2016 (Berichtszeitraum April 2015-April 2016)

Basel, Ende April 2016 TRAS Jahresbericht 2015/2016 (Berichtszeitraum April 2015-April 2016) Inhalt 1.  Rechtsverfahren gegen das Atomkraftwerk Fess...
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Basel, Ende April 2016

TRAS Jahresbericht 2015/2016 (Berichtszeitraum April 2015-April 2016)

Inhalt 1.  Rechtsverfahren gegen das Atomkraftwerk Fessenheim ........................................... 2  2.  Entwicklung in Deutschland ........................................................................................ 12  3.  Verfahren und Entwicklung in der Schweiz ................................................................ 14  4.  Zusammenarbeit und Zahl der Mitgliedschaften ....................................................... 20  5.  Zusammensetzung des Vorstands .............................................................................. 23  6.  Anhang ........................................................................................................................... 24 

Verfasst von Prof. Dr. Jürg Stöcklin (Präsident) und Dr. Rudolf Rechsteiner (Vize-Präsident)

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1. Rechtsverfahren gegen das Atomkraftwerk Fessenheim Beschlüsse der französischen Regierung Im Berichtsjahr war TRAS mit einer wechselvollen Entwicklung rund um die Schliessungspläne des Atomkraftwerk Fessenheim konfrontiert. Es ist noch immer zu früh, sich dazu eine abschliessende Meinung zu bilden, weil in Frankreich ein heftiges Tauziehen um Fessenheim in Gang ist. Neues französisches Energiegesetz Im Juli 2015 hat Frankreich hat ein ehrgeiziges Reformgesetz beschlossen. Innerhalb von zehn Jahren soll der Anteil an Atomstrom deutlich sinken und der CO2-Ausstoss zurückgehen. Besonders umstritten war das Ziel der sozialistischen Regierung, den Anteil des Atomstroms von 75 Prozent auf 50 Prozent zu senken. Abgeordnete der Opposition bezeichneten dies als unrealistisch. Wann und wie genau die Atomenergie zurückgefahren wird, ist im Gesetz nicht geklärt. Gemäss Gesetz sollen im Jahr 2030 40 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen, was mehr als einer Verdoppelung gegenüber dem Stand von 2015 entsprechen würde. Ende 2015 lag der Anteil der erneuerbaren Energien in Frankreich bei 18,7 Prozent. Zudem sollen der Energieverbrauch und die Nutzung fossiler Energieträger deutlich zurückgefahren werden. Um diese Ziele zu erreichen, will die französische Regierung beispielsweise die Gebäudesanierung vorantreiben, Elektroautos fördern und neue Finanzierungsmöglichkeiten für erneuerbare Energien bereitstellen.1 Das neue Energiegesetz und die Anlage von Fessenheim An Erklärungen aus dem französischen Kabinett, dass die Schliessung von Fessenheim fester Teil der Planung der jetzigen Regierung sei, fehlt es nicht. Auch haben sich die gesetzlichen Grundlagen für eine Schliessung von Fessenheim zum Besseren gewendet. Dank einem Abänderungsantrag des grünen Abgeordneten Denis Baupin (der an der TRAS Jahresversammlung 2015 in Freiburg persönlich zu Gast war) ist im Gesetz zur Energiewende die Eröffnung des EPR in Flamanville nicht mehr an die Schliessung einer Atomanlage in Frankreich gekoppelt, sondern an das Fristende der Laufzeit der aktuellen Baubewilligung des EPR. Diese Gesetzesänderung (Art.187) wurde am 23.Juli 2015 endgültig verabschiedet. Sie bedeutet, dass der EPR zwar potentiell ans Netz gehen kann, dass EDF aber schon vor Ablauf der jetzt gültigen Baubewilligung das Schliessungsverfahren für Fessenheim einleiten muss, ohne dass die Inbetriebnahme von Flamanville abgewartet werden muss.2 Denis Baupin hat den Sachverhalt in einem Interview wie folgt beschrieben:  Im April 2016 erreichen wir die 10-Jahresfrist der Baubewilligung des EPR  18 Monate vorher (am 11. Oktober 2015) muss EDF spätestens den Betriebsaufnahmeantrag für den EPR stellen damit der (eines Tages) ans Netz gehen darf.  Gleichzeitig muss EDF die gleiche Menge Atomstrom vom Netz nehmen was bedeutet, die Stilllegung anderer Reaktoren einzuleiten, d.h. des AKWs Fessenheim. 1

http://www.pv-magazine.com/news/details/beitrag/renewables-reach-178-of-french-electricity-consumption-in2015_100023121/#axzz469wKyU8B 2 In Artikel 187des französischen Energiegesetzes heisst es dazu: « Art. L. 311-5-6.-Lorsqu'une installation de production d'électricité est soumise au régime des installations nucléaires de base, la demande d'autorisation d'exploiter mentionnée à l'article L. 311-5 du présent code doit être déposée au plus tard dix-huit mois avant la date de mise en service mentionnée à l'article L. 593-11 du code de l'environnement, et en tout état de cause au plus tard dix-huit mois avant l'expiration du délai mentionné à l'article L. 593-8 du même code. » siehe auch https://www.legifrance.gouv.fr/affichTexteArticle.do;jsessionid=FD1940B2AE828FCCDF71614E1F0DDDC4.tpdila15v_3? idArticle=JORFARTI000031045721&cidTexte=JORFTEXT000031044385&dateTexte=29990101&categorieLien=id

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Bestätigung des Verfahrens durch Ségolène Royal Am 20. Oktober 2015 wurde bekannt gegeben, dass die Electricité de France (EDF) die französische Energieministerin Ségolène Royal ersucht hat, die Frist zur Inbetriebnahme des EPR in Flamanville um 36 Monate (bis zum 11. April 2020) zu verlängern. Dieses Verlängerungsgesuch wurde wegen der enormen technischen Schwierigkeiten und wegen der Verzögerungen der Bauarbeiten in Flamanville notwendig. In ihrem Brief erklärt sich die EDF gleichzeitig bereit, als "Hypothese“ eine Schliessung von Fessenheim zu prüfen. In einer schriftlichen Antwort an die EDF hat die französische Energieministerin auf dieses Gesuch positiv reagiert, gleichzeitig aber festgehalten, dass "ein Gesuch für die Schliessung von Fessenheim vor Ende Juni 2016“ bei ihr zu deponieren sei. Wie ist dieser Briefwechsel zu beurteilen? Die französische Presse vermutet, dass zwischen der franz. Regierung und EDF vereinbart wurde, dass die verlangte Verlängerung für die Inbetriebnahme von Flamanville nur unter der Bedingung gewährt wird, dass die EDF die Forderung nach einer Schliessung von Fesselheim deponiert. „Liberation“ interpretiert den Vorgang so, dass auch Ségolène Royal im Unterschied zu früheren Absichten, die Schliessung von Fessenheim nicht mehr mit dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme des EPR verknüpft. Indem die Ministerin der EDF für die Einreichung des Gesuchs zur Schliessung von Fessenheim eine Frist bis Ende Juni 2016 setzt, werde erreicht, dass die Schliessung von Fessenheim noch innerhalb der Legislatur Hollande eingeleitet wird, was als politisches Zeichen an die grünen Wähler gemeint sei. „Libération“ macht auch die Beurteilung, dass ein von der EDF eingereichtes und von der Regierung akzeptiertes Gesuch zur Schliessung von Fessenheim kaum mehr rückgängig zu machen sei. Die franz. Zeitung La Tribune spricht in diesem Zusammenhang von einem Ultimatum der Ministerin an die EDF. Was von Denis Baupin, Vize-Präsident der französischen Nationalversammlung und Mitglied der Grünen in diesem Parlament an der Jahresversammlung von TRAS skizziert hat, scheint somit bisher einzutreffen. Deshalb ist vorsichtiger Optimismus, dass eine Schliessung von Fessenheim in absehbarer Zeit eingeleitet wird, nicht völlig verfehlt. Allerdings – und das ist entscheidend – wurde die ursprünglich auf 2016 terminierte Schliessung zeitlich nach hinten verschoben, was dazu führt, dass sie nicht mehr in die Amtszeit des amtierenden Präsidenten François Hollande fällt, dessen erklärte Absicht es war und ist, Fessenheim zu schliessen. Der definitive Vollzug der Schliessung wird somit in die Amtszeit des nachfolgenden Präsidiums fallen, und damit mit grosser Wahrscheinlichkeit in die Amtszeit eines anderen Präsidenten, denn die Umfragewerte Hollandes sind alles andere als gut und Hollande will erst Ende 2016 entscheiden, ob er überhaupt für eine zweite Amtszeit kandidieren wird. Ob das nachfolgende Präsidium das französische „Staatscredo für Atomenergie“ umstossen wird, und in welcher Form, wird sich zeigen. Es gibt einige Faktoren, die die Schliessung trotz angeordneter Beschlüsse erschweren könnten:  Während die französische „offizielle“ Kommunikation in Aussicht gestellt hat, dass das älteste französische Atomkraftwerk geschlossen werde, also Fessenheim, macht die Betreiberin Electricité de France (EDF) hinter vorgehaltener Hand immer wieder wirtschaftliche Interessen geltend. Die Frage nach einer „Abfindung“ für EDF wird sich stellen, und es wäre empfehlenswert, dass sich die Landesregierung in BadenWürttemberg überlegt, ob es sich nicht lohnen würde, in einem direkten Vertrag mit EDF das nötige „Schmiermittel“ bereitzustellen, die die Schliessung von Fessenheim erleichtern könnten; dies umso mehr als andere grenznahe Regionen inzwischen bereit sind, Frankreich finanziell zu unterstützen, wenn die Schliessungen von Kernkraftwerken an die Hand genommen werden.  Während den Beratungen des neuen Energiegesetzes hatte die zuständige Umweltministerin Ségolène Royal noch nicht den Mut aufgebracht, die Schliessung von Fessenheim anzuordnen, sondern sie hat – zumindest eine gewisse Zeit lang während 3

den Beratungen des Energiewendegesetzes – EDF die Wahl überlassen, welches Atomkraftwerk (damals im Gegenzug für die Betriebsaufnahme von Flamanville) geschlossen werden soll. Am Rande einer Medienorientierung zu den Gefahren eines Dammbruchs in Fessenheim (27. Oktober 2015) bestätigte der amtierende Direktor von Fessenheim, Marc Simon-Jean, den Sachstand aus seiner Sicht: EdF-Chef Bernard-Henry Lévy habe in einem Schreiben vom 9. Oktober um eine Verlängerung der Baufrist für den neuen Reaktor EPR in Nordfrankreich gebeten und gleichzeitig angekündigt, der Stromkonzern bereite parallel dazu die Stilllegung der beiden Reaktoren in Fessenheim vor. Ob dieser Schliessungsbeschluss bei der EDF auch intern vollzogen wird, ist eine offene Frage. Konkrete Angaben dazu liegen TRAS bisher nicht vor. Am 25. April 2016 hat Hollande in einer Rede im Elysée erneut beteuert, dass das Dekret zur Einleitung der Schliessung von Fessenheim noch in diesem Jahr beschlossen werde. ("Le décret d'abrogation de l'autorisation d'exploiter la centrale de Fessenheim sera pris cette année", a affirmé François Hollande“ (ziert nach France Info). Ob die im Jahr 2017 nachfolgende Regierung an diesem Fahrplan und den angeblich „irreversiblen Prozeduren zur Schliessung von Fessenheim“ festhalten wird, bleibt allerdings weiterhin offen. TRAS hat deshalb im April 2016 beschlossen, zu diesem Zweck weitere Gutachten in Paris einzuholen, um alle bestehenden juristischen Mittel für eine Schliessung auszuschöpfen. Einschätzung des Umweltministeriums Baden-Württemberg Nicht verschwiegen werden soll an dieser Stelle die grundlegend skeptische Interpretation des Sachverhalts durch Herrn Franz Untersteller, Umweltminister von Baden-Württemberg. In seinem Schreiben an die Freiburger Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae vom 25. November 2015 wurde festgehalten: „Zu den Hinweisen des Abgeordneten Baupin: Wenn seine Aussagen in dem Interview mit Monika Le FlochWierzoch richtig wieder gegeben sind, müsste EDF bis zum 11. Oktober 2015 einen "Betriebsaufnahmeantrag" stellen und mit dem Abschalten von zwei Reaktoren „beginnen". Davon war weder vor noch nach dem Termin etwas aus anderen Quellen zu hören. Ich selbst habe diesen Punkt bisher auch nicht öffentlich kommentiert, da ich mir nicht sicher bin, ob hier nicht Missverständnisse vorliegen. Schon der Sprachgebrauch "Stilllegung anderer Reaktoren einleiten" und "gleiche Menge Atomstrom vom Netz nehmen" deutet an, dass es hier um eine Benennung der abzuschaltenden Anlagen geht und die tatsächliche Abschaltung erst mit der Stromproduktion des neuen EPR erfolgen wird. Für uns stellt sich die Situation wie folgt dar: EDF benötigt für den neuen EPR eine Betriebsgenehmigung. Sie muss mindestens 18 Monate, bevor der EPR Strom ins Netz einspeist, erteilt werden. Die Betriebsgenehmigung kann nach dem neuen Gesetz nur erteilt werden, wenn die gesamte nukleare Erzeugungskapazität 63,2 GW nicht übersteigt. Daher muss EDF spätestens 18 Monate vor der Stromeinspeisung durch den EPR ankündigen, welche Reaktoren dann abgeschaltet werden. Ein anderer Punkt betrifft die Errichtungsgenehmigung für den EPR, die im April 2007 mit einer Zeitdauer von 10 Jahren erteilt wurde. EDF hat nach unserer Kenntnis bei der französischen Umweltministerin eine Verlängerung der Errichtungsgenehmigung um drei Jahre beantragt. Dabei hat EDF wohl erklärt, dass der politische Wunsch akzeptiert würde, mit der Inbetriebnahme des EPR speziell die beiden Blöcke in Fessenheim abzuschalten. Eine definitive Ankündigung, welche Reaktorblöcke abgeschaltet werden, ist erst 18 Monate vor der Inbetriebnahme des EPR erforderlich. Nach der jetzigen Planung sei die Inbetriebnahme Ende 2018 vorgesehen, so dass die offizielle Ankündigung der Abschaltung der beiden Reaktoren in Fessenheim Mitte 2017 erfolgen würde. Diese Entwicklungen passen zu den neueren Aussagen der französischen Politik, dass nach dem neuen Energiewendegesetz mit der Inbetriebnahme des EPR die definitive Abschaltung von Reaktoren erfolgt und dass dies die beiden Reaktoren in Fessenheim sein werden. Aus der Abschaltung von Fessenheim in dieser Amtsperiode ist damit die definitive Festlegung der Abschaltung von Fessenheim in dieser Amtsperiode geworden. Die tatsächliche Abschaltung würde demnach später, nämlich wenn der EPR Strom produziert, erfolgen.“

Die Risiken für EDF Allerdings ist die EDF selbst bei einem angestrebten Weiterbetrieb von Fessenheim nicht einfach von allen Sorgen befreit. 4

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Zum einen sind die Grosshandelspreise für Elektrizität weiter gesunken und die Anlage in Fessenheim kann nicht mehr kostendeckend betrieben werden; Zum zweiten wird die Anlage im Jahre 2017 das 40. Betriebsjahr erreichen und nähert sich damit ohnehin dem natürlichen Betriebsende, wie es in vielen Atomanlagen zu beobachten ist. Das Atomkraftwerk Beznau in der Schweiz, inzwischen die älteste Atomanlage weltweit, musste den Betrieb von Block I im Frühjahr 2015 wegen der Entdeckung von Schäden im Reaktordruckbehälter unterbrechen und steht seither still. Dass in Fessenheim mit seinen zahlreichen Pannen dasselbe passiert – eine Häufung technischer Unzulänglichkeiten mit Schliessungsfolge – ist eines der möglichen Szenarien im Falle eines Weiterbetriebs. Zum Dritten muss die Anlage im Falle eines Weiterbetriebs so oder so nachgerüstet werden, was EDF neue Zusatzkosten aufbürden wird, für die das Geld fehlt.

Fessenheim entspricht nicht dem Stand der in der Post-Fukushima-Ära verabschiedeten, international akzeptierten Sicherheitsnormen (WENRA-Standards). Dazu bräuchte es noch einmal Investitionssummen, die auf mehrere hundert Millionen Euro geschätzt werden. Und EDF wird sich dies angesichts der eigenen hohen Verschuldung von 37 Mrd.€ gut überlegen, umso mehr als in Frankreich neue Windkraftanlagen Elektrizität zu einem Preis von ca. 5-6 €C./kWh bereitstellen können, was sich als wesentlich billiger herausstellen könnte als der Weiterbetrieb von Fessenheim mit dem Risiko von neuen, spontanen Schadensbildern. Spezielle Aktivitäten von TRAS im Zusammenhang mit Fessenheim Bestrebungen für einen Staatsvertrag Präsidium und Vorstand von TRAS haben sich wiederholt mit dem Lavieren der französischen Regierung auseinandergesetzt. Im Herbst 2015 richtete TRAS ein gleichlautendes Schreiben an Frau Bundeskanzlerin und an den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Kretschmann, worin angeregt wurde, angesichts der bestehenden Rechtsunsicherheit mit der französischen Regierung eine staatsvertragliche Vereinbarung über die Befristung des Betriebs von Fessenheim zu treffen. Der Wortlaut des Briefs und die Antwort von Minister Franz Untersteller befinden sich im Anhang. TRAS empfahl den Beteiligten in der Landes- und in der Bundesregierung, diese Vereinbarung durch eine Ausgleichszahlung an EDF oder an die Region Elsass zu unterlegen, welche angesichts der prekären finanziellen Situation von EDF dazu beitragen könnte, die Schliessung von Fessenheim rechtlich abzusichern. Obschon es grundsätzlich problematisch ist, einen Verursacher dafür zu entschädigen, dass er mit seinen schädlichen Aktivitäten aufhört, kennt die umweltpolitische Praxis eine Vielzahl solcher Beispiele – es sei hier bloss an die deutschen Abgeltungen für stillzulegende Kohlekraftwerke erinnert. Was für die Kohle funktioniert, sollte angesichts auch für die grenznahen Atomkraftwerke in Frankreich in Betracht gezogen werden, umso mehr als viel mehr Menschen bei einem Unfall direkt geschädigt würden. Und es entbehrt nicht der Ironie, dass die luxemburgische Staatsregierung dem französischen Ministerpräsidenten Manuel Valls im April 2016 Geld anbot, damit die ebenfalls hoch betagte Anlage von Cattenom definitiv vom Netz genommen werde.3 Hängiges Rechtsverfahren betreffend fehlende Sicherheit und nicht gewährleistete Nachrüstung der Anlage TRAS ist gewillt, für diesen Fall erneut mittels Verwaltungsgerichtsverfahren die Nachrüstung – mit den entsprechenden Kostenfolgen für die Betreiber – einzufordern und hat die nötigen Dossiers mit den Mängellisten wie angezeigt bereits am 30. Oktober 2014 eingereicht, um im Falle des angestrebten Weiterbetriebs eine Klage auf Nachrüstung einzureichen. Am 30. Oktober 2014 hat die Rechtsvertreterin von TRAS, Frau Corinne Lepage, das umfangreiche Dossier mit der Mängelliste des Atomkraftwerks Fessenheim an das 3

http://en.rfi.fr/france/20160412-luxembourg-offers-france-money-close-nuclear-plant 5

französische Umweltministerium zur Beantwortung überstellt. Dieses Dossier ist Grundlage für ein allfälliges neues Verwaltungsgerichtsverfahren. Mit Schreiben vom 23. Juni 2015 wurde die Beantwortung des Schreibens nachgemahnt. Bis zum April 2016 wurde die in diesem Dossier gestellten Fragen vom Umweltministerium nicht beantwortet, sondern wir wurden nur darüber informiert, dass das Dossier an eine Kommission des Ministeriums weitergeleitet wurde. An der Vorstandssitzung vom 8. April wurde beschlossen, angesichts der ungeklärten Rechtslage ein juristisches Zusatzgutachten einzuholen, welches die rechtlichen Optionen von TRAS für die Ingangsetzung eines neuen Klageverfahrens vertieft aufzeigen soll, sollte der definitive Schliessungsentscheid weiter auf sich warten lassen. Inhalt der Anfrage Anlass des Verfahrens bilden die von den französischen Aufsichtsbehörden festgestellten technischen Mängel der Anlage, von denen nicht bekannt ist, ob die Betreiberin (Electricité de France) diese behoben hat, sowie die anhaltenden Sicherheitsprobleme im Reaktor selber, die auch von französischen Umweltorganisationen zum Anlass genommen wurden, rechtlich gegen die Electricité de France vorzugehen. Das Schreiben: Folgende Mängel wurden (nebst vielen anderen) nach „Fukushima“ von der Aufsichtsbehörde ASN und durch andere Untersuchungen (EU-Stresstests) identifiziert und Forderungen an die EDF für Verbesserungen gestellt:        

Mängel am geotechnischen Gehäuse der Anlage Mangelhafte Filter (Iodaustritt) Ungenügende Notkühlung Fehlender Schutz vor Erdbeben und mangelhafte Methodik Fehlender Schutz vor Überflutung bei einem Wasseraustritt aus dem Grand Canal d’Alsace, dessen Wasserspiegel 10 Meter über dem Niveau des Reaktors liegt Fehlender Schutz (zB. vor Flugzeugabsturz oder terroristischen Angriffen) und fehlende diversitäre Kühlung der Brennelemente-Becken Verrostete Hüllen der nuklearen Brennstäbe Risse und Instabilität durch Alterung des Reaktordruckbehälters.

In einer mehr als 100-seitigen Dokumentation wurden die Textstellen der identifizierten Mängel zusammengetragen und der Aufsichtsbehörde ASN sowie dem Umweltministerium (Frau Ministerin Ségolène Royal) überstellt und zur Stellungnahme überwiesen. Teilnahme an der Konsultation betreffend Genehmigung von Abwässern Da die Anlage von Fessenheim nach wie vor nicht über rechtskräftige Genehmigungen nach neuem französischem Atomgesetzt zur Einleitung von chemischen Abwässern in den Rhein verfügt, hatte die EDF am 1. Dez. 2014 überraschend einen Antrag für wasserrechtliche Bewilligungen gestellt, auf welchen die Betroffenen auf beiden Seiten des Rheins sich in einem Anhörungsverfahren innert 21 Tagen äussern konnten. TRAS hatte dazu in einem ausführlichen Gutachten Stellung und im Namen von TRAS erhob unsere Advokatin Corinne Lepage Einspruch gegen die Anträge der EDF. Für die fachlichen Fragen wurde TRAS dabei von deutschen und von schweizerischen Experten unterstützt. Im April 2015 legte die französische Aufsichtsbehörde ASN dann im April 2015 einen Gesetzesentwurf für die Regelung flüssiger und gasförmiger Abwässer des AKW Fessenheim vor, zu welchem TRAS durch unsere Anwältin Corinne Lepage erneut Stellung nahm, da die im ersten Anhörungsverfahren geäusserte Kritik in den Antrag der ASN nur teilweise aufgenommen wurde. Immer noch sollen mehrere chemische und radioaktive Substanzen nicht zufriedenstellend überwacht werden und für die thermischen Ableitungen sollen Temperaturen zugelassen 6

werden (29°C), die den Rheinseitenkanal übermässig erwärmen können und die über den für Cypripidengewässer (Z.B. Karpfen und Hechte) in der EU zugelassenen Temperaturen liegen.

Neue TRAS Klage an die Europäische Kommission Auf Anraten von TRAS-Anwältin Corinne Lepage hat TRAS am 15. April 2016 einen neue Klage bei der Europäischen Kommission angestrengt. Darin wurde auf die zunehmenden Funktionsstörungen in Fessenheim aufmerksam gemacht und es wurden vier Rechtsverletzungen von EU-Gemeinschaftsrecht angezeigt: 







Verletzung der Ableitungsgrenzwerte für Kühlwasser. Der erste Teil der Klage bezieht sich auf die Richtlinie 2006/44/EG vom 6. September 2006 über die Qualität von Süsswasser, das schutz- oder verbesserungsbedürftig ist, um das Leben von Fischen zu erhalten. Die EU-Richtlinie begrenzt die zusätzliche Temperaturerhöhung von Cyprinidengewässern auf 3° und die maximale Temperatur unterhalb der Einleitungsstelle auf maximal 28°. Für Salmonidengewässer gelten die Grenzwerte von 1,5° und 21,5°. Im Fall des Kernkraftwerks Fessenheim wurden Ableitungsgrenzwerte festgelegt, die je nach Jahreszeit eine zusätzliche Temperaturerhöhung von 4 bis 7° und eine Temperatur unterhalb der Einleitungsstelle von bis zu 30° zulassen. Diese Werte sind mit der aktuellen Gemeinschaftsgesetzgebung absolut unvereinbar. Missachtung der Regeln über chemische Ableitungen. Noch immer besteht kein Erlass zur Festlegung von Grenzwerten für Abwässer für das Kernkraftwerk Fessenheim nach derzeitiger Gesetzeslage. Der präfektorale Erlass vom 26. Mai 1972 beschränkt sich auf sehr allgemein formulierte Bestimmungen und schliesst bestimmte Substanzen aus, die der menschlichen Gesundheit und dem Erhalt der Fische schaden können, die mit dem präzisen Gemeinschaftsrecht von heute absolut nicht mehr vereinbar sind.Der Entscheidungsentwurf der Autorité de Sûreté Nucléaire verbessert die Situation kaum. Es existieren in der von der Autorité de Sûreté Nucléaire entworfenen Entscheidung keinerlei Auflagen oder Grenzwerte im Zusammenhang mit Ableitungen. Ein klarer Verstoss gegen das Gemeinschaftsrecht. Missachtung der Regeln für nukleare Sicherheit gemäss Richtlinie 2009/71. Das Kernkraftwerk Fessenheim ist nach heutigem Wissensstand nicht dafür ausgelegt, Erdbeben oder Überflutungen standzuhalten, obwohl der Standort die beiden Risiken kumuliert aufweist. Noch weniger ist er in der Lage, der Einwirkung beider Phänomene gleichzeitig standzuhalten, wie dies heute gemäss Post-FukushimaRegelungen Pflicht ist. Dabei ist zu unterstreichen, dass das Kraftwerk über dem grössten Grundwasserreservoir Europas erbaut wurde, das das gesamte Rheineinzugsgebiet versorgt. Eine Verschmutzung dieses Grundwassers aufgrund der Schwächen der trotz einer erfolgten Ertüchtigung schwachen Reaktorfundamentplatte hätte katastrophale Folgen, die noch zu den katastrophalen Konsequenzen eines nuklearen Unfalls in einem so stark besiedelten Gebiet hinzukämen. Ungenügende finanzielle Mittel. Absatz 5 verlangt, dass die Genehmigungsinhaber verpflichtet sind, angemessene finanzielle und personelle Mittel bereitzuhalten. Die derzeitige finanzielle Situation von EDF lässt höchste Zweifel daran aufkommen, ob das Unternehmen in der Lage ist, die Anforderungen hinsichtlich der nuklearen Sicherheit zu erfüllen. Ein Beispiel: Die Aufsichtsbehörde Autorité de Sûreté Nucléaire hatte nachdrücklich verlangt, technische Notfallmittel einzurichten, die in der Lage sind die Restwärme des Reaktorkerns im Fall eines Ausfalls des Reaktorkühlsystems dauerhaft abzuführen. Die Veröffentlichungen der französischen Presse hinsichtlich des Zustands dieser für die Notkühlung unerlässlichen Notstromdiesel weisen für das Kraftwerk Fessenheim Statuseinschätzungen für das 7

Jahr 2014 von „zu überwachen“ bis „schadhaft“ aus. Offensichtlich verfügt die EDF nicht über ausreichende Finanzmittel, um so einfache wie wichtige Einrichtungen wie Notstromdiesel ausreichend in Stand zu halten.

Neue Gefährdungsanalysen betreffend Fessenheim Bestätigung der Risiken eines Dammbruchs von französischer Seite Schon vor vier Jahren hatte die CLIS eine Untersuchung von externen Fachleuten vorgelegt, die erhebliche Zweifel an der Standfestigkeit des Hochwasserdamms nährte, sollte es zu einer starken Bodenerschütterung kommen. Die Experten hielten einen Dammbruch und eine Überflutung für möglich – und zwar mit einer Geschwindigkeit, die 24-mal höher läge, als vom Betreiber veranschlagt. EdF bestritt dies stets. Der damalige Direktor Rosso konterte, Fessenheim liege nicht am Pazifik. Eine aktuelle Analyse von Bodenproben des französischen Forschungsinstituts für nukleare Sicherheit (IRSN) kommt nun zum Schluss, dass die Sicherheit des Standortes im Falle eines isolierten Bebens gewährleistet sei. Sie problematisiert jedoch auch die möglichen Auswirkungen, welche mögliche Nachbeben auf die Zusammensetzung des Kies- und Sandgemisches, aus dem der Damm besteht, haben könnten. "Zwei aufeinanderfolgende seismische Erschütterungen stellen ein spezifisches Risiko dar", so der Experte des IRSN. Gutachten von Prof. Manfred Mertins Ein weiteres neues Gutachten wurde im Berichtsjahr vom deutschen Reaktorexperten Prof. Dr. Manfred Mertins im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen erstellt. Dieses Gutachten kommt zum Schluss, dass das AKW Fessenheim für eine Reihe wesentlicher sicherheitstechnischer Sachverhalte die nach Stand von Wissenschaft und Technik geltenden Anforderungen nicht einhält, Anforderungen wie sie z.B. durch die europaweit anerkannten WENRA Referenzlevel definiert sind. Es bestätigt erneut, dass das AKW umgehend abgeschaltet würde, weil es international gültigen Sicherheitsnormen nicht entspricht. Im Erdbebenrisikogebiet Fessenheim werden seismische Risiken unterschätzt und sicherheitsrelevante Einrichtungen sind nicht erdbebensicher ausgeführt. Es gibt auch diverse Mängel bei der Zuverlässigkeit der Reaktornachwärmeabfuhr und bei der Energieversorgung bei Störfällen. Ausserdem genügt die Anlage nicht den nötigen Hochwasser-Anforderungen und ist völlig unzureichend gegen Flugzeugabstürze ausgelegt. Neubewertung des Zwischenfalls in Block I vom 9. April 2014 Eine grosse Öffentlichkeit in Deutschland und in der Schweiz wurde kürzlich durch Berichte aufgeschreckt, welche darauf hinwiesen, dass die EDF einen Störfall im AKW Fessenheim am 9. April 2014 heruntergespielt hatte. Die Süddeutsche Zeitung vom 4. März 2016 und der Westdeutsche Rundfunk berichteten, dass die französische Autorité de Sûreté Nucléaire ASN den Störfall vom 9. April 2014 in Block 1 des AKW Fessenheim weder vollständig noch wahrheitsgetreu dargestellt habe. Die AKW-Leitung hatte damals als letzte Massnahme Bor in den Reaktordruckbehälter zugeführt, um die Leistung des Reaktors zu drosseln. Dies ist ein in Westeuropa sehr seltener, wenn nicht beinahe einmaliger Vorgang. Sowohl der Betreiber als auch die Atomaufsicht hatten den Vorfall zuerst als weitgehend harmlos dargestellt und den Eindruck erweckt, man habe immer alles im Griff gehabt. Am 9. April 2014 ist Wasser in die Schaltschränke gelaufen, die die Steuerstäbe im Reaktor regeln. Im Brief vom 24. April 2014 an die Betreiber spricht die ASN von einem „Misserfolg beim Versuch, die Steuerstäbe zu manövrieren“ und von „nicht disponiblen Steuerstäben“ (wörtlich: „essai non concluant de manoeuvre des

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grappes de commande“ sowie von „grappes de commande non disponibles“). Die Kontrolle der Kettenreaktion im Reaktor war offensichtlich ausser Funktion. Dieser Fakt und die vom Betreiber eingeleitete, höchst ungewöhnliche Abschaltung des Reaktors mittels Aufborierung des Kühlwassers wurde von der ASN im Kommuniqué vom 17. April 2014 aber nicht offengelegt. Im Kommuniqué vom 17. April wurde noch erklärt, dass der Wassereinbruch die Steuerfähigkeit der Steuerstäbe nicht beeinträchtigt habe, weil ein zweites Steuersystem zur Verfügung gestanden habe. Wichtige Fragen zur Gefährdung der Bevölkerung sind bis heute ungeklärt. Und es bestehen berechtigte Zweifel, ob ASN die Wahrheit sagte. Das Verhalten von EDF wirkte improvisiert. Die Reaktortemperatur wurde entgegen den Vorschriften zu schnell abgesenkt. Die Süddeutsche Zeitung schreibt, dass die Summe der ungewöhnlichen Kühlaktionen zeige, „dass die betriebliche Abschaltung nicht mehr möglich war, so dass andere Mittel in Angriff genommen werden mussten." Der deutsche Reaktorexperte Manfred Mertins vermutet, „dass die Temperatur so aus dem Ruder gelaufen sei, deute darauf hin, dass man im Kraftwerk minutenlang keine Informationen über den Zustand des Reaktorkerns hatte.“ Diese Informationen erfordere eine Neubewertung der Vorgänge von 2014 und demonstriere erneut, dass weder die Betriebsabläufe noch die Sicherheitsvorkehrungen in Fessenheim auf dem notwendigen Niveau sind.

Was die Qualität des Kontrollverlusts der Anlage anbelangt, so steht heute Aussage gegen Aussage; die französische Seite hätte es in der Hand gehabt, mittels Offenlegung der Betriebsprotokolle Klarheit über die Manövrierbarkeit der Kontrollstäbe zu schaffen. Aufschlussreich ist die Analyse des deutsch-amerikanischen Journalisten Craig Morris aus Freiburg, der auf die Lücken in der französischen Berichterstattung zum Thema hinwies und die unterschiedliche Wahrnehmung des Vorfalls in Deutschland und in Frankreich zum Thema machte.4 Reaktionen Die Zusatzinformationen zu den Vorfällen vom 14. April führten im Frühjahr 2016 zu heftigen Reaktionen in Deutschland und in der Schweiz, und danach auch in Frankreich, wenn auch mit völlig unterschiedlichen Akzenten.  Der Vorfall führte dazu, dass die Mitglieder der Überwachungskommission Fessenheim (CLIS) bei ihrem Treffen am 15. März 2016 heftig aneinandergerieten. Die Positionen deutscher und französischer Politiker und Fachleute gehen weit auseinander bei der Frage, was von dem Vorfall im AKW Fessenheim vor zwei Jahren zu halten sei. Um den Widerstand der französischen Seite gegen die Schliessung von Fessenheim zu manifestieren, liess der Präsident der CLIS, Michel Habig, eine Demonstration von französischen Gewerkschaftern in der Kommission zu – mit in der Folge tumultösen Zuständen. "Was gibt der deutschen Presse das Recht, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen?" empörte sich der französische Präsident der Kommission über die deutschen Fragen.5  Der Regierungsrat von Basel-Stadt forderte in einer Medienmitteilung, die französische Regierung auf, „noch dieses Jahr unmissverständlich zu beschliessen, Fessenheim stillzulegen“. Kritisiert wurde vom Basler Regierungsrat, dass die vom französischen Präsidenten François Hollande für Ende 2016 versprochene Abschaltung laufend verschoben wurde: «Der Entscheid wurde zwar verschiedentlich angekündigt, die Signale aus Frankreich sind aber uneinheitlich und unklar.» Unterstützung erhielt die Regierung aus dem Grossen Rat. Er verabschiedete mit 76 zu 11 Stimmen eine Resolution, in der er die Regierung aufforderte, «alles in seiner Macht stehende zu unternehmen, damit der Atommeiler endlich vom Netz genommen wird.» Weiter hiess es in der Resolution, «dass wir alle im Umfeld von Fessenheim auf einer tickenden nuklearen Zeitbombe sitzen. Das AKW weiter betreiben zu lassen, ist fahrlässig und unverantwortlich.» Als Fazit darf man festhalten, dass die CLIS, die eigentlich für detaillierte Informationen zuständig wäre, in diesem Fall vollkommen versagt hat. Statt die Vorfälle zu klären, hat die 4

http://energytransition.de/2016/03/did-french-officials-downplay-nuclear-incident-is-french-media-now/ Badische Zeitung 16. März 2016 http://www.badische-zeitung.de/in-ueberwachungskommission-fuer-atomkraftwerkgeraten-deutsche-und-franzoesische-behoerdenvertreter 5

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französische Seite in der CLIS keine weiteren Details zu den Fragen der CLIS Mitglieder geliefert, zum Beispiel zur Temperatur des eingespeisten Kühlwassers. Die Risiken wurden bloss beschönigt und statt die Gefährdung der Bevölkerung zu thematisieren, wurde eine Demonstration für den Erhalt der Arbeitsplätze im Atomsektor in der CLIS organisiert, als ob erneuerbare Energien zum Ersatz der Kernenergie nicht ebenfalls Arbeitsplätze schaffen könnten. Das Verhalten der ASN und der EDF in dieser Sache, die beide zur Verschleierung der Vorfälle beitrugen, lassen wenig Gutes erwarten in der Frage, ob es nach Ablauf des Präsidium Hollandes genügend Einsicht besteht, ein riskantes Werk endlich zu schliessen. Neue Subventionen für Kernkraftwerke in Frankreich Nicht zu übersehen ist aber, dass trotz der neuen Gesetzgebung, und trotz gewissen Ausbaufortschritten bei den erneuerbaren Energien viele Fragen über die Energiezukunft Frankreichs ungeklärt sind. Und mit der Absichtserklärung, sogenannte „Kapazitätsmechanismen“ einzuführen – es handelt sich faktisch um Subventionen für bestehende Kernkraftwerke – wird der Wettbewerb zwischen billigen erneuerbaren Energien und der Kernenergie stark verzerrt. Die sozialistische Regierung hat das Atomdossier in den vier Jahren seiner Amtszeit nicht effektiv angepasst:  Es wurden zwar keine neuen Atomkraftwerke geplant oder gebaut; der neue EPR in Flamanville wurde aber auch nicht gestoppt, obschon schier unüberwindliche und sehr teure Konstruktionsfehler aufgedeckt wurden, die eine Fertigstellung des Reaktors in Frage stellen.  Noch immer sprechen Mitglieder der französischen Regierung von der „billigen Kernenergie“, obschon sich längst gezeigt hat, dass Windenergie und inzwischen auch Photovoltaik beim Vergleich von Neuanlagen rund halb so teuer sind wie neue Kernkraftwerke. Ungelöst sind die Altlasten: die teure Entsorgung der radioaktiven Abfälle und die Stilllegung der Anlagen. Der Weiterbetrieb dient nicht zuletzt der Gesichtswahrung, um diese hohen Kosten zu verschleiern und einer späteren Generation zuzuschieben – und dies bei steigenden Kosten für Nachrüstung und bei steigenden Risiken für die Bevölkerung.  Nichts illustriert die Krise der französischen Atomindustrie besser als der Niedergang der Staatsfirma Areva mit milliardenschweren Schulden, und der hohe Verschuldungsgrad der Electricité de France, welche von der Regierung beauftragt wurde, die bankrotte Areva zu übernehmen, inklusive der seit Jahren gestrandeten Bauprojekte in Finnland (Olkiluoto), China (Taishan) und Frankreich (Flamanville). Zusätzlich zu diesen drei mit riesigen Problemen konfrontierten Bauprojekten will die sozialistische Regierung in Grossbritannien zwei neue Reaktoren mit 3,2 GW Leistung in Hinkley Point durch EDF errichten lassen, was im Verwaltungsrat der EDF zu schweren Konflikten Anlass gab. Seit Jahren schiebt EDF diesen Investitionsentscheid vor sich her. Der Finanzchef der EDF hat die Firma aus Protest gegen dieses finanzielle Abenteuer verlassen. Alle Ratingagenturen drohen EDF mit einem Downgrading im Kreditrating und selbst der Gewerkschaftsvertreter innerhalb des Aufsichtsrates von EDF hat sich gegen den Bau von Hinkley Point C ausgesprochen; weil die chinesischen Partner der nur einen Drittel der notwendigen Finanzierung beisteuern, verfügt EDF nach wie vor nicht über ausreichend Kapital, um mit dem Bau der Anlage zu beginnen.  Der Regierung Hollande kann man zugutehalten, dass sie im Bereich der erneuerbaren Energien einige Steine aus dem Weg geräumt hat und dass sich die Zubauraten in Frankreich im Jahre 2015 deutlich verbesserten (Windenergie Wie in Japan droht Frankreich durch die Agonie in der Atomfrage ein „management by accident“ – eine massenhafte Stilllegung von Anlagen nach einem Unfall oder nach einem ernsthaften Zwischenfall, der den falschen quasi-religiösen Glauben in die Kernenergie erodiert. Angesichts des zunehmenden Alters der französischen Atomanlagen und angesichts der fehlenden Geldmittel, um die Auflagen der Aufsichtsbehörden zu erfüllen, erscheint ein solcher „exit by accident“ wie in Japan die wahrscheinlichste Variante des Endes der Nuklearenergie in Frankreich. Man kann dabei nur hoffen, dass nicht zu viele Menschen 10



durch einen solchen Unfall zu Schaden kommen. Doch man sollte sich im Klaren sein, was dies eigentlich bedeutet: es ist juristisch gesehen die Hinnahme einer eventualvorsätzlichen Grosskatastrophe, welche Tod und unermessliches Leid für die betroffene Bevölkerun und grossflächige Langzeitschäden in Frankreich und seinen Nachbarländer zur Folge hätte. An dieser Stelle sei auch daran erinnert, dass sich Frankreich in diversen Ländern Afrikas und Kleinasiens an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligt (Syrien, Zentralafrika), was zu terroristischen Anschlägen auch auf Atomanlagen führen könnte. Seit den dramatischen Anschlägen in Paris und Brüssel sind diese Befürchtungen aktueller denn je, doch scheint die Regierung nicht willens oder unfähig, die eigenen Bevölkerung vor solchen Bedrohungen zu schützen. Dabei sei daran erinnert, dass man nicht eine unkontrollierte Kettenreaktion in einem der Atomreaktoren herbeiführen muss, um grossen Schaden anzurichten. Es genügt eine Attacke mit panzerbrechenden Geschossen auf eines der schlecht geschützten Brenn-Elemente-Becken.

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2. Entwicklung in Deutschland In Deutschland geniesst der Atomausstieg überparteiliche Unterstützung; durch die gesetzlichen Restlaufzeiten hat sich die Diskussion um die Atomenergie merklich entspannt. Der Ausbau der erneuerbaren Energien schreitet wesentlich schneller voran als der Wegfall an nuklearen Kapazitäten, weshalb neuerdings auch der Kohlesektor unter Druck geraten ist und um Subventionen für die Stilllegung überflüssiger Anlagen ersucht hat. Die amtierende Koalition tut sich allerdings schwer in der Frage des Tempos der Energiewende. Alle grossen Energieversorger sind durch die stark gesunkenen Strompreise in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Der Anteil der erneuerbaren Energien stieg 3015 auf 32,5 Prozent des Stromverbrauchs und hat sich damit seit 1990 verzehnfacht. Da es sich bei Wind und Sonne um vorwiegend eine fluktuierende Stromerzeugung handelt, sind konventionelle Backup-Kapazitäten weiterhin nötig. Gleichzeitig verkürzen sich die Jahreslaufzeiten der Grundlastkraftwerke, was ihre Wirtschaftlichkeit beschädigt und in der konventionellen Energiewirtschaft noch immer zu starken Anfeindungen gegenüber den erneuerbaren Energien führt. Die Speichertechnik macht inzwischen rasche Fortschritte; Netzbetreiber in einer Reihe von Bundesländern folgen dem globalen Trend, grosse Batteriespeicher zur Sicherstellung von Reserven direkt in die Netzarchitektur zu integrieren. Damit werden die Netze robuster und es braucht weniger Grundlastkraftwerke, um die Primärreserve und die Sekundärreserve zur Frequenzhaltung zu garantieren.

Abbildung 1 und 2 Schliessungsjahre deutscher Kernkraftwerke, Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch erreicht 32.5 Prozent Noch immer auf sich warten lässt der Netzausbau mit den grossen Nord-Süd-Trassen, die für die endgültige Schliessung der Atomkraftwerke und der Kohlekraftwerke nötig sind. Zwar 12

wurden die rechtlichen und planerischen Grundlagen weiter verbessert. Und der Vorrang für unterirdische Leitungen könnte erheblich dazu beitragen, die Widerstände gegen neue Netze zu dämpfen. Für die Versorgungssicherheit im Winter und für die Herstellung der nötigen Flexibilität für fluktuierende Energien ist der Netzausbau unabdingbar. Negativ fällt auf, dass sich die Schweiz durch den politischen Druck der EU-Gegner kaum an den Integrationsbemühungen der EU beteiligen kann. Die neuen Schweizer Pumpspeicherwerke (+2 GW bis 2020) könnten dazu beitragen, die Netzsicherheit im Elsass und im süddeutschen Raum zu verbessern, wenn die dortigen Kernkraftwerke geschlossen werden. Dazu müssten aber vernünftige Abkommen und punktuelle Netzverstärkungen beigebracht werden. Herausforderungen für Deutschland Das nächste im Jahre 2017 zu schliessende AKW befindet sich in Bayern (Grundremmingen B). Eine Vielzahl weiterer Atom-Anlagen befindet sich im süddeutschen Raum, weshalb es von Wichtigkeit ist, dass die nötigen Netzerweiterungen für die Übertragung von Windenergie vom Norden in den Süden auch tatsächlich stattfinden. Negativ wirkt sich die punktuelle Obstruktion der Energiewende durch die bayrische Landesregierung aus, insbesondere beim Ausbau bestehender und neuer Stromnetze und bei der Akzeptanz der Windenergie (10-H-Regelung). Es wäre keine Überraschung, wenn sich die Schliessung der letzten Atom-Anlagen verzögern würde, weil die Bayern die nötigen Netzausbauten gezielt verzögern. Am Niedergang der europäischen Atomindustrie werden solche Manöver aber wenig ändern. In Deutschland sind von Seiten des TRAS keine Rechtsverfahren hängig.

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3. Verfahren und Entwicklung in der Schweiz Zwei TRAS Rechtsverfahren in der Schweiz TRAS Klage gegen das Atomkraftwerk Beznau Am 20. August 2015 hat TRAS (zusammen mit Greenpeace Schweiz) eine umfangreiche Klage gegen das Atomkraftwerk Beznau eingereicht. Dem vorangegangen war eine mehrjährige Vorarbeit, welche die Schwachstellen des Werks zusammen mit Experten untersuchte. TRAS und die Mitklägerin Greenpeace entschieden sich schliesslich, die Grenzwerte betreffend Erdbeben einzuklagen. Das Verfahren wird vom Zürcher Juristen Martin Pestalozzi geleitet und dürfte sich über mehrere Jahre hinziehen, bis es zu einem rechtskräftigen Entscheid kommt. Es setzt die Betreiber auf jeden Fall erheblich unter Druck. In diesem Zusammenhang sei verwiesen auf die umfangreichen Medienmaterialien.6 Betreffend Inhalt der Klage sei aus dem Medienkommuniqué zitiert:

Beznau I und II müssen sofort ausser Betrieb Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) verletzt die gesetzlichen Strahlenschutzbestimmungen beim AKW Beznau in schockierender Weise. Es verwendet Grenzwerte, die hundert Mal höher liegen als zulässig. Zudem wird bei der Bemessung der Strahlendosis bei einem Unfall nur ein Bruchteil der tatsächlichen Strahleneinwirkung berücksichtigt. Die Gefährdung der Bevölkerung liegt über dem gesetzlich Zulässigen. Beznau 1 und 2 müssen deshalb ausser Betrieb gehen. TRAS stellt kritische Fragen zur Qualität der Aufsichtstätigkeit. Die Befunde der von TRAS, SES und Greenpeace beauftragten Experten sind erschreckend klar:  Das ENSI verwendet für das Risiko des 10‘000-jährigen Erdbeben falsche Dosisgrenzwerte. Es missachtet die Einhaltung zwingender sogenannter „grundlegender Schutzziele“ für Kernkraftwerke. Statt des gesetzlichen Grenzwerts von 1 Millisievert verwendet das ENSI einen Grenzwert von 100 Millisievert. Die zu erwartende Strahlendosis bei einem 10‘000jährigen Erdbeben hat das ENSI auf 28,9 bis 78 Millisievert (bei Kleinkindern) beziffert. Beznau müsste bei einer korrekten Anwendung der geltenden Grenzwerte sofort ausser Betrieb genommen werden.  Das ENSI legt der Dosisbemessung für Unfälle bloss eine Expositionszeit von einem Jahr zugrunde. Dies widerspricht ganz klar der geltenden Gesetzgebung7, aber auch dem realen Schutz der Bevölkerung. Wir wissen seit den Atom-Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima, dass die Strahlung durch Cäsium und Strontium grossflächig auftritt und über Jahrzehnte fortdauert. Die Halbwertszeit8 der beiden Isotope beträgt 30 bzw. 28 Jahre. Wer nur die Exposition in den ersten 12 Monaten zugrunde legt, vernachlässigt den grössten Teil der Wirkungszeit der beiden Isotope, was zu einer verfälschten Dosisberechnung führt. Gemäss dem Stand der Wissenschaft führen auch geringe Strahlenmengen zu Krebs. Dies hat eine Studie vom Juni 2015 erneut bestätigt, die untersuchte, wie viele Krebstote es unter 6

http://www.atomschutzverband.ch/index.php?lg=1&top_id=8 ; http://www.atomschutzverband.ch/xs_daten/beznau_def_pestalozzi_G_112251_1167_127113_anonymisiert.pdf 7

Artikel 94 Absatz 4 heisst: „Bei Störfällen, die mit einer Häufigkeit zwischen 10-2 und 10-4 pro Jahr zu erwarten sind, muss der Betrieb so ausgelegt sein, dass die aus einem einzelnen Störfall resultierende Dosis für nichtberuflich strahlenexponierte Personen höchstens 1 mSv beträgt.“ Von einer Dosisbegrenzung auf eine Jahresstrahlung ist dort nicht die Rede. Die Berechnungsweise des ENSI ist deshalb rechtlich nicht statthaft.

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unter Halbwertszeit versteht man die Frist, während der die radioaktive Strahlung um die Hälfte abnimmt.

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300‘000 AKW-Arbeitern in Frankreich, Grossbritannien und USA für den Zeitraum von 1943 bis 2005 gegeben hat.9

Forderungen von TRAS 1. Beznau 1 und 2 sind sofort ausser Betrieb zu nehmen. 2. Die Dosisberechnung (ENSI-Richtlinie G14) bei Unfällen muss revidiert werden. Es sind alle Faktoren zu berücksichtigen, die zur effektiven Strahlendosis beitragen. 3. Stopp der Verzögerungstaktik: 17 Jahre sind verstrichen, seit die Prüfung der Erdbebensicherheit begonnen hat. Das ENSI soll bis Ende Jahr den über den Sicherheitsnachweis bei Erdbeben entscheiden und wo gegeben die vorsorgliche Ausserbetriebnahme ohne Verzug anordnen. 4. Alle Berichte des ENSI und die auch die gesamte sicherheitsrelevante Kommunikation mit den Betreibern sind der Öffentlichkeit lückenlos und kostenlos transparent zu machen. Das Katz-und-Maus-Spiel mit Informationen muss sofort aufhören. 5. Es ist eine unabhängige Untersuchung über die Qualität der Aufsichtstätigkeit von ENSI, ENSI-Rat und KNS durchzuführen. Dabei ist die Frage zu prüfen, wie viele Mitwisser über die Verletzung der gesetzlichen Grenzwerte Bescheid wussten und mit welchen Massnahmensolche Verfehlungen des ENSI verhindert werden können. Das Verfahren gegen Beznau wird bisher ausschliesslich aus Drittmitteln bezahlt, die TRAS von befreundeten Organisationen und Gemeinden erhält.

TRAS-Klage gegen die Atomkraftwerke Gösgen und Leibstadt wegen Bilanzfälschung Im Dezember 2012 haben der Trinationale Atomschutzverband (TRAS) und Greenpeace (Schweiz) Strafanzeige wegen Urkundenfälschung gegen die beiden genannten Kraftwerksgesellschaften eingereicht. Auch dieses Verfahren wurde aus Drittmitteln bezahlt, die TRAS von befreundeten Einzelpersonen und Organisationen erhielt. TRAS arbeitete auch bei dieser Klage eng mit Greenpeace Schweiz zusammen, die als Mitklägerin agierte. Rechtlich ging es darum, dass die beiden grossen Atomkraftwerk-Betreiber ihre Bilanzen fälschen, um den Mangel an Eigenkapital zu verschleiern. Die Bilanzen weisen um mehrere hundert Millionen Franken höhere Beträge für die Entsorgung und Stilllegung aus als in den entsprechenden Fonds per Stichtag 31.12. tatsächlich vorhanden waren. Ende des Verfahrens – und Anpassung der Bilanzen durch KKG und KKL! Die Staatsanwaltschaften der Kantone Aargau und Solothurn haben die beiden AKWBetreibergesellschaften vom Obligationenrecht (OR) dispensiert, obschon der Schweizerische Bundesrat in einer Interpellationsantwort ausdrücklich erklärt hatte, es gäbe für Atomkraftwerke keine Ausnahmen vom OR. TRAS beauftragte daraufhin die Anwältin, Frau Professor Monika Roth, mit einer Aufsichtsbeschwerde gegen die beiden Staatsanwaltschaften vorzugehen. Das Verfahren sorgte in den Medien für einiges Aufsehen und setzte die beiden Betreiber unter Druck. Auch die schweizerische Finanzkontrolle veröffentlichte einen Bericht, in dem die Finanzplanung der Stilllegungs- und Entsorgungsfonds kritische reflektiert wurde. Das Verfahren von TRAS wurde in allen Instanzen abgelehnt, die Aufsichtsbeschwerden ebenfalls. 9

Klervi Leuraud et al.: Ionising radiation and risk of death from leukaemia and lymphoma in radiation-monitored workers (INWORKS): an international cohort study, www.thelancet.com/haematology Published online June 22, 2015 http://dx.doi.org/10.1016/S2352-3026(15)00094-0

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Trotzdem ist der Fall interessant, weil die Betreiber die Rechnungslegung ab 2015 tatsächlich in dem Sinne geändert haben, wie dies von TRAS verlangt worden war, wenn auch nur teilweise (die vollen Entsorgungskosten stehen noch immer nicht als geschuldet in der Bilanz), aber immerhin werden die Vermögenswerte nun nicht mehr über dem Verkehrswert in der Bilanz ausgewiesen. Interessanterweise meldete sich nach Abschluss der Rechtsverfahren (endlich) auch die Gilde der Rechnungsrevisoren zu Wort – und zwar in der Zeitschrift „Rechnungswesen und Controlling“. Dort wurde das „bewusst unvorsichtige Bilanzierungsgebaren“ der beiden Gebaren der Kernkraftwerk-Betreiber als „irreführend“ und „nicht gesetzeskonform“ kritisiert.10

Energiepolitische Entwicklung in der Schweiz Noch ist das neue Energiegesetz vom Parlament nicht verabschiedet, welches den Neubau von Atomkraftwerken verbietet. Die Neuwahlen des Schweizer Parlaments haben im Oktober 2015 zu einem Rechtsrutsch geführt. Von einem eigentlichen Energiewendegesetz kann man bei der aktuell diskutierten Fassung nicht mehr sprechen. Der Gesetzesentwurf enthält folgende Eckpunkte, doch ist es noch nicht sicher, ob es die Schlussabstimmung im Juni 2016 passieren wird:  Verbot des Baus von neuen Atomkraftwerken  Keine Befristung der Laufzeiten bestehender Atomkraftwerke  Ablehnung eines Langzeit-Betriebskonzeptes, welches erhöhte Sicherheitsanforderungen für bestehende Atomkraftwerke bringen würde  Zuschüsse für bestehende Wasserkraftwerke und Aufstockung der erneuerbarenEnergien-Umlage vorwiegend zugunsten der Wasserkraft  Bewilligungsbeschleunigung für die Nutzung von erneuerbaren Energien  Absenkung der Einspeisevergütungen und Übergang zu einer Marktprämie  Ausbau und Weiterführung des Gebäudesanierungsprogramms  Weiterführung der CO2-Abgabe (inkl. Erhöhung), sollten die gesetzlichen CO2Reduktionen nicht erreicht werden. Die starken Marktverzerrungen zugunsten der Atomenergie werden in der Schweiz nach wie vor nicht beseitigt. Die Leistungen der Betreiber bei einem Unfall (Haftpflichtversicherung) bewegen sich weiterhin auf einem lächerlich kleinen Niveau von etwa einem Tausendstel der realistisch zu erwartenden Schäden. Auch für die Beibringung der Kosten für Stilllegung und Entsorgung wird den Betreibern übermässig viel Zeit eingeräumt, wobei das Gesetz die Möglichkeit vorsieht, a) dass die Fristen zur Finanzierung der Entsorgungskosten immer weiter hinausgeschoben werden dürfen und b) dass das Parlament den Betreibern mit Staatshilfe zu Hilfe eilen kann, wenn sie sich im Wettbewerb nicht mehr in der Lage fühlen, aus eigener Kraft für diese Kosten aufzukommen. Das eigentlich Perverse an der heutigen Situation ist, dass es nun zwar politisch gelungen ist, in der Schweiz neue Atomkraftwerke zu verhindern. Das ist ohne Zweifel ein wichtiger Erfolg, und gelungen ist er nicht nur mit politischem Druck, sondern auch mit wirtschaftlichen Methoden, dank Wettbewerb und Innovationen, dank Preisgarantien und Ausschreibungen im offenen Strommarkt. 10

https://issuu.com/mlendi/docs/gzd_ruc_0116_68seiten/15?e=2235091/34243261$ 16

Das eigentliche Problem heute sind die noch bestehenden Atomkraftwerke und die Aufsichtsbehörden, die dem wirtschaftlichen Druck nachgeben und die nötigen Investitionen von den Betreibern nicht mehr einfordern, weil die Betreiber de fakto pleite sind. Diese Situation ist noch gefährlicher als der Betrieb von Neuanlagen, und die geradezu fanatischen AKW-Befürworter bei der Axpo scheinen gewillt, die vom ENSI gewährten, grosszügigen Spielräume weitestgehend auszureizen, selbst wenn die Sicherheit dabei schon lange nicht mehr gewährleistet ist.

Schweizer Betreiber zerstritten – und in höchster Finanznot Ein neuer Aspekt ist die Tatsache, dass sich die drei grossen Betreiber-Gesellschaften BKW, Axpo und Alpiq nicht mehr einig sind, wie sie sich punkto Atomenergie positionieren wollen. Die BKW wird ihr Atomkraftwerk in Mühleberg spätestens 2019 definitiv schliessen und muss befürchten, finanziell auch für die anderen beiden Betreiber solidarisch zu haften. Die BKW hat inzwischen die Mitgliedschaft in der pro-Atom-Allianz („Swisselectric“) aufgekündigt. Kurt Rohrbach, langjähriger CEO und einer der führenden Promotoren der Kernenergie, gehört dem Verwaltungsrat nicht mehr an. Der ebenfalls börsenkotierte Alpiq-Konzern ist finanziell stark angeschlagen und hat Mühe, wegen des tiefen Ratings durch Finanzagenturen (BBBnegativ) die eigenen Investitionen zu refinanzieren. In einem gezielt der Presse zugespielten PR Papier wird mit Konkurs gedroht, wenn keine staatlichen Gelder zur Rettung der bestehenden (Atom-)Anlagen zur Verfügung gestellt werden. Nach heutigem Stand der Kenntnis müsste ein solcher Beschluss jedoch einem Referendum unterstellt werden; dort hätte das Projekt der Staatshilfe wohl nur dann eine Chance, wenn Staatsgelder ausschliesslich der Stilllegung von Atomkraftwerken dienen. Es gibt gewisse Hinweise, dass die neue Führung der Alpiq die Laufzeiten der eigenen Atomanlagen nicht ausreizen will, weil die Kosten zu hoch sind. Für diesen Fall unterstützt TRAS die Idee einer staatlichen Hilfe, wenn die Gelder ausschliesslich der Stilllegung dienen. Von einer geistigen Erneuerung noch weit entfernt erscheint der Atomkonzern Axpo. Trotz Milliardenverlusten und Betriebsstillstand in Beznau Block I will er das älteste Atomkraftwerk mindestens 60 Jahre laufen lassen. Allerdings wird die Axpo Betriebsleitung neuerdings politisch von den eigenen Besitzern düpiert. Die Züricher Kantonsregierung, welche fast 40 Prozent der Axpo Anteile vertritt, liess verlauten, dass sie die Axpo Beteiligung für die Versorgungssicherheit nicht mehr als nötig erachte. Eine Veräusserung der Axpo Anteile und damit faktisch ein Floating im offenen Markt werde ins Auge gefasst. Damit einher geht das Signal – und darum scheint es in Zürich vor allem zu gehen – man wolle nicht für die Verluste von Axpo einstehen. Allerdings dürfte der Axpo-Konzern, der 75% seiner Produktion aus Atomkraftwerken bezieht, faktisch unverkäuflich sein. Mittelfristig stehen auch die Axpo bzw. deren nukleare Tochtergesellschaften vor dem Risiko des Konkurses, wenn die Gestehungskosten noch einige Jahre so deutlich über den Strompreisen liegen wie heute.

Unkritische Aufsichtsbehörde ENSI Nach wie vor zu grössten Bedenken Anlass gibt die Tätigkeit der schweizerischen Aufsichtsbehörde, des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats ENSI. Nach aussen erweckt es gerne den Eindruck einer kritischen Behörde, doch faktisch ist das Gegenteil der Fall: jedes Atomkraftwerk wird schöngerechnet; die Unterlagen zur Beznau-Klage belegen dies mit Dutzenden von Textstellen.11

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Siehe die Verweise im Kapitel zur Beznau Klage

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Besonders bedenklich ist, dass das ENSI versucht, geltende Gesetze im Sinne der Betreiber neu zu interpretieren, sodass der Kerngehalt der Sicherheitsbestimmungen geschwächt wird und die Betreiber faktisch nach eigenem Gusto nachrüsten können oder eben nicht. Zwei Beispiele, wie Richtlinien umgedeutet und abgeschwächt werden, seien im Folgenden dargelegt. TRAS hat in beiden Fällen in der Vernehmlassung kritisch dazu Stellung genommen und wurde dabei von den Fachleuten des Kantons Basel-Stadt massgeblich unterstützt.

ENSI will Auslegungsgrundsätze für die Sicherheit verwässern Mit dem neuen Entwurf einer Richtlinie ENSI-G02 will das ENSI die Verpflichtung erfüllen, die sogenannten Safety Reference Levels (SRL) der Western European Nuclear Regulators Association (WENRA) in nationale Regelwerke umzusetzen. Die übergeordneten Auslegungskonzepte wie das Schutzzielkonzept, das Barrierenkonzept und das Konzept der gestaffelten Sicherheitsvorsorge sind im Kernenergiegesetz und in der Kernenergieverordnung geregelt, aber es fehlte bisher eine Konkretisierung dieser Konzepte. Lückenhaft und falsch Leider weicht der ENSI Entwurf erheblich von der in den WENRA SRL ab. Gewisse Abschnitte der WENRA SRL, wie z.B. E7 „Definition and application of technical acceptance criteria“ oder E10 „Instrumentation and control system“ werden im ENSI Entwurf gar nicht behandelt. Vor allem aber sollen die gesetzlichen Auslegungsgrundsätze unter Berücksichtigung der „Angemessenheit“ von Massnahmen umgesetzt werden. Dadurch werden wichtige Auslegungsgrundsätze nur noch „soweit möglich und angemessen“ durchgesetzt. Zu erwähnen sind etwa die Unabhängigkeit von Strukturen, Systemen und Komponenten zur Gewährleistung des Barrierenkonzepts (Abschnitt 4.2), der Grundsatz der Diversität und Redundanz, die funktionale Unabhängigkeit von redundanten Strängen sowie die räumliche Trennung von redundanten Strängen. Es geht also um die Kernaufgaben für die Gewährleistung von Sicherheit. Der Begriff „angemessen“ widerspricht dem bisher geltenden, zweistufigen Ansatz des Schutzkonzeptes. Letzteres besagt, dass im Sinne der Vorsorge grundsätzlich alle Vorkehren zu treffen sind, welche nach der Erfahrung und dem Stand von Wissenschaft und Technik notwendig sind. Eine Angemessenheitsprüfung für solche notwendigen Vorkehren kommt daher nicht in Betracht. Diese müssen vielmehr zwingend und unabhängig von finanziellen Überlegungen eingehalten werden (vgl. Art. 4 Abs. 3 Bst. a KEG, Botschaft KEG, BBL 2001 2759). Nur für weitere risikoreduzierende Massnahmen – d.h. für solche, welche nicht zwingend notwendig sind, aber zu einer weiteren Verminderung der Gefährdung beitragen können – ist zu prüfen, ob sie „angemessen“ sind und damit unter finanziellen Aspekten in einem adäquaten Kosten-Nutzen-Verhältnis stehen. „Zum Zeitpunkt der Errichtung“ In einem weiteren Schritt zur Verwässerung des geltenden Gesetzes will das ENSI nur Gefährdungsannahmen in Betracht ziehen, die „zum Zeitpunkt ihrer Errichtung“ bereits bekannt waren. Faktisch bedeutet dies, dass das ENSI die Kernkraftwerke aus der Pflicht entlässt die neuen Erkenntnisse der Erdbebenanalytik anzuwenden, die im Übrigen auch schon seit 20 Jahren bekannt sind.

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Geplante Verwässerung des geltenden Strahlenschutzgesetzes Frontalangriff auf den Strahlenschutz: ENSI will verbindliche Grenzwerte um den Faktor 100 abschwächen!

Mit der Einführung von Referenzwerten in der Strahlenschutzverordnung weit über dem Grenzwert von bisher 1 mSv pro Jahr strebt das ENSI eine Abschwächung der geltenden Maximaldosis an. Der Satz "... Expositionen oberhalb der Referenzwerte sind unangemessen und sollen verhindert werden." bedeutet faktisch, dass Dosen bis 100 mSv pro Jahr angemessen und akzeptierbar seien. Die Erhöhung der Dosis entspricht einer zusätzlichen vorzeitigen Todesrate von 5‰ (zu vergleichen mit der schweizerweiten Todesrate von 7.8‰ im Jahr 2014). Mit der Einführung von Referenzwerten oberhalb des Dosisgrenzwertes schwächt das ENSI den Grundsatz des Strahlenschutzes massiv und höhlt die gesetzlichen Bestimmungen faktisch aus. Die Verantwortlichen von Anlagen mit hohem Expositionspotential werden dazu verleitet, Ereignisse mit hoher Strahlenwirkung zu relativieren. In der Umgebung von KKW Anlagen werden somit potentielle Überschreitungen des Dosisgrenzwertes als "zu erwarten" erklärt und dadurch bagatellisiert, wodurch die betroffene Bevölkerung mitverantwortlich gemacht wird für eine allfällige Expositionen und den entsprechenden gesundheitlichen Schaden. Ziel des ENSI ist die Beweislastumkehr zugunsten der Betreiber Es scheint dem ENSI mit dem Wegfall von Grenzwerten darum zu gehen, die Beweislast umzukehren. „Grenzwerte“ sind eine Bringschuld der Betreiber. Werden die Betreiber von diesen Auflagen befreit oder gelten Grenzwerte nur noch als rechtlich unbestimmte Referenzwerte, dann wird das Verursacherprinzip auf den Kopf gestellt. In den Absichten des ENSI offenbart sich eine tief greifende Komplizenschaft des ENSI mit den Betreibern. Das ENSI operiert nicht unabhängig, es ergreift Partei. Es schützt die Betreiber statt die Bevölkerung.

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4. Zusammenarbeit und Zahl der Mitgliedschaften Zusammenarbeit mit Städten, Kantonen, Gemeinden Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Mitglieder nahezu stabil geblieben. Mit den Expertinnen und Experten des Kantons Basel-Stadt und der Stadt Freiburg pflegte das TRAS-Präsidium auch im vergangenen Jahr einen intensiven Dialog. Die ausserordentlich wertvolle fachliche Unterstützung sei an dieser Stelle erneut sehr herzlich verdankt. Beide Städte haben unseren Verband neben finanziellen Beiträgen durch ohre Fachexpertise massgeblich unterstützt. Für alle Präsentationen und für die rechtlichen Vorstösse waren diese Stellungnahmen unverzichtbar. Geschäftsstelle Die TRAS Geschäftsstelle wurde im Berichtsjahr von Frau Véronique Andreoli betreut, wobei es krankheitsbedingt zu erheblichen Ausfällen kam. Per Ende April 2016 wurde das Arbeitsverhältnis mit Frau Andreoli beendet. Die administrativen Arbeiten der Geschäftsstelle wurden von Frau Isabella Andretta übernommen, welche Herrn David Sarasin ersetzt. Interimistisch werden seit Anfang 2016 im Sinne einer Übergangslösung einige der Geschäftsführungsaufgaben von Rudolf Rechsteiner übernommen. Der TRAS Vorstand wird nach den Sommerferien darüber entscheiden, wie die Geschäftsführung in Zukunft definitiv neu geregelt werden soll. Mitgliederstatistik per 21.04.2016 Die Zahl der Gemeindemitglieder betrug zum Ende des Berichtsjahrs 99 (-6), jene der Organisationen 62 (-2, inkl. Kirchgemeinden) und die Zahl der Einzelmitglieder beträgt 125, 4 weniger als im Vorjahr. Die Zusammensetzung der Mitglieder auf einen Blick: 100 (+1) Politische Gemeinden (inkl. Landkreise) 61 (-1) Organisationen (inkl. Kirchgemeinden) Einzel- und Familienmitglieder 133 (+8) Der Verband mit seinen angeschlossenen Gemeinden (inkl. Basel-Stadt) repräsentiert eine Einwohnerzahl von über einer Million Menschen.

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Liste der TRAS-Mitglieder / Kategorie Politische Gemeinden (inkl. Landkreise) 27 Schweiz, 72 Deutschland, 1 Frankreich CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH

4123 4424 4144 4105 4102 4103 4117 4143 3926 4107 2902 4460 4438 4410 4419 4142 4104 4494 1228 4418 4153 4462 4125 2827 4450 4456 4106

D D D D D D D

79677 79280 79424 79415 79189 79410 79351 79282

D

Allschwil Arboldswil Arlesheim Biel-Benken Binningen Bottmingen Burg i. Leimental Dornach Embd Ettingen Fontenais Gelterkinden Langenbruck Liestal Lupsingen Münchenstein Oberwil Oltingen Plan-les-Ouates Reigoldswil Reinach Rickenbach Riehen Schelten Sissach Tenniken Therwil Aitern Au Auggen Bad Bellingen Bad Krozingen Badenweiler Bahlingen a. K. BallrechtenDottingen

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79589 79677 79283 79268 79206 79256 79426 79211 79285 79588 79238 79356 79591 79312 79346 79868 79592 79098 79288 79639 79194 79423 79194 79289 79241 79594 79400 79341 79199 79104

Binzen Böllen Bollschweil Bötzingen Breisach a.Rh. Buchenbach Buggingen Denzlingen Ebringen Efringen-Kirchen Ehrenkirchen Eichstetten a. K. Eimeldingen Emmendingen (Stadt) Endingen Feldberg Fischingen Freiburg (Stadt) Gottenheim GrenzachWyhlen Gundelfingen Heitersheim Heuweiler Horben Ihringen Inzlingen Kandern Kenzingen Kirchzarten Landkreis Breisg.-

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79539 Lörrach (Stadt) 79429 Malsburg-Marzell 79364 Malterdingen 79232 March 79291 Merdingen 79249 Merzhausen 79379 Müllheim 79244 Münstertal 79292 Pfaffenweiler 79276 Reute 79361 Sasbach a. K. 79227 Schallstadt 79416 Schliengen 79677 Schönau 79650 Schopfheim 79350 Sexau 79294 Sölden 79271 St. Peter 79219 Staufen i. Br. 79252 Stegen 79295 Sulzburg 79331 Teningen 79224 Umkirch 79235 Vogtsburg i. K. 79279 Vörstetten 79183 Waldkirch 79576 Weil am Rhein 79367 Weisweil a. Rh. 79677 Wembach 79297 Winden i. Elztal 79299 Wittnau 79369 Wyhl a. K.

F

67600 Muttersholtz

Hochschwarzwald

79312 Landkreis Emmendingen 79539 Landkreis Lörrach

Liste der TRAS-Mitglieder / Kategorie Organisationen (incl. Kirchgemeinden) 7 Schweiz, 50 Deutschland, 5 Frankreich CH

4127 Birsfelden

Evang.-Reform. Kirchgemeinde Birsfelden

CH CH CH CH CH

4055 4144 4433 4056 4051

Firma Ahorn-Apotheke Gewaltfreie Aktion Kaiseraugst GAK Junges Grünes Bündnis Nordwest NWA Nie wieder Atomkraftwerke PSR / IPPNW Schweiz

CH

4058 Basel

WWF Region Basel

D D

79379 Müllheim 79312 Emmendingen

AGUS Markgräflerland Badisch-Elsässische Bürgerinitiative

Basel Arlesheim Ramlinsburg Basel Basel

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79115 Freiburg 79418 Schliengen 79299 Wittnau 79291 Merdingen 79219 Staufen 79194 Gundelfingen 79677 Schönau 79115 Freiburg 79379 Müllheim 79189 Bad Krozingen 79269 Bötzingen 79379 Müllheim-Britzingen 79238 Ehrenkirchen 79312 Emmendingen 79241 Ihringen 79232 March-Buchheim 79379 Müllheim 79379 Müllheim-Hügelheim

Bündnis90 – Die Grünen, Müllheim-Neuenburg BUND-Ortsgruppe Bad Bellingen-Schliengen BUND-Ortsgruppe Schönberg BUND-Ortsverband Merdingen Bürgerinitiative Umweltschutz Staufen ECOtrinova e.V. Eltern für atomfreie Zukunft e.V. Evang. Dekanat Breisgau-Hochschwarzwald Evang. Johannesgemeinde / Pfarrgemeinde Südwest Evang. Kirchgemeinde Bad Krozingen Evang. Kirchgemeinde Bötzingen Evang. Kirchgemeinde Britzingen Evang. Kirchgemeinde Ehrenk.-Bollschweil Evang. Kirchgemeinde Emmendingen Evang. Kirchgemeinde Ihringen Evang. Kirchgemeinde March Evang. Kirchgemeinde Müllheim Evang. Pfarramt Müllheim-Hügelheim

D D D D D D D D D D D D D D D D D D

79104 79219 79677 79312 79110 79379 79100 79104

Freiburg Staufen Schönau Emmendingen Freiburg Müllheim Freiburg Freiburg

Fabrik f. Handwerk, Kultur und Ökologie e.V. Firma BiTou GmbH Firma E-Werke Schönau Vertriebs GmbH Firma Emmendinger Erneuerbare Energie GmbH Firma Energieagentur Regio Freiburg GmbH Firma EnVPro (Energie- u. Verfahrens-Technik) Firma fesa GmbH Firma focus.re GmbH & Co KG

79212 79369 79115 79115 79098 79424 79115 79294 79238 79868

Staufen Wyhl Freiburg Freiburg Freiburg Auggen Freiburg Sölden Kirchhofen Feldberg

Firma ZBÖ Dämmtechnik GmbH Förderverein ZukunftsEnergien Solarregio Kaiserstuhl Fraktionsgemeinschaft Junges Freiburg - Die Grünen Fraktion B90 – Die Grünen i. Reg.verb. Südl.Oberrhein Freiburg Wirtschaft-Touristik-Messe GmbH Freie Wähler Auggen ISES International Solar Energy Society e.V. Kath. Dekanat Breisach-Neuenburg Kath. Kirchgemeinde Batzenberg - Obere Möhlin Kath. Pfarrgemeinde Feldberg (St. Wendelin)

D D D D D D D D D D D D

79235 70173 79423 79100 79576 79285 79268 79206 79291 79395 79206 79219

Vogtsburg Stuttgart Heitersheim Freiburg Weil am Rhein Ebringen Bötzingen Breisach Merdingen Neuenburg Breisach Staufen

Naturschutzbund NABU Kaiserstuhl SPD Fraktion Landtag Baden-Württemberg SPD Gemeinderatsfraktion Heitersheim SPD Kreisverband Breisgau-Hochschwarzwald SPD Kreisverband Lörrach SPD Ortsverein Batzenberg SPD Ortsverein Bötzingen SPD Ortsverein Breisach SPD Ortsverein Merdingen SPD Ortsverein Neuenburg Umweltliste Breisach e.V. Umweltliste Staufen

F F F F F

67000 67130 68740 69317 68000

Strasbourg Fréconrupt Fessenheim Lyon / Cedex 04 Colmar

Association Alsace Nature (AFRPN) Association C.S.F.R. Société LTEC (Industr. Verfahrenstechnik, Fotovoltaik) RÉSEAU "Sortir du Nucléaire" Association STOP FESSENHEIM

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5. Zusammensetzung des Vorstands Der TRAS-Vorstand setzte sich im Jahre 2014/2015 wie folgt zusammen:

aus der Schweiz Prof. Dr. Jürg Stöcklin (Präsident), alt-Grossrat Grüne Balint Csontos (Junges Grünes Bündnis Nordwest) Andreas Fischer (Grossrat, Grüne Aargau) Jost Müller, WWF Region Basel Dr. Rudolf Rechsteiner (Vize-Präsident), alt-Nationalrat SP David Studer parteilos, Advokat

aus Frankreich Claude Ledergerber, (Vize-Präsident), Mitglied Commission locale d’information et de surveillance (CLIS) und Comité pour la Sauvegarde de Fessenheim et de la plaine du Rhin (CSFR) Dr. Jean-Marie Brom, Sortir du nucléaire, Strasbourg Aline Baumann, Stop Fessenheim, Colmar

aus Deutschland Jean Paul Lacôte (SPD), Mitglied Commission locale d’information et de surveillance (CLIS) Harald Lotis (parteilos), Bürgermeister von Bahlingen Axel Mayer (Vize-Präsident), Geschäftsführer, BUND Heinz Wolfgang Spranger (CDU), Gemeinderat Ballrechten-Dottingen Gerda Stuchlik (Die Grünen), Umweltbürgermeisterin, Freiburg i.B. Dr. Dieter Wörner, bis 2013 Leiter Umweltschutzamt Stadt Freiburg (D) / mit beratender Stimme Dr. Klaus von Zahn, Leiter Umweltschutzamt Stadt Freiburg (D) / mit beratender Stimme

Delegierter des Kantons Basel-Stadt Dr. Philipp Hübner, Kantonschemiker, Gesundheitsdepartement / mit beratender Stimme

Beisitzer: Dr. Stephan Husen, Abt. Gesundheitsschutz Basel-Stadt / mit beratender Stimme Dr. André Herrmann, ehem. Kantonschemiker Basel-Stadt / mit beratender Stimme

Allen Vorstandsmitgliedern und den Delegierten mit beratender Stimme des Kantons BaselStadt und der Stadt Freiburg sei an dieser Stelle für ihre Mitarbeit herzlich gedankt. Der Präsident

Prof. Dr. Jürg Stöcklin

Basel, 25.04.2016

Anhang:    

Schreiben von Franz Untersteller an MDB Andreae Schreiben an Herrn Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Text ging wortgleich an Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel) Schreiben von Frau Bundesrätin Simonetta Sommaruga an die Anwältin von TRAS Analyse der Situation in Frankreich von Denis Baupin, Vize-Präsident der Nationalversammlung (Übersetzung) 23

6. Anhang

24

EINGEGANGEN

Baden-Württemberg

3U. NOV. 2015

MINISTERIUM FÜR UMWELT, KLIMA UND ENERGIEWIRTSCHAFT DER MINISTER Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg Postfach 103439 • 70029 Stuttgart

Frau Kerstin Andreae MdB Haslacher Str. 61 79115 Freiburg

Stuttgart

Z5. NOV. 2015

Durchwahl 0711 126-2607 Aktenzeichen 3-4654.21 (Bitte bei Antwort angeben!)

Sehr geehrte Frau Abgeordnete,

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1.

1

vielen Dank für Ihr E-Mail-Schreiben vom 14. Oktober 2015 zur Diskussion um die Abschaltung des Atomkraftwerks Fessenheim. Sie sprechen in dieser E-Mail zwei Punkte an, die von der TRAS und dem französischen Abgeordneten und Vizepräsidenten der Nationalversammlung Denis Baupin ins Gespräch gebracht wurden. Zuerst zum TRAS-Vorschlag, die Abschaltung des Atomkraftwerks Fessenheim in einem Staatsvertrag verbindlich zu machen. Neben dem Vorteil einer hohen Verbindlichkeit für einen festgelegten Abschaltzeitpunkt sehe ich verschiedene Nachteile bei einem solchen Vorgehen. Ich sehe wie Sie den Zeitraum, der für die Aushandlung, den Abschluss und die Ratifizierung eines solchen Vertrags bleibt, als sehr kurz an. Ein solcher Vertrag müsste mehr als nur die Abschaltung von Fessenheim und eine finanzielle Kompensation beinhalten. Sinnvoll wäre ein größeres Energieabkommen, in dem der Punkt „Abschaltung Fessenheim" mit enthalten ist. Angesichts der Kurzfristigkeit besteht die Gefahr, dass in einem Abkommen 2016 ein Abschalttermin weit nach 2016 vereinbart würde. Zudem könnte in der politischen Diskussion in Frankreich die Abschaltung von Fessenheim als von Deutschland oktroyiert und die Vereinbarung mit Deutschland als Schwäche der franzosischen Regierung dargestellt werden. Ich möchte auch nicht, dass mit dem Atomkraftwerk Fessenheim ein Präzedenzfall geschaffen wird, nach dem ein Nachbarland oder eine Nachbarregion für ihre Sicherheit zu zahlen haben.

Kemerplatz 9 · 70182 Stuttgart (WS: Staatsgalerie) Behindertengerechte Parkplätze vorhanden Telefon 071 1 126-0 · Telefax 0711 126-2881 · [email protected] www.um.baden-wuerttemberg.de · www.service-bw.de DIN EN ISO 50001:2011 zertifiziert

*****

9cJf EMAS

-2-

Bei einem Deutsch-Französischen Staatsvertrag sehe ich die Akteure in Paris und in Berlin in Verantwortung. Hier muss die Bundesregierung entscheiden, ob ein Energie- oder Wirtschaftsabkommen in Vorbereitung ist, in das der Punkt "Abschaltung Fessenheim" aufgenommen werden kann. Auf jeden Fall erwarte ich von der Bundesregierung, dass sie nachhakt und stärker als bisher auf die rasche Abschaltung Fessenheims drängt, zumal die französische Umweltministerin Royal der Bundesumweltministerin Hendricks noch zu Beginn dieses Jahres schriftlich versichert hatte, dass Frankreich an der Schließung von Fessenheim in der aktuellen Amtszeit von Präsident Heilande festhält. Zu Ihrer Information übersende ich Ihnen anbei auch eine Kopie meiner Antwort an die TRAS. Zu den Hinweisen des Abgeordneten Baupin: Wenn seine Aussagen in dem Interview mit Monika Le Floch-Wierzoch richtig wieder gegeben sind, müsste EDF bis zum 11. Oktober 2015 einen "Betriebsaufnahmeantrag" stellen und mit dem Abschalten von zwei Reaktoren „beginnen". Davon war weder vor noch nach dem Termin ewas aus anderen Quellen zu hören. Ich selbst habe diesen Punkt bisher auch nicht öffentlich kommentiert, da ich mir nicht sicher bin, ob hier nicht Missverständnisse vorliegen. Schon der Sprachgebrauch "Stilllegung anderer Reaktoren einleiten" und "gleiche Menge Atomstrom vom Netz nehmen" deutet an, dass es hier um eine Benennung der abzuschaltenden Anlagen geht und die tatsächliche Abschaltung erst mit der Stromproduktion des neuen EPR erfolgen wird . Für uns stellt sich die Situation wie folgt dar: EDF benötigt für den neuen EPR eine Betriebsgenehmigung. Sie muss mindestens 18 Monate, bevor der EPR Strom ins Netz einspeist, erteilt werden. Die Betriebsgenehmigung kann nach dem neuen Gesetz nur erteilt werden, wenn die gesamte nukleare Erzeugungskapazität 63,2 GW nicht übersteigt. Daher muss EDF spätestens 18 Monate vor der Stromeinspeisung durch den EPR ankündigen, welche Reaktoren dann abgeschaltet werden. Ein anderer Punkt betrifft die Errichtungsgenehmigung für den EPR, die im April 2007 mit einer Zeitdauer von 10 Jahren erteilt wurde. EDF hat nach unserer Kenntnis bei der französischen Umweltministerin eine Verlängerung der Errichtungsgenehmigung um drei Jahre beantragt. Dabei hat EDF wohl erklärt, dass der politische Wunsch akzeptiert würde, mit der Inbetriebnahme des EPR speziell die beiden Blöcke in Fessenheim abzuschalten . Eine definitive Ankündigung, welche Reaktorblöcke abgeschaltet werden , ist erst 18 Monate vor der Inbetriebnahme des EPR erforderlich. Nach der jetzigen Planung sei die Inbetriebnahme Ende 2018 vorgesehen, so dass die offizielle Ankündigung der Abschaltung der beiden Reaktoren in Fessenheim Mitte 2017 erfolgen würde.

-3-

Diese Entwicklungen passen zu den neueren Aussagen der französischen Politik, dass nach dem neuen Energiewendegesetz mit der Inbetriebnahme des EPR die definitive Abschaltung von Reaktoren erfolgt und dass dies die beiden Reaktoren in Fessenheim sein werden. Aus der Abschaltung von Fessenheim in dieser Amtsperiode ist damit die

definitive Festlegung der Abschaltung von Fessenheim in dieser Amtsperiode geworden. Die tatsächliche Abschaltung würde demnach später, nämlich wenn der EPR Strom produziert, erfolgen. Daher werde ich weiterhin deutlich machen, dass eine rasche Abschaltung des Atomkraftwerks Fessenheim aus Sicherheitsgründen erforderlich ist. Ich habe eine Aktualisierung unseres früheren Gutachtens zum Atomkraftwerk Fessenheim in Auftrag gegeben. Das Gutachten wird in den nächsten Wochen vorgestellt. Es zeigt sich bereits, dass die in den letzten Jahren geplanten oder vorgenommenen Verbesserungsmaßnahmen nur punktuelle Verbesserungen bewirken und die grundlegenden Schwachstellen weiterhin bestehen bleiben. Wenn das Gutachten auch ins Französische übersetzt vorliegt, werde ich die französische Regierung und die Atombehörde ASN auf diese Sicherheitsdefizite hinweisen und erneut auf die sofortige Abschaltung drängen.

Franz Untersteller Mdl

Schweizerische Eidgenossenschaft Conf eder ation suisse Confederazione Svizzera Confederaziun

Die Vorsteherin des Eidgenössischen POlizeidepartements EJPD

Justiz- und

svizra

P.P. CH-3003 Bern, GS-EJPD

Frau Prof. Dr. iur. Monika Roth roth schwarz roth Kanzlei für Mediation und Advokatur Gartenstrasse 20 Postfach 326 4102 Binningen 1

---_.~--Bern,

-----8. April

2016

Das OR und die Bilanzierung bei Kernkraftwerken Sehr geehrte Frau Roth In Ihrem Schreiben vom 9. März 2016 legen Sie den Standpunkt Ihrer Mandanten dar, dass sich die zwei Aktiengesellschaften, welche die Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt betreiben, nicht oder nur teilweise an die einschlägigen Rechnungslegungsvorschriften des Obligationenrechts (OR) gehalten hätten. Die Verfahren wegen Falschbeurkundung der Bilanzen 2011 seien eingestellt worden. Dabei erstaune aber, dass die zuständigen Staatsanwaltschaften das OR ausdrücklich für nicht anwendbar erklärt hätten. Aufgrund des Prinzips der Gewaltentrennung kann ich mich zu den Einzelheiten Ihres Schreibens nicht äussern. Der Bundesrat hat am 20. Februar 2013 auf die von Ihnen erwähnte Motion von Frau Ständerätin Fetz eantwortet dass Schweizer Aktien esel/schaft an die Vorgaben des OR gebunden sind. Zudem sehe das Kernenergiegesetz - im Gegensatz z. B. zur Bankengesetzgebung - keine besonderen Rechnungslegungsvorschriften vor. Die damalige Antwort auf die Motion wurde vom zuständigen Eidg. Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation vorbereitet. Die Antwort des Bundesrates ist öffentlich zugänglich. Mit besten Grüssen

~:~=.y Bundesrätin

Bundeshaus West, 3003 Bem www.ejpd.admin.ch

Rede des französischen Abgeordneten und Vizepräsidenten der  Nationalversammlung, Denis Baupin,   Zur Lage der Atomwirtschaft in Frankreich    Herr Präsident, Herr Minister, Wenn sich eines mittlerweile als Märchen herausgestellt hat, dann mit Sicherheit die Mär vom billigen Atomstrom. Der Mythos hat nach den Berichten des Rechnungshofs, der Quasipleite von AREVA und der mittlerweile kaum mehr zu versteckenden Anfälligkeit von EDF seinen Glanz verloren, der Koloss stand unzweifelhaft auf tönernen Füssen. Dies alles bestätigt außerdem die Schlussfolgerungen des Berichts unserer Untersuchungskommission zu den Kosten der Kernenergie, dessen Titel aktueller klingt denn je: « Vom goldenen Zeitalter zur Wende ». Die Kosten dieser über Jahrzehnte gehegten und gepflegten Chimäre stellen sich als astronomisch heraus. Und als Gipfel der Ungerechtigkeit werden am Ende nicht diejenigen die Zeche zahlen, die den größten Teil dieses Atomstroms verbraucht haben (denn der Preis wurde künstlich niedrig gehalten, auch durch den Verzicht auf Investitionen), sondern die Steuerzahler der Gegenwart und der Zukunft. Noch schwerwiegender: Die wahren Kosten kommen zum denkbar ungünstigsten Moment ans Licht. Genau zu einem Zeitpunkt, da sich die ganze Welt von den alten, endlichen Energien abwendet um den Übergang zu den erneuerbaren Energien zu finanzieren, müssten erneut Dutzende Milliarden investiert werden, um veraltende Anlagen einer obsoleten Energieform zu flicken. Währenddessen investieren unsere Nachbarn, und damit unsere potenziellen Konkurrenten, in Innovation, Zukunftsenergien, Wind- und Sonnenenergie der neuen Generation mit hohem Wirkungsgrad, intelligente Netze, Laststeuerung, Energieeffizienz, Energiespeicherung, Eigenproduktion, Haustechnik und die Möglichkeit für den Verbraucher, Verbrauch und Erzeugung selbst zu steuern. Zu einer Zeit da die ganze Welt zur Elektrizität 2.0 übergeht, müssen wir entscheiden ob wir weiter im Frankreich von Pompidou leben wollen, mit seiner jakobinischen, zentralisierten Organisation, oder ob wir in der Moderne, im 21. Jahrhundert ankommen möchten. All das halten Sie für übertrieben? Dann hören Sie sich einmal an, was Jacques Repussard, der ehemalige Generaldirektor des IRSN, vor einigen Tagen in der Wirtschaftszeitung Les Echos erklärte: « Eine Strategie von vor dreißig Jahren. Es gibt da ein altes Dogma, an das sich niemand herantraut, und eine kollektive Angst, diese Themen anzugehen. »

korrigiert…was den Kosten für den Bau des bestehenden KKW-Parks entspricht,



Eine Verschuldung, die der Wirtschaftsminister in der vergangenen Woche in einer Kommissionssitzung neu mit 60 Milliarden Euro veranschlagt.



Zu alldem ließe sich noch einiges hinzufügen: die Unterbewertung [des Endlagerprojekts] von CIGEO und die Rückbaukosten, die Übernahme von Teilen von AREVA, dessen Produktionsstandorte derzeit auf Herstellungsmängel auditiert werden, die Explosion von Budgets und Kosten der Kernreaktoren in Flamanville und in Finnland, die übergeordneten systematischen Fehler, die in den alternden Reaktoren vermehrt auftreten, besonders an so sicherheitsrelevanten Anlagenkomponenten wie den Notstromdieseln, die Verwundbarkeit gegenüber terroristischen Anschlägen, die zwangsläufig zu weiteren Mehrkosten für die Sicherung der Anlagen führen wird.

Denn in der Kernenergie läuft alles auf die immer gleichen Fragen hinaus: Wenn die Kosten explodieren, das Geschäftsmodell zusammengebrochen ist, wenn eine Aufsichtsbehörde eingerichtet wurde, die über Leben und Tod jeder einzelnen Anlage entscheiden kann, dann ist all das nicht ihrem mehr als schwachen Wirkungsgrad geschuldet oder der Tatsache, dass wir zu 100% von Uranimporten abhängig sind, sondern ihrer inhärenten Gefährlichkeit in Bezug auf das Risiko eines schweren Unfalls (der in Frankreich durchaus möglich ist, wie es die Aufsichtsbehörde immer wieder erklärt, aufgrund einer Naturkatastrophe, eines Attentats, eines Flugzeugabsturzes, eines menschlichen Fehlers oder ganz einfach der Überalterung der Anlagen), dasselbe gilt für die Abfälle, die über tausende von Jahren radioaktiv sind, und das Risiko der nuklearen Proliferation. All das macht diese Technologie so anders als alle anderen. Wissenschaftlich faszinierend ist sie, die Fähigkeit Atome zu spalten. Aber viel zu instabil für eine sichere industrielle Nutzung. Wenige Wochen nach dem fünften Jahrestag von Fukushima und kurz vor dem 30. Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl sollte man sich anhören, was Naoto Kan, der damalige japanische Premierminister, und Michail Gorbatschow zu sagen haben: Beide plädieren für ein Ende dieser Industrie, denn die furchtbaren Konsequenzen eines nuklearen Unfalls übersteigen den Nutzen dieser Technologie bei weitem.

Ja, die Warnsignale häufen sich:

• •

EDF scheidet aus dem Börsenindex CAC 40 aus, Aufsehenerregender Rücktritt des Finanzdirektors, genau während der Verhandlungen über eine der umfangreichsten Investitionen der Unternehmensgeschichte,



Absturz des Aktienkurses des Unternehmens unter 10 €: In sieben Jahren haben sich so 150 Milliarden Euro Börsenwert in Nichts aufgelöst, zu 85 % zu Lasten des Staates und damit der Steuerzahler,



Verdreifachung der Wartungsund Instandhaltungskosten einer alternden Kraftwerksflotte,



Gigantischer Investitionsbedarf, beginnend mit den Renovierungsarbeiten des Grand Carénage, von EDF ursprünglich auf 55 Milliarden geschätzt, inzwischen vom Rechnungshof auf 100 Milliarden

Gerade weil dieses Risiko omnipräsent ist, ist es immer wieder erstaunlich, Kommentatoren zu hören, deren Analysen unweigerlich auf einer auf Ewigkeit angelegten Kernenergie aufbauen. Ich will ja kein Salz in Wunden streuen und auf die Unfähigkeit unserer Industrie hinweisen, neue Kernkraftwerke zu bauen...wenigstens fristgerecht und im Rahmen eines Budgets, das zumindest noch vage an die Zahlen erinnert, die zum Zeitpunkt der Bauentscheidung verkündet wurden. Niemand, nicht einmal EDF, wagt es heute, den Preis einer MWh zu schätzen, die die im Bau befindlichen EPR-Kernkraftwerke produzieren sollen. Zur Beschwichtigung wird uns mitgeteilt, dass es sich dabei um eine „Vorläufer“-Anlage handelt. Betrachtet man allerdings Hinkley Point, ein Kraftwerk, das laut EDF von Lerneffekten p rofitieren soll, so soll dort Strom zum Dreifachen des heutigen britischen Strompreises erzeugt werden, 30% teurer als Windstrom der aktuellen Generation und somit etwa 50% teurer als der Windstrom kommender Generationen.

Man ist übrigens so wenig überzeugt von der EPR-Technologie, dass die Reaktoren von Hinkley Point, falls sie denn je gebaut werden, die letzten sein werden. Denn schon heute wird das neue Modell des EPR angekündigt, unter der pompösen Bezeichnung « EPR 2.0 ». Und man verspricht hoch und heilig, dass er diesmal aber wirklich günstig und wettbewerbsfähig sein wird! Nur, wer kann daran noch glauben? Da die neue Kernenergie bislang reine Hypothese und abschreckend teuer ist, hat sich die Industrie darauf verlegt zu versuchen, die Betriebszeit ihrer existierenden Reaktoren zu verlängern, obwohl dies anfangs so nicht vorgesehen war. Und versucht sich einzureden, dass es hier um eine reine Formalität handelt. Doch genau hier versteckt sich die größte Belastung für die Zukunft von EDF, die schwerer wiegt als alles, was ich bereits angesprochen habe. Die Aufsichtsbehörde ASN sagt es bei jedem Anlass: ES GIBT KEINERLEI GARANTIE FÜR EINE VERLÄNGERUNG ÜBER 40 JAHRE HINAUS. Und zwar nicht nur, weil nichts garantiert, dass Reaktordruckbehälter und Containment länger als 40 Jahre halten werden – hier der Hinweis, dass der älteste Reaktor der Welt in der Schweiz steht, in Beznau, 45 Jahre alt ist und aufgrund zahlreicher Risse seines Reaktordruckbehälters abgeschaltet wurde. Aber noch darüber hinaus hat die ASN schon immer deutlich gemacht, dass sie weitere Ertüchtigungsmassnahmen verlangen werde, von denen PF Chevet in der Kommissionssitzung vor zwei Wochen sagte, dass einige davon mit Sicherheit noch nicht in die veranschlagten 100 Milliarden des Grand Carénage einbezogen wurden. Die Fragestellung zur Verlängerung der Reaktorlaufzeit über 40 Jahre hinaus umfasst zwei Aspekte: einen technischen – können die Anlagen noch weitere 10 Jahre halten? – und einen wirtschaftlichen: Was ist rentabler – für 10 Jahre Betrieb Milliarden in Flickschusterei an alten Anlagen zu investieren, oder in neue Produktionsanlagen? Daraus ergibt sich eine Frage, die sich alle Verantwortlichen in der Industrie, aber auch der Politik, zu stellen haben: Soll man warten, bis man gegen 2020 mit dem Rücken zur Wand steht, um zu reagieren falls die Risiken sich zumindest teilweise als unüberwindlich herausstellen, oder antizipiert man und bereitet einen alternativen Plan B vor? In gewisser Weise gibt es diesen Plan B ja auch schon. Oder zumindest seine Ausrichtungen. Das Energiewendegesetz gibt diese Orientierung vor und reduziert den Anteil der Kernenergie um ein Drittel. Allerdings müssen den Worten noch die Taten folgen. In Form der Veröffentlichung einer mehrjährigen, gesetzeskonformen Energieplanung, die diese Wende schrittweise organisiert. Dies allein reicht aber nicht. Frankreich verfügt über eine renommierte Energieindustrie. Wie wir sehen, sind einige dieser Unternehmen in bedrohlicher Situation. Zum ersten Mal haben ihre Mitarbeiter verstanden, dass auch diese Unternehmen sterblich sind. Wir glauben jedoch, dass sie noch gerettet werden können. Aber Vorsicht vor falschen Diagnosen. D i e Krise dieser Industrie ist keine konjunkturelle, sondern eine strukturelle Krise, wie für alle Energieunternehmen. Solange sie aber davon ausgehen, dass die Energiewende, die vor unseren Augen überall in der Welt stattfindet, pure Häresie ist, schaufeln sie sich weiter ihr eigenes Grab. Man kann nicht zu den Siegern gehören, wenn man noch an seinem Minitel hängt, während der Rest der Welt im Internet surft. Es gibt andere Mega-Unternehmen, die als « unsinkbar » galten, wie Kodak – sie sind innerhalb weniger Jahre verschwunden, weil sie es versäumt haben, rechtzeitig die technologische Kurve zu nehmen. Unsere politische Mehrheit hat sich mit Recht für die Energiewende entschieden. Es ist daher völlig kontraproduktiv zuzulassen, dass unser größtes Industrieunternehmen immer

tiefer in seinem akuten nuklearen Delirium versinkt. Obwohl eine Diversifizierung an der Tagesordnung wäre, sieht die Investitionskurve vor, das Exposure gegenüber nuklearem Risiko, das bereits bei über 70 % liegt, weiter zu verstärken! Das ist umso inkonsequenter als das Unternehmen selbst hervorhebt, dass die aktuellen Überkapazitäten für den Preisrückgang auf den europäischen Märkten verantwortlich sind. 12 unserer Reaktoren werden ausschließlich für den Export genutzt und tragen genau wie zahlreiche deutsche Kohlekraftwerke zu diesen Überkapazitäten bei. Schlagen wir doch zwei Fliegen mit einer Klappe: Stimmen wir uns mit dem Nachbarn ab, reduzieren wir unsere Überkapazitäten auf beiden Seiten der Grenze, beginnend mit Fessenheim. So reduzieren wir die Kosten für die Nachrüstung und garantieren dank des Anstiegs der Preise eine höhere Rentabilität. Und zeigen damit, dass Ansätze für ein Europa der Energie möglich sind. Und stellen wir das pharaonische Projekt Hinkley Point auf den Prüfstand. Die Enthüllungen dieses Wochenendes über den internen Prüfbericht bestätigen, dass EDF unverhältnismäßige Risiken eingeht. In dieser Situation ist es nicht überraschend, dass alle Gewerkschaften sich einstimmig, und dies zum ersten Mal in ihrer Geschichte, gegen ein Nuklearprojekt aussprechen. Nicht überraschend, dass die Aktie an der Börse immer weiter sinkt und die Ratingagenturen sich anschicken, EDF zurückzustufen. Die Agenturen halten das Projekt offensichtlich nicht für das Geschäft des Jahrhunderts. Den besten Beweis dafür liefert die Aussage, dass EDF eine Kapitalaufstockung durch den Staat benötigt um das Projekt durchzuführen. Nebenbei sei bemerkt, dass diese zusätzlichen staatlichen Stützmaßnahmen nicht nur die enormen Kosten der Kernenergie für den Steuerzahler bestätigen, sondern mit einiger Wahrscheinlichkeit von Brüssel nicht abgesegnet würden. Und vor allem sei die Überlegung erlaubt, wenn EDF mit Milliardenzahlungen unterstützt wird, sind diese dann besser angelegt für den Bau einer bereits überholten Nukleartechnologie in Großbritannien, oder für Investitionen in Zukunftstechnologien in unseren Regionen? Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fasse zusammen, Der Wandel hat begonnen. Er wird nicht auf uns warten. 2015 waren zum ersten Mal größere Kapazitäten erneuerbarer Energien installiert als die Summe aller anderen Energien, weltweit. N a c h IRENA könnten die Erneuerbaren bis 2030 24 Millionen Arbeitsplätze schaffen. In Frankreich streichen die Kernenergiefirmen bereits heute Stellen über Stellen, während die Erneuerbaren jedes Jahr tausende Arbeitsplätze schaffen. Das Potenzial ist enorm, wenn es uns nur gelingt, den Übergang zu neuen Beschäftigungen zu organisieren. Darum, für unsere Arbeitsplätze, für unsere Industrie, für unsere Kaufkraft, für unsere Regionen, für unsere Umwelt, und auch für unsere nationale Unabhängigkeit – es ist Zeit, das Energiewendegesetz umzusetzen.