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Wie unterscheiden sich Gesellschaftsbilder?

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Text 08: Wie unterscheiden sich Gesellschaftsbilder?

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Soziale Berufe wenden sich zwar immer an Menschen, egal, ob Kinder oder Jugendliche, Erwachsene oder Alte, sie kann aber nicht bei ihnen stehen bleiben. Sie müssen die Menschen in ihrer jeweiligen sozialen Umgebung, ihrem familiären, nachbarschaftlichen, schulischen, beruflichen Kontext, letztlich in ihrer gesellschaftlichen Situiertheit miterfassen. Dazu benötigen soziale Berufe neben ihren Kindes- und Menschenbildern Bilder der Gesellschaft. Wie lässt sich die Gesellschaft beschreiben? Und vor allem: Wie verortet man sich, die eigene Disziplin und Profession, in einer wie auch immer beschriebenen Gesellschaft? Auch hier stehen unterschiedliche Beschreibungsangebote bereit (vgl. Dollinger, Kessl, Neumann, Sandermann 2012, Füssenhäuser, Thiersch 2011, May 2010), die im Folgenden in gebotener Kürze angesprochen werden.

Text 08.1: Das Gesellschaftsbild eines Kritischen Ansatzes Kritik misst die Gesellschaft stets am Horizont ihrer Möglichkeiten. Sie weiß um die Änderbarkeit der bestehenden Verhältnisse und nährt sich von der Hoffnung auf Verbesserungen (prototypisch Marx, Engels 1970). Kritik fokussiert Gesellschaft unter Gesichtspunkten unsozialer Verhältnisse, vor allem ungleicher Macht- und Herrschaftsverhältnisse, ungerechter Verteilungsverhältnisse, woraus sich spezifische Probleme und Verletzungen, Benachteiligungen oder sogar Ausschlüsse für die Gesellschaftsmitglieder ergeben. Ein Kritischer Ansatz sieht die Gesellschaft als verbesserungswürdig an. Die Gesellschaft realisiert gewisse Möglichkeiten, aber sie verhindert zugleich andere, wünschenswerte Möglichkeiten. Die Gesellschaft wird meist als kapitalistische Klassengesellschaft, oder heute eher als neoliberale oder neosoziale Herrschaftsordnung betrachtet. Sie wird als eine beschrieben, die sich durch die Ökonomie, durch kapitalistische Verwertungs- und

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Profitinteressen dominieren lässt, was zur Ausbeutung von Mensch und Natur und letztendlich zu Krisen und kriegerischen Auseinandersetzungen führt. Politik schützt die ökonomischen Interessen und setzt sie – wenn nötig – mit Gewalt durch. Die Medien sorgen für einen Verblendungszusammenhang, der die Einsicht in die wahren Verhältnisse verhindert, so die Beschreibung eines Kritischen Ansatzes. Die Kritik formiert sich in oppositioneller und aufklärerischer Absicht über Unterscheidungen wie Lohnarbeit und Kapital oder System und Lebenswelt oder neuerdings über die Unterscheidungen zwischen Inklusion, Prekariat und Exklusion. Stets werden mit diesen Unterscheidungen benachteiligende Ungleichheitsverhältnis bezeichnet, die es aufzuheben gilt. Sowohl die Gesellschaft als Ganze, als auch relevante Ausschnitte von ihr, einzelne Programme, politische Praxen, wohlfahrtsstaatliche Arrangements, rechtliche Kodifizierungen, wissenschaftliche Paradigmen, Begriffe, Konzepte, Klassifikationen, Etikettierungen etc. werden einer Kritik unterzogen. Kritik meint nach Foucault (vgl. 1992:12) die Kunst, nicht dermaßen, nicht auf diese Weise und um diesen Preis regiert zu werden. Ein Kritischer Ansatz übt nicht nur Kritik an der Gesellschaft als Ganze oder an Ausschnitten von ihr, er übt zugleich Selbstkritik: Ein Kritischer Ansatz versteht sich im Kontext sozialer Berufe nicht nur als Kritik an den bestehenden Verhältnissen, sondern reflektiert auch sich selbst und das von ihm begleitete professionelle Handeln als „repressives Moment der Selbsterhaltung einer kapitalistischen Gesellschaftsformation“, als „Ideologie“ und als „bürgerliches Modernisierungsprojekt“. Soziale Berufe erscheinen in kritischer Selbstreflexion nicht als die Lösung, sondern als Teil des Problems, das sie bearbeiten. Soziale Arbeit ist ein prototypischer Schauplatz, an dem sich studieren lässt, „wie sich die kapitalistische Herrschaftsordnung durch eine bürokratisch organisierte und sozialpolitisch legitimierte Befriedung sozialer Konflikte reproduziert“ (Neumann 2012:22). Soziale Arbeit ist in die gesellschaftlichen Klassen- und Herrschaftsverhältnisse verstrickt, die sie kritisiert und bearbeitet. Sie ist selbst determiniert durch die gesellschaftlichen Bedingungen, die sie zu verändern sucht. Sie erfüllt die Funktion der Reproduktion und Stabilisierung kapitalistischer Herrschaftsverhältnisse (vgl. ebd.:24). Blickt man auf die Geschichte des Kritischen Ansatzes, so kann man in den 60er Jahren einen Generationenkonflikt konstatieren, bei dem sich die Nachkriegsgeneration dem Wohlstandsdenken der Wirtschaftswunderzeit verweigerte. Die Dominanz des politisch-ökonomischen Systems wurde in Frage gestellt. Die Institutionen der Bildung und Wissenschaft wurden aufgefordert, kritisch zu reflektieren, welche Interessen und Mechanismen das Bildungswesen bestimmen. Das führte zu einer radikalen Versozialwissenschaftlichung der Pädagogik unter dem Einfluss der Kritischen Theorie (Horkheimer, Adorno, Marcuse). Eine Kritische Theorie der Bildung hatte von einer Gesellschaftskritik auszugehen, die sich durchweg über die Marx‘sche

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Kritik der Politischen Ökonomie begründete. Während die Kritische Theorie mehr Bezug nahm auf den jüngeren Marx (Entfremdungstheorie; Theorie eines falschen Bewusstseins, das dem Waren- und Geldfetisch aufsitzt; Kritik der Ausbeutung der Ware Arbeitskraft und Kritik des kapitalistischen Profitinteresses), bezog die Kritische Pädagogik und Kritische Soziale Arbeit bald auch den späteren Marx und seine ökonomischen Studien mit ein. So entstand im ersten Anlauf eine Enthüllungsund Aufklärungsliteratur, die die Einflussnahme ökonomischer Interessen auf die pädagogische Praxis aufdeckte: Das Bildungssystem zementiere die Klassenstruktur des Kapitalismus und die damit verbundenen ungleichen Lebens- und Entfaltungschancen. Im zweiten Anlauf wurde das Verhältnis von Ökonomie und Pädagogik in Bezug auf die Kategorie der Ware Arbeitskraft reflektiert: Steht die Pädagogik im Dienst der Qualifizierung der Menschen zu ‚abstrakter‘, d. h. wertproduktiver Arbeit? Dient sie vor allem oder gar ausschließlich den Notwendigkeiten des kapitalistischen Reproduktionsprozesses? Wie kann sich Erziehung und Bildung der politisch-ökonomischen Funktionalisierung entziehen? Die Kernbefunde der frühen Kritischen Pädagogik fasst Werner Sesink (1997:153) wie folgt zusammen: • „Pädagogische Praxis ist wie alle anderen Praxisbereiche des gesellschaftlichen ‚Überbaus‘ bestimmt von den ‚Basis‘-Strukturen des politisch-ökonomischen Systems.“ Sie ist letztendlich „bedingt durch die Verwertungs- bzw. Profitinteressen kapitalistischer Ökonomie.“ • Kapitalverwertung impliziert die schonungslose Ausbeutung der Ware Arbeitskraft. Erziehung und Bildung beteiligen sich daran wie an der Reproduktion der Klassenstruktur, sofern sie zu einer ungleichen Verteilung von Bildungschancen beitragen. Dabei hätten sie die Bildungsreserven gerade bei Kindern aus einkommensschwachen Familien zu mobilisieren. • Weltmarktkonkurrenz zwingt zur Intensivierung der Ausbeutung der Arbeitskräfte durch permanente Rationalisierung der Produktionstechnik. Wissenschaftlich-technische Qualifikationen stehen hoch im Kurs, un- und angelernte Tätigkeiten werden immer mehr durch Maschinen ersetzt. Die Wirtschaft fordert Flexibilität, Mobilität und lebenslange Lernbereitschaft. Die Bildungsreformen tragen primär den Bedürfnissen der Ökonomie Rechnung. • Da Erziehung und Bildung keine profitorientierten Unternehmungen sind, die sich aus eigener Wirtschaftstätigkeit heraus finanzieren, müssen für sie Gelder vom gesellschaftlichen Kapitalfond abgezogen werden. Ziel des Staates (als ideellen Gesamtkapitalisten) ist es, die Kosten möglichst gering zu halten und den Einsatz der Finanzen Effizienzkriterien zu unterwerfen. Das meint letztlich, Bildungsinstitutionen zu Unternehmen zu machen (vgl. die kritischen Ausführungen von Liessmann (2006) im Kap. 3.4 des Buches).

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• Die notwendig krisenhafte Entwicklung des Kapitalismus führt zu politischen Legitimationskrisen. Dementsprechend sollen Erziehung und Bildung Legitimationswissen bereitstellen und Alternativen unvorstellbar machen. • „Das politisch-ökonomische System steuert auf eine Endkrise zu, welche vor die Entscheidung stellt: Rückfall in die Barbarei oder revolutionäre Überwindung. Erst in einer revolutionär zur Menschlichkeit befreiten Gesellschaft ohne politische Unterdrückung und ökonomische Ausbeutung können auch Erziehung und Bildung wirklich zur allseitigen Entwicklung der menschlichen Fähigkeiten beitragen“ (Sesink 1997:153). Spätestens mit dem „Ende der großen Erzählungen“ (vgl. Lyotard 1986, 1988) verabschiedet sich eine Kritische Pädagogik und Soziale Arbeit vom Großprojekt Gesellschaftstheorie. Bemühungen, die auf ein theoretisches Erfassen des Ganzen der Gesellschaft gerichtet sind, werden hintan gestellt zugunsten mikroformatiger Herangehensweisen, von denen aus das Ganze nur noch zu erschließen ist. Poststrukturalistische Ansätze etwa im Stil von Michel Foucaults (2008) Analytik der Macht und seiner Analyse von Wahrheitsregimen werden im Rahmen eines Kritischen Ansatzes zunehmend interessant, während die gesellschaftlichen Bedingungen des Kapitalismus und seiner Klassenstrukturen nur noch als Randvariable und Begleitmoment lokaler Praktiken und Techniken der Macht erscheinen. Man verabschiedet sich (Dollinger 2008) bzw. geht auf Distanz (Kessl 2005) zu totalisierenden Gesellschaftstheorien und konzentriert sich aufs Partikulare, Singuläre, Lokale. Aufs Ganze gerichtete Großtheorien werden verdächtigt, die Fragmentierungen, Brechungen, Diversifizierung, Pluralität und Heterogenität als Spezifika der Gegenwartsgesellschaft zu verpassen, während die aufs Partikulare, Singuläre und Lokale gerichteten Ansätze sich in der Gefahr befinden, die makrosoziologischen, globalen Ungleichheitsstrukturen und Herrschaftsdynamiken aus dem Blick zu verlieren. Aber kann man Gesellschaft auf ein maßgebliches Prinzip, eine herrschende Ideologie, ein organisierendes Zentrum festlegen? Oder betreibt man damit eine wirklichkeitsfremde ‚Vereindeutigung‘, einen unzulässigen Reduktionismus (vgl. Anhorn, Bettinger, Horlacher, Rathgeb 2012:15)? Mit dem ‚Ende der großen Erzählungen‘ wird ein historischer Bruch konstatiert. Die moderne Gesellschaft wandelt sich zu einer postmodernen, in der die Sphären des Kulturellen gegenüber dem Ökonomischen, des Diskursiven gegenüber dem Materiellen, des Konsums gegenüber der Produktion an Bedeutung gewinnen, ohne dass deshalb die kapitalistische Verfasstheit der Gesellschaft aufgegeben würde (ebd.). Bei allen postmodernen Wandlungen ist die Gesellschaft nicht aus der Epoche des Kapitalismus herausgetreten. Nach wie vor entscheiden ökonomische Prozesse über Wohl und Weh sozialer Gruppen, Staaten, Weltregionen.

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Neben der Skepsis gegenüber Großtheorien hat sich der neue Kritische Ansatz auch von der alten Fortschrittsideologie verabschiedet. Das Postulat einer Veränderung zum Besseren ist historisch nicht einlösbar. So bescheidet man sich mit einer Veränderung zu etwas Anderem hin, das deutlich unbestimmter gehalten ist als das wertende Bessere. Die Änderungen, die eine Weigerung gegen das So-Regiert-Werden im Sinne Foucaults im Auge hat, betreffen nicht mehr das Ganze der Gesellschaft. Wie die Gesellschaft als Ganze nicht zu erkennen ist, so ist sie auch als Ganze nicht zu verändern. Auch hier reduziert sich der Kritische Ansatz auf einen aufs Lokale und Partikulare begrenzten Pragmatismus. Healy (2000) nennt dies die ‚neue Bescheidenheit‘. Ein Kritischer Ansatz kann und will auf Normativität nicht verzichten. Er bezieht seine normative Basis allerdings nicht aus einem ahistorischen Verweis auf angeblich unveräußerliche Menschenrechte (Staub-Bernasconi 2007) oder angeblich verbindliche ethische Prinzipien. Er beruft sich vielmehr auf die Analyse konkreter, historisch-gesellschaftlicher Verhältnisse, die zu konkreten individuellen und kollektiven Erfahrungen von Unterdrückung und Ausbeutung, Diskriminierung und Ausgrenzung, zu Widersprüchen, Interessenkonflikten und Machtungleichgewichten führen. Derartige Missstände erscheinen erst vor dem selbst historisch zu verstehenden Horizont von Emanzipation, Autonomie, Gleichheit, Gerechtigkeit und Partizipation als änderungswürdig und änderbar. Statt universale Werte und deren moralische Verbindlichkeit zu postulieren, wird hier die Normativität historisch spezifisch aus den konkreten gesellschaftlichen Bedingungen heraus begründet. Es geht weniger um guten Willen oder ein schlechtes Gewissen angesichts einer zeitlosen Moral, als vielmehr um reale gesellschaftliche Möglichkeiten hier und jetzt. Ein Kritischer Ansatz muss, so schreibt Keckeisen (1984:193f.), „das Mögliche, sofern von ihm zu Recht die Rede sein soll, als wirksame Tendenz in der Wirklichkeit (…) aufweisen und als materiell fundierte Utopie konkretisieren. Nicht dass das Dasein nicht so sein soll, wie es ist, sondern dass es nach Lage der Dinge, das heißt nach dem geschichtlich erarbeiteten Potenzial gesellschaftlicher Kräfte so nicht mehr zu sein braucht, macht den Sinn materialistisch bestimmter Negation aus.“ Dem entsprechend formuliert Demirović (2007:71f.) über Kritische Theorie: „Sie entfaltet sich als Theorie der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse derart, dass sie die Möglichkeit der historischen Überwindung anzeigt. Dabei geht es nicht um Freiheit als solche, die Freiheit eines aus allen gesellschaftlichen Verhältnissen losgelassenen individualistischen Individuums, sondern um das konkrete Verhältnis von Notwendigkeit und Freiheit und die Durchsetzung der historisch möglichen Freiheit auch gegen die, die alte Notwendigkeiten aufrecht erhalten wollen, weil sich darin ihre Privilegien gründen.“

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Kritische Pädagogik und Kritische Soziale Arbeit sind, wie sich an solch einer theoretischen Ausrichtung leicht verständlich machen lässt, in ihrem Kernverständnis selbst Teil eines gesellschaftspolitischen Unternehmens, das eine Koalition mit sozialen Bewegungen oder auch der Klientel und den Professionellen anstrebt. Sie wollen etwas bewirken. Sie wollen etwas verändern und zwar mittels Kritik als Methode, Kritik als Praxis, Kritik als tätigen Widerstand – einer Kritik, die sich jeweils aus der Theorie der Gesellschaft ergibt.

Text 08.2: Das Gesellschaftsbild eines Alltags- und Lebensweltorientierten Ansatzes Der Alltags- und Lebensweltorientierte Ansatz, wesentlich vertreten durch Hans Thiersch (vgl. Thiersch, Grunwald, Köngeter 2002), weist kein eigenes Gesellschaftsbild aus, sondern bedient sich eklektizistisch bei den vorherrschenden, meist soziologischen Beschreibungen gesellschaftlicher Verhältnisse. Dieser Ansatz bemüht sich nicht um eine eigenständige Beobachtung der Gesellschaft, sondern liest Gesellschaft immer durch die Perspektive seiner Klientel, also quasi ‚durch eine immer schon individuell vorinterpretierte Welt hindurch‘. Nicht die Gesellschaft als solche interessiert den Alltags- und Lebensweltorientierten Ansatz, sondern die Gesellschaft, wie sie aus Sicht der Betroffenen erscheint und der Gestaltung eines ‚gelingenden Alltags‘ zuträglich oder abträglich ist. Darin folgt dieser Ansatz der hermeneutisch-pragmatischen Tradition. Nicht die Gesellschaft als objektiver Tatbestand, sondern die subjektiv erlebte Lebenswelt, wie sie von Alfred Schütz (1971), Peter L. Berger und Thomas Luckmann (1969) phänomenologisch rekonstruiert wurde, und der subjektiv gelebte Alltag, wie er von Agnes Heller, Karel Kosík, Henri Lefebvre kritisch analysiert wurde, sind die analytischen Referenzpunkte dieses Ansatzes. Aus einer solchen Perspektive erscheinen die Einzelnen in ihren alltäglichen Verhältnissen als durch gesellschaftliche Strukturen und Institutionen Betroffene, zugleich aber auch als diese aktiv Mitbestimmende und Mitgestaltende. Die gesellschaftlichen Gegebenheiten erscheinen einerseits als entlastend, Halt, Orientierung und Sicherheit gebend, andererseits als belastend: einengend, unbeweglich, borniert, einschränkend, verhindernd. Der Alltags- und Lebensweltorientierte Ansatz weist sich sowohl als Theorie der Praxis sozialer Berufe als auch als Theorie für die Praxis sozialer Berufe aus (vgl. Neumann, Sandermann 2012:43). Gesellschaft erscheint in diesem Ansatz stets unter dem Gesichtspunkt konkreter, gegenwärtig spezifischer Lebensverhältnisse. Von vornherein verstand sich dieser Ansatz als einer, der wissenschaftliches En-

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gagement mit einem Interesse an einer Veränderung der gegebenen Lebens- und herrschenden Machtverhältnisse verbinden wollte und zur radikalen Selbstprüfung empirisch-theoretische Mittel einforderte. So erhob dieser Ansatz stets einen doppelten Anspruch: analytisch wie normativ Theorie zu betreiben. Er wollte nicht nur WissenschaftlerInnen, sondern auch professionelle PraktikerInnen ansprechen. Er wollte wissenschaftliches und praktisch-richtungsweisendes Wissen liefern. In diesem Sinne wird in diesem Ansatz Gesellschaft nicht gesellschaftstheoretisch begründet, sondern derart angegangen, dass soziale Berufsarbeit darin ihren Platz findet. Dazu werden unterschiedliche gesellschaftstheoretische Bezüge (Karel Kosík, Ulrich Beck, Jürgen Habermas) aufgegriffen. Alltag bzw. Lebenswelt meinen eine strukturelle Form, der unterschiedliche institutionelle Arrangements (Familie, Beruf, Schule), Lebensfelder bzw. Lebenslagen (Armut, Geschlecht, Generation) oder lebenslaufspezifische Erfahrungen entsprechen (vgl. Thiersch 2006:26ff.). Die Theorie fokussiert die ausgezeichnete Wirklichkeit des Alltags, die in engem Zusammenhang mit Kosíks (1967) historisch-materialistischer Vorstellung von Gesellschaft gelesen wird. Alltag reproduziert sich danach als eine bestimmte Art menschlichen Handelns und Lebens. Das Wie des Lebens wird im Alltag nicht hinterfragt. Es ist einfach da als selbstverständliches Inventar einer vertrauten Welt, unkritisiert, unreflektiert. Der Alltag wird so eingerichtet, dass er fraglos, nahezu reflexionsfrei und unbewusst bewältigt werden kann. Erst dort allerdings, wo er bewusst wird, kann alltägliches Handeln zu geschichtlichem werden. Kosík (1967) unterscheidet soziale Realität in substanziell ‚wahre‘ und ‚falsche‘, durch Reflexion zu überwindende Phänomene. Der Mensch wird in eine phänomenale Welt hineingeboren, die sich ihm offenbart und zugleich verbirgt. Die falsche, verdinglichte, fetischisierte Alltäglichkeit lässt sich nur als praktische Destruktion sowohl in ihrer phänomenalen Gestalt als auch in ihrem realen Wesen aufheben. Dazu aber muss sich das Individuum in seiner von Anbeginn bereits vergesellschafteten Existenz begreifen lernen. „Der Mensch ist durch seine bloße Existenz ein gesellschaftliches Wesen, das nicht nur immer schon in das Netz der gesellschaftlichen Beziehungen verflochten ist, sondern auch immer schon als gesellschaftliches Subjekt handelt, denkt und fühlt, sogar noch bevor es sich diese Wirklichkeit vergegenwärtigt oder vergegenwärtigen kann. (…) Das Bekanntsein ist ein Hindernis des Erkennens“ (ebd.:78). Vor diesem Hintergrund schwankt das Individuum zwischen unbewusster, manipulierter Sorge und bewusst gestaltetem Handeln und Leben als mündiges gesellschaftliches Subjekt. Aufgrund der historisch-materialistischen Gesellschaftstheorie im Hintergrund ist die Dialektik zwischen Bewusstheit und Unbewusstheit deutlich am polit-ökonomischen (Re-) Produktionsprozess auszurichten, da der Alltag von den gesellschaftlichen Herr-

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schaftsstrukturen durchdrungen wird. Eine individualistisch geprägte Befreiungsoption steht dem Subjekt in Aussicht, soweit es sich seiner gesellschaftlichen Stellung bewusst wird und sich Freiräume der Selbstbestimmung und Reflexion erkämpft. Auch wenn das Gesellschaftliche als herrschaftlich dominiert erscheint, gibt es Nischen, aus denen heraus Veränderung denkbar wird. Nur der Alltag kann Keimzelle politischer Befreiung und Ausgangspunkt gesellschaftlicher Veränderungen sein. Nur hier kann sich kritisches Bewusstsein entfalten. Der Alltag ist der Ort, an dem gesellschaftliche und gegengesellschaftliche Momente aufeinandertreffen. Der hier dargestellte Ansatz sensibilisiert die sozialen Berufe dafür, das Handeln ihrer Klientel kritisch-alltagstheoretisch zu deuten, nachzuvollziehen, warum sich Menschen in Kontakt mit gesellschaftlichen Institutionen so und nicht anders verhalten. In diesem Sinne ist der Alltags- und Lebensweltorientierte Ansatz vor allem Sozialtheorie. Was als soziales Phänomen kritisch konstatiert wird, wird zugleich zum handlungspraktischen Problem, das es nicht nur theoretisch zu durchdringen, sondern auch professionell zu bearbeiten gilt. Zur normativen Selbstorientierung bemüht der Ansatz keine gesellschaftlichen Normalitätsstandards (Schul- oder Berufs- oder Familienfähigkeit), sondern setzt auf das paradoxe Prinzip ‚strukturierter Offenheit‘: Statt im Vorhinein Vorgaben zu machen, begibt man sich mit den KlientInnen auf die Suche nach alternativen Möglichkeiten. Die Praxis sozialer Berufe legitimiert sich somit nicht über Ideale oder korrekte, angemessene, substanzielle Ziele, von denen aus die KlientInnen und ihre Verhaltensweisen als deviant, abnormal, oder veränderungsbedürftig einzuschätzen sind, sondern über ein ethisch fundiertes Verfahren, das die Autonomie der KlientInnen respektiert. Die Theorie gibt nichts mehr vor, sondern überlässt es dem Aushandlungsprozess bzw. der Auseinandersetzung zwischen KlientInnen und Professionellen vor Ort, hier zu einer Lösung zu gelangen, das meint: zu einer Unterscheidung zu kommen, was als verteidigenswert und was als veränderungswürdig anzusehen ist. Thiersch (2006:43) formuliert prägnant: „Täuschung muss destruiert, Wahrheit aber gestärkt und unterstützt werden.“ Ziel muss es immer sein, die gegebenen Lebensverhältnisse so zu arrangieren, dass sie einem „gelingenderen Alltag“ förderlich sind. „Lebensweltorientierung geht von den alltäglichen Erfahrungen der Menschen in ihrer gesellschaftlichen Situation aus und wie sich diese gesellschaftliche Situation im Alltag der Menschen repräsentiert“ (Thiersch, Grunwald, Köngeter 2002:164). Was meint es genau, ‚den Alltag in seiner gesellschaftlichen Bedingtheit‘ zu sehen? Generell gilt es, stets von den Bedürfnissen und Interessen der Klientel auszugehen und sie je historisch zu verorten. Lebensweltorientierung antwortete in den späten 60er Jahren auf abgehobene kritisch-radikale Diskussionen über Kapitalismus und Klassenkampf sowie auf Debatten über die Herrschaft spezialisierter Expertokratien.

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In beiden Tendenzen ging die Perspektive der Betroffenen verloren. So entstand die Frage: „Wie kann man die kritischen Intentionen aufnehmen (Emanzipation, Autonomie, Gerechtigkeit etc.) und zugleich eine professionelle, fachlich verantwortbare Arbeit leisten, die sich nicht expertokratisch über die Betroffenen erhebt?“ In den 80er Jahren ging es zudem darum, einer rasant zunehmenden Individualisierung und Pluralisierung von Lebensverhältnissen und Lebensfeldern auf professioneller Seite gerecht zu werden. Individualisierung und Pluralisierung meinen nicht zuletzt das Aufkommen einer reflexiven Moderne, einer Risikogesellschaft (vgl. Beck 1986, Böhnisch 1994, Rauschenbach 1999), die Individuen vielfach etwas abverlangt, was sie nicht zu leisten vermögen. Aktuell werden gesellschaftliche Verhältnisse zunehmend unter dem Aspekt eines globalisierten, vielfach gebrochenen und in sich widersprüchlichen, die sozialen Ungleichheitsstrukturen diversifizierenden Kapitalismus einerseits wie auch einer betriebswirtschaftlichen und verwaltungstechnischen Restrukturierung sozialer Berufsarbeit andererseits gelesen. Aktuell reflektieren die VertreterInnen des Alltags- und Lebensweltorientierten Ansatzes gesellschaftliche Verhältnisse wie folgt: „In unserer Gegenwart ist Lebenswelt bestimmt ebenso durch Ungleichheiten in den Ressourcen und Deutungs- und Handlungsmustern wie durch Widersprüchlichkeiten und Erosionen, wie sie sich im Zeichen zunehmender Pluralisierung und Individualisierung der Lebensverhältnisse und im Zeichen der neuen Vergesellschaftungsansätze abspielen“ (Thiersch, Grunwald, Köngeter 2002:171 mit Verweis auf Beck 1986 und 1994). Erlaubt man sich einen kritischen Blick auf diesen Ansatz, fällt zunächst auf, dass keine Bemühungen um eine eigenständige Gesellschaftstheorie unternommen werden. Man entleiht sich, was anderswo angeboten wird und verzichtet darauf, solide zu begründen, warum man sich dort bedient und nicht anderswo. Zudem entscheiden die VertreterInnen sozialer Berufe immer wieder mit über den mehr oder weniger ‚gelingenden‘ Alltag ihrer Klientel. Damit steht der Ansatz unter dem Verdacht, dass das Alltagskonzept nicht rein analytisch eingebracht wird, schon gar nicht um seiner selbst willen oder um gesellschaftlicher oder politischer Veränderungen willen, sondern vor allem, um den Alltag und seine Gestaltung in den Einwirkungsbereich der Profession zu bringen. Die VertreterInnen sozialer Berufe können ihn nun unter eigenen Maßgaben als veränderbar behandeln. Wo aber ist in diesem Spiel der soziale Ort sozialer Berufsarbeit? Der Alltagsund Lebensweltorientierte Ansatz verortet sich selbst „zwischen Individuum und Gesellschaft“, quasi als eine exterritoriale Vermittlungsinstanz. Das entspricht allerdings in keiner Weise der konkret nachvollziehbaren Stellung einer solchen Pädagogik: Sie geschieht in der Gesellschaft und nicht außerhalb. Sie ist eine gesellschaftliche Praxis, die sich allerdings als solche nicht reflektiert. Sie entzieht



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„sich jener Gesellschaftlichkeit, die sie dem Alltag ihrer AdressatInnen zuschreibt“ (Neumann, Sandermann 2012:56). Selbstbezüglichkeit theoretischer Aussagen scheint in diesem Ansatz kein Geltungskriterium zu sein. An die Stelle von Autologie tritt ein dezidiertes Normativitätspostulat, das Handlungsanleitungen ermöglicht. Ein Verzicht auf Autologie verhindert (selbst)kritische De-Essentialisierungen und erspart die Erarbeitung einer post-ontologischen Position.

Text 08.3: Das Gesellschaftsbild eines Modernisierungs- und Individualisierungsorientierten Ansatzes Soziale Berufe sind Produkte der Modernisierung. Was aber meint Modernisierung? Was ist gemeint, wenn die Gesellschaft als modern beschrieben wird?1 Modernität meint Fortschrittsoptimismus, meint, dass Geschichte, im Gegensatz zur Vormoderne, zu einem offenen Prozess wird. Naturale, theologische oder zirkuläre Zeitvorstellungen werden zurückgedrängt. Die Gesellschaft bewegt sich auf eine offene Zukunft hin. Die Gegenwart erscheint in der modernen Gesellschaft als ein legitimationsbedürftiger turning point, an dem über Verbesserungen oder Verschlechterungen entschieden wird. In der Aufklärung wird mit Blick auf die menschliche Entwicklung ein positiver Trend zum Anstieg auf ein immer höheres Plateau der Vernünftigkeit und Rationalität unterstellt. Mensch und Gesellschaft scheinen auf dem Weg zur Selbst-Vervollkommnung. Dabei schwebt dieses Projekt der Moderne aber stets in der Gefahr, in die Barbarei oder Tyrannei zurückzufallen. Der Mensch trägt die Verantwortung für sein Zusammenleben. Er muss via Politik für ein menschliches, gleichberechtigtes, freies und doch geordnetes Zusammenleben sorgen. Ein Kernmoment der Modernität ist die Individualisierung des Individuums. Individualität, wie positiv wir sie auch einschätzen, kann nicht ohne Risiken gedacht werden. Zumindest potentiell kann der Einzelne sich selbst oder anderen oder der Gesellschaft zur Gefahr werden. Markus Schroer (2000) unterscheidet

1 Die folgenden Ausführungen verdanken sich wesentlich dem Beitrag von Bernd Dollinger (2012): Ansätze der Modernisierung und Individualisierung als Referenzen sozialpädagogischer Selbstvergewisserung. Oder: Vom Glauben an eine feste Ordnung des Sozialen, auch wenn sie jetzt verloren gegangen sei. In: Ders., Fabian Kessl, Sascha Neumann, Philipp Sandermann (Hrsg.): Gesellschaftsbilder Sozialer Arbeit. Eine Bestandsaufnahme. Bielefeld: transcript, S. 65-99.

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drei Individualisierungsvarianten, die zur Beschreibung moderner Verhältnisse herangezogen werden: • Scheinindividualität: das Individuum ist gar nicht so individualisiert, wie vorgegeben wird, es wird vielmehr durch gesellschaftliche Vorgaben und Zwänge gefährdet; • Hyperindividualität: das Individuum löst sich aus allen gesellschaftlichen und gemeinschaftlichen Bezügen und wird in seiner Egozentrik für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die gesellschaftliche Ordnung gefährlich; • Risikoindividualität: das Individuum wird im Verhältnis zur sozialen Ordnung als ambivalent eingeschätzt. Sowohl Gesellschaft als auch Individuum bergen Chancen und Gefahren. Wie immer die Einflussnahmen und Wechselwirkungen zwischen individualisiertem Individuum und modernisierter Gesellschaft eingeschätzt werden, das Verhältnis bietet den sozialen Berufen reichlich Anschlussmöglichkeiten. Eine Kernfrage lautet: Wie lässt sich Individualisierung im Sinne einer Freisetzung aus gewissen traditionalen Integrationsformen mit den gegenwärtigen gesellschaftlichen Integrationsverhältnissen vereinbaren? Menschen beginnen seit der Renaissance, sich als Individuen zu denken und sich Gesellschaft als einen sozialen Raum vorzustellen, in dem sie als Individuen erwartet werden. Beide kulturellen Vorstellungen sind verbunden mit ambivalenten Erwartungen: Hoffnungen (Fortschritt, Freiheit) und Befürchtungen (Entfremdung, Singularisierung, Instrumentalisierung). In den Vorstellungen von einer modernen Gesellschaft wird der Wandel als permanent verstanden, was sich als subjektiv belastend und gesellschaftlich krisenhaft auswirken kann. Es herrscht die Annahme eines progressiven Fortschritts, der die Gesellschaft in allen relevanten Dimensionen tangiert, der sich global entfaltet und irreversibel voranschreitet. Damit wird Modernität zu einer normativen Richtgröße, mit der sich andere Gesellschaftsformationen auf ihre Rückständigkeit oder Fortschrittlichkeit hin bemessen lassen. Modernität als universelles Normalmaß, als Ziel und Fixpunkt gesellschaftlicher Entwicklung sollte allerdings nicht blind übernommen werden. Das Modernitätsverständnis ist viel zu perspektivisch vom Standpunkt der US-amerikanischen und westeuropäischen Gesellschaft aus gedacht. Zu viele Missstände (Kriege, Krisen, Bürgerrechtsverletzungen, Armuts- und Arbeitslosigkeitsproblematiken etc.) werden ausgeblendet. Zu viele Akteursgruppen (aber auch die Dinge und Hybriden von Bruno Latour 2005 und 2007) werden regelmäßig und systematisch übergangen. Somit handelt es sich um ein normatives Konzept, das Fortschrittlichkeit und Komplexitätssteigerungen einseitig honoriert und alternative Sozialformen dis-

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kreditiert. Modernitätskonzepte sind standortgebundene, kontingente Sichtweisen, die jeweils selbst festlegen, was als modern zu gelten hat und was nicht. Fraglich sind auch die Charakteristika, die man zur Bezeichnung der Modernisierung heranzieht. So benennen etwa Nina Degele und Christian Dries (2005) acht komplex zusammenspielende Dimensionen der Modernisierung2 , während Rosa, Strecker und Kottmann (2007:22) mit nur vier Dimensionen auskommen.3 Es bleibt so die Frage: Warum diese und keine anderen Dimensionen? Die Bestimmung der Gesellschaft als modern bleibt wohl eine unlösbare Aufgabe. Und doch kann man in sozialen Berufen kaum auf die Vorstellung verzichten, sich in einer modernen Gesellschaft zu verorten. Vier Merkmale scheinen von besonderer Wichtigkeit: 1. Modernität meint eine voraussetzungsvolle Ordnungsvorstellung in Absetzung zu anderen, vorgängigen Ordnungen. Von besonderer Bedeutung scheinen zunehmende Spezialisierungs- und Differenzierungsprozesse zu sein, die das Vergangene als relativ einfach und überholt darstellen. Die gesellschaftliche Entwicklung tendiert zu höheren Stufen der Komplexität, der Arbeitsteilung und damit aber auch zur Unüberschaubarkeit und damit zu gesteigerten Anforderungen ans Individuum. Darin scheint eine Logik des ‚Mehr‘ zu liegen. Die Vergangenheit wird simplifiziert und auf wenige, typische, vormoderne Stufen reduziert. 2. Modernitätsannahmen verbinden sich mit normativen Stellungnahmen: Die Option für mehr Freiheit, Offenheit, Fortschritt, Rationalität etc. wird eindeutig präferiert und mit Vorstellungen einer erleichterten Lebensführung konnotiert. Gleichzeitig aber wird die Moderne als ein „stahlhartes Gehäuse der Hörigkeit“ 2

Differenzierung, Individualisierung, Rationalisierung, Domestizierung, Beschleunigung, Globalisierung und Ver- und Entgeschlechtlichung. 3 „Domestizierung: die zunehmende Beherrschung und Nutzbarmachung der Naturkräfte und -elemente; das Anwachsen der instrumentellen Vernunft; Rationalisierung: die Umstellung der Legitimations- und Begründungsmuster von Herrschaft und Wissen (Politik, Recht, Wissenschaft) auf objektiv-intersubjektiv nachvollziehbare Vernunftgründe; die Welt wird berechen-, beherrsch- und erwartbar gemacht; Differenzierung: das Auseinandertreten der Wert- und Funktionssphären der Gesellschaft: Das ‚Wahre‘, das ‚Gute‘ und das ‚Schöne‘ bilden keine Einheit mehr; Wissenschaft, Wirtschaft, Kunst, Religion folgen je eigenen Gesetzen; Individualisierung: Individuen werden die Letztinstanzen der Begründung von Zwang und Herrschaft (nicht: Gott, Natur, Gruppe etc.); sie gewinnen Entscheidungsfreiheit und Verantwortung für die Dimensionen ihrer Lebensführung: Beruf, Familie, politische und religiöse Ausrichtung, Wohnort etc.“ (Rosa, Strecker, Kottmann 2007:22).

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(Weber) kritisiert. So schwankt der Diskurs zwischen Affirmation und Kritik. Fortschritt wird mit Krisenängsten (z. B. Entmoralisierung, Werteverlust, Anomie, Vereinzelung, Desintegration und Exklusion, ökologische Selbstgefährdung) gekoppelt. So gerät die Pädagogik in die ambivalente Situation, die gewonnenen Freiheiten zu feiern und die überforderten Individuen zu bedauern und zu umsorgen. 3. Aus dieser Ambivalenz heraus werden markante polarisierende Unterscheidungen entworfen: Kultur versus Zivilisation, Gemeinschaft versus Gesellschaft, Einheit versus Differenz, Anerkennung versus Anonymität, Natürlichkeit versus Technisierung, Authentizität versus Instrumentalisierung, Tradition versus Entscheidung, Solidarität versus Rücksichtslosigkeit etc. In Differenzierungsschemen wie die von vorindustrieller, moderner und postmoderner Gesellschaft und ihren spezifischen Charakteristika hat sich die (Sozial-)Pädagogik jeweils neu zu positionieren. Die anonymen gesellschaftlichen Entwicklungsprozesse werden so als die Ursache ihres fluiden Charakters wahrgenommen. 4. Gesellschaftsanalysen implizieren Interventionsinteressen: Mit den gesellschaftstheoretischen Diagnosen sind Maßnahmerationalitäten verbunden. So leiten sich z. B. soziale Instanzen aus Formveränderungen und Funktionsverlusten der Familie ab. Die aufgrund von Modernisierungs- und Individualisierungsprozessen ausgelöste Erosion familiärer Solidaritäten muss durch inszenierte Solidaritäten in den sozialen Berufen aufgefangen werden. Eine solche Argumentation ist prototypisch: Die VertreterInnen sozialer Berufe konstatieren scheinbar objektive Probleme (erodierte Gewissheiten, moralische Überforderungen, soziale Bindungsprobleme), um deren Lösung sie sich dann bemühen, oft im Sinne einer rückwärts gewandten Wiederherstellung: sich neuer Gewissheiten vergewissern, Überforderungen wieder vereinfachen, verlorene Bindungen durch neue Verlässlichkeiten ersetzen. Das bringt die sozialen Berufe in eine Sisyphos-Situation. Sie versuchen, Dinge zu bewerkstelligen, die strukturell bereits überholt sind. Schmerzlindernd versuchen sie, historisch bereits verlorene Wertigkeiten zu restituieren. Individualisierung gründet in der Einsicht, dass der Einzelne Halt nur noch in sich selbst finden könne (Humboldt). Das Individuum muss über soziale Verbindungen, Bildung und Besitz seine Subjektivität selbsttätig in eine sozial verträgliche und mündige Form bringen. Paul Natorp erfasste die Notwendigkeit der Verbindung von Individualisierung und Sozialverträglichkeit im Begriff des ‚doppelten Mandats‘ der Sozialpädagogik: sowohl für die Gesellschaft als auch für das Individuum einzustehen. Herman Nohl stellte ebenfalls die Differenz von Individuum und Kollektiv als die „große pädagogische Antinomie“ heraus.

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Die Bedeutsamkeit der Individualisierung für soziale Berufe ist unübersehbar, fraglich ist allerdings, ob den Thesen eines radikalisierten Schubs der Individualisierung (Beck 1986) in allen Hinsichten (vgl. Rauschenbach 1999) zuzustimmen ist.4 Bezieht man kritisch die Voraussetzungshaftigkeit der Modernisierungs- und Individualisierungsthese mit in die eigenen wissenschaftlichen Bemühungen ein, wäre ein vorsichtiger Gebrauch dieser Thesen angezeigt. Was lässt uns glauben, dass das, was sich Modernisierung und Individualisierung nennt, wirklich langfristig aussichtsreich ist? In welcher Form kann Politik Einfluss auf diese scheinbar selbstläuferischen, eigenlogischen Prozesse nehmen? Sollten wir sie wirklich als 4





Dollinger (2012:85ff.) meldet Zweifel an, ob den Unterstellungen gesteigerter Individualisierungstendenzen, zunehmender Notwendigkeiten der persönlichen Entscheidung über Lebensentwürfe, den erweiterten Gestaltungsspielräumen und der tendenziellen Überforderung des Einzelnen aufgrund des Fehlens subjektiv plausibler Normalitäts­ entwürfe getraut werden darf. Er bezweifelt, dass sich Individualisierungs-, Pluralisierungs-, Entgrenzungs- und spätmoderne Vergesellschaftungsprozesse ungebrochen fortschreiben. Er kritisiert, dass in den sozialen Berufen unbesehen von der Annahme einer radikalisierten Individualisierung ausgegangen wird, die moralisch-normative Gewissheiten aufgelöst, soziale Bindungen erodiert und Lebensverläufe pluralisiert habe (vgl. Beck 1995:189). Aufkosten inhaltlicher Schärfe werde dieses Argumentationsmuster in alle nur denkbaren sozialen Bereiche getragen und dort unter eher pragmatischen als analytischen Gesichtspunkten ausgedeutet. Dass das Motiv der Individualisierung derartig beliebt ist, liege nicht zuletzt daran, dass es makro- und mikrosoziale Aspekte verbindet. Es hilft, individuelle Bewusstseins- und Handlungsformen in Zusammenhang mit gesellschaftlichen Prozessen zu thematisieren, unabhängig von ihrer empirischen Triftigkeit. Aber womöglich dient der Rekurs auf die einschlägigen Themen der Individualisierung der Etablierung oder gar Ausdehnung des Einflussbereichs sozialer Berufe. Die Einredung, jedes Individuum habe nunmehr als selbstwirksames Subjekt die Aufgabe, eigenverantwortlich seinen Platz in der Gesellschaft zu finden, ließe sich durch Empirie leicht erschüttern (vgl. Dollinger 2007). Doch die Alltagsplausibilität einer radikalisierten Moderne scheint gegenüber empirischen Befunden relativ immun zu sein. Die Sozialpädagogik nutzt z. B. die Gelegenheit, an die These einer radikalisierten Individualisierung das Motiv einer überforderten Subjektivität und der Notwendigkeit sozialpädagogisch gestützter Orientierung anzuhängen. Die Überforderten werden als ModernisierungsverliererInnen zu ihren AdressatInnen. Wo VertreterInnen sozialer Berufe sich dann nur noch auf die hilfsbedürftigen Subjekte konzentrieren, entledigen sie sich der gesellschaftlichen Dimensionen ihrer Arbeit. Aber wie passte das zu Becks Argumentation, der ausdrücklich neben der Freisetzung auf neue institutionalisierte Abhängigkeiten aufmerksam macht? Eine zu einseitig aufs Individuum bezogene Perspektive droht zur Ideologie zu werden oder in ihrer Einseitigkeit interessengebunden missbraucht zu werden. So richten sich die „jüngeren aktivierungspolitischen Imperative der Übernahme von Eigenverantwortung durch vermeintlich individualisierte Einzelne (…) gegen die AdressatInnen Sozialer Arbeit“ (Dollinger 2012:89).

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übermächtige, anonyme Entwicklungen begreifen, gegen die nichts unternommen werden kann? Sind es wirklich die gesellschaftlichen Entwicklungsphasen, die uns gewisse individuelle wie auch professionelle Anpassungsleistungen abverlangen? Und wozu die mitlaufende kulturpessimistische Einstimmung auf Werteverfall, Sozialisationsdefizite und Überforderung? Warum werden Menschen zu Modernisierungsverlierern erklärt? Sind diese Menschen wirklich das ‚Abfall‘-Produkt gesellschaftlicher Wandlungsprozesse oder sind sie das Ergebnis eines nicht zuletzt durch soziale Berufe mitgestalteten, diskursiven, politischen Etikettierungs- und Ausschließungsprozesses (wie früher die Landstreicher und Pauper, die als Bedrohung der legitimen Ordnung angesehen wurden)? Womöglich wirkt hier keine Systemlogik, womöglich vollzieht sich hier politisch motivierter Ausschluss. Womöglich wirken hier hegemoniale Interessen. Vielleicht ist so viel von der Eigenverantwortlichkeit und der Eigenaktivität des Einzelnen die Rede, um wohlfahrtsstaatliche Leistungsgarantien zurückzufahren? Steckt hinter der Individualisierungsthese womöglich eine politische Strategie, ein Versuch der Regulierung und Regierung durch Individualisierung (Foucault 2005:274)? Mit Fragen dieser Art lädt uns Bernd Dollinger dazu ein, die Bilder einer modernen, individualisierten Gesellschaft nicht einfach unkritisch hinzunehmen und als anonyme gesellschaftliche Prozesse zu lesen, sondern als institutionelle Praxen und diskursive Artikulationen zu begreifen, in die soziale Berufe zutiefst verstrickt sind.

Text 08.4: Das Gesellschaftsbild eines Kommunitaristischen Ansatzes Der Kommunitarismus liefert, ebenso wie der Alltags- und Lebensweltorientierte Ansatz, weder eine echte Gesellschaftstheorie noch eine einheitliche Beschreibung von Gesellschaft. Er stellt sich als eine Art geistige Strömung dar, die sich gegen liberalistische Tendenzen in der Gesellschaft wendet, die als Grund für eine gesellschaftliche Krise begriffen werden. Der Kommunitarismus lässt sich fassen als eine politische Debatte zum Ende des 20. Jahrhunderts, in der ein Verfallsbild von Gesellschaft gezeichnet wird. Gegen die Verfallstendenzen plädiert der Kommunitarismus für eine Wiederbesinnung auf alte, bewährte Werte der Gemeinschaft. Das zeigt: Der Kommunitarismus begreift die Gesellschaft als das Zusammenleben von Menschen, das in seinem Gelingen maßgeblich von der Geltung von Werten abhängt. Gesellschaft wird m. a. W. anthropologisiert und normativistisch gelesen: Würden sich alle Menschen an die richtigen und wahren Werte halten, würde ein gesellschaftliches Zusammenleben bestens funktionieren. Somit scheint als Ideal

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eine durch gemeinschaftliche Werte und Prozesse gesteuerte Gesellschaft unterstellt zu werden (vgl. Sandermann 2012:107).5 Philipp Sandermann beschreibt den kommunitaristischen Diskurs als eine Wiederbesinnungsargumentation: Immer geht es um Rückbesinnung, Wiederbelebung, Wiedergewinnung. Darin verbindet sich die Diagnose eines Verlusts von etwas Wertvollem mit dem Aufruf zur Rückgewinnung dieses Verlorenen unter den heute geltenden Bedingungen. In den Beschreibungen der Tendenzen mischen sich kritisch-deskriptive und normativ-advokatische Momente. Das, was analytisch als verloren konstatiert wird, wird als etwas Wünschenswertes dargestellt, verbunden mit dem Aufruf, sich für seine Verwirklichung einzusetzen. Die eigene Sicht wird als reflexiv dargestellt, so als ginge es um unterschiedliche Perspektivitäten. Zugleich wird sie auch ontologisiert, so als ginge es um unbezweifelbare Wahrheiten. Hier die wesentlichen inhaltlichen Argumentationsstränge der neuen Gemeinschaftsdiskussion:

1. Wiederbesinnung auf die gemeinschaftlich-moralischen Werte der westlichen Gesellschaft Eher oberflächlich, wenig konkret, wird immer wieder der Umstand hervorgehoben, dass jeder Einzelne und jede Gesellschaft sich moralisch zu positionieren habe. Es bedürfe m. a. W. eines klaren Bekenntnisses zu einer gemeinschaftlichen Moral und zu sozialen Wertbindungen, wie sie sich aus der kulturellen Tradition heraus herleiten ließen. Statt eines Nebeneinanderherlebens müsse es um mehr Zusammenhalt und Zusammenleben, um mehr gegenseitige Rücksichtnahme gehen. Dem grassierenden Atomismus, der Vereinzelung und Vereinsamung, dem Sinnverlust individueller Lebensentwürfe sei nur durch eine Remoralisierung beizukommen. Falsch verstandener Individualismus führe zu Egoismus und antisozialem Eigennutz der Menschen, zu einer Degenerierung von Kultur und Gesellschaft (Etzioni 2001:25). Anstelle eines Hyperindividualismus gehe es um ein „Zurück zum Wir“ (Etzioni 1998:137); anstelle postmoderner Beliebigkeit gehe es um klare Werte in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit wie auch in den Familien. Anstelle kultureller Relativierungen müssten wir wieder aus dem Reichtum der menschlichen Kulturen lernen, uns diese Reichtümer neu aneignen und sie wiederbeleben. Dabei käme den gesellschaftlichen Eliten eine besondere Vorbildfunktion zu. Auch sie hätten 5 Die folgenden Ausführungen verdanken sich wesentlich den Arbeiten von Philipp Sandermann (2009): Die neue Diskussion um Gemeinschaft. Ein Erklärungsansatz mit Blick auf die Reform des Wohlfahrtssystems. Bielefeld: transcript und Philipp Sandermann (2012): Die kommunitaristische Gesellschaft der Sozialen Arbeit. In: Dollinger, B., Kessl, F., Neumann, S., Sandermann, P. (Hrsg.) (2012): Gesellschaftsbilder Sozialer Arbeit. Eine Bestandsaufnahme. Bielefeld: transcript, S. 101-122.

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wieder ins Bewusstsein zu rufen, dass Menschen als verantwortliche Mitglieder von Gemeinschaften zusammengehören. Bezogen auf die sozialen Berufe ist mit derlei Ansichten eine verstärkte Sozialdisziplinierung verbunden. VertreterInnen sozialer Berufe hätten verstärkt moralisierend auf die Klientel einzuwirken, um so wieder Anstand, Verlässlichkeit und Leistungswille durchzusetzen. Ein einseitiger Vorrang individueller Belange sei neu zu taxieren in Richtung eines Ausgleichs gegenüber gesellschaftlichen Anforderungen (vgl. Thiersch 2005). Micha Brumlik (2004:261) plädiert für eine neue „Sozialpädagogik der Moral“, da Moral nun einmal das Medium sei, das jeder Pädagogik unterliege (ebd.:269).

2. Wiederbesinnung auf den Gemeinschaftsbezug von Individualität und Authentizität Der Kommunitarismus wirft die Frage nach dem ‚richtigen‘ Verständnis von Individualisierung auf. Individualität, Authentizität und Selbstverwirklichung seien nur dann lebbar, wenn sie in Übereinstimmung mit gemeinschaftlichen Grundwerten stünden. Die Väter des Individualisierungsgedankens, die Denker der Aufklärung und der Romantik, hätten noch den Gemeinschaftsbezug mitgedacht, der in der heutigen Gesellschaft verloren gegangen sei. Es sei ein falsches Verständnis von Individualität, wenn sie ausschließlich als Abgrenzung gegenüber der Gemeinschaft gedacht werde. So könne individuelle Freiheit nicht positiv gefüllt werden und führe in eine nichtssagende Leere. Nur der Bezug auf ein größeres Ganzes, auf Gemeinschaft und Tradition, könne die individuelle Freiheit in einem positiven Sinne mit Sinn füllen. Sinn und Ziele seien nur im Zusammenleben zu finden. Alles andere gehe in Richtung besinnungsloser Ablenkung, Anarchie, Bindungs- und Bedeutungslosigkeit. Das niedere Selbst müsse in der Erziehung zugunsten eines höheren Selbst überwunden werden, um Selbstverwirklichung in der Gemeinschaft zu ermöglichen. „Der Mensch, der sich nur um sich selbst kümmert, ist in Wahrheit ‚selbstverloren‘“ (Wendt 1996:49). Menschen, die bei keiner gemeinsamen Sache sind, seien auch nicht bei sich. In einer Zivilgesellschaft werde eine Versöhnung von Eigensinn und Gemeinsinn möglich (vgl. Olk 2003). Als „zivilgesellschaftlicher Aktivbürger“ habe man seine Freiheit auch dazu zu nutzen, sich verantwortungsbereit für die Belange der Allgemeinheit einzusetzen. Heinze (2003) plädiert in diesem Zusammenhang unter der Maxime ‚Fördern und Fordern‘ für eine Neubalancierung der Rechte und Pflichten der gesellschaftlichen Akteure. Hierzu passen auch Ideen des Empowerments: die (Wieder-)Entdeckung der eigenen Stärke im Sozialen (vgl. Stark 1996:76). Rauschenbach (1997:485; vgl. auch 2009) plädiert in einem weniger rückwärts als vorwärts gewandten Sinne für einen ‚solidarischen Individualismus‘.

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Sandermann (2009:53f.) sieht in diesem Diskurs zwei gegensätzliche Positionen in Stellung gebracht: zum einen die Leitidee einer durch Gemeinsinn positiv ausgefüllten individuellen Freiheit, zum anderen eine individuelle Selbstbeschränkung zugunsten der als wertvoll erkannten gemeinschaftlichen Belange.

3. Wiederbesinnung auf die gemeinschaftliche Sozialisation des Subjekts Das liberale Menschenbild, das den idealen Menschen als autonom denkend und handelnd zeichnet, wird vom Kommunitarismus als gefährlich und unrealistisch zurückgewiesen. Nicht in der Freiheit und Unabhängigkeit, sondern nur in der sozialen Einbindung könne der Einzelne seine Erfüllung erfahren und zu wahrer Authentizität finden. Statt den Menschen als freies Wesen zu begreifen, gehe es darum, ihn wieder als soziales Wesen zu verstehen. Der Mensch sei kein unbeschriebenes Blatt, er sei vielmehr immer schon von der Gemeinschaft mit Geschichte, Tradition und Kultur ausgestattet. Er sei immer schon in einen von Werten tief durchdrungenen sozialen Kontext eingebettet, und dessen müsse er sich wieder bewusst werden. Dies sei nicht einfach nur eine normative Frage, sondern hier gehe es um eine unbezweifelbare und nicht verhandelbare ontologische Tatsache. Für Daniel Tröhler (2001a und b) geht es damit in sozialen Berufen nicht um das normative Ziel der Erziehung zur Gemeinschaft, sondern der Erziehung durch Gemeinschaft. Welche identitätsstiftenden Prozesse finden in sozialen Kontexten statt? Welchen Einflüssen sind Kinder und Jugendliche während ihrer Entwicklung ausgesetzt? Was wären sinnvoll vertretbare normative Setzungen? Mit diesen Fragen wird auf die Bedeutsamkeit der kulturell-sozialisatorischen Vorbedingungen der Personwerdung abgestellt, denen sich moderne Gesellschaften wieder bewusst werden müssten.

4. Wiederbesinnung auf eine Erziehung zur Gemeinschaftlichkeit in der Gemeinschaft und durch die Gemeinschaft Im Erziehungsprozess ist der Einzelne wieder stärker in die Gemeinschaft einzubeziehen. Gegen die reformpädagogischen Bemühungen der 60er und 70er Jahre um mehr Autonomie und Unabhängigkeit wird im Kommunitarismus Front gemacht mit der Gegenforderung nach verstärkter Vermittlung sozialer Kompetenzen und Gemeinschaftsfähigkeiten. Eine Erziehung zur Gemeinschaft könne nur als eine Erziehung durch eine intakte Gemeinschaft gelingen. Der Einzelne beteilige sich an der Formulierung der Gemeinschaftsregeln und habe sich an sie zu halten. Die Erziehung müsse für die Verbindlichkeit der Regeln sorgen, dies sowohl in der Familie wie in den Schulen, die es zu re-pädagogisieren gelte, soll heißen: Die Schule müsse wieder zu einer Stätte der Charakterbildung werden. Dies gälte auch für die

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sozialpädagogischen Einrichtungen im weitesten Sinne: Sie müssen der Tendenz zur Verwahrlosung entgegentreten und für die Förderung der Tugendhaftigkeit einstehen. Diese Forderung wurde in den Erziehungswissenschaften wie auch in der Sozialpädagogik durchaus positiv aufgenommen. So tritt z. B. Wendt (1997, 1998) für eine „Erziehung zur Bürgerschaft“ bzw. „Einübung von Bürgersinn“ ein. Hintergrund ist die Befürchtung, dass es zu einer Überbetonung individualistisch-­ egozentrischer Orientierungen auf Kosten des Gemeinsinns gekommen sei. Diese gelte es nun durch eine Förderung der Gemeinschaftsfähigkeit in der schulischen und außerschulischen Bildung wieder auszugleichen, ohne dabei das Ziel der Erziehung zur Mündigkeit preiszugeben. Für Rauschenbach (1997:485) geht es um eine „neue Verbindung von Individualisierung, Selbstzuständigkeit und Solidarität“ in der reflexiven Moderne. Für Prüß (2000) geht es um eine Wiederherstellung der Balance zwischen individuellen und gemeinschaftlichen Zielen. Der Sozialpädagogik wird als intermediärer Instanz der Auftrag erteilt, Erfahrungsräume für Gemeinschaft zu inszenieren. Hierfür finden sich in der Diskussion sowohl progressive wie auch eindeutig rückwärtsgewandte, frühere Formen und Zustände idealisierende Ansätze.

5. Wiederbesinnung auf die gemeinschaftlichen Kräfte innerhalb moderner Gesellschaften Nach Michael Walzer (1995) ‚desozialisiert‘ die Form der verstaatlichten Wohlfahrt die Gesellschaft. Die Bürger fühlten sich entmutigt und zögen sich aus sozialen und politischen Lebenszusammenhängen zurück. Der Staat müsse nun wieder dafür sorgen, dass die vorhandenen aber blockierten Ressourcen von Familien, Nachbarschaften und sozialen Netzwerken revitalisiert werden, so dass es den BürgerInnen wieder sinnvoll erscheint, sich aktiv für soziale Belange einzubringen. Dazu müsse der Staat ihm übertragene Verantwortung wieder abtreten und sie seinen BürgerInnen zutrauen. Nur so könnten wieder weite Teile der Bevölkerung in das aktive gesellschaftliche Leben einbezogen werden. „Mit der Devise der ‚Vergesellschaftung des Sozialstaates‘ (Salustowicz 1998:120) verbindet sich an dieser Stelle also die Rückverlagerung sozialstaatlicher Aufgaben in den unmittelbaren gesellschaftlichen Bereich und die Wiederbesinnung auf die dort zu aktivierenden Gemeinschaften“ (Sandermann 2009:71). KommunitaristInnen fordern mehr Einbringungsmöglichkeiten und betonen die Fähigkeit der BürgerInnen zu mehr Verantwortungsübernahme. Für den sozial und politisch aktiven Bürger müsse es auch im Sozialstaat wieder einen Platz geben. Was den SpezialistInnen im Zuge einer sozialen ‚Entsorgung‘ überantwortet wurde, müsse wieder in nicht-professionelle Hand und auf Selbsthilfe setzende Netzwerke gegeben werden. Die Profis

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könnten dabei verstärkt die anleitenden, evaluativen und planenden Tätigkeiten übernehmen (vgl. Effinger 1999). Verbunden sind derartige Reden meist mit einem republikanischen Staatsverständnis, demnach der Bürger nicht zu einem desinteressierten Bourgeois degenerieren dürfe, sondern sich als Citoyen für die gemeinsame Sache, die res publica, verantwortlich fühlen sollte. Nur indem man die vorhandenen bürgerschaftlichen Kräfte remobilisiert, könne auch der soziale Kitt wiederhergestellt werden, der das Gemeinwesen zusammenhalte. Der Staat wird als ‚aktivierender Sozialstaat‘ angerufen. Statt Verrechtlichung und direkter Intervention habe er eine ‚Ermöglichungspolitik‘ zu betreiben. Bei der „Aktivierung neuer Gemeinschaftlichkeit“ (Kessl 2000:20) gehe es darum, alte Fehler zu vermeiden und eine zukunftsfähige Form zu entwickeln. Die Konzepte streuen hier zwischen Forderungen nach bürgerlichem Engagement als Alternative zum Sozialstaat (Etzioni 1998, 1999) und Forderungen nach einer Rückbesinnung des Sozialstaats auf seine Legitimation im gesellschaftlich-kollektiven Bewusstsein (Böhnisch, Schröer 2002).

6. Wiederbesinnung auf Gemeinschaft als konstitutives Prinzip der Theoriebildung Natorp (1968) begreift die Sozialpädagogik – anders als Nohl und Bäumer – nicht als zusätzliches pädagogisches Betätigungsfeld neben Familie und Schule, sondern als Grundprinzip aller Pädagogik. Natorps pädagogischer Kerngedanke auf eine Formel gebracht lautet: Erziehung ist nie nur vom Kind aus zu denken, sondern stets mit einem sozialen Motiv zu verbinden. Es geht um ‚individuelle Erziehung in Gemeinschaft durch Gemeinschaft zur Gemeinschaft‘. In diesem Sinne könnte der Kommunitarismus als eine Wiederentdeckung der Sozialpädagogik im Natorp‘schen Verständnis interpretiert werden (vgl. Uhle 1995). Beide richten sich gegen die soziale „Ortlosigkeit des Ichs“ (vgl. Reyer 2002). Viele fordern in diesem Zusammenhang eine neue Klärung des Theorie- und Wissenschaftsverständnisses sozialer Berufe sowie ein Klärung ihrer sozialwissenschaftlichen Grundlagen. Was genau hier mit einer verstärkten sozialwissenschaftlichen Ausrichtung gemeint sein kann, wird von den unterschiedlichen SprecherInnen unterschiedlich ausgelegt. Konsens herrscht darüber, dass eine Theorie sozialer Berufe, die den Gemeinschaftsaspekt vernachlässigt, auch seinen sozialphilosophischen Tiefgang verspiele (so Reyer, Henseler 2000 wie auch Niemeyer 1996 und 1997). Wagt man auch hier einen kritischen Blick, stellt man fest: Die Gesellschaft wird in diesem Ansatz nicht weiter auf ihre besonderen (Verteilungs-, Schichtungs-, Macht- und Herrschafts-) Strukturen hin analysiert. Sie wird vielmehr so sehr

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anthropologisiert, dass schließlich nur noch die Individuen und deren soziales bzw. asoziales Bewusstsein interessieren. Als Kernproblem der Gesellschaft werden nicht die herrschenden Ungleichheitsverhältnisse angesehen, sondern die Balance zwischen individuellen Freiheiten und gesellschaftlichen Verpflichtungen, die jeweils als Ansprüche spezifischer Kollektive gedacht werden, wie etwa der Familie, der Nachbarschaft, der Belegschaft, der Gemeinde etc. Der Fokus liegt bezüglich Gesellschaft somit immer auf der Ebene der subjektiven Verpflichtungen gegenüber den genannten Gemeinschaften. Die Konflikte, die bestehen, besser: die gesehen werden, muss das Individuum vor allem mit sich selbst austragen. Die Konflikte, die die in unterschiedlichen Rollen und Funktionen eingebundenen Individuen auszeichnen und die eine hochgradig differenzierte Gesellschaft kennzeichnen, rutschen damit aus dem Blick. Alle gesellschaftlichen Problemstellungen verdrehen sich in eine individuell-moralische Fragestellung: „Wie muss sich der Einzelne moralisch verhalten, damit die Gemeinschaft gelingt?“6 Die kommunitaristischen Ideen wurden vor allem in die prominent von Tony Blair und Gerhard Schröder (1999) betriebene sozial- und gesellschaftspolitische Neuprogrammierung des Wohlfahrtstaates eingearbeitet. Mit dem Eindringen kommunitaristischer Ideen in die neue Wohlfahrtsdoktrin änderte sich auch das Gesellschaftsbild des Wohlfahrtssystems: Die Gesellschaft erscheint nun als eine jenseits von Stand und Klasse (Beck), maßgeblich charakterisiert durch eine rasante Individualisierung, die neuartige Bezugsgemeinschaften entstehen lässt. Konflikte, die sich nunmehr vorzugsweise zwischen Individuum und Gemeinschaft auftun, sind vor allem durch Änderungen und Anpassungsleistungen auf der individuellen Bewusstseinsebene des desintegrierten Individuums zu beheben. Die Probleme werden dem Individuum persönlich zugeschrieben, und ihm werden die Freiheit und die Pflicht übertragen, sie zu lösen. Sandermann (2012:116) nennt dies die „neo-liberale Redefinition des Systems“, die er – anders als andere – keinesfalls als eine anti-sozialstaatliche oder anti-sozialarbeiterische Entwicklung deutet, sondern als einen Prozess, der vom Hilfesystem zur Sicherung und (Re-)Etablierung des wohlfahrtssystemischen Apparats unter dem Diktum des „Aktivierenden Sozialstaats“ genutzt wird. Zudem bietet das kommunitaristische Prinzip der Gemeinschaftsorientierung den Ambitionen sozialer Berufe hervorragende Anschlussmöglichkeiten. Auch die Sozialpädagogik ist – wie im Kommunitarismus angedacht – grundsätzlich fokussiert auf individuellen Bewusstseinswandel, die 6 Ines Pohl (2011) benennt in dem von ihr herausgegebenen Buch „50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Gesellschaft zu verändern.“ Ebenso hatte Benjamin Barber bereits 1998 gute Ratschläge parat. Er gab vor zu wissen, wie man die Gesellschaft zivil und die Demokratie stark machen kann. Sein Buchtitel lautet: A Place for us: How to Make Society Civil and Democracy Strong.

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Erwirkung von Einsicht und Bildung, die Einigung und Versöhnung durch zwischenmenschliche Beziehungsarbeit. Auch sie ist an einer ausgewogene Rechte-/ Pflichten-Balance interessiert. Auch sie setzt auf moralische Verbundenheit und Zugehörigkeit.

Text 08.5: Das Gesellschaftsbild eines Systemtheoretischen Ansatzes Die Systemtheorie, hier der Ansatz von Niklas Luhmann, beschreibt die Gesellschaft als das umfassende System aller füreinander erreichbaren Kommunikationen. Gesellschaft besteht demnach nicht, wie in Alltags- und Lebensweltorientierten und auch in Kommunitaristischen Ansätzen vertreten, aus Menschen, sondern aus den aktuell stattfindenden Kommunikationen, die dafür sorgen, dass sich in der Gesellschaft Strukturen etablieren, aber auch immer wieder verschieben. Wesentliches Merkmal der modernen Gesellschaft ist ihre interne Differenzierungsform: die funktionale Differenzierung. Anders als ihre Vorgängerinnen, die segmentär, nach gleichen Einheiten wie Familien, Stämmen oder Clans differenzierte Gesellschaft oder die stratifizierte, nach Schichten und Klassen differenzierte Gesellschaft, ist die moderne Gesellschaft ein primär funktional differenziertes Gebilde, das durch die Ungleichheit der Subsysteme gekennzeichnet ist. Die Funktionssysteme dienen der modernen Gesellschaft zur Bearbeitung spezifischer gesellschaftlicher Probleme: Z. B. erwirkt die Politik der Gesellschaft kollektiv bindende Entscheidungen, die Wirtschaft bearbeitet die Knappheitsprobleme der Gesellschaft, die Erziehung sorgt für lernbereites Personal, die Wissenschaft produziert wahre Aussagen, während das Recht verbindliches Recht spricht. Die Religion beantwortet Fragen nach dem Jenseits, und die Massenmedien sorgen derweil für eine jeweils aktuelle, anschlussfähige Hintergrundsrealität (vgl. Kap. 1.2 des Buches). Funktionssysteme stehen nach Ansicht der Systemtheorie in keinem hierarchischen, sondern in einem heterarchischen Verhältnis zueinander. Obwohl jedes System sich selbst für besonders wichtig deklariert („Selbsthypostasierung“), kann keines nach dem Pars-pro-toto-Prinzip die Gesellschaft als Ganze dominieren oder auch nur eines der anderen Subsysteme ersetzen. Funktionssysteme können nur, was sie können: Sie können nur nach Maßgabe ihrer eigenen Struktur und in den Grenzen der je eigenen Codes und Programme operieren. Sie können einander

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irritieren, aber nicht instruieren. Operative Autonomie und funktionale Interdependenz wachsen gleichzeitig.7 Der systemtheoretische Ansatz begreift Soziale Hilfe wie auch Erziehung als eigenständige Funktionssysteme der modernen Gesellschaft neben anderen Funktionssystemen. Sie erscheinen nicht als ökonomisch determiniert oder staatlich vereinnahmt, sondern als autonome Teilsysteme mit je eigenem Auftrag fürs Gesamtsystem: Soziale Hilfe soll die Folgeprobleme der funktionalen Differenzierung bearbeiten, vor allem soll sie die Differenzen zwischen dem Inklusionsversprechen der Gesellschaft (alle dürfen an allen Systemen teilhaben) und den real stattfindenden Exklusionen (zunehmend viele werden ausgeschlossen) abfedern, indem sie Exklusionen verhindern hilft oder ‚stellvertretend‘ inkludiert. Die Erziehung dagegen dient der Modellierung von lernbereiten Menschen im Hinblick auf ihre je eigenen Möglichkeiten einerseits und die gesellschaftlichen Ansprüche andererseits. Erziehung dient, wo sie Lernerfolge in Form von Noten, Zeugnissen, Abschlüssen und Titeln ausweist, auch der Selektion von Personen für Karrieren.8 Die Soziale Hilfe erzielt ihre Autonomie – trotz aller Abhängigkeiten von politischen Strömungen, Bewegungen und Entscheidungen, trotz aller Abhängigkeit von ihrer Finanzierung durchs sozialpolitische System und trotz aller juristischen Vorgaben – durch den Rückgriff auf den Code Hilfe/Nicht-Hilfe und den dazugehörigen selbst auszuformulierenden und selbst umzusetzenden Hilfeprogrammen. Sie weiß sich zuständig für die liegengelassenen Probleme der modernen Gesellschaft, für die sich kein anderes Funktionssystem zuständig fühlt. Sie distanziert sich von moralischen, religiösen und politisch-weltanschaulichen Appellen und versucht, sich zunehmend an wissenschaftlich-wertneutralen Hilfekonzepten zu orientieren. 7

Damit gerät der Systemtheoretische Ansatz in klare Opposition zum frühen Kritischen Ansatz: Der Fokus ist nicht auf materielle Prozesse gerichtet, sondern auf kommunikative, durch die hindurch alles Materielle erst gesellschaftlich, sprich: kommunikativ verfügbar wird. Zudem ist es in einem Systemtheoretischen Ansatz undenkbar, dass ein System wie die Wirtschaft die Gesellschaft als Ganze bis in ihre Einzelelemente hinein dominiert. Die Gesellschaft kann auf keine Funktion verzichten. Sie wird, wenn man so will, von allen Systemen gleichermaßen ‚dominiert‘. 8 Während der Erziehung durchaus eine Eigenständigkeit zugetraut wird, steht die Vorstellung der Sozialen Hilfe als autonomes Funktionssystem noch auf wackeligen Füßen (vgl. Baecker 1994, Bardmann 2000, 2008). Dabei ließe sich die bislang prekäre professionelle und disziplinäre Identität von SozialarbeiterInnen und SozialpädgogInnen über eine solche These vorantreiben, denn mit der Funktionssystemfrage wird auch die Frage nach einer eigenständigen Disziplin und Professionalität virulent. Findet die Soziale Hilfe zu einem eigenen Umgang mit Beschränkungen? Vermag sie, eine Grenze zwischen sich und den anderen Funktionskontexten zu ziehen und ihr ‚Revier‘, für das ausschließlich sie zuständig ist, zu markieren?

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Alle Entscheidungen, die jenseits des Systems der Sozialen Hilfe getroffen werden, betreffen die Soziale Hilfe immer nur soweit, wie sie der Eigenlogik des Hilfesystems zugänglich sind. Autonomie im engeren Sinne gewinnt die Soziale Hilfe in ihren fallbezogenen Handlungen: Sie definiert den Fall und seine Behandlung nach eigenen professionellen Maßgaben. Legitime Hilfsbedürftigkeit wird prozedural bestimmt in den Sozialausschüssen, von den AkteurInnen der Sozialen Hilfe, den Betroffen und ihren Organisationen, den HelferInnen und ihren Organisationen, weiteren Interessenverbänden und politischen Parteien, vor allem aber von den Wohlfahrtsverbänden. Die konkrete Ausgestaltung der Hilfeprogramme obliegt dagegen vor allem den Professionellen der Sozialen Arbeit. So mischen sich politische und fachliche Kriterien im Umgang mit dem Code Helfen/Nicht-Helfen, was der Eigenlogik des Hilfesystems gegenüber der Politik keinen Abbruch tut. Die fragile Eigenständigkeit kann die Soziale Hilfe nur bewahren, wenn sie sich an ihren eigenen Strukturen, den etablierten Standards zur Spezifizierung von Hilfsbedürftigkeit – Einzelfallbezug, Festlegung der Kriterien und Zielsetzungen von Hilfe, Bestimmung der Aussichten auf Erfolg und Identifikation von Hindernissen, Explikation der Erwartungen an die Klientel – ausrichtet, sich also Kriterien der Hilfe nicht von außen vorgeben lässt“ (Bommes, Koch 2004:94). Die Systemtheorie verzichtet auf eine explizite normative Begründung von Gesellschaft9, die auf eine Kritik an Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten hinausliefe, und setzt stattdessen bei der Frage an, wie soziale Ordnung trotz aller Unwahrscheinlichkeiten dennoch möglich ist. Ihr geht es nicht um die Forderung 9 Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Die Systemtheorie weiß durchaus, dass soziale Berufe nicht auf Moral verzichten können. Solange sie Menschen erziehen und Menschen helfen wollen, müssen sie diese Menschen auch achten und sich ihrerseits Achtung verdienen. Die professionelle Interaktion kommt nicht ohne wechselseitige moralische Anerkennung aus. Ohne Achtung sind psychische Systeme in einem anspruchsvollen Sinne gar nicht ansprechbar. Jedoch muss der moralische Gehalt der Kommunikation immer auch abgestimmt sein auf die geltenden Programmatiken, soll heißen: Moral darf sie weder überfordern noch blockieren. Moral im professionellen Kontext wohl zu dosieren, ist ein anspruchsvoller Balanceakt. Nicht zu vergessen: Moralische Kommunikation, wie nötig sie auch in gewissen Situationen sein mag, hantiert immer mit der Frage, ob ich noch bereit bin, den anderen zu achten, wenn er nicht bereit ist, bestimmte Bedingungen zu erfüllen; aber auch, ob der andere noch bereit ist, mich zu achten, wenn ich selbst diese Bedingungen nicht erfülle. Ich manövriere also die Situation mit der Einführung von Moral in die Nähe des Streits. Wer mag es schon, wenn seine Ehre, sein Ansehen, seine Würde in Zweifel gezogen wird? Zugleich mache ich mich selbst dabei lernunfähig: Es ist schwer, seine Position noch einmal zu revidieren, wenn man erst einmal Fragen der Wertschätzung und Achtung damit verbunden hat.

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einer gerechteren oder menschlicheren Gesellschaft. Zur Gesellschaft gehören für sie Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, Menschlichkeit und Unmenschlichkeit, Gleichheit und Ungleichheit, das Gute und das Böse, die Abweichung und die Konformität, die Inklusion und die Exklusion, Wahrheit und Lüge, Bildung und Unbildung, Kultur und Unkultur. Selbstverständlich ist Gerechtigkeit wünschenswerter als Ungerechtigkeit, und selbstverständlich ist Menschlichkeit der Unmenschlichkeit vorzuziehen. Alles andere als selbstverständlich ist allerdings, wie sich Erwartungen und Reaktionen auf jeweils beide Möglichkeiten (Gerechtigkeit/Ungerechtigkeit; Menschlichkeit/ Unmenschlichkeit) einstellen und stabilisieren, wie trotz aller Widersprüche und Spannungen zwischen den Möglichkeiten eine gewisse Ordnung dennoch wahrscheinlich wird. Wie beklagenswert das Ungerechte, Unmenschliche, Ungleiche, Böse, Abweichende, Diskriminierende, Prekarisierende auch sei, es verhindert nicht die Reproduktion der Gesellschaft. Im Gegenteil, die Gesellschaft lebt mit und von den Positiva und den Negativa. Die Systemtheorie will somit – in krassem Gegensatz auch zum Alltags- und Lebensweltorientierten Ansatz – nicht analytisch und normativ Theorie betreiben, sie will nicht wissenschaftliches und praktisch-richtungsweisendes Wissen liefern. Sie versteht sich selbst vielmehr als reine Reflexionstheorie, die alternative Denkmöglichkeiten und analytische Sichtweisen eröffnet, es aber der Praxis bzw. den PraktikerInnen überlässt, ihre handlungsrelevanten normativen Schlüsse daraus zu ziehen. Für die Gesellschaftstheorie geht es in erster Linie nicht um die eigene Normativität, sondern um die Analyse, was aus normativen Ansprüchen wird, wenn sie in die gesellschaftliche (wissenschaftliche, politische, pädagogische, massenmediale etc.) Kommunikation eingespeist werden und dort zu Verschiebungen im Schema richtig/falsch, besser/schlechter (wie auch immer) und entsprechenden Neukalibrierungen von Erwartungen und Reaktionen führen. Die Systemtheorie ist nicht blind für Missstände. Sie verweist nur darauf, dass die Gesellschaft trotz der Existenz von Missständen, trotz ihrer Skandalierung, trotz der Forderung, Missstände endlich abzustellen, weiterexistiert. Natürlich erkennt die Systemtheorie gesellschaftliche Risiken und Problemlagen. Sie weiß um herrschende Ungleichheiten. Sie weiß aber auch, dass Ungleichheiten nicht vom Himmel fallen, dass sie keine natürlichen Erscheinungen sind, sondern dass sie systemisch und z. T. sogar systematisch (z. B. im Familien-, Erziehungs- und Wirtschaftssystem) erzeugt werden. Womöglich haben sie, aus gewissen Logiken, die sich nicht so einfach übergehen lassen, gute Gründe. Systemtheorie weiß zudem, dass die Ungleichheiten, wie sie von manchen Systemen erzeugt werden, von den meisten anderen Systemen ignoriert oder mit ersichtlich unscharfen Waffen bekämpft werden: Beten z. B. hilft wenig gegen Armut, Krieg und strukturelle Gewalt.

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Die Systemtheorie sieht es als ihre vordringliche Aufgabe an, hier deutlich herauszustellen, dass soziale Berufe aufgerufen sind, die Nebenfolgen und Anschlusseffekte dieser mehr oder weniger bewussten Ungleichheitsproduktion und die sie betreffende Ignoranz zu bearbeiten. Sie stellt zugleich heraus, dass soziale Berufe dazu selbst unterscheiden müssen, wen bzw. welche Fälle sie bereit sind zu bearbeiten und welche nicht (vgl. Fuchs 2000), also selbst wieder Ungleichheit erzeugen. Man kann, man muss aber nicht gleich in den Chor derer einstimmen, die nach Verbesserungen, nach mehr Gleichheit, mehr Gerechtigkeit, mehr Menschlichkeit etc. rufen (siehe Hillebrandt 2004, Scherr 2004, Kleve 2000, 2005), denn zunächst gilt es, die Theorie in ihrer Analytik zu schärfen und zu klären, welche Folgeprobleme der funktionalen Differenzierung auf dem Bildschirm der Systemtheorie erscheinen. Was bekommt man diesbezüglich zu sehen, wenn man seine Beobachtung systemtheoretisch ansetzt? Dies soll im Folgenden am Beispiel der Inklusions-/Exklusionsthematik näher erläutert werden.

Inklusion und Exklusion Ebenso wie bei der Differenz von Integration und Desintegration geht es auch bei der Differenz von Inklusion und Exklusion um ein System/Umwelt-Verhältnis, genauer: Es geht um das Verhältnis der Gesellschaft zu ihrem Personal. Systemtheorie fragt nicht, wie sich Individuen in eine bereits vorgegebene Einheit einpassen und sich an gegebene Werthorizonte anpassen oder angepasst werden, sondern sie fragt dezidiert nach der Art und Weise, wie Kommunikation auf Menschen zugreift, d. h. wie die Gesellschaft, ihre Teilsysteme und deren Organisationen Menschen als Personen thematisieren, in Anspruch nehmen, ansprechbar machen und anschlussfähig halten – oder eben auch, als notwendige andere Seite der Inklusion, wie sie sich Indifferenz gegenüber menschlichen Besonderheiten leisten (Exklusion). Inklusion/Exklusion ist die Unterscheidung, über die in sozialen Systemen darüber disponiert wird, in welchem Ausmaß Menschen an spezifischen Kommunikationen beteiligt oder ausgeschlossen werden (vgl. Luhmann 1995, Stichweh 1997, Hahn 2003). In diesem Zusammenhang konstatiert die Systemtheorie etliche Risiken, die sich aus dem herrschenden funktionalen Differenzierungsprinzip ergeben:

1. Unproblematische Exklusion Zunächst einmal stellt die Systemtheorie fest: Exklusion ist der Normalzustand des Verhältnisses zwischen Gesellschaft und Individuum. Das Individuum definiert sich grundsätzlich selbst, jenseits aller gesellschaftlichen und funktionssystemischen

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Zumutungen. Wir sprechen von Exklusionsindividualiät. Insofern stellt Exklusion kein Problem dar, sondern steht für die Bedingung der Möglichkeit der Individuation. Individuation verläuft maßgeblich über selbstgewählte, selektive Teilnahme an den gesellschaftlichen Funktionskontexten. Erste Bedenken tauchen auf, wo es, entgegen dem gesellschaftlichen Versprechen der Allinklusion – dem Versprechen, dass prinzipiell alle Menschen an allen Funktionskontexten teilhaben können – in wachsendem Maße zu lokalen Einzelexklusionen kommt. Es sind vor allem Organisationen, die das gesellschaftliche Versprechen scheitern lassen (vgl. Luhmann 1996:223) und damit Individuen an ihrer freien Entfaltung hindern. Mit Blick auf eigene Funktions- und Codebindungen sowie eigene Pragmatiken und Programmatiken entscheiden Organisationen, Menschen zu exkludieren. Selbst als menschenfreundlich geltende Systeme (Familie, Religion, Erziehung oder auch die Soziale Hilfe) scheinen nicht ohne Exklusionen auszukommen. Solange Personen mit Aussicht auf Reinklusion oder Alternativinklusion exkludiert werden, liegt kein besonderes Problem vor. Es ist kein Problem, wenn der Zugang zu einer bestimmten Ausbildung verweigert wird, solange damit nicht der Zugang zu einer anderen Ausbildung verstellt wird. Problematisch wird es, wenn die Aussicht auf Re- oder Alternativinklusion schwindet und Personen auf relativ stabile Weise von bestimmten Leistungen ausgeschlossen bleiben. Dann nämlich zeichnet sich ein Unterschied zwischen Einschluss und Ausschluss ab, der einen Unterschied macht.

2. Problematische Exklusion Es wird dramatisch, wenn sich die lokalen, relativ stabilen Exklusionen über weitere Systeme hinweg zu Mehrfachexklusionen ausweiten und stabilisieren. Spill-over- und kumulative Exklusionseffekte sind unübersehbar. Und kein System scheint sich in der Verantwortung zu sehen, derartige Effekte jenseits der eigenen Systemgrenzen einzudämmen (vgl. Fuchs, Schneider 1995). Damit deutet sich ein qualitativer Bruch zwischen unproblematischer und problematischer Exklusion an. Das Ergebnis: Im Exklusionsbereich der modernen Gesellschaft finden sich Differenzierungsgewinner und Differenzierungsverlierer (vgl. Bude 1998) in höchst unterschiedlichen Lebenslagen. Mit einer Vertiefung der Kluft zwischen den Lebenslagen droht der Gesellschaft das Risiko einer Spaltung, an deren Grenze sich von den Gewinnern und Verlierern eine weitere, neuartige Gruppe absondert, die Heinz Bude (1998), Martin Kronauer (1999, 2002, 2010) und Robert Castel (2000) die Überflüssigen nennen. Die durch Mehrfachexklusionen forcierte Unterscheidung der Bevölkerung in Gewinner, Verlierer und Überflüssige stellt zwar die Gerechtigkeit der Verteilungen

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infrage, tangiert aber immer noch nicht das herrschende Differenzierungsprinzip10, denn noch besteht die Hoffnung auf stellvertretende Inklusion.

3. Stellvertretende Inklusion als Illusion Das Funktionssystem Soziale Hilfe wurde ausdifferenziert, um liegen gelassene Folgeprobleme der funktionalen Differenzierung, speziell die Inklusions- und Exklusionsprobleme zu bearbeiten. Dabei wird suggeriert, dass dieses System für andere Systeme ‚einspringen‘ und stellvertretend inkludieren kann. Das kann es definitiv nicht. Die Autonomie und Spezialisierung der Funktionssysteme hat zur Konsequenz, dass es im Falle des Ausschlusses aus einem Teilsystem keine stellvertretende Inklusion durch andere Teilsysteme mehr gibt: Wirtschaft kann nicht stellvertretend für Politik inkludieren und Politik nicht stellvertretend für Religion. Selbst die Familie kann hier nicht mehr als Stellvertreter einspringen. Ebenso wenig die Erziehung. Sie alle können nicht statt der anderen Funktionssysteme inkludieren, ‚statt‘ der Wirtschaft, ‚statt‘ des Rechts, ‚statt‘ des Gesundheitssystems, ‚statt‘ der Kunst, ‚statt‘ der Massenmedien. Sie können fremde, misslingende, verweigerte oder nicht gewollte Inklusion nur durch eigene reale Inklusion beantworten. Soziale Hilfe und Erziehung können nicht stellvertretend für eine misslingende Sozialisation in der Familie ‚einspringen‘ oder das Fehlen eines Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatzes ersetzen. Sie können nicht einmal ‚kompensieren‘. Sie können nur realinkludieren und d. h. den inkludierten Personen ihre Rollen, ihre Programme, ihre Organisations- und Interaktionsformen anbieten. Stellvertretende Inklusion ist reale Inklusion (vgl. Baecker 2000). Daraus folgt: Das Angebot ist nicht dasselbe. Es ist ein anderes und bleibt ein anderes. Pflegeeltern sind nicht die leiblichen, Werkstätten sind keine Betriebe, der zweite oder dritte Arbeitsmarkt ist nicht der erste. Mit den Inklusionen in die Soziale Hilfe lässt sich die moderne Gesellschaft auf ‚unechte‘, ‚uneigentliche‘, ‚inszenierte‘, ‚nicht ganz ernst zu nehmende‘ Sozialitäten ein und läuft damit Gefahr, sie mit den ‚echten‘, ‚eigentlichen‘, ‚originären‘ zu verwechseln und sie womöglich zur Normalität werden zu lassen. Mithin lauert hier das Risiko, eben diese Verwechselung vergessen zu machen und damit einem ideologischen Bild von der modernen Gesellschaft und von den Möglichkeiten der Sozialen Hilfe Vorschub zu leisten: als lasse sich Exklusion aufheben, als sei das

10 Man kann über Hartz IV, Kinderarmut, Niedriglöhne, bröckelnden Kündigungsschutz, ständige Zeitarbeit oder die Gesundheitsreform klagen; man kann falsche Wahlversprechen verurteilen und die Bildungsmisere beklagen; man kann sich über steigende Kriminalitätsraten und den Anstieg der Gewalt in Familien empören, doch dies geschieht immer noch in Kontakt mit bzw. auf Sichtweite zu den Funktionssystemen und ihren Leistungen.

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andere dasselbe; als gäbe es Kompensation; als würde Hilfe nicht alles ändern, bis dahin, dass sie – paradox genug – selbst zur Belastung (Stigmatisierung) wird oder zu ihrer eigenen Verkehrung (Selbsthilfe der Helfer, Erzeugung von Hilflosigkeit) beiträgt. Zudem: Wo es echte Inklusion gibt, gibt es auch echte Exklusion. Selbst Systeme, die sich einreden, zur Exklusionsvermeidung, Exklusionsverwaltung oder Vermittlung von Re-Inklusion erschaffen zu sein, schaffen selbst wieder Exklusionen11. Auch Familie, Erziehung und Soziale Hilfe müssen Exklusion vorsehen. Und das bringt uns zu einem weiteren Risiko, das nicht unterschätzt werden sollte: die misslingende Exklusionsindividualität.

4. Misslingende Individualisierung im Exklusionsbereich Die Person, die in die sozialen Systeme inkludiert wird, ist nicht das leibhaftige, einmalige Individuum. Die Individualität des Individuums bleibt vielmehr selbst in der Inklusion der Person – selbst in der Familie, der Erziehung und den Angeboten der Sozialen Hilfe – exkludiert (Nassehi 1997:127; vgl. oben Punkt 1). Individualität formiert sich als Exklusionsindividualität, jenseits sozialer Systeme, sprich im Exklusionsbereich. Hier, in der communication au prairie, erscheinen und inszenieren sich die Individuen als individuell und setzen sich gegen die auf Differenzierung programmierte Reproduktion der gesellschaftlichen Subsysteme im Inklusionsbereich ab. Das führt zu neuartigen Risiken: Die Gesellschaft macht sich abhängig von einer gelingenden Selbstkonditionierung der Individuen im Exklusionsbereich. Sie übernimmt das Risiko der Fehlindividualisierung. Gleichzeitig übernehmen die Individuen das Risiko einer möglicherweise misslingenden, selbstverantwortlichen Gestaltung ihrer individualisierten Lebens- und Problemlagen. Die Gesellschaft läuft Gefahr, dass ihre eigenen Reproduktionsbedingungen und die Reproduktionsbedingungen der Individuen immer weiter auseinanderdriften (Nassehi 2000:12). Unter Umständen geraten die funktionalen Inklusions- und Handlungslogiken und die individuellen Lebensformen und Lebenslagen in ein konfliktiöses Missverhältnis zueinander.

5. Querziehende Tendenzen und parasitäre Netzwerke Mit der Bezeichnung querziehende Tendenzen verweist Luhmann (1995:249ff.) auf ein weiteres gewichtiges Risiko für die moderne Gesellschaft: auf den Befall der Funktionssysteme mit parasitären Netzwerken. Sie docken an die Systeme an, bringen Personen übers Netzwerk in Positionen, in denen sie die Verfügungsgewalt über 11 Das sollte die Inklusionspädagogik im Auge behalten, wenn sie „eine Schule für alle Kinder“ fordert.

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Kapitalien erlangen, die sie nicht im funktionalen Sinne bewirtschaften, sondern missbrauchen, um Begünstigten Vorteile zu verschaffen, die ihnen selbst wieder Vorteile verschaffen. Die Positionen werden genutzt zur Reproduktion des parasitären Netzwerkes. Das heißt: Im Inklusionsbereich gedeihen mafiöse Strukturen, Günstlingswirtschaft, Korruption, Protektion, Vorteilsverschiebung, Entwicklungen, die die geltenden Inklusions-/Exklusionsmechanismen der Funktionssysteme außer Kraft setzen. Hier zeigt sich das Risiko der Korruption der Systemlogiken und der Verletzung der Grenzziehungen zwischen den Funktionssystemen. Das parasitäre Netzwerk sorgt mit seinen Machenschaften für eine negative Inklusionsdrift (vgl. Stichweh 2005:194): Entscheidende Positionen werden von ‚guten Freunden‘ statt von kompetenten Fachleuten besetzt. Mittel werden nicht funktionsdienlich eingesetzt. Die Systeme werden an der optimalen Entfaltung ihrer Möglichkeiten gehindert. Ihre Rationalitätschancen werden nicht ausgereizt, sondern vielmehr geschwächt (vgl. Schwinn 2006:1288ff.).

6. Totalexklusion Unter dem Titel Totalexklusion nimmt die Systemtheorie Menschen in den Blick, die gesellschaftlich nicht als Personen erscheinen, da sie vom Inklusionsbereich nicht ernsthaft und nachhaltig registriert werden.12 Sie erfahren nicht einmal mehr soziale Repression, staatliche Unterdrückung oder kapitalistische Ausbeutung. Für diese Menschen scheint sich kein System zu interessieren. Weder Kapitalisten noch Marxisten beachten sie. Sie werden weder als Reservearmee noch als revolutionäres Potential eingestuft. All dies setzt bei allen ‚Wohlgesinnten‘ (Luhmann 1996:227) die Spontanreaktion eines moralischen Entsetzens frei. Denn hier manifestiert sich moderne Barbarei im doppelten Sinne: Barbarei sowohl im Inklusions- wie im Exklusionsbereich. Die externe Variante der Barbarei beobachtet Luhmann in den Ghettos der industriellen Großstädte und den Favelas der Entwicklungsländer entlang räumlicher Grenzen. In abgegrenzten Regionen des Exklusionsbereichs kommt es zu einer brutalen Reduzierung des Menschen auf seinen Körper: der Mensch als reine Kreatur. Alles Persönliche wird abgestreift, es geht ums blanke Überleben. Körper erscheinen, wenn nicht als Sexualobjekte, so vor allem als Angriffsobjekte im doppelten Sinne: als angreifende und angreifbare. Von diesen Körpern geht Gefahr 12 „Man sieht (…), wie die sozialen Maßnahmen versickern und wie das Interesse der Gesellschaft an der Körperlichkeit der Ausgeschlossenen besteht und nicht an ihrer (…) Subjektivität, an ihrer Individualität, an ihrem Selbstverständnis, an ihren Lebenschancen, an ihrer Wahrnehmung und an ihrem Beitragenkönnen. Sondern sie sind Körper“ (Luhmann 2005:81).

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aus, und sie befinden sich ständig in Gefahr. Obwohl andere Werte unzugänglich sind und bleiben und der eigene Körper und das eigene Leben als einziger Werte übrigbleiben, werden sie nicht besonders hoch geschätzt, im Gegenteil, „sowohl was eigene Risikobereitschaft als auch was Achtung vor dem Leben anderer angeht“ (Luhmann 1995:263). Hier ist man rücksichtslos gegenüber AIDS, freizügig im Umgang mit Drogen, immer nah an der Gewalt. „Gerade wenn der andere (und folglich: man selbst) als Körper zählt, ist die Gefahr für Leib und Leben größer“ (ebd.). Menschen, die so leben, plagt schließlich nur noch die Frage, wie sie den nächsten Tag überstehen, wie sie an Essen kommen und wie sie sich und ihre Leute vor Gewalt schützen. Die interne Variante der Barbarei beobachtet Claus Offe als Verletzung, Zerstörung oder Missachtung von Kategorien physischer oder symbolischer Integrität und kultureller Identität, als Unempfindlichkeit gegenüber Normverletzungen im Handeln und Unterlassen. Laut Offe werden Unseresgleichen zu Barbaren, wenn wir vergessen, was sich gehört und anständig ist, wenn uns alle moralischen Sensibilitäten und zivilisatorischen Hemmungen abhanden kommen. Die interne Form der Barbarei meint den Verfall all dessen, was man als „gutes, schwer erkämpftes Erbe der Kultur“ benennen könnte (Werte wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Bürger- und Menschenrechte). Die Barbarei im Innern unserer Gesellschaft meint die „rechtfertigungsfreie Ausübung oder Duldung zerstörerischer Gewalt“ (Offe 1996:268). Was Offe hier anprangert ist eine Haltung, mit der man Menschen sang- und klanglos in die Belanglosigkeit entgleiten lässt. Die genannten Tatbestände stellen nicht nur die Gesellschaft infrage, sie werfen auch für die Gesellschaftstheorie schwierige Fragen auf: Wie kann man sich eine totale Exklusion denken, wo doch jedes Funktionssystem im Prinzip alle Menschen an seine Codestruktur andocken möchte? Wie kann man sich eine totale Exklusion denken, wo doch Gesellschaft als ein umfassendes Gesamtsystem aller füreinander erreichbaren Kommunikationen verstanden wird? Die Moderne hatte gerade gelernt, Weltgesellschaft, d. h. Gesellschaft ohne Außen zu sein. Sie hatte gelernt, selbst die Ausgeschlossenen, die Verbrecher, die Anormalen und die Wahnsinnigen einzuschließen (vgl. Foucault 1977). Sie hatte gelernt, die Exkludierten nicht total zu exkludieren (zu verschiffen oder zu töten und zu vergessen), sondern sie in ein enggesponnenes Netz der Wegsperrung, Disziplinierung, Kontrolle, Überwachung, Bestrafung, Therapierung, Resozialisierung einzubinden. Dieses Außen der Gesellschaft befindet sich inmitten der Gesellschaft in Form von Gefängnissen, Kerkern, Folterkammern, Asylen, Heimen, Anstalten, Kliniken, Klöstern oder sonstigen Auffanginstitutionen, wie z. B. denen der Sozialen Hilfe oder der Familie. Nun sind es die offenen Meere und weiten Wüsten, die Flüchtlingswege und die Schlep-

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perrouten, die nächtlichen Verstecke und die Kanalisationen, die der Gesellschaft allmählich als ihr neues Außen in den Blick geraten. Unter dem Titel Totalexklusion rangieren eben nicht die ausgeschlossen Eingeschlossenen, sondern die ausgeschlossen Ausgeschlossenen. Luhmann sagt: die Unsichtbaren. Und damit markiert er deutlich, dass es sich hier um ein Problem der (wissenschaftlichen) Beobachtung handelt.13 Das gesellschaftliche Ganze droht sich mit Blick aufs Personal diesmal statt in Lohnarbeiter und Kapitalisten in Gesehene und Unsichtbare aufzuspalten. Die Theorie der Gesellschaft muss sich fragen: Wie nimmt sie etwas auf, was gesellschaftlich nicht vorgesehen ist? Wie erinnert sie an das Vergessene? Wie beleuchtet sie das Unsichtbare? Wie spricht sie das Unaussprechliche aus und das Unsagbare an? Wie markiert sie das Unmarkierte? Wie kommuniziert sie das Inkommunikable? Wie behandelt sie eine nicht behandelbare Form?

Systemtheorie im Licht pädagogischer Ambitionen Der Systemtheoretische Ansatz erweist sich sozialpädagogischen Ambitionen gegenüber als sperrig (vgl. Hünersdorf 2012). Er lässt sich nicht umstandslos vereinnahmen, da er – wie wir bei unseren Ausführungen zum Menschenbild bereits gesehen haben – zum einen das humanistisch geprägte Menschbild in den sozialen Berufen mit der eigenwilligen Idee des Menschen als black box irritiert und zum anderen den Menschen in der Umwelt der Gesellschaft verortet. Die Idee der black box liefert ein Menschenbild, das bewusst auf Konkretisierung und normative Aufladung verzichtet. Es kann daher kaum im tradierten Sinne als Orientierungspunkt der weiteren theoretischen und praktischen Bemühungen dienen. Es boykottiert vielmehr die Denktradition. Die Idee des Menschen als Umweltsystem der Gesellschaft positioniert den Menschen außerhalb der Gesellschaft. Der Mensch steht 13 Luhmann (1997:631) spricht bezeichnenderweise in diesem Zusammenhang nicht von den Überflüssigen oder den Entbehrlichen, sondern von den „Unsichtbaren“. Damit gibt er den Beobachtern der Moderne ein Problem auf, auf das sich bislang nur die Religion und die Kunst eingelassen haben: die Beobachtungen des Unbeobachtbaren. Einer empirischen Wissenschaft wie der Soziologie wird der Auftrag erteilt: „Seht Euch an, was sich Euren Blicken entzieht! Seht Euch an, was auf den Monitoren der Funktionssysteme nicht registriert wird. Stellt Euch dem Unfassbaren, dem Unbekannten, dem Unzugänglichen, dem, was den Horizont der eigenen Ordnung übersteigt. Es kann zugleich als ein Vorwurf an die eigene Adresse gelesen werden: „Wir haben die ganze Zeit etwas ganz Entscheidendes übersehen!“

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somit – zumindest gesellschaftstheoretisch – keinesfalls mehr im Mittelpunkt. Das muss Ansätze, die den Menschen ins Zentrum ihres Interesses stellen, verunsichern: „Wie soll man vom Menschen sprechen, wenn nicht aus Sicht des Menschen?“ Die Systemtheorie lädt dazu ein, zusätzlich zur bekannten alteuropäischen, anthropologischen Sichtweise, die den Menschen aus Sicht des Menschen thematisiert, eine soziologische Sichtweise einzunehmen, die den Menschen aus der Perspektive der Gesellschaft und ihrer Subsysteme anspricht. Für Luhmann bildet nicht der Mensch die Gesellschaft, sondern die Gesellschaft und ihre Subsysteme (Foucault würde sagen: die Diskurse) bilden den Menschen. Zu rekonstruieren, welche Form sie ihm (als Kind, als Jugendlichen, als Erwachsenen, als Alten etc.) gegeben haben und gegenwärtig geben, ist Aufgabe der Soziologie. Die Systemtheorie lässt sich nicht darauf ein, das Individuum der Gesellschaft gegenüberzustellen und fürs Individuum Partei zu ergreifen, quasi aus seiner Systemreferenz heraus zu beobachten, wie dies Alltags- und Lebensweltorientierte Ansätze anstreben. Vielmehr betont die Systemtheorie: Der Mensch kann im Rahmen der Gesellschaft nur als Kommunikation und im Rahmen von Bewusstsein nur als Gedanke vorkommen. Wir erreichen den Menschen mit anderen Worten nur als etwas Erdachtes oder Erredetes, nie aber den Menschen ‚an sich‘. Der Mensch ‚an sich‘ ist unerreichbar. Die spannenden Fragen lauten also nicht: „Was ist der Mensch?“, sondern: „Wie wird der Mensch z. B. in der professionellen Kommunikation erredet? Wie wird er von Bewusstseinssystemen, z. B. ErzieherInnen, (Sozial-)PädagogInnen, Kultur­ pädagogInnen, SozialarbeiterInnen in jeweiligen beruflichen Situationen erdacht?“ Systemtheorie erweist sich nicht nur bezüglich ihres Menschenbildes, sondern auch mit Blick auf ihr Gesellschaftsbild als sperrig, da sie Ambitionen bezüglich einer bewussten Veränderung der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse ernüchtert: Alles könnte anders sein, doch kaum etwas lässt sich ändern, lautet die abgeklärte systemtheoretische Diagnose. Die Veränderungsresistenz sozialer Systeme ist, so die Systemtheorie, begründet in der Komplexität, Autonomie und Eigensinnigkeit der Systeme und im strukturellen Mangel an hierarchischen Durchgriffsmöglichkeiten. Soziale Systeme widersetzen sich nach systemtheoretischer Auffassung einer willentlichen, direkten Steuerung. Änderungsimpulse werden intern stets nach Maßgaben des Systems, nicht entsprechend der Intentionen der Impulsgeber, weiter verarbeitet. Ein soziales System, erst recht eine Gesellschaft, lässt sich nicht instruieren, allenfalls irritieren. So muss Systemtheorie alle die enttäuschen, die auf eine bewusste, gut durchdachte, rationale Veränderung der gegebenen Verhältnisse hoffen. Sie lädt stattdessen dazu ein, aufmerksam mitzuverfolgen, wie sich Systeme aufgrund der Eingabe welcher Impulse/Irritationen

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entwickeln und was getan werden kann, damit die Entwicklung in die gewünschte Richtung verläuft.

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Vertiefungstexte

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Text 08: Wie unterscheiden sich Gesellschaftsbilder?

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Vertiefungstexte

Arbeitsblatt zu Vertiefungstext 08: Wie unterscheiden sich Gesellschaftsbilder?

Benennen Sie die Kernaussagen der unterschiedlichen Gesellschaftsbilder.

Das Gesellschaftsbild eines Kritischen Ansatzes:

Das Gesellschaftsbild eines Alltags- und Lebensweltorientierten Ansatzes:

Das Gesellschaftsbild eines Modernisierungs- und Individualisierungsorientierten Ansatzes:

Text 08: Wie unterscheiden sich Gesellschaftsbilder?

Das Gesellschaftsbild eines Kommunitaristischen Ansatzes:

Das Gesellschaftsbild eines Systemtheoretischen Ansatzes:

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Welches Gesellschaftsbild erscheint Ihnen am brauchbarsten? Begründen Sie Ihre Option.

42 Vertiefungstexte