Krank im Herzen Psychische Gesundheit im Kontext von Migration

Protokoll der VII. Netzwerkkonferenz der GfE am 30.03.2011 VII. Netzwerkkonferenz der Gesellschaft für Erziehungshilfe am 30. März 2011 im CVJM-Luthe...
Author: Jan Kaufman
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Protokoll der VII. Netzwerkkonferenz der GfE am 30.03.2011

VII. Netzwerkkonferenz der Gesellschaft für Erziehungshilfe am 30. März 2011 im CVJM-Luthersaal (Kiesstr. 3-5, 73728 Esslingen)

„Krank im Herzen“ Psychische Gesundheit im Kontext von Migration PROTOKOLL

Inhalt: A. TeilnehmerInnen B. Teil I (Vormittag) 1. Fachvortrag 2. Offene Frage-/Diskussionsrunde C. Teil II (Nachmittag) Fachforum zur Betrachtung der regionalen Situation mit 3 Stationen D. Ergänzung der GfE zum Ergebnis der NWK

A. TeilnehmerInnen TeilnehmerInnen

Institution

E-Mail

Herr Argyropoulos Herr Auch

Erziehungshilfestelle Filderstadt Erziehungshilfestelle Süd

[email protected] [email protected]

Frau Bagci Frau Bäumler-Hergül

Gemeinwesenarbeit ES-Brühl Christophsbad Göpp. Institutsambulanz

[email protected] [email protected]

Herr Bender Frau Bilen

Bildungszentrum Böblingen Schulpsychologische Beratungsstelle S

[email protected] [email protected]

Herr Briel Frau Burkert-Täuber

Erziehungshilfestelle Süd Sozialer Dienst

[email protected] [email protected]

Frau Claus Herr Daum

Erziehungshilfestelle Süd Sozialer Dienst

[email protected] [email protected]

Frau Dorlach Frau Dr. med. Kuppinger-Said

Erziehungshilfestelle Nord Fachärztin für Allgemeinmedizin

[email protected] [email protected]

Frau Eitmann Frau Engisch

SPFH ZAK Esslingen

[email protected] [email protected]

Frau Feucht Frau Fischer-Espey

Landratsamt ES Familienzentrum Ev. Gartenstadthaus

[email protected] [email protected]

Frau Gajardo

Schulpsychologische Beratungsstelle ES

[email protected]

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Protokoll der VII. Netzwerkkonferenz der GfE am 30.03.2011 Frau Ganz-Hollmann

SPFH

[email protected]

Frau Gebhardt Frau Grames

Haus der Gesundheit Schwäbisch Gmünd [email protected] AOK - Sozialer Dienst [email protected]

Frau Halm Herr Hauenschild

Erziehungshilfestelle Filderstadt Jobcenter ES

[email protected]

Frau Heinkelein Frau Heiss

SPFH Sozialer Dienst

[email protected] [email protected]

Frau Herzhauser Herr Karaman-Keuter

Erziehungshilfestelle Nord SPFH

[email protected] [email protected]

Frau Karcher Frau Kiesling

Beratende Hilfen Erziehungshilfestelle Süd

[email protected] [email protected]

Frau Lutz Frau Meier

Wirtschaftliche Jugendhilfe Projekt 2. Chance

[email protected] [email protected]

Herr Methfessel Frau Micheel

Medizinstudent im Praktikum Erziehungshilfestelle Filderstadt

[email protected] [email protected]

Frau Müller Herr Mütz

Erziehungshilfestelle Nord Erziehungshilfestelle Nord

[email protected] [email protected]

Frau Österle Frau Over

SPFH Sozialer Dienst

[email protected] [email protected]

Herr PD Dr. Dr. Kaiser Frau Pereira

Haus der Gesundheit Schwäbisch Gmünd [email protected] Erziehungshilfestation Plochingen [email protected]

Frau Popescu Frau Prof. Dr. Zöller

Erziehungshilfestelle Süd HS Esslingen

[email protected]

Frau Rada Herr Rieschel

Erziehungshilfestelle Süd Erziehungshilfestelle Süd

[email protected] [email protected]

Frau Sandler Herr Schäfer

Amt für Sozialwesen Sozialer Dienst

[email protected] [email protected]

Frau Schäfer-Dorn Frau Schick-Bräuning

SPFH Erziehungshilfestelle Filderstadt

[email protected] [email protected]

Frau Schneider Herr Schwierzcek

Erziehungshilfestelle Süd Erziehungshilfestelle Nord

[email protected] [email protected]

Herr Singler Frau Stierand

Jugendsozialarbeit Katharinenschule ES [email protected] Haus der Gesundheit Schwäbisch Gmünd [email protected]

Herr Stötzler-Nottrodt Herr Strittmatter

Referat für Mig. u. Int. Schulsozialarbeit Friedrich-Ebert-Schule

Frau Sucko Frau Sulutay

SPFH [email protected] Referat für Mig. u. Int./Mütterzentrum ES [email protected]

Frau Theiss Frau Thomschke

Sozialer Dienst Erziehungshilfestelle Filderstadt

[email protected] [email protected]

Frau Wanner-Kienitz Frau Wildt

AOK - Sozialer Dienst Erziehungshilfestelle Süd

[email protected]

Frau Wolfangel

Erziehungshilfestelle Filderstadt

StudentInnen HS Esslingen Herr Arciprete

Student HS Esslingen

Frau Aygün Herr Bachri

Studentin HS Esslingen Student HS Esslingen

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[email protected] [email protected]

Protokoll der VII. Netzwerkkonferenz der GfE am 30.03.2011 Frau Begen

Studentin HS Esslingen

Herr Brandt Herr Buchwitz

Student HS Esslingen Student HS Esslingen

Herr Erdogan Frau Frigewski

Student HS Esslingen Studentin HS Esslingen

Frau Gacem-Vogt Frau Hasselmann

Studentin HS Esslingen Studentin HS Esslingen

Herr Köhler Frau Kurz

Student HS Esslingen Studentin HS Esslingen

Herr Lepper Frau Maier

Student HS Esslingen Studentin HS Esslingen

Frau Otochina Herr Polat

Studentin HS Esslingen Student HS Esslingen

Herr Rapp Frau Rudel

Student HS Esslingen Studentin HS Esslingen

Frau Scheffe Herr Schlecht

Studentin HS Esslingen Student HS Esslingen

Frau Taggert Herr Trinks

Studentin HS Esslingen Student HS Esslingen

Herr Tsirikiotis

Student HS Esslingen

GfE Frau Aydogan

GfE

[email protected]

Frau Faißt Herr Mack

GfE GfE

[email protected] [email protected]

Frau Mattheis Herr Mielenz

GfE GfE

[email protected] [email protected]

Frau Schierer Frau Schmid

GfE Praktikantin GfE

[email protected] [email protected]

Frau Schonske

Ehemalige Praktikantin GfE

Entschuldigt Frau Braun

Kinder- und Jugendhilfe Neuhausen

Referentin Frau Dipl.-Psych. Dizdar-Yavuz PIA Universitätsklinikum Thübingen

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[email protected]

[email protected]

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B. Teil I (Vormittag): 1. Fachvortrag von Frau Dipl.-Psych. Ebru Dizdar-Yavuz

P sy chische G esundheit im Kontex t v on Mig ration Netzwerk-K onferenz Dipl.-Psych. Ebru Dizdar-Y avuz

30.03.2011

G liederung 1

M enschen mit M igrationshintergrund

2

Psychische S törungen

3

E influssfaktoren auf psychische S törungen bei M igranten

4 5

K rankheitsverständnis von türkischen M igranten A ktueller V ersorgungsstand

6

Zugangsbarrieren

7

M odellprojekte

E inleitung T heoretischer Hintergrund

Zur Praxis

„ Psychische Gesundheit im Kontext von M igration“ – Dipl.-Psych. E. Dizdar-Y avuz

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1 „Migrationshintergrund“ • M igrantengruppen sehr heterogen • Unterschiedliche Definitionen von „ M H“ • Einschränkende Generalisierbarkeit durch starke regionale S treuung bestimmter M igrantenanteile in der B evölkerung

„ Psychische Gesundheit im Kontext von M igration“ – Dipl.-Psych. E. Dizdar-Y avuz

2 P sychische Störungen Fallvignette: 1:

L eberschmerz □ E rfolg der M edikation: organisches L eiden □ M igranten-Rente-Neurose □ Notwendigkeit der türkischen Heimat □ Psychisches Problem übersehen „ Psychische Gesundheit im Kontext von M igration“ – Dipl.-Psych. E. Dizdar-Y avuz

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2 P sychische Störungen • K ulturelle Prävalenzunterschiede? • Unterschiede im symptomatischen K rankheitsbild • V erzerrung durch „ K rankheits- bzw. Gefühlsausdruck“

„ Psychische Gesundheit im Kontext von M igration“ – Dipl.-Psych. E. Dizdar-Y avuz

3 E influssfaktoren • • • • •

S elektionstheorie Healthy-M igrant-Effekt K ulturschock Unterversorgung Grad der A npassung

„ Psychische Gesundheit im Kontext von M igration“ – Dipl.-Psych. E. Dizdar-Y avuz

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3 P sychosoziale R isikofaktoren MIG RAT IONS S PE ZIF IS C HE DE T E RMINANT E N: A ufenthalts- & arbeitsrechtliche B elastungen Unklare Zukunftsperspektive Traumatische E rfahrungen im Herkunftsland E ntwurzelung/Ohnmacht  A uflösung der Familienverbände  Normen- und Wertekonflikte Isolation, Rollenverlust Geringe gesellschaftliche A nteilnahme S prachliche B arrieren

„ Psychische Gesundheit im Kontext von M igration“ – Dipl.-Psych. E. Dizdar-Y avuz

4 Krankheitskonzepte Passiv-externale E instellungen und pessimistischere Krankheitskonzepte bei türkischen vs. deutschen Patienten: schlechtere B ehandlungsergebnisse & chronischere V erläufe

„ Psychische Gesundheit im Kontext von M igration“ – Dipl.-Psych. E. Dizdar-Y avuz

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Protokoll der VII. Netzwerkkonferenz der GfE am 30.03.2011 2. Offene Frage- und Diskussionsrunde mit der Referentin im Anschluss an den Fachvortrag: 1. Statement: Die türkische MigrantInnengruppe ist nicht homogen, es muss zwischen Sunniten, Schiiten, etc. unterschieden werden. Kurden haben einen türkischen Pass, sprechen aber eine andere Sprache, die nichts mit dem Türkischen zu tun hat. Man muss auch zwischen ArbeitsmigrantInnen und Flüchtlingen unterscheiden. Dies alles ist in der Praxis schwer zu differenzieren, muss aber beachtet werden. 2. Frage: Greifen in der Psychotherapie die Konzepte, die wir in Deutschland kennen oder braucht es andere Konzepte für Menschen mit Migrationshintergrund? Antwort Frau Dizdar-Yavuz: Schwierig zu beantworten. Es stellt sich die Frage, ob man diesbezüglich die Menschen mit Migrationshintergrund mit den in-der-Türkeilebenden-Menschen oder mit den MitbügerInnen hier in Deutschland vergleicht. In der Psychotherapie werden aber zunehmend Erfahrungen gesammelt, da die Nachfrage von MigrantInnen nach therapeutischer Begleitung zunimmt. Wichtig ist, dass man den Einzelfall im Blick hat und entsprechende Sensibilität aufbringt. Sicherlich ist Vieles übertragbar und eher ein anderer Zugang gefordert, d.h. dass man den KlientInnen mehr Zeit gibt, um in die Tiefe zu kommen. Die Ziele einer Therapie sind dieselben: Autonomie / Selbständigkeit erreichen. 3. Frage / Statement: Deutschland ist rückständig in Bezug auf seine MigrantInnen. Kulturelle Kompetenz wird in diesem Zusammenhang benötigt. Wer hinterfragt sein eigenes „Krankheitskonzept“? MigrantInnen tun dies ebenso wenig wie die deutsche Bevölkerung. Antwort Frau Dizdar-Yavuz: Es geht darum, sich in der Interaktion mit MigrantInnen über die eigenen Konzepte im Klaren zu sein, damit keine Übertragung bzw. Automatisierung stattfindet. 4. Frage: Welche Unterschiede gibt es in der Systemischen Therapie? Antwort Frau Dizdar-Yavuz: Ich habe zu wenig Erfahrung in der Systemischen Therapie und kann daher hierzu keine Aussage machen. 5. Frage: Warum wandern hoch qualifizierte türkische MigrantInnen in die Türkei ab? Wo liegen die Ursachen für die bei türkischen MigrantInnen vorkommenden Posttraumatischen Belastungsstörungen? Im Herkunftsland oder in Deutschland? Antwort Frau Dizdar-Yavuz: Ich kann die Frage bzgl. der Abwanderung von türkischen AkademikerInnen nicht beantworten, da ich mich mit diesem Thema nicht auseinandergesetzt habe. Die Ursachen für Posttraumatische Belastungsstörungen liegen in der Vergangenheit und können sowohl im Herkunftsland als auch Deutschland entstehen. 6. Frage: Wie ist das Verhältnis von männlichen und weiblichen PatientInnen mit psychischen Störungen und Migrationshintergrund? Antwort Frau Dizdar-Yavuz: Statistisch gesehen neigen Frauen eher zu affektiven Störungen in Form von Depression und Somatisierung: nicht unbedingt über Leid berichtend, eher über Schmerzen klagend. Männer neigen eher zu Substanzkonsum (Drogen, Alkohol) und Depression mit anderem Schwerpunkt - häufig Aggression beinhaltend. 7. Frage: Viele Probleme scheint es auf der strukturellen Ebene zu geben. Z. B. gibt es zu wenige türkische Ärzte, Dolmetscher, etc. Was ist auf der strukturellen Ebene zu tun? -8-

Protokoll der VII. Netzwerkkonferenz der GfE am 30.03.2011 Antwort Frau Dizdar-Yavuz: Dies ist sehr wohl ein Problem. Viele gute Ideen scheitern oft an mangelnder Unterstützung seitens der Politik. In Esslingen wird vergleichsweise viel getan. 8. Frage (Bezug nehmend auf Frage 6): Warum gibt es Unterschiede wie Frauen und Männer reagieren? Antwort Frau Dizdar-Yavuz: Männer finden sehr oft erst in Verbindung mit Verlust ihrer Arbeit den Weg zu professionellen HelferInnen. Durch die Arbeitslosigkeit wird ihr Selbstbild stark erschüttert. Z. B. können sie in der PIA (Psychiatrische Institutsambulanz) Themen und Emotionen einbringen, die sie in der Familie so nicht benennen würden, aus Sorge ihr Gesicht zu verlieren. Bei Frauen sind die Ergebnisse umstritten: nehmen die Patientinnen, die beschriebenen körperlichen Schmerzen tatsächlich in der Form wahr oder gilt die Schilderung von Schmerzen als „legitimer Weg“, um sich an professionelle HelferInnen zu wenden und sich Unterstützung von außen zu holen? 9. Statement (Bezug nehmend auf Frage 5): Warum viele türkische Akademiker abwandern? Weil sie in Deutschland keinen Job finden. Hier werden der „biodeutsche“ mit Namen Müller und Mayer immer noch einem gleich oder besser qualifizierten türkischen Bewerber vorgezogen. MigrantInnen haben hier keine Lobby, MigrantInnen werden für alle Probleme verantwortlich gemacht. Aus meiner Sicht sollte interkulturelle Kompetenz mit sozialer Kompetenz übersetzt werden. Reflexion ist gefragt. Offen sein, zuhören, nicht klassifizieren, nur auf diesem Wege kommt man einander näher. „Projektitis“ hat keine Nachhaltigkeit. 10. Frage: Was halten Sie davon, wenn MigrantInnen mit psychischen Störungen zu einem Heiler oder Prediger gehen? Antwort Frau Dizdar-Yavuz: Dies ist zu respektieren. Man könnte es auch Alternativmedizin nennen. Schwierig ist es, wenn eine Psychotherapie läuft und parallel eine Behandlung bei einem Gelehrten stattfindet ohne Wissen voneinander. 11. Frau Dizdar-Yavuz zu ihrer eigenen Biographie: Mein Vater kam mit 8 Jahren nach Deutschland. Meine Mutter kam später als „Heiratsmigrantin“ nach. So etwa in der 11. Klasse machte ich die Erfahrung, dass türkische Frauen sehr viel Leid und Kummer erleben und ich fragte mich, wo gehen diese Frauen mit ihren Sorgen hin? Bei mir erwachte diesbezüglich der Wunsch, diesen Frauen zu helfen. Nach dem Abitur begann ich ein Psychologiestudium, welches ich 2008 abschloss. 12. Frage: In Ihrem Vortrag gingen Sie darauf ein, dass MigrantInnen mit ihren Werten an ihre „Herkunftszeit“ gebunden sind. Wie kann man dies aufbrechen? Antwort Frau Dizdar-Yavuz: Dahinter steckt v. a. bei der 1. Generation die Angst: „Wenn meine Werte von damals nicht mehr stimmen, dann werden meine Kinder verwestlicht.“ Die Bedenken beziehen sich sowohl auf Unterschiede hinsichtlich der Kultur als auch der Religion. Z. B. die Furcht: „Wenn mein Kind deutsche FreundInnen hat, wird es verwestlicht.“ Wichtig ist daher, dass MigrantInnen durch mehr Erleben und Wissen darüber, wie die deutschen Werte sind bzw. die deutsche Gesellschaft ist, Ängste abbauen können. 13. Frage: In meinem Umfeld gibt es eine türkische Familie. Die Frau hat sich mir gegenüber geöffnet und mitgeteilt, dass es in ihrer Ehe Probleme gebe. Wo und wie findet man in diesem Zusammenhang Angebote für diesen Personenkreis, bspw. türkisch-9-

Protokoll der VII. Netzwerkkonferenz der GfE am 30.03.2011 sprachige Therapeuten oder Berater? Wie kann man diese bekanntmachen um somit die Zugänge zu erleichtern? Antwort Frau Dizdar-Yavuz: Positiv ist schon mal, dass sich die Frau jemandem anvertraut. Insgesamt ist das Angebot in unserer Region für diesen Personenkreis überschaubar. Das Thema Vernetzung der Helfer untereinander ist relativ schwierig und noch verbesserungswürdig. 14. Frage: Die praktische Arbeit mit türkischen Müttern zeigt, dass viele bei HausärztInnen landen, denen viel Vertrauen geschenkt wird. Müsste man stärker mit HausärztInnen kooperieren? Antwort Frau Dizdar-Yavuz: Die Kooperation mit HausärztInnen ist sehr wichtig. In meiner praktischen Arbeit erlebe ich, dass viele HausärztInnen die PIA als Möglichkeit kennen. Für die MitarbeiterInnen der PIA ist es z. B. wichtig zu wissen, weshalb und mit welcher Erwartung die Person an die PIA vermittelt wurde. 15. Frage (Bezug nehmend auf Statement 9): Braucht es nur „Offenheit“ im Umgang mit MigrantInnen, oder doch noch etwas mehr? Antwort des Gefragten aus dem Saal: Nicht unbedingt die Herkunft ist der Grund für Missverständnisse. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Bezug auf MigrantInnen werden sich ändern müssen, Offenheit ist hierfür die wichtigste Voraussetzung. 16. Statement aus dem Saal (zu Frage 15): Gemeinsame Interessen haben heißt nicht, dass Kooperation gut funktioniert. Z. B. haben türkische Lesben und Schwule Schwierigkeiten beim LSVD (Lesben- und Schwulenverband in Deutschland) anzudoggen. 17. Frage: Gibt es Kooperationen zwischen Ärzten/Therapeuten in der Türkei und Deutschland? Antwort Frau Dizdar-Yavuz: Es gibt bspw. einen Arbeitskreis Deutsch-Türkischer Psychologen. Die Vernetzung zwischen Deutschland und der Türkei ist nach meinem Kenntnisstand nicht besonders ausgeprägt. Die Vernetzung innerhalb der Türkei ist hingegen gut. 18. Statement aus dem Saal (zu Frage 15): Ich habe das Gefühl, je mehr man sich mit sozialen / kulturellen Unterschieden beschäftigt, desto mehr ist der Unterschied da. Ich bin „offen“ erzogen worden und aufgewachsen. Seit ich Soziale Arbeit studiere, denke ich viel mehr „ich bin Deutsche, er Türke“. Menschsein sollte normal sein, egal welcher Herkunft und Neigung.

C. Teil II (Nachmittag) : Für die regionale Betrachtung der Situation von MigrantInnen im Kontext von psychischer Gesundheit wurde eine offene Plattform gewählt. Es gab drei Stationen und alle TeilnehmerInnen konnten sich innerhalb dieser drei Stationen frei bewegen (eigentlich waren es vier Stationen mit dem Büffet) und je nach Interesse verweilen und sich in die Diskussion einbringen.

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Protokoll der VII. Netzwerkkonferenz der GfE am 30.03.2011 Station 1: Im Kontext von Migration und psychischer Gesundheit habe ich positiv und hilfreich erlebt • Personen • Institutionen • Herangehensweisen/Methoden (z.B. Offenheit und Neugierde, gleiche Augenhöhe, aber auch keine „Sonderangebote“ sondern Heterogenität fördern) • Sonstiges (Wegweiser, muttersprachliches Infomaterial)

 Es kamen eine Vielzahl an Ressourcen zutage. Dies führt zu der Erkenntnis, dass die Ressourcen im Gemeinwesen ausreichend und vielfältig wären, wenn sie bekannt, vernetzt und somit um vielfaches mehr nutzbar wären.

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Protokoll der VII. Netzwerkkonferenz der GfE am 30.03.2011 Station 2: Im Kontext von Migration und psychischer Gesundheit bin ich • an folgende Grenzen und Widerstände gestoßen… • hätte ich folgendes gebraucht… • wären folgende Strategien hilfreich… • sähe der wünschenswerte Zustand so aus…

 Es ergab sich ein differenziertes Bild. Einerseits wurden die Sprachbarriere und die kulturellen Unterschiede als großes Hindernis genannt. Andererseits wurde auch deutlich, dass es wichtig ist, das scheinbar offensichtliche „Hindernis“ nicht sofort auf professioneller - 12 -

Protokoll der VII. Netzwerkkonferenz der GfE am 30.03.2011 Seite als solches anzunehmen bzw. vorauszusetzen oder zuzulassen, dass MigrantInnen sich sehr schnell darauf zurückziehen (z.B. bei persönlichen Schwierigkeiten nicht sofort kulturellen Konflikt voraussetzen; bei Aggressionen von Jugendlichen nicht sofort die gekränkte Ehre als Erklärung akzeptieren). Trotz der Grenzen die vorherrschen ist es wichtig, kleine Schritte zu gehen und das Machbare anzugehen, unter anderem mit niederschwelligen, auch mehrsprachigen Bildungsangeboten (z.B. Angebot ES-Brühl „mit Häkeln und Stricken wollen wir uns weiterentwickeln“), persönlicher Ansprache im Alltag, einem Wegweiser für bestehende Angebote für MigrantInnen, Offenheit.

Station 3: Netzwerk Migration – Psychische Gesundheit In einem solchen, zeitlich befristeten Netzwerk •

würde ich gerne folgende Themen und Fragestellungen bearbeiten…  Vernetzung, Besonderheiten im Kontext von psychischer Gesundheit bei MigrantInnen, Überblick verschaffen: was gibt es, wo sind Veränderungen erforderlich.



möchte ich nach 1 Jahr dieses Ergebnis bearbeitet haben…  wohnortnahe Anlaufstelle für MigrantInnen bei Problemen (Anlaufstelle bietet zum einen selbst Hilfe oder aber kann an entsprechende Stellen vermitteln), Selbsthilfegruppen



wären diese Personen/Institutionen für das Netzwerk förderlich…



könnte ich diese zeitlichen und fachlichen Ressourcen zur Verfügung stellen…  Impuls, dass die Ergebnisse der NWK in das Netzwerk für Familien eingebracht werden mit dem Vorschlag, dass innerhalb dieses Netzwerkes am Thema Migration und psychische Gesundheit weitergearbeitet wird.

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Protokoll der VII. Netzwerkkonferenz der GfE am 30.03.2011

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D. Ergänzung der GfE zum Ergebnis der NWK Die Ergebnisse der regionalen Betrachtung der Situation von MigrantInnen wird die GfE an folgende zwei Gremien weitergeben: 1. In der NWK entstand die Idee, dass es eine wohnortnahe Anlaufstelle für MigrantInnen geben sollte, die sowohl selbst niederschwellige Beratungsangebote machen kann als auch umfassend über Angebote für MigrantInnen informiert ist und dementsprechend gut im Netzwerk weitervermitteln kann. Eine solche Anlaufstelle zu schaffen geht jedoch weit über die Möglichkeiten eines Arbeitskreises hinaus. Es müsste eine Stelle geschaffen werden. Dies ist jedoch eine politische Angelegenheit und muss deshalb in einem solchen Rahmen diskutiert und ggf. weiterverfolgt werden. Aus diesem Grund wird die GfE um eine Einladung in den Fachrat für Migration und Integration (FMI) der Stadt Esslingen, welcher als beratendes Gremium für den Gemeinderat fungiert, bitten. In diesem Gremium werden wir von der NWK berichten und das Anliegen, dass sich der FMI dem Thema „Anlaufstelle für MigrantInnen“ annimmt und für eine entsprechende Stellenschaffung einsetzt, vortragen. 2. Eine weitere Anregung aus der NWK war, dass das Netzwerk für Familien (NfF) das Thema Migrantenfamilien allgemein und „Psychische Gesundheit von MigrantInnen“ im spezielleren aufgreift und daran weiterarbeitet. Die GfE wird dies beim nächsten Treffen in das NfF einbringen.

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