Phonem: Definition und Beispiele

Sprache und Laute 2: Phonologie Phonem: Definition und Beispiele ≠ [p] [tH] [t] Phone – stimmhaft + bilabial + plosiv - aspiriert /t/ Deutsch:...
Author: Cathrin Hermann
3 downloads 2 Views 364KB Size
Sprache und Laute 2: Phonologie

Phonem: Definition und Beispiele

≠ [p]

[tH]

[t]

Phone

– stimmhaft + bilabial + plosiv - aspiriert

/t/

Deutsch: nur ein Phonem

LI 270: EGLing

phonologisch – stimmhaft /p/ + bilabial + plosiv

Phonem  kleinste, bedeutungsunterscheidende (segmentale) lautliche Einheit  eine abstrakte Lautvorstellung, ein idealisierter Laut; kein konkreter Laut!  als Bündel distinktiver Merkmale Konvention: [k] = (konkretes) Phon /k/ = (abstraktes) Phonem phonetisch – stimmhaft [pH] + bilabial + plosiv + aspiriert Thai: zwei Phoneme /t/   /tH/

78

Laute und Minimalpaare

LI 270: EGLing

Ein Minimalpaar ist ein Paar bedeutungsverschiedener Wörter, die sich durch genau e i n e n Sprachlaut unterscheiden: Tisch/Fisch Beil/Bein Hütte/Hülle. Zwei Laute stehen genau dann in phonologischer Opposition zueinander, wenn sie ein Minimalpaar unterscheiden, z.B. [t]/[f] wegen Tisch/Fisch. Diese Laute kontrastieren; ihr Unterschied ist distinktiv. In Opposition stehende Laute haben bedeutungsunterscheidende Funktion. Wenn sie sich jeweils durch genau ein Merkmal unterscheiden, so sind diese Merkmale distinktive Merkmale (wegen [p]/[t] sind „labial“ und „alveolar“ distinktiv). Der gemeinsame Teil eines Minimalpaars ist eine U m g e b u n g z.B. _isch, Bei_, Hü_e; ein Wort mit einer Leerstelle für einen Sprachlaut.

LI 270: EGLing

79

Die unterscheidenden Sprachlaute sind damit als unterschiedliche Phoneme erwiesen.

Vollvokalphoneme des Deutschen nach Minimalpaarmethode (Neef 2005)

80

ak»tiv Au»gust Ca»fé Kan»ton Kon»sum Par»tie Pla»teau Ro»man Sub»jekt per»fekt Te»nor ur»ban

Minimalpaare mit bedeutungsunterscheidendem Akzent (vgl. Neef 2005) »Aktiv »August »Kaffee »Kanton »Konsum »Party »Plato »Roman »Subjekt »Perfekt »Tenor »Urban

Allophone [1]

LI 270: EGLing

81

LI 270: EGLing

Kann ein Phonem durch verschiedene Phone realisiert werden, dann werden diese Phone als Allophone des Phonems bezeichnet. Definition: Allophone sind also Realisierungsvarianten eines Phonems. Sie sind nicht-distinktive Varianten eines Phonems. Man unterscheidet: a) freie Varianten b) stellungsbedingte Varianten

82

Allophone [2]

LI 270: EGLing

a) freie oder fakultative Allophone phonetisch verschiedene Laute, die im Lautsystem äquivalent sind, d.h. beliebig untereinander vertauscht werden können (z.B. [r]/[“]/[{]). Anfangsrand der Silbe: Rand /{ant/ > [{ant], [“ant], [rant] Brand /b{ant/ > [b{ant], [b“ant], [brant]

LI 270: EGLing

83

Weil die phonetischen r-Varianten keine Bedeutungen unterscheiden, werden sie zu einem Phonem /{/ zusammengefasst. > auch die vokalisierte Variante [å] („vokalisiertes R“) Uhr /u{/ > [u˘å], seltener [u˘“] Wirt /vI{t/ > [vIåt] Der Silbenreim /´{/ wird generell als [å] ausgesprochen. Adler /adl´{/ > [a˘dlå]

Allophone [3] b) stellungsbedingte oder kombinatorische Allophone phonetisch verschiedene, aber ähnliche Laute, die n i c h t in derselben lautlichen Umgebung vorkommen können (z.B. [ç]/[x]). > Sie sind Realisierungen eines einzigen Phonems. > Sie sind komplementär verteilt. (komplementäre Verteilung/Distribution) Ihre Verteilung wird durch eine Allophonieregel beschrieben: das standarddeutsche Phonem /x/ wird nach Hinter- und Tiefzungenvokalen durch das Allophon [x] realisiert, sonst durch [ç] (nach Vorder- und Hochzungenvokalen sowie nach Konsonanten). Die standarddeutschen Laute /h/ und /ŋ/ sind zwar komplementär distribuiert, aber keine Allophone voneinander, weil sie nicht phonetisch ähnlich sind.

84

Phonotaktik [1] griech. taksis „Ordnung von Elementen“

LI 270: EGLing

Bereich der Phonologie, der sich mit möglichen und unmöglichen Kombinationen von Segmenten befasst Sie beschäftigt sich …  mit der regelhaften Kombination von Phonemen zu größeren Einheiten.  mit den für eine bestimmte Sprache zugelassenen Laut- oder Phonemkombinationen.

LI 270: EGLing

85

Für jede Sprache gibt es spezifische phonotaktische Regeln, die die Verbindbarkeit von Phonemen in verschiedenen Positionen (An-, In-, Auslaut) beschreiben

Nachdenken… Frage 1: Wo ist im Thai und im Deutschen das Phonem /ŋ/ möglich? Thai:  im An- und Auslaut: [ŋa˘m] [ya˘ŋ] Deutsch  im Auslaut: [saŋ]  niemals im Anlaut! Frage 2: Wo ist im Deutschen die Phonemkombination /pft/ möglich?  im Auslaut (hüpft, schimpft) oder  mit Silbengrenze im Inlaut (hüpfte, Kampftaktik)  niemals im Anlaut!

86

Phonotaktik [2] Zweigliedrige Anlautverbindungen im Deutschen

Phonotaktik [3] Zweigliedrige Auslautverbindungen im Deutschen

> Distributionsbeschränkungen

LI 270: EGLing

87

LI 270: EGLing

88

Die Silbe als Kontext für Regeln Silben sind etwas anderes als Morpheme! Gleiche Anzahl von Silben und Morphemen: Ruf [{u˘f] kind+lich [kInt.lIC] un+glaub+lich [Un.glaUp.lIC] Weniger Silben als Morpheme: ruf+st [{u˘fst] Körn+er+n [kø{.nån] schnell+st+e [SnEl.st´]

Silbe

σ SILBE

Nukleus (Kern)

Reim

LI 270: EGLing

89

LI 270: EGLing

Koda Endrand

Silben haben eine Struktur und setzen sich aus kleineren Teilen zusammen: dem Ansatz, dem Kern und der Koda.

Kopf/Einsatz Anfangsrand

Silbenschale

90

Silbenstruktur

VKKKK

VKKK

VKK

VK

V

du, die

Ernst, impfst

Obst, erst

Ast, ist

Öl, Eck

Ei, ah

KKKVK

KKKV

KKVKKKK

KKVKKK

KKVKK

KKVK

KKV

Strand, Splint

stramm, sprang

Stroh, Spreu

schrumpfst, stampfst

bringst, frierst

Schmerz, Brust

flach, Schlag

Schnee, froh

LI 270: EGLing

KV Tor, Zahn KKKVKK sprichst, streckst

3)

KVK Bild, Mist KKKVKKK strolchst, strampfst

4)

KVKK Furcht, Durst KKKVKKKK

Deutsche Einsilber 1)

2)

KVKKK kämpfst, Herbst

LI 270: EGLing

91

KVKKKK

Silbenaufbau

92

Silbentypen Eine vokalisch anlautende Silbe wird als nackte Silbe bezeichnet. Eine Silbe mit einem Konsonanten im Anlaut heißt bedeckte Silbe. Eine Silbe mit einem Vokal im Auslaut heißt offene Silbe. Eine Silbe mit konsonantischer Koda ist eine geschlossene Silbe.

nackt / offen

Koda

V bedeckt / offen

Kern V

Kopf K

Ei bei V V

nackt / geschlossen bedeckt / geschlossen

K

K K

ein Bein

Phonologische Prozesse und Regeln [1]

/ta˘g/

>

[ta˘k]

LI 270: EGLing

93

LI 270: EGLing

Neutralisierungen sind Prozesse, die eine distinktive Merkmalsopposition unter bestimmten Bedingungen (z.B. in einer bestimmten Silbenposition) aufheben.  Auslautverhärtung:

Im Deutschen sind im Wortauslaut generell nur stimmlose Obstruenten möglich. /d/ > /t/, /b/ > /p/, /g/ > /k/, /z/ > /s/, /v/ > /f/  stimmhafter Obstruent > stimmloser Obstruent  Kontext: Wortauslaut Stimmlosigkeit der Obstruenten im Wortauslaut als generelle Eigenschaft des Deutschen Regel zur Auslautverhärtung: a) [-son, +kons, +sth] > [-son, +kons, -sth] / $ Output in verkürzter Form: b) [-son, +kons, +sth] > [-sth] / _ $ $ = Silbengrenze 94

Phonologische Prozesse und Regeln [2] Assimilation

LI 270: EGLing

Angleichung von Segmenten (lat. assimilare angleichen)  regressiv vs. progressiv  partielle (teilweise) vs. totale (vollständige): Assimilation einzelner bzw. alle Merkmale eines Segments  Kontaktassimilation vs. Fernassimilation: Assimilation unmittelbar benachbarter bzw. nicht unmittelbar benachbarter Segmente hinauf, hinunter, herab, herein Nhd. ['ha:bn̩] > ['ha:bm̩] (> [ha:m̩]) > [ha:m] regressive Nasalassimilation: anbringen [amb], anmachen [amm]; angurten [aNg]

95