Wirkungsforschung in den Hilfen zur Erziehung

NACHHALTIGE ENTWICKLUNG BEI DEN HILFEN ZUR ERZIEHUNG?! Wirkungsforschung in den Hilfen zur Erziehung Prof. Dr. Michael Macsenaere IKJ – Institut für ...
Author: Kevin Wagner
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NACHHALTIGE ENTWICKLUNG BEI DEN HILFEN ZUR ERZIEHUNG?!

Wirkungsforschung in den Hilfen zur Erziehung Prof. Dr. Michael Macsenaere IKJ – Institut für Kinder- und Jugendhilfe Johannes Gutenberg-Universität Mainz Universität zu Köln Hochschule Niederrhein

Jugendhilfeforschung vor 1995 Vor 1970: kaum existent 70er Jahre: erste Arbeiten • „labelling approach“ (z. B. Herringer, 1979; Keckeisen, 1974; Schumann, 1975) • Organisationsformen von Heimerziehung (z. B. Fühne et al., 1979; Hochmair et al., 1976; Piorkowski-Wühr, 1978)

Bis 1995: zunehmend empirische Studien • Angebotsstrukturen von Heimerziehung (Planungsgruppe Petra (1987). Forschungsgruppe Klein-Zimmern (1992) Spindler (1991) Niederberger (1988) • Bürger (1990) • Lambers (1996) Heimerziehung als kritisches Lebensereignis • Elternarbeit (Conen, 1990) Folie Nr. 2

 Insgesamt geringe Bedeutung der Forschung für die Praxis

Jugendhilfeforschung ab 1995 Empirische Forschungsstudien stehen im Vordergrund Zunehmend Wirkungsforschung mit quantitativen Designs Große Jugendhilfestudien • Leistungen und Grenzen der Heimerziehung (JuLe): erste Wirkungsstudie, die überregional drei Hilfearten (§§ 32, 34 und 41 SGB VIII) evaluierte (BMFSFJ, 1998) • Jugendhilfe-Effekte-Studie (JES): die bisher aufwendigste Wirkungsstudie (Schmidt et al., 2003). Entwicklung von Instrumenten zur Messung von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität

JuLe und JES haben in der Folge eine Vielzahl von weiteren Studien angestoßen.

Folie Nr. 3

 Insgesamt zunehmende Bedeutung der Forschung für die Praxis

Forschungsthemen ab 1995

Folie Nr. 4

-

Wirkfaktoren: Schrödter & Ziegler (2007), Wolf (2007), EVAS (Macsenaere & Herrmann; 2004), Würzburger Evaluationsstudie (ÜBBZ & IKJ, 2000), Überblick (Ochs, 2008), Was wirkt in der Erziehungshilfe? (Macsenaere & Esser, 2015), TWG (Gahleitner, 2009)

-

Spezialangebote: Therapeutische Übergangshilfe (Caritas Rheine, 2000), Kick-Off-Gruppen (Scholten et al., 2005), Kinderdorf-Effekte-Studie (Klein et al., 2003), Geschlossene Unterbringung (Stadler, 2009), Traumapädagogik (Schmid, Wiesinger et al., 2007; Klein & Macsenaere, 2012), Psychomotorik (Klein, Knab & Fischer, 2006; Macsenaere, 2006); TWG (Gahleitner, 2009); Individualpädagogik im Ausland (Klein, Arnold & Macsenaere, 2011)

-

Indikation: EST! (Macsenaere, Paries & Arnold; 2009), WOS (Macsenaere & Paries, 2006)

-

Strukturelle Rahmenbedingungen: INTEGRA (IGFH, 2003), SEH (KurzAdam, Sumser & Frick; 2008), Casemanagement (Löcherbach et al., 2008)

-

Ökonomie und Kosten-Nutzen-Analysen: Kosten-Nutzen-Analyse von Heimerziehung (Roos, 2005), Bundesmodellprogramm Wirkungsorientierte Jugendhilfe (ISA, 2008), SEH (Kurz-Adam, Sumser & Frick; 2008)

Forschungsmethoden ab 1995 - Kontrollgruppenstudien: EST! (Macsenaere, Paries & Arnold; 2008); CM4JU (Löcherbach et al., 2008) - Katamnesen: Erfolg und Misserfolg in der Heimerziehung (LWV Baden, 2000), Stohler (2005), Gahleitner (2009), InHaus 2.0 (Klein & Macsenaere, 2015) - Qualitätsentwicklung auf der Grundlage systematischer empirischer Daten: EVAS (IKJ, 2008), EFFIZIENZ (IKJ, 2008), WOS (Macsenaere & Paries, 2006), WIMES (Tornow, 2007), moses (Schneider, 2005), Wir.EB (Arnold, 2015), Überblick (Frey, 2008). - Regionalvergleiche: Bundesmodellprogramm Wirkungsorientierte Folie Nr. 5

Jugendhilfe (ISA, 2008), EVAS n > 50.000 (IKJ, 2008)

Klientel Über 50.000 Hilfen 16 Bundesländer Ca. 50.000.000 Daten

Einrichtungen Trägerübergreifend 250 Institutionen Europäisch: - Deutschland - Österreich - Luxemburg - Niederlande - Bulgarien

14 Hilfearten

Was wirkt in den Hilfen zur Erziehung?

Wirkfaktoren und Akteure Leistungserbringer

Wirkfaktoren

Adressaten

Jugendamt

3 Beispiele für hoch relevante Wirkfaktoren

1

Indikation: Welches Angebot ist bei welcher Ausgangslage am geeignetsten?

Zuweisungsqualität (EVAS, aktualisiert)

27%

Arbeitsbelastung

nicht tauglich

12%

bedingt tauglich

61%

0%

25%

50%

75%

sehr tauglich

n = 17.619

Möglichkeiten zur Optimierung der Zuweisungsqualität: Systematische Sozialpädagogische Diagnostik Nutzung evidenzbasierten Erfahrungswissens

Reliabilität Validität

+ Sozialpädagogische Eingangsdiagnostik +

+

Aufwand

Zuweisungsqualität

-

+ + Geeignete Hilfe

Kosten der Hilfe -

+ Effektivität

-

Anschlusshilfen

Abbruchquote +

-

Outcome: Effizienz

Akzeptanz

Forschungsbefund zur Indikation Die Auswahl einer geeigneten Hilfe ist eine entscheidende Weichenstellung für den erfolgreichen Verlauf einer Hilfe. Trotzdem ist die Zuweisungsqualität in mehr als einem Viertel der Hilfen nicht tauglich. Optimierungspotential durch sozialpädagogische Diagnostik und Nutzung systematischen Erfahrungswissens.  Handlungsbedarf für Praxis und Forschung

2

Partizipation: Notwendige Voraussetzung für erfolgreiche Hilfen

Stufen der Partizipation

Partizipation

+

(Kühn, 2013)

Stufe 4 – Selbstbestimmung: Das Kind erlebt Eigenverantwortlichkeit, auch in Teilfragen. Selbstwirksamkeit wird erlebt. Stufe 3 – Mitbestimmung: Kind wird gleichberechtigt an Entscheidungsverfahren beteiligt. Stufe 2 – Mitsprache: Das Kind wird selbstverständlich nach seiner Sichtweise und Meinung gefragt, die Weichen stellen jedoch die Betreuungspersonen. „Keine Entscheidung ohne das Kind gehört zu haben!“ Stufe 1 – Information (Mindestanforderung!): Das Kind wird umgehend über alle Dinge, die es betreffen informiert. Stufe 0 – Nicht-Information, Manipulation: Dem Kind sind Prozesse nicht transparent, es erlebt sich den Entscheidungen ausgeliefert („Wir werden das im Team besprechen!“) Große Unterschiede zwischen

a) Einrichtungen b) Einrichtungskonzeption und Realität

Effektivität und Partizipationsgrad 14

+ 12 EVAS-Effektindex

10 8 6 4 2 0

-

-2

niedrige Partizipation hohe Partizipation

Methoden - Partizipation - SoLiG - Partizipations Award (BVkE)

- Hilfe zur Selbsthilfe: „Unterstützung des jungen Menschens, dass er seine Einwicklungsaufgaben selbst bewältigt.“ (Hurrelmann, Berlin, 4.11.15)

- Förderung von intrinsischer Motivation durch Ressourcenorientierung => an Interessen ansetzen - Marte Meo - „ich sehe etwas, wo du schon etwas kannst“ - Man muss Anliegen des Gegenüber kennen und was ihn berührt - Erfolg in kleinen Schritten rückmelden  Erfolg ist unmittelbar zu sehen (nach 1-3 Sitzungen)

Forschungsbefund zur Partizipation Partizipation ist notwendige Voraussetzung für den erfolgreichen Verlauf einer Hilfe. Trotzdem ist der Partizipationsgrad in der Hälfte der Hilfen ungenügend.  Handlungsbedarf für Praxis und Forschung

3

Hilfedauer und Erfolg: Wann werden Wirkungen erreicht?

Hilfedauer und Effekte 30

EVAS-Effektindex

25

Gesamt stationär expl. Einrichtung A

20 expl. Einrichtung B 15 10 5 0 Beginn

6

12

18

24

30

36

-5

Hilfedauer in Monaten

48

> 48

Hilfedauer und Effekte bei schwierigsten Ausgangslagen

EVAS-Effektindex

25

Tagesgruppe

20

Heimerziehung

15

ISE

Maximalniveau

GU

10 5 0 Beginn

6

12

18

24

-5

Hilfedauer in Monaten

30

Wirkungsorientierte Hilfeplanung im Einzelfall Hilfen mit einer Laufzeit von mind. 2 Jahren

EVAS-Effektindex

20 15 10 Grundlage für „Wirkungsdialog“

5 0

Beginn

6 Monate

12 Monate

-5 -10 Steuerungspotential

-15

18 Monate

24 Monate

Ende

Forschungsbefund zur Hilfedauer und Hilfeplanung Eine ausreichende Hilfedauer ist notwendige Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss. Trotzdem werden viele Hilfen (z. T. kostenbedingt) zu früh beendet. Eine frühzeitige Hilfeplanung, in der die erreichten und nicht erreichten Wirkungen von allen Beteiligten reflektiert werden („Wirkungsdialog“), ist bislang nicht selbstverständlich.  Handlungsbedarf für Praxis und Forschung

Zentrale Wirkfaktoren Sozialpäd. Diagnostik

Intensivpädagogik

Keine Jugendhilfekarriere Partizipation

Mitarbeiter-Qualifikation

Kooperation Hilfedauer Nachsorge Wirkungsdialog

Indikation

QualitätsEntwicklung

Wirkungsorientierte Verlaufsplanung

Alter Elternarbeit Traumapädagogik

Geschlecht?

Casemanagement

SozRaumOr?

Berufsorientierung

Klinische Orientierung Ressourcenor. Pädagogik

Individualpädagogik Beziehungsqualität

Ressourcenor. Hilfeplanung

Welche Wirkungen werden in den Hilfen zur Erziehung erreicht ?

Effektivität der Hilfen zur Erziehung 90

- beim jungen Mensch mehr

80

als im Umfeld

70

- regionale Disparitäten

60

- Besonderheiten der

50

Hilfearten

40

- erreichte Wirkungen

30

bleiben stabil

20

- Kinderschutz effektiv

10

- UMF effektiv

0 positiv

neutral

negativ

Sind Hilfen zur Erziehung ihr (vieles) Geld wert?

Effizienzmodell

Roos, K. 2005: Kosten-Nutzen-Analyse von Jugendhilfemaßnahmen

Erste Kosten-Nutzen-Analysen in der Jugendhilfe Effizienz von Heimerziehung (Roos, 2005; IKJ, 2009) Kosten: 120.317 € Nutzeneffekte – Bildung, Arbeitslosigkeit und Erwerbstätigkeit – Gesundheit – Delinquenz

Gesamtnutzen: 355.137 €

Effizienz von Heimerziehung (Roos, 2005; IKJ, 2009) Jugendhilfe rechnet sich:

Das ist nur der tangible Nutzen. Der intangible Nutzen kommt noch dazu. Keine Kosten, sondern Investitionen !

Was lässt sich daraus für die Praxis ableiten?

Empfehlungen (Auswahl): Jugendamt/ASD 1. Systematische Sozialpädagogische Diagnostik 2. Erhöhung der Zuweisungsqualität 3. Wirkungsorientierte Hilfeplanung im Einzelfall und Wirkungsdialog mit allen Hilfebeteiligten 4. Hilfen an empirisch erwiesenen Wirkfaktoren ausrichten  Gesamtes Hilfespektum nutzen  Ressourcenorientierte Hilfeplanung  …

Empfehlungen (Auswahl): Leistungserbringer 1. Wirkungsorientierte Hilfeplanung 1. Wirkungen kurz + valide halbjährlich erfassen 2. Direkt zur Fallsteuerung in Hilfeplanung einfließen lassen

2. Reflexion der Effekte und Vergleich (intern + extern) 3. Weitere Wirkfaktoren beachten • • • •

Partizipation, Kooperation, Beziehungsqualität … Ressourcenorientierte Pädagogik: für alle, auch zu Beginn Mitarbeiterqualifikation und –motivation fördern Usw. …

Nutzen einer Wirkungsorientierung Das systematische Wissen um die erreichten Wirkungen ermöglicht:  Überblick  Vergleich  Qualitätsentwicklung und  Legitimation mittelfristig effizientere Jugendhilfe

Weitere Informationen IKJ Institut für Kinder- und Jugendhilfe gGmbH Saarstraße 1 55122 Mainz Tel.: Fax:

0 61 31 - 94 79 7 - 0 0 61 31 - 94 79 7 - 77

eM@il:

[email protected]

Internet: www.ikj-mainz.de

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