerarbeit: Ich verantwortlichen Persönlichkeit eine wichtige blicke in die Zukunft: Veränderungen im Zeitraum Wegstrecke liegt, die durch Beobachtung, Alter 10-25 Jahre. Körperliche und seelische Ver- Introspektion und Reflexion ausgefüllt werden sollte. Sie sollten erkennen, dass änderungen bieten Möglichkeiten. Körperliche und seelische Fähigkeiten stimmen dieser Prozess bei aller Dynamik der nicht immer überein. Die körperliche Reifung geht Sexualität nicht auf diese reduziert werden

...der Mensch hat für sein Leben eine eigene Verantwortung (Stufe 3 nach Oser) .. eigenen und anderen Bedürfnissen dienen und im Sinne des konkreten Austauschs fair miteinander umgehen. ( Stufe K2) ..... sich um andere und deren Empfindungen kümmern , sich Partnern gegenüber loyal und zuverlässig verhalten

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darf. schneller voran. Die Seele muss nachkommen. Auch in anderen Feldern könnte ich manches mehr, als man mir zutraut (Ich könnte Mofa fahren, Schecks unterschreiben...). Ich entdecke neue Eigenschaften: Ich wirke durch mein Äußeres und meine Art auf Jungen/Mädchen – durch Kleidung, durch Frisur, durch Gesten und Blicke. Freundschaften mit dem eigenen Geschlecht bleiben wichtig, aber auch mit dem anderen Geschlecht suche ich Begegnungen. Sexualität ist nicht alles, es bleiben die Pflichten der Zukunftssicherung: Was will ich einmal sein, wer will ich einmal sein. Was muss ich heute tun?

(Stufe K3)

Nähe kann gut sein – Nähe kann Angst machen (sexueller Missbrauch)

Prinzip Menschenwürde Würde des Menschen als Gottes Ebenbild

geschlechtshomogene Gruppen: Übungen zu Distanz und Nähe Kennzeichen der Nähe: Jemandem zuhören, für jemanden Zeit haben, Geheimnisse teilen, zu jemandem halten, wenn er in Not oder Gefahr ist. Geschlechtsspezifische Formen des Tröstens Nein-Sagen, wenn die Handlungen des anderen nicht den eigenen Empfindungen entsprechen und dem Stadium der Beziehung angemessen sind.

Die Schülerinnen und Schüler sollen erkennen, dass Nähe-Suchen und NäheInformationen über Beratungsstellen, Brauchen sehr unterschiedliche Formen und Kinderschutzbund, Sorgentelefon etc Motive haben können. Die Ambivalenz ebenso wie die Fülle der Formen und Motive sollten reflektiert werden.

... eigene Bedürfnisse ernst nehmen (Stufe K 2)

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Thema / Methode

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen

Wenn ich einmal groß bin... Verschiedene Methoden in Kleingruppen/Partnerarbeit (z.B. fiktiver Liebesbrief, Gedicht, Zeichung, Collage)

Dialogische Existenz

Für einige Schüler könnte wichtig werden: ... der Mensch hat für sein Leben eine eigene Verantwortung (Stufe 3, O3 nach Oser) ...fair miteinander umgehen (Stufe K 2)

Rückblick über diese Unterrichtssequenz : Rückmeldungen, erarbeitet in Kleingruppen (4-6-Teilnehmer), z.B. als Ergänzungen zu folgenden Aussagen (auf Flipcharts): dies hat mir gut gefallen:; das habe ich vermisst:; das wünschte ich mir anders: Und was ich sonst noch sagen wollte. Diese Flipcharts werden aufgehängt und das Plenum hat die Möglichkeit, dazu etwas zu sagen (und die Leitung kann – vorsichtig – zum besseren Verständnis nachfragen).

Nach Abschluss der Unterrichtseinheit ist ein Rückblick im Leitungsteam sehr wichtig. Dabei sollte auch die weitere fachliche und pädagogische Behandlung des Themas zur Sprache kommen: Gibt es Auswirkungen auf die soziale Situation der Klassen? Besteht die Notwendigkeit zu weiteren pädagogischen Maßnahmen? etc..

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7.2.2. Klassen 8/9 Das im Folgenden skizzierte Konzept für eine Unterrichtssequenz geht von Klassen mit Jungen und Mädchen aus, betreut durch eine Lehrerin und einen Lehrer als Team. Auch in reinen Jungen- oder Mädchenklassen lassen sich ebenfalls viele der vorgeschlagenen Arbeitsphasen durchführen. Eine Betreuung durch ein Team, bestehend aus einer Lehrerin und einem Lehrer, entfällt dann, aber die Kooperation von zwei Lehrerinnen (bei Mädchen) bzw. zwei Lehrern (bei Jungen) ist anzuraten. Zum Unterricht im Vorfeld: Das vorbereitende Team der Lehrer/innen sollte überlegen, welche Themenfelder in den einzelnen Fächern vorbereitend für die Projekttage im Unterricht behandelt werden könnten, ohne vom zentralen Inhalt etwas vorwegzunehmen. Beispiele: Kunst – „Sehnsüchte“, „eigene Identität finden“, „Werbung“, Maske, digitale Collage, Fotokollage; Musik – „Rap-Texte“, „Songs“ zum Themas Liebe, Partnerschaft,....; Politik –„Bedeutung der Peer-group im Sozialisationsprozess“; Religion – „Ich und die anderen – sich selbst finden“ „Auseinandersetzung mit Grundlagen und Maßstäben verantwortlichen Handelns aus christlicher Motivation“ (vgl. Richtlinien Kath. Religionslehre); Biologie: Wirkungsweise von Hormonen allgemein und von Geschlechtshormonen, z.B. in der Pubertät und im Zyklus der Frau; Deutsch: geglückte – gescheiterte Beziehungen Zur unmittelbaren Vorbereitung: Die gemeinsame Vorbereitung im Team der Lehrer der Jahrgangsstufe ist sehr wichtig. Dort werden wichtige Rahmenbedingungen festgelegt und im Kontakt eventuell mit externen Fachleuten (z.B. Caritas-/esperanza-Beratungsstellen) überlegt, inwieweit eine Einbeziehung von externen Beratern sinnvoll und möglich ist. Wichtig ist auch die Information und Einbeziehung der Eltern im Rahmen eines Elternabends (z.B. Klassenpflegschaft). Denkbar ist auch, die Schülervertreter der Jahrgangsstufe in die Vorbereitung mit einzubeziehen. Auf ein Vortreffen mit den Lerngruppen / Klassen sollte nicht verzichtet werden. Denn so lassen sich erste Themenwünschen der Schüler erkennen und die Themenschwerpunkte besser vorbereiten. Zur Durchführung: Die Lern- und Erfahrungsprozesse sollten vorwiegend personenorientiert sein. Längere Zeiteinheiten der Erarbeitung von Themen in geschlechtshomogenen Gruppen sollten sich abwechseln mit Phasen des gemeinsamen Austausches zwischen Mädchen und Jungen (z.B. über anonymisierte Gruppenergebnisse). Erstere können vor allem auch bei den Jungen zur Stärkung der Geschlechtsidentität dienen. Zur Stabilisierung der einzelnen Jugendlichen bieten sich Einzel-, Partner- und Kleingruppenarbeit an, aber auch Übungen, Symbolarbeit und Rollenspiele. Während der gesamten Unterrichtssequenz ist ausreichend Raum für Feedbacks zu geben. Am Ende sollte auf jeden Fall eine Abschlussrunde stehen. Eine Nachbereitung kann in Form einer „Runde für offene Fragen“ zusammen mit den betreuenden Lehrern erfolgen (2 Unterrichtsstunden).

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Thema / Methode

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen Die Jugendlichen sollen erkennen, dass sie Vortreffen: Einstieg sich in einer Umgebung vorfinden, die die Wie bei jedem Einstieg in eine neues Thema Sexualität bereits be- oder abgewertet, brauchen die Jugendlichen die Gelegenheit, sich kultiviert oder vermarktet hat. Sie sollen auf die Thematik einzustimmen. Denkbar sind hier erkennen, dass vor und neben ihrer Suche kleine Übungen in Form von ersten Statements in nach einer gelingenden Integration der Partner- oder Kleingruppen und im Plenum. Sexualität in die Mitte der Person schon andere Antworten aus unterschiedlichen Ein erster inhaltlicher Zugang bietet sich u.a. mit Motiven für sie bereit gehalten werden: folgenden Übungen an: Ökonomische Interessen: Sexuelle Motive Bildergalerie: Austausch zu Freundschaft und finden sich nicht nur in der Werbung. Sexualität, Motive für die Bilder, Kriterien für gute Religiöse Bewertung: „Die befreiende und Bilder erfüllende Wirkung der in den christlichen Grabbelsack : Arbeit mit Alltagsgegenständen im Lebensvollzug integrierten Sexualität und Kontext von Liebe und Sexualität (Musik-CD, Liebe ist ein Ziel, das nicht ohne (Selbst-) Parfüm, Lippenstift, Schmuck, Haarspange, Erziehung erreicht werden kann. Haargel, Nagellack, Hochzeitsfoto, Bild eines verliebten Paares...) Collage zum Thema: Dies fällt mir zum Thema Liebe, Sexualität Partnerschaft ein! Märchen umschreiben ...... Vorstellen der Ergebnisse ...... Kartenabfrage: Was sind wichtige Themen, die deiner Ansicht nach besprochen werden sollten? Einzeln oder in Partnerarbeit Themen anonym auf Karteikarten schreiben - Sortieren evtl. Schwerpunktsetzung durch die Schüler.

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen Oser: Im Zuge beginnender Abgrenzung von Erwachsenen erkennen Schüler zunehmend den eigenen Verantwortungsbereich im Sinne der Stufe 3(O 3). Kohlberg: Schüler der Klassen haben im allgemeinen die Stufen 3 (K 3) (Stufe gegenseitiger interpersoneller Erwartungen, Beziehungen und interpersoneller Konformität) und Stufe 4 ( K 4, Stufe des sozialen Systems und des Gewissens) erreicht. Einzelne beginnen im Sinne der Stufe 5 (K 5) Stufe des Sozialvertrages oder des Nutzens für alle und der Rechte des Individuums) zu reflektieren. Im Vorfeld ist es notwendig, dass sich auch die Lehrenden Klarheit über ihren Standpunkt verschaffen. Im Blick auf die eigene Sexualitätsgeschichte sollten mögliche eigene Verletzungen, Verbiegungen und Hemmnisse erkannt werden, damit nicht Traumata unreflektiert auf die Lerngruppe übertragen werden.

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Thema / Methode

Sprechen über Sexualität : Kleingruppen (geschlechtshomogen): An einigen ausgewählten Beispielen wird der Versuch unternommen, eine angemessene, respektvolle Weise der Beschreibung sexueller Sachverhalte zu erarbeiten.

Gefühle sortieren sortieren von Gefühlen im Kontext von Liebe, Sexualität u. Partnerschaft unter dem Blickwinkel stark bzw. weniger stark sexuell beeinflußt (Suche nach Geborgenheit, sexuelle Anziehung, , Liebelei, Schwärmerei, Verliebtheit, ......,)

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen .. sich um andere und deren Empfindungen zu kümmern; (Stufe K 3) Dialogische Existenz .. die soziale Ordnung aufrecht zu erhalten Würde des Menschen als Gottes Ebenbild und für die Wohlfahrt der Gesellschaft zu Die Jugendlichen sollen erkennen, dass ein sorgen. (Stufe K 4) angemessenes Sprechen über Sexualität der eigenen und der Würde des anderen Die selbstverständliche freie und zugleich entspricht. Als Ebenbild Gottes kann der taktvolle Rede der Lehrenden kann zum Mensch nicht auf „Einzelteile“ oder auf eine Maßstab für die Schülerinnen und Schüler rein biologische Sichtweise reduziert werden. werden. Sie sollen verstehen, dass respektvolles Reden nicht Zeichen von Prüderie oder Hierhin gehört auch der Hinweis, dass es Verklemmtheit ist, sondern der Achtung des sexuelle Sachverhalte gibt, von denen nicht Menschen entspricht. angemessen in der Öffentlichkeit geredet werden kann, sondern nur in der intimen Beziehung des liebenden Paares. Die Jugendlichen sollen erkennen, dass sehr unterschiedliche Gefühle und Erwartungen mit der Sexualität verbunden sind und dass es notwendig ist, diese Gefühle und Erwartungen zu analysieren, um sich selber nicht zu täuschen und nicht getäuscht zu werden. Erkennen, dass Entwicklung des Menschen Freiräume und gestalterische Kraft braucht und dass Entwicklung immer auch gefährdet ist. Sich bewusst machen, dass der eigene Selbstwert nicht von der Anerkennung eines bestimmten Menschen abhängt.

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Thema / Methode

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen

Wo sind deine /meine Grenzen? Übungen zu Nähe und Distanz Plenum, Feedback-Runde

Sexualität und Verantwortung Liebe und Verantwortung

.. sich um andere und deren Empfindungen zu kümmern; (Stufe K 3)

Sie sollen einsehen, dass sehr Vieles an äußeren und inneren Bedingungen des/der anderen und auch an eigenen Entwicklungen und Einschätzungen zusammenkommen muss, um Beziehungen einzugehen und gelingen zu lassen (erst später habe ich erkannt...).

In diesem Zusammenhang müssen auch die Lehrenden respektieren, dass das Vertrauen der Schülerinnen und Schüler ein Geschenk ist, das nicht im Unterrichtsgeschehen eingeplant oder gar eingefordert werden kann. Jede Art von Druck – auch der subtilste – ist hier unakzeptabel.

Wer ist mir sympathisch/unsympathisch – weshalb? Wessen Nähe kann ich gut aushalten, wessen nicht?

Zärtlichkeit – Kommunikation oder Manipulation? Koinzidenz von innerer Haltung und äußerer ..sich um andere und deren Empfindungen Handlung zu kümmern; (Stufe K 3) Aussprache über ein konkretes Fallbeispiel, das das moralisch Richtige anzustreben und als Text (oder Filmausschnitt) vorgegeben wird in Die Jugendlichen sollen aufmerksam werden dabei die Grundrechte, Werte,. zu der Kleingruppe (s. Thema 8) Formen der Zärtlichkeit (ein zärtliches Wort, ein auf die Sehnsucht des Menschen nach Gebor- unterstützen (Stufe K 5) Blick, ein besonderer Händedruck, ein Anstoßen, genheit und unbedingter Annahme. Sie Kicken mit dem Fuß, Kuss, Streicheln...) sollen befähigt werden, vordergründige von tiefergehenden Beziehungsaspekten zu Wann dient Zärtlichkeit der Kommunikation? Wann dient Zärtlichkeit der Manipulation? unterscheiden. Stufen der Zärtlichkeit Bedingungen für eine gelingende Kommunikation Feedback-Runde im Plenum

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Thema / Methode

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen

„Flirten/ „Flirten/Anmache“

Koinzidenz von innerer Haltung und äußerer .. sich um andere und deren Empfindungen Handlung zu kümmern; (Stufe K 3) .. sich Partnern gegenüber loyal verhalten, Film/Comic zum Thema oder Zeichnungen, Bilder, Die Jugendlichen sollen erkennen, dass es (Stufe K 3).. Collagen oder... unterschiedliche Beziehungen zwischen Das moralisch Richtige anzustreben und Freunden und Freundinnen gibt, dass die dabei die Grundrechte, Werte,. zu Einzel-/Partnerarbeit: Intensität einer Beziehung ein seelisches unterstützen (Stufe K 5) Warum ist es schön, von einem Jungen/einem Fundament und eine äußere Form braucht Mädchen „angemacht“ zu werden? und dass die Qualität einer Beziehung von Weshalb ist Flirten so schwer? der „Koinzidenz von innerer Haltung und Was ist eine billige „Anmache“ und wie schütze ich mich davor?,..... äußerer Handlung“ bestimmt wird.

Meine Rolle als Mädchen/Junge“ Plenum : Würfelspiel – ziehen von Karten mit „ Was wäre wenn... –Fragen“ (kurze, entsprechende Situationsbeschreibungen.) – Stellungnahme der gerade aktiven Spieler dazu - wenn gewünscht kurze Aussprache im Plenum

Dialogische Existenz

..sich um andere und deren Empfindungen zu kümmern; (Stufe K 3).. Die Jugendlichen sollen die .. sich Partnern gegenüber loyal verhalten, geschlechtsspezifisch unterschiedlichen (Stufe K 3).. Argumentationen wahrnehmen und erkennen, Das moralisch Richtige anzustreben und dass eine Kommunikation zwischen Jungen dabei die "Grundrechte, Werte, zu und Mädchen auch auf Grund der unterstützen.." (Stufe K 5 unterschiedlichen Denkmodelle nicht ohne Weiteres gelingen muss und dass Empathie Geschlechtsspezifisches Sprachverhalten und behutsames einander Zuhören notwendig und die unterschiedlichen Reaktionen sind. darauf können im Unterrichtsgeschehen aller Fächer beobachtet werden.

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Thema / Methode

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen

Beziehung/ Partnerschaft/ Verantwortung“ Haus der Partnerschaft in der Kleingruppe malen, bauen, darstellen oder: Fragebogen: „Dies ist mir an einer Partnerschaft wichtig.“ Heiratsanzeigen heraussuchen, nach Kriterien sortieren Grenzen einer Beziehung nennen (Mensch als Mittel, Objekt des anderen, Egoismus zu zweit...) Voreheliche Sexualität Warten können. Das Haus bauen. Keiner zieht ein Haus von einem Tag auf den anderen hoch, keiner ohne Mittel und ohne verantwortliche Statik. Partnersuche nicht zu früh abbrechen Stufenleiter der Zärtlichkeiten „Wenn es brennt“... Keiner baut ein Haus, damit es brennt. Aber er hat – gerade bei leicht brennbarem Material – für Feuerbekämpfungsmittel zu sorgen. Die Sexualität ist eine der stärksten Kräfte im Menschen. Daher kann es vorkommen, dass sie einen Menschen zu Handlungen mitreißt, die er bewusst nicht wollte. Unter diesen Prämissen wird von Empfängnisverhütung zu sprechen sein.

Die Schülerinnen und Schüler sollen einige Das moralisch Richtige anzustreben und der vorherigen Gedanken in ihr Haus der dabei die Grundrechte, Werte,. zu Partnerschaft einbauen. Sie sollen prüfen, in- unterstützen (Stufe K 5) wieweit sich Menschen zu Tauschobjekten degradieren lassen. Sie sollen etwas davon ahnen, dass der Mensch dem anderen ein Geheimnis ist und bleibt, auch wenn die Partner sich im Vertrauen gegenseitig öffnen. Die Jugendlichen sollen erkennen, dass die Kirche die Erfüllung der Sexualität in der Ehe sieht, die zwei Menschen eingehen, die füreinander Verantwortung übernehmen können und wollen.

Empfängnisverhütung ist zwar von einer anderen moralischen Qualität als Abtreibung; der Würde von Mann und Frau sowie ihrer geschlechtlichen Vereinigung entspricht aber nur die Natürliche Familienplanung (NFP), die auch von der Deutschen Bischofskonferenz propagiert wird.

Informationen über Verhütungsmittel, ihre Wirkweise, Anwendung, medizinische Bewertung etc. sollten ermöglicht werden. Dazu empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit kirchlichen Beratungsstellen oder christlich orientierten Ärztinnen oder Ärzten.

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Thema / Methode

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen

Weitere Themen : In der o.g. Art und Weise könnten je nach Interessenslage der Schüler und Schülerinnen noch weitere Themen bearbeitet werden. Dazu könnte als „Referenten“ u.U. auch Mitarbeiter von externen Beratungsstellen dazu gebeten werden.

Die Güte der Schöpfung Würde des Menschen als Ebenbild Gottes Selbstentfremdung als „Sünde“ Sexualität und Verantwortung Liebe und Verantwortung

Oser: Im Zuge beginnender Abgrenzung von Erwachsenen erkennen Schüler zunehmend den eigenen Verantwortungsbereich und grenzen ihn ab - im Sinne der Stufe 3(O 3). Das moralisch Richtige anzustreben und dabei die Grundrechte, Werte,. zu unterstützen (Stufe K 5)

Didaktisch und methodisch könnte dies in Form von Workshops erfolgen, welche sich die Schüler und Schülerinnen je nach Neigung und Interesse aussuchen können.

Rückblick über diese Unterrichtssequenz : Rückmeldungen, erarbeitet in Kleingruppen (4-6-Teilnehmer), z.B. als Ergänzungen zu folgenden Aussagen (auf Flipcharts): Dies hat mir gut gefallen; dies habe ich vermisst; das wünschte ich mir anders; und was ich sonst noch sagen wollte Die Ergebnisse auf Flipcharts werden aufgehängt und das Plenum hat die Möglichkeit, dazu etwas zu sagen (und die Leitung kann etwas nachfragen zum besseren Verständnis und damit eventuell ein Gespräch in der Gruppe anregen). Nachbereitung: Trotz des Gesamtfeedbacks am Ende der Unterrichtsreihe empfiehlt es sich, in kurzem zeitlichen Abstand noch einmal eine Rückschau auf die Projekttage vorzunehmen. Erfahrungsgemäß werden emotionale Erlebnisse in den folgenden Tagen intensiv weiter verarbeitet und so tauchen neue Fragen auf, die das Bedürfnis nach Austausch mit sich bringen. Gerade hier liegt die Verantwortung der betreuenden Lehrer, eventuelle „offene Fragen“ aufzufangen. Methodisch bietet sich hier z.B. Folgendes an: ein Blitzlicht „Wenn ich an das Thema der letzten Unterrichtsreihe denke dann.... und "zu den 'offenen Fragen' “, anonyme Statements auf Karten/Klebezettel zur Evaluation der Unterrichtsequenz (Was war mir inhaltlich wichtig? Was hat gefehlt? Was hat mir gefallen? Was hat mir nicht gefallen?).

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Der oben skizzierte exemplarische Verlauf einer Unterrichtssequenz soll zu anregenden Gesprächen und Erfahrungen unter Jugendlichen führen. Dies gelingt umso besser, je mehr schüleraktivierende Methoden eingesetzt werden und der Lehrer über entsprechende Moderationserfahrung verfügt. Manche Übungen können eine große Betroffenheit auslösen und sollten deshalb nur nach entsprechenden eigenen Erfahrungen eingesetzt werden (Fortbildung). Für die Schlussauswertung der Gesamtveranstaltung sollte genügend Zeit eingeplant werden (ca. 2 Stunden). Thematisch wichtig ist hier der Rückblick auf die Entwicklung der vollzogenen Erfahrungen und Inhalte, die Reflexion der Ergebnisse und die Ziele und Wünsche für die Zukunft, die u.a. auch das Schulleben betreffen können. Gedacht ist hier an das Aufgreifen von wichtigen Themen im anschließenden Unterricht. Eine Nachbereitung im Team der Lehrer, das diese Lernsequenz gestaltet hat, sollte zwei Aspekte umfassen: 1. Reflexion des Ablaufs der Projekttage und deren Akzeptanz bei den Schülern im Verhältnis zu den angestrebten Zielen, 2. eine Vereinbarung darüber, welche Themen im Anschluss an diese Lernsequenz im Unterricht vertieft werden könnten.

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7.3. Sekundarstufe II 7.3.1. Methodische Hinweise In der Sexualerziehung der Oberstufe geht es nicht nur um die Erweiterung von Sachkenntnissen, sondern auch um die Vertiefung der in der Sekundarstufe I erworbenen Einsichten und Verhaltensweisen durch Reflexion und Kompetenzerweiterung. Dieser Prozess wird in der Regel durch den regulären Fachunterricht begleitet. Die Schüler der Oberstufe realisieren in diesen Jahren, wenngleich individuell zu unterschiedlichen Zeitpunkten, den Schritt zum Erwachsensein. In der Entwicklung des religiösen Bewusstseins zeigen sich die Schüler in der Lage, die 'Abnabelungsprozesse' aus der Sekundarstufe I zu überwinden und die Integration von persönlicher Freiheit und religiöser Glaubenshaltung zu leisten. In der Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit können die Schüler gegen Ende der Schulzeit nicht selten postkonventionelles Niveau erreichen. Die Entwicklung ist indes von den individuellen und pädagogischen Rahmenbedingungen und Ermöglichungen abhängig. Die im Folgenden vorgestellten Methoden haben den Vorteil des freiwilligen Austausches zwischen den Schülern, ohne dass ihr Gespräch oder die Resultate der hierbei erfolgten Fremd- oder Selbsteinschätzung veröffentlicht werden. Sie eignen sich im Besonderen, eine gute Atmosphäre in der Lerngruppe zu schaffen und so einen vertieften Gedankenaustausch einzuleiten. •

Brainstorming: (assoziative Erschließung von Gedanken) 1. in Form eines Ideensternes: Jeweils vier/sechs Schüler sitzen um einen Tisch mit großem Blatt zwischen sich, in der Mitte ein Wort (wird eingekreist), dass das Thema gut zusammenfasst. Jeder schreibt nun ausgehend vom Wort in der Mitte Assoziationsketten aus Einzelwörtern/kurzen Wortfolgen in Richtung Blattrand – Ideenstern, nach 2-3 Minuten – Drehen des Blattes, Leser der Worte, Weiterschreiben, Austausch in der Kleingruppe, Plenum. 2. als Mind-Map (Gedankenlandkarte) um erste Ideen zu einem Thema zu entwickeln (Verständnis zu einem Sachverhalt gedanklich gegliedert festzuhalten: Blanko-DIN-A4-Blatt im Querformat mit Thema in der Mitte beschreiben (umkreisen), strahlenförmig Hauptgedanken mit Schlüsselwörtern in Hauptästen festhalten, weitere Einzelaspekte in Nebenästen hinzufügen.





Zettellawine: Auf Impuls des Lehrers zu einem Thema schreibt jeder Schüler ein Wort/einen Gedanken/eine Meinung auf einen Zettel, dieser wird nach zwei Minuten zwei Plätze weiter nach links gegeben, dort kann ergänzt/erweitert werden; Weitergabe zwei nach links mit entsprechender Ergänzung, evtl. vierter Verfasser und Rückgabe an den ersten. Danach Verlesen der Texte und Austausch. Kartenabfrage: Schüler schreiben Fragen oder Meinungsäußerungen anonym auf DIN-A6-Karten oder Klebezettel, diese werden dann gesammelt und thematisch nach Schwerpunkten geordnet, danach Beantwortung oder Aussprache im Plenum.

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Rotierendes Partnergespräch oder auch Kommunikatives Stühlerücken: Schüler bilden Stuhlkreis oder Hufeisen, danach wird abgezählt nach A-B, A-B etc., die B´s nehmen ihren Stuhl, gehen in den Innenkreis und setzen sich den A´s gegenüber: Partner erörtern bestimmte Frage zum Thema: B stellt entsprechende Frage an A, welcher antwortet (zwei bis drei Minuten), Schüler im Innenkreis rücken auf ihren Stühlen zwei Plätze weiter: Jetzt stellt A die gleiche Frage an B, welcher antwortet. Mit einer neuen Frage zum Thema wiederholt sich das Vorgehen – drei bis fünf Fragen möglich. Vorteil: Viele Schüler kommen untereinander in Kontakt, Austausch im Schonraum der Gesprächspartner, danach Austausch im Plenum zu den gemachten Erfahrungen, nicht zu Einzelheiten der Meinungen. Rotierendes Gruppengespräch: (ähnlich wie oben) Gruppen von drei bis fünf Schüler besprechen zusammen eine vom Lehrer vorgegebene oder vorher gemeinsam formulierte Frage (vier bis fünf Minuten), für die Erörterung der nächsten Frage suchen sich zwei/drei der Schüler eine Gruppe eine neue Gruppe. Vorgehen zwei- bis dreimal wiederholen. Fish-Bowl (Kugelglas oder Aquarium): Verfahren zum Austausch von Gruppenergebnissen bzw. zur kontroversen Diskussion: Ein oder zwei Sprecher aus jeder Gruppe nehmen Platz im inneren Sitzkreis in der Mitte des Raumes, ein Moderator und zusätzlich ein leerer Stuhl kommen hinzu, die übrigen Schüler sitzen im Außenkreis: Vortrag der Ergebnisse durch die Sprecher mit anschließendem Austausch, begleitet durch den Moderator. Zuhörer können sich für Fragen oder einzelne Meinungsäußerungen für kurze Zeit auf den leeren Stuhl setzen und mitreden. Rollenspiel (Einfühlung in fremde Rollen und Erfahren von Handlungsstrategien und –alternativen): 1. Je zu zweit: Simulation einer Kommunikationssituation. Alle Schüler spielen gleichzeitig eine identische Situation; nach wenigen Minuten erfolgt ein Rollentausch – die Situation wird erneut gespielt, anschließend Rückmeldungen zu zweit, danach Austausch im Plenum über Erfahrungen (nicht über Einzelheiten der Spiele). 2. Stegreifspiele in Gruppen von drei bis sechs Schüler/innen zu einem Thema: Teilnehmer einigen sich auf Rollen, die übernommen werden (nicht die eigene Rolle spielen, sondern neue Namen auswählen), eine Ausgangssituation und richten ihre Bühne ein. Dann folgt spontanes Spiel, ohne dies vorher 'geübt' zu haben. Alle Gruppen spielen ihre Version vor, danach Rückmeldungen über Erfahrungen der Rolleninhaber im Spiel und der Zuschauer, Auswertung der Erfahrungen im Plenum.

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7.3.2. Hinweise zum Fachunterricht in den Jgst. 11 bis 13 7.3.2.1. Stufe 11 Thema / Methode

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen

Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit dem Rollenbild von Mann und Frau Im Fach Philosophie können innerhalb der Thematik "Probleme der Bestimmung des Menschen" verschiedene Möglichkeiten des Selbstverständnisses des Menschen als soziales, egozentrisches, freies, geistiges, körperliches, geschlechtsspezifisches, triebgebundenes bzw. -entbundenes Wesen zur Selbstbestimmung der Schüler behandelt werden. Einschätzung und Deutung menschlicher Sexualität korrespondieren mit den jeweiligen Vorstellungen vom Menschen.

Sexualität als Grundgegebenheit menschlichen Lebens; Gottesebenbildlichkeit des Menschen

Im Fach Religion ist über die Notwendigkeit der Integration der Sexualität in die Mitte der Person zu sprechen. Anhand kirchlicher Texte sollte eine Beschäftigung mit der Argumentation der kirchlichen Sexualmoral erfolgen. Ferner kann in Auseinandersetzung mit ökonomischen und gesellschaftspolitischen Anfragen, Herausforderungen, Zumutungen an den Menschen auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes (Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute: Art. 12, 15, 18, 22) gefragt werden, welche Konsequenzen die jeweiligen Sichtweisen für die Rolle als Mann bzw. Frau haben. (Geschlechterdifferenz als „unhintergehbares Differenzprinzip“; eine Nivellierung der Sexualität beraubt die menschliche Sexualität um das Spezifikum ihrer konkret-erschließenden Erkenntniskraft“). Zu fragen ist auch, wie weit Frau und Mann unterschiedliche Glaubensformen und –vorstellungen ausgeprägt haben und ausprägen.

Die besondere Stellung des Menschen in der Schöpfung, Gottesebenbildlichkeit; dialogische Existenz; Sexualität als Bestandteil der ganzen Persönlichkeit

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen

Einordnung nach Oser/Bucher: vage Abgrenzung des eigenen Verantwortungsbereiches; Differenz zwischen körperlicher und sozialer Reife (Stufe3) Entwicklung der eigenen innerlichen und erscheinungsmäßigen Identität (Stufe 3 bis 4)

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Im Fach Deutsch kann innerhalb des Themas "Beziehungs- und Kommunikationsprobleme in Erzähltexten" die eigene, auch geschlechtsgebundene, Rolle sowohl mündlich und schriftlich als auch gestaltungsmäßig behandelt werden. Es sollte aber auch die Bereicherung durch die geschlechtsspezifischen Wahrnehmungen und Einschätzungen thematisiert werden.

unterschiedliche Lebensformen als Ausdruck von Freiheit des dialogischen Vermögens der Liebe; dialogische Existenz

Im Fach Kunst bietet sich die Produktion zeichnerischer, mit persönlicher Bildsprache konzeptionell entwickelter Visitenkarten an. Naheliegenderweise gegenseitiges Sichkönnen die Visitenkarten zeichnerisch konzipiert und digital im Medienraum in Erschließen und SichPartnerarbeit angefertigt werden, die sich für die simultane Vermittlung sowohl Erschließen lassen eigener Rollen- und Darstellungsinteressen als auch für die entsprechenden Interessen der Arbeitspartner eignet. Eine Untersuchung der Darstellung von Frau und Mann in der Kunst im Laufe der Geschichte kann die unterschiedlichen und wechselnden Auffassungen der Geschlechterrollen deutlich machen. Im Fach Sozialwissenschaften kann im Rahmen des Problemfeldes 6: "Identität dialogische Existenz und Lebensgestaltung im Wandel der modernen Gesellschaft" die Sozialisation aus jeweils geschlechtsspezifischer Sicht z.B. folgendermaßen thematisiert werden: Wie weit wird mein Verhalten im Bereich der Partnerschaft durch gesellschaftliche Vorgaben geprägt? Wie und unter welchen Bedingungen ist angesichts der geistigen Großwetterlage ethisches Handeln aus christlicher Motivation im Sinne der kirchlichen Sexualmoral möglich? Welche Folgen haben sich aus der Emanzipation der Frau für das Partnerverhalten ergeben? Wer zahlt den Preis für die Doppelbelastung in Beruf und Familie? Darüber hinaus kann die Frage gestellt werden: "Fremd in Deutschland? – Identitätssuche von jungen Frauen und Männern im Spannungsfeld unterschiedlicher soziokultureller Milieus".

Anzweifeln bisher anerkannter Autoritäten; Engagement für die Vervollkommung des eigenen Rollenbildes (Stufe 3 bis 4) Entwicklung und Überprüfung eigener Kompetenzen (Stufe 3)

Vielfalt ich-bezogener und gemeinschaftlich orientierter Persönlichkeiten innerhalb der neuen Kursgruppen (Stufe 3 bis 4)

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7.3.2.2. Stufe 12 Thema / Methode

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen

Im Fach Pädagogik bietet das Thema der Entwicklungspsychologie (Kindheit, Pubertät, Devianzverhalten) Anknüpfungspunkte zur Auseinandersetzung mit dem Prozess der Indentitätsfindung.

Sexualität als Grundgegebenheit menschlichen Lebens

Interesse junger Erwachsener an selbständigen Entscheidungen (Stufe 3)

Im Fach Kunst können künstlerische Bildnisse, auch nackte unwesenhaft oder androgyn vermittelte Gestalten, als Zeugnisse einzelner Persönlichkeiten sowohl besprochen als auch gestaltungsmäßig innerhalb eigenständiger Bildkonzeptionen, z.B. in Form von Paarbildnissen nackter Gestalten, verarbeitet und mit stereotypen Menschenbildern aus der Medienindustrie verglichen werden.

Sexualität als Bestandteil der ganzen Persönlichkeit

Interesse junger Erwachsener an der Vervollkommnung ihrer eigenen innerlichen und erscheinungsmäßigen Identität (Stufe 4)

Im Deutschunterricht können Formen mitmenschlicher Begegnung in der Literatur behandelt werden, so z.B. Liebe und Verantwortung, Liebe und Selbsterfüllung, Liebe und Tod, Liebe und Schuld, Liebe und Gesellschaft. Situativ können literarische Partien mit zärtlichen Momenten gestaltorientiert rezipiert werden.

gegenseitiges SichErschließen lassen; Liebesfähigkeit als Voraussetzung für Selbstliebe und Partnerschaftlichkeit; Liebe und Verantwortung; Entsprechung von Handlung und innerer Haltung; Keuschheit

zunehmende Verantwortungsbereitschaft zum Aufbau und zur Gestaltung menschlicher, partnerschaftlicher Begegnungen (Stufe 4, evtl. bereits 5)

Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit verschiedenen Lebensformen (z.B. Ehe, frei gewählte oder unfreiwillige Ehelosigkeit)

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Im Fach Philosophie können Sexualität als verantwortbare Lebensweise, ethische Bewertung von Formen und Folgen der Sexualität und das Spannungsfeld von Gesellschaft und Sexualität (Normen und Normenwandel) problematisiert werden. Im Fach Religion kann auf den biblischen Anspruch an den Menschen, auf das Treueversprechen und auf die gottgewollte liebende, auf Zärtlichkeit begründete Begegnung eingegangen werden ("das Hohe Lied der Liebe", "die Bergpredigt", "Paulus-Briefe"). Kennzeichen der Liebe sind Treue und Verantwortung für sich und den Partner. „Die Berufung zur Liebe gilt für alle Menschen gleich welchen Lebensstandes“ . Im Rahmen des Themas "Kirche" bietet die "Sakramentenlehre" Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit dem Sakrament der Ehe als Zeichen des Heilshandelns Gottes in dieser Welt „Das Besondere des Ehesakraments ist die gegenseitige Heiligung von Mann und Frau in der Kraft des Bundes Christi mit seiner Kirche.“ „Ehe und Familie sind zwei Wirklichkeiten, die zwar einander gegenseitig bedingen, die aber nicht ineinander aufgehen dürfen.“ “Die Berufung zur Liebe ... kann Menschen dazu herausfordern, in freiwilligem Verzicht auf Ehe und Familie ihrer dialogischen Existenz Ausdruck zu verleihen.“

Liebe als lebenslanger Lernprozess bei allen Menschen

unterschiedliche Einstellungen zum eigenen Menschsein aufgrund individueller sexueller Erfahrungen (Stufe 3 und 4)

Liebe als Gnade aus der unentschiedenes Bewusstsein über die Fülle ihres Ursprungs in menschliche Freiheit (Stufe 3 bis 4) Gott; das Ein-FleischWerden als das Ganze einer Gemeinschaft des Lebens und der Liebe von Mann und Frau; als Zeichen Gottes Bund mit seinem Volk, als Realität des Glaubens und als gegenseitige Heiligung von Mann und Frau in der Kraft des Bundes Christi mit seiner Kirche; Vollendung der Ursprungsschöpfung; Ehe und Familie als ursprüngliche und grundlegende Formen in Gemeinschaft zu leben; Gemeinschaftsfreiheit

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Im Religionsunterricht führen weitere Themen zu einer Auseinandersetzung mit dem Problem der "Freiheit". Hier können in Erweiterung der anthropologischen Aspekte Grundmodelle und Charakteristika theologisch-ethischen Argumentierens vermittelt werden und auf ihre Bedeutung bzw. Folgen für partnerschaftliches Miteinander hin konkretisiert werden (Verantwortungsethik in Abgrenzung von Gesetzes- bzw. Gesinnungs-/Situationsethik; Gewissen; Verhältnis von Normen und Werten). Kooperierend mit dem Fach Deutsch kann hier auf Formen mitmenschlicher Begegnung in der Literatur eingegangen werden.

Würde des Menschen; dialogische Existenz; Partnerschaftlichkeit; Liebe u. Verantwortung; Entsprechung von äußerer Handlung und innerer Haltung

Im Fach Sozialwissenschaften kann im Rahmen des Problemfeldes 2: "Wirtschaft und Arbeit im Übergang zur nachindustriellen Gesellschaft" die Chancengleichheit bzw. -gerechtigkeit behandelt werden, indem z.B. die sich wandelnde Frauen/Männerrolle im Beruf analysiert wird (Frauen in Führungspositionen? Mobbing am Arbeitsplatz).Vor allem aber ist der gesellschaftliche Wandel im Blick auf Ehe und Familie zu untersuchen. Die Motive, die den Versuch bestimmen, Ehe und Familie „neu zu definieren“, sollten erforscht werden.

existentielle zunehmend differenzierte Abgrenzung Grunderfahrungen des eigenen Verantwortungsbereiches durch die Zuweisung (Stufe 3 bis 4) von sozialen Rollen und durch die Förderung der personalen Entwicklung

zunehmende Verantwortungsbereitschaft zum Aufbau und zur Gestaltung menschlicher, partnerschaftlicher Begegnungen (Stufe 4); unentschiedenes Bewusstsein über die menschliche Freiheit (Stufe 3 bis 4)

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7.3.2.3. Stufe 13 Thema / Methode

Bezug zum christlichen Menschenbild Intentionen

Bezug zur moral.-psych. Entwicklung Bemerkungen

Im Fach Biologie spielt innerhalb des Themas Genetik (Vererbungslehre) die Embryonalentwicklung eine wichtige Rolle. Hier bietet sich Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit ethischen Aspekten der Gentechnologie und des Schwangerschaftsabbruchs.

soziale Bedeutsamkeit der Sexualität durch Zeugung und Erziehung; Würde des Menschen; Fruchtbarkeit

Skepsis gegenüber scheinbar mustergültigen Plänen für die Lebensgestaltung (Stufe 4, evtl. bereits 5)

Der Philosophieunterricht kann Erkenntnis und Beurteilung von Gefährdungen und Irritationen menschlicher Sexualität (Sexualität als Konsum, sexuelle Fehlformen), ethische Rechtfertigungen sexualmedizinischen Forschens und Handelns sowie Begründungsversuche einer Sexualethik thematisieren.

Selbstentfremdung als ursprünglicher Ausdruck für Sünde ;kreatürliche Würde alles Seienden

Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit dem christlichen Familienbild

Im Fach Pädagogik können Sexualität und Selbstbestimmung sowie der Normenund Wertewandel sozialer Lebens- und Erziehungsformen (Ehe als Wert?, Familie als Wert?, freie Sexualerziehung ohne Tabu, permissive und antiautoritäre Erziehung, sexuelle Revolution) in weiterentwickelter Anlehnung an 12-er Themen des Philosophie-, des Biologie- und des Religionsunterrichts fachübergreifend behandelt werden. Der Religionsunterricht kann hier Aspekte der christlichen Ethik im Blick auf die Familie vertiefen und mit den in den Jgst. 11 und 12 erarbeiteten Aspekten des Menschenbildes vernetzen. Die Sicht des Menschen als Geschöpf und Ebenbild Gottes impliziert moralische Ansprüche auf persönlicher wie politischer Ebene.

Wahrnehmung eines göttlichen Heilsplans aufgrund der Gefahr einer unreflektierten Übernahme stereotyper Verhaltensweisen (Stufe 4)

weiterentwickeltes Bewusstsein über die Prinzip Menschenwürde menschliche Freiheit und Soziabilität (Stufe 4) als Pädagogisches Prinzip; Respekt, Toleranz

weiterentwickeltes Bewusstsein über die Mitschöpferischer Anteil menschliche Freiheit und Soziabilität (Stufe 4 evtl. 5) des Menschen an der kreatürlichen Würde; die grundsätzliche Güte

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Diese können auf verschiedene Arten ethisch/moraltheologisch reflektiert werden: Darf ich, was ich kann? Der Mensch als Person in Gesellschaft und Staat; der wissenschaftlich-technische Fortschritt und seine Bewertung aus christlicher Sicht (Präimplantationsdiagnostik; Stammzellenforschung); Handeln aus dem Glauben: die Mitverantwortung des Christen an der Gestaltung einer humanen Welt. Die Bedeutung der Familie für die Gesellschaft. Im Fach Kunst kann die Möglichkeit gestalterisch-kreativer Äußerungen personal gebundener affektiver Prozesse spontan genutzt bzw. durch sensorisch ungewöhnliche Impulse ausgelöst (z.B. im Bereich ungegenständlicher Bildproduktion) und anschließend unter dem Gesichtspunkt existentieller Selbstentgrenzung reflektiert werden. Der Deutschunterricht problematisiert literarisch vermittelte individuelle Lebensformen und Formen gelungener oder misslungener Beziehungen komplizierter Individuen und reflektiert deren anthropologische und soziale Bedingungen.

Im Fach Sozialwissenschaften kann im Rahmen des Problemfeldes 7: "Soziale Gerechtigkeit zwischen individueller Freiheit und struktureller Ungleichheit" eine Gegenüberstellung der Rolle der Frauen in westlichen Industrienationen bzw. in Entwicklungsländern erfolgen. Fragestellung des Unterrichts könnte hier sein: "Ist die weltweite Propagierung von westlichen Frauenrechten kulturimperialistisch?" Fachübergreifend könnten bspw. in den Fächern Biologie, Religion und/oder Pädagogik, Fragen der Evolution, explizit "Fortpflanzungsstrategien beim Menschenaffen und beim Menschen", behandelt werden. (Veränderungen im Bereich der menschlichen Fruchtbarkeit: ungewollte Kinderlosigkeit (zunehmende Sterilität, hormonbelastete Lebensmittel, Stressfaktoren), Kinderwunsch um jeden Preis (Anhalten der biologischen Uhr der Frau, Prioritätensetzung, Karriere...).

der geschaffenen Welt als existentielles Fundament, Selbstentfremdung als ursprünglicher Ausdruck für Sünde Verlangen der Schüler nach mitschöpferischer Anteil affektbetonten Äußerungen und des Menschen an der interaktiver Dynamik (Stufe 5) kreatürlichen Würde

Gewährleistung menschlicher erkenntnisstiftende Kraft Kommunikation als Strategie gegen die zur Erschließung der durch die Medien verbreitete Tyrannei sozialen, der Intimität (Stufe 5) psychologischen und religiösen Dimension von Sexualität Überzeugung, dass keine äußere die grundsätzliche Güte Sicherheit oder Organisation die eigene der geschaffenen Welt Religiosität, Moralität garantieren kann als existentielles (Stufe 5) Fundament

die besondere Stellung des Menschen in der Schöpfung, Gottesebenbildlichkeit des Menschen

Bewusstsein über die "gesetzesmäßige" Entwicklung des Menschen auf ein Besseres hin (Stufe 4 bis 5)

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8. Beratungsstellen im Erzbistum Köln 8.1. Beratungsstellen esperanza

Träger

Anschrift der Beratungsstelle

Caritasverband für den Rheinisch Bergischen Kreis e.V. Caritasverband für die Stadt Bonn e. V. Caritasverband für das Kreisdekanat Neuss e. V. Caritasverband für das Kreisdekanat Neuss e. V. (Außenstelle v. Dormagen) Sozialdienst katholischer Frauen und Männer e. V. Sozialdienst katholischer Frauen Erftkreis e. V. Sozialdienst katholischer Frauen Erftkreis e. V. (Außenstelle von Frechen) Sozialdienst katholischer Frauen Erftkreis e. V (Außenstelle von Frechen). Sozialdienst katholischer Frauen Erftkreis e. V. (Außenstelle von Frechen)

Laurentiusstr. 32 51465 Bergisch Gladbach Dyroffstr. 7 53113 Bonn Unter den Hecken 44 41539 Dormagen Montanusstr. 40 41515 Grevenbroich

Katholische Ehe-, Familien- und Lebensberatung e. V.

Ulmenstr. 67 40476 Düsseldorf An St. Severin 11 50226 Frechen Heerstr. 89 50169 Kerpen

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Tel.: 02271-492714

Lindenstr. 5 50354 Hürth

Tel. 02233-9427220

Schloßstr. 2 50231 Brühl

Tel. 02232-13196

90

Caritasverband für das Kreisdekanat Euskirchen e. V. Caritasverband für den Oberbergischen Kreis e. V. Sozialdienst katholischer Frauen e. V. Sozialdienst katholischer Frauen Leverkusen e. V. Vereinsverband Sozialdienst katholischer Frauen und Männer für den Kreis Mettmann e. V. Sozialdienst katholischer Frauen e. V. Caritasverband Remscheid e. V. Sozialdienst katholischer Frauen für den Rhein-Sieg-Kreis e. V. Sozialdienst katholischer Frauen für den Rhein-Sieg-Kreis e. V. (Außenstelle von Siegburg) Caritasverband für die Stadt Solingen e. V. Caritasverband Wuppertal e. V.

Wilhelmstr. 52 53879 Euskirchen Talstr. 1 51643 Gummersbach Georgstr. 18 50676 Köln Düsseldorfer Str. 2 51379 Leverkusen Jubiläumsplatz 2 40822 Mettmann Gladbacher Str. 10 41462 Neuss Blumenstr. 9 42853 Remscheid Hopfengartenstr. 16 53721 Siegburg Pfarrer-Kenntemich-Platz 27 53840 Troisdorf Ahrstr. 5-13 42697 Solingen Aue 54 42103 Wuppertal

Tel.: 02251-700019 Tel.: 02261-30641 Tel.: 0221-2407394 Tel.: 02171-49030 Tel.: 02104-928842

Tel.: 02131-791840 Tel.: 02191-4911-0 Tel.: 02241-95804-6 Tel.: 02241-73020

Tel.: 0212-2333600 Tel.: 0202-3890352

91

8.2. Beratungsstellen für Eltern, Kinder und Jugendliche (Erziehungs- und Familienberatung) PLZ

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Bonn Dormagen Düsseldorf Düsseldorf Jugendberatung Erftstadt-Lechenich Grevenbroich Kerpen-Horrem Köln

Hans-Iwand-Str. 7 Frankenstr. 22 Klosterstr. 86 Ulmenstr. 67

0228-223088 02133-43022 u. 23 0211-16022112 0211-4696200

0228-241272 02133-44508 0211-16022140 [email protected] 0211-4696230 [email protected]

Schloßstr. 1a Montanusstr. 23a Mittelstr. 1 Arnold-von-SiegenStr. 5 Mittelstr. 52-54

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02235-67151 02181-659555 02273-2433 0221-318870

0221-92584322

0221-92584322 [email protected]

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02203-55001 0221-160740

02203-592402 0221-1390272

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Knauffstr. 14 Kirchstr. 1 Carl-Leverkus-Str. 16 Kapitelstr. 30 Herbstmühle 3 Obergrünewalder Str. 28

0221-9645-231 02175-169790 0214-45553 02131-3692830 02267-3034 0202-371310

0221-9645-232 02175-1697919 0214-402264 02131-23275 02267-5885 0202-3713137

[email protected] [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] [email protected]

50374 41515 50169 50678 50672

51143 50670 51063 42799 51373 41460 51688 42103

Köln Internationale Familienberatung Köln-Porz Köln (Asylberatung) Köln-Mülheim Leichlingen Leverkusen Neuss Wipperfürth Wuppertal

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- 92-

8.3. Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen PLZ

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Strasse

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