Thema und Referent. Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht. Dr. Benjamin Krenberger Richter am Amtsgericht Landstuhl

Thema und Referent Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht Dr. Benjamin Krenberger Richter am Amtsgericht Landstuhl 27. J...
Author: Gesche Graf
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Thema und Referent

Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht Dr. Benjamin Krenberger Richter am Amtsgericht Landstuhl

27. Juni 2015 | Karlsruhe

Lebenslauf von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl

Jahrgang 1978 Studium der Rechtswissenschaften und Promotionsstudium in Würzburg Referendariat in Freiburg i.Br. und Berlin (Bundesministerium der Justiz) seit 2005: tätig als Richter im Justizdienst des Landes Rheinland-Pfalz mit Verwendungen bei dem Landgericht Landau sowie den Amtsgerichten Landau, Pirmasens und Landstuhl Autor diverser verkehrsrechtlicher Aufsätze, Urteilsbesprechungen und Rezensionen in verschiedenen Fachzeitschriften: zfs, SVR, DAR, NJ, StraFo, Verkehrsanwalt Autor des juris Praxis Reports Verkehrsrecht Schriftleiter der zfs für Straf- und Bußgeldsachen Mitautor im Kommentar Haus / Krumm / Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, Nomos Verlag, 1. Auflage, 2014, für Teile des OWiG und der StVO Herausgeber des juristischen Blogs „Die Rezensenten“

KONTAKT Dr. Benjamin Krenberger | Amtsgericht Landstuhl | Kaiserstr. 55 | 66849 Landstuhl Telefon: 06371 931203 | E-Mail: [email protected] Rezensionen: www.die-rezensenten.com | www.webcritics.de

ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“

7. ACE-Verkehrsrechtstag 2015 in Karlsruhe „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“

Referent: Dr. Benjamin Krenberger, AG Landstuhl

0. Vorstellung

Erkenntnisquellen: 

zfs, SVR, NZV, DAR



juris Praxis Report Verkehrsrecht



Göhler, OWiG, 16. Aufl., 2012



Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 1. Aufl., 2014



Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 3. Aufl., 2014



zu juristischer Fachliteratur allgemein: http://www.die-rezensenten.com

1

ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“

1. Einstellung des Verfahrens

a) § 47 OWiG Literaturhinweis: Gutt / Krenberger, Gestaltungsspielräume bei § 47 OWiG, zfs 2013, 549-554 

Voraussetzungen 

§ 47 OWiG ist Ausfluss des Opportunitätsprinzips im Bußgeldrecht.



Die Einstellung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde bzw. des Gerichts, d.h. nur sachliche Umstände, Willkürverbot.



Maßgebende Aspekte sind z.B. der Grad der Gefährdung der Rechtsordnung, der Unrechtsgehalt der Tat, das Vorliegen besonderer Umstände, zu hoher Aufwand der Verfolgung der Tat, kein Sühnecharakter des Bußgeldrechts, „Lerneffekt“ bereits eingetreten, erlittene erhebliche Nachteile des Betroffenen aus der Tat, Begünstigung der Tat durch staatliches Handeln / Unterlassen.



Abzuwägen ist nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit, wobei Ziel sein muss, die Einhaltung der Rechtsordnung sicherzustellen.



Die Einstellung nach § 47 OWiG ist in jeder Lage des Verfahrens möglich (OLG Jena, DAR 2015, 215)



Fallgruppen 

Eigenschaden o Rechtsgedanke § 60 StGB – keine analoge Anwendung!, eher a maiore ad minus o Zivilrechtliches Fachwissen einbringen (alle Schadenspositionen!) o Abgrenzung zur ersten Schadensschätzung durch Polizei vor Ort – Sachverständigengutachten

zum

Eigenschaden

durch

Rechtsschutzversicherung o v.a.

Totalschaden

ohne

Vollkaskoversicherung

(Versicherungsschein bei Bußgeldstelle als Nachweis einreichen!); Selbstbeteiligung bei Vollkaskoversicherung zzgl. nicht regulierte Positionen (Stichwort: Quotenvorrecht) 

Eigenverletzung o Konkrete Schilderung gegenüber Behörde / Gericht 2

ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“

o Atteste o Entbindungserklärung für den behandelnden Arzt o Lichtbilder o Folgeschäden (Haushaltsführung, Reha etc.) o Persönliches Gespräch mit Entscheidungsträger 

Schadenswiedergutmachung o § 17 Abs. 3 OWiG abschließend! Schadenswiedergutmachung aber subsumierbar o Regulierung durch Versicherung nachweisen o Bei

klarer

Rechtslage

Entschuldigungsschreiben,

ggf.

schon

Schmerzensgeldanzahlung 

Mitverschulden / Haftungsquote o Nicht nur behaupten! Unfallsituation darstellen, auf einschlägige Rechtsprechung verweisen, unter Sachverständigenbeweis stellen / Privatgutachten einreichen o Beispiele: Rotlichtverstoß mit Unfall, aber Unfallgegner kommt aus Grundstückseinfahrt / fährt rückwärts; halbe Vorfahrt etc.



Vorläufige Einstellung § 47 OWiG gegen Sozialstunden u.Ä. o Zulässigkeit: nicht verboten durch § 47 Abs. 3 OWiG:

§ 47 Abs. 3 OWiG lautet: (3) Die Einstellung des Verfahrens darf nicht von der Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung oder sonstige Stelle abhängig gemacht oder damit in Zusammenhang gebracht werden. o Vergleich mit § 153a StPO, Berücksichtigung der Massenverstöße im Bußgeldrecht o Beispiele: Schmerzensgeld, Schadenswiedergutmachung o Aber auch Arbeitsstunden möglich 

Konstellationen: (1) Verstoß in Probezeit, § 2a StVG, bisher keine Eintragung, kurz vor Ende der Probezeit, kein erheblicher Verstoß – zudem Vergleich mit § 47 JGG



(2) Verkehrsverstoß des begleitenden Erwachsenen beim Fahren mit 17 Jahren, § 6e StVG i.V.m. § 48a FeV: Antragstellung unzulässig, wenn Begleiter mehr als 1 Punkt 3

ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“



Rechtsmittel? 

Die

Entscheidung

ist

grds.

unanfechtbar

und

auch

nicht

rechtsbeschwerdefähig. 

Sieht das Gericht von einer Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG ab, kann darauf eine Rechtsbeschwerde gegen die spätere Entscheidung nicht gestützt werden.



Der Betroffene hat vor der Einstellungsentscheidung Anspruch auf rechtliches Gehör.



Hätte die Staatsanwaltschaft die Zustimmung zur Einstellung erteilen müssen und hat das Gericht dies übergangen, besteht die Möglichkeit der außerordentlichen (sofortigen) Beschwerde der StA

b) Verjährung Literaturhinweise: Gutt

/

Krenberger,

Neues

zur

Verjährungsunterbrechung

-

eine

Rechtsprechungsübersicht zu §§ 31-33 OWiG, DAR 2014, 187-191 Krenberger, Die Höhe der Geldbuße nach § 17 OWiG - Grundlagen und neuere Rechtsprechung, zfs 2015, 65-70 

Grundbegriffe 

Verfolgungsverjährung, § 31 OWiG



Vollstreckungsverjährung, § 34 OWiG



absolute Verjährung, § 33 Abs. 3 S. 2 OWiG – Aber: Urteilserlass, § 32 Abs. 2 OWiG



Berechnung der Verjährungsfristen 

Allgemein: Keine Geltung der §§ 42, 43 StPO (Thüringer Oberlandesgericht, Beschl. v. 29.02.2012 - 1 Ss Bs 17/12 - zfs 2012, 715; OLG Schleswig, Beschl. v. 30.12.1981 - 2 Ss OWi 800/80 - VRS 63, 138)



Alternative 1: Gesetzliche Vorgabe, z.B. §§ 26 Abs. 3, 24 StVG (3 Monate, nach Bußgeldbescheid 6 Monate)



Alternative 2: Berechnung nach der Höhe der Geldbuße, d.h. §§ 31, 17 OWiG i.V.m. der jeweiligen Norm, z.B. 24a StVG



Abgrenzung: Vorsatz / Fahrlässigkeit: Hälfte des vorgesehenen Höchstbetrags 4

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Beispielsfall (fiktiv): 24a StVG (3 Monate - 6 Monate - 1 Jahr) 

Einzelfälle nach § 33 OWiG 

Anhörung o Voraussetzung: Rolle als Betroffener (OLG Jena, VRS 109, 49) – hinreichend konkretes Tatgeschehen (AG Bitterfeld-Wolfen, Urt. v. 03.09.2012 - 2 OWi 593 Js 7128/12 - juris; AG Bitterfeld-Wolfen, Beschl. v. 25.07.2012 - 2 OWi 593 Js 9051/12 (428/12), 2 OWi 428/12 – juris) o Aber: sind einzelne Personaldaten unrichtig, aber die Identität zweifelsfrei feststellbar, ist dies unschädlich o Aber: kann trotz falschen Angaben zur Mess-/Kontrollstelle der Betroffene die Tat eindeutig zuordnen (z.B. wegen Anhaltekommando), ist die Anhörung verjährungsunterbrechend o Abgrenzung: Unwirksamer Anhörungsbogen / Bußgeldbescheid, nur hier kann das Gericht später die Akte zur Ergänzung heranziehen! (KG Berlin, Beschl. v. 01.07.2014 - 3 Ws (B) 340/14 - 122 Ss 102/14 - VRS 127, 81) o Wichtig: Zugang der Anhörung ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung o Wichtig: es darf sich nicht um Ermittlungsmaßnahmen handeln, der Betroffene muss bekannt sein (OLG Hamm, Beschl. v. 16.11.1999 - 2 Ss OWi 1034/99 - DAR 2000, 82) o Wichtig: die Anhörung kann nur einmal verjährungsunterbrechend wirken (Stichworte: Verkehrsunfall; Messung mit Anhaltekommando)



vorläufige Einstellung o erforderlich

ist

eine

hinreichende

Autorisierung

durch

einen

Behördenmitarbeiter (OLG Hamm, Beschl. v. 25.03.2014 – III-1 RBs 45/14 – juris) o Fehler / Irrtum innerhalb der Behörde: Relevanz des Verschuldens? (nein OLG Bamberg, Beschl. v. 18.4.2007 - 2 Ss OWi 1073/06 - NStZ 2008, 532 ; ja OLG Hamm, Beschl. v. 02.08.2007 - 2 Ss OWi 372/07 NZV 2007, 588 ; überhaupt Irrtum? OLG Karlsruhe, Beschl. v. 06.03.2000 - 2 Ss 163/98 - DAR 2000, 371; AG Lüdinghausen, Beschl. 5

ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“

v. 12.03.2013 - 19 OWi 20/13, 19 OWi - 89 Js 187/13 - 20/13 - zfs 2013, 592) o Sonderproblem

öffentliche

Zustellung

(OLG

Hamm,

Beschl. v.

17.01.2013 - III-3 RBs 214/12 - juris / NWVBl 2013, 422) 

Erlass und Zustellung des Bußgeldbescheides o Gesetzeslektüre: Erforderlich sind Erlass und Zustellung binnen bestimmter Frist, §§ 26 Abs. 3, 24 StVG, 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG o Zustellung

am

tatsächlichen

Wohnsitz

(KG

Berlin,

Beschl.

v.

29.10.2010 - 3 Ws (B) 508/10 – juris); Problem: Beweiskraft der PZU (OLG Bamberg, Beschl. v. 22.02.2012 - 3 Ss OWi 100/12 - juris / DAR 2012, 268) o Keine Zustellung in Geschäftsräumen, nur bei Inhaber möglich (OLG Celle, Beschl. v. 12.08.2011 - 322 SsBs 167/11 – juris; OLG Bamberg, Beschl. v. 12.12.2005 - NJW 2006, 1078) o Zustellung an den Verteidiger 

nur

bei

vorliegender

schriftlicher

Verteidiger-

/

Zustellungsvollmacht, § 51 Abs. 3 OWiG (OLG Köln, DAR 2013, 337; AG Lüdinghausen, zfs 2015, 54) 

Problem: rechtsgeschäftlich erteilte Zustellungsvollmacht (OLG Hamm, NZV 2005, 386; OLG Bamberg, zfs 2009, 355; KG Berlin, Beschl. v. 24.07.2014 – 3 Ws (B) 365/14 – juris)



Problem: vermutete „Verjährungsfalle“ (OLG Brandenburg, VRS 113, 434; OLG Jena, VRS 112, 360, OLG Düsseldorf, NJW 2008,

272;

OLG

Dresden,

VerkMitt

2007,

Nr.63;

OLG

Zweibrücken, Beschl. v. 08.04.2008 - juris; OLG Hamm, DAR 2004, 105; KG Berlin, VRS 112, 475 und VRS 122, 34; OLG Karlsruhe, NStZ 2009, 295) 

Zustellung nur an den gewählten Verteidiger; nicht möglich bei Blankovollmacht (AG Neuruppin, Urt. v. 18.03.2013 - 84.1 OWi 239/12 – juris; AG Diez, Beschl. v. 21.03.2014 – 11 OWi 69457/13 – juris); keine Zustellung an die Sozietät (OLG Celle, NZV 2012, 45; AG Marburg, DAR 2012, 404; AG Bayreuth, zfs 2006, 174; AG Lippstadt, zfs 2008, 643; AG Landstuhl, DV 2014, 280), außer bis zu 3 Anwälte (OLG Hamm, Beschl. v. 6

ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“

27.02.2012 - (III-) 3 RBs 386/11 - juris; OLG Stuttgart, zfs 2002, 252) 

Heilung, § 8 VwZG, wenn (1) der Bevollmächtigte (2) nachweisbar

den

Bußgeldbescheid

(3)

innerhalb

der

Dreimonatsfrist bzw. Zustellungsfrist erhalten und dann darauf reagiert

hat;

Konstellationen:

Unterschrift

i.V.



falsche

Ersatzzustellung (BGH, Beschl. v. 04.02.2015 – III ZR 513/13 – juris) 

Sonderfall: Verteidiger erhält die Abschrift des Betroffenen von diesem (OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.10.2013 - 4a Ss 428/13 – juris)



Problem: Rechtsmittel

Wird das Verfahren durch den Richter per Beschluss eingestellt, hat die Staatsanwaltschaft das Recht zur sofortigen Beschwerde. 

Vorrang vor Verwerfungs- / Sachurteil

Die Verjährung ist durch das Gericht von Amts wegen und vorrangig zu prüfen (d.h. z.B. auch vor Erlass eines Verwerfungsurteils) (OLG Hamm, Beschl. v. 17.01.2013 3 RBs 214/12 - juris / NWVBl 2013, 422) 

Rechtsbeschwerde o Nur bei der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde kann der Verteidiger (auch) auf die nicht berücksichtigte Verfolgungsverjährung abstellen. o Das Übersehen der Verjährung ist an sich kein Zulassungsgrund. (OLG Köln, Beschl. v. 21.02.2014 - 1 RBs 37/14 – juris)

Beispielsfall: OLG Bamberg, Beschl. v. 02.03.2015 - 2 Ss OWi 13/15 - juris Unterbrechung durch Aufhebung der HV? Unterbrechung durch telefonische „Vernehmung“ des Zeugen?

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ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“

c) Strafklageverbrauch System Tateinheit / Tatmehrheit Ausgangspunkt: Abgrenzung Tatmehrheit / Tateinheit 

mehrere

prozessuale

Taten

(OLG

Köln,

NZV

1994,

292:

Geschwindigkeitsüberschreitungen mit Pausen zwischen den Fahrten von mehr als 30 Minuten; OLG Jena, zfs 1999, 494) … 



sind

i.d.R.

auch

materiell-rechtliche

Geschwindigkeitsüberschreitungen /

Verstöße

Tatmehrheit auf

(mehrere

einer

nur

verkehrsbedingt unterbrochenen Fahrt) 

Folge: dann kein Strafklageverbrauch und mehrere Geldbußen, § 20 OWiG, keine Gesamtgeldbuße

Bei Tateinheit besteht auch nur eine prozessuale Tat Sonderfall ist die natürliche Handlungseinheit, dann § 19 OWiG, eine Geldbuße, ggf. erhöht, nur einmal Punkte, bei Trennung der Verfahren bzgl. der einzelnen Verstöße ist dann Strafklageverbrauch möglich 

Definition der natürlichen Handlungseinheit (BGH, Beschl. v. 21.08.2012 – 2 StR 199/12 – juris): mehrere gleichartige Handlungen, von einem einheitlichen Willen getragen, enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang, einheitliches Geschehen aus Sicht eines objektiven Dritten



Divergenz beim subjektiven Element: einheitlicher Willensentschluss genügt (BGH, Beschl. v. 05.11.2014 – 5 StR 502/14 – juris), a.A. bei Angriffen gegen höchstpersönliche Rechtsgüter ist natürliche Handlungseinheit eher nicht anzunehmen (BGH, Urt. v. 10.02.2015 – 1 StR 488/14 – juris)



Auswirkung bei fahrlässigen Geschwindigkeitsverstößen (OLG Celle, NZV 2012, 196): Strecke möglichst schnell durchfahren genügt, Vorsatz ist für natürliche Handlungseinheit nicht erforderlich

Wichtig: Strafklageverbrauch kann nur geltend gemacht werden, wenn eine der Rechtskraft fähige Entscheidung ergeht, § 84 Abs. 2 OWiG (Urteil, Beschluss nach § 72 OWiG) Einzelbeispiele 

typisch: Thüringer Tunnelkette (natürliche Handlungseinheit bejaht, OLG Jena, DAR 2008, 35)



kurzer

zeitlicher

Handlungseinheit

Abstand: wegen

abhängig

vom

unterschiedlicher 8

Einzelfall

(keine

natürliche

Verkehrssituationen,

OLG

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Brandenburg, NZV 2006, 109; natürliche Handlungseinheit bejaht, OLG Hamm, zfs 2009, 651, sowie OLG Celle, NZV 2012, 196) 

mehrere Rotlichtverstöße (Tatmehrheit, OLG Jena, zfs 1999, 124)



Tatmehrheit bei Fahrtunterbrechung und § 24a StVG (OLG Hamm, zfs 2008, 593)



Strafklageverbrauch bei § 24a StVG und Straftat nach BtMG (nein laut OLG Braunschweig, Urt. v. 10.10,2014 – 1 Ss 52/14 – juris; Gegenansicht: OLG Köln, Beschl. v. 05.10.2004 – 8 Ss-OWi 25/04 – juris; s.a. BGH, StV 2012, 141, zu § 316a StGB und BtMG, Strafklageverbrauch bejaht)



Vorsicht

bei

§

29a

OWiG:

Nimmt

die

Bußgeldbehörde

eine

Dauerordnungswidrigkeit für mehrere Ladungsverstöße an, kann sie so die dreimonatige Verjährungsfrist umgehen (siehe Franke, Blutalkohol 2015 (Bd. 52), S. 188)

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ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“

2. Fahrverbot a) Systematik und Dogmatik 

Trennung von Tatbestands- und Rechtsfolgenseite



Abgrenzung auf Rechtsfolgenseite o Handlungsunwert o Erfolgsunwert o Erforderlichkeit o Verhältnismäßigkeit o § 4 Abs. 4 BKatV



Saubere Dogmatik (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.08.2010 - 1(8) SsRs 382/09 - AK 100/09 - juris; OLG Koblenz, zfs 2014, 530)

Negativbeispiel: OLG Celle, Beschl. v. 12.12.2014 – 322 SsBs 241/13 – juris / zfs Heft 7/2015 

„Verteidigungsdilemma“: was will ich eigentlich?



„Wie gewonnen, so zerronnen“: Fahrverbot, § 4 Abs. 2 BKatV, wegen Beharrlichkeit auch wegen Voreintragungen plus z.B. 1x 26 km/h (OLG Bamberg, zfs 2013, 350; OLG Bamberg DAR 2012, 152; OLG Hamm, Beschl. v. 24.10.2013 - 3 RBs 256/13 - zfs 2014, 111; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2015, 56), aber auch bei einfachem Rotlichtverstoß (OLG Bamberg, Beschl. v. 06.03.2014 – 3 Ss OWi 228/14 – juris), oder ähnlichen gleichwertigen Verstößen (z.B. § 19 Abs. 5 StVZO!)



Differenzierung innerhalb von § 25 StVG

b) Angriffe gegen den Tatbestand 

Identifikation des Fahrers o Messbild 

Abgrenzung Wiedererkennung / Identifikation (s.a. Bellmann / Brückner

in:

Burhoff

/

Neidel

/

Grün,

Messungen

im

Straßenverkehr, 2. Aufl., 2010) 

Begutachtung: Kriterien (Schott, NZV 2011, 169; Krumm, NZV 2012,

267;

Rösing/Quarch/Danner,

NStZ

2012,

548);

Merkmalverteilung? (Nein: OLG Celle, Beschl. v. 06.11.2012 311 SsBs 136/12 - juris); geschützte Kriterien? (bedingt: OLG 10

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Hamm, Beschl. v. 28.8.2013 – III-5RBs 123/13 - juris / zfs 2014, 232) 

§ 69 Abs. 5 OWiG

o Andere Kriterien? 

Fahrerbenennung / Anhörungsbogen und Täterwissen?



Car-Sharing Vertrag (KG Berlin, Beschl. v. 10.02.2014 - 3 Ws (B) 12/14 - juris)



Unverwertbarkeit von Voreintragungen, § 29 StVG, dadurch z.B. Wegfall von § 4 Abs. 2 BKatV



Angriffe gegen die Messung o Begutachtung

bei

standardisierten

Messsystemen

vs.

OLG-

Rechtsprechung (v.a. PoliScan Speed: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.10.2014 –2 (7) SsBs 454/14 - AK 138/14 – juris) o Einhaltung von Vorgaben der Bedienungsanleitung: nur mit konkreten Anhaltspunkten durch SVG nachzuweisen, Folge: kein standardisiertes Messverfahren mehr, Erhöhung des Toleranzabzugs denkbar (Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 3. Aufl., 2014, S. 76 ff.) o Problem: Verstoß als Beweisverwertungsverbot? § 24 StVG vs. § 24a StVG (Verstoß gegen § 81a StPO; Nichteinhaltung von Wartezeit und Kontrollzeit: OLG Hamm, NZV 2008, 260; a.A. neuerdings OLG Saarbrücken, zfs 2013, 531 (Gutachten einzuholen); OLG Stuttgart, Beschl. v. 02.07.2010 – 4 Ss 369/10 – juris: Einholung eines Gutachtens; für Unverwertbarkeit: AG Riesa, Beschl. v. 14.05.2014 – 1 OWi 703 Js 36868/13 – juris) o Messung durch Nachfahren (Provida, standardisiert, OLG Hamm, Beschl. v. 08.01.2008 – 4 Ss OWi 834/07 - juris; Verfolgungsfahrt, kein standardisiertes Messverfahren, OLG Jena, DAR 2011, 413, Vorgaben an Messung: AG Landstuhl, DV 2014, 196; OLG Hamm, Beschl. v. 07.02.2013 – 1 RBs 5/13 – juris) Negativbeispiel: nicht aktuell informierter Verteidiger o Brückenabstandsmessung (standardisiertes Messverfahren?, WegZeit-Messung,

Frames

vs.

Zeit)

(Vorsicht:

Auch

für

Geschwindigkeitsmessung zugelassen, geringerer Toleranzabzug!) (PKW: ausreichende Wegstrecke bei Abstandsverstoß? OLG Hamm, 11

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NZV 2013, 203; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.07.2007 - 1 Ss 197/07 VRR 2007, 322; OLG Köln, Urt. v. 28.03.1984 - 3 Ss 456/83 - zfs 1984, 155; BayObLG, Beschl. v. 02.03.1994 - 2 ObOWi 28/94 - NZV 1994, 241; Aber Vorsicht, neue Rechtsprechung! OLG Hamm, Beschl. v. 22.12.2014 - 3 RBs 264/14 - openJur 2015, 2231) o Toleranzabzug - Toleranzaufschlag (Messsystem, Überholverstoß) o Schutzbereich der Norm bei Rotlichtverstoß (OLG Oldenburg NZV 1993, 446; OLG Hamm, Beschl. v. 17.06.2005 – 1 Ss OWi 223/05 – juris; OLG Oldenburg zfs 1996, 433; OLG Düsseldorf DAR 2000, 127; OLG Hamm, NZV 2013, 512) 

Sonstiges o Messung

durch

Private?

Delegation

möglich

-

ggf.

Beweisverwertungsverbot (BayObLG, NZV 1997, 276; AG Gelnhausen, Beschl. v. 13.03.2014 – 44 OWi - 2285 Js 20682/13 – juris; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2003, 342; OLG Naumburg, Beschl. v. 07.05.2012 2 Ss (Bz) 25/12 - juris; AG Karlsruhe, DAR 2011, 221) o Messung durch Beobachtung? (OLG Köln, DAR 2012, 271; OLG Köln, Beschl. v. 04.03.2011 - III-1 RBs 42/11 - juris; OLG Hamm, NZV 2001, 177; AG Landstuhl, zfs 2011, 474) o Richtlinienverstoß? (OLG Dresden, DAR 2010, 29; OLG Oldenburg, zfs 2014, 353; OLG Celle, NZV 2012, 254) o Verkehrszeichen?

erkennbar

-

keine

Irreführung

-

auch

bei

Rechtswidrigkeit zu beachten (OLG Hamm, zfs 2011, 107; OLG Bamberg, DAR 2012, 475; OLG Jena, DAR 2011, 37; OLG Hamm, DAR 2014, 596) o Notstand? Handeln und Eignung zur Gefahrenabwehr - fehlende Alternative; Voraussetzungen problematisch (OLG Köln NZV 2005, 595; AG Lüdinghausen DAR 2014, 217; OLG Zweibrücken NStZ-RR 1997, 379; OLG Düsseldorf NZV 2008, 470; OLG Bamberg, zfs 2014, 650) - Warnung: Vorsatz!

12

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c) Angriffe auf Rechtsfolgenseite 

Handlungsunwert:

kein

besonders

nachlässiges,

leichtsinniges

oder

gleichgültiges Verhalten o Mitzieheffekt (Rotlicht) (OLG Hamm, NZV 1995, 82) o Frühstarterfälle (Rotlicht) (OLG Karlsruhe, NJW 2003, 3719) o Augenblicksversagen (Rotlicht) (AG Landstuhl, Urt. v. 08.05.2014 - 2 OWi 4286 Js 13040/13 - juris; KG Berlin, Beschl. v. 05.09.2001 - 2 Ss 171/01 - 3 Ws (B) 420/01 - NZV 2002, 50; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.12.2009 - 2 (6) SsBs 558/09 - NZV 2010, 412) o Augenblicksversagen (Geschwindigkeit) (OLG Hamm, DAR 2008, 273; KG Berlin, DAR 2007, 395; OLG Koblenz, NJW 2005, 1061 (Tempomat); OLG Bamberg, zfs 2012, 648 (Probefahrt)) o Irrtumslagen (AG Landstuhl, Urt. v. 22.09.2014 – 2 OWi 4286 Js 13030/13 – juris; OLG Hamm, Beschl. v. 04.02.2003 – 4 Ss OWi 74/03 – juris) o Verstoß gegen Landesrichtlinien (OLG Oldenburg, Beschl. v. 13.1.2014 - 2 SsBs 346/13 - zfs 2014, 353; OLG Celle, DAR 2011, 597) o Geschwindigkeitsüberschreitung

in

Rettungsabsicht

(OLG

Celle,

Beschl. v. 01.10.2014 - 321 SsBs 60/14 - juris) 

Erfolgsunwert: keine objektiv gesteigerte Gefährlichkeit o Mitverschulden des Gefährdeten / Geschädigten, (Rotlichtverstoß mit Unfall, Überholen bei falschem Fahrverhalten des Überholten) o fehlender Pflichtwidrigkeitszusammenhang (Schutzbereich der LZA) o Nicht einmal abstrakte Gefahr (Rotlicht) (KG Berlin, NZV 2010, 361) o nachts und kein Fußgänger in der Nähe (KG Berlin, Beschl. v. 03.02.2014 - 3 Ws (B) 15/14 - juris)



Erforderlichkeit (Erziehungsfunktion) o Verfahrensdauer (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 06.05.2014 - Ss (B) 82/12 - juris); generell zwei Jahre (OLG Celle, Beschl. v. 18.07.2012 – 311 SsBs 82/12 – juris) o aber: Verantwortung für die Verfahrensdauer ist zu bestimmen o Beginn: mit Tatbeendigung, Ende: letzte tatrichterliche Entscheidung o Falsch geschaltete Gelbphase (OLG Braunschweig, DAR 2006, 222) o Falsch / überflüssig positioniertes Verkehrszeichen 13

ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“

o Anrechnung

auf

Fahrerlaubnisentziehung

/

Entzug

im

Verwaltungsrechtsweg 

Verhältnismäßigkeit / Angemessenheit o erhebliche Härten 

Negativ-Voraussetzungen: 

kein Intensivtäter (OLG Hamm, Beschl. v. 06.04.2009 – 3 Ss OWi 237/09 – juris)



Schonmaßnahmen nicht ausreichend (Frist nach § 25 Abs. 2a StVG; Beschränkung auf einzelne Fahrzeugarten)



Hilfsmaßnahmen

des

Betroffenen

nicht

möglich

/

ausreichend (Urlaub; Disposition seit Anordnung im Bußgeldbescheid;

Einstellung

eines

Fahrers;

Kreditaufnahme; ÖPNV; Familienangehörige; Anmietung eines Zimmers; Arbeitsumverteilung) 

Auch Kombination nicht ausreichend (OLG Hamm, Beschl. v. 21.12.2011 – 3 RBs 326/11 – juris; OLG Hamm, DAR 2012, 477)



Aufgabe des Verteidigers: 

Entlastende

Tatsachen

vortragen

und

beweisen

/

dokumentieren (OLG Hamm, NZV 2002, 413; KG Berlin, VRS 123, 64) 

Alternativen und deren Ausschluss für das Gericht vorbereiten (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 29.10.2012 – 3 Ss OWi 1374/12 – juris)



Mandanten

vorbereiten

(keine

Entbindung,

genaue

Schilderung) o Arbeitsplatzverlust / berufliche Nachteile 

übliche Nachteile sind hinzunehmen (längerer Arbeitsweg, finanzieller Mehraufwand



Mit Einvernahme des Arbeitgebers als Zeugen ist zu rechnen, um die Behauptungen des Betroffenen kritisch zu würdigen (OLG Jena, NZV 2008, 372)



Kündigung muss feststehen (OLG Hamm, SVR 2007, 151; OLG Hamm, Beschl. v. 15.08.2006 – 3 Ss OWi 269/06 – juris; OLG 14

ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“

Karlsruhe, Dar 2007, 529) und rechtlich zulässig sein (OLG Brandenburg, NStZ-RR 2004, 93; OLG Hamm, Beschl. v. 19.01.2006 – 3 Ss OWi 851/05 – juris) o Existenzgefährdung 

Angestellter als Fahrer möglich? Direktionsrecht



Prüfung der finanziellen Verhältnisse des Betroffenen / des Betriebs

o andere besondere persönliche Härten 

konkret: Behinderung (OLG Brandenburg, DAR 2004, 658), Krankheit, Betreuungsbedarf eines Angehörigen (OLG Hamm, NZV 2006, 664)



Warnung: Art der Krankheit kann zu verwaltungsrechtlichen Folgen führen!

 

Zusammenspiel mehrerer Härten (OLG Hamm, NZV 2007, 152)

Absehen gegen Erhöhung der Geldbuße o Gericht muss diese Möglichkeit prüfen (OLG Hamm, NZV 1998, 296) o Voraussetzungen (Einsicht, Einräumen der Tat, Aktives Tun, kein Vorsatz, keine einschlägigen Voreintragungen) (Rspr. zum Vorsatz: 1 Schild genügt OLG Koblenz, zfs 2013, 470; Vorsatz ab 40 km/h außerorts OLG Koblenz, zfs 2014, 530) o Grenze der Höhe nach: § 17 OWiG (sonst Aufhebung durch Sachrüge, OLG Köln, Beschl. v. 23.12.2009 – 82 Ss-OWi 113/09 – juris / VRR 2010, 76) o Keine Selbstverständlichkeit - taktisches Vorgehen (Vorbereitung des Mandanten; Kommunikation mit der ZBS / dem Richter; Tilgung von Voreintragungen) o Neu: Verkehrspsychologische Nachschulung (AG Bernkastel-Kues, Urt. v. 21.10.2013 – 8 OWi 8142 Js 18729/13 – juris; AG Mannheim, Beschl. v. 31.07.2013 – 22 OWi 504 Js 8240/13 – juris; AG Niebüll, Urt. v. 24.07.2013 – 6 OWi 110 Js 7682/13 (23/13) – juris; AG Traunstein, Urt. v. 14.11.2013 - 520 OWi 360 Js 20361/13 (2) - juris; AG Landstuhl, Urteil vom 11.9.2014 - 2 OWi 4286 Js 11751/13 - juris)



Aufgabe des Verteidigers: Geeigneter Vortrag (Grund: Strenge Prüfung des Abweichens nach unten vom Regelfahrverbot, OLG Bamberg, zfs 2014, 471; 15

ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“

Ermessen des Gerichts bis zur Grenze des Vertretbaren, OLG Hamm, NZV 2008, 308)

d) Folgeproblem: Vollstreckung des Fahrverbots 

Regelung §§ 89 ff. OWiG, zuständig ist die für das Bußgeld / die Kosten zuständige Vollstreckungsbehörde (Verwaltungsbehörde bei Bußgeld, § 92 OWiG - Staatsanwaltschaft bei Urteil/Beschluss, § 91 OWiG)



Beginn: freiwillige Abgabe des Führerscheins in amtliche Verwahrung („Bringschuld“ des Betroffenen) o Problem: Inverwahrunggabe bei der „falschen“, d.h. unzuständigen Behörde o Lösung: Verwahrzeit wird eingerechnet, §§ 87, 59a Abs. 5 S. 3 StVollstrO (vgl. auch AG Parchim, Beschl. v. 18.12.2012 – 5 OWiG 424/12 – StraFo 2013, 80) o Als taktisches Vorgehen ungeeignet (vgl. Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, S. 529 m.w.N.)



Vollstreckungsende durch Rücksendung / Abholung (Vorsicht: ankündigen!)



Parallelvollstreckung o Problem: keine klare gesetzliche Regelung, vgl. § 25 Abs. 2a S. 2 StVG o gerichtliche Klärung über § 103 OWiG o Konstellationen: 

(1) mehrere privilegierte Fahrverbote



(2) mehrere sofortige Fahrverbote



(3) Mischfall aus (1) und (2)



(4) Fahrverbot während Fahrerlaubnisentziehung

o Lösungen: 

(1) ausdrückliche grds. Regelung: nacheinander zu vollstrecken in der Reihenfolge der Rechtskraft



schafft es der Verteidiger aber, zeitgleich die Rechtskraft mehrerer Verfahren herbeizuführen (z.B. Rücknahme in der Hauptverhandlung bei verbundenen Verfahren; Antritt eines Fahrverbots und am selben Tag Einspruchsrücknahme), kann eine parallele Vollstreckung stattfinden (vgl. AG Tecklenburg, Beschl. v. 28.10.2011 - 10 OWi 403/11 [b] - juris; AG Hattingen 16

ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“

zfs 2012, 233; AG Meißen, DAR 2010, 339; OLG Hamm, NZV 2010,

159;

a.A.

aber

noch

vorhanden,

z.B.

Hentschel/König/Dauer, § 25 StVG, Rn. 30) 

(2) parallele Vollstreckung möglich (vgl. nur AG Dillenburg, Beschluss vom 09.11.2012 – 3 OWi 2 Js 60458/11 - juris; auch mit einem Fahrverbot nach § 44 StGB!, vgl. BayObLG, NZV 1993, 489)



(3) streitig, aber Parallelvollstreckung müsste ebenso möglich sein (vgl. etwa AG Tiergarten, DAR 2014, 406; AG Walsrode, DAR 2013, 95; AG Bremen, NZV 2011, 50; AG Viechtach, DAR 2007, 411; AG Cottbus, Beschl. v. 14.07.2009 – 83 OWi 562/09 – juris; a.A. AG Saarbrücken, Beschl. v. 19.12.2014 – 22 OWi 62 Js 900/14 (394/14) - demnächst in der zfs 2015, Heft 8/9; a.A. nun auch AG Viechtach, Beschl. v. 14.10.2011 – 6 II OWi 818/11 – juris; a.A. weiterhin Hentschel/König/Dauer, s.o.)



(4) keine analoge Anwendung des § 25 Abs. 2a S. 2 StVG zum Nachteil

des

Betroffenen

(vgl.

Krumm,

Fahrverbot

in

Bußgeldsachen, S. 542; OLG Dresden, NZV 1999, 432) o Abgrenzung von Konstellation: 2 Tatbestände mit FV-Androhung verwirklicht (KG Berlin, Beschl. v. 12.12.2014 – 3 Ws (B) 601/14 – juris: nur 1 Fahrverbot im Urteil / BGB)

17

ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“

3. Fehlerquellen im Prozess Literaturhinweise: Krenberger, Das Abwesenheitsverfahren im Bußgeldrecht, zfs 2012, 424-430 Krenberger, Rechtsprechungsübersicht zu §§ 73, 74 OWiG für das Jahr 2012, zfs 2013, 364-368 Krenberger, Altbekanntes und Kuriositäten – Rechtsprechungsübersicht zum Verfahrensrecht in Bußgeldsachen, zfs 2014, 364-369 Krenberger, Rechtsprechungsübersicht zum Ordnungswidrigkeitenrecht für das Jahr 2014, zfs 2015, Heft 7

a) Ladung 

Benennung aller Zeugen und Sachverständigen (OLG Hamm, NZV 1996, 43; OLG Bamberg, zfs 2010, 648; genügt nicht im Bußgeldbescheid, OLG Hamm NZV 2012, 198; KG Berlin, Beschl. v. 25.03.2013 – 3 Ws (B) 61/13 – 122 Ss 25/13 – juris = VRS 124, 303)



nahezu

keine

Beschwerdemöglichkeit

gegen

Terminsbestimmung

(LG

Stuttgart, Urt. v. 29.11.2011 - 17 Qs 99/11 - juris; OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.06.2005 - 5 Ws 81/05 - juris) 

Umgang mit Terminsverlegungsanträgen (keine sachfremden Gründe zur Ablehnung, OLG Hamm, zfs 2010, 649; OLG Naumburg, Beschl. v. 08.10.2012 - 2 Ss (B) 101/12 - juris; OLG Naumburg, zfs 2015, 293; substantiierter Vortrag zum Verlegungsantrag nötig, OLG Schleswig, zfs 2015, 172; Terminkollision beim Verteidiger, OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.2.2014 – 3 Ws 172/14 - juris; Verhältnis zum Anwesenheitsrecht, KG Berlin, Beschl. v. 09.05.2012 - 3 Ws (B) 260/12 - DAR 2012, 395)



Anwesenheitsrecht des Betroffenen, § 73 OWiG (Recht auf Verteidiger seiner Wahl, OLG Naumburg, Beschl. v. 08.10.2012 - 2 Ss (B) 101/12 - juris; zwingende Ladung des gewählten Verteidigers, OLG Celle, NZV 2012, 351)

b) Beweisaufnahme 

Messprotokoll kann nach § 256 StPO verlesen werden (OLG Hamm, Beschl. v. 26.06.2014 - 1 RBs 105/14 - NStZ-RR 2014, 287)

18

ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“



Handyverstoß:

typische

Bewegung

-

Gerät

-

Zeugenerinnerung

(Rechtsprechung zu § 23 Abs. 1a StVO: OLG Hamm, NZV 2007, 483; OLG Jena, zfs 2014, 113; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2015, 56)

c) Beweisanträge 

Grundwissen der StPO (Beweisermittlung, keine negativen Beweistatsachen)



Verhalten vor der Hauptverhandlung



Protokollierung



§ 77a OWiG: Zustimmung - Schweigen



Ablehnungsgründe § 244 StPO - § 77 OWiG



§ 77 OWiG Alternative 1: Voraussetzungen (1) (2) (3) - Unterschied Hauptverhandlung vs. Urteil



§ 77 OWiG Alternative 2: kaum begründbar (OLG Hamm, Beschl. v. 03.02.2015 - 1 RBs 18/15 - juris)

d) Einführung von Beweismitteln 

Differenzierung im Protokoll (OLG Hamm, zfs 2014, 652)



Abgrenzung Inaugenscheinnahme - Verlesung (OLG Hamm, Beschl. v. 20.03.2012 - 3 RBs 438/11 - juris; OLG Bamberg, zfs 2015, 49)



Möglichkeit der Bezugnahme begrenzt (BGH, Urt. v. 02.11.2011 - 2 StR 332/11 - juris; KG Berlin, VRS 126, 102)

e) Hinweise 

Erhöhung der Geldbuße, § 66 OWiG (Grundsatz nein, KG Berlin, NStZ-RR 2015, 23; jurisPR-VerkR 12/2014 Anm. 5; Verdoppelung ja, OLG Hamm, Beschl. v. 13.11.2009 - 3 Ss OWi 622/09 - juris; nochmalige Erhöhung nein, OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.06.2010 - 5 Ss 321/10 - juris)



Fahrverbot - Erhöhung des Fahrverbots (KG Berlin, NZV 2005, 149)



Schuldform („Bußgeldbescheid“, OLG Hamm, Beschl. v. 16.01.2012 - 2 RBs 141/11 - juris; „Vorsatz“, OLG Frankfurt, DAR 2008, 33; „Handyverstoß“, OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.08.2013 - 2 (6) Ss 377/13 AK 98/13 - juris; AG Landstuhl, Urt. v. 02.04.2015 – 2 OWi 4286 Js 1076/15 – juris)

19

ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“

f) Handlungsmöglichkeiten des Verteidigers 

Strafmaßverteidigung vs. Freispruchverteidigung



Kommunikation passend zur Strategie



Vorausschauendes Verhalten



Instrumentarium der Antragstellung (Verlegung, Unterbrechung, Aussetzung nach Hinweis oder Beweisaufnahme, Befangenheit, Beweisantrag, Antrag nach § 238 StPO, Erklärungsrecht nach § 257 StPO, Selbstladung eines Sachverständigen, § 220 StPO)

g) Abwesenheitsverfahren 

Voraussetzungen für Entbindung (Antrag, Vollmacht, Erklärung)



Antragsrecht (Betroffener, Verteidiger, Unterbevollmächtigter, OLG Celle, Beschl. v. 06.10.2010 - 311 SsRs 113/10 - DAR 2010, 708)



Antragszeitpunkt (bis zum Terminsbeginn, OLG Zweibrücken, Beschl. v. 04.08.2011 - 1 SsBs 26/10 - zfs 2011, 708; OLG Naumburg, Beschl. v. 19.10.2010 - 1 Ss (Bz) 74/10 - VRR 2011, 74; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.02.2012 - 2 RBs 13/12 - NStZ-RR 2012, 258; KG Berlin, Beschl. v. 29.07.2014 – 3 Ws (B) 406/14 – juris; OLG Bamberg, zfs 2015, 50)



Vollmacht

(Strafprozessvollmacht

genügt,

OLG

Bamberg,

Beschl.

v.

13.09.2011 - 2 Ss OWi 543/11 - VRR 2011, 472; Unterschrift des Verteidigers genügt, KG Berlin, Beschluss vom 12.06.2013 – 3 Ws (B) 202/13 – juris; s.a. BayObLG, NStZ 2002, 277; OLG Dresden, Beschl. v. 21.8.2012 – 3 Ss 336/12 – juris = StRR 2013, 26; OLG Celle, Beschl. v. 20.01.2014 – 322 SsRs 247/13 – juris / jurisPR-VerkR 13/2014 Anm. 4) 

Zugang des Antrags bei Gericht (i.d.R. Nachforschungspflicht, KG Berlin, Beschl. v. 10.11.2011 - 3 Ws (B) 529/11 - VRR 2012, 195; OLG Hamm, Beschl. v. 22.06.2011 - III-5 RBs 53/11 - DAR 2011, 539; OLG Rostock, VRS 126, 208, „Fürsorgepflicht“)



Ermessensentscheidung des Gerichts (Entbindungspflicht bei Vorliegen der Voraussetzungen!, statt vieler OLG Köln, Beschl. v. 16.10.2012 - 1 RBs 265/12 - NZV 2013, 50; KG, Beschl. v. 08.10.2012 - 3 Ws (B) 574/12 - VRS 124, 36; OLG Bamberg, Beschl. v. 29.08.2012 - 3 Ss OWi 1092/2012 - DAR 2013, 90; LG Wuppertal, Beschl. v. 25.08.2014 – 26 Qs 42/14 – juris; OLG Naumburg, Beschl. v. 05.05.2014 – 2 Ws 76/14 – juris) 20

ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“



Anwesenheitsrecht

verbleibt

(Möglichkeit

zur

Terminsverlegung,

OLG

Koblenz, Beschl. v. 23.10.2013 – 2 SsRs 90/13 – juris) 

Volles Verfahren, kein Verwerfungsurteil zulässig (OLG Hamm, Beschl. v. 25.02.2011 - 2 RBs 146/10 - zfs 2011, 411)



nur Verwertung bekannter Beweismittel (OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.06.2010 - 5 Ss 321/10 - DAR 2010, 590; OLG Bamberg, zfs 2014, 229)



Umgang mit Hinweisen (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.04.2013 – 3 (4) SsRs 153/13 – juris)

h) Verwerfungsurteil 

Wartepflicht des Gerichts 15 Minuten / mehr als 15 Minuten (OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.02.2012 - 2 Ss OWi 21/12 - NZV 2012, 605; KG, Beschl. v. 04.07.2012 - 3 Ws (B) 359/12 - VRS 123, 291 / OLG Bamberg, Beschl. v. 30.03.2012 - 3 Ss OWi 360/12 - DAR 2012, 393; OLG Köln, Beschl. v. 08.07.2013 – 2 Ws 354/13 – juris = jurisPR-VerkR 5/2014 Anm. 5 = StV 2014, 209)



Voraussetzung: Ausbleiben ohne genügende Entschuldigung o Fallgruppe: Rat des Verteidigers (KG, Beschl. v. 09.05.2012 - 3 Ws (B) 260/12 - DAR 2012, 395; OLG Hamm, Beschl. v. 31.01.2013 - 1 RBs 178/12 - juris; LG Berlin, Beschl. v. 12.05.2011 - 506 Qs 55/11 - VRS 121, 144; LG Potsdam, Beschl. v. 3.4.2013 – 24 Qs 51/13 – juris = NStZ-RR 2013, 317; KG Berlin, VRS 127, 164; stets Erscheinenspflicht: LG Limburg, Beschl. v. 19.11.2014 – 1 Qs 129/14, 1 Qs 130/14 – juris) o Fallgruppe: private und berufliche Gründe inkl. Urlaub (OLG Hamm, Beschl. v. 21.02.2012 - 3 RBs 365/11 - VRR 2012, 277; OLG Bamberg, Beschl. v. 07.09.2012 - 2 Ss OWi 834/12 - VRR 2013, 3) o Fallgruppe: hinreichender Nachweis (vor der Hauptverhandlung, mehr als pauschale Angaben, OLG Bamberg, Beschl. v. 28.11.2011 - 3 Ss OWi 1514/11 - juris; KG Berlin, Beschl. v. 16.06.2010 - 3 Ws (B) 203/10 - DAR 2011, 146; OLG Bamberg, Beschl. v. 28.11.2011 - 3 Ss OWi 1514/11 - juris; KG Berlin, Beschl. v. 28.10.2013 – (4) 161 Ss 198/13 (229/13) – juris; nicht: Verhandlungsunfähigkeit, LG Berlin, Beschl. v. 20.05.2011 - 533 Qs 30/11 - VRS 121, 336; OLG Hamm, Beschl. v. 06.09.2011 - 3 RBs 212/11 - NZV 2012, 197) 21

ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“



Kein Verstoß der Norm gegen Art. 6 EMRK (OLG Brandenburg, zfs 2014, 590; OLG Dresden, zfs 2014, 591)



Nachforschungspflicht

des

Gerichts

bzgl.

Übersendung

der

Entschuldigungsgründe (KG Berlin, StraFo 2014, 467; OLG Rostock, VRS 126, 208; einschränkend KG Berlin, NStZ-RR 2014, 382)

i) Sachurteil 

unzureichende Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen, sofern Geldbuße über 250 EUR und kein Regelbußgeld (OLG Hamm, Beschl. v. 13.06.2013 - 1 RBs 72/13 - juris; OLG Hamm, Beschl. v. 20.03.2012 - 3 RBs 441/11 - juris / DAR 2012, 400 / jurisPR-VerkR 2/2013, Anm. 5; urspr.: OLG Dresden, Beschl. v. 10.01.2006 - Ss (OWi) 532/05 - juris / DAR 2006, 222; nunmehr: OLG Dresden, Beschl. v. 09.07.2013 - OLG 24 Ss 427/13 (B) - juris / jurisPR-VerkR 1/2014, Anm. 6; OLG Jena, Beschl. v. 10.11.2004 - 1 Ss 264/04 - juris / zfs 2005, 415; OLG Jena, Beschl. v. 01.09.2011 – 1 Ss Bs 66/11 – juris / VRS 122, 149; OLG Oldenburg, Beschl. v. 29.10.2014 – 2 Ss (OWi) 278/14 - zfs 2015, 113)

Negativbeispiel: OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.02.2015 – 2 Ss OWi 47/15 – zfs 2015, 292 

unzureichende Feststellungen zum Tatgeschehen (OLG Hamm, Beschl. v. 30.08.2012 - 3 RBs 189/12 - juris; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 15.4.2013 – 1 SsBs 14/12 – juris = zfs 2013, 472)



Urteil ohne Gründe / ohne Unterschrift (OLG Hamm, Beschl. v. 10.1.2013 – 3 RBs 296/12 – juris; OLG Schleswig, zfs 2015, 172; ebenso OLG Hamm, Beschl. v. 20.03.2014 – 3 RBs 16/14 – juris; aber kein Zulassungsgrund: OLG Brandenburg, Beschl. v. 21.11.2011 - (1 Z) 53 Ss-OWi 450/11 (246/11) - juris; OLG Hamm, Beschl. v. 05.06.2014 –1 RBs 85/14 – juris)



Urteil muss Bestandteil des Protokolls sein (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 04.07.2013 - Ss (B) 57/13 (57/13 OWi) - juris)



hinreichend identifizierbare Unterschrift (KG Berlin, Beschl. v. 27.11.2013 – 3 Ws (B) 535/13 - juris)



ordnungsgemäße Herausgabe an die StA nach § 41 StPO (BGH, Beschl. v. 08.05.2013 – 4 StR 336/12 – BGHSt 58, 243) 22

ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“

j) Rechtsbeschwerde 

Rechtsbeschwerde als taktisches Instrument



Form und Frist o Fristenlauf (Anwesenheit - Abwesenheit) o Begründung durch Verteidiger (keine distanzierenden Zusätze, OLG Frankfurt, Beschl. v. 01.08.2013 - 2 Ss OWI 565/13 - juris)



Sachrüge und Wiedereinsetzung



Sachrüge vs. Aufklärungsrüge



Sachrüge und Beweiswürdigung



Sachrüge und Zulassungsantrag



Verfahrensrüge und §§ 73, 74 OWiG o Variante 1: Entbindung wurde fehlerhaft nicht gewährt 

Notwendiger Vortrag: Antrag wurde gestellt, Vollmacht lag vor, durch Anwesenheit kein Erkenntnisgewinn (OLG Hamm, Beschl. v. 13.07.2011 - 4 RBs 193/11 - VRR 2011, 394; KG Berlin, Beschl. v. 11.01.2011 - 3 Ws (B) 12/11 - VRS 120, 200; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.12.2010 - 1 SsBs 29/09 - juris; OLG Hamm, zfs 2015, 52 - jurisPR-VerkR 24/2014 Anm. 4)



Eigener Vortrag, § 74 Abs. 1 S. 2 OWiG (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.04.2011 - 3 RBs 52/11 - SVR 2011, 343; OLG Bamberg, Beschl. v. 04.07.2011 - 3 Ss OWi 606/11 - DAR 2012, 88)



Zu beachten: vollständige umfassende Verfahrensrüge, kein Einkopieren (OLG Bamberg, Beschl. v. 04.07.2011 - 3 Ss OWi 606/11 - DAR 2012, 88; BGH, Beschl. v. 14.04.2014 - 2 StR 42/10 - juris)

o Variante 2: Rechtswidriges Verwerfungsurteil, denn Mandant war genügend entschuldigt 

Notwendiger

Vortrag:

Genaue

Angaben

zur

genügenden

Entschuldigung (OLG Hamm, Beschl. v. 06.09.2011 - 3 RBs 212/11 - NZV 2012, 197; OLG Hamm, Beschl. v. 23.08.2012 - 3 RBs 170/12 - VRR 2012, 443) und zur Kenntnis des Gerichts 23

ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“

(KG Berlin, Beschl. v. 28.10.2013 - (4) 161 Ss 198/13 (229/13) juris) 

Fangfrage: Vortrag zur Sache nötig?

o Variante 3: keine volle Verfahrensrüge erforderlich 

Fallgestaltung a) Der übergangene Entbindungsantrag (z.B. OLG Köln, Beschl. v. 22.08.1997 - Ss 483/97 (Z) - VRS 94, 123, 125; OLG Rostock, Beschl. v. 27.04.2011 - 2 Ss (OWi) 50/11 I 63/11 - juris, m.w.N.)



Fallgestaltung b) Das übersehene Entschuldigungsvorbringen (KG Berlin, Beschl. v. 10.03.2011 - 3 Ws (B) 78/11 - NZV 2011, 620; KG Berlin, Beschl. v. 10.11.2011 - 3 Ws (B) 529/11 - VRR 2012, 195; auch OLG Köln, Beschl. v. 04.02.1999 - Ss 45/99 (Z) - NZV 1999, 264)



Fallgestaltung c) (streitig!) Entbindung wird übersehen (e.A.: OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.08.2011 - 2 SsRs 192/11 - NZV 2011, 563; a.A. [volle Verfahrensrüge] OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.06.2014 – (2 Z) 53 Ss-OWi 249/14 (135/14) – juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.04.2011 – IV-3 RBs 52/11, 3 RBs 52/11 – juris)

Auszug aus Rechtsprechungsübersicht, zfs 2015, Heft 7: „…Im Bereich der Rechtsbeschwerde gab es eine bemerkenswerte Entscheidung. Das OLG Brandenburg

fordert, dass die Rüge der Versagung des rechtlichen

Gehörs, die darauf gestützt wird, das Amtsgericht hätte zur Sache verhandeln müssen, weil der Betroffene nach § 73 OWiG entbunden worden war, darzulegen habe, welcher Sachvortrag gemäß § 74 Abs. 1 S. 2 OWiG in die Hauptverhandlung einzuführen

gewesen

wäre

und

infolge

der

Verwerfung

des

Einspruchs

unberücksichtigt geblieben ist. Ansonsten sei Rechtsbeschwerde nicht zulässig erhoben.

Ich halte dies für höchst bedenklich! Denn der Betroffene, der vom

persönlichen Erscheinen entbunden worden war, hat doch schon alles gesagt, was er hätte sagen wollen. Da ist es geradezu absurd, nun von ihm zu verlangen, darzulegen, was er an Sachvortrag hätte vorbringen wollen. Meiner Ansicht nach verkennen hier das OLG Brandenburg und auch das in Bezug genommene OLG Düsseldorf, dass dem Betroffenen durch diese Anforderung das rechtliche Gehör 24

ACE-Verkehrsrechtstag 2015 - „Grundlagen und Aktuelles aus dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht“

bezüglich der von Amts wegen durchzuführenden Prüfung des Tatbestands und der Rechtsfolgen genommen wird. Denn die erspart sich das Gericht durch die „Abkürzung“ in Form des Verwerfungsurteils. Das kann aber nicht sein. Auf diese Weise

könnte

das

Gericht

ja

jedes

Mal

statt

eines

gebotenen

Abwesenheitsverfahrens das Verwerfungsurteil wählen und der Betroffene müsste dann entgegen der Unschuldsvermutung in der Rechtsbeschwerdebegründung vortragen, was er gegen den Tatvorwurf vorzubringen gedacht hätte. Das kann nicht sein. Dennoch muss der Verteidiger sich dieser Besonderheit und regionalen Divergenz gewahr sein. …“ 

Rechtsbeschwerde und rechtliches Gehör o Relevanz? Zulassungsantrag! o Gegeben wenn z.B. Verwerfungsurteil und 

Entbindungsantrag fehlerhaft nicht entsprochen (OLG Hamm, Beschl. v. 13.07.2011 - 4 RBs 193/11 - VRR 2011, 394)



Entbindungsantrag fehlerhaft abgelehnt (OLG Köln, Beschl. v. 16.10.2012 - 1 RBs 265/12 - NZV 2013, 50)



Sachvortrag im Abwesenheitsverfahren nicht berücksichtigt (OLG Bamberg, Beschl. v. 29.08.2012 - 3 Ss OWi 1092/2012 DAR 2013, 90; OLG Dresden, DAR 2014, 708)



und zuvor Terminsverlegungsantrag fehlerhaft abgelehnt (OLG Bamberg, Beschl. v. 04.03.2011 - 2 Ss OWi 209/11 - StraFo 2011,

232;

Gehörsverletzung

auch,

wenn

Antrag

des

Verteidigers zu Unrecht abgelehnt wurde, OLG Hamm, Beschl. v. 12.11.2012 - 3 RBs 253/12 - juris, und OLG Dresden, Beschl. v. 12.2.2013 – Ss 911/12 (Z) – juris = zfs 2013, 530)

25

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